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Title: Der Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx 1844 bis 1883, Erster Band
Author: Marx, Karl, Engels, Friedrich
Language: German
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FRIEDRICH ENGELS UND KARL MARX 1844 BIS 1883, ERSTER BAND ***

                       Der Briefwechsel zwischen
                     Friedrich Engels und Karl Marx

                              Erster Band



                       Der Briefwechsel zwischen
                     Friedrich Engels und Karl Marx
                             1844 bis 1883


              Herausgegeben von A. Bebel und Ed. Bernstein

                              Erster Band


                             Stuttgart 1921
              Verlag von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H.


      Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.

   (Siehe auch Art. 3 der Übereinkunft zwischen Deutschland und Rußland
            zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst.)

    _Copyright 1919 by J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H. Stuttgart._


       Druck von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H. in Stuttgart.



                                Vorwort.


Friedrich Engels, der treue Arbeits- und Kampfgenosse von Karl Marx, hat
die beiden Unterzeichneten zu Erben seines literarischen Nachlasses
sowie des Briefwechsels zwischen ihm und Karl Marx eingesetzt. Wir
übergeben diesen Briefwechsel, der sich über ungefähr vier Jahrzehnte
erstreckt, nunmehr der Öffentlichkeit. Er wird in den vorliegenden
Bänden bis auf Unwesentliches und Intimitäten, die für weitere Kreise
kein Interesse haben, unverkürzt zum Abdruck gebracht.

Die Unterzeichneten sind überzeugt, daß der Inhalt dieses Briefwechsels
für die spätere Geschichtschreibung sehr wertvolles Material in reicher
Fülle bietet. Von diesem Gedanken geleitet, können sie nur wünschen, daß
die Ausgabe die lebhafteste Aufmerksamkeit sowohl der leitenden
Parteikreise wie der Gelehrtenwelt finde.

Vor allem hat die sozialistisch denkende Welt Anspruch, ein
unverfälschtes Bild von dem Werdegang, dem Fühlen und Denken der
beiden Männer zu erhalten, die als die Begründer des modernen
wissenschaftlichen Sozialismus angesehen werden müssen und die für ihn
als die Sache des Proletariats ihre ganze Persönlichkeit einsetzten.

Was uns die Briefe hierüber mitteilen, liefert zugleich neue, in vielem
selbst Freunde der Verfasser überraschende Beweise dafür, wie sehr Marx
und Engels in all ihrem Tun untrennbare Persönlichkeiten waren, deren
hingebendes Zusammenwirken während Jahrzehnten es allein ermöglichte,
daß jene wissenschaftlichen Leistungen vollbracht wurden, die nachher
als reife Frucht unter der Autorschaft von Karl Marx der Öffentlichkeit
übergeben wurden.

Der Leser begegnet in diesem Briefwechsel einem Freundschaftsverhältnis,
wie es vielleicht in der Geschichte der Menschheit einzig dasteht und
sicher nicht übertroffen worden ist. Man darf nach Kenntnisnahme dieses
Briefwechsels ferner aussprechen, daß der größte Teil der schöpferischen
Arbeiten und wissenschaftlichen Entdeckungen eines Karl Marx ohne die
unermüdliche, nie versagende Mithilfe geistiger und finanzieller Natur
von Friedrich Engels schwerlich das Tageslicht erblickt haben würden.
Und mancherlei Veröffentlichungen, die bis heute auf das Konto von Karl
Marx gingen, sehen wir dem Eingreifen von Friedrich Engels geschuldet,
der dem fast unausgesetzt an schweren Nöten aller Art leidenden Freunde
allezeit in hingebender Bereitwilligkeit zu Hilfe kam, aber der
Öffentlichkeit gegenüber sich bescheiden im Hintergrund hielt.

Als Vertrauensmann der Frau Laura Lafargue, die als literarische Erbin
von Marx ihre Genehmigung zur Veröffentlichung eines Teils des
Briefwechsels zu geben hatte, ist Franz Mehring an der Redaktion
beteiligt gewesen. Auch hat uns N. Rjasanoff durch seine große Sachkunde
wertvolle Dienste geleistet, wofür wir ihm an dieser Stelle unseren Dank
aussprechen.

Schöneberg bei Berlin.

                                            *A. Bebel. Ed. Bernstein.*



                              Anmerkungen.


Bei der Herstellung der Briefe für den Druck wurden folgende Grundsätze
beobachtet:

Der große Wert des Briefwechsels besteht darin, daß er die Ergänzung zu
den von den Verfassern selbst veröffentlichten Schriften und Aufsätzen
bildet, daß aus ihm die Antriebe zur Abfassung und Veröffentlichung
jener Schriften, ihr unmittelbarer und weiterer Zweck ersichtlich
werden, daß er tiefere Einblicke in das geistige Werden, das
wissenschaftliche Arbeiten und politische Wirken der Schreiber gewährt
und damit zum besseren Verständnis ihres Schaffens beiträgt, und daß er
schließlich über die persönlichen Verhältnisse und Schicksale der
Freunde genauere Auskunft gibt, ihre Kämpfe für die Anforderungen des
Daseins, ihre menschlichen Beziehungen, Freundschaften und
Feindschaften, ihre intimeren Urteile über Freunde und Feinde, über
politische, soziale und literarische Vorgänge, den Wandel in
verschiedenen dieser Urteile, kurz jenes Mosaik der Lebensäußerungen uns
unmittelbar vor Augen bringt, dessen Einzelheiten oft unwesentlich
erscheinen, das aber erst in seiner Fülle ein naturtreues Bild der
Menschen erstehen, ihren Charakter, ihre Lebensauffassung und
Lebensführung richtig begreifen läßt.

Im Hinblick auf alles dieses sind die Briefe nur mit geringen Kürzungen
zum Abdruck gebracht worden. Nur wo besonders intime Verhältnisse
behandelt wurden, an die sich kein allgemeineres Interesse irgendwelcher
Art knüpft, wo gleichgültige Dinge über ganz und gar gleichgültige
Personen erwähnt werden, schienen Streichungen gerechtfertigt.
Fortgelassen sind auch hier und dort mißfällige Bemerkungen über dritte
Personen, doch betrifft dies nur solche Äußerungen, die kein politisches
oder wissenschaftliches Urteil einbegriffen, das nicht schon in
vorhergegangenen Briefen deutlich ausgesprochen ist.

Unvermeidlich war dagegen eine gewisse philologische Behandlung der
Briefe, und zwar namentlich der Briefe von Marx. Es handelt sich um den
Gebrauch französischer und englischer Ausdrücke. Die betreffenden
Stellen sind in den Briefen unverändert geblieben, aber in Rücksicht auf
die proletarischen Leser sind den betreffenden Briefen Übersetzungsnoten
beigegeben worden, von denen je nach Bedarf Gebrauch gemacht werden
möge.

Zum zweiten war auch eine gewisse sprachliche Redaktion am deutschen
Text einzelner Briefe nicht zu umgehen. Marx läßt sich zeitweise in
seinen Briefen nicht weniger drastisch aus, als dies der Olympier Goethe
zu tun pflegte, und gelegentlich tut es auch Engels. Es würde aber
durchaus nicht in ihrem Sinn gehandelt sein, wenn die derben Ausdrücke
unverändert im Druck wiedergegeben würden. Denn weder Marx noch Engels
waren etwa doktrinäre Gegner zivilisierter Umgangsformen. Marx äußert
sich vielmehr bei Gelegenheit sehr entrüstet darüber, daß einer seiner
Briefe von den Empfängern unverändert in der „brutalen Sprache von
Briefen“ veröffentlicht worden war. (Es handelt sich um den Brief an den
Braunschweiger Ausschuß der Eisenacher Sozialdemokratie über die
Annexion Elsaß-Lothringens.) Es sind daher Worte, die der deutsche Druck
nun einmal nicht verträgt, durch andere ersetzt worden.

Hinsichtlich der Rechtschreibung wurden, da diese in dem sich über
vierzig Jahre erstreckenden Briefwechsel selbst nicht streng
durchgeführt ist, der Einheit und Einfachheit halber die heute üblichen
Regeln beobachtet. Um den Stil der Verfasser möglichst wenig zu ändern,
wurden Satzflüchtigkeiten, wie sie in hingeworfenen Briefen leicht
unterlaufen, nur dann durch Ergänzungen verbessert, wenn es im Interesse
der Deutlichkeit erfordert zu sein schien, und die ergänzenden Worte
oder Teilworte in griechische Klammern gesetzt. Abkürzungen von Worten
– Gebrauch von Zeichen für Vergleichungsworte und von Ziffern für
Zahlworte usw. – wurden selbstverständlich nicht anders behandelt, wie
regelrechte Kurzschrift behandelt worden wäre, das heißt durch das volle
Wort ersetzt.

Es wird manchem Leser ein Kommentar des Briefwechsels nicht unerwünscht
sein, und es ist auch die Abfassung eines solchen in Aussicht genommen.
Aber da jeder Kommentar notwendigerweise mehr oder weniger Kritik mit
sich bringt, erscheint es angemessen, seine Herausgabe nicht mit der
Ausgabe des Briefwechsels selbst zu verbinden. In dieser sollen nur die
Verfasser das Wort haben.

In den Vorbemerkungen zu den einzelnen Teilen, sowie im Namen- und
Sachregister findet der Leser Nachweise, die ihm die Orientierung über
Menschen und Dinge erleichtern werden.

                                                      *Ed. Bernstein.*



Berichtigungen zum ersten Band


   Seite 93 Zeile 5 von unten: Hinter dieser Zeile ist folgendes
   Satzstück einzuschalten:

   Schreibe auch ein paar Zeilen an M. Bricourt, _membre de la Chambre
   des Représentants_, der sehr gut für Dich in der Kammer aufgetreten
   ist und den Minister auf Maynz’ Ansuchen scharf interpelliert und
   die Enquete wegen der Geschichte durchgesetzt hat. Er ist
   Repräsentant für Charleroi und nach Castiau der beste. Castiau war
   gerade in Paris.

   Seite   95  Zeile  8  von  oben   statt  Sous        ist zu setzen:  Sou.        
     "    117    "    6   "     "      "    Combaux           "         Combreur.   
     "    117    "    7   "     "      "    Ganon             "         Favon.      
     "    222    "    8   "   unten    "    _personel_        "         _personnel_.



                            Erster Abschnitt
                      Die ersten Jahre des Bundes
                             1844 bis 1849


                             Vorbemerkung.

Der Freundschaftsbund zwischen Engels und Marx wurde im Jahre 1844
geschlossen, nachdem seine geistige Grundlage, die Übereinstimmung der
Ideen über den Zusammenhang der sozialistischen Bewegung mit der
Entwicklung der Produktionsverhältnisse und den Klassenkämpfen der
Epoche, sowie die gleiche Stellung zur Bewegung selbst sich in ihren
Beiträgen zu den Deutsch-Französischen Jahrbüchern deutlich angezeigt
und in mündlicher Unterhaltung, die im Sommer 1844 in Paris stattfand,
Bekräftigung gefunden hatte. Es ist äußerst charakteristisch, daß kein
Mitarbeiter der Deutsch-Französischen Jahrbücher sich den darin von Marx
geschichtsphilosophisch niedergelegten Ideen so nahe zeigt als der in
Manchester kommerziell beschäftigte Fabrikantensohn aus Barmen, in dem
Marx anderthalb Jahre vorher einen simplen Radikalen vom Kaliber der
Berliner „Freien“ vermutet hatte. Der Wissensdrang, der bei Engels kaum
weniger stark war als bei Marx, sowie Verbindungen mit der in England
schon eingewurzelten Arbeiterbewegung hatten in Engels den Blick für die
Unzulänglichkeiten des spekulativen Radikalismus geschärft, der sich als
die Krönung der idealistischen deutschen Philosophie gebärdete. Marx
hatte jenen Radikalismus früher durchschaut, und nachdem er in
Frankreich den dortigen Kommunismus und Sozialismus gründlich studiert
hatte, war er praktisch zu fast der gleichen Stellung zur
kommunistischen Arbeiterbewegung gelangt wie Engels. Beide betrachteten
und bezeichneten sich als Kommunisten, weil sie die großen Ziele jener
Bewegung anerkannten und für sie zu wirken sich zur Aufgabe gestellt
hatten. Aber beide konnten es nicht über sich gewinnen, sich einer der
bestehenden Gruppen oder Schulen des Kommunismus anzuschließen, die alle
noch im Fahrwasser der Sektiererei oder der unbestimmten
Menschheitsbeglückung segelten. Die Bewegung aus dem Sektenstadium
herauszubringen erschien als das dringendste Erfordernis, und da in
Deutschland für eine politische Partei die Vorbedingungen fehlten, mußte
der Kampf hier zunächst literarisch-propagandistisch geführt werden.

Darüber waren sich Marx und Engels einig geworden, als dieser im
Spätsommer 1844 Marx in Paris besucht hatte, und mit dem ersten Briefe,
den Engels nach jenem Besuch an Marx geschrieben hat, beginnt unsere
Sammlung. Er ist aus Barmen datiert, wohin Engels sich begeben hatte,
offenbar, um sich mit dem Vater über sein ferneres Leben
auseinanderzusetzen, da er keine Lust hatte, es am Kontortisch
zuzubringen. Der Brief zeigt den Feuergeist des jungen Engels, er wirft
aber auch ein interessantes Streiflicht auf die Verfassung des
öffentlichen Geistes in Deutschland am Vorabend der bürgerlichen
Revolution. Überall stößt der Jünger des Kommunismus in der bürgerlichen
Welt auf Gesinnungsgenossen, überall auf „Kommunisten“, man sollte
meinen, das Evangelium der Menschenverbrüderung wolle Deutschland im
Sturme erobern. Es sollte sich indes zeigen, daß der Kommunismus der
meisten dieser Leichtgewonnenen nur Frucht unbestimmten
Oppositionsdranges war und, als es die Probe zu bestehen galt, ebenso
leicht wieder verflog.

Zu jener Zeit war Marx in Paris Mitarbeiter an der radikalen Zeitschrift
„Vorwärts“, die der Journalist Heinrich Börnstein herausgab. Bald darauf
wurde er mit anderen Mitarbeitern des „Vorwärts“ auf Betreiben der
preußischen Regierung aus Paris ausgewiesen und siedelte nach Brüssel
über. Nach Paris noch ist der folgende Brief von Engels gerichtet, der
das Datum des 19. November 1844 trägt. Er atmet denselben frisch-naiven
Geist wie der erste, ist aber ungleich interessanter. Er zeigt, daß
Marx-Engels sich zwar schon des Unterschieds zwischen ihnen und anderen
deutschen Sozialisten der Epoche bewußt waren, sich aber noch nicht von
letzteren getrennt hatten; daß sie wohl mit ihnen diskutierten, aber
nicht gegen sie polemisierten, sondern zunächst gemeinsam mit ihnen die
Geschosse gegen die unfruchtbare Überkritik der Gebrüder Bauer und
Genossen richteten. Die erste von Marx und Engels gemeinsam gezeichnete
Kampfschrift „Die heilige Familie zu Charlottenburg“ ward eine
Abrechnung mit den Bauers, und hier sehen wir, wie, noch ehe dies Buch
erschien, schon das den Radikalismus der Bauer weit überbietende Produkt
jener Richtung, Stirner-Schmidts „Der Einzige und sein Eigentum“, auf
die Bühne tritt und neue Kritik herausfordert. Engels’ Bemerkungen über
das Buch sind als Merkmale seiner selbständigen Entwicklung
außerordentlich interessant und ebenso, was er über die Stellung des
Moses Heß zu dem Buche sagt. Heß, den Jahren nach und als Sozialist der
ältere, wird noch sehr zart angefaßt, aber seine Methode und Auffassung
werden doch schon entschieden als falsch gekennzeichnet. Allerdings sind
auch Marx-Engels mit der Ausarbeitung ihrer Theorie noch nicht fertig,
spricht doch Engels selbst noch stark die Sprache der von ihnen
bekämpften Philosophenschule. Aber der Sache nach sind seine paar Sätze
über Stirner ungleich schlagender als die breite Polemik, die dann Heß
gegen diesen veröffentlichte.

Auch darin zeichnet sich der zweite Brief vor dem ersten aus, als die
geradezu phänomenale Arbeitslust und Arbeitskraft Engels’ hier viel
drastischer sich kundgibt wie dort. Wohl nimmt es der junge Engels mit
dem zu verarbeitenden Stoff noch verhältnismäßig leicht, aber das bloße
Konstruieren aus dem Kopfe war doch auch damals nicht seine Sache. Und
so kann man nur staunen, wieviel schriftstellerische Arbeit er überzeugt
ist in kürzester Zeit fertigstellen zu können, während er nebenbei hin
und her reist, agitiert und organisiert. Es braucht kaum bemerkt zu
werden, daß der Jung, von dem im Briefe die Rede ist, der spätere
demokratische und schließlich nationalliberale Georg Jung war, und der
List, gegen den Engels eine Broschüre zu schreiben erklärt, der
Schutzzollanwalt Friedrich List war, der damals viel von sich reden
machte.

Einige Briefe aus den ersten Monaten des Jahres 1845 schildern den
Fortgang der Engelsschen Arbeiten, seine literarischen Unternehmungen
und Projekte; die Propaganda in öffentlichen Versammlungen und ihren
Ausgang, sowie die Widerstände, auf die Engels mit seinen Ideen und
Plänen im elterlichen Hause stieß. Im Frühjahr 1845 übersiedelte Engels
nach Brüssel, und der Briefwechsel mit Marx wird damit überflüssig. Im
persönlichen Verkehr arbeiten die Freunde nun ihre Theorie vollständig
aus. Sie verfechten sie kritisch-polemisch gegen den immer mehr ins
Sektiererische verfallenden Kommunismus Weitlings und den halb
polternden und halb sentimentalen Sozialismus einer Reihe von Ganz- oder
Halbakademikern, der im wesentlichen auf radikaler Stimmung und gutem
Willen beruhte, dessen Vertreter aber sich um die materiellen
Vorbedingungen ihrer Umwälzungsideen wenig kümmerten. Marx-Engels selbst
aber standen mit den revolutionären Chartisten Englands und
sozialistischen Demokraten Frankreichs in Verbindung, traten in immer
lebhafteren Verkehr mit führenden Mitgliedern des kommunistischen
Geheimbundes der Gerechten, die sich über die Unzulänglichkeiten von
Weitlings Ideen und Plänen nicht mehr täuschen ließen, sammelten einen
Kreis überzeugter Anhänger um sich und bildeten mit einigen von ihnen in
Brüssel ein freies Komitee zur Verfechtung der gewonnenen Erkenntnis.

Teils an Marx selbst und teils an jenes Komitee, an dessen Spitze Marx
stand, sind die nächsten der hier vorliegenden Briefe gerichtet. In
Paris, dem Stammsitz des Bundes der Gerechten, hatte Karl Grün, wohl der
schriftstellerisch gewandteste Vertreter des oben geschilderten
Gefühlssozialismus, unter den dortigen deutschen Arbeitern Einfluß
gewonnen, so daß zu gewärtigen war, daß der Bruch mit Weitling für einen
Teil der Mitglieder des Bundes der Gerechten nur einen Wechsel vom Regen
der Utopisterei unter die Traufe eines kompaßlosen Radikalismus bedeuten
werde. Dieser Gefahr entgegenzuwirken, war Engels im Juli 1846 nach
Paris gegangen, und wie er sich erfolgreich seiner Mission entledigte,
schildern unter anderem drei Briefe, die er selbst mit dem Bemerken
Komiteebrief I, II und III versehen hat.

Die Briefe geben ein bezeichnendes Bild davon, in welch kleinen Kreisen
sich damals die Bewegung abspielte, und erklären so, warum allerhand
kleinliche Dinge in ihr einen unverhältnismäßig großen Platz in Anspruch
nehmen konnten. Aus den Mitteilungen über die Gruppierung und die
Zusammenkünfte der deutschen Arbeiter in Paris ersieht man unter
anderem, wie das in den Briefen von Engels und später auch von Marx
häufig für Arbeiter gebrauchte Wort „Straubinger“ zu verstehen ist,
nämlich als Bezeichnung für entweder noch stark zünftlerisch denkende
Handwerksgesellen oder für solche Arbeiter, die jedes größeren geistigen
Weitblicks entbehrten und nur Männer der schwieligen Faust als ihnen
zugehörig anerkannten. Die „Barriere“ ist die Zollmauer von Paris; in
den vor ihr gelegenen Wirtschaften hatten schon in den vierziger Jahren
große Gewerksversammlungen französischer Arbeiter stattgefunden.

Hinsichtlich der Personen, die Engels in den Briefen erwähnt, konnte
leider nicht ermittelt werden, wer der intelligente Gesinnungsgenosse
„Junge“ war, der erst nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet wird. Der
Russe Tolstoi war in der Tat ein Agent der russischen Regierung. Ein
ehemaliges Mitglied des Geheimbundes der Dekabristen und Freund des
berühmten Dichters Puschkin, hatte er sich insgeheim der Regierung
verkauft, während er in revolutionären Kreisen noch volles Vertrauen
genoß. Er ist mit dem russischen Steppengutsbesitzer identisch, von dem
dessen Landsmann Annenkow 1883 in seinem Artikel über Marx erzählt hat,
daß er diesem 1846 in Brüssel die feierlichsten Angelobungen gemacht,
nach Rußland zurückgekehrt aber alles schnell vergessen und sein Leben
als feuriger Junggeselle bis zu seinem Ende fortgesetzt habe. Über die
Persönlichkeiten des Brüsseler Kreises berichtet Franz Mehring in der
Vorbemerkung zum siebenten Abschnitt seiner Veröffentlichung „Aus dem
literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand
Lassalle“. Ergänzungen wie auch sonstige Personalnotizen findet der
Leser im Register zu diesen Briefen. Die Mitteilungen über Heinrich
Heine und über die Polemiken der Franzosen sprechen für sich selbst.

Im übrigen geht aus diesen Berichten und einigen in dieselbe Zeit
entfallenden Briefen von Engels an Marx hervor, daß die beiden und ihre
Gesinnungsfreunde schon stark daran waren, die Grundlagen für die
Organisation einer eigenen Partei zu schaffen und als Mittel dazu die
Erweiterung der von ihnen zwanglos herausgegebenen lithographierten
Zirkulare zu einer regelmäßigen Korrespondenz planten, für die an den
verschiedenen Orten kleine, nur aus ganz zuverlässigen Personen
zusammengesetzte Komitees tätig sein sollten.

Wir glauben bei den Lesern dieses Briefwechsels Kenntnis der
vorerwähnten Mehringschen Veröffentlichung voraussetzen und deshalb von
einer Wiederholung der dort zu findenden Angaben über den deutschen
Sozialismus der vierziger Jahre absehen zu dürfen. Es versteht sich von
selbst, daß die scharfen Äußerungen, die in diesen Briefen gelegentlich
über Leute wie Otto Lüning, Hermann Püttmann, Joseph Weydemeyer usw.
fallen, nicht allzu wörtlich oder als endgültige Urteile aufzufassen
sind. So geht es Weydemeyer hier recht schlecht, später aber wird er
einer der treuesten Kampfgenossen von Marx-Engels, wenngleich auch dann
in ihren Briefen manchmal über ihn gewettert wird. Er war, scheint es,
eine etwas schwerfällige Natur, einer jener Menschen, die Zeit brauchen,
sich in eine neue Auffassung hineinzuleben und in einer neuen Situation
sich zurechtzufinden. Bei ihm wie bei seinen engeren Landsleuten Kriege,
Lüning usw. kommt noch die Rückwirkung einer wirtschaftlich sehr
unentwickelten Umgebung hinzu. Fast allen deutschen Sozialisten der
Epoche außer Marx-Engels passierte es, daß, wenn sie sich
literarisch-propagandistisch an ein größeres Publikum wandten, die
proletarische Auffassung in die Brüche ging, weil das Proletariat, dem
sie gepaßt hätte, entweder gar nicht oder nur in sehr schwachen Anfängen
existierte. Es war eben dann unvermeidlich, daß die einen mehr, die
anderen weniger, die einen unversehens, die anderen mit Berechnung die
sozialistische Lehre anderen Gesellschaftsschichten mundgerecht zu
machen suchten und dadurch genötigt waren, ihr einen verschwommenen
Charakter zu geben. Das mußte aber Marx-Engels um so verwerflicher
erscheinen, als sie wiederum zwar sich bewußt waren, daß ein
Proletariat, wie es ihre Theorie voraussetzte, in Deutschland erst als
Ausnahme existierte, aber doch auch für hier eine raschere Entwicklung
der Dinge annahmen, als sie tatsächlich ausfiel. Selbst in England und
Frankreich, die ihnen als historische Wegweiser galten, war die
Arbeiterklasse in Wirklichkeit viel weniger entwickelt, als wie sie
damals ihnen und anderen erschien. Kurz, es bewirkten Unterschiede in
der Schärfe des Denkens mit solchen der Anschauung der Dinge zusammen,
daß den beiden Freunden der Gegensatz zwischen ihrer Auffassung und der
der bezeichneten deutschen Sozialisten stärker erschien als jenen, und
sie sogar für deren Bereitwilligkeit, von ihnen zu lernen, manchmal nur
Spott hatten.

Noch ein Wort über die wegwerfende Behandlung, die Moses Heß in den
Berichten und den nun folgenden Briefen von Engels erfährt. Heß war zwar
als Sozialist älter als Marx-Engels und hatte sogar zeitweise in Brüssel
sich an ihren Arbeiten gegen Feuerbach, Stirner usw. beteiligt, aber
gerade dabei hatte sich immer deutlicher gezeigt, daß seine Art zu
philosophieren und argumentieren ganz und gar nicht die ihrige war, daß
es ihm nicht möglich war, sich aus den Schlingen einer recht sterilen
Begriffsspekulation völlig herauszuarbeiten. Er merkte nicht einmal, daß
die Ausfälle von Marx-Engels über diese Philosophie auch gegen ihn
gingen. So sank er denn immer tiefer in ihrem Ansehen, und da sie ihm
das nicht vorenthielten, ward seine Empfindlichkeit schwer gereizt. Er
war ein Gemisch von Eigensinn und Gutmütigkeit, in seinen
sozialistischen Gesinnungen fest, aber launenhaft in seiner
Betätigungsweise, und so gab es, wie damals zwischen ihm und seiner
Braut und späteren Frau, auch zwischen ihm und Marx-Engels abwechselnd
Krieg und Waffenstillstand. Für immer aber war er ihnen, wie dies aus
Engels’ Bemerkungen hervorgeht, eine wesentlich komische Figur geworden.

In die Zeit der Abfassung der Briefe an das Komitee entfällt auch ein
undatierter Brief von Engels an Marx, der Ende September oder Anfang
Oktober 1846 geschrieben wurde. Er eröffnet mit charakteristischen
kritischen Bemerkungen über Feuerbachs in dem Sammelwerk „Die Epigonen“
erschienene Abhandlung „Das Wesen der Religion“. Es handelt sich um die
Frage, ob diese Schrift noch in dem Werk über die nachhegelsche deutsche
Philosophie, das Marx und Engels in Brüssel zusammen verfaßt hatten,
berücksichtigt werden müsse, und die Bestimmtheit, mit der Engels dies
verneint, sowie die Begründung seines Urteils lassen den Gegensatz ihrer
Geschichtsphilosophie zur Feuerbachschen aufs schärfste hervortreten.
Des weiteren ersieht man aus diesem Brief und aus entsprechenden Stellen
späterer Briefe, wie viel Mühe Marx und Engels es sich kosten ließen,
einen Verleger für ihre philosophische Arbeit zu finden, und auf welche
Hindernisse die Versuche stießen, das nach ihrer Schätzung fünfzig
Druckbogen umfassende Manuskript unterzubringen. Die Ratschläge, die
Engels mit Bezug hierauf dem Freunde gibt, lassen große geschäftliche
Umsicht erkennen. Andere Bemerkungen beziehen sich auf die Polemik mit
dem von Feuerbach her zum Sozialismus gekommenen Hermann Kriege, der
nach Amerika gegangen war, in New York ein Blatt, „Der Volkstribun“,
herausgab, worin er einen verschwommenen Liebeskommunismus predigte,
und, kaum daß Marx-Engels und Freunde ein Rundschreiben gegen seine
Verfaselung des Sozialismus erlassen hatten, in Wilhelm Weitling einen
Verbündeten gegen jene fand. Der von Engels so ironisch behandelte
„große Mäurer“ (das „Zigarrenmännlein“) ist der Dr. German Mäurer, eines
der ältesten Mitglieder der Pariser Emigration.

Zu den Briefen dieser Epoche gehört ferner ein undatiertes
Brieffragment, das sich dem Datum nach genau nicht einordnen ließ, und
von dem auch nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, wer die
Urheber des darin kritisierten Projekts einer Verlagsgenossenschaft
waren. Man wird es wohl in die Zeit zu verlegen haben, wo Engels
wiederholt sich in Paris aufhielt und Marx in Brüssel wohnte, also
zwischen August 1846 und Ende 1847. Und klar ist, daß es sich um einen
Verlag für radikal-demokratische und sozialistische Publikationen
handelte.

Engels’ Brief an Marx vom 23. Oktober 1846 rekapituliert und ergänzt im
wesentlichen nur kurz die Mitteilungen des dritten Briefes an das
Komitee. Die vom 2. November 1846 datierte Anschrift an einen Brief des
C. Fr. Bernays an Marx handelt von zwei verschiedenen Manuskripten. Das
eine scheint das Manuskript irgend einer Abhandlung des Bernays gewesen
zu sein, die Marx vielleicht durchgesehen hatte, mit dem anderen ist das
Manuskript der Kritik der Nachhegelianer gemeint. Jenny war ein
Verlagsbuchhändler in Bern. Den Brief des Bernays an Marx mit
abzudrucken lag kein Anlaß vor. Der Inhalt ist völlig interesselos und
läßt den Schreiber durchaus als das erkennen, als was ihn Engels später
charakterisiert, nämlich als ein Gemisch von Sentimentalität und
Berechnung. Der undatierte, aber offenbar von Ende 1846 herrührende
Brief erklärt sich im wesentlichen selbst. Mit „die Londoner“ waren
zweifellos führende Mitglieder des Londoner deutschen kommunistischen
Arbeitervereins gemeint, die wohl irgend eine Absage oder die Androhung
einer solchen nach Brüssel hatten gelangen lassen. Auch der Brief vom
15. Januar 1847 bedarf keiner besonderen Erläuterung; es geht aus ihm
hervor, daß Marx um jene Zeit einen Besuch in Paris plante. Aus der
Broschüre gegen Proudhon, die Engels erwartete, wurde, wie man weiß, das
Buch „_La Misère de la Philosophie_“; die Briefe von Engels zeigen, wie
sehr diese Streitschrift durch die Agitationen veranlaßt war, die Karl
Grün unter deutschen Arbeitern für Proudhon entfaltete. Wir werden noch
sehen, daß Marx es keineswegs bei der französischen Ausgabe bewenden
lassen wollte. Wenn er mit ihr den Anfang machte, so wird wohl der
Umstand mitbestimmend gewesen sein, daß selbst für das Manuskript gegen
Stirner und Genossen ein Verleger noch nicht gefunden war. Daß es sich
aber bei diesen Schriften nicht nur um literarische Kämpfe handelte,
sondern um unmittelbare Zwecke der praktischen Agitation, zeigt der nun
folgende, vom 9. März 1847 datierte Brief. Es galt nicht nur,
Widersacher aller Art zu entwaffnen, es war auch der schriftstellerische
Tatendrang von Leuten abzuwehren, die sich für Parteigänger hielten oder
ausgaben. Was aus den zwei Broschüren geworden ist, die Engels laut
diesem Brief damals abgefaßt hat, war nicht zu ermitteln. Ebenso bleibt
es Sache der Vermutung, auf welche dieser Broschüren sich die Bemerkung
von Marx in dessen Brief vom 15. Mai 1847 bezog.

Einen neuen Abwehrkampf schildert der nächste Engelssche Brief. Es ist
mehr als ein halbes Jahr verflossen, in London hat die Konferenz des
Bundes der Gerechten stattgefunden, auf der eine Umgestaltung der
Organisation und, als Wahrzeichen der Preisgabe des utopistischen
Grundzugs der alten Doktrin des Bundes, die Umwandlung von dessen Namen
in Bund der Kommunisten beschlossen worden war. Marx ist zur Abwicklung
einer Geldangelegenheit nach Deutschland gereist, und in seiner
Abwesenheit versuchen in Brüssel lebende deutsche Arbeiter und
Sozialisten, die mit dem Verlauf der Dinge unzufrieden waren oder sich
zurückgesetzt fühlten, einen Gegenschlag zu führen. Es ist von geringem
Belang, ob ihre Absichten genau auf das hinausgingen, was der für die
Zeit der Abwesenheit von Marx nach Brüssel übersiedelte Engels auf Grund
der ihm erstatteten Berichte und von Ausplaudereien der Beteiligten
folgerte. Jedenfalls lag ein Versuch vor, den Einfluß ihrer Richtung in
der Arbeiterschaft und bei den belgischen Sozialisten und Demokraten
zurückzudrängen. Das aber mußte schon im Hinblick auf den bevorstehenden
Bundeskongreß, der die endgültige Entscheidung bringen sollte, um jeden
Preis verhindert werden, und es ist interessant, zu vernehmen, mit
welcher Energie Engels sich ins Zeug legt und wie begeistert er vom Sieg
und der Haltung „unsrer Jungens“ spricht, worunter zweifelsohne die
Brüsseler Mitgliedschaft des Bundes der Kommunisten gemeint ist.

Die Gesellschaft, die damals in Brüssel gegründet wurde, nannte sich
„Demokratischer Bund“ – _Association Démocratique_ – und ward von den
Beteiligten durchaus ernst genommen. Marx, für dessen Wahl in den
Vorstand Engels so energisch gesorgt hatte, nahm diese Wahl an und ward
im November 1847 vom Bund als dessen Vertreter zum Internationalen
Meeting der Londoner _Fraternal Democrats_ abgesandt, welche Reise mit
der zum Kongreß des Bundes der Kommunisten zusammenfiel. Engels nennt
einen gewissen Tedesco als Begleiter von Marx, und auch in einigen
späteren Briefen begegnen wir diesem Namen. Es sei daher bemerkt, daß
Viktor Tedesco ein junger Lütticher Anwalt sehr entschieden
sozialistisch-demokratischer Gesinnung war, für die er dann fünf Jahre
in Gefangenschaft zubrachte. Nach seinem Wiedereintritt in die Freiheit
ist er später der liberalen Partei Belgiens beigetreten und einer ihrer
Hauptführer geworden. Aus seiner Feder existiert ein „Katechismus des
Proletariers“. Adolf Bartels, Jakob Kats, L. Jottrand, Jan Pellering
waren belgische Sozialisten, die in der Geschichte der Sozialdemokratie
ihres Landes ehrenvolle Plätze einnehmen. Maynz, Professor an der
Brüsseler Universität, Breyer, Arzt, und Viktor Faider, Advokat, waren
Mitglieder des Demokratischen Bundes; der neben Bricourt als Mitglied
der Deputiertenkammer genannte Castiau war ein ungewöhnlich
charaktervoller und begabter Demokrat, der 1848, als er sich in der
Kammer isoliert sah, der parlamentarischen Laufbahn Valet sagte, und
Philipp Gigot, Beamter im städtischen Archiv, war seit 1846 schon
Mitglied des Kommunistenbundes. Imbert war ein französischer Flüchtling,
der in Marseille ein radikalsozialistisches Blatt herausgegeben hatte.

Von den Personen, die Engels in diesen Briefen sonst noch nennt, sind
die meisten aus der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie bekannt.
Bornstedt war der Herausgeber der Deutschen Brüsseler Zeitung, an der
Marx-Engels und Freunde auf Grund eines Vertrags regelmäßig
mitarbeiteten, und daß dadurch sie ihr den Charakter gaben und nicht er,
mochte seinem Selbstgefühl schon wehe tun. Auch mögen schon damals
Ansätze des Wahnsinns bei ihm vorhanden gewesen sein, dem er 1852 erlag.
Sein schwankendes Verhalten erinnert an das von Moses Heß, der nun auch
wieder in Brüssel ist und dort darin einwilligt, daß die führende
Stellung Marx eingeräumt wird. Heilberg, Schriftsteller und Lehrer, war
ein aus Schlesien gebürtiger Sozialist und Demokrat, der im
Revolutionsjahr 1848 in Deutschland wirkte, dann vor den Verfolgungen
der Reaktion wieder ins Ausland mußte und im Winter 1851/52 in London in
sehr bedrängten Verhältnissen starb. Er war von einem Omnibus überfahren
worden, und Freiligrath sammelte Geld, um des Verunglückten Frau und
Kind nach Deutschland zurückzubefördern. Der Wallau, von dem Engels
schreibt, war damals Schriftsetzer an der Brüsseler Zeitung und hat
später als Oberbürgermeister von Mainz geendet, der mit „B.“ bezeichnete
Bundesgenosse war zweifellos der Schriftsetzer Stephan Born. Von ihm ist
in einem vier Wochen später – etwa am 10. November 1847 – wieder aus
Paris datierten Briefe die Rede. Auf Born setzt Engels für den
bevorstehenden Kommunistenkongreß besondere Hoffnungen, die Born auch
nicht Lügen gestraft hat. Die in französischer Sprache geschriebene
Bemerkung am Schlusse des Briefes zielt auf Artikel von Moses Heß in der
Brüsseler Zeitung hin. Mit der „Drecklawine“ Karl Heinzens ist dessen
Pamphlet „Die teutschen Kommunisten“ gemeint. Die im Anfang des Briefes
geschilderte Verhandlung mit den Leuten von der Réforme und vom Atelier
lassen eine ganze Internationale im Werden ersehen. Das günstige Urteil,
das Engels dort über Louis Blanc fällt, erfährt sehr bald eine Abtönung.

Der in Engels’ Brief vom 15. November 1847 erwähnte Frank war der
Pariser Verleger von Marx’ mittlerweile herausgekommener Schrift
„_Misère de la Philosophie_“, und wie dieser Biedermann durch sein
schlaues Geldmanöver es erreicht hatte, daß das Buch von der Pariser
Presse ignoriert wurde, muß für Marx eine ebenso erbauliche Kunde
gewesen sein, wie die Mitteilung von den Bedenken des guten Flocon gegen
seinen Artikel über die Freihandelsfrage. Die Deputiertenwahl, von der
im Briefe die Rede ist, war die Wahl eines Delegierten für den Londoner
Kommunistenkongreß durch die Pariser Mitgliedschaft des
Kommunistenbundes. Wenn Engels schreibt, er habe „diesmal gar nicht
intrigiert“ und auch keinen Anlaß dazu gehabt, so weicht das von der
Schilderung ab, die Stephan Born in seinen Erinnerungen von dieser Wahl
gibt. Aber man wird Engels, der sich Marx gegenüber stets mit
rückhaltloser Offenheit über seine taktischen Manöver äußerte und im
Augenblick des Vorganges schrieb, unbedingt mehr zu glauben haben als
Born, der fünfzig Jahre später darüber schrieb und einem Groll gegen
Engels Genugtuung verschaffen wollte. Daß Engels sonst bereit war, im
Notfall den Dingen etwas nachzuhelfen, lassen die Briefe zur Genüge
erkennen; wo so Wichtiges auf dem Spiele stand, wäre es auch höchst
doktrinär gewesen, die vertretene Sache der Laune des Zufalls
anheimzugeben. Aus dem nächsten, kurz vor der Fahrt zum
Kommunistenkongreß abgefaßten Brief ist am bedeutendsten die Stelle, die
sich auf die abzufassende Programmschrift des Kommunistenbundes bezieht.
Wir ersehen daraus, daß ein erster Entwurf des Kommunistischen
Manifestes von Friedrich Engels verfaßt wurde und auch der Name auf ihn
zurückgeht. Sonst zeigen dieser Brief und die nächsten Briefe, auf
welche Schwierigkeiten Engels in Paris mit seinen Bemühungen für eine
anständige Besprechung der „_Misère de la Philosophie_“ selbst dort
stieß, wo man am ehesten auf Entgegenkommen hätte rechnen dürfen. Die
Briefe der Freunde aus dem Monat März 1848 beziehen sich hauptsächlich
auf die Ausweisung von Marx und Wilhelm Wolff aus Belgien und die
sonstigen Polizeibrutalitäten, welche die belgische Regierung nach der
Februarrevolution im Interesse der Aufrechterhaltung ihrer Ordnung bei
sich zu Hause ins Werk setzte; auch geben sie ein kleines Stimmungsbild
aus der Zeit zwischen dem Siege der Februarrevolution in Paris und der
Erhebung vom 18. März 1848 in Berlin. Ein sehr charakteristisches
Situationsbild gibt auch Engels’ vom 25. April 1848 datierter Brief aus
Barmen. Er handelt von dem Versuch, für die von Marx-Engels und Freunden
geplante radikal-demokratische Zeitung großen Stils – die dann den
Titel Neue Rheinische Zeitung erhielt – Aktionäre auszutreiben, und
zeigt, wie schnell nun, wo die Dinge ernst zu werden anfingen, jene
Sympathien mit dem Kommunismus sich verflüchtigten, denen Engels vier
Jahre vorher in Barmen-Elberfeld auf Schritt und Tritt begegnet war. Es
dauert zwei Wochen, bis im nächsten Brief Engels die Zeichnung von
vierzehn Aktien melden kann.

Immerhin, die Neue Rheinische Zeitung trat ins Leben, und ihr
Erscheinungsort Köln ward das Zentrum der radikalen Demokratie
Deutschlands. Zugleich aber regnete es bald Verfolgungen über ihre
Redakteure und Parteigänger. Unter anderem ward im September 1848
Verhaftungsbefehl gegen Engels erlassen, und da gleichzeitig der
Belagerungszustand über Köln verhängt wurde, zog es Engels vor, sich
einstweilen durch Weggang ins Ausland der Verhaftung zu entziehen. Er
wandte sich nach Belgien, ging dann über Frankreich in die Schweiz und
arbeitete von dort, wohin ihm Marx Geld und Weisungen schickt, wieder an
der Neuen Rheinischen Zeitung mit. Anfang 1849 kehrt Engels nach Köln
zurück und findet eine ziemlich veränderte Situation vor. Durch Austritt
eines Teils der bürgerlichen Aktionäre gestaltet sich trotz steigender
Verbreitung die finanzielle Lage der Neuen Rheinischen Zeitung recht
schwierig. Es fehlt an Betriebsmitteln, und um solche zu beschaffen
tritt Marx eine Reise zu auswärtigen Gesinnungsfreunden an, worüber wir
etwas aus Marx’ Brief vom 23. April 1849 ersehen. Als im Mai 1849 die
preußische Behörde durch Ausweisung von Marx aus Preußen und Androhung
von Ausweisung und Verhaftung anderer Redakteure der Neuen Rheinischen
Zeitung den Lebensfaden abschnitt, ging Engels bekanntlich
zunächst in die Pfalz und dann nach Baden, um an der dortigen
Reichsverfassungskampagne teilzunehmen. Davon handelt der nächste dieser
Epoche angehörige Brief. Er ist aus Vevey in der Schweiz vom 25. Juli
1849 an Frau Marx gerichtet und zeigt den liebenswürdigen Charakter
Engels’, die rührende Zurücksetzung seiner Person, wo Marx in Betracht
kam, wieder von der schönsten Seite. Wie mit Bezug hierauf spricht auch
sonst dieser Brief im besten Sinne des Wortes für sich selbst. Ebenso
läßt Marx’ Brief an Engels vom 7. Juni 1849 ausgestandene Sorge um den
Freund erkennen. Marx’ aus Paris datierte Briefe berichten von seiner
Drangsalierung durch die französische Regierung, seinen literarischen
Projekten und politischen Hoffnungen. Mit dem Brief Marx’ vom 23. August
1849, der die unmittelbare Übersiedlung nach London anzeigt, endet der
Briefwechsel dieser Epoche. Es beginnen die Jahre des Londoner Exils.


                             1844 bis 1849


                                  1844


                                   1

                                        [Barmen], Ende September 1844.

Lieber Marx!

Du wirst Dich wundern, daß ich nicht früher schon Nachricht von mir gab,
und Du hast ein Recht dazu; indes kann ich Dir auch jetzt noch nichts
wegen meiner Rückkehr dorthin sagen. Ich sitze jetzt hier seit drei
Wochen in Barmen und amüsiere mich so gut es geht mit wenig Freunden und
viel Familie, unter der sich glücklicherweise ein halbes Dutzend
liebenswürdiger Weiber befinden. An Arbeiten ist hier nicht zu denken,
um so weniger, als meine Schwester sich mit dem Londoner Kommunisten
Emil Blank, den Ewerbeck kennt, verlobt hat und jetzt natürlich ein
verfluchtes Rennen und Laufen im Hause ist. Übrigens sehe ich wohl, daß
meiner Rückkehr nach Paris noch bedeutende Schwierigkeiten werden in den
Weg gelegt werden, und daß ich wohl werde auf ein halbes oder ganzes
Jahr mich in Deutschland herumtreiben müssen. Ich werde natürlich alles
aufbieten, um dies zu vermeiden, aber Du glaubst nicht, was für
kleinliche Rücksichten und abergläubische Befürchtungen mir
entgegengestellt werden.

Ich war in Köln drei Tage und erstaunte über die ungeheure Propaganda,
die wir dort gemacht haben. Die Leute sind sehr tätig, aber der Mangel
an einem gehörigen Rückhalt ist doch sehr fühlbar. Solange nicht die
Prinzipien logisch und historisch aus der bisherigen Anschauungsweise
und der bisherigen Geschichte und als die notwendige Fortsetzung
derselben in ein paar Schriften entwickelt sind, so lange ist es doch
alles noch halbes Dösen und bei den meisten blindes Umhertappen. Später
war ich in Düsseldorf, wo wir auch einige tüchtige Kerls haben. Am
besten gefallen mir übrigens noch meine Elberfelder, bei denen die
menschliche Anschauungsweise wirklich in Fleisch und Blut übergegangen
ist; diese Kerls haben wirklich angefangen, ihre Familien wirtschaftlich
zu revolutionieren, und lesen ihren Alten jedesmal den Text, wenn sie
sich unterfangen, die Dienstboten oder Arbeiter aristokratisch zu
behandeln. Und so was ist schon viel in dem patriarchalischen Elberfeld.
Außer dieser einen Clique existiert aber auch noch eine zweite in
Elberfeld, die auch sehr gut, aber etwas konfuser ist. In Barmen ist der
Polizeikommissär Kommunist. Vorgestern war ein alter Schulkamerad und
Gymnasiallehrer bei mir, der auch stark angesteckt ist, und [dies] ohne
daß er irgendwie mit Kommunisten in Berührung gekommen wäre. Könnten wir
unmittelbar aufs Volk wirken, so wären wir bald obendrauf, aber das ist
so gut wie unmöglich, besonders da wir Schreibenden uns still halten
müssen, um nicht gefaßt zu werden. Im übrigen ist es hier sehr sicher,
man kümmert sich wenig um uns, solange wir still sind. Ich bin hier noch
nicht im allergeringsten molestiert worden, und bloß der Oberprokurator
hat sich einmal bei einem unserer Leute angelegentlich nach mir
erkundigt. Das ist alles, was mir bis jetzt zu Ohren gekommen ist.

Hier hat in der Zeitung gestanden, der Bernays sei dort von der hiesigen
Regierung belangt worden und vor Gericht gewesen. Schreibe mir doch, ob
das wahr ist, und auch was die Broschüre macht, sie wird jetzt doch wohl
fertig sein. Von den Bauers hört man hier nichts, kein Mensch weiß was
von ihnen. Dagegen um die Jahrbücher reißt man sich bis auf die heutige
Stunde. Mein Artikel über Carlyle hat mir bei der „Masse“ ein enormes
Renommee verschafft, lächerlicherweise, während den über Ökonomie nur
sehr wenige gelesen haben. Das ist natürlich.

Auch in Elberfeld haben die Herren Pastoren ... gegen uns gepredigt,
vorläufig bloß gegen den Atheismus der jungen Leute, indes hoffe ich,
daß bald auch eine Philippika gegen den Kommunismus folgen werde.
Vorigen Sommer sprach ganz Elberfeld bloß von diesen gottlosen Kerls.
Überhaupt ist hier eine merkwürdige Bewegung. Seit ich fort war, hat das
Wuppertal einen größeren Fortschritt in jeder Beziehung gemacht als in
den letzten fünfzig Jahren. Der soziale Ton ist zivilisierter geworden,
die Teilnahme an der Politik, die Oppositionsmacherei ist allgemein, die
Industrie hat rasende Fortschritte gemacht, neue Stadtviertel sind
gebaut, ganze Wälder ausgerottet worden, und das ganze Ding steht jetzt
doch eher über als unter dem Niveau der deutschen Zivilisation, während
es noch vor vier Jahren tief darunter stand – kurz, hier bereitet sich
ein prächtiger Boden für unser Prinzip vor, und wenn wir erst unsere
wilden, heißblütigen Färber und Bleicher in Bewegung setzen können, so
sollst Du Dich über das Wuppertal noch wundern. Die Arbeiter sind so
schon seit ein paar Jahren auf der letzten Stufe der alten Zivilisation
angekommen, sie protestieren durch eine reißende Zunahme von Verbrechen,
Räubereien und Morden gegen die alte soziale Organisation. Die Straßen
sind bei Abend sehr unsicher, die Bourgeoisie wird geprügelt, mit
Messern gestochen und beraubt; und wenn die hiesigen Proletarier sich
nach demselben Gesetz entwickeln wie die englischen, so werden sie bald
einsehen, daß diese Manier, als _Individuen_ gewaltsam gegen die soziale
Ordnung zu protestieren, nutzlos ist, und als _Menschen_ in ihrer
allgemeinen Kapazität durch den Kommunismus protestieren. Wenn man den
Kerls nur den Weg zeigen könnte! Aber das ist unmöglich.

Mein Bruder ist jetzt Soldat in Köln und wird, solange er unverdächtig
bleibt, eine gute Adresse sein, um Briefe für H[eß] und Komp.
einzuschicken. Einstweilen weiß ich indes seine Adresse selbst noch
nicht genau und kann sie Dir auch nicht angeben. –

Seit ich das Vorstehende schrieb, war ich in Elberfeld und bin wieder
auf ein paar mir früher total unbekannte Kommunisten gestoßen. Man mag
sich hindrehen und hinwenden, wohin man will, man stolpert über
Kommunisten. Ein sehr wütender Kommunist, Karikaturen- und angehender
Geschichtsmaler namens Seel geht in zwei Monaten nach Paris, ich werde
ihn an Euch adressieren, der Kerl wird Euch durch sein enthusiastisches
Wesen, seine Malerei und Musikliebhaberei gefallen und ist sehr gut zu
gebrauchen als Karikaturenmacher. Vielleicht bin ich dann selbst schon
da, das ist aber noch sehr zweifelhaft.

Der Vorwärts kommt in ein paar Exemplaren her, ich habe dafür gesorgt,
daß andere bestellen werden; lasse die Expedition Probeexemplare
schicken nach Elberfeld an Richard Roth, Wilhelm Blank-Hauptmann
_junior_, J. W. Strücker, bayerisch Bierwirt Meyer in der Funkenstraße
(Kommunistenkneipe), und zwar alle durch den kommunistischen Buchhändler
Bädeker daselbst und kuvertiert. Wenn die Kerls erst sehen, daß
Exemplare herüberkommen, so werden sie auch bestellen. Nach Düsseldorf
an Dr. med. W. Müller, nach Köln meinetwegen an Dr. med. D’Ester,
Bierwirt Löllchen, an Deinen Schwager und Ko. Alles natürlich per
Buchhandel und kuvertiert.

Nun sorge dafür, daß die Materialien, die Du gesammelt hast, bald in die
Welt hinausgeschleudert werden. Es ist verflucht hohe Zeit. Ich werde
mich auch tüchtig an die Arbeit setzen und gleich heute wieder anfangen.
Die Germanen sind alle noch sehr im unklaren wegen der praktischen
Ausführbarkeit des Kommunismus; um diese Lumperei zu beseitigen, werde
ich eine kleine Broschüre schreiben, daß die Sache schon ausgeführt ist,
und die in England und Amerika bestehende Praxis des Kommunismus populär
schildern. Das Ding kostet mich drei Tage oder so und muß die Kerls sehr
aufklären. Das habe ich schon in meinen Gesprächen mit den Hiesigen
gesehen.

Also tüchtig gearbeitet und rasch gedruckt. Grüße Ewerbeck, Bakunin,
Guerrier und die anderen, Deine Frau nicht zu vergessen, und schreibe
mir recht bald über alles. Schreibe, falls dieser Brief richtig und
uneröffnet ankommt, unter Kuvert an „J. W. Strücker und Ko., Elberfeld“,
mit möglichst kaufmännischer Handschrift auf der Adresse, sonst an
irgend eine andere Adresse, von denen, die ich Ewerbeck gab. Ich bin
begierig, ob die Posthunde sich durch das damenhafte Aussehen dieses
Briefes täuschen lassen werden.

Nun lebe wohl, lieber Kerl, und schreibe recht bald. Ich bin seitdem
doch nicht wieder so heiter und menschlich gestimmt gewesen, als ich die
zehn Tage war, die ich bei Dir zubrachte. Wegen des zu etablierenden
Etablissements hatte ich noch keine Gelegenheit, Schritte zu tun.

                                                         [Fr. Engels.]


                                   2

[Fragment.]

                                            Barmen, 19. November 1844.

Lieber Marx!

Ich habe vor etwa vierzehn Tagen ein paar Zeilen von Dir und Bernays
erhalten, datiert 8. Oktober, und mit Poststempel Brüssel, 27. Oktober.
Ungefähr um dieselbe Zeit, als Du das Billett schriebst, schickte ich
einen Brief für Dich, adressiert an Deine Frau, ab und hoffe, daß Du ihn
erhalten hast. Um in Zukunft sicher zu sein, daß mit unseren Briefen
kein Unterschleif getrieben wird, wollen wir sie numerieren, mein
jetziger ist also Nr. 2, und wenn Du schreibst, so zeige eben an, bis zu
welcher Nummer Du erhalten hast und ob einer in der Reihenfolge fehlt.

Ich war vor ein paar Tagen in Köln und Bonn. In Köln geht alles gut.
Grün wird Dir von der Tätigkeit der Leute erzählt haben. Heß gedenkt in
vierzehn Tagen bis drei Wochen auch dort hinzukommen, wenn er die
gehörigen Gelder dazu bekommt. Den Bürgers habt Ihr ja jetzt auch da,
und damit ein gehörig Konzilium. Um so weniger werdet Ihr mich nötig
haben und um so nötiger bin ich hier. Daß ich jetzt noch nicht kommen
kann, ist klar, weil ich mich sonst mit meiner ganzen Familie überwerfen
müßte. Zudem hab’ ich eine Liebesgeschichte, die ich auch erst ins reine
bringen muß. Und einer von uns muß jetzt doch hier sein, weil die Leute
alle nötig haben, gestachelt zu werden, um in der gehörigen Tätigkeit zu
bleiben und nicht auf allerhand Flausen und Abwege zu geraten. So ist
zum Beispiel Jung und eine Menge anderer nicht zu überreden, daß
zwischen uns und Ruge ein prinzipieller Unterschied obwaltet, und noch
immer der Meinung, es sei lediglich persönlicher Skandal. Wenn man ihnen
sagt, Ruge sei kein Kommunist, so glauben sie das nicht recht und
meinen, es sei immer schade, daß eine solche „literarische Autorität“
wie Ruge unbedachtsam weggeworfen sei! Was soll man da sagen? Man muß
warten, bis Ruge sich einmal wieder mit einer kolossalen Dummheit
losläßt, damit es den Leuten _ad oculos_ demonstriert werden kann. Ich
weiß nicht, es ist mit dem Jung doch nichts Rechtes, der Kerl hat nicht
Entschiedenheit genug.

Wir haben jetzt überall öffentliche Versammlungen, um Vereine zur Hebung
der Arbeiter zu stiften, das bringt famose Bewegung unter die Germanen
und lenkt die Aufmerksamkeit des Philistertums auf soziale Fragen. Man
beruft diese Versammlungen ohne weiteres, ohne die Polizei zu befragen.
In Köln haben wir die Hälfte des Komitees zur Statutenentwerfung mit
Unsrigen besetzt, in Elberfeld war wenigstens einer drin, und mit Hilfe
der Rationalisten brachten wir in zwei Versammlungen den Frommen eine
famose Schlappe bei; mit ungeheurer Majorität wurde alles Christliche
aus den Statuten verbannt. Ich hatte meinen Spaß daran, wie gründlich
lächerlich sich diese Rationalisten mit ihrem theoretischen Christentum
und praktischen Atheismus machten. Im Prinzip gaben sie der christlichen
Religion vollkommen recht, in der Praxis aber sollte das Christentum,
das nach ihrer eigenen Aussage doch die Basis des Vereins bilde, auch
mit keinem Worte in den Statuten erwähnt werden; die Statuten sollten
alles enthalten, nur nicht das Lebensprinzip des Vereins! Die Kerle
hielten sich aber so steif auf dieser lächerlichen Position, das ich gar
nicht nötig hatte, ein Wort zu sagen, und wir doch solche Statuten
bekamen, wie sie bei den bestehenden Verhältnissen nur zu wünschen sind.
Nächsten Sonntag ist wieder Versammlung, ich kann aber nicht beiwohnen,
weil ich morgen nach Westfalen gehe.

Ich sitze bis über die Ohren in englischen Zeitungen und Büchern
vergraben, aus denen ich mein Buch über die Lage der englischen
Proletarier zusammenstelle. Bis Mitte oder Ende Februar denke ich fertig
zu sein, da ich durch die schwierigste Arbeit, die Anordnung des
Materials, seit acht bis vierzehn Tagen durch bin. Ich werde den
Engländern ein schönes Sündenregister zusammenstellen; ich klage die
englische Bourgeoisie vor aller Welt des Mordes, Raubes und aller
übrigen Verbrechen in Masse an und schreibe eine englische Vorrede dazu,
die ich apart abziehen lassen und an die englischen Parteichefs,
Literaten und Parlamentsmitglieder einschicken werde. Die Kerls sollen
an mich denken. Übrigens versteht es sich, daß ich den Sack schlage und
den Esel meine, nämlich die deutsche Bourgeoisie, der ich deutlich genug
sage, sie sei ebenso schlimm wie die englische, nur nicht so couragiert,
so konsequent und so geschickt in der Schinderei. Sobald ich damit
fertig bin, geht’s an die soziale Entwicklungsgeschichte der Engländer,
die mir noch weniger Mühe kosten wird, weil ich das Material dazu fertig
und im Kopfe geordnet habe, und weil mir die Sache ganz klar ist. In der
Zwischenzeit schreibe ich wohl einige Broschüren, namentlich gegen
_List_, sobald ich Zeit habe.

Du wirst von dem Stirnerschen Buche „Der Einzige und sein Eigentum“
gehört haben, wenn es noch nicht da ist. Wigand schickte mir die
Aushängebogen, die ich mit nach Köln nahm und bei Heß ließ. Das Prinzip
des edlen Stirner – Du kennst den Berliner Schmidt, der in der
Buhlschen Sammlung über die _mystères_[1] schrieb – ist der Egoismus
Benthams, nur nach der einen Seite hin konsequenter, nach der anderen
weniger konsequent durchgeführt. Konsequenter, weil Stirner den
einzelnen als Atheist auch über Gott stellt oder vielmehr als
Allerletztes hinstellt, während Bentham den Gott noch in nebeliger Ferne
darüber bestehen läßt, kurz, weil Stirner auf den Schultern des
deutschen Idealismus steht, in Materialismus und Empirismus
umgeschlagener Idealist, wo Bentham einfacher Empiriker ist. Weniger
konsequent ist Stirner, weil er die Rekonstruierung der in Atome
aufgelösten Gesellschaft, die Bentham bewerkstelligt, vermeiden möchte,
aber es doch nicht kann. Dieser Egoismus ist nur das zum Bewußtsein
gebrachte Wesen der jetzigen Gesellschaft und des jetzigen Menschen, das
letzte, was die jetzige Gesellschaft gegen uns sagen kann, die Spitze
aller Theorie innerhalb der bestehenden Dummheit.

Darum ist das Ding aber wichtig, wichtiger als Heß zum Beispiel es dafür
ansieht. Wir müssen es nicht beiseite werfen, sondern eben als
vollkommenen Ausdruck der bestehenden Tollheit ausbeuten und, _indem wir
es umkehren_, darauf fortbauen. Dieser Egoismus ist so auf die Spitze
getrieben, so toll und zugleich so selbstbewußt, daß er in seiner
Einseitigkeit sich nicht einen Augenblick halten kann, sondern gleich in
Kommunismus umschlagen muß. Erstens ist es Kleinigkeit, dem Stirner zu
beweisen, daß seine egoistischen Menschen notwendig aus lauter Egoismus
Kommunisten werden müssen. Das muß dem Kerl erwidert werden. Zweitens
muß ihm gesagt werden, daß das menschliche Herz von vornherein,
unmittelbar, in seinem Egoismus uneigennützig und aufopfernd ist, und er
also doch wieder auf das hinauskommt, wogegen er ankämpft. Mit diesen
paar Trivialitäten kann man die _Einseitigkeit_ zurückweisen. Aber was
an dem Prinzip wahr ist, müssen wir auch aufnehmen. Und wahr ist daran
allerdings das, daß wir erst eine Sache zu unserer eigenen, egoistischen
Sache machen müssen, ehe wir etwas dafür tun können – daß wir also in
diesem Sinne, auch abgesehen von etwaigen materiellen Hoffnungen, auch
aus Egoismus Kommunisten sind, aus Egoismus _Menschen_ sein wollen,
nicht bloße Individuen. Oder, um mich anders auszudrücken: Stirner hat
recht, wenn er „den Menschen“ Feuerbachs, wenigstens [den] des Wesens
des Christentums verwirft; der Feuerbachsche „Mensch“ ist von Gott
abgeleitet. Feuerbach ist von Gott auf den „Menschen“ gekommen, und so
ist „der Mensch“ allerdings noch mit einem theologischen Heiligenschein
der Abstraktion bekränzt. Der wahre Weg, zum „Menschen“ zu kommen, ist
der umgekehrte. Wir müssen vom Ich, vom empirischen, leibhaftigen
Individuum ausgehen, um nicht, wie Stirner, drin stecken zu bleiben,
sondern uns von da aus zu „dem Menschen“ zu erheben. „Der Mensch“ ist
immer eine Spukgestalt, solange er nicht an dem empirischen Menschen
seine Basis hat. Kurz, wir müssen vom Empirismus und Materialismus
ausgehen, wenn unsere Gedanken und namentlich unser „Mensch“ etwas
Wahres sein sollen; wir müssen das Allgemeine vom Einzelnen ableiten,
nicht aus sich selbst oder aus der Luft _à la_ Hegel.

Das sind alles Trivialitäten, die sich von selbst verstehen, die von
Feuerbach schon einzeln gesagt sind, und die ich nicht wiederholen
würde, wenn Heß nicht – wie mir scheint, aus alter idealistischer
Anhänglichkeit – den Empirismus, namentlich Feuerbachs und jetzt
Stirners, so scheußlich heruntermachte. Heß hat in vielem, was er über
Feuerbach sagt, recht, aber auf der anderen Seite scheint er noch einige
idealistische Flausen zu haben – wenn er auf theoretische Dinge zu
sprechen kommt, geht es immer in Kategorien voran, und daher kann er
auch nicht populär schreiben, weil er viel zu abstrakt ist. Daher haßt
er auch allen und jeden Egoismus und predigt Menschenliebe usw., was
wieder auf die christliche Aufopferung herauskommt. Wenn aber das
leibhaftige Individuum die wahre Basis, der wahre Ausgangspunkt ist für
unsere „Menschen“, so ist auch selbstredend der Egoismus – natürlich
nicht der Stirnersche Verstandesegoismus _allein_, sondern auch der
_Egoismus des Herzens_ – Ausgangspunkt für unsere Menschenliebe, sonst
schwebt sie in der Luft. Da Heß jetzt bald herüberkommt, so wirst Du
selbst mit ihm darüber sprechen können. Übrigens langweilt mich all dies
theoretische Geträtsch alle Tage mehr, und jedes Wort, das man noch über
„den Menschen“ verlieren, jede Zeile, die man gegen die Theologie und
Abstraktion wie gegen den krassen Materialismus schreiben oder lesen
muß, ärgert mich. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn man sich statt
all dieser Luftgebilde – denn selbst der noch nicht realisierte Mensch
bleibt bis zu seiner Realisierung ein solches – mit wirklichen,
lebendigen Dingen, mit historischen Entwicklungen und Resultaten
beschäftigt. Das ist wenigstens das Beste, solange wir noch allein auf
den Gebrauch der Schreibfeder angewiesen sind und unsere Gedanken nicht
unmittelbar mit den Händen oder, wenn es sein muß, mit den Fäusten
realisieren können.

Das Stirnersche Buch zeigt aber wieder, wie tief die Abstraktion in dem
Berliner Wesen steckt. Stirner hat offenbar von den Freien am meisten
Talent, Selbständigkeit und Fleiß, aber bei alledem purzelt er aus der
idealistischen in die materialistische Abstraktion und kommt zu nichts.
Wir hören von Fortschritten des Sozialismus in allen Teilen
Deutschlands, aber von Berlin keine Spur. Diese superklugen Berliner
werden sich noch eine _Démocratie pacifique_[2] auf der Hasenheide
etablieren, wenn ganz Deutschland das Eigentum abschafft – weiter
bringen es die Kerle gewiß nicht. Gib acht, nächstens steht in der
Uckermark ein neuer Messias auf, der Fourier nach Hegel
zurechtschustert, das Phalanstère aus den ewigen Kategorien konstruiert
und es als ein ewiges Gesetz der zu sich kommenden Idee hinstellt, daß
Kapital, Talent und Arbeit zu bestimmten Teilen am Ertrag partizipieren.
Das wird das Neue Testament der Hegelei werden, der alte Hegel wird
Altes Testament, der „Staat“ das Gesetz wird ein „Zuchtmeister auf
Christum“, und das Phalanstère, in dem die Abtritte nach logischer
Notwendigkeit placiert werden, das wird der „neue Himmel“ und die „neue
Erde“, das neue Jerusalem, das herabfährt vom Himmel, geschmückt wie
eine Braut, wie das alles des breiteren in der neuen Apokalypse zu lesen
sein wird. Und wenn das alles vollendet sein wird, dann kommt die
Kritische Kritik, erklärt, daß sie alles in allem ist, daß sie Kapital,
Talent und Arbeit in ihrem Kopfe vereinigt, daß alles, was produziert
sei, durch sie sei und nicht durch die ohnmächtige Masse – und nimmt
alles für sich in Beschlag. Das wird das Ende der Berliner Hegelschen
friedlichen Demokratie sein.

Wenn die Kritische Kritik fertig ist, so schicke mir ein paar Exemplare
kuvertiert und versiegelt auf dem Wege des Buchhandels zu – sie wer
[...] konfisziert werden. Für den Fall, daß Du meinen letzten Brief
nicht erhalten haben solltest, setze ich nochmals her, daß Du mir
entweder [...] für E. junior, Barmen, oder per Kuvert an F. W. Strücker
und Ko., Elberfeld, schreiben kannst. Dieser Brief geht Dir auf einem
Umweg zu.

Nun schreibe aber bald – es sind über zwei Monate, daß ich nichts von
Dir höre –, was macht der Vorwärts? Grüße die Leute alle.

                                                    Dein [Fr. Engels.]

----------

   [1] Geheimnisse. [Es ist Eugen Sues Roman „Die Geheimnisse von
   Paris“ gemeint.]

   [2] Die friedfertige Demokratie. [So bezeichneten sich in den
   vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts diejenigen
   Fourieristen, deren Haupt Victor Considérant war.]


                                  1845


                                   3

                                [Poststempel Barmen, 20. Januar 1845.]

Lieber Marx!

Wenn ich Dir nicht früher geantwortet habe, so liegt das hauptsächlich
daran, daß ich auf den von Dir versprochenen Vorwärts wartete. Da das
Ding indes bis jetzt noch nicht hier ist, so habe ich das Warten
aufgegeben und ebenso das Warten auf die Kritische Kritik, von der ich
weiter gar nichts höre. Was den Stirner betrifft, so bin ich durchaus
mit Dir einverstanden. Als ich Dir schrieb, war ich noch zu sehr unter
dem unmittelbaren Eindruck des Buches befangen, seitdem ich es habe
liegen lassen und mehr durchdenken können, finde ich dasselbe, was Du
findest. Heß, der noch immer hier ist und den ich vor vierzehn Tagen in
Bonn sprach, ist nach einigen Meinungsschwankungen ebendahin gekommen
wie Du; er las mir einen Artikel über das Buch vor, den er bald drucken
lassen wird, worin er, ohne Deinen Brief gelesen zu haben, dasselbe
sagt. Ich habe ihm Deinen Brief dagelassen, weil er noch einiges
benutzen wollte, und muß ihn daher aus dem Gedächtnis beantworten. Was
mein Herüberkommen betrifft, so ist daran kein Zweifel, daß ich in etwa
zwei Jahren dort sein werde, auch bin ich darüber im reinen, daß ich um
jeden Preis nächsten Herbst auf vier bis sechs Wochen herüberkomme. Wenn
die Polizei mir mein Wesen hier legt, so komme ich ohnehin, und wie die
Sachen hier stehen, kann es dem Gesindel alle Tage einfallen, unsereins
zu molestieren. Wir werden an Püttmanns Bürgerbuch sehen, wie weit man
etwa gehen darf, ohne gefaßt oder geschaßt zu werden. – Meine
Liebesgeschichte hat ein Ende mit Schrecken genommen. Erlaß mir die
langweilige Auseinandersetzung, es kann doch nichts mehr helfen, und ich
habe so schon genug mit der Sache durchgemacht. Ich bin froh, daß ich
wenigstens wieder arbeiten kann, und wenn ich Dir den ganzen Bettel
erzählte, wäre ich für den Abend verdorben.

Das Neueste ist, daß Heß und ich vom 1. April an bei Thieme & Butz in
Hagen eine Monatsschrift: „Gesellschaftsspiegel“ herausgeben und darin
die soziale Misere und das Bourgeoisieregime schildern werden.
Prospektus usw. nächstens. Einstweilen wird es gut sein, wenn sich der
poetische „Ein Handwerker“ die Mühe geben will, uns aus der _dortigen_
Misere Material zuzuschicken. Besonders einzelne Fälle, das klappt für
den auf den Kommunismus vorzubereitenden Philister. Das Ding kann mit
wenig Mühe redigiert werden, für Material, um monatlich vier Bogen zu
füllen, werden sich Mitarbeiter genug finden – wir haben wenig Arbeit
dabei und können viel wirken. Außerdem wird Püttmann bei Leske eine
Vierteljahrsschrift: Rheinische Jahrbücher überzensurgroß erscheinen
lassen, worin lauter Kommunismus erscheinen soll. Du kannst Dich wohl
auch dabei beteiligen. Es schadet ohnehin nichts, wenn wir einen Teil
unserer Arbeiten zweimal – erst in einer Zeitschrift und dann apart und
im Zusammenhang – drucken lassen; die verbotenen Bücher zirkulieren
doch weniger frei, und wir haben so doppelte Chance zu wirken. Du
siehst, wir haben hier in Deutschland genug zu tun, um alle diese
Geschichten mit Stoff zu versehen und dabei doch größere Sachen
auszuarbeiten – aber wir müssen doch klotzen, wenn wir was zustande
bringen wollen, und da ist’s gut, wenn’s einem etwas auf den Fingern
brennt. Mein Buch über die englischen Arbeiter wird in vierzehn Tagen
bis drei Wochen fertig, dann nehme ich mir vier Wochen Zeit für kleinere
Sachen, und dann gehe ich an die historische Entwicklung Englands und
des englischen Sozialismus.

Was mir einen aparten Spaß macht, ist diese Einbürgerung der
kommunistischen Literatur in Deutschland, die jetzt ein _fait
accompli_[1] ist. Vor einem Jahre fing sie an, sich außer Deutschland in
Paris einzubürgern, eigentlich erst zu entstehen, und jetzt sitzt sie
dem deutschen Michel schon auf dem Nacken. Zeitungen, Wochenblätter,
Monats- und Vierteljahrsschriften und eine heranrückende Reserve von
schwerem Geschütz ist alles in bester Ordnung. Es ist doch verflucht
rasch gegangen! Die Propaganda unterderhand war auch nicht ohne Früchte
– jedesmal, wenn ich nach Köln, jedesmal, wenn ich hier in eine Kneipe
komme, neue Fortschritte, neue Proselyten. Die Kölner Versammlung hat
Wunder getan – man entdeckt allmählich einzelne kommunistische Cliquen,
die sich ganz im stillen und ohne unser direktes Zutun entwickelt haben.
– Auch das Gemeinnützige Wochenblatt, das früher mit der Rheinischen
Zeitung zusammen ausgegeben [wurde], ist jetzt in unseren Händen.
D’Ester hat es übernommen und wird sehen, was zu machen ist. Was uns
jetzt aber vor allem not tut, sind ein paar größere Werke, um den vielen
Halbwissenden, die gern wollen, aber nicht allein fertig werden können,
einen gehörigen Anhaltspunkt zu geben. Mache, daß Du mit Deinem
nationalökonomischen Buche fertig wirst, wenn Du selbst auch mit vielem
unzufrieden bleiben solltest, es ist einerlei, die Gemüter sind reif,
und wir müssen das Eisen schmieden, weil es warm ist. Meine englischen
Sachen werden zwar auch ihre Wirkung nicht verfehlen, die Tatsachen sind
zu schlagend, aber trotzdem wollte ich, daß ich die Hände freier hätte,
um manches auszuführen, was für den jetzigen Augenblick und die deutsche
Bourgeoisie schlagender und wirksamer wäre. Wir theoretischen Deutschen
– es ist lächerlich, aber ein Zeichen der Zeit und der Auflösung des
Nationaldrecks – können noch gar nicht zur Entwicklung unserer Theorie
kommen, wir haben noch nicht einmal die Kritik des Unsinns publizieren
können. Jetzt ist aber hohe Zeit. Darum mache, daß Du vor April fertig
wirst, mach’s wie ich, setze Dir eine Zeit, bis wohin Du positiv _fertig
sein willst_, und sorge für einen baldigen Druck. Kannst Du es da nicht
drucken lassen, so laß in Mannheim, Darmstadt oder so drucken. Aber
heraus muß es bald.

Daß Du die Kritische Kritik bis auf zwanzig Bogen ausgedehnt, ist mir
allerdings verwunderlich genug gewesen. Es ist aber ganz gut, es kommt
so vieles schon jetzt an den Mann, was sonst wer weiß wie lange noch in
Deinem Sekretär gelegen hätte. Wenn Du aber meinen Namen auf dem Titel
hast stehen lassen, so wird das sich kurios ausnehmen, wo ich kaum
anderthalb Bogen geschrieben habe. Wie gesagt, habe ich von dem Löwental
noch nichts gehört, auch nichts vom Erscheinen des Buches, auf das ich
natürlich sehr begierig bin. – Gestern bekam ich den Vorwärts, von dem
ich seit meiner Abreise nichts gesehen. Einige Witze von Bernays haben
mich köstlich amüsiert, der Kerl kann einem so ein recht gründliches
Lachen abgewinnen, was mir sonst beim Lesen selten passiert. Sonst ist
es freilich schlecht und nicht interessant und belehrend genug, als daß
viele Deutsche es auf die Dauer halten sollten. Wie steht es jetzt
äußerlich, und ist es wahr, was ich in Köln höre, daß es in eine
Monatsschrift verwandelt werden soll? Wir sind hier so fürchterlich mit
Arbeit überladen, daß von hier aus nur gelegentlich Beiträge kommen
können. Ihr müßt Euch dort auch angreifen. Schreibe doch alle vier bis
sechs Wochen einen Artikel dafür, laß Dich nicht von Deiner Stimmung
„maßregeln“. Warum schreibt Bakunin nichts, und warum ist der Ewerbeck
nicht dazu zu kriegen, daß er wenigstens trivial schreibt? Der arme
Bernays wird jetzt wohl im Brummstall sitzen, grüße ihn von mir und laß
ihn sich den Dreck nicht zu sehr zu Herzen nehmen, zwei Monate gehen
auch herum, obwohl es scheußlich genug ist. Was machen überhaupt die
Bengels? Du schreibst gar nichts darüber. Ist Guerrier wieder dort,
schreibt Bakunin französisch? Was treibt die ganze Bande, die im August
jeden Abend den Quai Voltaire frequentierte? Und was fängst Du
eigentlich an? Wie geht’s mit Deiner Stellung dort? Wohnt Fouine noch
unter Deinen Füßen? Fouine hat sich ja neulich wieder im Telegraphen
losgelassen. Wie sich von selbst versteht, über den Patriotismus. Es ist
groß, wie er den zu Tode reitet, wie ihm alles wurst ist, wenn es ihm
nur gelingt, den Patriotismus zu vernichten. Wahrscheinlich war das des
Pudels Kern, den er Fröbeln nicht geben wollte. Die deutschen Zeitungen
ließen neulich Fouine nach Deutschland zurückkehren wollen. Wenn’s wahr
ist, so gratuliere ich, aber es kann nicht wahr sein, er müßte sich ja
zum zweitenmal zur Anschaffung eines Omnibus mit Abtritt verstehen, und
das geht doch nicht.

Ich sprach neulich einen, der von Berlin kam. Die Auflösung des _caput
mortuum_[2] der Freien scheint vollständig zu sein. Außer den Bauers
scheint auch Stirner keinen Umgang mehr mit ihnen zu haben. Der kleine
Rest, Meyen, Rutenberg und Konsorten lassen sich durch nichts stören,
gehen wie vor sechs Jahren täglich 2 Uhr nachmittags zu Stehely und
klugscheißen über die Zeitungen. Jetzt sind sie aber doch schon bei der
„Organisation der Arbeit“ angelangt, und dabei wird’s bleiben. Auch Herr
Nauwerk scheint diesen Schritt gewagt zu haben, denn er eifert ja in
Volksversammlungen. Ich sagte Dir ja, die Leute werden alle _Démocrates
pacifiques_[3]. Dabei haben sie die Klarheit usw. unserer Artikel in den
Jahrbüchern sehr „anerkannt“. Wenn mich nächstens mal wieder der Teufel
reitet, so setze ich mich mit dem kleinen Meyen in Korrespondenz, man
kann möglicherweise Spaß _von_ den Kerls haben, wenn auch keinen Spaß
_an_ ihnen. Ohnehin fehlt einem hier alle Gelegenheit, seinen Übermut
von Zeit zu Zeit auszulassen, denn ich führe Dir hier ein Leben, wie es
der glänzendste Philister nur verlangen kann, ein stilles und geruhiges
Leben in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, sitze auf meinem Zimmer und
arbeite, gehe fast gar nicht aus, bin solide wie ein Deutscher, wenn das
so fortgeht, so fürchte ich gar, daß der Herrgott mir meine Schriften
übersieht und mich in den Himmel läßt. Ich versichere Dich, ich fange
an, hier in Barmen in guten Ruf zu kommen. Ich bin’s aber auch leid, ich
will Ostern weg von hier, wahrscheinlich nach Bonn. Ich hatte mich durch
die Zureden meines Schwagers und die trübseligen Gesichter meiner beiden
Alten noch einmal zu einem Versuch mit dem Schacher bestimmen lassen und
seit vierzehn Tagen etwas auf dem Kontor gearbeitet, auch die Aussicht
wegen der Liebesgeschichte veranlaßte mich mit dazu – aber ich war es
leid, ehe ich anfing zu arbeiten, der Schacher ist zu scheußlich, Barmen
ist zu scheußlich, die Zeitverschwendung ist zu scheußlich, und
besonders ist es zu scheußlich, nicht nur Bourgeois, sondern sogar
Fabrikant, aktiv gegen das Proletariat auftretender Bourgeois zu
bleiben. Ein paar Tage auf der Fabrik meines Alten haben mich dazu
gebracht, diese Scheußlichkeit, die ich etwas übersehen hatte, mir
wieder vor die Augen zu stellen. Ich hatte natürlich darauf gerechnet,
nur so lange im Schacher zu bleiben, als mir paßte, und dann irgend
etwas Polizeiwidriges zu schreiben, um mich mit guter Manier über die
Grenze drücken zu können, aber selbst bis dahin halte ich’s nicht aus.
Wenn ich nicht täglich die scheußlichsten Geschichten aus der englischen
Gesellschaft hätte in mein Buch registrieren müssen, ich glaube, ich
wäre schon etwas versauert, aber das hat wenigstens meine Wut im Kochen
erhalten. Und man kann wohl als Kommunist der äußeren Lage nach
Bourgeois und Schachervieh sein, wenn man _nicht schreibt_, aber
kommunistische Propaganda im großen und zugleich Schacher und Industrie
treiben, das geht nicht. Genug, Ostern gehe ich hier fort. Dazu das
erschlaffende Leben in einer ganz radikal christlich-preußischen Familie
– es geht nicht mehr, ich würde auf die Dauer ein deutscher Philister
werden können und das Philisterium in den Kommunismus hineintragen. –
Nun laß mich nicht so lange auf einen Brief von Dir warten wie ich Dich
diesmal. Grüße Deine Frau unbekannterweise und wer es sonst wert ist.
Einstweilen schreibe noch hierher, man wird, falls ich schon fort sein
sollte, mir Deine Briefe nachschicken.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Vollzogene Tatsache.

   [2] Restbestand [wörtlich: Toter Kopf].

   [3] Friedfertige Demokraten [Bezeichnung des politischen Flügels der
   Fourieristen].


                                   4

                                             Barmen, 22. Februar 1845.

Lieber Marx!

Soeben erhalte ich nach langem Hin- und Herschreiben von Köln aus
endlich Deine Adresse und setze mich gleich hin, an Dich zu schreiben.
Sowie die Nachricht von der Expulsion herkam, hielt ich es für nötig,
gleich eine Subskription zu eröffnen, um die Dir dadurch verursachten
Extrakosten auf uns alle kommunistisch zu repartieren. Das Ding hatte
guten Fortgang, und vor drei Wochen schickte ich 50 und einige Taler an
Jung, forderte auch die Düsseldorfer auf, die ebensoviel
zusammengebracht haben, und habe auch in Westfalen die deshalb nötige
Agitation durch Heß anstiften lassen. Hier ist die Zeichnung indes noch
nicht geschlossen, der Maler Köttgen hat indes die Sache verschleppt,
und so bin ich noch nicht im Besitz aller zu erwartenden Gelder. Indes
wird in ein paar Tagen alles hoffentlich einkommen, und dann werde ich
Dir einen Wechsel auf Brüssel schicken. Da ich übrigens nicht weiß, ob
das genügen wird, um Dir Deine Einrichtung in Brüssel zustande zu
bringen, so versteht es sich von selbst, daß mein Honorar für das erste
englische Ding, was ich hoffentlich bald wenigstens teilweise ausbezahlt
bekomme und für den Augenblick entbehren kann, da mein Alter mir pumpen
muß, Dir mit dem größten Vergnügen zur Disposition steht. Die Hunde
sollen wenigstens das Pläsier nicht haben, Dich durch ihre Infamie in
pekuniäre Verlegenheit zu bringen. Daß man Dich gezwungen hat, die
Hausmiete für die Zukunft noch zu bezahlen, ist doch die Krone der
Scheußlichkeit. Ich fürchte aber, man wird Dich am Ende in Belgien auch
molestieren, so daß Dir zuletzt nur England übrig bleibt.

Doch kein Wort weiter von der ganzen niederträchtigen Geschichte. Kriege
wird bei Ankunft dieses schon bei Dir sein. Der Kerl ist ein famoser
Agitator. Er wird Dir von Feuerbach viel erzählen. – Den Tag nach
seiner Abreise von hier traf ein Brief von Feuerbach an mich ein, wir
hatten dem Kerl nämlich geschrieben. Feuerbach sagt, er müsse erst den
religiösen Dreck gründlich vernichtet haben, ehe er sich so mit dem
Kommunismus beschäftigen könne, daß er ihn schriftstellerisch vertrete.
Auch sei er in Bayern zu sehr von dem ganzen Leben abgeschlossen, als
daß er dazu kommen könne. Übrigens sei er Kommunist, und es handle sich
für ihn nur um das Wie der Ausführung. Womöglich kommt er diesen Sommer
an den Rhein, und dann soll er auch nach Brüssel, das wollen wir ihm
schon beibringen.

Hier in Elberfeld geschehen Wunderdinge. Wir haben gestern im größten
Saale und ersten Gasthof der Stadt unsere dritte kommunistische
Versammlung abgehalten. Die erste 40, die zweite 130, die dritte
wenigstens 200 Menschen stark. Ganz Elberfeld und Barmen, von der
Geldaristokratie bis zur _épicerie_[1], nur das Proletariat
ausgeschlossen, war vertreten. Heß hielt einen Vortrag. Gedichte von
Müller, Püttmann und Stücke aus Shelley wurden gelesen, ebenso der
Artikel über die bestehenden Kommunistenkolonien im Bürgerbuch. Nachher
diskutiert bis 1 Uhr. Das Ding zieht ungeheuer. Man spricht von nichts
als vom Kommunismus, und jeden Tag fallen uns neue Anhänger zu. Der
Wuppertaler Kommunismus ist eine _vérité_[2], ja beinahe schon eine
Macht. Was das für ein günstiger Boden hier ist, davon hast Du keine
Vorstellung. Das dümmste, indolenteste, philisterhafteste Volk, das sich
für nichts in der Welt interessiert hat, fängt an beinahe zu schwärmen
für den Kommunismus. Wie lange man dem Ding noch so zusehen wird, weiß
ich nicht, aber die Polizei ist jedenfalls in der höchsten Verlegenheit,
sie weiß selbst nicht, woran sie ist, und der Hauptschweinehund, der
Landrat, ist gerade in Berlin. Aber wenn man’s auch verbietet, so
umgehen wir das, und geht das auch nicht, so haben wir jedenfalls so
ungeheuer angeregt, daß alles, was in unserem Interesse erscheint, hier
furchtbar gelesen wird. Da ich nun Ostern weggehen werde, so ist es um
so besser, daß Heß sich hier ansiedelt und zugleich bei Bädeker in
Elberfeld eine Monatsschrift herausgibt, wovon Kriege, glaube ich, einen
Prospektus hat. Ich gehe, wie ich Dir wohl schon schrieb, jedenfalls
nach Bonn. Meine projektierte Reise nach Paris wird nun zu Wasser, da
ich dort nichts mehr zu suchen habe, dafür aber komme ich jedenfalls
nach Brüssel, um so eher, als meine Mutter und meine beiden Schwestern
im Sommer nach Ostende gehen werden. Ich muß außerdem noch mal nach
Bielefeld unter die dortigen Kommunisten, und wenn Feuerbach nicht
kommt, so gehe ich zu ihm, und dann, wenn ich Geld und Zeit habe, auch
noch einmal nach England. Du siehst, ich hab’s gut vor. Bergenroth
erzählte mir ebenfalls, er werde wahrscheinlich in einigen Wochen oder
so nach Brüssel kommen. Er war, nebst einigen Düsseldorfern, bei unserer
zweiten Versammlung anwesend und hat mitgesprochen. Es ist übrigens doch
ein ganz anderes Ding, da vor den wirklichen leibhaftigen Menschen zu
stehen und ihnen direkt, sinnlich, unverhohlen zu predigen, als dies
verfluchte abstrakte Schreibertum mit seinem abstrakten Publikum vor den
„Augen des Geistes“ zu treiben.

Ich soll Dich nochmals in Heß’ Namen – auch in dem meinigen tue ich es
– auffordern, dem Püttmann was für seine Vierteljahrsschrift zu
schicken. Wir müssen durchaus gleich im ersten Hefte alle erscheinen,
damit das Ding Charakter bekommt. Ohnehin kommt es ohne uns gar nicht
einmal zustande. –

25. Februar. Gestern abend kam die Nachricht an, daß unsere nächste
Versammlung mit Gendarmen gesprengt und die Redner verhaftet werden
sollten. – 26. Februar. Gestern morgen untersagte der Oberbürgermeister
der Frau Obermeyer, in ihrem Lokal solche Zusammenkünfte zu gestatten,
und mir wurde gesteckt, daß, wenn trotzdem die Versammlung gehalten
würde, eine Verhaftung und Klage folgen würde. Wir haben’s jetzt
natürlich drangegeben und müssen erwarten, ob man uns einklagen wird,
was aber kaum zu erwarten steht, da wir schlau genug waren, keine
Handhabe zu bieten, und der ganze Dreck nur in einer großartigen Blamage
der Regierung endigen könnte. Ohnehin waren die Staatsanwälte und das
ganze Landgericht gegenwärtig, und der Oberprokurator hat selbst
mitdiskutiert.

7. März. Ich bin, seitdem ich das Vorstehende schrieb, eine Woche in
Bonn und Köln gewesen. Die Kölner dürfen ihre Versammlung wegen des
Vereins jetzt halten. In unserer hiesigen Angelegenheit ist ein Reskript
der Regierung zu Düsseldorf eingetroffen, wodurch fernere Versammlungen
verboten werden. Heß und Köttgen haben protestiert. Nutzt natürlich
nichts, aber die Leute werden aus der Haltung des Protestes ersehen, daß
sie uns nichts anhaben können. Heß ist wieder ungeheuer sanguinisch,
weil alles sonst so famos abläuft und unsere Fortschritte wirklich
ungeheuer sind, der gute Kerl macht sich nur immer Illusionen. – Unser
Gesellschaftsspiegel wird prächtig, der erste Bogen ist schon zensiert
und alles durch. Beiträge in Masse. Heß wohnt in _Barmen_ in der „_Stadt
London_“. Bergenroth wird wahrscheinlich doch sobald nicht dorthin
kommen, dagegen ein anderer, den ich nicht nenne, weil dieser Brief doch
wohl erbrochen wird. Wenn es irgend geht, komme ich auch noch einmal im
April hinüber. Der Geldpunkt ist jetzt die Hauptsache für mich, da ich
infolge der Versammlung Familientuck gehabt habe, wonach mein Alter
resolviert ist, mich nur für meine „_Studia_“, nicht aber für
kommunistische Zwecke irgend einer Art zu unterstützen.

Ich würde Dir noch eine Masse Zeugs schreiben, wenn ich eine sichere
Adresse nach Brüssel wüßte, die Du mir jedenfalls verschaffen mußt.
Viele Sachen, die hier vorgefallen, könnten vielen schaden, wenn sie in
einem _cabinet noir_[3] gelesen würden. Ich bleibe nun noch vier Wochen
hier und gehe anfangs April nach Bonn. Schreibe mir jedenfalls nochmals
vorher, damit man weiß, wie Dir’s geht. Die Gelder sind so ziemlich
zusammen, ich habe noch nicht erfahren, wieviel es ist, es soll
unverzüglich abgehen. Mein Manuskript geht dieser Tage ab. – Die
Kritische Kritik ist _noch immer nicht hier_! Der neue Titel: _Die
heilige Familie_ wird mich wohl in Familienhäkeleien mit meinem frommen,
ohnehin jetzt höchst gereizten Alten bringen, das konntest Du natürlich
nicht wissen. Wie aus der Ankündigung hervorgeht, hast Du meinen Namen
zuerst gesetzt, warum? Ich habe ja fast nichts daran gemacht, und Deinen
Stil kennt doch jeder heraus.

Schreibe mir nun umgehend, ob Du noch Geld nötig hast. Wigand muß mir in
zirka 14 Tagen was schicken, und dann hast Du nur zu disponieren. Ich
fürchte, die Rückstände der Subskription werden nicht über 120 bis 150
Franken betragen.

Apropos. Wir haben hier vor, den Fourier zu übersetzen und überhaupt
womöglich eine „Bibliothek der vorzüglichsten sozialistischen
Schriftsteller des Auslandes“ zu geben. Fourier wäre der beste, um
anzufangen. Leute zum Übersetzen sind gefunden. Heß erzählt mir soeben
von einem in Frankreich herausgekommenen Wörterbuch zu Fourier, von
einem beliebigen Fourieristen. Du wirst davon wissen. Gib mir doch auch
hierüber sogleich Auskunft und womöglich schicke ein Exemplar per Post
an mich. Empfiehl zu gleicher Zeit die Sachen der Franzosen, von denen
Du glaubst, daß sie sich zum Übersetzen in der Bibliothek eignen. Aber
rasch, die Sache hat Eile, da wir schon mit einem Verleger am
Unterhandeln sind. Wie weit bist Du mit Deinem Buch? Ich muß jetzt an
mein Manuskript. Darum lebe einstweilen wohl und schreibe über die
erwähnten Punkte sogleich.

Grüße Kriege und Bürgers. Ist Bernays da?

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Krämertum.

   [2] Wahrheit, Tatsache.

   [3] Schwarzes Kabinett [für Erbrechung von Briefen].


                                   5

                                                Barmen, 17. März 1845.

Lieber Marx!

Gestern gab mir Heß Deinen Brief. Was die Übersetzungen betrifft, so ist
das Ganze noch gar nicht organisiert. In Bonn wollte ich den Fourier von
einigen dortigen Leuten unter meinen Augen und meiner Leitung übersetzen
lassen, natürlich den kosmogonischen Unsinn weglassen, und wenn der
Verleger einverstanden wäre, das Ding als erste Sektion einer solchen
Bibliothek herausgeben. Ich sprach gelegentlich mit B[utz], dem Verleger
des Gesellschaftsspiegels, darüber, und er schien nicht übel Lust dazu
zu haben, obgleich er zu einer _größeren_ Bibliothek nicht die Fonds
hat. Geben wir aber das Ding in dieser Gestalt, so wird es allerdings
besser sein, es Leske oder sonst jemand zu geben, der auch was
dranwenden kann. Die Sachen _selbst_ zu übersetzen, habe ich für den
Sommer durchaus keine Zeit, da ich die englischen Sachen abschließen
muß. Das erste Ding ist diese Woche an Wigand abgegangen, und da ich mit
ihm stipuliert habe, daß er mir 100 Taler bei Empfang des Manuskriptes
auszahlen soll, so denke ich in 8 bis 12 Tagen Geld zu bekommen und Dir
schicken zu können. Einstweilen liegen 122,22 Franken per 16. März auf
Bons.

Hierbei den Rest der Subskriptionen; wenn die Sache nicht durch die
Elberfelder so scheußlich verschleppt worden wäre, die von ihren
_amis-bourgeois_[1] noch wenigstens 20 Taler hätten zusammentreiben
können, so wäre es eher und mehr gekommen.

Um auf die Bibliothek zurückzukommen, so weiß ich nicht, ob die
_historische_ Reihenfolge der Sachen die beste sein würde. Da Franzosen
und Engländer doch abwechseln müßten, so würde der Zusammenhang der
Entwicklung doch fortwährend unterbrochen werden. Ohnehin glaube ich,
daß es besser wäre, hierbei das _theoretische_ Interesse der praktischen
Wirksamkeit aufzuopfern und mit den Sachen anzufangen, die den Deutschen
am meisten Stoff geben und unseren Prinzipien am nächsten stehen; also
die besten Sachen von Fourier, Owen, den Saint-Simonisten usw. –
Morelly könnte auch ziemlich vornehin kommen. Die historische
Entwicklung könnte man ganz kurz in der Einleitung zum Ganzen geben, und
so würde sich auch bei einer solchen Anordnung jeder leicht
zurechtfinden. Die Einleitung könnten wir zusammen machen – Du
Frankreich, ich England nehmen –, vielleicht ginge das schon, wenn ich,
wie ich vorhabe, in drei Wochen herüberkomme – wenigstens könnten wir
das Ding besprechen –, jedenfalls scheint mir aber durchaus nötig,
gleich von vornherein mit Sachen anzufangen, die von praktischer,
einschlagender Wirkung auf die Deutschen sind und uns ersparen, das noch
einmal zu sagen, was andere vor uns gesagt haben. Wenn wir eine
Quellensammlung zur Geschichte des Sozialismus oder vielmehr die
Geschichte in und durch die Quellen geben wollten, so würden wir mit dem
Ding, fürchte ich, in langer Zeit nicht fertig und obendrein langweilig
werden. Deshalb bin ich dafür, daß wir nur solche Sachen geben, deren
positiver Inhalt wenigstens zum größten Teil heute noch zu brauchen ist.
Godwins _Political Justice_[2] würde, als Kritik der Politik vom
politischen und bürgerlich-gesellschaftlichen Standpunkt, trotz der
vielen famosen Sachen, in denen Godwin an den Kommunismus anstreift,
wegfallen, da Du doch die _vollständige_ Kritik der Politik geben wirst.
Um so eher, als Godwin am _Ende_ seiner Schrift zum Resultat kommt, der
Mensch habe sich möglichst von der Gesellschaft zu emanzipieren und sie
nur als einen Luxusartikel zu gebrauchen (_Political Justice_, II, Buch
8, Anhang zu Kapitel 8) und überhaupt in seinen Resultaten so
entschieden anti_sozial_ ist. Ich habe übrigens das Buch vor sehr langer
Zeit, wo ich noch arg im unklaren war, exzerpiert und muß es jedenfalls
noch einmal durchnehmen, deswegen ist es leicht möglich, daß mehr in dem
Ding steckt, als ich damals darin fand. Nehmen wir aber Godwin, so
dürfen wir sein Supplement Bentham auch nicht fehlen lassen, obwohl der
Kerl arg langweilig und theoretisch ist. – Schreibe mir hierüber, und
dann wollen wir weiter sehen, was zu machen ist. Da diese Idee uns
beiden gekommen ist, so muß sie jedenfalls durchgeführt werden – ich
meine die Bibliothek. Heß wird sich gewiß mit Vergnügen dabei beteiligen
und ich desgleichen, sobald ich irgendwie Zeit habe – Heß hat sie, da
er augenblicklich außer der Redaktion des Gesellschaftsspiegels nichts
im Schilde führt. – Sind wir über die Grundlage einverstanden, so
können wir bei meiner Dorthinkunft, die ich wegen dieser Sache noch mehr
betreiben werde, die Sache vollständig ins reine bringen und gleich ans
Werk gehen. –

Die Kritische Kritik – ich glaube, ich schrieb Dir schon, daß sie
angekommen ist – ist ganz famos. Deine Auseinandersetzungen über
Judenfrage, Geschichte des Materialismus und _mystères_[3] sind prächtig
und werden von ausgezeichneter Wirkung sein. Aber bei alledem ist das
Ding zu groß. Die souveräne Verachtung, mit der wir beide gegen die
Literatur-Zeitung auftreten, bildet einen argen Gegensatz gegen die 22
Bogen, die wir ihr dedizieren. Dazu wird doch das meiste von der Kritik
der Spekulation und des abstrakten Wesens überhaupt dem größeren
Publikum unverständlich bleiben und auch nicht allgemein interessieren.
Sonst aber ist das ganze Buch prächtig geschrieben und zum Kranklachen.
Die Bauers werden kein Wort sagen können. Bürgers kann übrigens, wenn
er’s im Püttmannschen ersten Heft anzeigt, gelegentlich den Grund
erwähnen, aus welchem ich nur wenig und nur das, was ohne tieferes
Eingehen auf die Sache geschrieben werden konnte, bearbeitet habe –
meine zehntägige kurze Anwesenheit in Paris. Es sieht ohnehin komisch
aus, daß ich vielleicht anderthalb Bogen und Du über zwanzig drin hast.
Das über die „Hurenverhältnisse“ hättest du besser gestrichen. Es ist zu
wenig und zu total unbedeutend.

Es ist merkwürdig, wie ich außer mit der Bibliothek noch in einem
anderen Plane mit Dir zusammengekommen bin. Auch ich wollte für Püttmann
eine Kritik Lists schreiben – glücklicherweise erfuhr ich durch
Püttmann Deine Absicht früh genug. Da ich den List übrigens _praktisch_
fassen wollte, die _praktischen_ Folgen seines Systems entwickeln, so
werde ich eine meiner Elberfelder Reden (die Verhandlungen werden im
Püttmannschen Ding gedruckt), worin ich dies unter anderem in kurzem
tat, etwas weiter ausarbeiten – ich vermute ohnehin nach dem
Bürgersschen Brief an Heß und nach Deiner Persönlichkeit, daß Du Dich
mehr auf seine _Voraussetzungen_ als auf seine Konsequenzen einlassen
wirst.

Ich lebe Dir jetzt ein wahres Hundeleben. Durch die
Versammlungsgeschichten und die „Liederlichkeit“ mehrerer unserer
hiesigen Kommunisten, mit denen ich natürlich umgehe, ist der ganze
religiöse Fanatismus meines Alten wieder erweckt, durch meine Erklärung,
den Schacher definitiv dranzugeben, gesteigert – und durch mein offenes
Auftreten als Kommunist hat sich nebenbei noch ein glänzender
Bourgeoisfanatismus in ihm entwickelt. Jetzt denke Dir meine Stellung.
Ich mag, da ich in vierzehn Tagen oder so weggehe, keinen Krakeel
anfangen; ich lasse alles über mich ergehen, das sind sie nicht gewohnt
und so wächst ihnen der Mut .... Wär’s nicht um meiner Mutter willen,
die einen schönen menschlichen Fonds und nur meinem Vater gegenüber gar
keine Selbständigkeit hat, und die ich wirklich liebe, so würde es mir
keinen Augenblick einfallen, meinem fanatischen und despotischen Alten
auch nur die elendeste Konzession zu machen. Aber so grämt sich meine
Mutter ohnehin jeden Augenblick krank und hat gleich jedesmal, wenn sie
sich speziell über mich ärgert, acht Tage Kopfschmerzen – es ist nicht
mehr auszuhalten, ich muß fort und weiß kaum, wie ich die paar Wochen,
die ich hier bin, noch aushalten soll. Doch das wird auch schon gehen.

Im übrigen ist hier nichts Neues. Die Bourgeoisie politisiert und geht
in die Kirche, das Proletariat tut, wir wissen nicht was, und können’s
kaum wissen. Die Adresse, an die Euer letzter Brief abging, ist
einstweilen noch sicher. Heute abend hoffe ich das Geld zu bekommen –
eben versichert mir Köttgen, daß er, sobald er etwas mehr Zeit hat – in
ein paar Tagen – noch etwas wird auftreiben können. Ich traue dem Ding
aber nicht recht, der Köttgen ist bei der Hand, wo er sich hervortun
kann, aber sonst taugt er und tut er nichts. Addio!

                                                               Dein E.

----------

   [1] Bourgeois-Freunden

   [2] Politische Gerechtigkeit.

   [3] Geheimnisse [bezieht sich auf die Kritik von Sues „Die
   Geheimnisse von Paris“].


                                  1846


                                   6

                         Cercle Valois, Palais Royal, 19. August 1846.

Lieber Marx!

Freitag abend nach einer strapaziösen Reise und viel Langeweile hier
endlich angekommen. Ewerbeck gleich getroffen. Der Junge ist sehr fidel,
vollständig traktabel, empfänglicher wie je, kurz, ich hoffe mit ihm in
allen Dingen – mit einiger Geduld – ganz gut herumzukommen. Von Jammer
über Parteistreitigkeiten ist keine Rede mehr – aus dem einfachen
Grunde, weil er selbst in die Notwendigkeit versetzt ist, hier einige
Weitlingianer herauszubugsieren. Was er mit Grün eigentlich gehabt hat,
wodurch der Bruch mit ihm eintrat, darüber ist bis jetzt wenig
verlautet; gewiß ist, daß ihn Grün durch ein abwechselnd kriechendes,
abwechselnd hochfahrendes Betragen in einer gewissen respektvollen
Zuneigung erhielt. Ewerbeck ist über Heß vollständig im klaren, _il n’a
pas la moindre sympathie pour cet homme-la_![1] Er hatte ohnehin noch so
einen alten Privathaß gegen ihn von der Zeit her, da sie
zusammenwohnten. Ewerbeck hat übrigens den Proudhon vor Grün gewarnt.
Grün ist wieder hier, wohnt hinten auf dem Ménilmontant und schmiert die
scheußlichsten Artikel in die Triersche. Mäurer hat dem Cabet die
bezüglichen Stellen aus dem Grünschen Buche übersetzt, Du kannst Dir
Cabets Wut denken. Auch beim National ist er außer allem Kredit.

Bei Cabet war ich. Der alte Knabe war recht kordial, ich ging auf all
seinen Kram ein, erzählte ihm von Gott und dem Teufel usw. Ich werde
öfter hingehen. Aber mit der Korrespondenz müssen wir ihm vom Halse
bleiben. Er hat erstens genug zu tun und ist zweitens zu mißtrauisch.
_Il y verrait un piège_,[2] um seinen Namen zu mißbrauchen.

Ich habe in den Epigonen „Das Wesen der Religion“ von Feuerbach etwas
durchgeblättert. Abgesehen von einigen netten Aperçus ist das Ding ganz
im alten Stiefel. Anfangs, wo er sich rein auf die Naturreligion
beschränkt, ist er schon gezwungen, sich mehr auf empirischem Boden zu
verhalten, aber später wird’s kunterbunt. Wieder lauter Wesen, Mensch
usw. Ich werde es genau lesen und Dir in kürzester Frist die
Hauptstellen, wenn sie interessant sind, exzerpieren, damit Du es für
den Feuerbach noch gebrauchen kannst. Einstweilen nur zwei Sätze. Das
Ganze – zirka sechzig Seiten – beginnt mit folgender, vom menschlichen
Wesen unterschiedenen Definition der Natur: „Das vom menschlichen Wesen
_oder Gott_(!!), dessen Darstellung das ‚Wesen des Christentums‘ ist,
unterschieden als unabhängige Wesen (1), das Wesen _ohne_ menschliches
Wesen (2), menschliche Eigenschaften (3), menschliche Individualität
(4), _ist_ *in Wahrheit nichts anderes* als – die Natur.“ Dies ist doch
das Meisterstück einer mit Donnerton ausposaunten Tautologie. Dazu kommt
aber noch, daß er das religiöse, vorgestellte _Phantom_ der Natur an
diesem Satz vollständig hinten und vorn mit der wirklichen Natur
identifiziert. _Comme toujours._[3] – Ferner, etwas weiter. „Religion
ist die Beherzigung und Bekennung dessen, was ich bin(!) ... Die
Abhängigkeit von der Natur sich zum Bewußtsein erheben, sie sich
vorstellen, beherzigen, bekennen, heißt _sich zur Religion erheben_.“

Der Minister Dumon wurde dieser Tage im Hemde bei der Frau eines
Präsidenten ertappt. Der „Corsaire“ erzählt: Eine Dame, die bei Guizot
suppliziert hatte, sagte, es ist schade, daß ein so ausgezeichneter Mann
wie Guizot, _est toujours si sévère et boutonné jusqu’au cou_[4]. Die
Frau eines _employé_ der _Travaux publics_[5] sagt: _On ne peut pas dire
cela de M. Dumon, on trouve généralement qu’il est un peu trop
déboutonné pour un ministre._[6] –

_Quelques heures après_,[7] nachdem ich dem Weilchen zu Gefallen umsonst
ins Café Kardinal geloffen – das Weilchen ist etwas traurig, weil ihm
die _Démocratie pacifique_[8] seine Honorare, zirka 1000 Franken, nicht
zahlt; es scheint eine Art _great crisis and stopping of cash
payments_[9] bei ihr eingetreten zu sein, und Weilchen ist zu sehr Jude,
um sich mit Banknoten auf das erste Phalanstère der Zukunft abfertigen
zu lassen. Übrigens werden die Herren Fourieristen alle Tage
langweiliger. Die Phalange enthält nichts als Unsinn. Die Mitteilungen
aus Fouriers Nachlaß beschränken sich alle auf das _mouvement
aromal_[10] und die Begattung der Planeten, die _plus ou moins_[11] von
hinten zu geschehen scheint. Aus der Begattung des Saturn und Uranus
entstehen die Mistkäfer, welche jedenfalls die Fourieristen selber sind
– der Hauptmistkäfer aber ist der Herr Hugh Doherty, der Irländer, der
eigentlich noch nicht einmal Mistkäfer, sondern erst Mistengerling,
Mistlarve ist – das arme Tier wälzt sich schon zum zehnten Male (_10^me
article_[12]) in der _question religieuse_[13] herum und hat noch immer
nicht heraus, wie er mit Anstand sein _exit_[14] machen kann.

Bernays habe ich noch nicht gesehen. Wie Ewerbeck aber sagt, ist es so
gar arg mit ihm nicht und sein größtes Leiden die Langeweile. Der Mann
soll sehr robust und gesund geworden sein, seine Hauptbeschäftigung, die
Gärtnerei, scheint in Beziehung auf seinen Kadaverzustand den Sieg über
seinen Kummer davongetragen zu haben. Auch hält er, _dit-on_,[15] die
Ziegen bei den Hörnern, wenn seine –? Gattin? –, die nur zwischen zwei
Fragezeichen zu denken ist, sie melkt. Der arme Teufel fühlt sich in
seiner Umgebung natürlich unbehaglich, er sieht außer Ewerbeck, der
wöchentlich hinauskommt, keine Seele, läuft in einer Bauernjacke herum,
geht nie aus dem Sarcelles, das das elendeste Dorf der Welt ist und
nicht einmal ein Kabarett hat, heraus, kurz, er ennuyiert sich zum
Sterben. Wir müssen sehen, daß wir ihn wieder nach Paris kriegen, dann
ist er in vier Wochen wieder der alte. Da der Börnstein in seiner
Qualität als Mouchard nicht wissen soll, daß ich hier bin, so haben wir
dem Bernays erst geschrieben wegen eines Rendezvous in Montmorency oder
sonst in der Nähe, nachher schleifen wir ihn nach Paris und wenden ein
paar Franken daran, ihn einmal tüchtig aufzuheitern. Dann wird er schon
anders werden. Übrigens laß ihn nicht merken, daß ich Dir so über ihn
geschrieben habe, in seiner überspannten romantischen Stimmung könnte
der gute Junge sich moralisch verletzt fühlen ....

Antworte bald.

                                                               Dein E.

Adresse: _11, rue de l’Arbre sec, 17._[16]

Es versteht sich, daß, was ich Dir hier und später über Ewerbeck,
Bernays und andere Bekannte schreibe, strikt konfidentiell ist.

Ich frankiere nicht, da ich knapp bei Gelde bin und vor dem 1. Oktober
nichts zu erwarten habe. An selbigem Tage werde ich aber einen Wechsel
schicken, um meinen Anteil an den Portoauslagen zu decken.

----------

   [1] Er hat nicht die geringste Sympathie für diesen Menschen.

   [2] Er würde darin eine Falle sehen.

   [3] Wie immer.

   [4] immer so streng und bis und den Hals zugeknöpft ist.

   [5] Beamten der öffentlichen Arbeiten.

   [6] Man kann das nicht von M. Dumon sagen, man findet allgemein, daß
   er für einen Minister etwas zu aufgeknöpft ist.

   [7] Einige Stunden später.

   [8] [Das Blatt] Friedfertige Demokratie.

   [9] Große Krise und Einstellung der Barzahlungen.

   [10] Bewegung nach Ausströmungen [in Charles Fouriers Theorie].

   [11] Mehr oder weniger.

   [12] Zehnter Artikel.

   [13] Religiöse Frage.

   [14] Ausgang.

   [15] Sagt man.

   [16] _Arbre sec_ [dürrer Baum], Straße.


                                   7

                                   Poststempel Paris, 21. August 1846.

Brief an das Brüsseler Komitee. Nr. 1.

_Carissimi!_[1] Unsere Geschichte wird hier sehr gut gehen. Ewerbeck ist
ganz voll davon und wünscht nur, daß die offizielle Organisation eines
Komitees nicht übereilt werde, weil eine Spaltung bevorsteht. Der Rest
der Weitlingianer, eine kleine Schneiderclique, steht nämlich im
Begriff, hier herausgeschmissen zu werden, und Ewerbeck hält es für
besser, daß dies erst abgemacht wird. Ewerbeck glaubt indes nicht, daß
mehr als vier bis fünf der Hiesigen zur Korrespondenz zugezogen werden
können, was auch vollständig hinreichend ist. In meinem Nächsten hoffe
ich die Konstituierung anzeigen zu können.

Diese Schneider sind wirklich gottvolle Kerls. Neulich haben sie über
Messer und Gabeln, ob die nicht besser an die Kette zu legen seien, ganz
ernsthaft diskutiert. Es sind ihrer aber nicht viele. Weitling selbst
hat auf den letzten, durch uns ihm besorgten, sehr groben Brief nicht
geantwortet. Er hatte 300 Franken für seine Erfindung zu praktischen
Experimenten verlangt, ihnen aber zugleich geschrieben, das Geld sei
wahrscheinlich in den Dreck geschmissen. Ihr könnt Euch denken, wie sie
ihm antworteten.

Die Schreiner und Gerber dagegen sollen famose Kerls sein. Ich habe sie
noch nicht gesehen, Ewerbeck betreibt das alles mit bekannter
Bedächtigkeit.

Ich will Euch jetzt einiges aus französischen Blättern mitteilen,
versteht sich aus solchen, die nicht nach Brüssel kommen.

Das Monatsblatt von Pierre Leroux wird fast ganz mit Artikeln über
Saint-Simon und Fourier von Pierre Leroux selbst gefüllt. Er erhebt
darin Saint-Simon in die Wolken und sucht Fourier möglichst schlecht zu
machen und als verfälschenden und verschlechternden Nachtreter von
Saint-Simon darzustellen. So plagt er sich ab, zu beweisen, daß die
_Quatre Mouvements_[2] nur ein vermaterialistisiertes Plagiat der
_Lettres d’un habitant de Genève_[3] seien. Der Kerl ist rein verrückt.
Weil es dort einmal heißt, ein System, das alle Wissenschaft
enzyklopädisch zusammenfasse, ließe sich am besten durch die
Zurückführung aller Erscheinungen usw. auf die _pesanteur
universelle_[4] durchführen, so muß Fourier darauf seine ganze Lehre von
der Attraktion genommen haben. Natürlich sind alle Beweise, Zitate usw.
nicht einmal hinreichend, zu beweisen, daß Fourier die _Lettres_ auch
nur gelesen hatte, als er die _Quatre Mouvements_ schrieb. Dagegen wird
die ganze Richtung Enfantin als in die Schule hereingeschmuggelter
Fourierismus bezeichnet. Das Blatt heißt: _Revue Sociale ou solution
pacifique du problème du prolétariat_.[5]

Das Atelier erzählt nachträglich über den reformistischen
Journalkongreß: Es sei nicht dort gewesen und daher sehr erstaunt, sich
auf der Liste der dort repräsentierten Journale zu finden. Man habe __le
peuple de la presse__[6] so lange ausgeschlossen, bis die Basen der
Reform festgestellt waren, und als man dann den Ouvrierjournalen die
Türen zum Jasagen geöffnet, habe es es unter seiner Würde gehalten,
hinzugehen. Das Atelier erzählt ferner, daß 150 _Ouvriers_[7],
wahrscheinlich Buchesisten – welche Partei nach Versicherung von
Franzosen zirka 1 000 Mann stark sein soll –, am 29. Juli die Julitage
ohne Erlaubnis der Polizei durch ein Bankett feierten. Die Polizei
mischte sich ein, und weil sie sich nicht verpflichten wollten, keine
politischen Reden zu führen und keine Bérangerschen Lieder zu singen,
wurden sie aufgelöst.

Die „Epigonen“ des Herrn Wigand sind hier. Herr Wigand wirft sich hier
mit furchtbarem Gepolter in die aufgeblähte Brust: „An A. Ruge.“ Er hält
diesem ihre beiderseitigen Pechheiten vor, die sie seit vier Jahren
ausgestanden. Ruge konnte – in Paris – „mit den _fanatischen
Kommunisten nicht Hand in Hand gehen_“. Der Kommunismus ist ein Zustand
„im eigenen dünkelvollen Hirn ausgeheckt, eine _beschränkte und
dünkelvolle Barbarei_, die der Menschheit gewaltsam aufgedrängt werden
soll“. Schließlich renommiert er, was er nicht alles tun will, „solange
es noch Blei zu Lettern in der Welt gibt“. Ihr seht, der _candidat de la
potence_[8] hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, es bis zum _candidat
de la lanterne_[9] zu bringen.

Ich mache Euch aufmerksam auf den Artikel im heutigen „National“
(_mercredi_[10] 19) über die Abnahme der Wähler in Paris von über 20 000
auf 17 000 seit 1844.

_11, rue de l’Arbre sec_, 19. August 1846.

                                                               Euer E.

Paris ist tief gesunken. Danton verkauft Holz am Boulevard Bourdon,
Barbaroux hat einen Kattunladen, Rue St. Honoré, die Réforme hat nicht
die Kraft mehr, den Rhein zu verlangen, die Opposition sucht die
Kapazitäten und findet sie nicht, die Herren Bourgeois legen sich so
früh schlafen, daß um 12 Uhr alles zu sein muß, und _la jeune
France_[11] läßt sich das ruhig gefallen. Die Polizei hätte das gewiß
nicht durchgesetzt, aber die frühen Comptoirstunden der Herren
Prinzipale, die nach dem Sprichwort leben: Morgenstunde hat usw. usw.
Herrn Grüns auf Kosten der Arbeiter gedruckte Broschüre ist dieselbe,
die ich einmal bei Seiler gesehen habe: „Die preußischen
Landtagsabschiede, ein Wort zur Zeit“ (anonym), enthält hauptsächlich
Plagiate aus Marx’ Aufsätzen (Deutsch-französische Jahrbücher) und
kolossalen Unsinn. „Nationalökonomische“ und „sozialistische“ Fragen
sind ihm _identisch_. Folgende Entwicklung der absoluten Monarchie: „Der
Fürst machte sich eine _abstrakte Domäne_, und diese geistige Domäne
hieß der Staat. Der Staat ward die Domäne der Domänen; als Ideal der
Domäne hebt er die einzelne Domäne ebensowohl auf, als er sie stehen
läßt, er hebt sie immer dann auf, wenn sie absolut selbständig werden
will usw.“ Diese „geistige“ Domäne „Preußen“ verwandelt sich gleich
darauf in eine Domäne, „auf der gebetet wird, eine geistliche Domäne“!
Resultat des Ganzen: der Liberalismus ist in Preußen _theoretisch_
bereits _überwunden_, _daher_ werden sich die Reichsstände gar nicht
mehr mit Bourgeoisfragen, sondern _directement_ mit der sozialen Frage
beschäftigen. „Die Schlacht- und Mahlsteuer ist die _wahre Verräterin
vom Wesen der Steuer_, sie verrät nämlich, _daß jede Steuer eine
Kopfsteuer ist_. Wer aber eine _Kopfsteuer_ erhebt, _der sagt_: Eure
Köpfe und Leiber sind mein eigen, ihr seid _kopf- und leibeigen_. Die
Schlacht- und Mahlsteuer _entspricht zu sehr dem Absolutismus_ usw.“ Der
Esel hat zwei Jahre lang Oktroi bezahlt und weiß es noch nicht, er
glaubt, so was existiere nur in Preußen. Schließlich ist das Broschürli,
einige Plagiate und Phrasen abgerechnet, durch und durch _liberal_, und
zwar deutsch-liberal.

----------

   [1] Teuerste [Freunde].

   [2] Vier Bewegungen. [Der Titel der ersten Hauptschrift Charles
   Fouriers.]

   [3] Briefe eines Bewohners von Genf. [Der Titel der ersten
   Hauptschrift Saint-Simons.]

   [4] Allgemeine Schwere.

   [5] Soziale Rundschau oder die friedliche Lösung der Frage des
   Proletariats.

   [6] Das Volk der Presse.

   [7] Arbeiter, beziehungsweise Handwerker.

   [8] Kandidat des Galgens.

   [9] Kandidat für die Laterne.

   [10] Mittwoch.

   [11] Das junge Frankreich.


                                   8

Brief an das Brüsseler Komitee. Nr. II.

                          Poststempel Paris, 19. [16.] September 1846.

Liebe Freunde!

Eure Nachrichten über Belgien, London und Breslau waren mir sehr
interessant. Ich habe an Ewerbeck und Bernays davon mitgeteilt, was sie
interessierte. Haltet mich zugleich etwas _au fait_[1] über den Sukzeß
unseres Unternehmens und die _plus ou moins_[2] eifrige Teilnahme der
verschiedenen Lokalitäten, damit ich mich hier den Arbeitern gegenüber,
soweit es politisch, auslassen kann. Was machen die Kölner? – Von hier
aus ist allerlei:

1. Mit den hiesigen Arbeitern bin ich mehrere Male zusammen gewesen, das
heißt mit den Hauptleuten der Schreiner aus dem Faubourg St. Antoine.
Die Leute sind eigentümlich organisiert. Außer ihrer – durch eine große
Dissension mit den Weitlingschen Schneidern – sehr in Konfusion
geratenen Vereinsgeschichte kommen diese Kerls, das heißt zirka zwölf
bis zwanzig von ihnen, jede Woche einmal zusammen, wo sie bisher
diskutierten; da ihnen aber der Stoff ausging, wie das gar nicht anders
möglich, so war Ewerbeck genötigt, ihnen Vorträge über deutsche
Geschichte – _ab ovo_[3] – und eine höchst verworrene Nationalökonomie
– vermenschentümlichte Deutsch-französische Jahrbücher – zu halten.
Dazwischen kam ich. Zweimal hab’ ich, um mich mit ihnen in Konnex zu
setzen, die deutschen Verhältnisse seit der französischen Revolution,
von den ökonomischen Verhältnissen ausgehend, auseinandergesetzt. Was
sie nun in diesen Wochenversammlungen loskriegen, wird Sonntags in den
Barriereversammlungen, wo Krethi und Plethi hinkommt, Weib und Kind,
durchgepaukt. Hier wird – _abstraction faite de toute espèce de
politique_[4] – so etwas „soziale Fragen“ diskutiert. Das Ding ist gut,
um neue Leute hinzuzuziehen, denn es ist ganz öffentlich, vor vierzehn
Tagen war die Polizei da, wollte Veto einlegen, ließ sich aber beruhigen
und hat nichts weiter getan. Oft sind über 200 Leute zusammen. – Wie
diese Geschichte jetzt ist, kann sie unmöglich bleiben. Es ist eine
gewisse Schläfrigkeit unter den Kerls eingerissen, die aus ihrer
Langeweile über sich selbst hervorgeht. Was sie nämlich dem
Schneiderkommunismus entgegensetzen, ist weiter nichts als Grünsche
menschentümliche Phrasen und vergrünter Proudhon, den ihnen teils Herr
Grün höchstselbst, teils ein alter aufgeblasener Schreinermeister und
Knecht Grüns, Papa Eisermann, teils aber auch Amicus E[werbeck] mit Mühe
und Not eingebleut hat. Das ist ihnen natürlich bald alle geworden, eine
ewige Repetition trat ein, und um sie vor dem _Einschlafen_
(buchstäblich, dies riß furchtbar in den Sitzungen ein) zu bewahren,
quälte sie Ewerbeck mit spitzfindigen Disquisitionen über den „wahren
Wert“ (den ich teilweise auf dem Gewissen habe) und ennuyiert sie mit
den germanischen Urwäldern, Hermann dem Cherusker und den scheußlichsten
altdeutschen Etymologien nach Adelung, die alle falsch sind.

Übrigens ist nicht Ewerbeck der eigentliche Chef dieser Leute, sondern
J[unge], der in Brüssel war; der Kerl sieht sehr gut ein, was geändert
werden muß, und könnte sehr viel tun, denn er hat sie alle in der Tasche
und zehnmal mehr Verstand wie die ganze Clique, aber er ist zu
wackelhaft und macht immer neue Projekte. Daß ich ihn seit beinahe drei
Wochen nicht gesehen – er kam nie und ist nirgends zu finden –, ist
die Ursache, daß noch so wenig ausgerichtet ist. Ohne ihn sind die
meisten schlapp und schwankend. Man muß aber mit den Kerls Geduld haben;
zuerst muß der Grün ausgetrieben werden, der wirklich direkt und
indirekt einen schauderhaft erschlaffenden Einfluß ausgeübt hat, und
dann, wenn man ihnen diese Phrasen aus dem Kopf gebracht, hoffe ich, mit
den Kerls zu etwas zu kommen, denn sie haben alle einen großen Drang
nach ökonomischer Belehrung. Da ich Ewerbeck, der bei bekannter, jetzt
im höchsten Grade blühender Konfusion den besten Willen von der Welt
hat, ganz in der Tasche habe, und J[unge] auch vollständig auf meiner
Seite ist, so wird sich das bald machen. Wegen der Korrespondenz habe
ich mit Sechsen beraten. Der Plan fand, besonders bei J[unge], sehr
großen Anklang und wird von hier aus ausgeführt werden. Solange aber
nicht durch Zerstörung des persönlichen Einflusses des Grün und
Ausrottung seiner Phrasen wieder Energie unter die Leute gebracht ist,
so lange ist bei großen materiellen Hindernissen (besonders Engagement
fast aller Abende) nichts zu machen. Ich habe ihnen offeriert, dem Grün
in ihrer Gegenwart seine persönlichen Schuftereien ins Gesicht zu sagen,
und B[ernay]s will auch kommen – Ewerbeck hat auch ein Hühnchen mit ihm
zu pflücken –. Dies wird geschehen, sobald sie ihre eigenen Sachen mit
Grün abgemacht, das heißt Garantie für das zum Druck des Grünschen
Landtagsmistes vorgeschossene Geld bekommen haben. Da J[unge] aber nicht
kam und die übrigen sich wie Kinder benahmen gegenüber dem Grün, so ist
auch das noch nicht in Ordnung, obwohl bei einiger Energie das Ding in
fünf Minuten abgemacht wäre. Das Pech ist, die meisten dieser Kerls sind
Schwaben.

2. Jetzt etwas Ergötzliches. Proudhon hat in dem neuen, noch
ungedruckten Buche, was Grün verdolmetscht, einen großen Plan, Geld aus
Nichts zu machen und allen Arbeitern das Himmelreich nahe zu rücken.
Niemand wußte, was das war. Grün hielt sehr hinter dem Berge,
renommierte aber sehr mit seinem Stein der Weisen. Allgemeine Spannung.
Endlich vorige Woche war Papa Eisermann bei den Schreinern, ich auch,
und allmählich rückt der alte Zierbengel höchst naiv-geheimnisvoll
heraus. Herr Grün hat ihm den ganzen Plan vertraut. Jetzt hört die Größe
dieses Welterlösungsplanes: _ni plus ni moins_[5] als die in England
längst dagewesenen und zehnmal bankrottierten _Labour bazars_ oder
_labour-markets_[6], Assoziationen aller Handwerker aller Zweige, großes
Depot, alle von den Associés eingelieferten Arbeiten genau nach den
Kosten des Rohproduktes plus der Arbeit taxiert und in anderen
Assoziationsprodukten bezahlt, die ebenso taxiert werden. Was mehr
geliefert, als in der Assoziation verbraucht wird, soll auf dem
Weltmarkt verkauft, der Ertrag den Produzenten ausbezahlt werden. Auf
diese Weise, spekuliert der pfiffige Proudhon, umgeht er und seine
Mitassociés den Profit des Zwischenhändlers. Daß er dabei auch den
Profit auf _sein Assoziationskapital_ umgeht, daß dies Kapital und
dieser Profit _genau so groß_ sein müssen wie das Kapital und der Profit
der umgangenen Zwischenhändler, daß er also mit der Rechten wegwirft,
was die Linke bekommt, daran hat der feine Kopf nicht gedacht. Daß seine
Arbeiter nie das nötige Kapital aufbringen können, weil sie sich sonst
ebensogut separat etablieren könnten, daß die etwaige, aus der
Assoziation hervorgehende Kostenersparnis durch das enorme Risiko mehr
als aufgewogen wird, daß die ganze Geschichte darauf hinausläuft, den
Profit aus der jetzigen Welt herauszueskamotieren und alle Produzenten
des Profits stehen zu lassen, daß sie eine wahre Straubingeridylle ist,
die von vornherein alle große Industrie, Bauhandwerke, Ackerbau usw.
ausschließt, daß sie nur die _Verluste_ der Bourgeois zu tragen haben,
ohne ihren Gewinn zu teilen, alles das und hundert andere auf platter
Hand liegende Einwände vergißt er über dem Glück seiner plausiblen
Illusion. Die Geschichte ist zum Totschießen. Familienvater Grün glaubt
natürlich an die neue Erlösung und sieht sich schon im Geiste an der
Spitze einer Assoziation von _20 000 Ouvriers_ (man will gleich _groß_
anfangen), wobei natürlich seine Familie kostenfrei gespeist, gekleidet
und logiert wird. Der Proudhon aber blamiert sich und alle französischen
Sozialisten und Kommunisten auf ewig, wenn er damit herausrückt, vor den
Bourgeoisökonomen. Daher jene Tränen, jenes Polemisieren gegen die
Revolution, weil er ein friedliches Heilmittel _in petto_ hatte. Der
Proudhon ist gerade wie der John Watts. Dieser setzt seinen Beruf
darein, trotz seines disrespektablen Atheismus und Sozialismus bei den
Bourgeois respektabel zu werden; Proudhon bietet alles auf, um trotz
seiner Polemik gegen die Ökonomen ein großer anerkannter Ökonom zu
werden. _So sind die Sektierer._ Dabei noch so eine alte Geschichte!

3. Jetzt wieder eine höchst kuriose Geschichte. – Augsburger Allgemeine
Zeitung vom 21. Juli, Paris 16. Juli. Artikel über die _russische_
Gesandtschaft .... „Das ist die offizielle Gesandtschaft – aber ganz
außerhalb oder vielmehr über derselben steht ein gewisser Herr von
*Tolstoi*, der keinen Titel hat, übrigens als ‚_Vertrauter des Hofes_‘
bezeichnet wird. Früher im Unterrichtsministerium beschäftigt, kam er
mit einer _literarischen Mission_ nach Paris, schrieb hier einige
Memoirs für sein Ministerium, lieferte einige Übersichten der
französischen Tagespresse. Dann schrieb er nichts mehr, tat aber desto
mehr. Er macht ein glänzendes Haus, geht zu aller Welt, empfängt alle
Welt, beschäftigt sich mit allem, weiß alles und arrangiert vieles. Er
scheint mir der _eigentliche russische Botschafter_ in Paris ... seine
Verwendung bewirkt Wunder“ (alle Polen, die begnadigt sein wollen,
adressierten sich an ihn), „auf der Gesandtschaft _beugt sich alles vor
ihm, und in Petersburg erfreut er sich großer Rücksichten_.“ – Dieser
Tolstoi ist niemand anders als unser Tolstoi, der Edle, der uns vorlog,
in Rußland seine Güter verkaufen zu wollen. Der Mann hatte außer seiner
einen Wohnung, wo er uns hinführte, noch ein glänzendes Hotel in der Rue
Mathurin, wo er die Diplomatie empfing. Die Polen und _viele_ Franzosen
haben das längst gewußt, nur die deutschen Radikalen nicht, bei denen er
es für besser hielt, sich als Radikalen zu insinuieren. Der obige
Artikel ist von einem Polen geschrieben, den Bernays kennt, und sogleich
in den _Corsaire-Satan_ und _National_ übergegangen. Tolstoi hat, als er
den Artikel las, weiter nichts bemerkt, als sehr gelacht und Witze
darüber gerissen, daß er endlich ausgefunden sei. Er ist jetzt in London
und wird, da seine Rolle hier ausgespielt ist, dort sein Glück
versuchen. Es ist schade, daß er nicht wiederkommt, ich würde sonst
einige Witze mit ihm versucht und schließlich in der Rue Mathurin meine
Karte abgegeben haben. Daß nach diesem der von ihm empfohlene Annenkow
ebenfalls ein russischer Mouchard ist, _c’est clair_.[7] Selbst Bakunin,
der die ganze Geschichte _wissen mußte_, da die anderen Russen sie
gewußt haben, ist sehr verdächtig. Ich werde mir gegen ihn natürlich
nichts merken lassen, sondern Revanche an den Russen nehmen. So
ungefährlich diese Spione für uns sind, so darf man ihnen das doch nicht
passieren lassen. Sie sind gute Sujets, um an ihnen Intrigenexperimente
in _corpore vili_[8] zu machen. Dazu sind sie sonst so übel gar nicht.

4. Vater Heß. Nachdem ich dessen ... Gattin hier glücklich der
Vergessenheit, das ist dem äußersten Ende des Faubourg Saint-Antoine, wo
da ist Heulen und Zähneklappern (Grün und Gesellschaft), überliefert
habe, erhalte ich vor einiger Zeit vermittels eines gewissen Reinhardt
ein ferneres Wiederanknüpfungsschreiben des Kommunistenpapas. Das Ding
ist zum Totlachen. Natürlich als ob nichts vorgefallen wäre, ganz _in
dulci jubilo_[9] und dazu ganz der alte Heß. Nachdem er konstatiert hat,
daß er mit „der Partei“ wieder einigermaßen ausgesöhnt (das
Judde-Gränzchen scheint falliert zu haben) – „auch wieder Lust am
Arbeiten hat“ (welches Ereignis mit Glocken eingeläutet werden sollte),
folgende historische Notiz (_de dato_ 19. August): „Hier in Köln wär’s
vor einigen Wochen _auf ein Haar_ zu einer _blutigen Emeute_ gekommen,
es waren schon *sehr viele* bewaffnet (wozu Moses gewiß nicht gehörte).
Das Ding kam nicht zum Ausbruch, weil die Soldaten _sich nicht zeigten_
(enormer Triumph des Kölner Schöppchesphilisters) usw. usw. usw.“ –
Dann von den Bürgerversammlungen, wo „wir“, _id est_ „die Partei“ und
„Herr Moses“, _qua_ Kommunisten „_so vollständig siegten_, daß wir usw.
Wir haben zuerst die Geldaristokraten ... und dann die kleinen Bourgeois
_mit Glanz_ (da sie keine Talente unter sich haben) _aus dem Felde_
geschlagen. Wir _*hätten*_ (!) in den Versammlungen zuletzt _alles
durchsetzen können_ (zum Beispiel den Moses zum Oberbürgermeister
machen); ein Programm, worauf die Versammlung ihre Kandidaten
verpflichtete, ging durch, welches (hört, hört!) _von den englischen und
französischen Kommunisten nicht radikaler hätte abgefaßt_ (und von
niemandem unsinniger als von Moses aufgefaßt) _werden können_ (!!!) ...
Sehe (_sic_!) Dich zuweilen nach meiner [Frau] um ... und teile dem
Ewerbeck zur Herzensstärkung dieses mit.“ Gesegn’ Euch Gott diese
„Herzensstärkung“, dies Manna aus der Wüste. Ich ignoriere das Vieh
natürlich komplett – jetzt hat er auch an Ewerbeck geschrieben (und
zwar bloß, um seiner weiblichen Seite einen Brief auf dessen Kosten
zukommen zu lassen) und droht in zwei Monaten herzukommen. Wenn er mich
besucht, denk’ ich ihm auch etwas „zur Herzensstärkung“ mitteilen zu
können.

Da ich einmal im Zuge bin, so will ich Euch schließlich noch mitteilen,
daß [Heinrich] Heine wieder hier ist und ich vorgestern mit Ewerbeck bei
ihm war. Der arme Teufel ist scheußlich auf dem Hund. Er ist mager
geworden wie ein Gerippe. Die Gehirnerweichung dehnt sich aus, die
Lähmung des Gesichts desgleichen. Ewerbeck sagt, er könne sehr leicht
einmal an einer Lungenlähmung oder an irgend einem plötzlichen
Kopfzufall sterben, aber auch noch drei bis vier Jahre abwechselnd
besser oder schlechter sich durchschleppen. Er ist natürlich etwas
deprimiert, wehmütig, und was am bezeichnendsten ist, äußerst
wohlwollend (und zwar ernsthaft) in seinen Urteilen – nur über Mäurer
reißt er fortwährend Witze. Sonst bei voller geistiger Energie, aber
sein Aussehen, durch einen ergrauenden Bart noch kurioser gemacht (er
kann sich nun den Mund nicht mehr rasieren lassen), reicht hin, um
jeden, der ihn sieht, höchst trauerklötig zu stimmen. Es macht einen
höchst fatalen Eindruck, so einen famosen Kerl so Stück für Stück
absterben zu sehen.

Auch den großen Mäurer habe ich gesehen. „Männlein, Männlein, was wiegen
Sie so leicht!“ Der Mann ist wirklich sehenswert, ich habe ihm die
größten Grobheiten gemacht, zum Danke nimmt mich der Esel in seine
besondere Affektion und sagt mir nach, ich hätte ein sanftes Gesicht. Er
sieht freilich aus wie Karl Moor sechs Wochen nach seinem Tode.
Antwortet bald!

                                                               Euer E.

                                         Mittwoch, 16. September 1846.

Amüsiert Euch an folgendem: Journal des Économistes, August dieses
Jahres, enthält in einem Artikel über die Biedermännischen Artikel ...
[über] den Kommunismus folgendes: Erst Heß’ ganzer Unsinn komisch
französiert, dann heißt es, der nächste ist M. Marx. „_M. Marx est un
_cordonnier_, comme un autre Communiste allemand, Weitling est un
tailleur. Le premier (Marx) n’a pas une grande estime pour le communisme
français (!) qu’il a été assez heureux d’étudier sur les lieux. M. ne
sort du reste non plus_ (erkennst Du an dieser Elsässer Phrase nicht
Herrn Fix?) _des formules abstraites_ und _il se garde ... bien
d’aborder aucune question véritablement pratique. Selon lui_ (gib acht
auf den Unsinn) _l’émancipation du peuple allemand sera le signal de
l’émancipation du genre humain; la tête de cette émancipation serait la
philosophie et son coeur le prolétariat. Lorsque tout sera préparé, le
coq gaulois sonnera la résurrection germanique ... Marx dit qu’il faut
créer en Allemagne un prolétariat universel (!!) afin de réaliser la
pensée philosophique du communisme. Signé J. F. (mort depuis)_.“[10] Das
war sein letztes Werk. Der vorherige Band brachte eine gleich komische
Kritik meines Buches. Das Septemberheft enthält eine Kritik über Julium,
die ich noch nicht gelesen.

In der Fraternité ist großer Streit zwischen Materialisten und
Spiritualisten gewesen. Die Materialisten, mit 23 gegen 22 überstimmt,
sind ausgetreten. Das hindert aber die Fraternité nicht, sehr hübsche
Artikel über die verschiedenen Zivilisationsstufen und ihre Fähigkeit,
sich zum Kommunismus fortzuentwickeln, zu bringen.

----------

   [1] Auf dem laufenden.

   [2] Mehr oder weniger.

   [3] Wörtlich: vom Ei an, das heißt von den allerersten Anfängen an.

   [4] Abgesehen von jeder Art [Tages-]Politik.

   [5] Weder mehr noch weniger.

   [6] Arbeitsmärkte. Hier im Sinne von: Märkte von Erzeugnissen
   eigener Arbeit.

   [7] Das ist klar.

   [8] Am wertlosen Körper.

   [9] In seligem Jubel.

   [10] Herr Marx ist ein _Schuhmacher_, wie ein anderer deutscher
   Kommunist, Herr Weitling, ein Schneider ist. Der erstere (Marx) hat
   keine hohe Meinung vom französischen (!) Kommunismus, den er das
   Glück hatte, an Ort und Stelle zu studieren. Übrigens geht auch Herr
   Marx ebensowenig über abstrakte Formeln hinaus und hütet sich ...
   sehr, auf irgendwelche wahrhaft politische Frage einzugehen. Nach
   ihm wird die Befreiung des deutschen Volkes das Zeichen geben für
   die Befreiung des Menschengeschlechts, der Kopf dieser Befreiung
   werde die Philosophie und ihr Herz das Proletariat sein. Wann alles
   vorbereitet ist, wird der gallische Hahn die deutsche Erhebung
   einläuten .... Marx sagt, daß in Deutschland ein universelles (!!)
   Proletariat geschaffen werden muß, um den philosophischen Gedanken
   des Kommunismus zu verwirklichen. Gezeichnet J. F. [Seitdem
   verstorben.]


                                   9

                                                   18. September 1846.

Lieber Marx!

Eine Masse Sachen, die ich Dir privatim schreiben wollte, sind mir in
den Geschäftsbrief hereingeraten, weil ich den zuerst schrieb. Diesmal
macht es nichts, daß die anderen den Dreck mitlesen. – Die Auszüge aus
Feuerbach zu machen, habe ich mich aus einem gewissen Grauen bisher
nicht entschließen können. Hier in Paris kommt einem das Zeug vollends
lasch [matt] vor. Ich habe das Buch aber jetzt im Hause und setze mich
ehestens dran. Daß Dein Geldpech noch immer anhält, ist schändlich. Ich
weiß für unsere Manuskripte keinen Verleger außer Leske, den man während
der Unterhandlung über die Kritik seines Verlags in Unwissenheit halten
müßte. Löwenthal nimmt’s gewiß nicht, er hat dem Bernays eine _sehr
gute_ Spekulation (Das Leben des hiesigen Alten, in zwei Bänden, den
ersten gleich zu drucken und mit dem Tode des Alten sofort zu
expedieren, den zweiten dann gleich folgen zu lassen) unter allerlei
lausigen Vorwänden abgeschlagen. Er ist auch feig, er sagt, er könne aus
Frankfurt geschaßt werden. Bernays hat Aussicht, bei Brockhaus
unterzukommen, der natürlich glaubt, das Buch werde bourgeoismäßig
abgefaßt. – Haben die Westfalen die Manuskripte an Daniels geschickt?
– Hast Du von dem Kölner Projekt etwas Näheres gehört, wovon Heß
schrieb? Du weißt. – Gottvoll ist aber vor allem der Lüningsche Kohl
.... Wenn wir ihre ganze Lumperei kritisieren, so erklärt der Edle das
für eine „_Selbst_kritik“. Es wird diesen Kerls aber bald widerfahren,
was geschrieben steht: „Und wenn er keinen Hintern hat, wo will der Edle
sitzen?“ Und Westfalen scheint allmählich zu merken, daß es keinen
Hintern hat, oder, um mit Mose zu sprechen, keine „materielle Basis“ für
seinen Kommunismus. –

Die Londoner Adresse habe ich gestern abend hier bei den Arbeitern
bereits gedruckt gelesen. Schund. Adressieren sich an das „Volk“, das
heißt die vorausgesetzten Proletarier in Schleswig-Holstein, wo nichts
wie plattdeutsche Bauernlümmel und zünftige Straubinger herumstrolchen.
Haben von den Engländern gerade den Unsinn, die totale Ignorierung aller
wirklich vorliegenden Verhältnisse, Unfähigkeit, eine historische
Entwicklung aufzufassen, gelernt. Statt die Frage zu beantworten, wollen
sie, daß das in ihrem Sinne gar nicht dort existierende „Volk“ sie
ignorieren, sich friedlich, passiv verhalten soll; sie denken nicht
dran, daß die Bourgeois doch tun, was sie wollen. Mit Abzug der ziemlich
überflüssigen und gar nicht mit ihren Schlußresultaten im Zusammenhang
stehenden Schimpfereien auf die Bourgeois (die ebensogut durch
_free-trade_-Phrasen ersetzt werden könnten) könnte die
_free-trade-press_ von London, die Schleswig-Holstein nicht im
Zollverein sehen will, das Ding erlassen haben. –

Die Kölner Bourgeois haben einen Protest gegen die Herren Minister
erlassen, der für deutsche Bürger das Mögliche ist. Der arme Berliner
Kanzelredner! [Friedrich Wilhelm IV.] Mit allen Stadträten seines
Reiches liegt er in den Haaren; erst die Berliner theologische
Disputation, dann die Breslauer _item_, jetzt die Kölner Geschichte. Der
Bengel gleicht übrigens auf ein Haar dem Jakob dem Ersten von England,
den er sich wirklich zum Muster genommen zu haben scheint. Nächstens
wird er wohl, wie dieser, auch noch Hexen verbrennen lassen.

Dem Proudhon habe ich im Geschäftsbrief [siehe Brief 8] wirklich
himmelschreiendes Unrecht getan. Ich muß es hier redressieren. Ich habe
nämlich geglaubt, er habe einen kleinen Unsinn, einen Unsinn innerhalb
der Grenzen des Sinnes gemacht. Gestern kam die Sache nochmals und
ausführlich zur Diskussion, und da erfuhr ich, daß dieser neue Unsinn
wirklich ein _ganz unbegrenzter Unsinn_ ist. Stelle Dir vor: Proletarier
sollen kleine Aktien _sparen_. Davon wird (unter 10 000 bis 20 000
Arbeitern fängt man natürlich gar nicht an) zuerst ein oder mehrere
Ateliers in einem oder mehreren Handwerken errichtet, ein Teil der
Aktionäre dort beschäftigt und die Produkte 1. zum Preise des
Rohmaterials plus der Arbeit an die Aktionäre (die so keinen Profit zu
zahlen haben) und 2. der etwaige Überschuß zum laufenden Preise im
Weltmarkt verkauft. Sowie sich das Kapital der Gesellschaft durch
Neuhinzutretende oder durch neue Ersparnisse der alten Aktionäre
vermehrt, wird es zur Anlage neuer Ateliers und Fabriken verwandt usf.
usf., bis – _alle_ Proletarier beschäftigt und _alle_ im Lande
befindlichen Produktivkräfte aufgekauft und dadurch die in den Händen
der Bourgeois befindlichen Kapitalien die Macht verloren haben, Arbeit
zu kommandieren und Profit zu bringen! So hebt man dann das Kapital auf,
indem man „eine Instanz findet, wo das Kapital, das heißt das Zinswesen“
(Vergrünung des einigermaßen näher ans Tageslicht gerückten _droit
d’aubaine_[1] von ehedem) „sozusagen verschwindet“. Du wirst in diesem
von Papa Eisermann zahllose Male wiederholten, also von Grün auswendig
gelernten Satze die ursprünglichen Proudhonschen Floskeln noch deutlich
durchschimmern sehen. Die Leute haben nichts mehr und nichts weniger im
Sinne, als einstweilen _ganz Frankreich_, später vielleicht auch die
übrige Welt vermöge proletarischer Ersparnisse und unter Verzichtung auf
den Profit und die Zinsen ihres Kapitals _aufzukaufen_. Ist so ein
famoser Plan je erdacht worden, und ist es nicht ein viel kürzerer Weg,
wenn man einmal einen _tour de force_[2] machen will, lieber gleich aus
dem Silber–schein des Mondes Fünffrankentaler zu prägen? Und die dummen
Arbeiter hier, die Deutschen meine ich, _glauben_ daran; sie, die nicht
sechs Sous in der Tasche behalten können, um am Abend ihrer
Zusammenkünfte zu einem _marchand de vins_[3] zu gehen, wollen mit ihren
Ersparnissen das ganze schöne Frankreich aufkaufen. Rothschild und
Konsorten sind wahre Stümper neben diesen kolossalen Akkapareurs. Es
ist, um die Schwerenot zu kriegen. Die unsinnigste Phrase hat für sie
mehr Sinn als die einfachste, zum ökonomischen Argument vernutzte
Tatsache. Daß man gegen solchen barbarischen Unsinn noch pauken muß, ist
doch niederträchtig.

Aber man muß Geduld haben, und ich lasse die Kerls nicht laufen, bis ich
den Grün aus dem Felde geschlagen und ihnen die verduselten Schädel
geöffnet habe. Der einzige klare Kerl, der auch den ganzen Unsinn
einsieht, ist unser J[unge], der in Brüssel war. Der Ewerbeck hat ihnen
auch den Kopf voll des tollsten Zeugs gesetzt. Er ist jetzt in einer
Konfusion und grenzt von Zeit zu Zeit an Wahnsinn und kann, was er
gestern mit seinen eigenen Augen gesehen, Dir heute nicht
wiedererzählen. Geschweige was er gehört. Wie sehr er aber unter der
Fuchtel des Grün gestanden, davon nur dies: Als der Trierer Walth.
vorigen Winter über die Zensur nach allen Seiten hin jammerte, stellte
Grün ihn als einen Märtyrer der Zensur dar, der den edelsten und
tapfersten Kampf führe usw., und exploitierte Ewerbeck und die Arbeiter
dazu, daß sie eine höchst pomphafte Adresse an diesen Esel von Walth.
aufsetzten und unterzeichneten und ihm Dank sagten für seinen Heldenmut
im Kampfe für die Freiheit des Wortes!!!! Ewerbeck schämt sich wie ein
Mops und ärgert sich wütend über sich selbst; aber der Unsinn ist
geschehen, und jetzt hat man ihm und den Arbeitern die paar _Worte_
wieder auszupauken, die er sich selbst mit saurem Schweiß in den Kopf
hineinge[quält] und den Arbeitern dann mit ebenso saurem Schweiß
eingebleut hat. Denn er versteht nichts, bis er’s nicht auswendig
gelernt hat, und dann versteht er’s meist noch falsch. Wenn er nicht den
enormen guten Willen hätte und dabei sonst so ein liebenswürdiger Kerl
wäre, was er jetzt mehr als je ist, so wäre gar nicht mit ihm fertig zu
werden. Es soll mich wundern, wie es mir mit ihm gerät; zuweilen macht
er ganz nette Bemerkungen, gleich darauf aber wieder den größten Unsinn
– so seine jetzt in Gott ruhenden deutschen Geschichtsvorträge, bei
denen man sich wegen der in jedem Worte befindlichen Schnitzer und
Tollheiten kaum das Lachen verbeißen konnte. Aber, wie gesagt, enormer
Eifer und Eingehen auf alles, mit merkwürdiger Bereitwilligkeit, und ein
unverwüstlicher guter Humor der Selbstironie. Ich mag den Kerl, trotz
seines Unsinns, besser leiden als je. – Von Bernays ist nicht viel zu
sagen. Ich war mehrmals draußen, er einmal hier. Kommt wahrscheinlich im
Winter her, fehlt nur an Geld. Ist auch dahin gekommen, über die
Parteistreitigkeiten klarere und verständigere Ansichten zu hegen; wegen
seiner Meinungen über das Recht ist ihm jetzt nicht gut beizukommen,
weil er mit dem Einwurf: Ökonomie, Industrie usw. sei nicht sein Fach,
jedesmal abzubrechen sucht und bei den seltenen Zusammenkünften keine
ordentliche Diskussion zustande kommt; ich glaube indes schon etwas
Bresche geschossen zu haben, und wenn er herkommt, werde ich ihm sein
Mißverständnis wohl schließlich nehmen können. – Was machen die Leute
dort?

                                                               Dein E.

_Query:_ Ist die Geschichte mit dem Tolstoi, die _vollständig richtig_
ist, nicht den Londonern mitzuteilen? Die Deutschen könnten, falls er
bei ihnen seine Rolle fortspielte, einmal ein paar Polen scheußlich
kompromittieren. Wenn sich der Kerl _auf Dich beriefe_?

Bernays hat eine Broschüre in der Rothschildschen Polemik geschrieben;
kommt in der Schweiz deutsch und in einigen Tagen hier französisch
heraus.

----------

   [1] Heimfallsrecht.

   [2] Kraftstück.

   [3] Wein- [und Spirituosen-]Ausschänker.


                                   10

                                                         Oktober 1846.

Lieber Marx!

Die Geschichte gegen Kr[iege] erhalten. Ist ganz gut. Kriege wird nun
zwar, da Du allein unterzeichnet, den absprechenden Ton des ersten
Dokumentes auf meine Privatrechnung schreiben und gegen dies zweite zu
Kreuze kriechen, aber das ist mir wurst. Er kann mich in seiner
Privatmalice den amerikanischen Straubingern so schwarz wie möglich
schildern, wenn ihm das Pläsier macht.

Aus dem Komiteebrief wirst Du sehen, wie ich hier bei den Straubingern
durchgedrungen. Ich habe sie, hol mich der Teufel, nicht geschont, ich
habe ihre ärgsten Vorurteile, sie selbst als gar keine Proletarier
attackiert. Aber der Grün arbeitete mir auch zu schön in die Hände.

Frankieren tut um Gottes willen nicht an mich. Wenn mich der verdammte
Leske, der mir endlich wegen der dem P[üttmann] geschickten alten Drecke
einen nichtsnutzigen Wechsel zuschicken ließ, den ich retournieren mußte
– wenn mich Leske nicht im Stiche ließe, schickte ich Euch sogleich 25
Franken für die Komiteekasse. Einstweilen aber übernehme ich die Kosten
wenigstens der Korrespondenz mit mir. Wenn ich den vorigen Brief nicht
frankierte, so geschah dies, weil es zu spät war und ich ihn nur noch
durch Hineinschmeißen in den Briefkasten wegbekam. Sowie der Leske mir
das Geld schickt, erhaltet ihr ein Quotum.

Keiner der Straubinger kriegt die Antwort an Kriege zu sehen. Sonst wäre
sie vor Grün nicht sicher. Wir müssen namentlich dem Kerl alles vom
Halse halten, bis seine Bearbeitung des Proudhonschen Buches, nebst
Noten von K. Grün, fertig ist. Dann ist er gefangen. Er revoziert darin
vollständig eine Masse früher gesagter Geschichten und überliefert sich
mit Leib und Seele dem Proudhonschen Erlösungssystem. Nachher hat es
dann mit dem Exploitieren ein Ende, wenn er nicht wieder tournieren
will. Ist der Weitling noch in Brüssel?

Mit den Straubingern hier denke ich durchzukommen. Die Kerle sind
freilich gräßlich unwissend und durch ihre Lebenslage gar nicht
präpariert. Konkurrenz unter ihnen gibt es gar nicht. Der Lohn hält sich
immer auf einem und demselben Niveau, der Kampf mit dem Meister dreht
sich gar nicht um Lohn, sondern um den Gesellenhochmut usw. Bei den
Schneidern wirken jetzt die fertigen Kleiderläden revolutionierend.
Wenn’s nur nicht so ein faules Handwerk wäre.

Der Grün hat scheußlich geschadet. Er hat bei den Kerls alles Bestimmte
in bloße Duselei, Menschheitsstreben usw. verwandelt. Unter dem Scheine,
den Weitlingschen und sonstigen Systemkommunismus anzugreifen, hat er
ihnen den Kopf voll unbestimmter Belletristen- und Kleinbürgerphrasen
gesetzt und alles andere für Systemreiterei ausgegeben. Selbst die
Schreiner, die nie Weitlingianer gewesen – oder doch nur einzelne –
haben eine abergläubische Gespensterfurcht vor dem „Löffelkommunismus“
und schließen sich – wenigstens _vor_ dem durchgesetzten Beschluß –
lieber der größten Duselei, friedlichen Beglückungsplänen usw. an, als
diesem „Löffelkommunismus“. Es herrscht eine grenzenlose Konfusion hier
vor. An Harney habe ich dieser Tage einen leisen Angriff gegen die
Friedlichkeit der _fraternal Democrats_[1] geschickt, ihm übrigens
geschrieben, daß er mit Euch in Korrespondenz bleiben soll.

                                                               Dein E.

----------

   [1] Brüderliche Demokraten. [Titel einer von G. Julian Harney
   geführten Chartistenverbindung internationaler Tendenz.]


                                   11

                                              Paris, 23. Oktober 1846.

Brief an das Brüsseler Komitee. Nr. III.

Über die hiesigen Straubingergeschichten ist wenig zu sagen. Die
Hauptsache ist, daß die verschiedenen Streitpunkte, die ich bisher mit
den Jungens auszufechten hatte, jetzt entschieden sind: der
Hauptanhänger und Schüler Grüns, Papa Eisermann, ist herausgeschmissen,
die übrigen sind in ihrem Einfluß auf die Masse vollständig gestürzt,
und ich habe einen Beschluß einstimmig gegen sie durchgesetzt.

Der kurze Verlauf ist der:

Über den Proudhonschen Assoziationsplan wurde drei Abende diskutiert.
Anfangs hatte ich beinahe die ganze Clique, zuletzt nur noch Eisermann
und die übrigen drei Grünianer gegen mich. Die Hauptsache dabei war, die
Notwendigkeit der gewaltsamen Revolution [zu beweisen] *und* überhaupt
den Grünschen wahren Sozialismus, der in der Proudhonschen Panacee neue
Lebenskräfte gefunden, als antiproletarisch, kleinbürgerlich,
straubingerisch nachzuweisen.

Zuletzt wurde ich wütend über die ewige Wiederholung derselben Argumente
von seiten meiner Gegner und attackierte die Straubinger geradezu, was
bei den Grünianern große Entrüstung erregte, wodurch ich aber dem edlen
Eisermann einen _offenen Angriff_ auf den Kommunismus entlockte. Darauf
deckelte ich ihn so rücksichtslos, daß er gar nicht wiederkam.

Jetzt knüpfte ich an die mir von Eisermann gegebene Handhabe – die
Attacke gegen den Kommunismus – an, um so mehr, als Grün in einem fort
intrigierte, auf den Ateliers herumlief, Sonntags die Leute zu sich
zitierte usw. usw., und den Sonntag nach obiger Sitzung selbst die
grenzenlose Dummheit beging, vor acht bis zehn Straubingern den
Kommunismus zu attackieren. Ich erklärte also, ehe ich mich auf eine
Diskussion einließe, müsse abgestimmt werden, ob wir hier _qua_
Kommunisten zusammenkämen oder nicht. Im ersten Falle müsse Sorge
getragen werden, daß Angriffe auf den Kommunismus, wie die von
Eisermann, nicht mehr vorkämen, im anderen Falle, wenn sie bloß
beliebige Individuen seien, die hier über dies und jenes Beliebige
diskutierten, könnten sie mir gestohlen werden und würde ich nicht
wiederkommen. Dies erregte großes Entsetzen bei den Grünianern, sie
seien hier „für das Wohl der Menschheit“ zusammen, um sich aufzuklären,
Männer des Fortschritts und nicht einseitige Systemfänger usw. usw., und
solche Biedermänner könne man doch unmöglich „beliebige Menschen“
nennen. Übrigens _müßten sie erst wissen_, was Kommunismus eigentlich
sei (sie, die sich seit Jahren Kommunisten genannt haben und bloß durch
die Furcht vor Grün und Eisermann abspenstig wurden, nachdem diese sich
unter dem Vorwand des Kommunismus bei ihnen eingeschlichen hatten!). Ich
ließ mich natürlich nicht durch ihre liebevolle Bitte fangen, ihnen, den
Unwissenden, in zwei bis drei Worten zu sagen, was Kommunismus sei. Ich
gab ihnen eine höchst simple Definition, die gerade so weit ging wie die
vorliegenden strittigen Punkte, die die Friedlichkeit, die Zartheit und
Rücksicht gegen die Bourgeois respektive das Straubingertum und endlich
die Proudhonsche Aktiengesellschaft nebst beibehaltenem individuellen
_Besitz_, und was sich daran knüpft, durch Behauptung der
Gütergemeinschaft _ausschloß_, und im übrigen nichts enthielt, was Anlaß
zu Abschweifungen und Umgehung der vorgeschlagenen Abstimmung geben
könnte. Ich definierte also die Absichten der Kommunisten dahin: 1. die
Interessen der Proletarier im Gegensatz zu denen der Bourgeois
durchzusetzen; 2. dies durch Aufhebung des Privateigentums und Ersetzung
desselben durch die Gütergemeinschaft zu tun; 3. kein anderes Mittel zur
Durchführung dieser Absichten anzuerkennen als die gewaltsame,
demokratische Revolution. Hierüber zwei Abende diskutiert. Am zweiten
ging der beste der drei Grünianer, die Stimmung der Majorität merkend,
vollständig zu mir über. Die anderen beiden widersprachen sich
fortwährend einer dem anderen, ohne es zu merken. Mehrere Grünianer, die
noch nie gesprochen, taten auf einmal das Maul auf und erklärten sich
ganz entschieden für mich. Bisher hatte dies nur Junge getan. Einige
dieser _homines novi_[1] sprachen, obwohl zitternd vor Todesangst,
stecken zu bleiben, ganz nett und scheinen überhaupt ganz gesunden
Verstand zu haben. Kurz, als es zur Abstimmung kam, wurde die
Versammlung für eine kommunistische im Sinne der obigen Definition
erklärt, von 13 Stimmen gegen die beiden der zwei treu gebliebenen
Grünianer, von denen einer auch nachträglich erklärt hat, daß er die
größte Begierde habe, sich zu bekehren.

Hiermit ist endlich einmal _Tabula rasa_ gemacht und man kann jetzt
anfangen, etwas aus den Kerls zu machen, soweit dies geht. Grün, der
sich aus seiner Geldgeschichte leicht herausreißen konnte, weil die
Hauptgläubiger eben selbige Grünianer waren, seine Hauptanhänger, ist
jetzt bei der Majorität und einem Teile seiner Anhänger selbst sehr
herunter und trotz aller Intrigen und Experimente (zum Beispiel in der
Mütze auf die Barriereversammlungen gehen usw. usw.) mit seiner
Proudhonschen Sozietät glänzend durchgefallen. Wäre ich nicht da
gewesen, so hätte sich unser Freund Ewerbeck allerdings _tête
baissée_[2] dahinein gegeben.

Was der Grün für ein schönes Stratagem hatte! An der Intelligenz seiner
Kerls verzweifelnd, repetiert er ihnen seine Geschichten so oft vor, bis
sie sie auswendig können. Nach jeder Sitzung – es war natürlich nichts
leichter, als so eine Opposition zum Schweigen zu bringen – lief die
ganze geschlagene Bande zu Grün, erzählten, was ich gesagt hatte –
natürlich alles entstellt –, und ließen sich wieder wappnen. Wenn sie
dann das Maul auftaten und zwei Worte gesagt, so wußte man jedesmal den
ganzen Satz vorher. Natürlich nahm ich mich bei dieser Zwischenträgerei
sehr in acht, den Leuten irgend etwas Allgemeines zu sagen, was Herrn
Grün zu neuen Ausschmückungen seines wahren Sozialismus dienen könnte;
dennoch aber hat er neulich in der Kölner mit diversen Entstellungen bei
Gelegenheit der Genfer Revolution Sachen exploitiert, die ich den
Straubingern sagte, während er ihnen hier das Gegenteil einpaukte. Er
treibt jetzt Nationalökonomie, der Brave.

Das Buch von Proudhon werdet Ihr angezeigt gesehen haben. Ich werde es
dieser Tage bekommen, es kostet 15 Franken, man kann es nicht kaufen,
das ist zu teuer.

Das obige Publikum, vor dem die Geschichte aufgeführt worden, besteht
aus zirka zwanzig Schreinern, die sonst nur auf der Barriere noch mit
allerlei Volks sich versammeln, außer einem Sängerklub keine
geschlossene Verbindung, sonst aber teilweise Rudera [Reste] des Bundes
der Gerechtigkeit sind. Könnte man sich öffentlich versammeln, so würden
wir bald über hundert Kerls aus den Schreinern allein haben. Von den
Schneidern kenne ich nur einige, die auch in die Schreinerversammlungen
kommen. Von Schmieden und Gerbern ist in ganz Paris nichts zu erfahren.
Kein Mensch weiß was von ihnen.

Kriege hat dieser Tage seinen Bericht als Mann der Gerechtigkeit an die
„Halle“ (Zentralverwaltung) abgestattet. Natürlich habe ich das
Sendschreiben gelesen, da dies aber Eidesverletzung war, worauf
Todesstrafe, Dolch, Strang und Gift stehen, so müßt Ihr das nirgends
hinschreiben. Der Brief beweist, gerade wie seine Replik auf unseren
Angriff, daß dieser Angriff ihm sehr genützt hat und er sich jetzt doch
mehr um die Dinge dieser Welt kümmert. Er gab eine lange Erzählung ihrer
Schwierigkeiten. Der erste Abschnitt dieser amerikanischen
Straubingergeschichte enthielt ihr Pech – offenbar stand Kriege an der
Spitze und betrieb die Geldgeschichten vom Standpunkt des
weltumfassenden Herzens aus. Der „Tribun“ wurde verschenkt, nicht
verkauft, Liebesgaben bildeten den Fonds, kurz, man wollte Kapitel 3 bis
6 der Apostelgeschichte wieder aufführen, Ananias und Sapphira fehlten
auch nicht, und zum Schlusse fand man sich voller Schulden. Die zweite
Periode, wo Kriege zum bloßen „Registrator“ wird und andere Kerle an die
Verwaltung der Geldgeschäfte getreten zu sein scheinen, die des
Aufkommens. Statt an die volle Brust der Menschen zu appellieren, wurde
jetzt an ihre tanzlustigen Beine und überhaupt an die unkommunistischen
Seiten appelliert, und man fand zu seinem Erstaunen, daß durch Bälle,
Landpartien usw. das nötige Geld vollständig aufzubringen sei, und daß
auch die Schlechtigkeit der Menschen für den Kommunismus exploitiert
werden könne. Jetzt seien sie vollständig pekuniär auf dem Strumpf.
Unter den „Hindernissen“, die sie zu überwinden hatten, zählte der
tapfere Tecklenburger auch die allseitigen Verleumdungen und
Verdächtigungen auf, die sie, unter anderem „zuletzt noch von den
‚kommunistischen‘ Philosophen in Brüssel“, zu erdulden hätten. Im
übrigen schwatzt er einiges triviale Zeug gegen die Kolonien, empfiehlt
ihnen (das heißt seinen entschiedensten Feinden) den „Bruder Weitling“,
hält sich aber im ganzen ziemlich irdisch, wenn auch etwas gesalbt, und
nur von Zeit zu Zeit so etwas Gestöhn von Brüderlichkeit usw.

Habt Ihr dort die Réforme? Wenn Ihr sie nicht habt, schreibt es mir, ich
werde Euch dann berichten, wenn was Besonderes drin steht. Seit vier
Tagen reitet sie auf dem National herum wegen seines _refus_, einer
Petition, die wegen Wahlreform hier zirkuliert, seine unbedingte
Adhäsion zu geben. Dies geschehe, behauptet sie, aus bloßer Hinneigung
für [zu] Thiers. Vor einiger Zeit zirkulierte sie, Bastide und Thomas
seien vom National ausgetreten, Marrast sei allein geblieben, und dieser
habe mit Thiers Allianz gemacht. Der National widerrief. Veränderungen
in seiner Redaktion sind allerdings vorgegangen, Genaueres weiß ich
nicht; daß er seit einem Jahre besonders günstig für Thiers ist, ist
bekannt; die Réforme setzt ihm nun auseinander, wie sehr er sich durch
diese Hinneigung in Blamagen verritten hat. Übrigens hat der National,
aus bloßer Opposition gegen die Réforme, in der letzten Zeit einige
Dummheiten gemacht, so die von der Réforme zuerst erzählte
portugiesische Konterrevolution aus bloßer Malice geleugnet, bis er
nicht mehr konnte usw. Die Réforme plagt sich jetzt, eine ebenso
brillante Polemik zu führen wie der National, aber es geht nicht. –

Nachdem ich bis hierher geschrieben, ging ich noch zu den Straubingern,
wo sich folgendes herausstellte. Der Grün, zu ohnmächtig, mir irgendwie
Schaden anzutun, läßt mich jetzt auf der Barriere denunzieren. Der
Eisermann attackiert in der öffentlichen und von Mouchards besuchten
Barriereversammlung den Kommunismus, wo ihm natürlich keiner antworten
kann, ohne sich der Gefahr des Geschaßtwerdens auszusetzen. Der Junge
hat ihm sehr wütend geantwortet, ist aber von uns gestern verwarnt.
Darauf hat der Eisermann den Junge für das Sprachrohr eines Dritten
erklärt (der natürlich ich bin), und der plötzlich wie eine Bombe unter
die Leute gefahren sei, und er wisse wohl, wie da die Leute zu den
Barrierediskussionen eingepaukt würden usw. usw. Kurz, er schwatzte da
Dinge aus, die einer _vollständigen Denunziation_ bei der Polizei
gleichkommen, denn der Wirt, bei dem die Geschichte sich zutrug, sagte
noch vor vier Wochen: _il y a toujours des mouchards parmi vous_[3], und
der Polizeikommissar war zu jener Zeit auch einmal da. Den Junge griff
er geradezu als „Revolutionär“ an. Herr Grün war während der ganzen Zeit
gegenwärtig und paukte dem Eisermann ein, was er zu sagen habe. Diese
Gemeinheit übersteigt doch alles. Der Grün ist mir, wie ich die Sachen
kenne, vollständig verantwortlich für alles, was der Eisermann sagt.
Dagegen ist nun platterdings nichts zu machen. Der Schafskopf Eisermann
kann auf der Barriere nicht attackiert werden, weil man da die
Wochenversammlung nochmals denunzieren würde, der Grün ist zu feig, in
eigenem Namen _selbst_ etwas zu tun. Das einzige, was man tun kann, ist,
auf der Barriere die Leute erklären zu lassen, über Kommunismus
diskutierten sie nicht, weil das die ganze Versammlung bei der Polizei
gefährden könne.

Schreibt endlich einmal.

                                                               Euer E.

----------

   [1] Neulinge.

   [2] Mit gesenktem Kopf.

   [3] Ihr habt stets unter euch Spitzel.


                                   12

    [Undatiert.] 23 Rue de Lille, Faubourg St. Germain, [Sommer 1846.]

Lieber Marx!

Ich habe mich endlich nach langem Widerstreben darangemacht, das Zeug
von Feuerbach durchzulesen, und finde, daß wir in unserer Kritik darauf
nicht eingehen können. Weshalb, wirst Du sehen, nachdem ich Dir den
Hauptinhalt mitgeteilt.

Das Wesen der Religion, Epigonen, 1. Band, Seite 117 bis 178. – „Das
_Abhängigkeitsgefühl_ des Menschen ist der Grund der Religion“, Seite
117. Da der Mensch zuerst von der Natur abhängig, so „ist die Natur der
erste ursprüngliche Gegenstand der Religion“, Seite 118. („Natur ist ein
allgemeines Wort zur Bezeichnung der Wesen, Dinge usw. usw., die der
Mensch von _sich und seinen Produkten_ unterscheidet.“)

Die ersten religiösen Äußerungen sind Feste, in denen Naturprozesse,
Wechsel der Jahreszeiten usw. usw. dargestellt. Die speziellen
Naturverhältnisse und Produkte, in deren Umgebung ein Stamm oder Volk
lebt, gehen in deren Religion über. – Der Mensch wurde in seiner
Entwicklung von anderen Wesen unterstützt, die aber nicht Wesen
_höherer_ Art, Engel waren, sondern Wesen niederer Art, _Tiere_. Daher
Tierkultus (folgt eine Apologie der Heiden gegen die Angriffe der Juden
und Christen, trivial). Die Natur bleibt fortwährend, auch bei den
Christen, der verborgene Hintergrund der Religion. Die den Unterschied
Gottes vom Menschen begründenden Eigenschaften sind Eigenschaften der
Natur (ursprünglich, der Grundlage nach). So Allmacht, Ewigkeit,
Universalität usw. usw. Der wirkliche Inhalt Gottes ist nur die Natur;
das heißt insofern Gott nur als Urheber, nicht als politischer und
moralischer Gesetzgeber vorgestellt wird. – Polemik gegen die Schöpfung
der Natur durch ein verständiges Wesen, gegen die Schöpfung aus Nichts
usw. – meist „vermenschlichter“, das heißt in gemütliches,
„Bürgerherzen“ ergreifendes Deutsch übersetzter _materialismus
vulgaris_[1]. – Die Natur in der Naturreligion ist nicht Gegenstand als
Natur, sondern „als persönliches, lebendiges, empfindendes Wesen ... als
Gemütswesen, das ist subjektives, menschliches Wesen“, Seite 138. Daher
betet man sie an, sucht sie durch menschliche Beweggründe usw. usw. zu
bestimmen. Dies kommt hauptsächlich daher, daß die Natur veränderlich
ist. „Das Gefühl der Abhängigkeit von der Natur in Verbindung mit der
Vorstellung der Natur als eines willkürlich tätigen, persönlichen Wesens
ist der Grund des Opfers, des wesentlichsten Aktes der Naturreligion,“
Seite 140. Da aber der Zweck des Opfers ein „_selbstsüchtiger_“ ist, so
ist der Mensch doch das _Endziel_ der Religion, die Gottheit des
Menschen ihr Endzweck. – Folgen triviale Glossen und feierliche
Auseinandersetzungen darüber, daß rohes Volk, das noch Naturreligion
hat, auch Dinge zu Göttern macht, die ihm unangenehm sind, Pest, Fieber
usw. „So wie der Mensch aus einem nur physikalischen Wesen ein
_politisches_, überhaupt von der Natur sich unterscheidendes und sich
auf sich selbst konzentrierendes Wesen (!!!) wird, so wird auch sein
Gott zu einem politischen, von der Natur unterschiedenen Wesen.
„*Daher*“ kommt „der Mensch zur Unterscheidung seines Wesens von der
Natur und folglich zu einem von der Natur unterschiedenen Gott zunächst
nur durch seine Vereinigung mit anderen Menschen zu einem _Gemeinwesen_,
wo ihm von der Natur unterschiedene, *nur in Gedanken oder in der
Vorstellung existierende Mächte* (!!!) die Macht des Gesetzes, der
Meinung, der Ehre, der Tugend Gegenstand seines Abhängigkeitsgefühls ...
wird.“ (Dieser scheußlich stilisierte Satz steht Seite 149.) Die
Naturmacht, die Macht über Leben und Tod, wird herabgesetzt zu einem
Attribut und Werkzeug der politischen und moralischen Macht. Intermezzo
Seite 151 über Orientalen-Konservative und Okzidentalen-Progressisten.
„Im Orient _vergißt_ der Mensch _nicht_ über den Menschen die Natur ....
Der König selbst ist ihm nicht als ein irdisches, sondern als ein
himmlisches, göttliches Wesen Gegenstand. Neben einem Gotte aber
verschwindet der Mensch, erst wo die Erde sich entgöttert ... erst da
haben die Menschen Raum und Platz für sich.“ (Schöne Erklärung, weshalb
die Orientalen stabil. Wegen der vielen Götzenbilder, die den Raum
wegnehmen.) Der Orientale verhält sich zum Okzidentalen wie der Landmann
zum Städter, jener ist abhängig von der _Natur_, dieser vom _Menschen_
usw. usw., „nur die Städter machen darum Geschichte“ (hier der einzige
leise, aber etwas übelriechende Anhauch von Materialismus). „Nur wer die
Macht der _Natur_ der Macht der _Meinung_, sein _Leben_ seinem _Namen_,
seine Existenz im _Leibe_ seiner Existenz im Munde und Sinne der
Nachwelt aufzuopfern vermag, nur der ist fähig zu geschichtlichen
Taten.“ _Voilà._[2] Alles, was nicht Natur ist, ist Vorstellung,
Meinung, Flause. Daher ist auch „nur die menschliche ‚_Eitelkeit_‘ das
Prinzip der Geschichte“! – Seite 152: „Sowie der Mensch zum Bewußtsein
kommt, daß ... Laster und Torheit Unglück usw. usw., Tugend und Weisheit
dagegen ... Glück zur Folge haben, folglich die _das Schicksal der
Menschen bestimmenden Mächte_ Verstand und Wille sind ... so ist ihm
auch die Natur ein von Verstand und Wille abhängiges Wesen.“ (Übergang
zum Monotheismus – Feuerbach teilt das obige illusorische „Bewußtsein“
von der Macht des Verstandes und Willens.) Mit der Herrschaft von
Verstand und Willen über die Welt kommt dann der Supernaturalismus, die
Schöpfung aus Nichts, und der Monotheismus, der noch speziell aus der
„Einheit des menschlichen Bewußtseins“ erklärt wird. Daß der Eine Gott
ohne den _Einen König_ nie zustande gekommen wäre, die Einheit des die
vielen Naturerscheinungen kontrollierenden, die widerstreitenden
Naturkräfte zusammenhaltenden Gottes nur das Abbild des Einen, die
widerstreitenden, in ihren Interessen kollidierenden Individuen
scheinbar oder wirklich zusammenhaltenden orientalischen Despoten ist,
hat Feuerbach für überflüssig gehalten zu sagen. – Langer Kohl gegen
die Teleologie, Kopie der alten Materialisten. Dabei begeht Feuerbach
denselben Schnitzer gegenüber der wirklichen Welt, den er den Theologen
vorwirft, gegen die Natur zu begehen. Er reißt schlechte Witze darüber,
daß die Theologen behaupten, ohne Gott müsse sich die Natur in Anarchie
auflösen (das heißt ohne den Glauben an Gott fiele sie in Fetzen),
Gottes _Wille, Verstand, Meinung_ sei das Band der Welt; und er selbst
glaubt ja, die _Meinung_, die Furcht vor der öffentlichen _Meinung_, vor
_Gesetzen_ und anderen _Ideen_ hielte jetzt die Welt zusammen. – Bei
einem Argument gegen die Teleologie tritt Feuerbach ganz als _laudator
temporis praesentis_[3] auf. Die enorme Sterblichkeit der Kinder in den
ersten Lebensjahren kommt daher, weil „die _Natur_ bei ihrem Reichtum
ohne Bedenken Tausende der einzelnen Glieder aufopfert; es ist eine
Folge natürlicher Ursachen, daß ... zum Beispiel im ersten Jahre ein
Kind von drei bis vier, im fünften _eins_ von fünfundzwanzig usw. usw.
stirbt“.

Mit Ausnahme der wenigen, hier spezifizierten Sätze ist nichts zu
bemerken. Über die geschichtliche Entwicklung der verschiedenen
Religionen erfährt man nichts. Höchstens werden Beispiele aus ihnen
zu[ge-]geben, um die obigen Trivialitäten zu beweisen. Die Hauptmasse
des Artikels besteht aus Polemik gegen Gott und die Christen, ganz in
der Weise, wie er’s bisher gemacht, nur daß jetzt, wo er sich erschöpft
hat, trotz aller Wiederholungen des alten Kohls die Abhängigkeit von den
Materialisten viel frecher hervortritt. Wenn man über die Trivialitäten
über Naturreligion, Polytheismus, Monotheismus etwas sagen wollte, müßte
man die wirkliche Entwicklung dieser Religionsformen dagegenstellen,
wozu man sie erst studieren müßte. Das geht uns aber für unsere Arbeit
ebensowenig an, wie seine Erklärung des Christentums. Für Feuerbachs
positiv-philosophischen Standpunkt gibt der Aufsatz nichts Neues. Die
paar zu kritisierenden Sätze, die ich oben exzerpiert habe, bestätigen
nur, was wir schon gesagt haben. Sieh doch, wenn Dich Feuerbach weiter
interessiert, daß Du von Kießling direkt oder indirekt den ersten Band
seiner gesammelten Werke einmal in die Finger bekommst, da hat er noch
eine Art Vorwort geschrieben, worin noch was sein könnte. Ich habe
Auszüge gesehen, wo Feuerbach von „Übeln des Kopfes“ und, „Übeln des
Magens“ spricht, so eine schwache Art Apologie, warum er nicht sich um
wirkliche Interessen bekümmert. Gerade wie er mir vor anderthalb Jahren
schrieb. –

Eben erhalte ich Deinen Brief, der wegen meines Wohnungswechsels ein
paar Tage in der alten Wohnung liegen blieb. Die Versuche mit den
Schweizer Buchhändlern werde ich machen. Ich glaube aber schwerlich, daß
ich unterkomme. Die Kerls haben alle kein Geld, um fünfzig Bogen zu
drucken. Ich bin der Ansicht, daß wir nichts gedruckt kriegen, wenn wir
die Sachen nicht _trennen_ und die Bände einzeln unterzubringen suchen.
Zuerst die philosophische Geschichte, die pressiert am meisten, und dann
das andere. Fünfzig Bogen auf einmal ist so gefährlich groß, daß viele
Buchhändler es schon deswegen nicht nehmen, weil sie es nicht können. Da
war ja auch noch der Bremer Küttmann oder wie er hieß, den uns Moses und
Weitling abspenstig machten; er wollte verbietenswürdige Bücher drucken,
aber nicht viel bezahlen; wir können uns mit diesem Manuskript an ihn
wenden, ganz gut. Was meinst Du, wenn man die Geschichte teilte, und dem
einen den ersten, dem anderen den zweiten Band anböte? Der Vogler weiß
die Adresse des Küttmann in Bremen. Der List ist so gut wie fertig.

Die Geschichten im Volkstribunen habe ich gesehen, vor ungefähr drei
Wochen. Mir ist so was lächerlich Dummes noch nicht vorgekommen. Die
Infamie des Bruder Weitling erreicht ihre Spitze in diesem Briefe an
Kriege. Was übrigens das Detail angeht, so ist es mir nicht mehr
erinnerlich genug, um darüber etwas sagen zu können. Ich bin aber
ebenfalls der Meinung, daß man sowohl auf Krieges wie der Straubinger
Proklamation repliziert, sie mit der Nase draufstößt, wie sie leugnen
gesagt zu haben, was wir ihnen vorwerfen, während sie zugleich dieselben
geleugneten Dummheiten wieder in ihrer Antwort proklamieren, und daß
namentlich der Kriege mit seinem hochmoralischen Pathos und seiner
Entrüstung über unseren Spott gehörig was aufs Dach kriegt. Da die
Nummern eben jetzt unter den hiesigen Straubingern zirkulieren, so kann
ich sie mir nicht verschaffen, ohne vier bis fünf Tage warten zu müssen.

Die hiesigen Straubinger bellen fürchterlich gegen mich. Namentlich drei
bis vier „gebildete“ Arbeiter, die Ewerbeck und Grün in die Geheimnisse
des wahren Menschentums eingeweiht. Aber ich bin vermöge einiger Geduld
und etwas Terrorismus durchgedrungen, die große Menge geht mit mir. Der
Grün hat sich vom Konnex losgesagt, und diese „Gebildeten“ hatten große
Lust, mitzugehen. Da habe ich gerade durchgehauen, den alten Eisermann
so eingeschüchtert, daß er nicht mehr kommt, und den _Komm[unismus]_
oder _Nicht-Komm[unismus]_ kontradiktorisch diskutieren lassen. Heute
abend wird abgestimmt, ob die Versammlung kommunistisch ist oder, wie
die Gebildeten sagen, „für das Wohl der Menschheit“. Die Majorität ist
mir sicher. Ich habe erklärt, wenn sie nicht _Komm[unisten]_ wären,
könnten sie mir gestohlen werden, da käme ich nicht mehr. Heute abend
werden die Schüler Grüns definitiv gestürzt, und dann werde ich ganz aus
dem Rohen anzufangen haben. – Von den Forderungen, die diese jebildeten
Straubinger an mich machten, hast Du gar keine Vorstellung. „Milde“,
„Sanftmut“, „warme Brüderlichkeit“. Ich habe sie aber gehörig gerüffelt,
jeden Abend brachte ich ihre ganze Opposition von fünf, sechs, sieben
Kerls (denn im Anfang hatte ich die ganze Butike gegen mich) zum
Schweigen. Nächstens mehr über die Historie, die allerlei Lichter auf
Herrn Grün wirft.

Proudhon soll in vierzehn Tagen nach hier kommen. Das wird schön werden.

Hier ist so was im Werke von einer Zeitschrift. Das Zigarrenmännlein
Mäurer behauptet, Geld dazu bekommen zu können. Ich glaube dem Kerl aber
nicht, bis das Geld da ist. Wird was daraus, so ist schon alles so
eingerichtet, daß das Ding _uns_ ganz in die Hände kommt. Mäurer, dem
ostensiblen Redakteur, habe ich das Recht gelassen, seinen eigenen
Unsinn drin zu drucken, das ging nicht anders. Alles übrige geht durch
meine Hände, ich habe absolutes Veto. Was ich schreibe, natürlich
pseudonym oder anonym. Jedenfalls wird das Ding, wenn es zustande kommt,
weder dem Heß, noch dem Grün, noch sonst einer wüsten Richtung in die
Hände geraten. Es wäre ganz gut, um etwas zu _fegen_. Sprich aber
niemanden davon, ehe es zustande ist, es muß sich noch diese Woche
entscheiden.

Lebe wohl und schreibe bald.

                                                                    E.

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   [1] Vulgärer [das heißt oberflächlicher] Materialismus.

   [2] So steht’s hier.

   [3] Lobredner der Gegenwart.


                                   13

Anschrift von Engels an einen Brief von F. Cöl. Bernays an Marx.

                                                     2. November 1846.

Lieber Marx!

Wo bleibt denn der lange versprochene weitläufige Brief? Schicke doch
dem Bernays das Manuskript, er braucht nur das, was Du hast, das
Gedruckte hat er noch. Nach Amerika hat er nichts geschickt, was dort
gedruckt ist, ist es ohne sein Willen und Wissen. Es sind aber viele
Exemplare gedruckt worden, von denen Leske nach allen Weltgegenden
verschenkt haben kann. Wir werden dem Dings nachspüren. Vielleicht durch
Grün oder Börnstein. Nach der Schweiz habe ich wegen des Manuskriptes
geschrieben, aber es scheint, er läßt mich ohne Antwort. Außer diesem
bleibt nur noch Jenny, mit dem habe ich einen Witz gemacht und wünsche
nicht an ihn zu schreiben. Schlage mir in Dein Nächstes ein paar Zeilen
für ihn bei, ich will’s abschicken, aber es ist nur __pro forma__, er
nimmt’s gewiß nicht. Der erste, an den ich schrieb, ist der Verleger
einer kleinen Broschüre von Bernays, aber wenn er auch akzeptiert, so
ist er doch bankrott, _à ce qu’écrit Püttmann_. _Voilà._[1] Ich
verzwe[ifle] an der Schweiz. Guter Rat ist teuer. Wir werden in [der]
jetzigen Schwulität gewiß keine drei Bände zusammen los werden;
höchstens zwei Bände bei zwei ganz verschiedenen Verlegern. Schreibe
hierüber auch. 23 Rue de Lille.

                                                               Dein E.

Erst jetzt las ich, was der Kleine da oben über seine Flucht aus der
Einsamkeit geschrieben. Es ist gut, daß wir ihn hier haben, er wird
allmählich wieder fidel. Grüße die janze Butik.

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   [1] Wie Püttmann schreibt. So steht’s.


                                   14

          [Fragment. Undatiert, vor 1848, wahrscheinlich Sommer 1846.]

... 7. Sollten sie die Paragraphen wegen Dividendenteilung in
Paragraphen wegen Schadenteilung verwandeln, denn wenn alles das nicht
wäre, so machen sie schon wegen des famosen Prinzips bankrott, den
Schaden ganz zu tragen, aber den Profit zu teilen. Sie müßten also
doppelt so gute Geschäfte machen wie jeder andere Buchhändler, um sich
zu halten – es ist aber ein Faktum, daß alle bisherigen ausschließlich
oder nur vorzugsweise mit verbotenen Schriften handelnden Buchhändler –
Fröbel, Wigand, Leske – sich _auf die Dauer_ ruiniert haben: 1. durch
Konfiskation, 2. durch Ausschließung von Märkten, die plus minus doch
immer stattfindet, 3. durch Bemogelung von seiten der Kommissionäre und
Sortimentshändler, 4. durch Polizeidrohungen, Prozesse usw., 5. durch
die Konkurrenz der Buchhändler, die nur von Zeit zu Zeit etwas
Anrüchiges drucken lassen, bei denen die Polizei also seltener
einspricht, und die dabei doch mehr Chance haben, Manuskripte zu
bekommen, welche ziehen, während jenen stereotypen der Schund und die
nicht ziehenden Bücher bleiben. Der buchhändlerische Kampf mit der
Polizei kann nur mit Profit geführt werden, wenn viele Verleger sich
daran beteiligen, es ist _essentiellement_[1] ein Guerillakrieg, und man
verdient nur, wenn man selten so etwas riskiert. Der Markt ist nicht
groß genug, um eine _spécialité_[2] aus dem Artikel zu machen.

Es ist übrigens wurst, ob die Gesellschaft sich ruiniert, sie ruiniert
sich doch, mag sie’s anfangen wie sie will; aber bei der Garantie
ruiniert sie sich zu rasch, das gibt ein hitziges Fieber mit drei
Krisen, von denen die dritte gewiß tödlich ist. Für die zu erwartende
Zufuhr von Manuskript, die nicht übergroß sein wird, wäre eine gelinde
Schwindsucht passender. Es ist nur schlimm, daß ihr Kapital zu sehr
angegriffen wird, wenn sie selbst druckt. Sie müßte so viel haben, daß
sie zirka anderthalb Jahre drucken könnte. Denn gesetzt, das Kapital sei
gleich 3000 Taler, das sie im _ersten Jahre_ verwendet: die
Ostermesseabrechnung bringt ihr, bei erträglichen Geschäften, zirka zwei
Drittel, also 2000 Taler mindestens. Sie muß also noch wenigstens 1000
Taler fürs zweite Jahr über jene 3000 Taler haben. So bleibt stets zirka
ein Drittel bis ein Viertel des Kapitals engagiert, in Krebsen,
schlechten Zahlern usw. Vielleicht ließe sich dies unter Vorwand von
allmählich abzahlbarem Vorschuß extra von den Aktionären aufbringen. Es
ist übrigens nötig, sich vorher mit einem Buchhändler zu benehmen, um
genau zu wissen, wieviel vom angelegten Kapital am Ende des ersten
Jahres stecken bleibt, oder in wieviel Zeit man sein Gesamtkapital
einmal umschlagen kann. Ich weiß das so genau nicht, ich habe aber
Gründe, zu glauben, daß ich in den obigen Rechnungen eher zuwenig als
zuviel stets engagiertes Kapital angenommen.

Der Herr Gerant mit seinen 20 Prozent vom Gewinn wird reich werden. Wenn
in den Reservefonds auch 10 Prozent vom etwaigen Schaden kommen, so gibt
das ein hübsches Minus.

Was die Garantie für die _Schriftsteller_ für Folgen hat, davon will ich
gar nicht sprechen. Ich bin der Meinung, daß man sie _abschlagen_ muß,
wenn sie für größere Werke offeriert wird. Einmal die Gesellschaft auf
dieser Basis etabliert, können wir keinem anderen Buchhändler mehr was
antragen, ohne daß er glaubt, die Gesellschaft habe es _refüsiert_.
Davon abgesehen, daß dieselben Gründe, aus denen wir sie den Westfalen
abschlugen, auch hier existieren. Weder unsere Ehre noch unser Interesse
raten uns, darauf einzugehen.

Im einzelnen: Sieben im Tendenzkomitee sind zuviel. Drei, höchstens fünf
sind genug. Man bekommt sonst Esel hinein oder gar Intriganten. Das
Tendenzkomitee muß doch plus minus in Brüssel wohnen. Wo ist da bei
sieben Mitgliedern eine Wahl möglich? Ist auch gar kein Grund, daß so
viele sein sollen. Wir werden doch die Arbeit tun müssen, und ich bin
dabei für mein Teil, was sollen uns also all die Beisitzer? Übrigens,
wenn es den Gutachten des Tendenzkomitees geht wie denen der
Provinzlandtage, wie dann? Es wird eine Heidenarbeit werden, all diese
schriftlichen Gutachten, indessen daß wir uns dem entziehen, daran ist
kein Gedanke. Wie gesagt, ich bin dabei für mein Teil. – _Query?_[3]
Wenn die Bourgeois einen wahrhaft-sozialistischen Aufsichtsrat ernennen,
der unsere Gutachten outrepassiert,[4] wie dann?

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   [1] Wesentlich.

   [2] Spezialität.

   [3] Frage.

   [4] Überschreitet, das heißt über [die Gutachten] hinweggeht.


                                   15

                          [Undatiertes Fragment, Jahreswende 1846/47.]

Lieber Marx!

Mein neulicher kurzer Brief an Gigot hatte folgende Gründe. Bei der
Untersuchung über die Unruhen im Faubourg St. Antoine im Oktober wurden
auch eine Masse verhafteter Deutscher inquiriert, der ganze zweite Schub
bestand aus Straubingern. Einige dieser, jetzt über die Grenze
spedierter Schafsköpfe müssen großen Unsinn über den Ewerbeck und über
mich ausgesagt haben; _in fact_, es war bei der Lumpigkeit der
Straubinger gar nichts anderes zu erwarten, als daß sie Heidenangst
bekamen und verrieten, was sie wußten und mehr. Dazu kam, daß die
Straubinger meiner Bekanntschaft, so geheimnisvoll sie mit ihren eigenen
Lumpereien sind, über meine Zusammenkünfte mit ihnen schändlich Lärm
geschlagen hatten. So sind diese Jungens. An der Barriere war vom edlen
Eisermann, wie ich Euch wohl schon schrieb, ein kompletter _avis aux
mouchards_[1] gegen mich losgelassen worden. J[ung]e beging auch einige
grobe Unklugheiten; er hat etwas die Großmannsucht, er will auf Kosten
der französischen Regierung nach Calais und London spediert werden.
Genug, Monsieur Delessert schickte mir und E[werbeck], dem längst
Verdächtigen und unter einem bloß suspendierten Ausweisungsbefehl
Stehenden, Mouchards über Mouchards auf den Hals, denen es gelang, uns
bis an den _marchand de vins_[2] zu verfolgen, wo wir zuweilen mit den
Faubourger Bären zusammenkamen. Damit war bewiesen, daß wir die Chefs
einer gefährlichen Clique seien, und bald daraus erfuhr ich, daß
Monsieur Delessert bei Monsieur Tanneguy Duchtel um einen
Ausweisungsbefehl gegen mich und Ewerbeck eingekommen sei, und daß in
dieser Sache ein famoser Aktenstoß auf der Präfektur liege. Natürlich
hatte ich keine Lust, mich wegen Straubingers schaffen zu lassen. Ich
hatte dergleichen Geschichten schon kommen sehen, als ich merkte, mit
welcher Nonchalance die Straubinger in der ganzen Welt herumposaunten
und überall diskutierten, wer recht habe, Grün oder ich. Ich war den
Kram leid, zu bessern waren die Jungens doch nicht, nicht einmal gerade
heraus kamen sie in der Diskussion, gerade wie die Londoner, und meinen
Hauptzweck, den Triumph über Grün hatte ich erreicht. Die Gelegenheit
war sehr schön, die Straubinger mit Ehren loszuwerden, so ärgerlich die
Geschichte sonst auch war. Ich ließ ihnen also erklären, jetzt könne ich
nicht mehr bei ihnen schulmeistern, im übrigen sollten sie sich in acht
nehmen. Ewerbeck entschloß sich gleich zu einer Reise und scheint auch
gleich abgegangen zu sein, wenigstens habe ich ihn nicht mehr gesehen.
Wohin er ist, weiß ich auch nicht.

Nach dem Kleinen (Bernays) hatte sich die Polizei auch umgesehen, aber
der war wegen allerlei Abenteuer (es ist merkwürdig, was der für tolle
Affären hat, so wie er den Fuß in die zivilisierte Welt setzt) wieder in
sein altes Lokal abgezogen. Wann er wieder nach Paris kommt, weiß ich
nicht, keinesfalls aber zieht er in das Quartier, wohin er ziehen
wollte; _die Dir deshalb gegebene Adresse taugt also nichts_. Sein
Manuskript hat er glücklich erhalten. Inzwischen bin ich der edlen
Polizei dankbar dafür, daß sie mich aus der Straubingerei gerissen und
mir die Genüsse dieses Lebens in Erinnerung gebracht hat. Wenn die
verdächtigen Individuen, die mich seit vierzehn Tagen verfolgen,
wirklich Mouchards sind, wie ich es von einigen sicher weiß, so hat die
Präfektur in der letzten Zeit viel Entreebilletts für die _bals_[3]
Montesquieu, Valentino, Prado usw. usw. ausgegeben. Ich verdanke Herrn
Delessert ganz hübsche Grisettenbekanntschaften und viel Pläsier, _car
j’ai voulu profiter des journées et des nuits qui pouvaient être mes
derniers à Paris_. _Enfin_,[4] da man mich sonst bis jetzt in Ruhe
gelassen hat, scheint alles sich gelegt zu haben. Adressiert aber in
Zukunft alle Briefe an Monsieur A. F. Körner, _artiste-peintre_,[5] 29
Rue neuve Bréda, Paris. Drinnen ein Kuvert mit meinen Initialen so, daß
es nicht durchscheint. – –

Eben erhalte ich Antwort von dem Schweizer Verleger. Der Brief, der
inliegend erfolgt, beweist mir erst recht, daß ihm nicht zu trauen. So
freundschaftlich akzeptiert kein ordinärer Verleger, nachdem er Wochen
hat warten lassen. Wir können jetzt sehen, was der Bremer schreibt, und
dann auch noch immer tun, was wir wollen. Da ist auch noch der Kerl in
Bellevue bei Konstanz, vielleicht ist mit dem was aufzustellen; wenn der
Bremer nicht will, kann ich’s bei dem nochmal versuchen. Inzwischen will
ich mich nochmal nach der Herisau erkundigen – hätten wir nur einen
ordentlichen Kerl in der Schweiz, dem man das Manuskript mit Order, es
nur gegen bar Geld auszuliefern, schicken könnte. Aber da ist nur der
durstige Kindervater Pütt[mann]!

Als unschuldiges Nebenvergnügen habe ich in der letzten schlechten Zeit
außer den Mädeln noch einigen Umgang mit Dänemark und dem übrigen Norden
getrieben. Das ist Dir eine Sauerei. Lieber der kleinste Deutsche als
der größte Däne! So ein Klimax von Moralitäts-, Zunft- und Ständemisere
existiert nirgends mehr. Der Däne hält Deutschland für ein Land, wohin
man geht, um „sich Maitressen zu halten und sein Vermögen mit ihnen
durchzubringen“ (_imedens at han reiste i Tydskland, harde han en
Maitresse, som fortärede ham den bedste del af hans médler_,[6] heißt es
in einem dänischen Schulbuch!) – er nennt den Deutschen einen _tydsk
windbeutel_ und hält sich für den echten Repräsentanten des germanischen
Wesens, der Schwede verachtet wieder den Dänen als „verdeutscht“ und
ausgeartet, schwatzhaft und verweichlicht, der Norweger sieht auf den
verfranzösierten Schweden und seinen Adel herab und freut sich, daß bei
ihm in Norwegen noch gerade dieselbe stupide Bauernwirtschaft herrscht,
wie zur Zeit des edlen Kanut, und dafür wird er wieder vom Isländer _en
canaille_ behandelt, der noch ganz dieselbe Sprache spricht, wie die
schmierigen Wikinger von Anno 900, Tran säuft, in einer Erdhütte wohnt
und in jeder Atmosphäre kaputt geht, die nicht nach faulen Fischen
riecht. Ich bin mehrere Male in Versuchung gewesen, stolz darauf zu
werden, daß ich wenigstens kein Däne oder gar Isländer, sondern nur ein
Deutscher bin. Der Redakteur des avanciertesten schwedischen Blattes,
des Aftonblad, ist hier zweimal in Paris gewesen, um über die
Organisierung der Arbeit ins klare zu kommen, hat sich jahrelang den Bon
Sens und die Démocratie pacifique gehalten, mit Louis Blanc und
Considérant feierlich unterhalten, aber er hat’s nicht kapieren können
und ist so klug zurückgekommen, wie er wegging. Jetzt paukt er nach wie
vor hier die freie Konkurrenz, oder, wie das auf schwedisch
heißt, Nahrungsfreiheit oder auch _sjelfförsörjningsfrihet_,
Selbstversorgungsfreiheit (das ist doch noch schöner als
Gewerbefreiheit). Natürlich, die sitzen noch im Zunftdreck bis über die
Ohren, und auf den Reichstagen sind gerade die Bürger die wütendsten
Konservativen. Im ganzen Lande nur zwei ordentliche Städte à 80 000 und
40 000 Einwohner, respektive die dritte, Norrköping, hat nur 12 000,
alles übrige so 1000, 2000, 3000. Alle Poststationen wohnt ein Mensch.
In Dänemark ist’s kaum besser, da haben sie nur eine einzige Stadt, wo
die gottvollsten Zunftprozesse vorfallen, toller als in Basel oder
Bremen, und wo man nicht ohne Einlaßkarte auf die Promenade gehen darf.
Das einzige, wozu diese Länder gut sind, ist, daß man an ihnen sehen
kann, was die Deutschen tun würden, wenn sie Preßfreiheit hätten,
nämlich wie die Dänen wirklich getan haben, sogleich eine „Gesellschaft
für den wahren Gebrauch der freien Presse“ stiften und christliche,
wohlmeinende Kalender drucken lassen. Das schwedische Aftonblad ist so
zahm wie die Kölner Zeitung, hält sich aber für „demokratisch im wahren
Sinne des Wortes“. Dafür haben die Schweden die Romane von Fröken[7]
Bremer und die Dänen Herrn Etatsraad Öhlenschläger, Commandör af
Dannebrogsordenen.[8] Auch gibt es schrecklich viel Hegelianer dort, und
die Sprache, in der jedes dritte Wort aus dem Deutschen gestohlen ist,
paßt famos für die Spekulation.

Ein Bericht ist seit lange angefangen und folgt dieser Tage. Schreibe
mir, ob Ihr Proudhons Buch habt. Wenn Du von dem Proudhonschen Buche,
welches schlecht ist, für Dein Buch profitieren willst, so will ich Dir
meine sehr ausführlichen Exzerpte schicken. Es ist nicht die 15 Franken
wert, die es kostet.

                                                         [Fr. Engels.]

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   [1] Benachrichtigung der Spitzel.

   [2] Weinausschänker.

   [3] Bälle, beziehungsweise Ballokale.

   [4] Denn ich wollte die Tage und Nächte ausnutzen, die meine letzten
   in Paris sein konnten. Schließlich ...

   [5] Kunstmaler.

   [6] Während er in Deutschland reiste, hielt er sich eine Maitresse,
   die den größten Teil seiner Mittel verzehrte.

   [7] Fräulein.

   [8] Kommandant des Danebrogsorden.


                                  1847


                                   16

                                             Freitag, 15. Januar 1847.

Lieber Marx!

Ich hätte Dir schon eher geschrieben, wenn nicht Bernays mich bis jetzt
hätte sitzen lassen. Der verfluchte Börnstein, bei dem ich mich nämlich
unter anderem auch wegen Deines Herkommens erkundigte, war nie zu
treffen, und so übertrug ich die Sache dem Bernays, der mir schon Montag
einen Brief für Dich in die Stadt bringen wollte. Statt dessen erhalte
ich gestern abend spät den inliegenden Wisch, den der faule Kerl
vorgestern abend in Sarcelles gesudelt, und die darin enthaltenen
Aufklärungen sind wahrhaftig nicht derart, daß sie ein fünf- bis
sechstägiges Studium erfordert hätten. Aber so ist der Kerl. Ich werde
übrigens den Börnstein selbst sprechen, denn mir genügt diese Aufklärung
keineswegs und, aufrichtig gesagt, ich glaube keinem Menschen weniger
aufs Wort als dem Bernays. Der Mensch brüllt mir seit nunmehr sechs
Monaten die Ohren voll, Du könntest jeden Tag mit Sack und Pack kommen,
und wenn’s zum Klappen kommt, macht er eine lange Historie von einem
Paß. Als ob Du einen Paß brauchtest! An der Grenze fragt kein Mensch
danach, auch Moses ist, ohne gefragt zu werden, hergekommen, ebensogut
wie ich, und wenn Du bei mir wohnst, so möchte ich doch wissen, wer
danach fragen sollte. Höchstens ein belgischer _Passeport pour
L’Intérieur_[1] zur etwaigen Legitimierung, oder das bekannte
Sendschreiben Herrn Leopolds: _Cabinet du Roi_[2] – das ist für alle
Fälle hinreichend. Heine ist ganz derselben Meinung, und sowie ich den
Börnstein attrappieren kann, werde ich ihn deshalb befragen.

Der Bernays hatte auch die Geschichte mit dem Tolstoi ausspekuliert oder
sich vielmehr von Börnstein aufbinden lassen, denn der Börnstein _bindet
ihm auf, was er will_.

Wegen Deines Herkommens also werde ich den Börnstein nochmals fragen;
Heine, wie gesagt, behauptet, Du könntest dreist kommen. Oder willst Du
zur französischen Ge[sandtschaft] gehen und Dir auf Grund Deines
preußischen Auswanderungsscheines einen Paß fordern?

Es war mir sehr lieb, daß Du mir Mosen ankündigtest. Der Edle kam zu
mir, traf mich nicht, ich schrieb ihm, er solle mir ein Rendezvous
geben. Gestern fand solches statt. Der Mann hat sich sehr verändert.
Jugendliche Locken umwallen sein Haupt, ein zierliches Bärtchen gibt dem
scharfen Kinn einige Grazie, eine jungfräuliche Röte überflog seine
Wangen, aber _la grandeur déchue se peignait dans ses beaux yeux_,[3]
und eine befremdliche Bescheidenheit war über ihn gekommen. Ich habe mir
hier in Paris einen sehr unverschämten Ton angewöhnt, denn Klimpern
gehört zum Handwerk, und man richtet mit selbigem manches bei
Frauenzimmern aus. Aber dies genotzüchtigte Exterieur des ehemals so
welterschütternden Überfliegers Heß hätte mich fast entwaffnet. Die
Heldentaten der wahren Sozialisten, seiner Jünger (wovon unten) und sein
eigener unveränderter Kern gaben mir aber wieder Mut. Genug, er ist von
mir so kalt und spöttisch behandelt worden, daß er *keine* Lust haben
wird wiederzukommen.

Der Bremer [Buchhändler] ist jedenfalls dem Schweizer vorzuziehen. Ich
kann dem Schweizer nicht schreiben, 1. weil ich seine Adresse vergessen
habe, 2. weil ich dem Kerl kein niedrigeres Honorar pro Bogen
vor[schlagen] will, als Du dem Bremer vorschlägst. [Lücke] ... also
Deine Vorschläge für den Bremer und zugleich die Adresse des Kerls. Er
hat dem Bernays seine schlechte Rothschild-Broschüre gut bezahlt, aber
den Pütt[mann] geprellt: für ihn gedruckt, aber unter dem Vorwand, seine
Fonds engagiert zu haben, die Zahlung des Honorars ins Unendliche
hinausgeschoben.

Sehr schön, daß Du französisch gegen Proudhon schreibst. Die Broschüre
ist hoffentlich schon fertig geschrieben bei Ankunft dieses. Daß Du
_meinetwegen_ aus unserer Publikation antizipieren kannst, was Du
willst, versteht sich von selbst. Daß Pr[oudhon]s Assoziation auf Brays
Plan herausläuft, glaube ich ebenfalls. Ich hatte den guten Bray ganz
vergessen.

Du hast vielleicht in der Trierschen Zeitung von der Neuen Leipziger
Soz[ialistischen] Zeitschrift gelesen, betitelt „Veilchen“, Blätter für
die _harmlose_ moderne Kritik!! worin Herr Semmig als Sarastro brüllt:
In diesen heiligen Hallen kennt man die Rache nicht, in diesen
heiligen Mauern darf kein Verräter lauern, dann wandelt er an
Freu-eu-eu-eundeshand, vergnügt und froh ins bessere Land – aber er hat
leider keinen Baß dazu, wie weiland Reichel. Sarastro-Semmig opfert hier
den drei Gottheiten: 1. Heß – 2. Stirner – 3. Ruge – alles in einem
At[em]. Erstere beide haben die Tiefen der Wissenschaft ... [Lücke].
Dies Blättchen oder Veilchen ist das Tollste, was ich je gelesen habe.
Eine solche stille und zugleich unverschämte Verrücktheit ist nur in
Sachsen möglich. Könnten wir doch das Kapitel über den wahren
Sozialismus noch einmal machen, jetzt, wo sie sich nach allen Seiten
entwickelt haben, wo sich die westfälische Schule, die sächsische
Schule, die Berliner Schule usw. usw. nebst den einsamen Sternen
Püttmann usw. besonders konstituiert haben. Man könnte sie nach den
Sternbildern des Himmels einteilen. Püttmann der große und Semmig der
kleine Bär oder Püttmann der Stier, und die Plejaden seine acht Kinder.
Hörner verdient er, wenn er sie nicht hat, ohnehin. Grün, der Wassermann
usw. Apropos Grün. Ich werde den Artikel über Grüns Goethe umarbeiten,
auf einen halben bis drei Viertel Bogen reduzieren und ihn für unsere
Publikation zurechtmachen, _wenn’s_ Dir recht ist, worüber Du mir bald
schreiben sollst. Das Buch ist zu charakteristisch. Grün preist alle
_Philistereien_ Goethes als _menschlich_, er macht den Frankfurter und
_Beamten_ Goethe zum „wahren Menschen“, während er alles Kolossale und
Geniale übergeht oder gar bespuckt. Dergestalt, daß dies Buch den
glänzendsten Beweis liefert, daß _der Mensch_ = _der deutsche
Kleinbürger_. Dies hatte ich nur angedeutet, könnte es aber ausführen
und den Rest des Artikels ziemlich streichen, da er für unser Ding nicht
paßt. Was meinst Du?

                                                          Dein Engels.

----------

   [1] Inlandspaß.

   [2] Kabinett des Königs.

   [3] Die gefallene Größe malte sich in seinen schönen Augen.


                                   17

                                               Dienstag, 9. März 1847.

Lieber Marx!

Das inliegende Broschürli wurde mir heute morgen von Junge überbracht;
Ewerbeck habe es vor einigen Tagen zu ihnen gebracht. Ich sah mir das
Ding an und erklärte, es sei von Mosi, und setzte dem Junge dies Punkt
für Punkt auseinander. Heute abend sah ich Ewerbeck, er gestand, es
gebracht zu haben, und nachdem ich das Ding gehörig heruntergerissen,
kommt heraus, daß er selbst, Ewerbeck, der Verfasser des sauberen
Machwerkes ist. Er hat es, wie er behauptet, in den ersten Monaten
meiner Anwesenheit hier verfaßt. Der erste Rausch, in den ihn die von
mir mitgeteilten Neuigkeiten versetzten, hat ihn dazu begeistert. So
sind diese Jungens. Während er den Heß auslachte, der sich mit fremden
Federn schmückt, die ihm nicht stehen, und den Straubingern verbot, dem
Grün zuzustecken, was ich ihnen vortrug, damit der es nicht ebenso
mache, setzt er sich hin und treibt es – in der besten Absicht der
Welt, wie immer – um kein Haar besser. Moses und Grün hätten die Sachen
nicht mehr verhunzt als dieser volkstümliche ...... Doktor. Ich habe ihn
natürlich erst etwas verhöhnt und ihm schließlich verboten, je wieder
solches Zeug zu laxieren. Aber das sitzt dem Volke in den Knochen. Die
vorige Woche setze ich mich hin und schreibe aus Unsinn eine anonym
herauszugebende Broschüre über die Lola Montez. Samstag las ich ihm
einiges daraus vor, und heute abend erzählt er mir mit gewöhnlicher
Bonhommie, daß ihn dies zu einer ähnlichen Produktion inspiriert habe,
die er bereits den nächsten Tag über denselben Gegenstand gemacht und
dem Mäurer für seine Inkognitozeitschrift (sie erscheint wirklich ganz
im geheimen und nur für die Redaktion unter Zensur von Madame Mäurer,
die bereits ein Gedicht von Heine gestrichen) eingehändigt. Er teile mir
dies jetzt schon mit, um seine Ehrlichkeit zu salvieren und um kein
Plagiat zu begehen! Dies neue Meisterstück dieses erpichten und
verpichten Schriftstellers wird natürlich eine Übersetzung meines Witzes
in solenn-überschwenglichen Stilum sein. Dies letztere Probestück kurzen
Gedärmes ist zwar im übrigen wurst, zeigt aber doch, wie dringend nötig
es ist, daß entweder Dein Buch oder unsere Manuskripte so rasch wie
möglich erscheinen. Die Kerle tragen sich alle mit dem Kummer, daß so
famose Ideen dem Volke solange verborgen bleiben, und wissen am Ende
kein anderes Mittel, sich diesen Stein vom Herzen zu wälzen, als daß sie
selbst so viel davon aus ihrem Darme pressen, als sie _passablement_
verdaut zu haben meinen. Lasse den Bremer also nicht fahren. Wenn er
nicht antwortet, schreibe nochmals. Akzeptiere das möglichst Geringe, im
Notfall. Diese Manuskripte verlieren mit jedem Monat, den sie auf Lager
zubringen, 5 bis 10 Franken pro Bogen an _exchangeable value_.[1] Noch
ein paar Monate, _la diète prussienne en discutera, la querelle bien
entamée à Berlin_,[2] und der Bauer und Stirner sind nicht mehr zu 10
Franken pro Bogen verkäuflich. Bei einer solchen Gelegenheitsschrift
kommt man allmählich auf einen Punkt, wo hohes Honorar als Forderung des
schriftstellerischen _point d’honneur_[3] ganz beiseite gesetzt werden
muß.

Die Konstitutionsbroschüre bekommst Du baldmöglichst. Ich werde sie auf
einzelne Blätter schreiben, damit Du einlegen und weglassen kannst. Wenn
Aussicht da ist, daß Vogler einiges zahlt, so frage ihn, ob er den
Lola-Montez-Witz – zirka anderthalb bis zwei Bogen – nehmen will,
brauchst aber nicht zu sagen, daß das Ding von mir herrührt. Antworte
mir umgehend darüber, sonst versuche ich in Bellevue. Du wirst in Débats
oder Constitutionnel gelesen haben, daß Schufterle Schlepfer in Herisau
vom großen Rat wegen württembergischer Klagen außerstande gesetzt ist,
weiter revolutionäres Zeug zu drucken, er selbst hat es in Briefen
hierher bestätigt und sich alle Zusendungen _verbeten_. Also Grund mehr,
an dem Bremer zu halten. Ist es gar nichts mit dem, so bleibt nur die
„Verlagsbuchhandlung“ in Bellevue bei Konstanz. _Au reste_, wenn das
Unterbringen unserer Manuskripte mit dem Unterbringen Deines Buches
kollidiert, so foutiere [schleudere] in Teufels Namen die Manuskripte in
eine Ecke, denn es ist viel wichtiger, daß Dein Buch erscheint. Wir
beide beißen doch bei unseren Arbeiten darin nicht viel heraus.

Du hast vielleicht in der gestrigen (Montags) Kölner Zeitung einen
biedermännischen Artikel über Martin du Nords Skandalgeschichte gelesen.
Dieser Artikel ist von Bernays – er macht von Zeit zu Zeit die
Börnsteinsche Korrespondenz.

Die hiesige Polizei ist jetzt sehr bösartig. Es scheint, sie wollen mit
aller Gewalt eine Emeute oder eine massenhafte Konspiration gelegentlich
der Hungersnot herausbeißen. Erst streuen sie allerlei Druckschriften
aus und heften _placats incendiaires_[4] an, und jetzt haben sie gar
Brandstiftungsmaschinen gemacht und ausgestreut, die aber nicht
_angesteckt waren_, damit der Épicier die ganze Größe der teuflischen
Bosheit erkennen könne. Dazu haben sie die schöne Geschichte mit den
_communistes matérialistes_[5] angefangen, eine Masse Kerls verhaftet,
von denen A den B, B den C, C den D kennt usw., und nun auf Grund dieser
Bekanntschaft und einiger Zeugenbehauptungen die ganze Masse unter sich
meist unbekannte Kerle in eine „Bande“ verwandelt. Der Prozeß dieser
„Bande“ wird bald vorkommen, und wenn zu diesem neuen System die alte
_complicité morale_[6] hinzukommt, so kann man jedes beliebige
Individuum mit der größten Leichtigkeit verurteilen. _Cela sent son
Hébert._[7] Auf diese Art ist nichts leichter, als auch den _père_[8]
Cabet ohne weiteres zu verdonnern.

Komme doch, wenn es irgend möglich, im April einmal hierher. Bis zum 7.
April ziehe ich aus – ich weiß noch nicht, wohin –, und habe um
dieselbe Zeit auch einiges Geld. Wir könnten dann einige Zeit höchst
fidel zusammen verkneipen. Da die Polizei jetzt allerdings eklig ist
(außer dem Sachsen, von dem ich schrieb, war auch mein alter Gegner
Eisermann geschaßt, beide sind hier geblieben, vergleiche K. Grün in der
Kölner Zeitung), so ist es allerdings am besten, daß man den Rat des
Börnstein befolgt. Versuche beim französischen Gesandten, auf Deine
Auswanderung *einen* Paß zu kriegen; wenn das nicht geht, dann wollen
wir sehen, was hier auszurichten ist – es gibt wohl noch einen
konservativen Deputierten, der sich durch die sechste Hand rühren läßt.
Du mußt platterdings mal wieder aus dem ennuyanten Brüssel weg und nach
Paris, und das Verlangen, etwas mit Dir zu kneipen, ist auch meinerseits
sehr groß. Entweder _mauvais sujet_[9] oder Schulmeister, das ist alles,
was man hier sein kann; _mauvais sujet_ unter liederlichen Stricken, und
_cela vous va fort mal quand vous n’avez pas d’argent_,[10] oder
Schulmeister von Ewerbeck, Bernays und Konsorten. Oder sich von den
Chefs der französischen Radikalen weise Ratschläge geben lassen, die man
nachher noch gegen die anderen Esel verteidigen muß, damit sie nicht gar
zu stolz in ihrer schwammigen Deutschheit sich brüsten. Hätte ich 5000
Franken Renten, ich täte nichts als arbeiten und mich mit den Weibern
amüsieren. Wenn die Französinnen nicht wären, wäre das Leben überhaupt
nicht der Mühe wert.

Hast Du Louis Blancs [Geschichte der französischen] Revolution gesehen?
Ein tolles Gemisch richtiger Ahnungen und grenzenloser Verrücktheiten.
Ich habe erst die Hälfte des ersten Bandes in Sarcelles gelesen. _Ça
fait un drôle d’effet._[11] Kaum hat er einen durch eine nette
Anschauung überrascht, so poltert er einem gleich den furchtbarsten
Wahnsinn über den Kopf. Aber der Louis Blanc hat eine ganz gute Nase und
ist auf gar keiner üblen Spur, trotz allem Wahnsinn. Er bringt es aber
doch nicht weiter, als er jetzt schon ist – „ein Zauber bleit ihn
nieder“, die Ideologie.

Kennst Du Ach. de Vaulabelle, _Chute de l’Empire, Histoire des deux
Restaurations_?,[12] im vorigen Jahre erschienen, Republikaner vom
National und in der Art der Geschichtschreibung der alten Schule –
_vor_ Thierry, Mignet usw. – angehörend. Grenzenloser Mangel an
Einsicht in die ordinärsten Verhältnisse – selbst der Capefigue in
seinen „_Cent Jours_“[13] ist darin unendlich besser –, aber
interessant wegen der bourbonischen und alliierten Schmutzereien, die er
alle zusammenzählt, und wegen ziemlich genauer Darstellung und Kritik
der _facta_[14], solange seine nationalen und politischen Interessen ihn
nicht stören. Im ganzen jedoch langweilig geschrieben, eben wegen Mangel
alles Überblicks. Der National ist ein schlechter Historiker, und
Vaulabelle soll Marrasts _amicus_[15] sein.

Moses ist ganz verschollen. Bei den „_Ouvriers_“[16], mit denen ich
nicht umgehe, verspricht er Vorlesungen zu halten, gibt sich für Grüns
Gegner und meinen Intimus aus! Gott weiß und Moses desgleichen, daß ich
ihn bei unserer zweiten und letzten Entrevue am Passage Vivienne mit
offenem Maule stehen ließ – – –. Seitdem ist er mir nur noch am
_mardi gras_[17] begegnet, wo er sein lebensmüdes Ich durch den
fürchterlichsten Regen und die ödeste Langeweile nach der Börse zu
schleifte. Wir erkannten uns nicht einmal.

Den Brief an Bakunin werde ich besorgen, sobald ich seiner Adresse
sicher bin – bis jetzt ist es noch _chanceux_.[18]

Apropos, schreibe doch an den Ewerbeck wegen des Broschürlis und
verhöhne ihn etwas, er hält demütigst _ambas posaderas_[19] dar und
wünscht Hiebe drauf zu besehen – Du kennst das.

Also schreibe bald und besorge das, daß Du herkommst.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Marktwert.

   [2] Die Diskussion im [vereinigten] preußischen Landtag beginnt, der
   Streit in Berlin gehörig im Gange ....

   [3] Ehrensache.

   [4] Brandplakate.

   [5] Materialistische Kommunisten. (Gruppe extrem radikaler
   Kommunisten.)

   [6] Moralische Mitschuld.

   [7] Das riecht ganz nach Hébert.

   [8] Vater [beziehungsweise der Alte].

   [9] Liederliches Subjekt.

   [10] Das steht euch sehr schlecht, wenn ihr kein Geld habt.

   [11] Das macht einen komischen Eindruck.

   [12] [Der] Sturz des Kaiserreichs, [die] Geschichte zweier
   Restaurationen.

   [13] Die hundert Tage. [Baptiste Honoré Capefigue war ein
   politisierender Historiker und Romandichter.]

   [14] Tatsachen.

   [15] Freund.

   [16] Arbeiter [beziehungsweise Handwerker].

   [17] Fastnacht.

   [18] Vom Zufall abhängig.

   [19] Beide Hinterbacken.


                                   18

                                                         15. Mai 1847.

Lieber Engels!

Du weißt, daß Vogler seit Anfang Mai in Aachen arretiert ist. Das hat
für einstweilen den Druck der von Dir hergeschickten Broschüre unmöglich
gemacht. Das erste Drittel derselben hat mir sehr gut gefallen. An den
zwei anderen muß jedenfalls geändert werden. Mehr speziell das
nächstemal über diesen Punkt.

Einlege ich den Abdruck Deiner Karikatur. Ich hatte sie der Brüsseler
Zeitung zugeschickt.

Was den wirklich ekelhaften Artikel des Grün und Konsorten in der
Trierschen Zeitung angeht, so ist es zwar jetzt zu spät; ursprünglich
aber hättest Du gut getan, in zwei Zeilen eine Gegenerklärung in
demselben Schundblatt zu erlassen.

Nach London kann ich nicht. Die Geldmittel gestatten es nicht. Wolff[1]
werden wir aber hoffentlich hinbringen. Und dann wird’s genügen, daß ihr
beide da seid.

Ich kann Dir nicht mehr schreiben. Vor ungefähr zwölf Tagen ließ mir der
Breyer zu _Ader_, aber statt an dem _linken_, am _rechten_ Arm. Da ich
fortarbeitete, als sei nichts vorgefallen, eiterte die Wunde, statt zu
vernarben. Die Sache hätte gefährlich werden und mir den Arm kosten
können. Jetzt ist’s so gut wie geheilt. Aber der Arm noch schwach. Darf
nicht angestrengt werden.

                                                            Dein Marx.

----------

   [1] Wilhelm Wolff, auch „Lupus“, „Kasematten“- oder
   „Parlaments-Wolff“ genannt.


                                   19

                          [Aus Brüssel.] Dienstag, 28. September 1847.

Lieber Marx!

Es ist hier dieser Tage eine höchst kuriose Geschichte vorgekommen.
Sämtliche mit uns und unserem Auftreten unzufriedenen Elemente unter den
hiesigen Deutschen haben nämlich eine Koalition gebildet, um Dich, mich
und überhaupt die Kommunisten zu stürzen und dem Arbeiterverein eine
Konkurrenz zu machen. _Bornstedt_ ist im höchsten Grade malkontent; die
von Otterberg ausgegangene, von Sandkuhl überbrachte und bestärkte, von
Crüger und Moras benutzte Redensart, wir benutzten ihn, Bornstedt, bloß,
hat ihn gegen uns alle wütend gemacht; Moras und Crüger, die da
herumjammern, sie würden von uns von oben herab behandelt, haben ihn
noch mehr aufgehetzt. _Seiler_ ist ärgerlich wegen der ihm widerfahrenen
unverzeihlichen Vernachlässigung bei Gründung des Arbeitervereins und
wegen des guten Fortganges des Vereins, der allen seinen Prophezeiungen
widerspricht. _Heilberg_ sucht für die ihm zuteil gewordenen und noch
tagtäglich werdenden Grobheiten eine eklatante, wenn auch unblutige
Rache. Bornstedt schäumt ebenfalls, daß er sich vermittels der
geschenkten Bücher und Karten nicht die Stellung eines einflußreichen
Demokraten, die Ehrenmitgliedschaft und Aufstellung seiner Büste im
Verein erkaufen konnte, sondern daß im Gegenteil sein Setzer morgen
abend über ihn wie über einen ganz gewöhnlichen Menschen abstimmen
lassen wird. Es ärgert ihn auch, daß er, der aristokratische _homme
d’esprit_[1], bei den Arbeitern viel weniger Gelegenheit findet, sich zu
mokieren, als er sich versprochen hatte. Dann ist Moras ärgerlich, daß
er die Brüsseler Zeitung nicht für Heinzen gewonnen. _Enfin_[2], alle
diese heterogenen Elemente vereinigten sich zu einem Coup, der uns
sämtlich zu einer sekundären Rolle gegenüber Imbert und den belgischen
Demokraten herabdrücken und eine viel großartigere, universellere
Gesellschaft ins Leben rufen sollte als unseren lumpigen Arbeiterverein.
Sämtliche Herren brannten danach, auch einmal in irgend etwas die
Initiative zu haben, und die feigen Canaillen hatten dazu den Moment
Deiner Abwesenheit für ausgezeichnet passend gefunden. Sie hatten sich
aber schändlich verrechnet.

Sie beschlossen also ganz im stillen, ein kosmopolitisch-demokratisches
Souper zu arrangieren und dort ganz unvorbereitet eine Gesellschaft _à
la fraternal Democrats_[3] nebst Arbeitermeetings usw. usw. zu
proponieren. Sie bildeten eine Art Komitee, wozu sie _pro forma_ den
ihnen ganz unschädlichen Imbert zuzogen. Nach allerlei vagen Gerüchten
erfuhr ich erst Sonntag abend im Verein von Bornstedt etwas Positives
darüber, und Montag war schon das Essen. Details waren aus Bornstedt
nicht herauszuziehen, außer daß Jottrand, General Mellinet, Adolf
Bartels, Kats usw. usw. hinkommen würden, Polen, Italiener usw. Obwohl
ich von der ganzen Koalition nichts ahnte (erst Montag morgen erfuhr
ich, daß Bornstedt etwas pikiert sei und Moras und Crüger jammerten und
intrigierten; von Seiler und Heilberg ahnte ich nichts), so kam mir die
Sache doch verdächtig vor. Hingehen mußte man aber wegen der Belgier und
um in dem kleinen Brüssel nichts Demokratisches geschehen zu lassen,
wobei wir nicht beteiligt seien. Aber für eine Partei mußte gesorgt
werden. Wallau und ich brachten also die Sache vor, unterstützten sie
stark, und gleich fanden sich an die dreißig, die hingehen wollten. Am
Montag morgen sagte mir Lupus, außer dem _président d’honneur_[4], dem
alten Mellinet, und dem wirklichen Präsident Jottrand müßten sie zwei
Vizepräsidenten haben, von denen einer Imbert, der andere ein Deutscher,
womöglich ein Arbeiter. Wallau sei leider unmöglich, weil er kein
französisch spreche. So habe ihm Bornstedt gesagt. Er, Lupus, habe
geantwortet, dann müsse ich es werden. Ich sagte dem Lupus nun, er solle
es sein, aber er wollte absolut nicht. Ich wollte es auch nicht, weil
ich so schrecklich jung aussehe, aber am Ende dachte ich, es sei doch
für alle Vorkommenheiten am besten, wenn ich es akzeptierte.

Wir kommen abends hin. Bornstedt tat sehr unwissend, als ob noch nichts
arrangiert, bloß die Beamten (_toujours à l’exception de
l’Allemagne_[5]) und einige inskribierte Redner, von denen ich außer
Crüger und Moras keinen Namen erfahren konnte; er drückte sich jeden
Augenblick wegen Arrangierung des Lokals, lief zu diesem und jenem,
mogelte, intrigierte, fuchsschwänzelte aus Leibeskräften. Ich sah indes
noch kein Symptom von besonderer Intrige, das stellte sich erst später
heraus. Wir waren im Estaminet Liégeois, Place du Palais de justice. Als
es zur Beamtenwahl kam, schlug Bornstedt gegen alle Absprache Wallau
vor. Dieser ließ sich durch Wolff (Lupus) ablehnen und mich vorschlagen,
was auch mit Glanz durchging. Hiermit war die ganze Intrige
auseinandergefallen und vereitelt. Jetzt verloren sie mehr oder weniger
die Besinnung und verrieten sich. Nach Imbert, der die _martyrs de la
liberté_[6] leben ließ, brachte ich einen französischen Toast _au
souvenir de la Révolution de 1792_[7] und nachträgliches _anniversaire
du 1er Vendémiaire an I de la République_[8] aus. Nach mir hielt Crüger
eine lächerliche Rede, in der er stecken blieb und sein Manuskript
hervorziehen mußte. Dann Moras, der eine Pauke ablas, in der es sich
fast nur von seiner Wenigkeit handelte. Beide deutsch. Ihre Toaste waren
so konfus, daß ich sie gar nicht mehr weiß. Dann Pellerin flämisch,
Advokat Spilthoorn von Gent französisch _au peuple anglais_,[9] dann zu
meinem größten Erstaunen die buckelige Spinne Heilberg mit einer langen
schulmeisterlichen abgeschmackten französischen Rede, worin er erstens
sich als Redakteur des Atelier Démocratique in die Brust warf; zweitens
erklärte, Er, Maximus Heilberg, verfolge seit mehreren Monaten – _mais
cela doit se dire en français: L’association des ouvriers belges, voilà
le but que Je poursuis depuis quelques mois (c. à d. depuis le moment où
J’ai daigné prendre connaissance du dernier chapitre de la Misère de la
philosophie)._[10] Also Er und nicht Kats und die anderen Belgier.
„_Nous entrerons dans la carrière quand nos aînés n’y seront plus_“[11]
usw. usw. Er wird das vollbringen, was Kats und Jottrand nicht konnten;
drittens vorschlug, eine _fraternelle democracy_[12] zu stiften und die
Meetings zu reorganisieren; viertens das erwählte Bureau mit der
Organisation beider zu beauftragen. – Also welche Konfusion! Erstens
die kosmopolitische Geschichte mit belgischen Meetings über belgische
Angelegenheiten zusammenzuwerfen, und zweitens diesen Vorschlag, statt
ihn ganz fallen zu lassen, weil ihnen doch alles verbrockt, dem
bestehenden Bureau zu übertragen! Und wenn er dachte, ich ginge weg,
mußte er nicht wissen, daß gar nicht daran zu denken war, irgend jemand
anders ins Bureau zu bringen als Dich? Aber der Schafskopf hatte seine
Rede mal fertig geschrieben, und seine Eitelkeit erlaubte ihm nicht,
etwas fallen zu lassen, wobei er die Initiative in irgend etwas
ergreifen konnte. Die Geschichte ging natürlich durch, und bei dem zwar
sehr _factice_ [äußerlich] gewordenen, aber doch lauten Enthusiasmus war
nicht daran zu denken, den konfusen Vorschlag besser zu arrangieren.
Dann sprach A. Bartels (Jules war nicht da), und dann verlangte Wallau
das Wort. Wie groß aber war mein Erstaunen, als plötzlich Bornstedt
vorsprang und mit großem Eifer das Wort für Seiler als früher schon
eingeschriebenen Redner verlangte. Seiler erhielt es und hielt eine
unendliche lange, schwatzhafte, alberne, lächerlich abgeschmackte,
wirklich blamable Rede (französisch), worin er von den _pouvoirs
législatif, administratif et exécutif_[13] schauderhaften Unsinn sprach,
den Demokraten allerhand weise Ratschläge gab (wie auch Heilberg, der
von Instruktion und _question de l’enseignement_[14] die wunderbarsten
Dinge gefaselt), worin Seiler ferner sich _en grand homme_[15] posierte,
von demokratischen Gesellschaften sprach, _auxquelles j’ai participé et
_que j’ai peut-être même dirigées_ (littéralement)_[16] und schließlich
auch richtig sein edles Bureau mit den _dernières nouvelles arrivées de
Paris_[17] usw. hereinbrachte. Kurz, es war scheußlich. Nachher sprachen
noch mehrere, ein schwyzer Esel, Pellerin, Kats (sehr gut) usw. usw.,
und um 10 Uhr schloß Jottrand (der sich zu Tode schämte für die
Deutschen) die Sitzung. Plötzlich reklamierte Heilberg Schweigen und
annoncierte: die Rede von Weerth auf dem _free trade_[18] Kongreß
erscheine morgen in dem Supplement des Atelier, __qui se vendra
séparément__!!![19] Auch hat der Zalewski noch etwas gegreint _sur
l’union de cette malheureuse Pologne et de cette grande, noble et
poétique Allemagne – enfin_,[20] alle gingen sehr ruhig, aber sehr
malkontent nach Hause.

_Donnerstag_, 30. September. Seit obiges geschrieben, ist allerlei Neues
vorgefallen und mancherlei entschieden. Am Dienstag morgen, wo mir die
ganze Intrige klar war, lief ich herum und konterkarrierte; noch in der
Nacht um 2 Uhr lief ich zu Lupus aufs Bureau: ob Bornstedt nicht im
Arbeiterverein auszuballottieren sei? Mittwoch überall herumgelaufen,
aber alle meinten, wir setzten es nicht durch. Ich kam Mittwoch abend in
den Verein, Bornstedt war schon da, er war zweideutig; endlich brachte
Thomis die neue Zeitung, mein Artikel gegen Heinzen, den ich Montag
schon zu ihm und, als er (mittags 2 Uhr) nicht da war, in die Druckerei
gebracht, _stand nicht drin_. Ich frug ihn, er sagte, es sei kein Platz
gewesen. Ich erinnerte an das, was Du mit ihm abgesprochen. Er leugnete
das; ich wartete, bis Wallau da war, der mir sagte, Platz genug sei
dagewesen, aber am Dienstag habe Bornstedt den Artikel aus der Druckerei
_holen lassen_ und nicht wieder geschickt. Ich ging zu Bornstedt und
erzählte ihm das sehr grob. Er suchte sich herauszulügen. Ich kam wieder
auf die Absprache, die er, bis auf ganz allgemeines Geschwätz, wieder
leugnete. Ich sagte ihm einige Grobheiten – Crüger, Gigot, Imbert usw.
usw. saßen dabei – und frug: Wollen Sie den Artikel am Sonntag geben,
_oui ou non_?[21] – Darüber müssen wir erst sprechen. – Ich spreche
mit Ihnen darüber gar nicht. Damit ließ ich ihn sitzen. Die Sitzung
begann. Bornstedt stützte seinen Kopf auf seinen Ellenbogen und sah mich
mit merkwürdiger Siegesgewißheit an. Ich sah ihn wieder an und wartete.
Auf trat Herr Thomis, der, wie Du weißt, das Wort verlangt hatte. Er zog
eine geschriebene Rede aus der Tasche und las eine Reihe der
sonderbarsten Ausfälle gegen unser Scheingefecht ab. Eine Zeitlang ging
das fort, aber als _cela ne finissait pas_,[22] entstand allgemeines
Murren, eine Masse verlangten das Wort, und Wallau rief Thomis zur
Ordnung. Dieser, Thomis, las dann sechs verrückte Worte über die Frage
und trat ab. Dann trat Heß auf und verteidigte uns ganz gut. Dann Junge.
Dann der Pariser Wolff[23], der zwar dreimal stecken blieb, aber sehr
applaudiert wurde. Dann noch mehrere. Wolff hatte verraten, daß wir bloß
_pro forma_ opponiert. Ich mußte also auftreten. Ich sprach – _à la
grande déconfiture de Bornstedt_,[24] der geglaubt hatte, ich wäre zu
sehr mit persönlichem Krakeel beschäftigt – ich sprach also über die
revolutionäre Seite des Schutzsystems, den pp. Thomis natürlich gänzlich
ignorierend, und schlug eine neue Frage vor. Angenommen. – Pause. –
Bornstedt, durch meine Heftigkeit ihm gegenüber, durch Thomis’
gänzliches Abfallen (_il y avait du Bornstedt dans son discours_[25])
und durch die Heftigkeit, mit der ich schließlich noch gesprochen, sehr
erschüttert, Bornstedt kam zu mir: Aber liebes Kind, Sie sind aber
schrecklich leidenschaftlich usw. Kurz, ich sollte den Artikel
unterschreiben. – Nein. – Dann sollten wir uns wenigstens über eine
kurze Redaktionseinleitung verständigen. – _Bien, à demain à onze heure
au Café Suisse._[26] – Dann kam die Aufnahme von Bornstedt, Crüger und
Wolff. Heß stand zuerst auf und richtete zwei Fragen an Bornstedt wegen
der Montagsversammlung. Bornstedt log sich heraus, und Heß war schwach
genug, sich für _satisfait_ zu erklären. Junge packte Bornstedt
persönlich, wegen seines Auftretens in der Gesellschaft und weil er den
Sandkuhl unter falschem Namen eingeführt. Fischer trat sehr energisch
gegen Bornstedt auf, ohne alle Verabredung, aber sehr gut. So noch
mehrere. Kurz, der siegestrunkene Herr v. Bornstedt mußte förmlich
zwischen den Arbeitern Spießruten laufen. Er wurde schändlich mißhandelt
und war so geschlagen – er, der natürlich durch seine Büchergeschenke
komplett eingekauft zu sein glaubte –, daß er nur ausweichend schwach,
konzedierend antworten konnte – trotzdem daß Wallau fanatisch für ihn
war, miserabel präsidierte und ihn jeden Augenblick die Redner
unterbrechen ließ. Noch stand alles zweifelhaft, als Wallau die
Vorgeschlagenen abtreten ließ und zur Abstimmung brachte. Crüger, von
mir als _höchst unschuldiger_ Mensch vorgeschlagen, _der der
Gesellschaft nicht schaden kann_, und von Wolff _purement et
simplement_[27] unterstützt, ging durch. Bei Bornstedt trat Wallau in
einer langen heftigen Rede für ihn auf. Jetzt trat ich auf, setzte die
ganze Intrige, soweit die Gesellschaft dabei beteiligt war, auseinander,
vernichtete die Evasionen [Ausflüchte] des Bornstedt eine durch die
andere und erklärte schließlich: Der Bornstedt hat gegen uns intrigiert,
uns Konkurrenz machen wollen, aber wir haben gesiegt, und darum können
wir ihn jetzt in der Gesellschaft zulassen. Während der Rede – es war
die beste, die ich je gehalten – wurde ich sehr häufig durch Applaus
unterbrochen, namentlich als ich sagte: diese Herren glaubten noch,
alles gewonnen zu haben, weil ich, ihr Vizepräsident, weggehe, aber sie
dachten nicht daran, daß einer unter uns ist, dem der Platz von Rechts
wegen gebührt, einer, der allein die deutschen Demokraten hier in
Brüssel vertreten kann, und das ist Marx – da wurde fürchterlich
applaudiert. Genug, nach mir sprach keiner mehr, und so wurde dem
Bornstedt nicht die Ehre angetan, ihn herauszuschmeißen. Er stand vor
der Tür und hörte alles an. Ich hätte es lieber gesagt, wo er noch im
Saale gegenwärtig war, _mais il n’y avait pas moyen_,[28] weil ich mich
für den letzten Coup aufsparen mußte und Wallau die Diskussion abbrach.
Aber er, wie Wolff und Crüger, hat jedes Wort gehört. Ihm gegenüber
wurde Wolff fast glänzend adoptiert. – Genug, in der gestrigen Sitzung
hat Bornstedt, Crüger usw. einen solchen Schimpf erlitten, daß sie
honorigerweise gar nicht in die Gesellschaft kommen können und für lange
Zeit genug haben. Aber sie werden doch kommen; der unverschämte
Bornstedt ist durch unsere noch größere Frechheit, durch das
gänzliche Fehlschlagen aller seiner Kalkulationen, durch unsere
Leidenschaftlichkeit so _caduc_ [hinfällig] geworden, daß er nichts mehr
kann als in Brüssel herumlaufen und seine Schande überall herumjammern,
_le dernier degré de l’abaissement_.[29] Er kam wütend in den Saal
zurück, aber ohnmächtig, und als ich nun von der Gesellschaft Abschied
nahm und mit allen nur möglichen Ehren entlassen wurde, ging er
schäumend weg. Während der Diskussion über ihn war Bürgers gegenwärtig,
der seit vorgestern abend hier ist. – Unsere Arbeiter haben sich bei
der ganzen Sache _ganz famos_ benommen; die geschenkten 26 Bücher und 27
Landkarten wurden mit keinem Worte erwähnt, Bornstedt wurde von ihnen
mit der größten Kälte und Rücksichtslosigkeit behandelt, und als ich
sprach und zur Konklusion kam, hatte ich es in meiner Hand, ihn mit
enormer Majorität durchfallen zu lassen. Das gibt selbst Wallau zu. Aber
wir haben ihn schlimmer behandelt, wir haben ihn mit Schimpf und Schande
aufgenommen.

Auf die Gesellschaft hat die Sache einen ausgezeichneten Eindruck
gemacht; zum erstenmal haben sie eine Rolle gespielt, ein Meeting, trotz
aller Intrigen, beherrscht, und einen Kerl, der sich ihnen gegenüber
eine Position machen wollte, in seine Schranken zurückgewiesen. Nur
einige Kommis usw. usw. sind malkontent, die Masse ist enthusiastisch
für uns. Sie haben gefühlt, was sie sind, wenn sie assoziiert sind.

Heute morgen ging ich aufs Café Suisse, und wer nicht kam, war
Bornstedt. Aber Weerth und Seiler begegneten mir, sie hatten den
Bornstedt eben gesprochen, und Seiler war die Unterwürfigkeit und
Insinuation selbst. Ich ließ ihn natürlich links liegen. Die gestrige
Sitzung war übrigens so dramatisch, sie arrangierte und steigerte sich
so famos, daß der Pariser Wolff aus reinem ästhetischen Gefühl darüber
momentan zum Parteimann geworden ist. Heute war ich auch bei A. Bartels
und erklärte ihm, daß die deutsche Gesellschaft für nichts
verantwortlich sei, was am Montag vorgefallen, daß Crüger, Bornstedt,
Moras, Seiler, Heilberg usw. usw. nicht einmal Mitglieder waren, und daß
die ganze _à l’insu_[30] der deutschen Gesellschaft veranstaltete
Geschichte vielmehr die Errichtung einer Konkurrenz gegen sie bezweckte.
Ein Brief gleichen Inhaltes, von allen Komiteemitgliedern unterzeichnet,
geht morgen ebenfalls an Jottrand ab. Zu Imbert gehe ich morgen mit
Lupus. Ferner habe ich folgendes an Jottrand wegen der durch meine
Abreise leer werdenden Stelle im Organisationskomitee der Brüsseler
_fraternal Democrats_[31] geschrieben:

„_Monsieur! Obligé de quitter Bruxelles pour quelque mois, je me trouve
dans l’impossibilité de remplir les fonctions dont la réunion du 27 de
ce mois a bien voulu m’investir. – Je vous prie donc d’appeler un
démocrate allemand résident à Bruxelles à assister aux travaux de la
commission chargée d’organiser une société démocratique universelle. –
Je me permettrai de vous proposer celui parmi les démocrates allemands
des Bruxelles, que la réunion, s’il avait pu y assister, aurait nommé à
la charge qu’en son absence on m’a fait l’honneur de me conférer. Je
parle de Mr. Marx qui dans mon intime conviction a le droit le plus
fondé de représenter à la commission la démocratie allemande. Ce ne
serait donc pas Mr. Marx qui m’y remplacerait, c’était plutôt moi qui à
la réunion ai remplacé Mr. Marx. Agréez etc._“[32]

Ich hatte nämlich vorher schon mit Jottrand abgesprochen, daß ich ihm
meine Abreise schriftlich anzeigen und Dich in die Kommission
vorschlagen würde. Jottrand ist auch verreist und kommt in vierzehn
Tagen wieder. Wird nichts aus der ganzen Geschichte, was ich glaube, so
ist es Heilbergs Vorschlag, der durchfällt: wird was draus, so sind wir
es, die die Sache zustande gebracht haben. Jedenfalls haben wir das
gewonnen, daß Du und nach Dir ich als Repräsentanten der deutschen
Demokraten in Brüssel anerkannt sind und sonst die ganze Intrige
schrecklich in den Dreck gefallen ist.

Heute abend war Gemeindesitzung. Ich präsidierte. Mit Ausnahme Wallaus,
der sich übrigens bekehren ließ und dessen gestriges Auftreten
allerdings diverse Entschuldigungsgründe findet, die ich ihm auch zugute
kommen ließ; mit dieser Ausnahme also war der Enthusiasmus über die
Geschichte mit Bornstedt einstimmig. Die Kerls fangen an sich zu fühlen.
Sie sind endlich einmal als Gesellschaft, als Macht gegenüber anderen
Leuten aufgetreten, und daß alles so famos flott ging, daß sie so
komplett gesiegt haben, macht sie ungeheuer stolz. Junge schwimmt im
siebenten Himmel, Riedel weiß sich vor Freude nicht zu lassen, selbst
der kleine Ohnemus triumphiert wie ein _fighting cock_.[33] Übrigens
wiederhole ich, daß diese Geschichte der Gesellschaft nach innen und
nach außen einen famosen Aufschwung gegeben hat und ferner geben wird.
Kerle, die sonst das Maul nicht auftun, haben den Bornstedt attackiert.
Und selbst die Intrige hat uns geholfen: erstens hat Bornstedt überall
verbreitet, die deutsche demokratische Arbeitergesellschaft habe das
Meeting gemacht, und zweitens haben wir das alles desavouiert, und durch
beides ist die Gesellschaft bei den belgischen Demokraten überall ins
Gespräch gekommen und gilt als eine höchst bedeutende, _plus ou
moins_[34] mysteriöse Macht.

_La démocratie allemande devient très forte à Bruxelles_,[35] sagte
Bartels heute morgen.

Übrigens kommst Du auch in den Brief des Komitees an Jottrand. Gigot
wird zeichnen: Sekretär während der Abwesenheit von Marx.

Mach’ nun Deine Geldgeschichten so rasch wie möglich ab und komm’ wieder
her. Mir brennt’s unter den Füßen; ich möchte fort und muß erst den
Verlauf dieser Intrigen abwarten. Ich kann jetzt absolut nicht fort. Je
eher Du also kommst, desto besser. Nur regle zuerst Deine
Geldgeschichten. Ich bleibe jedenfalls so lange auf meinem Posten wie
irgend möglich. _Si c’est possible_,[36] bis Du kommst. Aber eben
deswegen ist’s wünschenswert, daß Du bald kommst.

                                                          Dein Engels.

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   [1] Mann von Geist.

   [2] Schließlich, kurz.

   [3] Nach Art der brüderlichen Demokraten [Chartistengruppe].

   [4] Ehrenpräsident.

   [5] Immer mit Ausnahme der Deutschen.

   [6] Märtyrer der Freiheit.

   [7] Auf das Andenken der Revolution von 1792.

   [8] Jahrestag des 1. Vendémiaire des Jahres I der [ersten
   französischen] Republik.

   [9] Auf das englische Volk.

   [10] Aber das muß auf französisch gesagt werden: Die Assoziation der
   belgischen Arbeiter, das ist das Ziel, das ich seit mehreren Monaten
   verfolge (das heißt seit dem Augenblick, wo ich geruht habe, vom
   letzten Kapitel des [Marxschen] Elends der Philosophie Notiz zu
   nehmen).

   [11] Wir werden in die vorderen Reihen treten, wenn unsere Alten
   nicht mehr [dort] sein werden.

   [12] Brüderliche Demokratie.

   [13] Gesetzgeberische, verwaltende und vollziehende Gewalten.

   [14] Unterrichtsfrage.

   [15] Als großer Mann.

   [16] Deren Mitglied ich war und die ich vielleicht sogar geleitet
   habe (wörtlich).

   [17] Letzten Nachrichten von Paris.

   [18] Freihandels-.

   [19] Die gesondert verkauft werden wird.

   [20] Über das Band zwischen diesem unglücklichen Polen und diesem
   großen, edlen und poetischen Deutschland – kurz.

   [21] Ja oder nein.

   [22] Als das kein Ende nahm.

   [23] Der Pariser Wolff ist Ferdinand Wolff, später Redakteur der
   Neuen Rheinischen Zeitung, gewöhnlich der „rote Wolff“ genannt, zum
   Unterschied von Lupus, dem „Kasematten“- oder „Parlaments-Wolff“.

   [24] Zur großen Verblüffung Bornstedts.

   [25] Aus seiner Rede hörte man Bornstedt heraus.

   [26] Gut, morgen um 11 Uhr im Café Suisse.

   [27] Schlechthin und einfach.

   [28] Aber dazu fehlte die Möglichkeit.

   [29] Die letzte Stufe der Demütigung.

   [30] Ohne Wissen.

   [31] Verbrüderte Demokraten.

   [32] „Mein Herr! Genötigt, Brüssel auf einige Monate zu verlassen,
   sehe ich mich außerstande, die Funktionen zu erfüllen, welche die
   Versammlung vom 27. dieses Monats mir zu übertragen die
   Freundlichkeit hatte. Ich bitte Sie daher, einen in Brüssel
   wohnhaften deutschen Demokraten zur Teilnahme an den Arbeiten der
   mit der Organisierung eines internationalen demokratischen Bundes
   beauftragten Kommission zu berufen. Ich erlaube mir, Ihnen dafür
   denjenigen deutschen Demokraten Brüssels vorzuschlagen, den die
   Versammlung, wenn er ihr hätte beiwohnen können, zu dem Amte gewählt
   hätte, mit dessen Übertragung man in seiner Abwesenheit mich
   beehrte. Ich meine Herrn Marx, der nach meiner innersten Überzeugung
   den größten Anspruch darauf hat, die deutsche Demokratie in der
   Kommission zu vertreten. Es wäre daher nicht Herr Marx, der in ihr
   an meine Stelle treten würde, sondern ich war es vielmehr, der in
   der Versammlung Herrn Marx vertrat. Genehmigen Sie usw. usw.“

   [33] Kampfhahn.

   [34] Mehr oder weniger.

   [35] Die deutsche Demokratie wird sehr stark in Brüssel.

   [36] Wenn es möglich ist.


                                   20

                                  [Undatiert. Etwa 10. November 1847.]

Lieber Bartholomäus!

Ich kann Dir erst heute schreiben, weil ich erst heute den kleinen Louis
Blanc – nach erschrecklichen Kämpfen mit der Portierfrau – zu sehen
bekam. Das Resultat meiner langen Unterredung mit ihm ist, daß der
kleine Mann zu allem bereit ist. Er war die Höflichkeit und
Freundschaftlichkeit selbst und scheint nichts dringender zu wünschen,
als mit uns in die engste Verbindung zu treten. Auch das
französisch-nationale Protektionswesen hat er gar nicht an sich. Ich
hatte ihm geschrieben, ich käme mit _mandat formel_[1] der Londoner,
Brüsseler und Rheinischen Demokratie zu ihm, ebenso als _chartist
agent_.[2] Er erkundigte sich genau nach allem; ich schilderte ihm den
Stand unserer Partei als äußerst brillant, sprach von der Schweiz,
Jacoby, den Badensern als Alliierten usw. – Du seiest der Chef: _vous
pouvez regarder M. Marx comme le chef de notre parti (i. e. de la
fraction la plus avancée de la démocratie allemande, que je représentais
vis-à-vis de lui) et son récent livre contre M. Proudhon comme notre
programme_.[3] Dies nahm er sich sehr _ad notam_. Dann versprach er mir
schließlich, sich über Dein Buch in der Réforme zu prononcieren
[äußern]. Er erzählte mir eine Masse Zeugs über das _mouvement
souterrain_,[4] das jetzt bei den Arbeitern vor sich gehe; die Arbeiter
hätten seine _organisation du travail_[5] in 3000 Exemplaren wohlfeil
gedruckt und nach vierzehn Tagen sei eine neue Auflage von 3000
Exemplaren nötig geworden – er sagte, die Arbeiter seien revolutionärer
als je, aber hätten gelernt ihre Zeit abwarten, keine Emeuten, nur große
Schläge mit _gewissem_ Erfolg zu machen usw. Übrigens scheint er sich
auch in Beziehung auf die Arbeiter das Protegieren abgewöhnt zu haben.
_Quand je vois des choses comme ce nouveau programme de M. de Lamartine,
cela me fait rire! Pour bien juger de l’état actuel de la société
française, il faut être dans une position qui vous permet de voir un peu
de tout, d’aller le matin chez un ministre, l’après-dîner chez un
négociant, et le soir chez un ouvrier._[6] Die kommende Revolution werde
ganz anders und viel durchgreifender sein als alle früheren, und es sei
reine _bêtise_[7], fortwährend bloß gegen Könige usw. zu brüllen.
Schließlich war er sehr artig und ganz kordial. Du siehst, mit dem Mann
ist _all right, il a les meilleures dispositions du monde_.[8] Von Dir
sprach er mit großer Teilnahme; es tat ihm leid, daß Ihr etwas
_froidement_[9] voneinander gegangen seid usw. Eine besondere Vorliebe
hat er noch immer für eine in Paris herauszugebende deutsche _und_
französische Revue. Vielleicht später zu benutzen. – Über Ruge, nach
dem er frug, setzte ich ihm einen Floh ins Ohr; _il s’est fait le
panégyriste de la Diète prussienne, et cela même après que la diète
s’était séparée sans résultat. – Donc il a fait un pas en arrière?_[10]
Jawohl. – Mit _père_ Flocon bin ich ebenfalls im besten Zuge. Bei
diesem bin ich erst als Engländer aufgetreten und frug im Namen Harneys,
warum er den Star so ignoriere. Ja, sagte er, es täte ihm leid, er
spräche gar zu gern davon, nur sei kein Mensch auf der Redaktion, der
englisch verstehe! Ich bot mich an, ihm wöchentlich einen Artikel zu
machen, akzeptiert _de grand coeur_.[11] Als ich ihm sagte, ich sei
Korrespondent des Star, wurde er ganz gerührt. Wenn das so fortgeht, so
haben wir in vier Wochen diese ganze Richtung gewonnen. Flocon will von
mir einen Aufsatz über den Chartismus für Privatgebrauch haben, er weiß
nicht die blasseste Laus davon. Ich werde gleich zu ihm gehen und ihn
weiter in unsere Netze verstricken. Ich werde ihm sagen, das Atelier
mache mir Avancen (was wahr ist, ich gehe noch heute abend hin), und ich
werde sie ausschlagen, wenn er sich anständig benehme. Das wird sein
biederes Herz rühren. – Bin ich erst hier etwas weiter und im
französisch Schreiben etwas geübter, so geht’s auf die Revue
Indépendante los.

Ich vergaß ganz, den Louis Blanc zu fragen, warum er Deinen Artikel vom
Kongreß nicht aufgenommen. Ich werde ihm das nächstens vorrücken, wenn
er zu mir kommt. Übrigens zweifle ich, ob er Dein Buch _überhaupt
erhalten_ hat. Er wußte sich dessen heute gar nicht zu besinnen. Auch
vor meiner Abreise sprach er _sehr unbestimmt_ davon. Ich erfahre das in
ein paar Tagen. Hat er’s nicht, so gebe ich ihm mein Exemplar. –

Denke Dir, der kleine Bernays, der hier herumläuft und den „Märtyrer“
spielt, den von aller Welt Verratenen, „der aller Welt geholfen hat, mit
Geld oder gutem Rat“ (_littéralement_[12]), diese Bestie hat _a horse
and gig_,[13] ein Schimmelchen und ein Kabriolett! Natürlich Börnstein
hat’s, aber das ist wurst. Derselbe Kerl, der heute sich als gedrückten,
geldlosen Märtyrer hinstellt, renommiert morgen damit, daß er der
einzige sei, _der Geld zu verdienen wisse_. Er hat 21 Bogen! über die
Affäre Praslin gekaut, die in der Schweiz erscheinen. Der Kern der Sache
ist der, daß nicht _la duchesse_, sondern _le duc_[14] der Märtyrer
ist!! Auf seine Renommagen mit dem Märtyrtum habe ich ihm durch eine
Mahnung wegen alter, mir schuldiger 60 Franken antworten lassen. Er wird
vollständig Industrieller und prahlt damit. Übrigens ist er wahnsinnig.
– Ewerbeck selbst schäumt wider ihn. – Cabet habe ich noch nicht
gesehen. Er freut sich, wie es scheint, daß er wegkommt. Er merkt, daß
die Sachen hier anfangen bröcklig und mürb zu werden. Flocon will
losschlagen, Louis Blanc nicht; das ist ganz richtig, obwohl Louis Blanc
auch in allerlei Geschichten trempiert [mitmacht] und sich im voraus
freut über die plötzliche Aufschüttelung der Bourgeoisie aus ihrer
Sicherheit bei der plötzlich hereinbrechenden Revolution. – –

Ich bin bei _père_ Flocon gewesen. Der brave Mann war die Kordialität
selbst, und meine biedermännische Ehrlichkeit, mit der ich ihm meine
Geschichte mit dem Atelier erzählte, trieb ihm fast die Tränen in die
Augen. Ich kam vom Atelier auf den National zu sprechen: _Lorsque à
Bruxelles nous discutions la question à quelle fraction de la démocratie
française on s’adresserait, nous étions unanimement d’accord que dès le
premier abord on se mettrait en rapport avec la Réforme; car à
l’étranger il existe de fortes et de bien fondées préventions contre le
National. D’abord les préjugés nationaux de cette feuille empêchent tout
rapprochement_ – „_oui oui, c’est vrai_“, sagte Flocon, „_et ceci était
même la raison pour laquelle la Réforme fut fondée; nous avons déclaré
dès le premier jour que nous ne voulons pas de conquêtes_“ – _et puis_,
fuhr ich fort, _si je peux en croire mes prédécesseurs, car moi je n’ai
jamais été au National, ces messieurs se donnent toujours l’air de
vouloir protéger les étrangers, ce qui au reste est parfaitement
d’accord avec leurs préjugés nationaux; et nous autres, nous n’avons pas
besoin de leur protection, nous ne voulons pas de protecteurs, nous
voulons des alliés._ – „_Ah oui, mais c’est tout à fait différent avec
nous, nous n’y pensons pas._“ – _C’est vrai, aussi n’ai-je qu’à me
louer des procédés de Messieurs de la Réforme._[15] Aber wie das
geholfen hat, daß ich dem kleinen Blanc unsere Geschichten ins
Gedächtnis zurückgerufen. Deine Kongreßrede hatte er, _à ce qu’il
paraît_,[16] ganz verschmissen gehabt; heute hat er sie gleich
hervorgesucht und an Flocon geschickt mit einem sehr dringenden Billett,
sie gleich abzudrucken. Ich explizierte dem Flocon das Ding; der Mensch
begriff das _cur, quomodo, quando_[17] nicht, weil der Blanc sie ihm
ohne alle weitere Erklärung geschickt. Flocon bedauerte sehr, daß die
Sache schon so alt geworden sei; er sei _parfaitement d’accord_[18]
damit, aber jetzt sei es zu spät. Doch wolle er sehen, ob er’s nicht in
einem Artikel unterbringen könne. Er wolle sein möglichstes tun.

Der Artikel über Lamartines fromme Wünsche in der Réforme ist von Louis
Blanc, wie Du gesehen haben wirst. Er ist nicht übel, in jeder Beziehung
tausendmal besser als der ewige Flocon. Er würde den Lamartine gewiß
sehr derb angreifen, wenn er nicht jetzt gerade sein Konkurrent wäre.

Du siehst, die Leute sind so gut disponiert, wie man nur wünschen kann.
Ich stehe mit ihnen schon jetzt zehnmal besser, als Ewerbeck je mit
ihnen stand. Diesem werde ich jetzt gänzlich verbieten, zu schreiben für
die Réforme. Er mag sich an den National schmeißen und dort Venedey und
Komp. Konkurrenz machen; da ist er unschädlich und bekommt doch nichts
gedruckt.

Nachher war ich noch auf dem Atelier. Ich habe eine Berichtigung wegen
eines Artikels der vorigen Nummer über englische Arbeiter hingebracht,
die auch hereinkommt. Die Leute waren sehr artig; ich erzählte ihnen _un
tas d’anecdotes_[19] über englische Arbeiter usw. Sie forderten mich
dringend auf, mitzuarbeiten, was ich aber nur im Notfall tun werde.
Denke Dir, der _rédacteur en chef_ meinte, es wäre wohl gut, wenn die
englischen Arbeiter eine Adresse an die französischen erließen, sie
auffordernd, der _libre-échange_-Bewegung[20] entgegenzutreten und den
_travail national_[21] aufzustecken! _Quel héroïque dévouement!_[22]
Damit fiel er aber selbst bei seinen eigenen Leuten durch.

Übrigens habe ich den Leuten gegenüber gar keine Konzessionen zu machen
brauchen. Dem Louis Blanc sagte ich, _que nous étions d’accord avec eux
sur toutes les questions pratiques et d’actualité, et que dans les
questions purement théoriques nous marchions vers le même but; que les
principes énoncées dans son premier volume s’accordaient sous beaucoup
de rapports avec les nôtres, et que pour le reste il en trouverait de
plus amples développements dans ton livre. Quant à la question
religieuse, nous la considérions comme tout-à-fait subordonnée, comme
une question qui jamais ne devrait former le prétexte d’une querelle
entre les hommes du même parti._[23] Bei alledem sei eine
freundschaftliche Diskussion der theoretischen Fragen ganz gut möglich
und sogar wünschenswert, womit er _parfaitement d’accord_[24] war.

Der Lupus hatte mit seiner Vermutung, ich würde die Direktion sehr bald
treffen, ganz recht. Kaum drei Tage hier, laufe ich auf dem Boulevard
des Italiens dem Seiler in die Arme. Ihr werdet längst wissen, daß er
komplett durchgebrannt ist und nicht daran denkt, zurückzukommen. Er
läuft bei allerlei französischen Korrespondenzbureaus herum und sucht
unterzukommen. Ich habe ihn seitdem stets verfehlt und weiß nicht, wie
seine Affären stehen. Mischt er sich bei der Réforme ein, so wird man
ihn desavouieren müssen.

Sage doch dem verfluchten Bornstedt, was das heißen soll, daß er mir
seine Zeitung nicht schickt. Ich kann nicht immer bei den Straubingern
herumlaufen danach. Wenn er vorgibt, meine Adresse nicht zu wissen, gib
sie ihm, 5 Rue Neuve Saint-Martin. Ich schicke ihm einige Artikel,
sobald es irgend möglich. –

Bei den Straubingern höllische Konfusion. In den letzten Tagen vor
meiner Ankunft waren die letzten Grünianer herausgeworfen, eine ganze
Gemeinde, von denen aber die Hälfte wiederkommen wird. Wir sind jetzt
nur 30 Mann stark. Ich habe gleich eine Propagandagemeinde eingerichtet
und laufe fürchterlich herum und pauke. In den Kreis bin ich gleich
gewählt und habe die Korrespondenz bekommen. An 20 bis 30 Kandidaten zur
Aufnahme sind vorgeschlagen. Wir werden bald wieder stärker sein. Dem
Mosi habe ich, _ganz unter uns_, einen höllischen Streich gespielt. Er
hatte richtig ein gottvoll verbessertes Glaubensbekenntnis durchgesetzt.
Vorigen Freitag nun nahm ich dies im Kreise vor, Frage für Frage, und
war noch nicht an der Hälfte angekommen, als die Leute sich für
_satisfaits_[25] erklärten. _Ohne alle Opposition_ ließ ich mich
beauftragen, ein neues zu entwerfen, was nun nächsten Freitag im Kreis
wird diskutiert und _hinter dem Rücken der Ge[...]n_ nach London
geschickt werden. Das darf aber natürlich kein ..... Teufel merken,
sonst werden wir alle abgesetzt, und es gibt einen Mordskandal. Der Born
wird bei Euch in Brüssel eintreffen, er geht nach London. Vielleicht ist
er schon vor diesem Briefe da. Er reist, verwegen genug, den Rhein
herunter durch Preußen; wenn sie ihn nur nicht abfassen. Pauke ihn noch
etwas ein, wenn er hinkommt, der Kerl ist von allen für unsere Sachen am
zugänglichsten und wird auch in London gute Dienste leisten, wenn er
noch etwas präpariert wird.

Ach, mein Gott, da hätte ich ja bald ganz die Drecklawine vergessen, die
der große Heinzen von den Höhen der Alpen über mich losgelassen hat. Es
ist ein wahres Glück, daß das in einer Nummer dicht hintereinander
steht; kein Mensch arbeitet sich durch, ich selbst habe mehrere Male
pausieren müssen. Solch ein Rindvieh! Habe ich erst behauptet, er könnte
nicht schreiben, so muß ich jetzt hinzufügen, daß er auch nicht lesen
kann, und in den vier Spezies scheint er auch nicht fest zu sein. Der
Esel sollte doch den Brief von F. O’Connor im letzten Star an die
radikalen Blätter lesen, der anfängt: _You ruffians_ und schließt _you
ruffians_,[26] da kann er sehen, was er für ein elender Stümper im
Schimpfen ist. Nun, Du wirst diesem gemeinen dummen Rüpel gehörig aufs
Dach steigen. Es ist sehr gut, daß Du ganz _kurz_ antworten wirst. Ich
könnte auf so einen Angriff gar nicht antworten, das ginge absolut nicht
– höchstens durch Ohrfeigen.

_Dienstag._ Mein Artikel steht in der Réforme. Sonderbarerweise hat
Flocon keine Silbe daran verändert, was mich sehr wundert.

Bei _père_[27] Heine bin ich noch nicht gewesen. Du kannst leicht
denken, daß ich mit all diesen Geschichten höllisch viel zu tun habe und
furchtbar laufen und schreiben muß. – Nach Elberfeld habe ich
geschrieben wegen der _free trade_[28] – Schutzzollgeschichte und
erwarte täglich Antwort. Schreibe bald wieder. Grüße Deine Frau und
Kinder.

                                                          Dein Engels.

Lies doch ja den Artikel O’Connors im letzten Star gegen die sechs
radikalen Blätter, es ist ein Meisterstück genialer Schimpferei, oft
besser als Cobbett und an Shakespeare grenzend.

_Quelle mouche a donc piqué ce pauvre Moses qu’il ne cesse pas d’exposer
dans le journal ses fantaisies sur les suites d’une révolution du
prolétariat?_[29]

----------

   [1] Formgerechtes Mandat.

   [2] Agent der Chartisten.

   [3] Sie können Herrn Marx als den Chef unserer Partei (das heißt des
   vorgeschrittensten Flügels der deutschen Demokratie, den ich ihm
   gegenüber vertrete) und sein kürzlich erschienenes Buch gegen Herrn
   Proudhon als unser Programm betrachten.

   [4] Unterirdische Bewegung.

   [5] Organisation der Arbeit.

   [6] Wenn ich Dinge sehe, wie dieses neue Programm des Herrn de
   Lamartine, macht es mich lachen! Um den gegenwärtigen Zustand gut
   beurteilen zu können, muß man in einer Lage sein, die einem erlaubt,
   etwas von allem zu sehen, des Morgens zu einem Minister, des
   Nachmittags zu einem Geschäftsmann, des Abends zu einem Arbeiter zu
   gehen.

   [7] Dummheit.

   [8] Alles in Ordnung, er hat die besten Dispositionen von der Welt.

   [9] Kühl.

   [10] Er hat sich zum Lobredner des [vereinigten] preußischen
   Landtags gemacht, und das sogar, nachdem der Landtag resultatlos
   auseinandergegangen ist. – Er hat also einen Schritt nach rückwärts
   gemacht?

   [11] Aus vollem Herzen.

   [12] Wörtlich.

   [13] Ein Pferd und ein Kabriolett.

   [14] Die Herzogin, [sondern] der Herzog.

   [15] Als wir in Brüssel die Frage diskutierten, an welche Fraktion
   der französischen Demokratie sich zu wenden, kamen wir einmütig
   überein, gleich zuerst mit der Réforme in Verbindung zu treten; denn
   im Ausland bestehen starke und wohlbegründete Abneigungen gegen den
   National. Zunächst verhindern die nationalen Vorurteile jede
   Annäherung. – Ja, ja, das ist wahr, sagte Flocon, und das war
   gerade der Grund, weshalb die Réforme gegründet wurde; wir haben vom
   ersten Tage an erklärt, daß wir keine Eroberungen wollen – und
   dann, fuhr ich fort, wenn ich meinen Vorgängern glauben darf, denn
   ich bin niemals selbst beim National gewesen, geben sich diese
   Herren stets die Miene, die Ausländer begönnern zu wollen, was
   übrigens vollständig ihren nationalen Vorurteilen entspricht; wir
   aber brauchen ihre Begönnerung nicht, wir wollen keine Beschützer,
   wir wollen Verbündete. – Ganz recht, aber mit uns ist es ganz etwas
   anderes, wir denken nicht daran. – Das stimmt, ich kann mich über
   das Verhalten der Herren von der Réforme nur lobend aussprechen.

   [16] Wie es scheint.

   [17] Warum, wie, wann.

   [18] Durchaus einverstanden.

   [19] Einen Haufen Anekdoten.

   [20] Freihandelsbewegung.

   [21] Nationale Arbeit.

   [22] Welche heroische Hingabe.

   [23] Daß wir mit ihnen über alle praktischen und Tagesfragen
   einverstanden seien und in den rein theoretischen Fragen demselben
   Ziele zustrebten; daß die in seinem ersten Bande verkündeten
   Grundsätze in vielen Punkten mit den unseren übereinstimmten, und
   daß er für den Rest umfassendere Entwicklungen in Deinem Buch finden
   würde. Was die Frage der Religion anbetrifft, so betrachteten wir
   sie als durchaus untergeordnet, als eine Frage, die niemals zwischen
   Leuten ein und derselben Partei den Vorwand zu einem Streite bieten
   dürfe.

   [24] Völlig einverstanden.

   [25] Befriedigt.

   [26] Ihr Wegelagerer!

   [27] Vater.

   [28] Freihandel.

   [29] Welche Fliege hat denn diesen armen Moses [Heß] gestochen, daß
   er nicht aufhört, im Blatt [die Brüsseler deutsche Zeitung] seine
   Phantasien über die Folgen einer Revolution des Proletariats zum
   besten zu geben?


                                   21

                                                    15. November 1847.

Lieber Marx!

Gestern erfahre ich plötzlich und endlich, nachdem ich den pp. Reinhardt
mehrere Male wegen Deines Buches zu Frank geschickt, daß Frank im Anfang
mehrere Freiexemplare an Franzosen geschickt, überall 15 Sous Kosten
gefordert und überall die Exemplare zurückbekommen [hat]. Darauf habe er
sowohl die zurückbekommenen wie die anderen, noch gar nicht
abgeschickten _ruhig bei sich liegen lassen, und sie erst jetzt, vor ein
paar Tagen_, an die Adressaten geschickt, ohne 15 Sous zu verlangen. Die
_Conspiration de silence_[1] war also von seiten des Herrn Frank! Ich
lief gleich zu Louis Blanc, den ich ein paar Tage vorher wieder nicht
getroffen, weil er _en garde_[2] war (_le petit bonhomme en bonnet à
poil_[3]); diesmal traf ich ihn, und _das Exemplar war noch nicht
angekommen_! Mein eigenes Exemplar habe ich endlich zurück, das kann im
Notfall helfen. Heute, Sonntag, ist nichts zu machen. Dem Reinhardt habe
ich morgen Rendezvous gegeben, er soll gleich mit mir zu Frank, was
schon früher geschehen sollte, aber nur durch Nachlässigkeit dieses
Reinhardt nicht geschehen. Er muß mich bei dem Frank introduzieren, weil
ich sonst gar keine Legitimation bei dem Kerl habe. Ich werde mir das
Exemplar für Louis Blanc geben lassen und es gleich hinbringen. Der
Louis Blanc sagte mir gestern, Flocon habe gegen Deinen _libre
échange_[4] Artikel einzuwenden gehabt _qu’il était un _peu
confus__!!!![5] Ich sprach natürlich dagegen. „_Oh_,“ sagte der Kleine,
„_ce n’est pas moi qui ai trouvé cela, tout au contraire, l’article m’a
beaucoup plu, et en effet, je ne sais pas ce que M. Flocon ... mais
enfin_ (mit etwas zweideutiger Grimasse für Flocon) _c’est ce qu’il a
m’a dit_.“[6] Überhaupt ist die Redaktion der Réforme _tout ce qu’il y a
de plus_[7] schlecht komponiert. Die Artikel über die englische Krisis
und alle ökonomischen Sachen _en général_[8] werden von einem
unglücklichen würdigen _penny-a-liner_[9] fabriziert, der seine Studien
bei den Börsenartikeln eines Korrespondenzbureaus gemacht zu haben
scheint und alles mit den Augen eines Pariser Kommis dritten Ranges bei
einem Bankier vierten Ranges ansieht und mit der Unfehlbarkeit so eines
„_empiric_“[10], wie die Engländer sagen, aburteilt. Flocon versteht
nichts davon. _C’est tout au plus un homme de bonne volonté._[11]

Montag. Den verfluchten Reinhardt habe ich nicht getroffen. Ich gehe
heute abend noch einmal hin. Bis morgen muß ich diese ganze Geschichte
ins reine gebracht haben, mag’s gehen wie’s will. Wenn ich Dir nicht
gleich wieder schreibe, ist alles in Ordnung. Gestern abend war
Deputiertenwahl. Nach einer höchst konfusen Sitzung wurde ich [für den
Kommunistenkongreß in London] mit zwei Drittel gewählt. Ich hatte
diesmal gar nicht intrigiert, war auch wenig Gelegenheit dazu. Die
Opposition war bloß scheinbar: ein Arbeiter wurde zum Schein
vorgeschlagen, aber die ihn vorschlugen, stimmten für mich. – Das Geld
kommt zusammen. Schreibe nun, ob Du und Tedesco hingehst. Wenn das nicht
möglich wäre, so kann ich doch nicht allein sein und kongressieren, das
wäre ja Unsinn. Könnt ihr beide nicht, so fällt die Geschichte ins
Wasser und muß ein paar Monate aufgeschoben werden. Schreibe also in
diesem Fall nach London, daß noch zur rechten Zeit dies überall hin
angezeigt wird.

Flocon hatte dem Louis Blanc auch gesagt, man werde an Deinem Artikel,
um ihn aufzunehmen, eine Kleinigkeit ändern müssen, eben um ihn „klarer“
zu machen. Louis Blanc hat mich, den Flocon _de sa part_[12] an den
Artikel nochmals zu erinnern; unter diesen Umständen aber halte ich es
für viel besser, die Sache fallen zu lassen. Flocon den Artikel klarer
machen, das fehlte noch! Aber was soll man da machen! Ich werde den
Flocon tun lassen, was er will, ihm wenig zusprechen und mich
hauptsächlich mit dem Louis Blanc einlassen, der ist doch der
Vernünftigste von allen. Beim National ist vollends nichts zu machen,
der wird täglich bornierter und alliiert sich mehr und mehr mit Barrot
und Thiers, _witness the Lille Banquet_[13].

Der Seiler wird Dir geschrieben haben, Dein Buch ginge sehr schlecht
hier. Das ist nicht wahr. Der Frank hat dem Reinhardt gesagt, er sei mit
dem Verkauf ziemlich gut zufrieden. Trotz seines abgeschmackten
Benehmens hat er, glaube ich, zirka 40 Exemplare abgesetzt. Nächstens
Genaueres darüber. Der Seiler behauptet – er war neulich bei mir, wo er
sehr kühle anlief, auch nicht wieder kam –, er habe Bett, Mobiliar und
Papier dort [in Brüssel] gelassen, hinreichend, um Wolff und Heilberg zu
decken. Sieh, _si cela est_,[14] daß der Lupus dabei wenigstens nicht
noch von Heilberg bemogelt wird. Aber das werden auch Renommagen sein.

Rothschild hat bei dem neuen Anlehen 10 Millionen Franken verdient – 4
Prozent netto.

Auf meiner Reise nach London werde ich nicht über Brüssel kommen, die
Gelder sind zu knapp. Wir werden uns in Ostende Rendezvous geben müssen
– am 27. (Samstag), abends, und Sonntag herüberfahren, damit wir Montag
anfangen können. Vielleicht ist Montag den 29. Polen _anniversaire_,[15]
irgend etwas _fraternally_[16] Demokratisches los, wo wir dann werden
hin müssen. Das wäre ganz gut. Du hältst in London eine französische
Rede, die setzen wir dann in die Réforme. Die Deutschen müssen absolut
etwas _tun_, um bei den Franzosen auftreten zu können. Eine einzige Rede
wird mehr helfen als zehn Artikel und hundert Besuche.

Du wirst im Northern Star, 2. Oktober, die Aufforderung Harneys und der
_fraternals_[17] zu einem demokratischen Kongreß gelesen haben.
Unterstütze das. Ich werde es bei den Franzosen unterstützen. Man kann
ihn womöglich nächstes Jahr in London abzuhalten versuchen, vielleicht
gleichzeitig mit dem unsrigen. Kommt’s zustande, so wird das auf die
Franzosen einen sehr heilsamen Effekt ausüben und sie etwas demütigen.
Kommt’s nicht zusammen, so scheitert’s an den Franzosen, und sie werden
wenigstens gezwungen, sich zu erklären. Wenn’s in Brüssel ginge, wär’s
noch besser; in London könnte Feargus [O’Connor] doch einigen Unsinn
anrichten.

Sonst nichts Neues. Gib Inliegendes an Bornstedt und schreibe mir bald,
ob Du nach London gehst.

                                                               Dein E.

Schreibe an die Adresse des Malers, wenn Du sie noch hast. Es ist
besser.

Heine läßt grüßen. Ist äußerst schwach und etwas matt. Wer hat Deinen
Artikel eigentlich an Louis Blanc geschickt? Er sagt, es hätte unter dem
Brief ein wildfremder Name gestanden. Das war auch wohl der Grund, warum
er die Geschichte liegen ließ.

----------

   [1] Totschweigeverschwörung.

   [2] Auf Posten.

   [3] Das kleine Männchen mit der Bärenmütze.

   [4] Freihandel.

   [5] Daß er etwas konfus sei.

   [6] Nicht ich habe es gefunden, ganz im Gegenteil, der Artikel hat
   mir sehr gefallen, und ich weiß wirklich nicht, was ... aber
   schließlich (mit usw.) das hatte er mir gesagt.

   [7] Im höchsten Grade.

   [8] Im allgemeinen.

   [9] Zeilenreißer [Journalisten, die nach der Zeile bezahlt werden].

   [10] Empiriker [Mensch, der sich an die platte Erfahrung hält].

   [11] Er ist bestenfalls ein Mensch, der den guten Willen hat.

   [12] Von ihm aus.

   [13] Wie das [Wahlreform-]Bankett von Lille beweist.

   [14] Wenn dies der Fall.

   [15] Jahrestag.

   [16] Brüderlich.

   [17] Brüderliche [Demokraten].


                                   22

                                                    24. November 1847.

Lieber Marx!

Erst heute abend hat sich’s entschieden, daß ich komme. Also Samstag
abend in Ostende, Hotel de la Couronne, gleich der Eisenbahnstation
gegenüber am Bassin, _and Sunday Morning across the water_[1]. Wenn Ihr
mit dem Zuge kommt, der zwischen 4 und 5 fährt, werdet Ihr ungefähr zu
gleicher Zeit mit mir ankommen.

Sollte Sonntags wider Erwarten kein Postdampfschiff nach Dover fahren,
so schreibe mir’s umgehend. Das heißt, da Du diesen Brief Donnerstag
morgen bekommst, mußt Du Dich gleich erkundigen und, falls zu schreiben
ist, den Brief noch denselben Abend – ich glaube vor 5 Uhr – auf die
große Post besorgen. Hast Du also an dem Rendezvous etwas zu ändern, so
ist noch Zeit. Habe ich Freitag morgen keinen Brief, so rechne ich
darauf, Dich und Tedesco Samstag abend in der Couronne zu treffen. Es
bleibt uns dann Zeit genug, uns zu besprechen; dieser Kongreß muß
entscheidend sein, _as this time we shall have it all our own way_[2].

Ich habe schon lange absolut nicht begreifen können, warum Du dem Moses
seinen Klatsch nicht untersagt hast. Hier richtet mir das eine
Teufelskonfusion und die langwierigsten Gegenreden bei den Arbeitern an.
Ganze Kreissitzungen sind darüber verloren gegangen, und in den
Gemeinden ist nicht einmal gegen diesen „flauen“ Kohl durchzugreifen
möglich, namentlich vor der Wahl war daran nicht zu denken.

Den Louis Blanc denke ich morgen noch zu treffen. Wo nicht, sehe ich ihn
übermorgen jedenfalls. Kann ich nicht schon am Fuße etwas mitteilen, so
hörst Du das Weitere Samstag.

Übrigens hatte der Reinhardt mir dummes Zeug gesagt über die Anzahl der
verkauften Exemplare – nicht 37, sondern 96 waren heute vor acht Tagen
verkauft. An demselben Tage noch habe ich dem Louis Blanc Dein Buch
selbst hingebracht. Alle Exemplare waren besorgt, nur Lamartine (nicht
hier), Louis Blanc und Vidal nicht, dessen Adresse nicht zu finden. Ich
hab’s auf die Presse bringen lassen. – Übrigens ist die Besorgung bei
dem Frank wirklich schauderhaft gewesen.

Sorge wenigstens, daß Moses während unserer Abwesenheit keinen Unsinn
macht! Also _au revoir_![3]

                                                               Dein E.

Dienstag abends. Überlege Dir doch das Glaubensbekenntnis etwas. Ich
glaube, wir tun am besten, wir lassen die Katechismusform weg und
titulieren das Ding: Kommunistisches _Manifest_. Da darin mehr oder
weniger Geschichte erzählt werden muß, paßt die bisherige Form gar
nicht. Ich bringe das hiesige mit, das ich gemacht habe, es ist einfach
erzählend, aber miserabel redigiert, in fürchterlicher Eile. Ich fange
an: Was ist der Kommunismus? und dann gleich das Proletariat –
Entstehungsgeschichte, Unterschied von früheren Arbeitern, Entwicklung
des Gegensatzes des Proletariats und der Bourgeoisie, Krisen,
Folgerungen. Dazwischen allerlei Nebensachen und schließlich die
Parteipolitik der Kommunisten, soweit sie vors Publikum gehört. Das
hiesige ist noch nicht ganz zur Bestätigung vorgelegt, aber ich denke,
bis auf einige ganz kleine Kleinigkeiten, es so durchzusetzen, daß
wenigstens nichts gegen unsere Ansichten drin steht.

Mittwoch morgen. Soeben erhalte ich Deinen in obigem beantworteten
Brief. Bei Louis Blanc war ich. Mit dem habe ich merkwürdiges Pech –
_il est en voyage; il reviendra _peut-être_ aujourd’hui_.[4] Morgen und
nötigenfalls übermorgen gehe ich wieder hin. – Freitag abend kann ich
noch nicht in Ostende sein, weil das Geld erst bis Freitag
zusammenkommt.

Dein Vetter Philipps war heute morgen bei mir.

Der Born wird die Rede ganz gut machen, wenn Du ihn etwas einpaukst. Es
ist gut, daß die Deutschen durch einen Arbeiter repräsentiert sind. Aber
dem Lupus muß die übertriebene Bescheidenheit absolut ausgetrieben
werden. Der brave Kerl ist einer der Wenigen, die man in den Vordergrund
_poussieren_ muß. Weerth um Gottes willen nicht als Repräsentanten!
Einer, der immer zu faul war, bis ihn der Kongreß-_succès d’un jour_[5]
hineinlancierte! Und der obendrein noch _an independent member_[6] sein
will. _Il faut le retenir dans sa sphère._[7]

----------

   [1] Und Sonntag morgen [geht es] übers Wasser.

   [2] Da wir es diesmals ganz nach unserem Willen haben werden.

   [3] Auf Wiedersehen.

   [4] Er ist auf Reisen, er wird _vielleicht_ heute zurückkommen.

   [5] Erfolg eines Tages.

   [6] Ein unabhängiges Mitglied.

   [7] Man muß ihn in seiner Sphäre zurückhalten.


                                   23

                              Paris, Freitag abend, 26. November 1847.

Lieber Marx!

Endlich bin ich des Louis Blanc habhaft geworden und zugleich des
Grundes, weshalb ich ihn nie fassen konnte. _Écoute plutôt – ce petit
grand Seigneur littéraire ne reçoit que les jeudis! et encore
l’après-midi seulement._[1] Was er mir nie zu wissen getan hatte, weder
direkt noch durch seinen Portier. Natürlich waren eine Masse Esel bei
ihm, unter anderen Ramon de la Sagra, der mir eine Broschüre gab, welche
beifolgt. Ich habe sie noch nicht gelesen. Schließlich konnte ich indes
noch ein paar Minuten mit ihm über unsere Angelegenheit sprechen. Er
gestand zögernd, er habe noch nicht die Zeit gehabt, Dein Buch zu lesen
.... _Je l’ai feuilleté et j’ai vu que M. Proudhon y est assez vivement
attaqué .... Eh bien_, frug ich, _alors serez vous en mesure de faire
l’article pour la Réforme que vous m’aviez promis? – Un article, ah,
mon Dieu, non, je suis si obsédé par mes éditeurs – mais voilà ce qu’il
faut faire: faites l’article vous-même et je le ferai passer à la
Réforme._[2] Das wurde denn abgemacht. _Au fond_[3] verlierst Du nichts
dabei. Wenigstens werd’ ich unsere Ansichten richtiger darstellen, als
er es getan haben würde. Ich werde sie direkt mit den seinigen in
Parallele stellen – das ist alles, was durchzubringen ist, die
Konklusion _gegen_ die Réforme kann man natürlich nicht in der Réforme
selbst ziehen. Ich mache ihn gleich.

Warum hast Du dem Bornstedt nicht gesagt, _er_ soll _nicht_ an die
Réforme wegen Deiner Geschichte schreiben? Mein Artikel war fertig,
als dem Bornstedt seiner in der Réforme zugleich mit den
Chartistengeschichten erschien, aus deren Abdruck ich gewartet hatte, um
ihn hinzubringen. Er war bedeutend länger als die kurze Notiz, wo noch
dazu Dein Name entstellt [ist]. Ich hab’s dem Flocon gesagt, er soll den
Druckfehler ändern, gestern hat er’s nicht getan, und heute habe ich die
Réforme nicht gesehen. Das macht auch wenig. Wenn Deine
[Freihandels-]Rede erscheint, schicke mir gleich vier bis fünf Exemplare
für die Réforme, Louis Blanc, de la Sagra (für die Démocratie
pacifique), usw. usw. Ich kann jetzt einen längeren Artikel daraus
machen, da die Notiz so schimpflich kurz.

Was den Louis Blanc angeht, so verdient der gezüchtigt zu werden.
Schreibe eine Kritik seiner Revolution für die Deutsche Brüsseler
Zeitung und weise ihm praktisch nach, wie sehr wir über ihm stehen;
freundschaftlich in der Form, aber unsere Superiorität entschieden
festhaltend im Inhalt. _On lui fera parvenir cela._[4] Man muß dem
kleinen Sultan etwas bange machen. Die theoretische Seite ist leider
Gottes einstweilen unsere einzige _force_[5], aber das gilt bei diesen
Lanzenbrethern von der _science sociale_[6], von der _loi de la
production suffisante_[7] usw. viel. Gottvoll mit ihrem Jagen nach
dieser unbekannten _loi_ sind die Kerls. Sie wollen ein Gesetz finden,
womit sie die Produktion verzehnfachen. Sie suchen, wie der Fuhrmann der
Fabel, den Herkules, der ihnen den sozialen Karren aus dem Dreck holen
soll. Der Herkules liegt in ihren eigenen Armen. Die _loi de la
production suffisante_[8] besteht darin, daß man _suffisamment_[9]
produziert. Können sie das nicht, [Lücke] ... hilft ihnen kein
Zauberspruch. Die _breveté_ ...[10] [Lücke] den Erfinder tun mehr für
die _production suffisante_ als der ganze Louis Blanc mit seinem
tiefsinnigen, überfliegenden Trachten nach _la science_[11].

Dem Bernays hatte ich auf sein Letztes einen sehr ironischen Brief
geschrieben und bedauert, daß seine Unparteilichkeit mir den letzten
Trost raube, den, eine verkannte schöne Seele zu sein – _à la_ Praslin.
Mit schmerzlichem Blick nach oben schickt er mir dies Billet zurück und
bemerkt, hiermit habe unsere Korrespondenz ihr Ende erreicht. _Sela._

Sonst nichts Neues. Schreibe bald.

                                                               Dein E.

----------

   [1] Höre nur – dieser kleine große Herr empfängt nur Donnerstags,
   und auch dann nur am Nachmittag.

   [2] „Ich habe es durchblättert und habe gesehen, daß Herr Proudhon
   da ziemlich scharf angegriffen wird.“ ... Nun wohl, frug ich, werden
   Sie also in der Lage sein, den Artikel für die Réforme zu schreiben,
   den Sie mir versprochen hatten? – Einen Artikel? Ach, mein Gott,
   ich werde so von meinen Verlegern belagert – aber halt, das ist zu
   machen: schreiben Sie den Artikel selbst, und ich werde ihn in die
   Réforme bringen.

   [3] Im Grunde.

   [4] Man wird ihm das zukommen lassen.

   [5] Stärke.

   [6] Sozialwissenschaft.

   [7] [und]

   [8] Gesetz der ausreichenden Produktion.

   [9] Ausreichend.

   [10] Patent.

   [11] Wissenschaft.


                                  1848


                                   24

                                               Paris, 14. Januar 1848.

Lieber Marx!

Wenn ich Dir nicht geschrieben habe, so lag das daran, daß ich bis heute
den verfluchten Louis Blanc noch immer nicht zu fassen kriegen konnte.
_Décidément il y met de la mauvaise volonté._[1] Aber ich packe ihn doch
– ich gehe alle Tage hin oder laure ihm im Café auf. Mit _père_[2]
Flocon dagegen ist was zu machen. Er ist entzückt über die Manier, wie
die Brüsseler Zeitung und der Northern Star die Réforme gegen den
National verteidigt haben. Selbst die _blme_[3] gegen Louis Blanc und
Ledru-Rollin haben ihn nicht irre gemacht; ebensowenig meine Erklärung,
wir hätten uns jetzt in London entschieden, öffentlich als Kommunisten
aufzutreten. Er machte natürlich schöne Sachen geltend: _Vous tendez au
despotisme, vous tuerez la révolution en France, nous avons onze
millions de petits paysans qui sont en même temps les propriétaires les
plus enragés etc. etc._,[4] obwohl er auch auf die Bauern schimpfte,
aber _enfin, dit-il, nos principes sont trop rapprochés les uns des
autres pour que nous ne devions pas marcher ensemble; quant à nous nous
vous appuierons autant que sera dans notre pouvior etc._[5]

                   *       *       *       *       *

Heine ist am Kaputtgehen. Vor vierzehn Tagen war ich bei ihm, da lag er
im Bett und hatte einen Nervenanfall gehabt, gestern war er auf, aber
höchst elend. Er kann kaum drei Schritte mehr gehen, er schleicht, an
den Mauern sich stützend, vom Fauteuil bis ans Bett und _vice versa_.[6]
Dazu Lärm in seinem Hause, der ihn verrückt macht, Schreinern, Hämmern
usw. Geistig ist er auch etwas ermattet. Heinzen wollte zu ihm, wurde
aber nicht vorgelassen.

Bei Herwegh war ich auch gestern. Hat nebst Familie die Grippe und viel
Besuch von alten Weibern. Er sagte mir, daß der zweite Band von Louis
Blanc ganz verdunkelt werde durch den enormen Sukzeß von Michelets
zweitem Band. Ich habe beide noch nicht gelesen, weil ich wegen
Geldmangel mich nicht im Lesekabinett abonnieren konnte. Übrigens ist
der Micheletsche Sukzeß nur durch seine Suspension und seine
Bürgerlichkeit zu erklären.

Mit dem B[und] geht’s hier miserabel. Solche Schlafmützigkeit und
kleinliche Eifersucht der Kerls untereinander ist mir nie vorgekommen.
Die Weitlingerei und Proudhonisterei sind wirklich der kompletteste
Ausdruck der Lebensverhältnisse dieser Esel, und daher ist nichts zu
machen. Die einen sind echte Straubinger, alternde Knoten, die anderen
angehende Kleinbürger. Eine Klasse, die davon lebt, daß sie wie Irländer
den Franzosen den Lohn drückt, ist total unbrauchbar. Ich mache jetzt
noch einen letzten Versuch, _si cela ne réussit pas, je me retire de
cette espèce de propagande_[7]. Hoffentlich kommen die Londoner Papiere
bald und werden die Geschichte wieder etwas beleben; ich werde dann den
Moment benutzen. Da die Kerle bis jetzt gar kein Resultat des Kongresses
sehen, werden sie natürlich vollends schlapp. Ich bin mit einigen neuen
Arbeitern, die mir Stumpf und Neubeck zugeführt, in Verbindung, es ist
aber nicht zu sagen, was daraus zu machen ist.

Sage dem Bornstedt: 1. Er soll mit seinen Abonnements bei den hiesigen
Arbeitern nicht mit so geschäftsmäßiger Strenge auftreten, sonst
verliert er sie alle; 2. der Agent, den ihm der Moses verschafft, ist
ein lamentierender Schlappschwanz und sehr eitel, aber der einzige, der
sich noch damit befassen will und kann, er soll ihn also nicht
froissieren [abstoßen], der Kerl hat sich auch geplagt, aber er kann
kein Geld zusetzen, was er übrigens _schon getan_ hat. Er muß aus dem
Geld, das ihm einkommt, doch die Kosten decken, die ihm die
Korrespondenz usw. machte; 3. wenn er einzelne Nummern herschickt, nie
mehr als 10 bis 15 von einer Nummer höchstens, und zwar _durch
Gelegenheit_. Die Pakete [Lücke] ... das Ministerium Duchtel, wo sie
mit Zeitverlust geholt werden müssen, und wo das Ministerium einen
furchtbaren Portoaufschlag erhebt, um diesen Commerce zu ruinieren. So
ein Paket kostet 6 bis 8 Franken, und was ist da zu machen, wenn es
gefordert wird? Esselenz in Lüttich wollte einen _garde de convoi_[8]
stellen, der das besorgte; schreib doch nach Lüttich, daß das
eingerichtet wird; 4. die Nummern, die noch hier waren, sind durch
Gelegenheit nach Süddeutschland geschickt. Wenn sich Gelegenheit bietet,
so soll Bornstedt noch einige neue Nummern herschicken, um Propaganda in
Cafés usw. zu machen. 5. Wird Bornstedt dieser Tage einen Artikel und
die Geschichte über die preußischen Finanzen erhalten. Du mußt aber das
wegen der Ausschüsse von 1843 nochmals durchsehen und das Nötige ändern,
da es aus sehr wüster Erinnerung aufgeschrieben ist.

Wenn die Geschichte mit Mosi dahin führt, daß Du ihn in der Brüsseler
Zeitung attackierst, so soll sie mich sehr freuen. Wie der Kerl noch in
Brüssel bleibt, ist mir unbegreiflich. _En voilà encore une occasion
pour l’exiler à Verviers._[9] Das mit der Réforme soll besorgt werden.

                                                               Dein E.

Nach dem Ausbruch der Februarrevolution glaubte die belgische Regierung
im Interesse der öffentlichen Ordnung Marx und Wilhelm Wolff aus Belgien
ausweisen zu müssen. Bei dieser Gelegenheit wurden Marx und seine Frau
widerrechtlich verhaftet und für eine Nacht ins Gefängnis gesperrt. Die
Entrüstung darüber war in Brüssel sehr groß, so daß der Munizipalrat den
Polizeikommissar, der die Verhaftung angeordnet hatte, absetzte. Im
Briefe Nr. 25 berichtet Engels über den Verlauf der Affäre. Marx ging
nach Paris, Engels von Paris nach Brüssel.

----------

   [1] Entschieden, er handelt da mit bösem Willen.

   [2] Vater.

   [3] Tadel.

   [4] Ihr neigt zum Despotismus, ihr werdet die Revolution in
   Frankreich töten; wir haben elf Millionen Kleinbauern, die zugleich
   die fanatischsten Eigentümer sind usw. usw.

   [5] Schließlich, sagt er, sind unsere Prinzipien einander zu nahe
   verwandt, als daß wir nicht zusammengehen sollten. Was uns
   anbetrifft, so werden wir euch soviel in unseren Kräften steht
   unterstützen.

   [6] Umgekehrt, wieder zurück.

   [7] Wenn das nicht glückt, ziehe ich mich von dieser Art Propaganda
   zurück.

   [8] Zugführer (im Eisenbahndienst).

   [9] Das ist noch ein Anlaß, ihn nach Verviers zu exilieren.


                                   25

[Aus Brüssel]

                      13 Rue neuve, Chaussée du Louvain, 9. März 1848.

Lieber Marx!

Ich hoffe morgen einen Brief von Dir zu haben.

Hier ist alles ruhig. Sonntag abend hat Jottrand die Geschichte mit Dir
und Deiner Frau in der Association Démocratique erzählt. Ich kam zu
spät, um sie anzuhören, und hörte bloß noch einige wütende flämische
Bemerkungen von Pellering. Auch Gigot sprach und kam darauf zurück. In
die Emancipation brachte Lubliner einen Artikel deswegen. Die Advokaten
hier sind wütend, Maynz will, man soll die Sache gerichtlich verfolgen
und Du sollst Dich als _Partie civile_[1] konstituieren, wegen der
Domizilverletzung usw. usw. Auch Gigot soll klagen. Es wäre sehr gut,
wenn man’s täte, obwohl die Regierung hat sagen lassen, man würde den
Kerl absetzen. Castiau ist gestern von Maynz mit den nötigen Akten
versehen worden, um deswegen zu interpellieren, ich denke morgen oder
übermorgen kommt’s vor. Die Sache hat große Sensation gemacht und sehr
geholfen, den Deutschenhaß zu besänftigen.

Lupus ist vorigen Sonntag 11 Uhr morgens auf die Eisenbahn gebracht und
nach Valenciennes besorgt, von wo aus er geschrieben und wo er noch sein
wird. Er war vor keinem Tribunal. Man hat ihn nicht einmal zu [am] Hause
vorbeigeführt, um seine Sachen zu nehmen! – Mir hat man nichts getan.
Nach Redensarten, die die Kerls haben fallen lassen, scheuen sie sich,
mich auszuweisen, weil sie mir damals einen Paß gegeben haben, was man
gegen sie geltend machen könnte.

Die Geschichte in Köln ist unangenehm. Die drei besten Leute sitzen. Ich
habe einen aktiven Teilnehmer an der Geschichte gesprochen. Sie wollten
losschlagen, aber statt sich mit Waffen zu versehen, die leicht zu haben
waren, gingen sie vors Rathaus, unbewaffnet, und ließen sich zernieren.
Es wird behauptet, daß der größte Teil der Truppen für sie war. Die
Sache war unvernünftig dumm angefangen; wenn die Berichte des Kerls
richtig sind, so hätten sie ruhig losschlagen können und wären in zwei
Stunden fertig gewesen. Aber schrecklich dumm war alles angelegt.

Unsere _alten_ Freunde in Köln scheinen sich sehr zurückgehalten zu
haben, obwohl sie mit beschlossen hatten loszubrechen. Der kleine
D’E[ster], D[aniels], B. [?], waren einen Augenblick da, gingen aber
gleich wieder fort, obwohl der kleine Dr. im Stadtrat grade nötig war.

Die Nachrichten aus Deutschland sind sonst famos. In Nassau eine
vollendete Revolution, in München die Studenten, Maler und Arbeiter in
voller Insurrektion, in Kassel die Revolution vor der Tür, in Berlin
grenzenlose Angst und Zaudern, in ganz Westdeutschland Preßfreiheit und
Nationalgarde proklamiert; vorderhand ist das genug.

Wenn doch der F. W. IV.[2] sich starrköpfig hielte! Dann ist alles
gewonnen, und wir haben in ein paar Monaten die deutsche Revolution.
Wenn er nur an seinen feudalen Formen hielte! Aber der Teufel weiß, was
dies launige und verrückte Individuum tun wird.

In Köln ist die ganze kleine Bourgeoisie für Anschluß an die
französische Republik; die 1797er Erinnerungen herrschen augenblicklich
vor.

Tedesco sitzt noch immer. Ich weiß nicht, wann er vor Gericht kommen
wird.

Wegen Deiner Geschichte ist ein fulminanter Artikel an den Northern Star
abgegangen.

Sonntag abend in der Sitzung der demokratischen Gesellschaft merkwürdige
Ruhe. Eine Petition an die Kammern beschlossen wegen sofortiger
Auflösung und neuer Wahlen nach dem neuen Zensus. Die Regierung will
nicht auflösen, aber sie wird müssen. Morgen abend wird die Petition
angenommen und _séance tenante_[3] gezeichnet werden. Die
Jottrand-Petition an den Bürgermeister und Stadtrat hat eine sehr
höflich ablehnende Antwort erhalten.

Von der Ruhe, die hier herrscht, hast Du keinen Begriff. Gestern abend
Karneval, ganz wie sonst; von der französischen Republik ist kaum noch
die Rede. Die französischen Blätter erhält man in den Cafés fast ohne
Schwierigkeiten und Warten. Wenn man nicht wüßte, daß sie _müssen_,
_tant bien que mal_,[4] so sollte man glauben, hier sei alles aus.

Jottrand hat Sonntag – in seiner Wut über Deine Verfolgung – eine
recht gute Rede gehalten; die _sévices_[5] des Rogier haben ihn dahin
gebracht, den Klassengegensatz anzuerkennen. Er schimpfte sehr auf die
großen Bourgeois und ließ sich in – allerdings ziemlich platte und
illusorische, aber doch ökonomische Detail ... [Lücke], um der kleinen
Bourgeoisie zu beweisen, daß ... [Lücke] wohlbezahlte und viel
konsumierende Arbeiterklasse in einer Republik bessere Kunden für sie
seien als ein Hof und eine wenig zahlreiche Aristokratie. Ganz _à la_
O’Connor. – Die Zeit ist vorbei, diesen Brief auf die Post zu geben –
ich schließe morgen.

_Donnerstag._ Nichts Neues – Deinen Artikel habe ich in der Réforme
gesehen – in England ist ja auch Krawall, _tant mieux_.[6] Wenn Du bei
Ankunft dieses noch nicht geschrieben haben solltest, so schreibe mir
doch gleich. Eben kommt aus lauter Ironie meine Bagage von Paris an –
kostet mich 50 Franken mit Zoll usw. Der Polizeikommissar-Adjoint, der
zu Dir kam, soll schon abgesetzt sein. Die Geschichte hat hier bei den
Kleinbürgern große Entrüstung gesetzt.

Adieu!

                                                          Dein Engels.

----------

   [1] Zivilkläger.

   [2] Friedrich Wilhelm IV.

   [3] Während der Sitzung.

   [4] Wohl oder übel.

   [5] Gewalttätigkeiten des [Ministers] Rogier.

   [6] Um so besser.


                                   26

     Paris, 10 Rue neuve Ménilmontant (Boulevard Beaumarchais). Anfang
                                                            März 1848.

Lieber Engels!

Laß Dir von Breyer die 100 _Franken_ zahlen, die er mir hoch und teuer
versprach, in einer Woche wiederzugeben, von Gigot 30, von Heß 10. Ich
hoffe, daß Breyer in diesem Augenblick sein Versprechen halten wird.

Maynz wird den Wechsel bei Cassel von 114 Franken einlösen und Dir
auszahlen. Diese verschiedenen Summen nimm zusammen und verbrauche sie.
Auf der Réforme sprach man freundlich von Dir. Flocon ist krank, ich
habe ihn noch nicht gesehen. Das von Seiler ausgebreitete Gerücht ist
unter den Deutschen allgemein zirkulierend. Allard ist bis jetzt noch
nicht von der Revolution beiseite geschoben. Ich rate Dir, herzukommen.

Zentralbehörde ist hier konstituiert worden, da Jones, Harney, Schapper,
Bauer, Moll sich hier befinden. Man hat mich zum Präsidenten und
Schapper zum Sekretär ernannt. Mitglieder sind: Wallau, Lupus, Moll,
Bauer und Engels.

Jones ist gestern nach England abgereist. Harney ist krank.

_Salut!_

                                                            Dein K. M.


                                   27

                                    [Brüssel, erste Hälfte März 1848.]

Lieber Marx!

Ich werde Deine Sachen besorgen.

Schreibe ein paar Zeilen an M. Victor Faider, _avocat_, entweder direkt
oder durch Einlage an Bloß: wodurch Du ihm dankst für die Schritte, die
er in Deinem und Deiner Frau Interesse getan hat, und ihn autorisierst,
fernere Schritte zu tun. Faider, der sich plötzlich als eifriger
Republikaner herausgebissen hat, hat sich nämlich zu Deinem Verteidiger
konstituiert und wird dem Moniteur Belge als solcher antworten und die
Sache betreiben. Er hofft, Du werdest ihn nicht desavouieren, und damit
er entschieden auftreten kann, ist es gut, daß er das Blättchen von Dir
bekommt. Es ist besser, daß ein Belgier die Sache betreibt, als wenn
Maynz es tut, und da er sich dazu angeboten hat, so wird er seine Sache
auch wohl ordentlich machen.

Die _Feuille de Route_[1] schicke doch ja. Das Ding ist sehr
wünschenswert; Maynz fragt mich alle Tage danach.

Tedesco ist frei und gleich nach Lüttich fort, ohne einen Menschen zu
sehen. Esselenz war einige Tage hier, aber er hatte ihn nicht gesehen.

Hier herrscht eine Finanz-, Börsen-, Industrie- und Handelskrisis
ohnegleichen. Der Commerce jammert arbeitslos auf dem Café Suisse herum,
die Herren Kauwerz, Laufs und Konsorten schleichen umher wie bepißte
Pudel, die Arbeiter haben Rassemblements[2] gemacht und petitioniert;
große Brotnot allgemein. Bares Geld nirgends zu haben, und dabei ein
_emprunt forcé_[3] von 60 Millionen! Sie kriegen hier die Republik durch
die Börse aufgedrängt.

Lüning findet bei seiner Rückkehr hierher die Nachricht vor, daß in
Preußen auf ihn gefahndet wird; er wird seine Frau herkommen lassen und
nach Paris kommen. Der Dronke war vor seiner Flucht durch Willich und
Konsorten in den Bund aufgenommen worden. Ich habe ihn hier einem neuen
Examen unterworfen, ihm unsere Ansichten vorgetragen, und da er sich
einverstanden erklärte, ihn bestätigt. Man hätte nichts anderes tun
können, selbst wenn mehr oder weniger Bedenken dagewesen wären. Indes
ist der Kerl sehr bescheiden, sehr jung und scheint sehr zugänglich, so
daß ich glaube, daß er mit einiger Aufsicht und einigem Studium gut
werden wird. Er revozierte mir gegenüber alle seine früheren Schriften.
Er wohnt leider bei Moses, der ihn einstweilen also bearbeiten wird,
aber das hat bekanntlich nichts zu sagen. Bei Lüning, an den er sich
schrecklich angekittet hatte, bedurfte es zweier Worte, um ihn aus dem
Sattel zu heben.

Moses ist übrigens freundschaftlicher denn je – den Kerl begreife
einer!

Bei Cassel kann ich nichts tun, da Maynz, nicht ich, Order hat. Breyer
beruft sich aus die Finanzkrisis, auf die Unmöglichkeit, seine alten
Wechselschulden jetzt prolongieren zu lassen, auf die Zahlungsweigerung
seiner gesamten Klientel. Er erklärt sogar, sein einziges Roß verkaufen
zu wollen. Ich werde indes sehen, was zu kriegen ist, denn mit dem Geld
von Maynz komme ich kaum aus, und das von Heß, der zuerst gezahlt, ist
bereits den Weg alles Fleisches. Gigot ist auch in Schwulitäten. Ich
werde noch heute mal zu Breyer gehen.

In den _Débat social_[4] kommt morgen eine ausführliche Widerlegung,
_mot pour mot_,[5] des Moniteurs.

Dem Faider füge noch hinzu: wenn er eine spezielle Vollmacht haben
müsse, so werdest Du sie ihm schicken.

Schreibe auch ein paar Zeilen an M. Bricourt, _membre de la Chambre des
Représentants_, der sehr gut für Dich in der Kammer aufgetreten ist und
den Minister auf Maynz’ Ansuchen scharf interpelliert und die Enquete
wegen der Geschichte durchgesetzt hat. Er ist Repräsentant für Charleroi
und nach Castiau der beste. Castiau war gerade in Paris.

Sieh den inliegenden Wisch durch und schicke ihn an die Réforme. Die
hiesigen Kerls müssen fortwährend geärgert werden.

_Si c’est possible_,[6] so reise ich Montag ab. Aber die Geldwirtschaft
kommt mir immer in die Quere.

Von England höre ich durchaus nichts, weder durch Briefe noch Stars.

In Deutschland geht die Sache wahrhaftig sehr schön; überall Emeuten,
und die Preußen geben nicht nach. _Tant mieux._[7] Wir werden
hoffentlich nicht lange in Paris zu bleiben haben.

Daß Ihr den Bornstedt hinauswerft, ist sehr gut. Der Kerl hat sich so
unzuverlässig erwiesen, daß man ihn wirklich beseitigen muß aus dem
Bund. Er und Weerth sind jetzt all ... und Weerth läuft als wütender
Republikaner hier herum.

Der Lamartine wird jeden T[ag] ....rlicher. Dieser Mensch wendet sich ja
in allen seinen Reden nur an die Bourgeois und sucht sie zu beruhigen.
Auch die Wahlproklamation der provisorischen Regierung ist ja ganz an
die Bourgeois gerichtet, um sie zu reassurieren.[8] Kein Wunder, daß die
Kerls dabei frech werden.

_Adios, au revoir!_[9]

                                                                 F. E.

Alle Briefe hierher unter der angegebenen Adresse; Bl[oß] wird sie _en
mon absence_[10] an Gi[got] geben.

----------

   [1] Marschroute, beziehungsweise Zwangspaß.

   [2] Aufläufe.

   [3] Zwangsanleihe.

   [4] Soziale Debatte. [Titel eines in Brüssel herausgegebenen
   sozialistischen Wochenblatts.]

   [5] Wort für Wort.

   [6] Wenn es möglich ist.

   [7] Um so besser.

   [8] Beruhigen.

   [9] Auf Wiedersehen.

   [10] In meiner Abwesenheit.


                                   28

                                               [Paris], 16. März 1848.

Lieber Engels!

Ich habe in diesen Tagen keinen Augenblick Zeit, um ausführlicher zu
schreiben. Ich beschränke mich auf das Nötige.

Flocon ist sehr gut gegen Dich gesinnt.

Die hiesigen Straubinger widmen Dir alle mehr oder minder Wut.

                   *       *       *       *       *

Was meine Sachen angeht, nimm sie mit bis Valenciennes und laß sie dort
plombieren. Ich werde alles frei bekommen. Was das _Silber_ angeht, so
hat es schon hier in Paris den Stempel erhalten. In Valenciennes mußt Du
aber jedenfalls zu dem Manne gehen, der auf einliegender Adresse steht.
Meine Frau hat ihm auf Voglers Rat die Schlüssel der Koffer (die in
Brüssel sind) zugeschickt, aber ohne Begleitbrief. Diese Schlüssel mußt
Du bei ihm abholen, da man uns sonst alles auf der hiesigen Douane
aufbricht.

Was die Gelder angeht, so erkläre dem _Cassel_, er solle Dir den Wechsel
herausgeben, wenn er ihn nicht zahlen will. Baillut wird ihn dann
vielleicht zahlen.

Laß den Gigot abrechnen und wenigstens den Rest geben.

Was den Breyer angeht, so mußt Du noch einmal zu ihm und ihm die
_Gemeinheit_ vorstellen, die darin liegt, wenn er mein Pech benutzt, um
nicht zu zahlen. Wenigstens einen Teil muß er Dir schaffen. Die
Revolution hat ihn keinen Sou gekostet.

Hier wird die Bourgeoisie wieder gräßlich frech und reaktionär, _mais
elle verra_.[1]

Bornstedt und Herwegh benehmen sich sehr töricht. Sie haben hier einen
schwarzrotgoldenen Verein _contre nous_[2] gestiftet. Ersterer wird
heute aus dem Bunde ausgestoßen.

                                                               Dein M.

Die _feuille de route_[3] finde ich in diesem Moment nicht und dieser
Brief muß fort.

Setze Gigot ab, wenn er nicht Tätigkeit entwickelt. Der Kerl sollte in
diesem Moment energisch sein. Grüße Maynz herzlich von mir, ebenso
Jottrand. Letzteren _Débat social_ habe ich empfangen. Auch einen Gruß
an Vogler. Maynz und Jottrand werde ich ausführlich schreiben. Lebe
wohl.

                                                          [Karl Marx.]

Die zwei Tage später ausgebrochene Märzrevolution führte Marx nach Köln,
wo er sich um die Gründung einer radikal-demokratischen Zeitung bemühte,
die dann den Titel Neue Rheinische Zeitung erhielt. Marx wurde hierbei
von Engels, der sich in Barmen befand, aufs lebhafteste unterstützt.
Siehe die Briefe 29, 30, 31.

----------

   [1] Aber sie wird sehen.

   [2] Gegen uns.

   [3] Zwangspaß.


                                   29

                             Köln, Apostelnstr. 7, [Mitte April 1848.]

Lieber Engels!

Es ist hier schon ziemlich viel gezeichnet [Aktien für die geplante Neue
Rheinische Zeitung], und wir werden wohl bald anfangen können. Jetzt ist
es aber nötig, daß Du Deinem Alten gegenüber Forderungen stellst und
überhaupt _definitiv_ erklärst, was in Barmen und Elberfeld zu machen
ist.

An Hecker in Elberfeld hat man von hier einen Prospekt (von Bürgers
geschrieben) usw. hingeschickt.

Hast Du keine Adresse für Dronke? Dem muß sofort geschrieben werden.
Antworte umgehend. Ich würde einmal da herüberkommen, sähe es nicht zu
ängstlich bei Euch aus.

                                                               Dein M.


                                   30

                                             B[armen], 25. April 1848.

Lieber Marx!

Den Prospekt erhalte ich soeben nebst Deinem Briefe. Auf Aktien von hier
ist verdammt wenig zu rechnen. Der Blank, an den ich schon früher
deswegen geschrieben und der noch der Beste von allen ist, ist in Praxi
ein Bourgeois geworden; die anderen noch mehr, seit sie etabliert sind
und mit den Arbeitern in Kollisionen gekommen. Die Leute scheuen sich
alle wie die Pest vor der Diskussion der gesellschaftlichen Fragen; das
nennen sie Aufwiegelei. Ich habe die schönsten Redensarten verschwendet,
alle mögliche Diplomatie aufgeboten, aber immer schwankende Antworten.
Ich mache jetzt noch einen letzten Versuch, scheitert der, so ist alles
am Ende. In zwei bis drei Tagen hast Du positive Nachricht, wie er
ausgefallen, die Sache ist _au fond_[1] die, daß auch diese radikalen
Bourgeois hier in uns ihre zukünftigen Hauptfeinde sehen, und daß sie
uns keine Waffen in die Hand geben wollen, die wir sehr bald gegen sie
selbst kehren würden.

Ans meinem Alten ist vollends nichts herauszubeißen. Für den ist schon
die Kölner Zeitung ein Ausbund von Wühlerei, und statt tausend Talern
schickte er uns lieber tausend Kartätschkugeln auf den Hals.

Die avanciertesten hiesigen Bourgeois finden ihre Partei zu ihrer
ziemlichen Zufriedenheit durch die Kölnische Zeitung vertreten. _Que
veux-tu qu’on fasse, alors?_[2]

Moses’ Agent, Schnaake, war vorige Woche hier, scheint auch gegen uns
verleumdet zu haben.

Von Dronke habe ich keine andere Adresse als etwa die: Kaufmann Adolf
Dominicus in Koblenz (sein Onkel). Sein Alter existiert in Fulda, ich
glaube als Gymnasialdirektor. Das Nest ist klein. Dr. E. Dronke junior
in Fulda würde ihn wohl treffen, wenn er da ist. Es ist aber
abgeschmackt, daß er nicht wenigstens schreibt, wo er ist.

Von Ewerbeck hatte ich einen Brief, er fragt, ob wir einen angeblich
wichtigen, nach Mainz unter bekannter Adresse abgeschickten Brief von
ihm erhalten? Hast Du ihn nicht, so schreibe deswegen nach Mainz
(Schullehrerkandidat Philipp Neubeck, Rentengasse, Heiliger Geist,
Mainz).

Ewerbeck läßt in Paris das Manifest ins Italienische und Spanische
übersetzen und will zu diesem Behuf 60 Franken eingesandt haben, die er
sich zu zahlen verpflichtet. Das ist wieder so eine seiner Geschichten.
Die Übersetzungen werden schön sein.

Ich bin an der englischen Übersetzung, die mehr Schwierigkeiten macht,
als ich glaubte. Aber die Hälfte ist indes fertig, und bald wird das
Ganze fertig sein.

Wenn ein einziges Exemplar unserer 17 Punkte[3] hier verbreitet würde,
so wäre hier alles verloren für uns. Die Stimmung bei den Bourgeois ist
wirklich niederträchtig. Die Arbeiter fangen an, sich etwas zu regen,
noch sehr roh, aber massenhaft. Sie haben sofort Koalitionen gemacht.
Das aber ist uns gerade im Wege. Der Elberfelder politische Klub erläßt
Adressen an die Italiener, spricht sich für direkte Wahl aus, aber weist
jede Debatte sozialer Fragen entschieden ab, obwohl unter vier Augen die
Herren gestehen, diese Fragen _kämen_ jetzt an die Tagesordnung, und
dabei bemerken, wir dürften darin der Zeit nicht vorgreifen!

Adios. Laß bald Näheres hören. Ist der Brief nach Paris abgegangen, und
hat er Resultate gehabt?

                                                               Dein E.

----------

   [1] Im Grunde.

   [2] Was meinst Du, daß man da machen soll?

   [3] Es sind die 17 Punkte gemeint, die die neue Zentralbehörde in
   Paris als „Forderungen der kommunistischen Partei in Deutschland“
   aufgestellt hatte.


                                   31

                                               Barmen(?), 9. Mai 1848.

Lieber Marx!

Hierbei:

   1. Die Liste der bis jetzt gezeichneten Aktien, 14 an der Zahl.
   2. Eine Vollmacht für Dich.
   3. Eine für D’Ester (der B. ist ein Bekannter von ihm).
   4. Eine für Bürgers.

Es ließ sich nicht vermeiden, daß Bornstedt und Hecker ihre Vollmacht an
persönlich Bekannte geben.

Hühnerbein wird, für sich und zwei Hiesige, selbst dort erscheinen.

Die Liste ist noch nicht geschlossen. Den Laverrière und Blank habe ich
trotz xmaligem Besuch nicht getroffen. Zulauff hat den ersteren
übernommen.

Zwei andere, bei denen ich nichts ausrichtete, wird Hecker bearbeiten.

Heute geht Jul. nach Ronsdorf, wo er gute Aussichten hat.

Die beiden Sorten Leute, die am meisten Schwierigkeiten machen, sind
erstens die jungen _républicains en gants jaunes_,[1] die für ihr
Vermögen fürchten und Kommunismus wittern, und zweitens die Lokalgrößen,
die uns für Konkurrenten halten. Weder Nohl noch Bracht waren zu
bewegen. Von den Juristen ist Bohnstedt der einzige, mit dem was zu
machen. Überhaupt haben wir vergebliche Gänge genug gehabt.

Morgen gehe ich auf zwei Tage nach Engelskirchen. Laßt mich sogleich die
Resultate der Aktionärversammlung wissen. Zu einer Bundesgemeinde ist
ebenfalls der Anfang gemacht.

                                                          Dein Engels.

Der Brief Nr. 32 und die zwei folgenden Briefe sind an Engels in der
Schweiz gerichtet. Anläßlich der Septemberunruhen (siehe Mehring,
Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, 1. Band, Seite 123 bis 126)
hatte die Kommandantur den Belagerungszustand über Köln verhängt und
unter anderem die Neue Rheinische Zeitung suspendiert. Um den
Verhaftsbefehlen zu entgehen, waren die meisten Redakteure über die
Grenze gegangen. Am 12. Oktober konnte die Zeitung wieder erscheinen,
nachdem sich die versprengte Redaktion allmählich wieder gesammelt
hatte. Neu eingetreten war Ferdinand Freiligrath. Engels blieb vorläufig
in der Schweiz, um von dort aus an der Neuen Rheinischen Zeitung
mitzuarbeiten.

----------

   [1] Republikaner in gelben Handschuhen.


                                   32

                                           [Undatiert. November 1848.]

Lieber Engels!

Da Dein Brief erst jetzt abends ankommt, ist es keine Zeit mehr, nach
Wechseln sich umzutun. Es ist selbst nicht mehr Zeit, nach meinem Hause
zu gehen. Ich schicke Dir Einliegendes, was gerade vorrätig ist und
zudem eine Anweisung von 50 Taler von Schulz auf einen Bürger in Genf,
wo Du auch sonstige Hilfe finden kannst.

Ich habe schon vor langer Zeit an Dich und Dronke nach Paris 50 Taler
und zugleich nach Brüssel an Gigot Deinen Paß geschickt.

Die Zeitung erscheint seit dem 11. September wieder, _tale quale_.[1]
Näheres Dir darüber zu schreiben, jetzt nicht der Moment, da Eile nötig.
Sobald Du irgend kannst, schreibe Korrespondenzen und längere Artikel.
Ich bin jetzt, da alle außer Weerth, Naut und Freiligrath erst seit
einigen Tagen eingetreten, bis über die Ohren beschäftigt, komme gar
nicht zu ausführlicheren Arbeiten, und zudem tut das Parkett[2] alles,
um mir Zeit zu stehlen.

_Schreibe umgehend._ Soll ich Deine Wäsche usw. schicken? Plasmann
sofort dazu bereit. Dein Vater hat ihn übrigens bezahlt.

Übrigens hat Dein Alter an Gigot geschrieben, wo Du seiest. Er will Dir,
wie er sagte, Geld schicken. Ich habe ihm Deine Adresse geschickt.

                                                         Dein K. Marx.

[Anschrift:]

_P. S._ Einliegenden Brief an F. Köhler am See oder Rue du Rhône dort,
wollen Sie gefälligst öffnen und denselben abgeben, worauf Ihnen
derselbe 250 Franken für meine Rechnung geben Tratte nach Sicht auf mich
auszahlen wird. Freundschaftlichen Gruß

                                                         Louis Schulz.

----------

   [1] Unverändert.

   [2] Strafkammer.


                                   33

                                           [Undatiert. November 1848.]

Lieber Engels!

Ich bin wahrhaft überrascht, daß Du noch kein Geld von mir erhalten
hast. Ich (nicht die Expedition) habe Dir seit undenklicher Zeit 61
Taler, 11 in Papier, 50 in Wechsel, nach Genf geschickt, eingeschlagen
in die angegebene Adresse. Also erkundige Dich und schreibe sogleich.
Ich habe einen Postzettel und kann das Geld reklamieren.

Ich hatte ferner an Gigot 20 und später an Dronke 50 Taler für Euch
geschickt, immer aus meiner Kasse, in Summa 130 Taler ungefähr.

Ich werde Dir morgen wieder einiges schicken. Aber erkundige Dich nach
dem Gelde. Es war in dem Wechsel zugleich eine Empfehlung drinnen an
einen Lausanner Geldphilister.

Ich bin mit dem Gelde beschränkt. 1850 Taler hatte ich von der Reise
mitgebracht; 1950 bekam ich von den Polen, 100 brauchte ich noch auf der
Reise, 1000 Taler habe ich der Zeitung (mit dem Dir und anderen
Flüchtlingen) vorgeschossen, 500 in dieser Woche noch zu zahlen für die
Maschine; bleibt 350. Und dabei habe ich noch keinen Cent von der
Zeitung erhalten.

Was Eure Redakteurschaft angeht, so habe ich 1. in der ersten Nummer
gleich angezeigt, daß das Komitee dasselbe bleibt, 2. den blödsinnigen
reaktionären Aktionären erklärt, daß es ihnen freistünde, mich als nicht
mehr zum Redaktionspersonal gehörig zu betrachten, daß es mir aber
freistehe, _so hohe Honorare auszuzahlen als ich will_, und daß sie
daher pekuniär nichts gewinnen werden.

Die große Summe für die Zeitung hätte ich rationellerweise nicht
vorgeschossen, da ich drei bis vier Preßprozesse auf dem Halse haben,
jeden Tag eingesperrt werden und dann nach Geld wie der Hirsch nach
frischem Wasser schreien kann. Aber es galt, unter allen Umständen dies
_Fort_ zu behaupten und die politische Stellung nicht aufzugeben.

Das beste – nachdem Du die Geldangelegenheiten in Lausanne geordnet –
ist, nach Bern zu gehen und Deinen angegebenen Plan auszuführen. Du
kannst außerdem schreiben, worüber Du willst. Deine Briefe kommen immer
zeitig genug.

Daß ich einen Augenblick Dich im Stiche hätte lassen können, ist reine
Phantasie. Du verbleibst stets mein Intimus, wie ich hoffentlich der
Deine.

                                                              K. Marx.


                                   34

                                              Köln, 29. November 1848.

Lieber Engels!

Die Zeitungen sind Dir geschickt. Wenn es nicht früher geschah, so liegt
die Schuld rein an dem Esel Korff, der bei meiner Überbeschäftigung, die
noch durch beständige Erscheinungsbefehle vermehrt wird, bisher meine
Orders nicht ausgeführt hatte. Einstweilen bleibe in Bern. Sobald Du
kommen kannst, schreibe ich Dir. Siegle Deine Briefe besser zu. Einer
war aufgebrochen, wie ich in der Zeitung (natürlich Dich nicht nennend)
angezeigt.

Schreibe ausführlich über _Proudhon_, und da Du guter Geograph bist,
über die ungarische Sauce (den Völkerbienenschwarm). Vergiß mich bei
Proudhon nicht, da unsere Artikel jetzt in sehr viele französische
Blätter übergehen.

Schreibe auch gegen die Föderativrepublik, wozu die Schweiz beste
Gelegenheit bietet.

K. Heinzen hat seinen alten Schund gegen uns veröffentlicht.

Unser Blatt bewegte sich immer auf dem Stande der Emeute, umschifft aber
trotz allen Erscheinungsbefehlen den _code pénal_.[1] Es ist jetzt sehr
_en vogue_.[2] Wir erlassen auch täglich Plakate. _La révolution
marche._[3] Schreibe fleißig.

Ich hoffe Dich bald wiederzusehen.

                                                            Dein Marx.

----------

   [1] Strafgesetzbuch [das heißt das ehemalige rheinische
   Strafgesetz].

   [2] In Mode.

   [3] Die Revolution marschiert vorwärts.


                                   35

                                              Bern, 28. Dezember 1848.

Lieber Marx!

Wie ist’s? Kann ich jetzt nach G[rüns] und A[nnekes] Freisprechung noch
nicht bald zurück? Die preußischen Hunde müssen jetzt doch bald die Lust
verlieren, sich mit den Geschworenen einzulassen. Wie gesagt, wenn
genügender Grund vorhanden, daß kein Untersuchungsarrest zu befürchten,
komm’ ich sofort. Nachher können sie meinetwegen mich vor 10 000 Jurys
stellen, aber im Untersuchungsarrest kann man nicht rauchen, und da geh’
ich nicht hinein.

Die ganze Septembergeschichte zerfällt ja ohnehin in Nichts. Einer nach
dem anderen kommt wieder. Also schreibe.

Apropos, gegen Mitte Januar wäre mir einiges Geld sehr erwünscht. Bis
dahin kommt Euch ja eine Masse ein.

                                                               Dein E.


                                  1849


                                   36

                                                 Bern, 7. Januar 1849.

Lieber Marx!

Nachdem ich mich jetzt während mehrerer Wochen sündhaften Lebenswandels
von meinen Strapazen und Aventüren erholt habe, fühle ich erstens das
Bedürfnis, wieder zu arbeiten (wovon der beiliegende magyaro-slawische
Artikel ein schlagender Beweis), und zweitens das Bedürfnis nach Geld.
Letzteres ist das dringendste, und wenn Ihr bei Ankunft dieses mir noch
nichts geschickt haben solltet, so tut es doch gleich, denn ich bin seit
mehreren Tagen _sans le sou_,[1] und Pump ist in dieser lausigen Stadt
keiner.

Wenn in dieser lausigen Schweiz nur irgend etwas vorfiele, um drüber
schreiben zu können. Aber lauter Lokaldreck der lausigsten Art. Ein paar
allgemeine Artikel drüber schick’ ich indes bald. Wenn ich noch lange im
Ausland bleiben muß, so gehe ich nach Lugano, besonders wenn in Italien
etwas losgeht, wie es den Anschein hat.

Aber ich denke immer, ich kann bald zurück. Dies faule Hocken im
Ausland, wo man doch nichts Ordentliches tun kann und ganz außer der
Bewegung steht, ist scheußlich unerträglich. Ich komme bald zu der
Einsicht, daß es selbst im Untersuchungsarrest in Köln besser ist als in
der freien Schweiz. Schreibe mir doch, ob denn gar keine Chance
vorhanden, daß ich ebenso günstig behandelt werde wie Bürgers, Becker
usw. usw.

Raveaux hat recht: selbst in dem oktroyierten Preußen ist man freier als
in der freien Schweiz. Jeder Spießbürger ist hier zugleich Mouchard und
Assommeur.[2] Davon habe ich in der Neujahrsnacht ein Exempel gesehen.

Wer Teufel hat neulich den langweiligen sittlich-religiösen Artikel aus
Heidelberg über den Märzverein in die Zeitung gesetzt? Daß Henricus von
Zeit zu Zeit einen Artikel aushaucht, habe ich ebenfalls mit Vergnügen
bemerkt an dem Seufzer über das Ladenbergsche Zirkular, der sich durch
zwei Nummern hinzieht.

Unsere Zeitung wird jetzt in der Schweiz sehr häufig zitiert; die Berner
Zeitung nimmt viel und die Nationalzeitung, und dann geht das die Runde
durch alle Blätter. Auch in den Schweizer französischen Blättern wird
sie, nach dem National usw. usw., viel zitiert, mehr als die Kölnische.

Die Annonce werdet ihr aufgenommen haben. Beiliegend ein Abdruck der
unsrigen in der Berner Zeitung. Grüße die ganze Gesellschaft.

                                                               Dein E.

Gestern zu spät zur Post. Heute also noch die Bemerkung, daß die Neue
Rheinische Zeitung seit dem 5. Januar hier _nicht mehr eingetroffen_
ist. Sieh doch nach, ob sie regelmäßig abgeschickt. Ich habe mich
erkundigt, mit dem Abonnieren ist’s nichts. Ich müßte auf ein halbes
Jahr abonnieren; so lange bleibe ich nicht und habe auch kein Geld. Wie
gesagt, es ist wichtig, das sie herkommt, nicht bloß meinetwegen,
sondern auch hauptsächlich, weil die uns günstige, von einem Kommunisten
redigierte Berner Zeitung alles tut, um sie hier _en vogue_[3] zu
bringen.

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   [1] Ohne einen Pfennig.

   [2] Spitzel und Totschläger.

   [3] In Mode.


                                   37

                                              Hamburg, 23. April 1849.
                              Adresse: Kaufmann Rohde, Bleichenbrücke.
                                                       (Unter Kuvert.)

Lieber Engels!

Dein Brief hat mich erst heute getroffen, da ich Bremen schon Mittwoch
morgen verließ. In Bremen nichts. Rösing hat vor einem Jahre bankrott
gemacht und lebt nur noch von den Zinsen des seiner Frau verbliebenen
Kapitals. Also nichts.

Dagegen werde ich hier sicher loseisen.

Was die Unterschrift betrifft, kann _Werres_ nicht unterzeichnen?

Was die einstweiligen Geldmittel betrifft, solange ich abwesend bin, so
ist folgendes zu bemerken: Plochmann hat mir vor meiner Abreise in die
Hand versprochen, jeden nötigen Vorschuß zu machen. Möglich, daß St.
Naut aus Gewissenhaftigkeit keine Zuflucht zu dieser Quelle nimmt. Wenn
es nötig ist, tue _es selbst_.

Die Zeitung ist diese Woche durch sehr mager, was mit meiner jetzigen
Mission schlecht klappt.

Grüße meine Frau herzlich von mir und die anderen.

Schreibe jedenfalls umgehend und laßt den Kopf nicht sinken. _Les choses
marcheront._[1]

                                                         Dein K. Marx.

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   [1] Die Dinge werden vorwärts gehen.


                                   38

Schreibe mir unter der Adresse: M. Ramboz, 45 Rue de Lille.

                                 Paris, 45 Rue de Lille, 7. Juni 1849.

Lieber Engels!

Ich schreibe Dir in diesem Briefe wenig ausführlich. Erst sollst Du mir
antworten, ob er _unversehrt_ angekommen ist. Ich glaube, daß die Briefe
wieder _con amore_[1] erbrochen werden.

Es herrscht hier eine royalistische Reaktion, schamloser als unter
Guizot, bloß vergleichbar mit der nach 1815. Paris ist _morne_.[2] Dazu
die Cholera, die außerordentlich wütet. Trotzdem stand ein kolossaler
Ausbruch des Revolutionskraters nie näher bevor als jetzt zu Paris. Die
Details darüber später. Ich komme mit der ganzen revolutionären Partei
zusammen und werde in einigen Tagen _sämtliche_ Revolutionsjournale zu
meiner Verfügung haben.

Was die hiesigen pfälzisch-badischen Gesandten betrifft, so ist Blind,
von einem wirklichen oder vermeintlichen Cholerafall erschreckt, einige
Stunden von Paris aufs Land gezogen.

_Quant à_[3] Schütz ist folgendes zu bemerken:

Die provisorische Regierung setzt ihn in eine falsche Position, indem
sie ihm keine Berichte schickt. Die Franzosen verlangen _des faits_,[4]
und wo soll er sie hernehmen, wenn ihm kein Teufel schreibt? Es müssen
ihm möglichst oft Depeschen zukommen. Es ist klar, daß er in diesem
Augenblick nichts ausrichten kann. Das einzig Erreichbare ist, der
pr[eußischen] Regierung Sand in die Augen zu streuen, indem man ihm
möglich macht, häufig mit den Chefs der Montagnards[5] zusammenzukommen.

Daß er im übrigen wenig erfährt, versteht sich von selbst, da er nur mit
einigen _offiziellen_ Montagnards zusammenkommt. Ich werde ihn übrigens
immer _au courant_[6] halten.

Meinerseits muß ich verlangen, daß Du mir wenigstens zweimal die Woche
regelmäßig und jedesmal, so oft etwas Wichtiges vorfällt, sofort
schreibst.

In dem Feuilleton der Kölnischen Zeitung über die Pfälzer Bewegung, _de
d[ato]_ Dürkheim a. d. Hardt, heißt es unter anderem: „Auf Herrn Marx,
den Redakteur der Rheinischen Zeitung, ist man nicht gut zu sprechen.
Derselbe soll der provisorischen Regierung erklärt haben, seine Zeit sei
noch nicht gekommen, er werde sich vorläufig zurückziehen.“ Wie hängt
das zusammen? Die elenden Deutschen hier, mit denen ich jedes
Zusammentreffen übrigens vermeide, werden das breit durch Paris zu
schlagen suchen. Ich halte es deshalb für gut, wenn Ihr in der
Karlsruher oder Mannheimer Abendzeitung geradezu erzählt in einem
Korrespondenzartikel, ich sei als Repräsentant des _demokratischen
Zentralkomitees_ zu Paris. Ich halte dies auch deshalb für nützlich,
weil einstweilen, wo augenblicklich, unmittelbar noch kein Resultat hier
zu erreichen ist, man die Preußen glauben machen muß, daß furchtbare
Intrigen hier gespielt werden. _Il faut faire peur aux Aristocrates._[7]

Ruge ist hier gleich Null. Was macht Dronke?

Du mußt übrigens sehen, daß Du _irgendwo Geld für mich auftreibst_, Du
weißt, daß ich die letzten eingehenden Summen, _pour faire honneur aux
obligations de la Nouvelle Gazette Rhénane_[8] verausgabt habe und in
den jetzigen _circonstances_[9] kann ich weder ganz eingezogen wohnen
und leben, noch weniger in Geldverlegenheiten geraten.

Wenn es Dir irgend möglich ist, so schicke mir einen französischen
Artikel, worin Du die ganze ungarische Affäre resümierst.

Teile diesen Brief D’Ester mit. Grüße ihn bestens. Soll ich unter einer
anderen Adresse schreiben, so gebt sie an.

                                                                    M.

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   [1] Mit Wollust.

   [2] Düster.

   [3] Mit Bezug auf.

   [4] Tatsachen.

   [5] Führer der Bergparteiler.

   [6] Auf dem laufenden.

   [7] Man muß den Aristokraten Furcht einflößen.

   [8] Um die Verpflichtungen der Neuen Rheinischen Zeitung einzulösen
   [„zu honorieren“].

   [9] Umstände, Verhältnisse.


                                   39

                                 Vevey, Kanton de Vaud, 25. Juli 1849.

Liebe Frau Marx!

Sie sowohl wie Marx werden verwundert sein, daß ich so lange nichts habe
von mir hören lassen. _En voici les causes:_[1] Denselben Tag, wo ich an
Marx schrieb (von Kaiserslautern aus), kam die Nachricht, daß Homburg
von den Preußen besetzt und somit die Kommunikation mit Paris
abgeschnitten war. Ich konnte nun den Brief nicht mehr abschicken und
ging zu Willich. In Kaiserslautern hatte ich mich von aller Befassung
mit der _soi-disant_[2] Revolution ferngehalten; als aber die Preußen
kamen, konnte ich der Luft nicht widerstehen, den Krieg mitzumachen.
Willich war der einzige Offizier, der etwas taugte, und so ging ich zu
ihm und wurde sein Adjutant. Ich war in vier Gefechten, wovon zwei
ziemlich bedeutend, namentlich das bei Rastatt, und habe gefunden, daß
der vielgerühmte Mut des Dreinschlagens die allerordinärste Eigenschaft
ist, die man haben kann. Das Kugelpfeifen ist eine ganz geringfügige
Geschichte, und während des ganzen Feldzugs habe ich trotz vieler
Feigheit kein Dutzend Leute gesehen, die sich _im Gefecht_ feig
benahmen. Desto mehr aber „tapfere Dummheit“. _Enfin_,[3] ich bin
überall glücklich durchgekommen, und _au bout du compte_[4] ist es gut,
daß einer von der Neuen Rheinischen Zeitung dabei war, weil alles
demokratische Lumpenpack in Baden und der Pfalz war und nun mit nicht
getanen Heldentaten renommiert. Es würde wieder geheißen haben: die
Herren der Neuen Rheinischen Zeitung seien zu feig, sich zu schlagen.
Von allen den Herren Demokraten aber hat sich niemand geschlagen, außer
mir und Kinkel. Letzterer hat sich bei unserem Korps als Musketier
gestellt und sich ganz gut gemacht; im ersten Gefecht, das er mitmachte,
bekam er den Streifschuß an den Kopf und wurde gefangen.

Nachdem unser Korps den Rückzug der badischen Armee gedeckt, gingen wir,
24 Stunden später als alle anderen, in die Schweiz und sind gestern hier
in Vevey angekommen. Während des Feldzugs und des Marsches durch die
Schweiz war es mir absolut unmöglich, auch nur eine Zeile zu schreiben.
Jetzt aber beeile ich mich, Nachricht zu geben und um so schleuniger an
Sie zu schreiben, als ich – irgendwo in Baden – gehört habe, Marx sei
verhaftet in Paris. Wir bekamen nie Zeitungen zu sehen, erfuhren also
nichts. Ob es wahr ist oder nicht, habe ich nie erfahren können. Sie
begreifen die ängstliche Spannung, in der ich mich daher befinde; und
ich bitte Sie aufs dringendste, mich von meiner Unruhe zu befreien und
mir Gewißheit über Marx’ Schicksal zu verschaffen. Da ich keine
Bestätigung dieses Gerüchtes von Marx’ Verhaftung gehört, so hoffe ich
immer noch, daß es falsch ist. Daß aber Dronke und Schapper sitzen,
daran kann ich kaum zweifeln. Genug, wenn Marx noch frei ist, so
schicken Sie ihm doch diesen Brief zu, mit der Bitte, mir gleich zu
schreiben. Sollte er sich in Paris nicht sicher fühlen, so ist er hier
im Waadtland vollständig sicher. Die Regierung selbst nennt sich rot und
_partisane de la révolution permanente_.[5] In Genf ist es ebenso. Dort
ist Schily aus Trier, der im Mainzer Korps ein Kommando führte.

Wenn ich von Hause einiges Geld bekomme, so gehe ich wahrscheinlich nach
Lausanne oder Genf und sehe, was ich anfange. Unsere Kolonne, die sich
brav geschlagen hat, ennuyiert mich, und hier kann man nichts machen.
Willich ist im Gefecht brav, kaltblütig, geschickt und von raschem,
richtigem Überblick, außer dem Gefecht aber _plus ou moins_[6]
langweiliger Ideologe und wahrer Sozialist. Die meisten Leute vom Korps,
mit denen man sprechen kann, sind anderswohin dirigiert.

Wenn ich nur erst die Gewißheit hätte, daß Marx frei ist! Ich habe oft
daran gedacht, daß ich mitten unter den preußischen Kugeln an einem weit
weniger gefährlichen Posten war als die anderen in Deutschland, und
namentlich Marx in Paris. Also befreien Sie mich bald von dieser
Ungewißheit. _Tout à vous!_[7]

                                                               Engels.

Adresse: F. Engels, _réfugié allemand_,[8] Vevey, Suisse.

(Womöglich per Kuvert bis Thionville oder Metz.)

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   [1] Hier die Ursachen.

   [2] Sogenannt.

   [3] Kurzum.

   [4] Schließlich, bezw. alles in allem.

   [5] Anhängerin der Revolution in Permanenz.

   [6] Mehr oder weniger.

   [7] Ganz der Ihre.

   [8] Deutscher Flüchtling.


                                   40

                                             Erste Hälfte August 1849.

Lieber Engels!

Ich habe sehr viele Unruhe für Dich ausgestanden und war wirklich
erfreut, gestern einen Brief von Deiner Hand zu empfangen. Ich hatte
Dronke (der hier ist) an Deinen Schwager schreiben lassen, um Auskunft
zu erhalten. Der wußte natürlich nichts. Meine ganze Familie ist hier.
Die Regierung hat mich nach Morbihan, den Pontinischen Sümpfen der
Bretagne, ausweisen wollen. Bisher habe ich die Exekution verhindert.
Soll ich Dir aber näher sowohl über meine Verhältnisse hier als über die
allgemeinen schreiben, so mußt Du mir eine sicherere Adresse schicken,
denn hier ist’s nicht sehr geheuer.

Du hast jetzt die schönste Gelegenheit, eine Geschichte oder ein
Pamphlet über die badisch-pfälzische Revolution zu schreiben. Ohne Deine
Teilnahme an dem Kriege selbst hätten wir mit unseren Ansichten über
diesen Ulk nicht hervortreten können. Du kannst dabei die Stellung der
Neuen Rheinischen Zeitung zur Demokratischen Partei überhaupt glänzend
herausbeißen. Ich bin überzeugt, daß die Sache ziehen und Dir Geld
einbringen wird.

Ich habe Unterhandlungen eingeleitet, um eine politisch-ökonomische
Zeit(Monats-)schrift zu Berlin zustande zu bringen, die hauptsächlich
von uns beiden geschrieben werden müßte.

Lupus ist auch in der Schweiz, ich glaube in Bern. Weerth war gestern
hier, er etabliert eine Agentur in Liverpool. Der rote Wolff wohnt hier
bei mir. Die finanziellen Verhältnisse sind natürlich sehr zerrüttet.

Freiligrath ist nach wie vor in Köln. Wäre meine Frau nicht in einem
_état par trop intéressant_,[1] so würde ich Paris gern, sobald es
pekuniär möglich, verlassen.

Leb wohl. Grüße Weerth bestens und schreibe umgehend unter der Adresse:
M. Ramboz, Rue de Lille 45.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Etwas zu interessanter Zustand [das heißt hochschwanger].


                                   41

                                               Paris, 17. August 1849.

Lieber Engels!

Ich weiß nicht, ob Du meinen ersten Brief – Antwort auf Deinen ersten,
meiner Frau zugeschickten Brief – richtig erhalten, da Deine Adresse
sehr unbestimmt war. Ich hätte Dir auch auf den zweiten schon
geantwortet, wenn nicht meine ganze hier anwesende Familie krank und ich
so behindert gewesen wäre. Ich wiederhole Dir noch einmal, welche Angst
ich und meine Frau Deinetwegen ausgestanden, und wie freudig wir
überrascht waren, sichere Nachricht von Dir zu erhalten.

Aus dem Datum ersiehst Du, daß das Ministerium des Innern auf meine
Reklamation mich einstweilen ungeschoren in Paris gelassen. Das
Departement Morbihan, das man mir angewiesen, ist in dieser Jahreszeit
tödlich – die Pontinischen Sümpfe der Bretagne. Über die Affäre vom 13.
Juni Schriftliches mitzuteilen, wäre in diesem Augenblick unvorsichtig.
Ich glaube nicht, ich weiß wenigstens nicht, ob das Briefgeheimnis
respektiert wird.

Den allgemeinen Zustand hier kann ich Dir mit zwei Worten schildern:
Dekomposition der Majorität in ihre ursprünglichen, einander
feindseligen Elemente, Bonapartismus für immer kompromittiert, Malice
unter den Bauern wegen der Beibehaltung der 75 Centimes, die Weinbauern
wütend über die angedrohte Beibehaltung der Getränkesteuer, in der
öffentlichen Meinung der Windzug schon wieder antireaktionär, in der
prorogierten Kammer und im Ministerium die Reaktion ausschließlich
werdend und mit der Beseitigung der Barrot-Dufaureschen Clique aus dem
Kabinett beschäftigt. Sobald dies Faktum eintritt, kannst Du auf eine
baldige revolutionäre Resurrektion [neue Erhebung] hoffen.

Ich weiß nicht, ob Du in der Schweiz Gelegenheit hast, die englische
Bewegung zu verfolgen. Die Engländer haben sie genau bei dem Punkte
wieder aufgenommen, wo sie durch die Februarrevolution unterbrochen
wurde. Die Friedenspartei ist, wie Du weißt, nichts anderes als eine
neue Verkleidung der Freetradepartei. Aber diesmal agiert die
industrielle Bourgeoisie noch revolutionärer wie in der
Anti-Cornleague-agitation. Zweierlei: 1. Die im Innern durch die
Abschaffung der Korngesetze und der Navigationsakte an der Wurzel
gefaßte Aristokratie soll auch in ihrer auswärtigen Politik, in ihrer
europäischen Verzweigung, ruiniert werden. Umkehrung der Politik Pitts.
Antirussisch-österreichisch-preußisch, mit einem Worte für Italien und
Ungarn. Cobden hat förmlich mit dem Banne die Bankiers bedroht, die
Rußland pumpen würden, einen wahren Feldzug gegen die russischen
Finanzen eröffnet. 2. Allgemeine Stimmrechts-Agitation, um die Tenants
[Pächter] ganz von dem Grundadel politisch zu trennen, den Städten
absolute Majorität zu geben im Parlament, das Oberhaus zu nullifizieren.
Finanzreform, um Kirche und politische Revenue des Adels abzuschneiden.

In beiden Agitationen Chartisten und Freetrader vereinigt. Harney und
Palmerston scheinbar befreundet. In dem letzten in London gehaltenen
Meeting O’Connor und Kolonel Thompson eine Seele.

Dieser ökonomische Feldzug gegen Feudalismus und heilige Allianz von
unberechenbaren Folgen.

Ungarn famos. Aber dies lausige Preußen? _Qu’en dis-tu?_[1] Die blassen
Canaillen werden jetzt fettgefüttert in Sachsen, Baden, der Pfalz. Wenn
sie den Österreichern eine Armee zur Hilfe schicken, geschieht es so,
daß sie selbst in Böhmen bleiben und sich da auffüttern lassen. Aber das
elende Preußen – ich fürchte nur, daß es zu feig ist – _perdu_,[2]
sobald es an der ungarischen Affäre, die jedenfalls in einen _guerre
universelle_[3] aufgeht, sich beteiligt.

Meine Adresse: Monsieur Ramboz, 45 Rue de Lille.

                                                       _Salut!_ Ch. M.

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   [1] Was sagst Du dazu?

   [2] Verloren.

   [3] Weltkrieg.


                                   42

                                             [Paris], 23. August 1849.

Lieber Engels!

Ich bin nach dem Departement Morbihan verwiesen, den Pontinischen
Sümpfen der Bretagne. Du begreifst, daß ich auf diesen verkleideten
Mordversuch nicht eingehe. Ich verlasse also Frankreich.

Nach der Schweiz gibt man mir keinen Paß, ich muß also nach London, und
zwar morgen. Die Schweiz wird ohnehin bald hermetisch verschlossen sein,
und die Mäuse mit einem Schlage würden gefangen sein.

Außerdem: In London habe ich _positive_ Aussicht, ein deutsches Journal
zu stiften. Ein Teil der Gelder ist mir _sicher_.[1]

Du also mußt sofort nach London. Zudem erheischt es Deine Sicherheit.
Die Preußen würden Dich doppelt erschießen: 1. wegen Baden, 2. wegen
Elberfeld. Und was sollst Du in der Schweiz, wo Du nichts tun kannst? Du
hast keine Schwierigkeit, nach London zu kommen, sei es unter dem Namen
Engels, sei es unter dem Namen Meyer. Sobald Du erklärst, nach England
zu wollen, erhältst Du einen Zwangspaß bis London von der französischen
Gesandtschaft.

Ich rechne _positiv_ darauf. Du _kannst_ nicht in der Schweiz bleiben.

Meine Frau bleibt einstweilen hier. Du schreibst an sie immer unter
derselben Adresse: 45 Rue de Lille, M. Ramboz.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Von Januar 1850 ab erschien dies Journal als Revue der Neuen
   Rheinischen Zeitung.



                           Zweiter Abschnitt
       Das Londoner Exil bis zur Auflösung des Kommunistenbundes
                             1850 bis 1853


                             Vorbemerkung.

Der Herbst 1849 sah Marx und Engels in London vereint. Marx war im
August 1849, unmittelbar nach seiner Ausweisung aus Paris, nach London
übersiedelt, Engels, der nach Niederwerfung des badisch-pfälzischen
Aufstandes sich einige Monate in der Schweiz aufgehalten hatte, kam im
Herbst über Genua zur See nach England. Im Verein mit Gesinnungsgenossen
reorganisierten Marx und Engels nun den Bund der Kommunisten mit der
Zentralbehörde in London und bildeten ferner mit Heinrich Bauer, Karl
Pfänder und August Willich ein Flüchtlingskomitee, das sich die
Aufbringung von Mitteln zur Unterstützung der immer zahlreicher Englands
Hauptstadt aufsuchenden Flüchtlinge zur Aufgabe stellte und nach
Möglichkeit ihnen Beschäftigung zu verschaffen suchte. Es war dies eine
überaus viel Zeit und Mühen in Anspruch nehmende, mit Widrigkeiten aller
Art verbundene Tätigkeit. Die einlaufenden Beiträge blieben weit hinter
den Erfordernissen zurück, und bei der erregten Gemütsverfassung der
Flüchtlinge gab es viel Unzufriedenheit und Reibereien. Die letzteren
wurden verschärft durch politische Streitigkeiten und Gegensätze. Die
Zerfahrenheit des erst im Entstehen begriffenen deutschen Parteiwesens,
die einen so wesentlichen Anteil an der Wiederherstellung der
Fürstengewalt gehabt hatte, fand ein Widerspiel in der Flüchtlingsschaft
und mußte, weil der Rahmen ein viel engerer und die Gemüter hier viel
intensiver auf die Politik gerichtet waren, zu um so heftigeren
Zusammenstößen führen.

Zur literarischen Vertretung ihrer Anschauungen wurde von Marx und
Engels die Zeitschrift „Neue Rheinische Zeitung, politisch-ökonomische
Revue“, ins Leben gerufen, die Anfang 1850 in London und Hamburg
herauskam und in der sie eine Reihe überaus wertvoller Aufsätze
veröffentlichten, die aber nicht hinreichenden Absatz fand, um sich
halten zu können. Die mutigen, opferwilligeren Anhänger der radikalen
Demokratie waren meist ruiniert oder ins Ausland getrieben, diejenigen
aber, die nur von der Strömung mitgerissen worden waren oder bloß die
Radikalen hatten spielen wollen, suchten nun vor allem ihre Haut zu
sichern. Andere ließen sich wohl die Revue kommen, vergaßen aber das
Bezahlen, und mit dem Eintreiben der Abonnementsgelder war es angesichts
der brutal dazwischenfahrenden Reaktion und der noch sehr mangelhaften
und teuren Posteinrichtungen schlimm bestellt. Schon nach dem vierten
Hefte, das im April 1850 herauskam, hörte die Revue auf, in Monatsfolge
zu erscheinen, ein im November 1850 noch veröffentlichtes Doppelheft
ward ihre letzte Nummer. In ihr gaben Marx und Engels zugleich der Idee
den Abschied, daß die Revolution in kürzerer Zeit von neuem ausbrechen
werde. Erst wenn die mittlerweile eingetretene Geschäftsprosperität
einer neuen Krise Platz gemacht habe, schrieben sie, werde die
Revolution sich – dann aber auch mit Sicherheit wieder einstellen. Man
wird aus den Briefen ersehen, daß immerhin selbst Marx-Engels die
Periode des „plumpen Zwischenspiels“ sich kürzer vorstellten, als sie in
Wirklichkeit dauern sollte, und daraus manches in ihrem damaligen
Verhalten erklärt finden.

Indes hatte schon die Erkenntnis, daß der Wiederausbruch der Revolution
nicht vom bloßen Willen der Revolutionspartei abhänge, im Verein mit
Zwistigkeiten über taktische Fragen untergeordneter Natur, über
Personenfragen und ähnliches genügt, Marx-Engels und einen kleinen Kreis
von Anhängern in Gegensatz zur großen Mehrheit der Londoner
Flüchtlingsschaft zu bringen. Von Anfang an hatten Marx-Engels die Idee
eines die ganze Londoner Emigration umfassenden Flüchtlingskomitees von
sich abgewiesen und bekämpft. Sie hatten sogar noch schroffer gegen die
kleinbürgerlich-sozialistischen Radikaldemokraten als gegen die im
wesentlichen nur liberalen Oppositionsleute vom Schlage der Lothar
Bucher und Genossen Stellung genommen, in den ersteren gefährlichere
Gegner der aufkommenden Arbeiterpartei bekämpft als in den letzteren,
eine Politik, die in dem von ihnen verfaßten Rundschreiben der
Zentralbehörde des Kommunistenbundes vom März 1850 näher entwickelt ist.
Wenn sie dabei manche Persönlichkeiten irrig beurteilt haben und in
bezug auf die Kritik politischer Reformen teilweise von Auffassungen
ausgingen, die sie später selbst berichtigt haben, so waren jedoch ihre
Warnungen vor den verschwommenen sozialistischen Phrasen, mit denen die
Radikaldemokraten um sich warfen, grundsätzlich gewiß am Platze. Ebenso
war die scharfe Kritik, die Marx-Engels im Aprilheft 1850 der Revue Neue
Rheinische Zeitung an der Verteidigungsrede übten, die der im badischen
Feldzug gefangen genommene Gottfried Kinkel vor dem Rastatter
Kriegsgericht gehalten hatte, sachlich durchaus berechtigt. Die Rede
enthielt Stellen, die ein Mann von Überzeugung niemals hätte äußern
dürfen, ein Mann von festem Charakter nicht hätte äußern können.
Immerhin wäre angesichts der Tatsache, daß Kinkel von Friedrich Wilhelm
IV., nach der Absicht dieses rachsüchtigen Monarchen „von Gottes
Gnaden“, auf lebenslänglich ins Zuchthaus gesteckt worden war, während
das Kriegsgericht nur auf Festung erkannt hatte, die Kritik seiner Rede
in der Form vielleicht etwas weniger heftig ausgefallen, wenn nicht
Kinkel, mittlerweile der Heros des radikalisierenden Kleinbürgertums
geworden, seine Jammerrede obendrein noch einem Organ dieser Richtung
zur Veröffentlichung hätte übergeben lassen. Auch ist der Artikel noch
in der Auffassung geschrieben, daß die Revolution in Kürze sich von
neuem erheben werde, was für Kinkel ohnehin die Befreiung geheißen
hätte. Er ist im Hinblick auf diese Annahme zu beurteilen.

Seine nächste Wirkung war jedoch ein Sturm der Entrüstung in den Reihen
der Radikaldemokraten gegen seine Verfasser, die auch von einem Teile
der Mitglieder des Kommunistenbundes und selbst von Mitgliedern der
Zentralbehörde des Bundes geteilt wurde. Insbesondere scheint August
Willich starken Anstoß an dem Artikel genommen zu haben, wie denn
Willich, nachdem der von Karl Schurz befreite Kinkel im November 1850
nach London gekommen war, auf längere Zeit dessen Kollege in der Leitung
des Komitees für die Vorbereitung der erwarteten neuen Revolution wird.
Auf Willich-Kinkel und ihre Unternehmungen bezieht sich ein großer Teil
des Briefwechsels zwischen Marx und Engels aus den Jahren 1850/51 und
1852, und die Sprache, die in bezug auf jene beiden dort geführt wird,
kann geringschätziger kaum gedacht werden. Indes hat, was Willich
anbetrifft, Marx später wiederholt Gelegenheit genommen, dessen
Tüchtigkeit in seinem eigentlichen Beruf, als Militär, ausdrücklich
anzuerkennen, und aus der Denkweise seines Berufs werden wir Willichs
Irrtümer und Mißgriffe uns zu erklären haben. Er war der radikale
Offizier des Vormärz gewesen, durch die Revolution, in der er sich mutig
und als umsichtiger Truppenführer gezeigt hatte, aus seiner Sphäre
geworfen, und konnte sich nun schwer in die neue politische Situation
hineindenken, nur schwer begreifen, daß die Revolution die Geister in
Deutschland anders zurückgelassen hatte, als sie sie in den Märztagen
vorgefunden. Daß er politisch ein unkritischer Kopf war, hebt Engels
schon in dem Briefe vom 29. Juli 1849 hervor, wo er sonst so
freundschaftlich von ihm spricht. Er charakterisiert ihn dort als
Gefühlssozialisten, der der Auffassungsweise nach in die Kategorie der
sogenannten wahren Sozialisten gehöre, und so war es im Grunde fast eine
innere Notwendigkeit, daß Willich bei der ersten Gelegenheit sich wieder
von Marx-Engels trennen und der breiten Allerweltsdemokratie zuwenden
sollte. Daß er obendrein noch etwas spießbürgerlich sentimental war, zur
Anstandsdame neigte und dann doch den kleinen Menschlichkeiten seinen
Tribut abstattete, wird man nachträglich nicht allzu pharisäisch
beurteilen. Aber man wird darum nicht minder vergessen, daß in der
eingeengten Welt, in der sich das Leben der Flüchtlinge abspielte, wo
Zwischenträgerei hinüber und herüber lief, sich manches davon sehr
unangenehm empfindbar machte und darin den bitteren Hohn erklärt finden,
mit dem Marx in seinen Briefen an Engels den Gegensatz von Phrase und
Wirklicher bei Willich schildert.

Kinkel hatte die Hauptfehler Willichs in verstärktem Maße. Er war, was
man eine theatralische Natur nennt, ein Exemplar jener Gattung Menschen,
die sich so lange am Klange tönender Deklamationen berauschen, bis ihnen
die Deklamation zur Natur geworden ist. Damit ist dann schon von selbst
gegeben, daß sie, wenn das Reden über sie kommt, gewöhnlich mehr sagen,
als sie sagen wollten. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß selbst in
seiner Rastatter Verteidigungsrede Kinkel so das Opfer seiner von ihm
sehr hoch eingeschätzten Rhetorik geworden war. Seine ganze politische
Laufbahn ist ein wiederholtes überschlagen nach der einen oder anderen
Seite. Freiligrath hat das zu einer Zeit, wo er wieder mit Kinkel
verkehrte, in einem Briefe an Arnold Ruge etwas malitiös, aber
zutreffend mit den Worten geschildert: „Der Treffliche kann nicht anders
als auf Stelzen gehen, auch wenn er schreibt. Und daher sieht man dann
seine Plattfüße erst recht.“ Das war im Jahre 1866. In der Zeit, um die
es sich hier handelt, ging Kinkel auf ultrarevolutionären Stelzen, ohne
dabei den platten Biedermann einer kleinen deutschen Universität
verleugnen zu können, der nie seine materiellen Interessen vergißt. Das
mußte in noch viel höherem Maße den Spott herausfordern, noch viel mehr
reizen, so daß auch Revolutionäre und Flüchtlinge, die durchaus nicht
auf Marx’ Seite standen, sich schließlich von Kinkel lossagten. Mit
diesen Fehlern verträgt sich natürlich recht gut eine gewisse Bonhommie,
und anerkannt soll werden, daß Kinkel nach Beendigung seiner überschläge
sich gewöhnlich immer wieder mit leidlichem Anstand im Lager der
kämpfenden Demokratie einstellte und am Abend seines Lebens mit der
sozialdemokratischen Arbeiterbewegung Fühlung hielt. Es machte auf den
Schreiber dieses einen etwas komischen Eindruck, hatte aber doch
auch sein Versöhnendes, wenn in den schlimmsten Tagen des
Sozialistengesetztes der alte gefeierte Demokrat den jungen unbekannten
deutschen Sozialdemokraten in Zürich in seiner pastosen Manier auf der
Straße laut anredete: „Nun, lieber Herr Bernstein, was machen _unsere
Genossen_ im Reiche?“

Eine wesentlich geschlossenere Natur als der rheinische Lyriker Kinkel
war der pommerische Philosoph Arnold Ruge, der im Sommer 1849 als
Emigrant nach England gekommen war und in der Flüchtlingsschaft
ebenfalls eine Rolle spielte. Die von ihm 1848 in Leipzig ins Leben
gerufene und dann nach Berlin verlegte Reform war eine der besten
demokratischen Tageszeitungen Berlins gewesen, und in der Zeit, von der
dieser und die nächsten Abschnitte handeln, hat Ruge den Mächten des
Tages keine Zugeständnisse gemacht. Dagegen hat er dem Kitzel nicht
widerstehen können, mit Gleichgesinnten selbst eine Macht spielen zu
wollen, ohne mehr hinter sich zu haben als Phantasieregimenter. Mit
Ledru-Rollin, Mazzini und etlichen anderen bildete er einen
„Zentralausschuß der europäischen Demokratie“, der die Welt von Zeit zu
Zeit mit Revolutionsmanifesten und ähnlichen Kundgebungen beschenkte,
die für kein Land mehr bloße Kuriosa waren als gerade für Deutschland.
Dabei gab es jedoch zwischen ihm nebst Gesinnungsfreunden und
Kinkel-Willich mit ihrem Anhang allerhand Rivalitäten und zeitweise
heftige Kämpfe, die literarisch vorwiegend in der deutschen Presse der
Vereinigten Staaten ausgefochten wurden. Darüber und über die Vereine
der Streitenden geben die Briefe von Marx an Engels sehr ausführliche
Einzelheiten, wobei indes bemerkt werden muß, daß Marx auf Grund
mündlicher Berichterstattung von Parteifreunden schreibt, von denen
einige nicht über den Verdacht erhaben sind, gelegentlich stark
aufgetragen zu haben.

Nach der erfolgten Spaltung in der Zentralbehörde des Kommunistenbundes
und dem Austritt von Marx-Engels und ihrem Kreis aus dem Londoner
Kommunistischen Arbeiterbildungsverein zogen sich die beiden Freunde
selbst vollständig von der Agitation in London zurück. Engels hatte nach
dem Willen seines Vaters, der ihn möglichst weit vom heißen Boden der
Londoner Emigration zu wissen wünschte, eine Stelle in Kalkutta annehmen
sollen, sie aber entrüstet zurückgewiesen. Jetzt jedoch übersiedelte er
nach Manchester, um dort eine kaufmännische Stelle im Bureau der
Großspinnerei Ermen & Engels anzunehmen, zu deren Teilhabern sein Vater
gehörte. In welcher Absicht er es tat, geht aus seinen Briefen hervor.
Bei seiner fabelhaften Arbeitskraft wäre es dem ledigen, in der Blüte
seiner Jahre stehenden Manne nicht schwer gefallen, sich als
Schriftsteller sein Brot zu erwerben. Aber es war ihm Bedürfnis, so viel
als möglich Marx beistehen zu können, dessen materielle Lage sich immer
drückender gestaltete. Marx hatte sich, wie man unter anderem aus dem
Briefe seiner Frau an Joseph Weydemeyer vom 20. Mai 1851 (abgedruckt in
der Neuen Zeit, XXV, 2, S. 18 ff.) ersieht, durch Übernahme und Deckung
der Schulden der Neuen Rheinischen Zeitung des größten Teiles des
kleinen Vermögens entäußert, über das er verfügte, und saß, da die Revue
Neue Rheinische Zeitung nur Arbeit kostete, aber kaum ihre Kosten
einbrachte, bald mit Frau, drei unerwachsenen Kindern und der treuen
Helene Demuth ohne alle Barmittel in London da. Die Möbel und fast ihr
ganzes Silberzeug hatten Marx und Frau veräußert; was ihnen vom
letzteren verblieben, war ins Pfandhaus gewandert und hatte lange Zeit
für sie nur die Bedeutung, daß sie durch die Pflicht erneuter
Zinszahlung aus das geliehene Geld an es erinnert wurden. Aus der ersten
Wohnung, die sie in London genommen hatten (in Chelsea), wurden sie in
brutalster Weise exmittiert; die zweite war eine Interimswohnung, dicht
am Leicestersquare, und dann zieht die Familie nach Deanstreet im
Sohoviertel, wo sie sich in engen Räumen behelfen muß und auch für
diese oft die Miete fehlt. Die Versuche Marxens, sich durch
schriftstellerische Arbeit zu ernähren, begegnen allen möglichen
Schwierigkeiten. In Deutschland scheuen die Verleger ängstlich davor
zurück, größere Arbeiten von Marx in Verlag zu nehmen, und diejenigen
deutschen Zeitungen, die regelmäßig Korrespondenten zahlen können, sind
Marx verschlossen oder werden von ihm als Blätter betrachtet, mit denen
man sich nicht einläßt. Auch in den Vereinigten Staaten, wo es damals
eine radikale deutsche Presse gab, die mit den Revolutionären
sympathisierte, war gerade für Marx keines der größeren dieser Blätter
zugängig. Es wäre zudem in den Augen von Engels eine Sünde gewesen, wenn
ein Mann von der Bedeutung Marx’ sich für kleine Tagesschriftstellerei
hätte abarbeiten sollen, statt in erster Reihe wissenschaftlichen
Arbeiten nachzugeben. So veranlaßt er Marx, sich vor allem an die
Vorarbeiten für das große ökonomische Werk zu machen, das Marx damals
plante, und den unmittelbaren Broterwerb in zweite Linie zu stellen. Es
ist nicht nur der Freund, der dem Freunde hilft, es ist der
_Parteimann_, der der _Partei_ eine erste geistige Kraft erhalten und
dafür sorgen will, daß diese Kraft sich in der ihren Neigungen und den
Interessen der Partei dienlichsten Weise entfalten kann. Es spricht
alles dafür, daß unter solcher Begründung Engels seinem Freunde Marx
seine dauernde Hilfe angeboten und Marx sich entschlossen hat, sie
anzunehmen.

Er würde indes doch weniger auf sie haben zurückgreifen müssen, wenn ihn
nicht unter anderem immer wieder sehr bösartige Haut-, Darm- und
Lebererkrankungen heimgesucht hätten, die meist wochenlang ihn ganz oder
halb invalide machten. Ungemein viel Zeit nehmen ihm im Jahre 1852 die
Verhaftung der Kölner und anderer Mitglieder des Kommunistischen Bundes
und der gegen die Verhafteten eingeleitete Umsturzprozeß fort. In den
Bemühungen, für die Angeklagten Entlastungsmaterial herbeizuschaffen,
sieht er sich oft von Parteigenossen, die mehr Zeit und weniger zu
sorgen haben als er, nur ungenügend unterstützt, was ihm gelegentlich
recht bittere Reflexionen entlockt. Marx war eben nicht, wie die Kinder
im Märchen, ausschließlich von Engeln umschwebt, sondern hatte
Parteifreunde von recht verschiedenem Temperament und Charakter um sich;
die einen, darunter namentlich Wilhelm Wolff, tüchtig und zuverlässig –
echtes Gold mit nur wenig Schlacken –, andere aber wenig gefestete
Naturen, die ihm mehr zu schaffen machten, als sie etwa sein Leben
erleichterten. Marx hat zum Beispiel dem jung verstorbenen Konrad
Schramm im „Herr Vogt“ ein rühmendes Andenken als dem „Percy Heißsporn“
der Partei gesetzt. Aber in der ersten Zeit seines Londoner Exils hat
ihm dieser Hitzkopf durch leichtfertiges Handeln viel Ärger bereitet und
nutzlose Arbeit verursacht. Ähnlich Ernst Dronke und der Philologe
Wilhelm Pieper.

Auch der Verkehr mit den nahestehenden Chartistenführern Julian Harney
und Ernest Jones brachte allerhand Unangenehmes mit sich, viel Arbeit
und wenig Entschädigung. Meistens waren die beiden recht schlecht
aufeinander zu sprechen und griffen sich zeitweise sogar öffentlich auf
das feindseligste an, und dann war es auch mit ihrem politischen
Verhalten nicht immer nach Wunsch bestellt. Wir werden Harney in Phrasen
machen sehen, wie keiner der von Marx-Engels bekämpften „wahren
Sozialisten“ sie verschwommener formuliert hätte, und Jones –
unzweifelhaft der Bedeutendere der beiden – sehr geneigt, Kompromisse
irgendwelcher Art einzugehen, was sich wohl aus der schlimmen Lage des
im Niedergang begriffenen englischen Chartismus erklärte, aber durchaus
im Widerspruch stand mit der von Marx und Engels verfochtenen Haltung.
Und dabei hatten diese noch Jones wie Harney mit Beiträgen für deren
stets um Leben und Sterben ringende Blätter zu unterstützen. Auch das
gehört zum Lebensbild, worüber uns nun der Meinungsaustausch unter den
Freunden genauer unterrichtet.

Anfang August 1851 erhält Marx die Einladung des Charles A. Dana zur
Mitarbeit an der New York Tribune und damit endlich den Ausblick auf
einen auch geistig leidlich befriedigenden regelmäßigen
schriftstellerischen Erwerb. Da er sich in der englischen Sprache nicht
sicher fühlt, springt nun zunächst Friedrich Engels für ihn ein und
teilt dann noch lange die Arbeit mit Marx. Im übrigen werden wir sehen,
daß auch diese Verbindung für Marx mit allerhand Verdruß verbunden war,
daß der biedere Dana mit den Korrespondenzen von Marx in der
willkürlichsten Weise verfährt, sie nach Belieben verstümmelt, sie als
Artikel benutzt, aber nicht als solche honoriert, sie mit Zusätzen
ausstattet, die Marx’ Ansichten auf den Kopf stellen und was dergleichen
Annehmlichkeiten mehr sind, die einen Schriftsteller, der auf seinen
guten Namen hält, zur Verzweiflung bringen können. Immerhin war die
Tribune ein Blatt, das sich neben den besten der damaligen Zeit sehen
lassen konnte, und die Arbeit für sie bot Marx zu einer Zeit, wo ihm
alle sonstigen Wege dazu abgeschnitten waren, die Möglichkeit, als
Schriftsteller zu Zeitgenossen zu sprechen, und den Anlaß zu Studien,
die im Rahmen des Gebiets seiner wissenschaftlichen Hauptbeschäftigung
lagen und somit ihm auch geistige Genugtuung gewährten. Marx hat in der
Tribune sehr bedeutsame Beiträge zur allgemeinen Geschichte wie zur
Wirtschaftsgeschichte der neueren Zeit veröffentlicht.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs wurde die Mitarbeiterschaft an
der New York Tribune für Marx nicht das, was er zuerst von ihr erwartete
und mit gutem Grunde zu erwarten berechtigt war. Der Honorarsatz von 2
Pfund Sterling für den Brief oder Artikel war für einen Mann von der
Bedeutung eines Marx mäßig genug, aber er wurde dadurch noch sehr
wesentlich verringert, daß die Tribune Marx nicht die Beiträge oder
Artikel bezahlte, die er lieferte, sondern nur diejenigen, welche die
Redaktion abzudrucken für gut befand. Und da die Redaktion von dem ihr
zukommenden Rechte der Sichtung im Laufe der Zeit Marx gegenüber
zeitweise einen wahrhaft unanständigen Gebrauch machte, kam es vor, daß
Marx manchmal knapp den dritten Teil der Artikel bezahlt erhielt, die er
einsandte, und sein Honorar faktisch auf das unbedeutender Zeilenreißer
herabsank. So gern die Redaktion der Tribune mit den Artikeln prahlte,
die sie von Marx oder von Engels im Namen von Marx erhielt, hielt dies
sie nicht ab, Marx die Bitterkeiten des taglöhnernden Schriftstellers
gründlich auskosten zu lassen. Was Bezahlung nach dem Stücke heißt, hat
Marx in der schlimmsten Form an sich selbst erfahren und furchtbare
Wirklichkeit erhielten unter diesen Umständen immer wieder für ihn
Freiligraths Worte:

   Er auch ist ein Proletar,
   Ihm auch heißt es: darbe, borge!

Es wäre übermenschlich gewesen, wenn diese Nöte seine Gemütsstimmung
unberührt gelassen hätten.

Noch ein Wort über die Stellen in den Briefen, die sich auf den
Kleinkrieg in der Londoner Flüchtlingsschaft beziehen. Manche der darin
ausgedrückten Urteile geben nur den Eindruck der Stunde wieder. Gewiß
lauten sie selten erbaulich, die Geschichte aller Emigrationen ist eine
Geschichte des Widerspiels von Enttäuschungen und – um mit Marx zu
reden – der „Narrheiten, die aus den außerordentlichen Umständen
erwachsen, worin die Emigration sich plötzlich gestellt findet“. So
schrieb Marx 1860 im Herr Vogt. Und bei den scharfen Titeln, mit denen
er in den Briefen die Gegner in der Emigration bedenkt, bei der bitteren
Kritik, die er an ihrem Verhalten übt, darf der Leser nicht vergessen,
daß Marx, so wenig er geneigt war, sich mit Kinkel, Ruge, Willich usw.
wieder zusammenzutun, doch an der Stelle, wo er jenen Satz schrieb,
hinzufügte, daß ein Vergleich der Geschichte der 1848er deutschen
Emigration mit der gleichzeitigen Geschichte der Regierungen und der
bürgerlichen Gesellschaft als die glänzendste Verherrlichung der
Emigration wirken würde.

Es wird von diesem Abschnitt an Abstand davon genommen, den Briefen
Erläuterungen in bezug auf Einzelheiten vorauszuschicken, es würden
ihrer zu viele werden. Vielmehr wird bei den Lesern allgemeine Kenntnis
der Geschichte der 1848er Revolution und der deutschen Sozialdemokratie
vorausgesetzt. Informierende kurze Noten über Personen und Dinge, die
weniger bekannt geworden sind, findet der Leser im Register. Doch sind
auch sie auf das Nötigste beschränkt geblieben, was um so eher geschehen
konnte, als die Briefe meist einander ergänzen und so in ihrem Fortgang
zur Genüge erkennen lassen, um was es sich jedesmal handelt. Eine
Kommentierung der Briefe, die mehr geben wollte, müßte sich zu einer
ganzen Geschichte der theoretischen und unmittelbar praktischen Kämpfe
auswachsen, deren Mittelpunkt Marx-Engels bildeten. Das aber gehört
nicht in den Rahmen dieser Ausgabe. Noch weniger konnte es Sache der
Herausgeber sein, den überaus interessanten wissenschaftlichen Inhalt
der Briefe, die oft viele Seiten füllenden Auseinandersetzungen über
Fragen der Ökonomie, Geschichte, Naturwissenschaft usw. mit anderen als
orientierenden Noten zu begleiten. Wie die jeweiligen Äußerungen über
Personen, sind auch diese sachlichen Ausführungen nie schlechthin als
Endurteile ihrer Verfasser zu verstehen, sondern oft nur Merkmale ihrer
geistigen Entwicklung, Skizzen und Entwürfe aus der Werkstatt ihres
Schaffens.

Die Briefe dieses Abschnitts beginnen mit zwei Schreiben von Marx an
Engels aus dem November 1850, die den Leser gleich in die Atmosphäre
einführen, die in dieser Epoche auf Marx und den Seinen lastet. Sie
handeln vom plötzlichen Tode eines Söhnchens, der die Familie schwer
trifft und den Marx und Frau – sicher nicht mit Unrecht – auf die
bürgerliche Notlage zurückführen, in der das Londoner Exil sie sieht.
Die Bezeichnung „Pulververschwörer Föxchen“ bezieht sich darauf, daß der
Knabe den Vornamen Guido mit dem Verschwörer Fawkes gemein hatte, der im
Jahre 1605 das englische Parlament in die Luft zu sprengen unternahm.
Von den Gesinnungsgenossen in London steht keiner der Familie so nahe
wie der soeben nach Manchester übersiedelte Engels, auch sind sie, wenn
nicht von Hause aus Proletarier, doch in der Lage von solchen, Not und
schwere Kämpfe ums Dasein überall, selbst bei den englischen
Gesinnungsfreunden. George Julian Harney ist von einer Verurteilung
wegen Umgehung des Zeitungsstempels bedroht, die sein Wochenblatt, den
Roten Republikaner – _Red Republican_ – dem Tode widmen und ihn auf
unberechenbare Jahre ins Gefängnis bringen kann. Der Prozeß der
treugebliebenen Arbeiter Heinrich Bauer und Karl Pfänder, von dem Marx
schreibt, scheint finanzielle Auseinandersetzungen mit der Fraktion
Willich-Schapper zur Grundlage gehabt haben. Wir sind noch mitten in den
Kämpfen der zwei ehemaligen Flügel des Kommunistenbundes miteinander. Es
sind seit dem vollzogenen Bruch nur erst wenige Wochen verstrichen, die
gegenseitige Erbitterung beherrscht die Geister noch in voller Stärke.
Dazu Taktlosigkeiten des jungen Konrad Schramm, der eben erst das Duell
mit Willich gehabt hat und doch, wie aus dem nun folgenden Antwortbrief
von Engels hervorgeht, im gegnerischen Lager Beziehungen unterhält. Nach
diesem Brief zu schließen, gehörte ein Bruder Schramms der Gegenpartei
an. Ein anderer Umgang Schramms, der Marx verdroß, war der mit dem
Literat Sebastian Seiler, dem wir vor 1848 abwechselnd in Paris und
Brüssel begegnet waren. Der Bamberger, an den Marx sich gelegentlich
wegen Diskontierung von Wechseln wendet, war Finanzagent des famosen
Ex-Herzogs Karl von Braunschweig, dem, ähnlich wie es gewissen
Mitgliedern der Schwarzbrüderzunft ergeht, aus der Art, wie er sich bei
seiner Verjagung aus Braunschweig die Krondiamanten „gerettet“ hatte,
der Beiname Diamanten-Karl erwachsen war. Bamberger war indes nicht der
Mann, für sich aus dem Herzog viel Geld herauszuschlagen; für einen
Finanzmensch großen Stils war er zu stark von des Gedankens Blässe
angekränkelt. In Artikeln des Marx feindlichen Literatentums der 50er
und 60er Jahre stößt man unter anderem auch auf die Verdächtigung, daß
Marx dem Diamanten-Karl politische Dienste geleistet und Bamberger den
Vermittler dabei gemacht habe. Wenn es noch nötig wäre, so würden diese
Briefe zeigen, wie sehr diese Verdächtigung selbst der scheinbaren
Unterlage entbehrte.

Ein besonderes Interesse darf der Brief von Marx an Engels beanspruchen,
der das Datum des 2. September 1853 trägt. Er reinigt Marx von einem
Verdacht, der wiederholt und auch in jüngster Zeit wieder gegen ihn
ausgestreut worden ist. Anhänger und Verehrer Michael Bakunins
beschuldigen Marx, Bakunin gegenüber unehrliches Spiel getrieben zu
haben, als er ihm im Jahre 1864 erklärte, an der im vorgenannten Brief
behandelten Verdächtigung Bakunins als Regierungsagent durchaus
unbeteiligt gewesen zu sein. Der Brief beweist, daß Marx in der Tat
jener Anschuldigung durchaus fern stand. Wir erfahren ferner aus ihm,
daß die im Jahre 1848 von der Neuen Rheinischen Zeitung gebrachte
Meldung, Georges Sand habe Briefe, welche bewiesen, daß Bakunin Agent
der russischen Regierung geworden sei, der Zeitung, außer von der
Korrespondenz Havas, von Hermann _Ewerbeck_ zur Veröffentlichung
übersandt worden war, der zwar deutscher Sozialist, aber kein Mitglied
des Kreises der engeren Freunde von Marx war. Spätere Briefe, so
namentlich der Brief von Engels an Marx vom 27. November 1861 über
Bakunins Flucht und der von Marx an Engels vom 4. November 1864 über des
ersteren Zusammentreffen mit Bakunin, beweisen überzeugend, daß die
beiden Freunde diesem bis zu der Zeit durchaus wohlgesinnt
gegenüberstanden, wo Bakunin in der Internationale als Gegner des
Londoner Generalrats auftrat. Den Urheber der Beschuldigung, von der der
Brief vom 2. September 1853 handelt, nennt Marx im Brief an Engels vom
22. April 1854 „einen sehr stupiden Urquhartiten“. Der Mann hieß auch
Marx, aber nicht Karl sondern Franz oder vielmehr _Francis_, denn er war
Engländer, der mit Karl Marx nichts als den Familiennamen gemein hatte.
Näheres über ihn findet man in N. Rjasanoffs Aufsatz Marx als Verleumder
(Neue Zeit, XXIX, 1, S. 278 ff.).

Alles weitere aus den Briefen selbst. Wie im ersten Abschnitt, wechseln
auch weiterhin Briefe von Marx an Engels und solche von Engels an Marx
immer wieder der Zeitfolge nach einander ab. Einige dem Briefwechsel
beigelegte Briefe von Frau Marx an Engels und von Engels an Frau Marx
werden selbstverständlich wie Briefe von oder an Marx behandelt.


                             1850 bis 1853


                                  1850


                                   43

                                            London, 19. November 1850.

Lieber Engels!

Ich schreibe Dir nur zwei Zeilen. Heute morgen um 10 Uhr ist unser
kleiner Pulververschwörer Föxchen _gestorben_. Plötzlich, durch einen
der Krämpfe, die er oft gehabt hatte. Einige Minuten vorher lachte und
schäkerte er noch. Die Sache kam ganz unverhofft. Du kannst Dir denken,
wie es hier aussieht. Durch Deine Abwesenheit sind wir gerade in diesem
Moment sehr vereinsamt.

In meinem nächsten Briefe werde ich Dir einiges über Harney schreiben,
woraus Du sehen wirst, in welcher fatalen Lage er sich befindet.

                                                         Dein K. Marx.

Wenn Du gerade in der Stimmung bist, schreibe einige Zeilen an meine
Frau. Sie ist ganz außer sich.


                                   44

                                            London, 23. November 1850.

Lieber Engels!

Dein Brief hat meiner Frau sehr wohlgetan. Sie befindet sich in einer
wirklich gefährlichen Aufgeregtheit und Angegriffenheit. Sie hatte das
Kind selbst gestillt und unter den schwierigsten Verhältnissen mit den
größten Opfern sich seine Existenz erkauft. Dazu der Gedanke, daß das
arme Kind ein Opfer der bürgerlichen Misere gewesen ist. – – –

Jones hat mir die eigentliche Lage Harneys auseinandergesetzt. Er ist
_sous le coup de la justice_.[1] Sein Blatt mußte dem ganzen Inhalt nach
gestempelt sein. Die Regierung wartet nur eine große Verbreitung ab, um
ihn zu fassen. Der Prozeß gegen Dickens ist bloß als Präzedenz gegen ihn
eingeleitet. Wird er dann gefaßt, so kann er außer der eigentlichen
Strafe zwanzig Jahre sitzen für die Unmöglichkeit, die _security_[2]
aufzubringen.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Unter dem Henkerbeil der Gerichte.

   [2] Kaution.


                                   45

                                      [Manchester], 25. November 1850.

Lieber Marx!

Ich schreibe Dir heute, bloß um Dir anzuzeigen, daß es mir leider heute
noch unmöglich ist, Dir die in meinem Letzten auf heute versprochenen 2
Pfund Sterling zu schicken. Ermen ist auf ein paar Tage verreist, und da
kein Prokurist beim Bankier beglaubigt ist, so können wir keine
Anweisungen ausstellen und müssen uns mit den paar kleinen Einzahlungen
begnügen, die gelegentlich einkommen. Es sind im ganzen nur zirka 4
Pfund in der Kasse, und Du begreifst daher, daß ich etwas warten muß.
Sobald Ermen zurückkommt, werde ich Dir das Geld sogleich schicken. Die
erste Anweisung ist hoffentlich richtig eingegangen.

Die Geschichte mit Harney ist allerdings höchst fatal. Wenn sie ihn
einmal fassen wollen, hilft auch das Namenändern des Blattes nichts.
Ganz aufgeben kann er’s auch nicht, und wenn _dies_ Blatt unter die
Kategorie der Stempelpflichtigen fällt, so weiß ich nicht, wie es
überhaupt möglich ist, ein ungestempeltes politisches Wochenblatt
herauszugeben. Allerdings täte er besser, seinen _Labour Record_[1] von
der achten Seite wegzulassen, das ist _News_ [Nachricht] und
unzweifelhaft stempelpflichtig. Aber nach dem, was Du schreibst, scheint
auch der Inhalt seiner räsonnierenden Artikel, in Jones Meinung, dem
Stempel zu verfallen. Und da hört alles auf.

Hoffentlich geht es Deiner Frau besser. Grüße sie und Deine ganze
Familie herzlich von Deinem

                                                                 F. E.

Im Lauf der Woche werde ich Deiner Frau eine Sendung von _Cotton
thread_[2] zugehen lassen, von der ich hoffe, daß sie ihr gefallen wird.

----------

   [1] Chronik der Arbeiterbewegung.

   [2] Baumwollnähgarn.


                                   46

                        69 Deanstreet, Soho, London, 2. Dezember 1850.

Lieber Engels!

Ich war einige Tage ernstlich unwohl und so erhältst Du diesen Brief
nebst Anzeige von dem Empfang der beiden Post Office Ordres später, als
mein Wunsch war. Dem Seiler habe ich die 7-1/2 Schilling zukommen
lassen. Was die [Nummern der] Indépendance betrifft, so schulden wir
beide ihm einstweilen nichts, da er, zu gelegener Zeit, sich von seinem
Wirte hat herauswerfen lassen und ihm als Kompensation für die 10 Pfund,
die er ihm schuldet, nichts hinterlassen hat als die unbezahlte
Indépendance, für 18 Pence Mobiliareigentum und zwei oder drei Bücher,
die er von mir und anderen geborgt hat. Er besitzt wirklich _in a high
degree_[1] das Talent, auf amerikanische Weise den Überschuß seiner
Ausgaben über seine Einnahmen zu liquidieren.

Von unserer Revue habe ich noch nichts gesehen und gehört. Ich stehe mit
Köln in Unterhandlung wegen Herausgabe der Quartalschrift.

Teils aus Unwohlsein, teils aus Absicht komme ich in den _Pulteney
stores_ mit den anderen nur noch an den offiziellen Tagen zusammen. Da
die Herren so viel debattiert haben, ob diese Gesellschaft ennuyant ist
oder nicht, überlasse ich es natürlich ihnen selbst, über die Komforts
ihrer Unterhaltung sich wechselseitig zu verständigen. Mich aber mache
ich rar. Wir haben beide die Erfahrung gemacht, daß man bei diesen
Leuten in demselben Maße im Werte sinkt, als man sich ihnen liberal
zuführt. Zudem bin ich sie müde und will meine Zeit möglichst produktiv
ausnutzen. Freund Schramm, der seit mehreren Wochen den Malkontenten
spielte und sich endlich überzeugt hat, wie man durchaus nicht geneigt
ist, dem natürlichen Laufe seiner Gemütsstimmungen Hindernisse in
den Weg zu legen, eignet sich nach und nach den mit dem
_Model-Lodging-house_[2] verträglichen Humor wieder an.

Unterdessen haben die großen Männer der Great Windmillstreet[3] einen
Triumph erlebt, wie folgt [wir geben das von Marx im französischen Texte
mitgeteilte Manifest gleich in Übersetzung. D. H.]:

   „An die Demokraten aller Nationen. Bürger! Verbannte Flüchtlinge in
   England und _schon allein dadurch_ besser placiert, um die
   politischen Bewegungen des Festlandes zu beurteilen, haben wir alle
   Kombinationen der koalierten Mächte verfolgen und tätig überwachen
   können, die sich auf eine neue Besetzung Frankreichs rüsten, wo
   (sehr scheene!) die Kosaken des Nordens von ihren Mitverschworenen
   erwartet werden, um (noch einmal: erwartet, _um_) in seinem eigenen
   Heim (die Geburtsstätte von Barthélemy und Pottier) den Vulkan der
   Weltrevolution auszulöschen. Die Könige und die Aristokraten Europas
   haben begriffen, daß es Zeit sei, Dämme aufzuführen, um die
   Volksflut (hieße besser die Volksversumpfung) aufzuhalten, welche
   ihre wankenden Throne zu verschlingen droht. – Zahlreiche, in
   Rußland, in Österreich, in Preußen, in Bayern, in Hannover, in
   Württemberg, in Sachsen, kurz in allen Staaten Deutschlands
   aufgebotene Truppen sind bereits vereinigt. (Truppen ... sind
   bereits vereinigt!) In Italien bedrohen 130 000 Mann die
   schweizerische Grenze. Der Vorarlberg ist von 80 000 Mann besetzt.
   Der Oberrhein ist mit 80 000 Mann, Württemberger, Badenser und
   Preußen, besetzt, der Main von 80 000 Bayern und Österreichern
   bewacht. Während 370 000 Mann die von uns bezeichneten Punkte
   besetzt halten, hat Preußen 200 000 Soldaten mobil gemacht, die es
   bereit hält (_sic!_), gegen die Grenzen Belgiens und Frankreichs
   geworfen zu werden; Holland und Belgien werden durch die Koalitionen
   gezwungen, die Einmarschierungsbewegung mit einer 150 000 Mann
   starken Armee zu unterstützen. In Böhmen stehen 150 000 Mann bereit
   und warten nur auf Order, um sich mit der Mainarmee zu vereinigen,
   die dann 230 000 Mann stark sein würde. Um Wien herum sind 80 000
   Mann konzentriert. 300 000 Russen lagern in Polen und 80 000 in der
   Umgebung St. Petersburgs. Diese Armeen bilden zusammen eine
   Heeresmacht von einer Million dreimalhunderttausend Kämpfern, die
   nur auf das Signal zum Angriff warten. Hinter jenen Truppen halten
   sich ferner bereit 180 000 Österreicher, 200 000 Preußen, 100 000
   von den Kleinstaaten Deutschlands gestellte Mannschaften und 120 000
   Russen, welche Armeen zusammen eine Reservetruppe bilden von 700 000
   Mann, ohne die unzählbaren (_sic!_) Horden von Barbaren, welche der
   moskowitische Attila hervorbrechen lassen würde, um sie wie einst
   (!) auf die europäische Zivilisation zu werfen. Deutsche Blätter
   (wird nämlich in einer Note ein ... Satz aus der Neuen Deutschen
   Zeitung zitiert, um Lüning günstig zu stimmen) und unsere _eigenen
   Ermittlungen lassen uns die geheimen Pläne der Mächte erkennen_,
   deren Bevollmächtigte am vergangenen 25. Oktober in Warschau
   versammelt waren. Es wurde in der (!) Konferenz _beschlossen_, daß
   ein Scheinkrieg (Teufel, was für Diplomatie!) zwischen Preußen und
   Österreich als ein Vorwand dienen solle für die Bewegung der
   Soldaten, die der _Wille_ des Zaren in blinde Werkzeuge und wilde
   Meuchelmörder gegen die Verteidiger der Freiheit verwandelt.
   (Bravo!) Im Angesicht dieser Tatsache ist kein Zweifel mehr möglich:
   man organisiert in diesem Augenblick die schon begonnene (!!)
   Niedermetzelung aller Republikaner. Die Tage des Juni 1848 mit ihren
   blutigen Hinrichtungen und den auf diese folgenden Ächtungen – die
   Verwüstung und Knechtung Ungarns durch Österreich –, die
   Auslieferung Italiens an den Papst und die Jesuiten nach der
   Erdrosselung der römischen Republik durch die Soldaten der
   französischen Regierung haben die Wut unserer Feinde nicht stillen
   können. Sie träumen von der Knechtung aller Völker, die für den
   Triumph der allgemeinen Freiheit kämpfen. Wenn die Demokratie nicht
   acht gibt, werden Polen, Ungarn, Deutschland, Italien und Frankreich
   bald wiederum dem Wüten der wilden Soldateska des Nikolas
   preisgegeben sein, der den Barbaren, um sie zum Kampfe anzustacheln,
   die Verwüstung und Ausplünderung Europas verspricht. – Gegenüber
   dieser Gefahr, die uns bedroht, auf, auf! ... französische,
   deutsche, italienische, polnische und ungarische Republikaner,
   erheben wir uns aus dieser Erstarrung (Pot Schapper und Willich!),
   die unsere Kräfte entnervt und unseren Unterdrücker den Sieg leicht
   macht. Auf! ... Lassen wir auf die Tage der Ruhe und jetzigen
   Schmach die Tage der Mühen und des Ruhmes folgen, die uns der
   heilige Krieg für die Freiheit vorbereitet! Wenn Ihr die Gefahren
   prüft, die wir Euch anzeigen, so werdet Ihr wie wir begreifen, daß
   es Wahnsinn wäre, länger den Angriff des gemeinsamen Feindes
   abzuwarten; wir müssen alles vorbereiten und der Gefahr, die uns
   umgibt, zuvorkommen. (Kommt einmal einer Gefahr zuvor, die Euch
   _umgibt_!) Bürger, Sozialdemokraten, unser Heil liegt nur bei uns
   selbst, wir dürfen nur auf unsere eigenen Kräfte rechnen, und aus
   den Beispielen der Vergangenheit belehrt, müssen wir uns gegen die
   Verrätereien im voraus waffnen. Vermeiden wir, vermeiden wir
   insbesondere die Falle, die uns von den Schlangen (!) der Diplomatie
   gestellt wird. Die Schüler der Metternich und Talleyrand sinnen in
   diesem Moment darauf, die Fackel der Revolution dadurch
   auszulöschen, daß sie Frankreich durch die Invasion, die sie
   vorbereiten, zu einem nationalen Kriege bewegen, in welchem die
   Völker zum Vorteil der Feinde ihrer Befreiung einander die Kehlen
   abschneiden würden! Nein, Bürger! Kein Nationalkrieg mehr! Die
   Schlagbäume, welche die Despoten zwischen den Nationen, die sie
   unter sich geteilt, errichtet hatten, werden fortan für uns
   niedergerissen sein, und die in eins verschmolzenen Völker haben nur
   noch eine Fahne, auf welche wir mit dem fruchtbaren Blut unserer
   Märtyrer geschrieben haben: ‚Universelle demokratische und soziale
   Republik!‘ Für ihre Vereine: Die Mitglieder des Komitees der
   geächteten französischen Sozialdemokraten in London: Adam
   (Combreur), Barthélemy (Emml), Caperon (Paulin), Favon, Gouté,
   Thierry, Vidil (Jules). Die Delegierten der ständigen Kommission der
   Sektion der polnischen Demokratie in London: Sawaszkiewicz,
   Waßkowski. Die Mitglieder des sozialdemokratischen Komitees
   deutscher Flüchtlinge und des Deutschen Arbeitervereins: Dietz
   (Oswald), Gebert (A.), Mayer (Adolf), Schärttner (A.), Schapper
   (Karl), Willich (August). Die Delegierten des Ungarischen
   Demokratischen Vereins in London: Molihary, Simonyi. London, den 16.
   November 1850.“

Als ich das Manifest [Ledru-]Rollin, Mazzini, Ruge usw. an die Deutschen
gelesen hatte, worin man sie auffordert, das Bardiet zu singen, [und]
sie erinnert, daß ihre Vorfahren „Franken“ hießen, und worin der König
von Preußen schon abgemacht hatte, sich von Österreich klopfen zu
lassen, glaubte ich, etwas Dümmeres sei unmöglich. _Mais non!_[4] Kommt
das Manifest Ganon Caperon Gouté, wie die Patrie es nennt, der _dii
minorum gentium_,[5] mit demselben Inhalt, wie sie richtig bemerkt, aber
ohne Chic, ohne Stil, mit den armseligsten Rednerblumen von
_serpents_[6] und _sicaires_[7] und _égorgements_![8] Die Indépendance
erzählt, indem sie einige Sätze aus diesem Meisterwerk mitteilt, es sei
von den _soldats _les plus obscurs_ de la Démocratie_[9] abgefaßt, und
diese armen Teufel hätten es ihrem Korrespondenten in London
zugeschickt, obgleich sie konservativ sei. So sehr sehnten sie sich nach
dem Drucke. Sie nennt zur Strafe _keinen_ Namen, wie die Patrie nur die
obigen drei nennt. Zur Erfüllung der Mission geben sie von hier einem
Straubinger (selbiges Subjekt hat die klägliche Geschichte gestern dem
Pfänder erzählt) 50 Exemplare nach Frankreich mit. Kurz vor Boulogne
schmeißt er 49 Stück ins Meer, in Boulogne wird Bruder Straubinger wegen
mangelnden Passes zurückgeschickt nach London und erzählt, „daß er jetzt
nach Boston gehe“.

Lebe wohl und schreibe umgehend

                                                          Deinem K. M.

Apropos. Schreibe doch einmal dem würdigen Dronke, daß er in
Bundesangelegenheiten antwortet und nicht nur im Falle von Tretbriefen
schreibt. Die Herren Kölner haben noch nichts hören lassen. Weydemeyer
nennt „Haude“, der sein ganzes Fell in Deutschland eingebüßt hat und
wieder hier ist, einen „sonst wackeren Burschen“.

Du mußt ernsthaft nachdenken, worüber Du schreiben willst. England geht
nicht, da schon zwei Themata darüber, vielleicht drei mit Eccarius. Über
Frankreich ist auch nicht viel zu sagen. Könntest Du nicht vielleicht,
an Mazzinis neueste Sachen anknüpfend, die biederen Italiener samt ihrer
Revolution einmal packen? (Sein „Republik und Monarchie usw.“ nebst
seiner „Religion, der Papst usw.“)

[Anschrift von Frau Marx.]

Lieber Engels!

Ihre freundliche Teilnahme an dem Schicksal, das uns in dem Verlust
unseres kleinen Lieblings, meines armen kleinen Schmerzenskindes, so
schwer getroffen, hat mir sehr wohlgetan, um so mehr, als ich mich in
den letzten schmerzlichen Tagen recht bitter über unseren Freund
S[chramm] zu beklagen hatte. Mein Mann und wir alle haben Sie sehr
vermißt und uns oft nach Ihnen gesehnt. Dennoch freue ich mich sehr, daß
Sie hier fort und auf dem besten Wege sind, ein großer _Cotton-lord_[10]
zu werden. Keilen Sie sich nur recht fest ein zwischen die zwei
feindlichen Brüder; dieser Kampf bringt Sie notwendig Ihrem verehrten
Herrn Papa gegenüber in die Position der Unentbehrlichkeit, und ich sehe
Sie schon im Geiste als Frederic Engels junior und Associé des Senior
figurieren. Das Beste dabei ist, daß Sie trotz _Cottontrade_[11] und
alledem der alte Fritze bleiben und sich, um mit den drei Erzdemokraten
Friedrich Wilhelm [dem Vierten], Kinkel und Mazzini zu reden, „der
heiligen Sache der Freiheit“ nicht entfremden werden .... Gestern abend
waren wir in der ersten Vorlesung von Ernest Jones über die päpstliche
Geschichte. Sein Vortrag war wunderschön und für die Engländer
avanciert; für uns Deutsche, die wir durch Hegel, Feuerbach usw.
Spießruten gelaufen sind, nicht ganz _à la hauteur_.[12] Der arme Harney
war lebensgefährlich krank an einem Geschwür an der Luftröhre. Er darf
noch nicht sprechen. Ein englischer Arzt hat zweimal geschnitten und die
wehe Stelle nicht getroffen. Sein Red [Republican][13] ist umgewandelt
in den Friend of the People.[14] Doch nun für heute genug. Die Kinder
plaudern sehr viel vom Onkel Angels, und der kleine Till singt ganz
famos nach Ihrer verehrten Instruktion, lieber Herr Engels, das Lied vom
„Knotenpelz und von dem flotten Besen“.

Weihnachten sehen wir Sie hoffentlich.

                                                      Ihre Jenny Marx.

----------

   [1] In hohem Grade.

   [2] Wörtlich: Muster-Logierhaus, tatsächlich Name erbärmlicher
   Mietkasernen.

   [3] In der Great Windmillstreet (Straße in London) befand sich der
   öffentliche, damals zu Willich-Schapper haltende kommunistische
   Arbeiterverein.

   [4] Aber nein!

   [5] Götter der niederen Gattung.

   [6] Schlangen.

   [7] Meuchelmörder.

   [8] Kehlabschneidereien.

   [9] Unbedeutendsten Soldaten der Demokratie.

   [10] Baumwollbaron.

   [11] Baumwollhandel.

   [12] Auf der Höhe.

   [13] Roter [Republikaner].

   [14] Volksfreund.


                                   47

                                        Manchester, 17. Dezember 1850.

Lieber Marx!

Ich bin die letzte Zeit ausnahmsweise sehr beschäftigt gewesen und habe
andere Störungen gehabt, die mich aus meinem gewöhnlichen Lebenssystem
herausrissen und mich am Schreiben verhinderten. Daher meine späte
Antwort.

Das Manifest Ganon Caperon Gouté ist wirklich ein Meisterstück nach
Inhalt und Form. Die _crnerie_[1] hat ihren vollendeten Ausdruck
erreicht, und Monsieur Barthélemy hat der Welt endlich einmal ein
Exempel davon gegeben, _ce que c’est que de parler carrément_.[2] Die
militärische Aufstellung des _homme de marbre_[3] ist ebenso heiter: der
_bonhomme_[4] hat die meisten Corps der österreichischen Armee zweimal
gezählt, wie die oberflächlichste _reference_[5] zu den Zeitungen
beweist. Übrigens geht die Unverschämtheit doch zu weit, nach all den
Blamagen seit 1848 und bei der gegenwärtigen gemütlichen Stimmung aller
Nationen, obenan der _crapauds_, von einer _marée populaire_ zu
sprechen, _qui menace d’engloutir des trônes_.[6] Die Versammlung von
Namen, die darunter steht, ist freilich die schönste _feature_[7] des
Ganzen. Solch ein europäischer Kongreß ist noch nie gesehen worden.
Ledru-Rollin, Mazzini und Komp. erhalten ordentlich eine gewisse
Wichtigkeit durch diese Kinderei. Übrigens möchte ich wissen, worin sich
der Waschlappen Sawaßkiewicz, der darunter steht, von dem Polacken des
Ledru-Rollin, Darasz, unterscheidet, und inwiefern die beiden Ungarn,
die darunter stehen, dem Mazzini vorzuziehen sind. Schapper und Ruge
stehen sich freilich ziemlich gleich, und falls nicht Dietz ein schweres
Gewicht zugunsten des neuen europäischen Komitees in die Wagschale legt,
so werden die Herren die Konkurrenz mit ihrem Original schwerlich
bestehen können.

Neulich war ich bei John Watts, der Kerl scheint gut zu mogeln, er hat
jetzt einen viel größeren _shop_ [Laden] in Deansgate, etwas höher
hinauf. Er ist vollständiger radikaler Spießbürger geworden, kümmert
sich um nichts als das _educational movement_,[8] schwärmt für _moral
force_[9] und hat Herrn Proudhon zu seinem Herrn und Meister akzeptiert.
Er hat die _Contradictions économiques_[10] und anderes Zeug übersetzt
und viel Geld daran verloren, da die englischen Arbeiter noch nicht
„Erziehung“ genug haben, um diese famosen Sachen zu verstehen. Er
erzählte mir verschiedene Exempel, aus denen hervorgeht, daß er sehr gut
versteht, seinen Schneidercommerce vermittels Affichierung seines
bürgerlichen Liberalismus zu poussieren. In den _Educational
Committees_[11] sitzt er mit seinen ehemaligen wütenden Gegnern, den
Dissenterpfaffen, brüderlich zusammen und läßt sich von Zeit zu Zeit
Banknoten von ihnen geben _for the very able address he delivered on
that evening_.[12] Der Kerl scheint mir in dieser Metamorphose allen
Witz verloren zu haben; ich bin seitdem noch nicht wieder bei ihm
gewesen. Für Leute, die derartige Wandlungen in die bürgerliche
Solidität durchmachen, ist natürlich Proudhon hierzulande ein gefundenes
Fressen; scheinbar am weitesten gehend, weiter als Owen, ist er doch
_fully respectable_.[13]

Ich habe nichts dagegen, über Herrn Mazzini und die italienische
Geschichte zu schreiben. Mir fehlen nur außer dem Ding im Red
[Republican] alle Mazzinischen Schriften. Vor Weihnacht komme ich indes
doch zu nichts, da ich in acht Tagen doch in London bin. Ich werde mir
dann das Nötige mitnehmen. Vielleicht fällt uns bis dahin auch sonst
noch was ein.

Deiner Frau meinen besten Dank für ihre freundlichen Zeilen. Mit dem
_Cotton-lord_ ist’s so arg nicht, mein Herr Alter scheint gar nicht so
geneigt zu sein, mich länger hier zu halten, als absolut nötig ist.
_Cependant nous verrons._[14] An Dronke ist geschrieben.

Grüße Deine Frau und Kinder.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Prahlerei.

   [2] Was gradeheraus reden heißt.

   [3] Mann von Marmor beziehungsweise Erz.

   [4] Guter Mann [im Sinne von Faselhans].

   [5] Das Nachschlagen beziehungsweise Nachlesen.

   [6] _Crapauds_ = Kröten, hier: die französischen Schreier. _Marée
   populaire_ = Flutwelle der Volksmasse. _Qui menace etc._ = die die
   Throne zu verschlingen droht.

   [7] Eigenschaft, Charakterzug.

   [8] Unterrichtsbewegung.

   [9] Moralische Gewalt.

   [10] Ökonomische Widersprüche [Titel von Proudhons erstem größeren
   Werk].

   [11] Komitees für das Unterrichtswesen.

   [12] Für den sehr tüchtigen Vortrag, den er an jenem Abend gehalten.

   [13] Durchaus respektabel.

   [14] Indes werden wir sehen.


                                  1851


                                   48

                                                       6. Januar 1851.

Lieber Engels!

Du wirst mich sehr verpflichten, _s’il est possible_,[1] das Geld
umgehend zu schicken. Meine Wirtin ist _very poor_;[2] sie ist jetzt die
zweite Woche nicht bezahlt und tritt mit schrecklicher Energie.

Gestern in der Kreissitzung erschien Wolff; nicht aber Liebknecht und
Schramm. Die neuen Statuten angenommen, habe ich das Ding aufs
Unbestimmte vertagt.

                                                            Dein K. M.

Unsere Revue wird wahrscheinlich in der Schweiz neu erscheinen. Arbeite
also _something_,[3] damit ich das Manuskript im Notfall _ready_[4]
habe.

----------

   [1] Wenn es möglich ist.

   [2] Sehr arm.

   [3] Etwas.

   [4] Fertig.


                                   49

                                               London, 7. Januar 1851.

Lieber Engels!

Ich schreibe Dir heute, um Dir eine _questiuncula theoretica_[1]
vorzulegen, natürlich _naturae politico-economicae_.[2]

Du weißt, um _ab ovo_[3] zu beginnen, daß nach der Ricardoschen Theorie
der Rente sie nichts anderes ist, als der Unterschied zwischen den
Produktionskosten und dem Preise des Bodenproduktes, oder wie er das
auch ausdrückt, der Unterschied des Preises, wozu das schlechteste Land
verkaufen muß, um seine Kosten herauszubringen (immer den Profit und
Zinsen des Pächters eingerechnet in die Kosten), und wozu das beste Land
verkaufen kann. Das Steigen der Rente beweist nach ihm, wie er selbst
seine Theorie auslegt:

1. Es wird zu immer schlechteren Erdarten Zuflucht genommen, oder
dasselbe Quantum Kapital, sukzessive auf denselben Boden angewandt,
bringt nicht dasselbe Produkt. Mit einem Worte: die Erde verschlechtert
sich in demselben Maße, als die Bevölkerung ihr mehr abverlangen muß.
Sie wird relativ unfruchtbarer. Worin dann Malthus den realen Boden
seiner Populationstheorie gefunden hat und worin seine Schüler jetzt
ihren letzten Notanker suchen.

2. Die Rente kann nur steigen, wenn der Getreidepreis steigt (wenigstens
_ökonomisch legal_); sie muß fallen, wenn er fällt.

3. Wenn das _Rental eines ganzen Landes_ steigt, so ist dies nur
erklärlich dadurch, daß eine sehr große Masse relativ schlechteren
Bodens in Bebauung gesetzt worden ist.

Diesen drei _Propositions_[4] widerspricht nun überall die Geschichte.

1. Kein Zweifel, daß immer schlechtere Erdarten in Bebauung gesetzt
werden mit dem Fortschritt der Zivilisation. Aber ebensowenig Zweifel,
daß diese schlechteren Erdarten relativ gut sind gegen die früher guten,
infolge des Fortschritts der Wissenschaft und Industrie.

2. Seit 1815 ist der Getreidepreis von 90 auf 50 Schilling gefallen und
darunter – vor der Abschaffung der Korngesetze, unregelmäßig aber
beständig. Die Rente ist beständig gestiegen. So in England. _Mutatis
mutandis_ überall auf dem Kontinent.

3. In allen Ländern finden wir, wie schon Petty bemerkte, daß, wenn der
Preis des Getreides abnahm, das Gesamtrental des Landes stieg.

Die Hauptsache bei alledem bleibt, das Gesetz der Rente mit dem
Fortschritt der Fruchtbarkeit der Agrikultur im allgemeinen
auszugleichen, wodurch einmal die historischen Tatsachen allein erklärt
werden können, andererseits die Malthussche Verschlechterungstheorie
nicht nur der Hände, sondern auch der Erde allein beseitigt wird.

Ich glaube, daß die Sache einfach zu erklären ist wie folgt.

Gesetzt, in einem gegebenen Zustand der Agrikultur sei der Preis des
Quarter Weizens 7 Schilling und ein Acre Land der besten Qualität, das
eine Rente von 10 Schilling zahlt, produziere 20 Bushel.[5] Der Ertrag
des Acre also = 20 × 7 oder = 140 Schilling. Die Produktionskosten
betragen in diesem Falle 130 Schilling. 130 Schilling ist also der Preis
des Produktes des schlechtesten in Bebauung gesetzten Landes.

Gesetzt, es trete nun eine allgemeine Verbesserung der Agrikultur ein.
Setzen wir diese voraus, so nehmen wir an, gleichzeitig, daß
Wissenschaft, Industrie und Bevölkerung im Zunehmen begriffen sind. Eine
durch Verbesserung allgemein vermehrte Fruchtbarkeit des Bodens setzt
diese Bedingungen voraus, im Unterschied der bloß vom Zufall einer
günstigen Jahreszeit hervorgebrachten Fruchtbarkeit.

Der Weizenpreis falle von 7 auf 5 Schilling per Quarter. Das beste Land,
Nr. 1, das früher 20 Bushel hervorbrachte, bringe nun 30 Bushel hervor.
Bringt also jetzt ein, statt 20 × 7 oder 140 Schilling, 30 × 5 oder 150
Schilling. Das heißt eine Rente von 20 Schilling statt früher von 10.
Der schlechteste Boden, der keine Rente trägt, muß produzieren 26
Bushel, denn nach unserer obigen Annahme ist der notwendige Preis
desselben 130 Schilling und 26 × 5 = 130. Ist die Verbesserung nicht so
allgemein, das heißt der allgemeine Fortschritt der Wissenschaft, der
mit dem Gesamtfortschritt der Gesellschaft, Population usw. Hand in Hand
geht, daß der schlechteste Boden, der in Bebauung gesetzt werden muß, 26
Bushel hervorbringen kann, so kann der Getreidepreis nicht auf 5
Schilling per Quarter fallen.

Die 20 Schilling Rente drücken nach wie vor den Unterschied zwischen den
Produktionskosten und dem Getreidepreis auf dem besten Boden oder
zwischen den Produktionskosten des schlechtesten und denen des besten
Bodens aus. Relativ bleibt das eine Land immer ebenso unfruchtbar gegen
das andere wie vorher. Aber die _allgemeine Fruchtbarkeit_ hat sich
gehoben.

Vorausgesetzt wird nur, daß, wenn der Getreidepreis von 7 auf 5
Schilling fällt, die Konsumtion in demselben Maße zunimmt, [das heißt]
die Nachfrage, oder daß die Produktivität nicht die Nachfrage
übersteigt, die zu dem Preise von 5 Schilling erwartet werden kann. So
sehr diese Voraussetzung falsch wäre, wenn der Preis von 7 auf 5
Schilling gefallen wäre durch einen ausnahmsweise üppigen Herbst, so
notwendig ist sie bei einer graduellen und durch die Produzenten selbst
bewirkten Steigerung der Fruchtbarkeit. In allen Fällen handelt es sich
hier nur um die ökonomische Möglichkeit dieser Hypothese.

Es folgt hieraus:

1. Die Rente kann steigen, obgleich der Preis des Bodenproduktes fällt,
und doch _bleibt Ricardos Gesetz richtig_.

2. Das Gesetz der Rente, wie Ricardo es in einfachster These, abgesehen
von seiner Ausführung, hinstellt, setzt nicht die abnehmende
Fruchtbarkeit des Bodens voraus, sondern nur, _trotz der mit der
Entwicklung der Gesellschaft allgemein zunehmenden Fruchtbarkeit des
Bodens, verschiedene_ Fruchtbarkeit der Ländereien oder verschiedenes
Resultat des sukzessiv auf demselben Boden angewandten Kapitals.

3. Je allgemeiner die Verbesserung des Bodens ist, desto mehr Sorten von
Ländereien wird sie umfassen, und das Rental des ganzen Landes kann
steigen, obgleich der Getreidepreis im allgemeinen sinkt. Gesetzt zum
Beispiel das obige Beispiel, so kommt es nur darauf an, wie groß die
Anzahl der Ländereien ist, die mehr als 26 Bushel zu 5 Schilling
produzieren, ohne gerade deren 30 produzieren zu müssen, das heißt um
wie mannigfaltiger die Qualität des Landes ist, das zwischen dem besten
und dem schlechtesten liegt. Es geht dies die _ratio_[6] der Rente des
besten Landes nichts an. Es geht überhaupt die _ratio_ der Rente nicht
direkt an.

Du weißt, daß der Hauptwitz bei der Rente der ist, daß sie erzeugt ist
durch die Ausgleichung des Preises für die Resultate verschiedener
Produktionskosten, daß aber dies Gesetz des Marktpreises nichts als ein
Gesetz der bürgerlichen Konkurrenz ist. Indessen bliebe, selbst nach
Abschaffung der bürgerlichen Produktion, der Haken, daß die Erde relativ
unfruchtbarer würde, daß mit derselben Arbeit weniger sukzessiv
geschaffen würde, obgleich nicht mehr, wie im bürgerlichen Regime, der
beste Boden so teures Produkt lieferte wie der schlechteste. Dieses
Bedenken fiele mit dem Obigen fort.

Ich bitte Dich um Deine Ansicht über die Sache.

Weil ich Dich mit dieser Sauce gelangweilt, schicke ich Dir zur
Erheiterung folgendes Pack Briefe von Dr. _Magnus Groß_ (doppelt großer
Groß! Allergrößter Groß!) aus Cincinnati. Du wirst finden, daß, wenn
Monsieur Groß nicht _grand_,[7] er jedenfalls _gros_[8] ist. Tellering
II. _in nuce_.[9] Gleichen sich doch alle Koblenzer. Schicke mir die
Sache zurück, und wenn Du willst und Zeit und Lust hast, mit einer Zeile
für Dronke.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Kleine theoretische Frage.

   [2] Politisch-ökonomischer Natur.

   [3] Vom Ei an.

   [4] Sätze.

   [5] Buschel = englischer Scheffel, der 36,3 Liter faßt.

   [6] Hier: Höhe, Satz.

   [7] Groß.

   [8] Ungeschlacht [unübersetzbares Wortspiel in bezug auf den Namen
   Groß].

   [9] In der Nußschale [das heißt: zusammengefaßt].


                                   50

                                           Manchester, 8. Januar 1851.

Lieber Marx!

Inliegend Post Office Ordre[1] für ein Pfund, die Particulars wie
früher. Mein Käufer – unser Kommis – scheint in der letzten Zeit viel
ausgegeben zu haben und nicht zu viel Geld auf einmal von der Firma
nehmen zu wollen. Er will nicht recht eingehen – ich presse ihn nicht
zu viel, _cela se conçoit_.[2] Ich selbst bin durch unsere Londoner
Reiseexpensen sehr stark in Auslagen geraten, sonst würde ich Dir mit
Vergnügen den ganzen Betrag schicken; so muß ich mich für heute darauf
beschränken, die Pflicht eines gewöhnlichen Warenempfängers zu erfüllen
und Dir ein Halb des Wertes auf Abschlag zuschicken. Die andere Hälfte
erfolgt spätestens in den ersten Tagen des Februar, vielleicht früher,
sobald nämlich ein Brief der Firma an meinen Alten, der die an mich
gemachten Zahlungen enthält, abgegangen sein wird.

[Ernest] Jones war hier und trat seinen Feinden in _public meeting_[3]
in ihrem eigenen Lokal entgegen. Leach und Donovan opponierten ihm. Die
Debatte war nicht ganz, was ich erwartete. Kleine Kriegslisten auf
beiden Seiten, viel _chronique scandaleuse_,[4] die über manche Londoner
Annehmlichkeiten tröstete. Auf Jones’ Seite die Überlegenheit des
deklamatorischen Talents. Leach dagegen enorm impertubabel, aber
stellenweise greulich absurd. Donovan eine kommune intrigierende
Lokalgröße. Jones war übrigens durch die Neue Rheinische Zeitung und
meine Anwesenheit gezwungen, sich als _red republican_[5] und Anhänger
der Nationalisation _of landed property_[6] zu erklären, wogegen Leach
als vollständiger Vertreter der _cooperative societies_[7] auftrat, und
zwar auch insofern sie die politische Agitation repudiieren.[8] Diese
Gesellschaften scheinen übrigens jetzt in Lancashire sehr zahlreich zu
sein, und Jones und seine Freunde fürchten, daß sie bei irgend einer
Allianz zwischen ihnen und den Chartisten das Chartist Movement in ihre
Hände bekommen würden. Dieser Umstand erklärt manche der Konzessionen,
die Harney ihnen zu machen für gut hielt.

Der Erfolg von Jones’ Auftreten hier war alles, was zu erwarten stand;
er schlug als Punkt der Entscheidung zwischen ihm und dem Manchester
Chartist Council die Frage der Anerkennung der Exekutive in London vor.
Die Stimmen waren gleich geteilt, obwohl Leach und Komp. zirka drei
Stunden Zeit gehabt hatten, ihre Leute ins Meeting zu bringen und eine
gehörige Masse gekommen war. Am Anfang, wo die Gesellschaft eine rein
zufällige war (Leach hatte kalkuliert, daß Jones nicht vor 9 Uhr da sein
könne, er war aber schon um 8 da, was Leach ihm sehr übelnahm), wurde
Jones enthusiastisch empfangen.

Jones in Gesellschaft von Chartisten, die er gewinnen oder sich mehr
attachieren will, ist keineswegs so naiv, als wenn er unter uns ist. _He
is very wide awake_.[9] Vielleicht etwas zu sehr – unsereins wenigstens
„merkt die Absicht“.

Von Harneys Freunden hier ist der eine ein langweiliger Schotte mit
unendlichen Gefühlen und daher endlosen Reden, der zweite ein kleiner,
resoluter und auffahrender Bursche, über dessen intellektuelle
Kapazitäten ich noch nicht im klaren bin; ein dritter, von dem Harney
mir nicht sprach, Robertson, scheint mir bei weitem der Verständigste zu
sein. Ich werde sehen, daß ich mit den Kerls einen kleinen Klub oder
regelmäßige Zusammenkunft organisiere und mit ihnen das Manifest
diskutiere. Harney und Jones haben hier eine Masse Freunde, und O’Connor
eine Masse versteckter Feinde, aber ehe er nicht einen Akt großartiger
öffentlicher Blamage begangen hat, wird er – offiziell – hier nicht zu
stürzen sein. Jones sprach übrigens von ihm und Reynolds im Meeting mit
möglichst wenig Respekt.

Eine gute Nachricht, die mich betrifft, teilte mir mein Schwager dieser
Tage mit: mein proponierter amerikanischer Associé war in London, und
nach einer Unterhaltung zwischen beiden stellte sich heraus, daß ich
nicht der Mann bin, der in seinem Geschäft brauchbar ist. Amerika ist
also auf unbestimmte Zeit vertagt, da sich jetzt ohne meine Einwilligung
kein neues Projekt formieren kann.

Grüße Deine Frau und Kinder bestens.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Postanweisung [deren Betrag sich der Empfänger der Anweisung von
   der Post abholen mußte und nur gegen Nennung des Auftraggebers
   erhielt. Hierauf bezieht sich das Wort Particulars = Einzelheiten].

   [2] Das ist zu verstehen.

   [3] Öffentliche Versammlung.

   [4] Skandalchronik, Klatsch.

   [5] Roter Republikaner.

   [6] Des Bodeneigentums.

   [7] [Konsum-]Genossenschaft.

   [8] Von sich abweisen.

   [9] Er paßt sehr auf [kennt sich sehr aus].


                                   51

                                                      22. Januar 1851.

Lieber Engels!

Du bist _taciturne comme la mort_.[1]

Ich habe noch keine Nachricht, weder von Schabelitz, der die Fortsetzung
unserer Revue übernehmen wollte, noch von Becker, der die Herausgabe
meiner Aufsätze besorgen wollte. Bei Herrn Schuberth haben alle meine
Schritte bisher nichts genützt. Wenn Haupt einen Advokaten finden kann,
der die Sache übernimmt, so wird er prozessualisch gegen ihn verfahren.

Was macht Mary und Lizzy? Und vor allem, was machst Du? Harney war einen
Abend hier bei mir mit Pieper, Eccarius usw. und sehr fidel, bis seine
„teure Gattin“ ihn halb gewaltsam, halb zog sie ihn, halb sank er hin,
von hier wegbrachte.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Schweigsam wie der Tod.


                                   52

                                    Mittwoch abend, 29. Januar [1851].

Lieber Marx!

Dein Schweigen und Dein Verwundern über mein Schweigen wird mir
allerdings plötzlich erklärlich, nachdem meine alte Hexe von Hauswirtin
mir heute, _after some sharp cross examination_,[1] aus einem Haufen
Bücher in meinem Zimmer Deinen Brief vom 7. ds. herausgesucht hat, wo er
seit dem 8. Januar ruhig schlummerte. Ich war nämlich die Nacht nicht zu
Hause gewesen, und die Person hatte den Brief einfach auf die Bücher
gelegt; nachher beim Aufräumen legte sie in der Eile ein anderes Buch
obendrauf, und da dieser Haufen Bücher die ganze Zeit unangerührt blieb,
so hätte ohne Deine Anzeige der Brief dort bis zum jüngsten Tage
schlummern können. Hätte ich in diesem Monat statt Physiologie Russisch
getrieben, so wäre das nicht vorgekommen.

Jedenfalls ist Deine neue Geschichte mit der Grundrente vollständig
richtig. Die mit der Bevölkerung immer steigende Unfruchtbarkeit des
Bodens bei Ricardo hat mir nie einleuchten wollen, und auch für seinen
immer steigenden Getreidepreis habe ich nie die Belege finden können,
aber bei meiner bekannten Trägheit _en fait de théorie_[2] habe ich mich
bei dem inneren Knurren meines besseren Ich beruhigt und bin der Sache
nie auf den Grund gegangen. Es ist außer Zweifel, daß Deine Lösung die
richtige ist, und Du hast Dir so einen neuen Titel auf den Titel des
Ökonomen der Grundrente erworben. Gäbe es noch Recht und Gerechtigkeit
auf Erden, so würde die Gesamtgrundrente wenigstens für ein Jahr jetzt
Dir gehören, und das wäre noch das wenigste, worauf Du Anspruch machen
könntest.

Es hat mir nie in den Kopf gewollt, daß Ricardo in seinem einfachen Satz
die Grundrente als Differenz der Produktivität der verschiedenen
Bodengattungen hinstellt und im Beweis dieses Satzes 1. kein anderes
Moment kennt als die Hereinbringung stets schlechterer Erdarten, 2. die
Fortschritte der Agrikultur vollständig ignoriert und 3. die
Hereinbringung der schlechteren Erdarten schließlich fast ganz fallen
läßt und dafür stets mit der Behauptung operiert, daß das Kapital, das
sukzessive auf ein bestimmtes Feld verwandt wird, immer weniger zur
Vermehrung des Ertrags beitrage. So einleuchtend der zu beweisende Satz
war, so fremd waren die im Beweis angeführten Motive diesem selben
Satze, und Du wirst Dich erinnern, daß ich schon in den
Deutsch-französischen Jahrbüchern gegenüber der Theorie der steigenden
Unfruchtbarkeit auf die Fortschritte der wissenschaftlichen Agrikultur
provozierte – natürlich sehr _crude_[3] und ohne alle zusammenhängende
Durchführung. Du hast jetzt die Sache ins Reine gebracht, und das ist
ein Grund mehr, weshalb Du eilen solltest mit der Vollendung und
Publizierung der Ökonomie. Wenn man einen Artikel von Dir über die
Grundrente überhaupt in eine englische Review bringen könnte, das würde
enormes Aufsehen machen. Denk darüber nach, _je me charge de la
traduction_.[4]

Inliegend Herr Groß-Groß zurück. Ich werde Dir nächstens ein paar Zeilen
für den süßen Dronke schicken, heute abend bin ich zu schläfrig, noch
weitere Arbeiten zu übernehmen. Eine schöne Bande Lumpaci, Groß,
Wilhelmi und der Fortschrittspamphletär von Cincinnati! Die Kerle müssen
wirklich glauben, man pfiffe physisch, moralisch und intellektuell auf
dem letzten Loch, um einem solche Zumutungen zu machen. _C’est
amusant, cependant_,[5] und ich habe redlich gelacht über diese
hinterwäldlerischen Gesellschaftsretter und ihre Anerbietungen, mit
Honorar für Dronke. Das „spitz und gesalzen“ des Dr. Siegfried Weiß ist
_outdone_[6] durch das „Rot, pikant, sarkastisch und mehrseitig“ des
„Adonis einer längst vergessenen Schönen“. _Que Dieu le bénisse!_[7]

Die hiesige O’Connor-Konferenz ist auf reinen Humbug hinausgelaufen. Sie
besteht, die angebliche Repräsentation des gesamten englischen
Chartismus, aus acht Mann, die vier Städte repräsentieren: Manchester,
Bradford, Warrington und Sowerby. Davon sind Warrington und Bradford in
der Opposition und mit der Exekutive einverstanden. Mantle, der
Warrington repräsentiert, treibt den größten Spott mit der Majorität,
eröffnete die _proceedings_[8] mit der Motion, daß die Konferenz,
_seeing their utter insignificance and contemptibility_,[9] beschließen
solle, sofort nach Hause zu gehen, und wird ihnen morgen ein
Vertrauensvotum für die Exekutive, also für Harney und Jones, abnötigen,
für das O’Connor auch stimmen muß. Bei der Frage: ob man sich den
_financial reformers_ anschließen solle, stimmten 3 für und 2 gegen, 3
enthielten sich, unter ihnen O’Connor, den Mantle durch freches
Auftreten leider intimidiert hatte; der Kerl hätte sonst dafür gestimmt
und sich kolossal und unrettbar blamiert. Die Majorität der Konferenz
sind O’Connor, Leach, Mac Grath, Clark und ein gewisser Hurst. Herr
Thomas Clark brachte bei einem für O’Connor am Montag gegebenen Diner
folgenden Toast aus. _The queen: her rights and no more; the people:
their rights and no less._[10] Mantle, ein petillanter,[11]
undiplomatischer Hitzkopf verhinderte auch hier O’Connor, für den Toast
aufzustehen und ihn zu trinken.

Der Brief an Weerth ist fort und wird in ein paar Tagen in seinen Händen
sein müssen, wenn er nicht gar zu tief in Marokko sitzt.

„Ohne Mehreres für heute.“

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Nach etlichem scharfen Kreuzverhör.

   [2] In bezug auf die Theorie.

   [3] Roh, unbearbeitet.

   [4] Ich nehme das Übersetzen auf mich.

   [5] Es ist jedoch erheiternd.

   [6] Übertroffen.

   [7] Gott segne ihn.

   [8] Verhandlungen.

   [9] Da sie ihre äußerste Unbedeutendheit und Verächtlichkeit
   ersieht.

   [10] Die Königin: ihre Rechte und nicht mehr; das Volk: seine Rechte
   und nicht weniger.

   [11] Übersprudelnder.


                                   53

                                                      3. Februar 1851.

Lieber Engels!

Studierst Du Physiologie an der Mary oder anderswo?

Einstweilen hat mir meine neue Rententheorie nur das brave Bewußtsein
eingebracht, wonach jeder Biedermann notwendig strebt. Indes bin ich
jedenfalls zufrieden, daß Du damit zufrieden bist. Das umgekehrte
Verhältnis der Fruchtbarkeit der Erde zu der menschlichen Fruchtbarkeit
mußte einen Familienvater wie mich tief affizieren, um so mehr, da _mon
mariage est plus productif que mon industrie_.[1]

Jetzt lege ich Dir nur eine Illustration zur Currencytheorie[2] vor,
deren Studium bei mir von Hegelianern als Studium des „Andersseins“, des
„Fremden“, kurz des „Heiligen“ charakterisiert werden dürfte.

Die Theorie des Herrn Loyd und _tutti frutti_[3] von Ricardo an besteht
in folgendem:

Gesetzt, wir hätten eine rein metallische Currency. Wäre sie zu voll
hier, so würden die Preise steigen, also der Export von Waren abnehmen.
Ihr Import vom Ausland hierhin würde zunehmen. Die Imports über die
Exports würden so steigen. Also ungünstige Handelsbilanz. Ungünstiger
Wechselkurs. Klingende Münze würde ausgeführt werden, die Currency würde
sich zusammenziehen, die Preise der Ware würden fallen, die Imports
abnehmen, Geld wieder herfließen, kurz, die Situation in das alte
Gleichgewicht kommen.

Beim umgekehrten Falle ebenso, _mutatis mutandis_.[4]

Moral davon: Da das Papiergeld die Bewegungen der metallischen
Currency[5] nachahmen muß, da hier eine künstliche Regulation an die
Stelle dessen treten muß, was im anderen Falle natürliches Gesetz ist,
muß die Bank of England ihre Papier-[Noten-]Ausgaben vermehren, wenn das
Bullion[6] einströmt (zum Beispiel durch Ankauf von _government
securities_,[7] _Exchequer bills_[8] usw.), und vermindern, wenn das
Bullion abnimmt, durch Verminderung ihrer Diskontos oder Verkauf von
Regierungspapieren. Ich behaupte nun, daß die Bank umgekehrt handeln
muß, ihre Diskonten _vermehren_, wenn das Bullion _abnimmt_, und sie
ihren gewöhnlichen Gang gehen muß, wenn es zunimmt. Unter Strafe, die
Handelskrise, die im Anzug ist, unnötig zu intensieren. Indes darüber
_une autre fois_.[9]

Was ich hier auseinandersetzen will, geht auf die Elementargrundlagen
der Sache. Ich behaupte nämlich: _Auch unter einer rein metallischen
Currency hat das Quantum derselben, ihre Extension und Kontraktion
nichts zu tun mit dem Aus- und Einfluß der edlen Metalle, mit der
günstigen oder ungünstigen Handelsbilanz, mit dem günstigen oder
ungünstigen Wechselkurs_, außer in äußersten Fällen, die praktisch nie
eintreten, aber theoretisch bestimmbar sind. Tooke stellt dieselbe
Behauptung auf; ich habe aber keinen Beweis gefunden in seiner _History
of Prices_ für 1843 bis 1847.

Du siehst, die Sache ist wichtig. Erstens wird die ganze
Zirkulationstheorie in ihrer Grundlage geleugnet. Zweitens wird gezeigt,
wie der Verlauf von Krisen, so sehr das _Kreditsystem_ eine Bedingung
desselben ist, mit der _Currency_ nur insofern zu schaffen hat, als
verrückte Einmischungen der Staatsgewalt in ihre Regelung die vorhandene
Krise erschweren können, wie 1847.

Bei der folgenden Illustration zu bemerken, daß hier angenommen [ist]:
Der _Einfluß_ von Bullion hängt zusammen mit flottem Geschäft, noch
nicht hohen, sondern steigenden Preisen, Überfluß von Kapital, Überschuß
der Exports über die Imports. Der Ausfluß von Gold _vice versa_,[10]
_mutatis mutandis_.[11] Nun, diese Voraussetzung haben die Leute, gegen
die die Polemik gerichtet ist. Sie können nichts dagegen sagen. In der
Wirklichkeit können 1001 Fälle eintreten, wo Gold ausfließt, obgleich in
dem Lande, das es ausführt, die Preise der übrigen Waren weit niedriger
stehen als in denen, wohin es Gold führt. Zum Beispiel dies der Fall für
England 1809 bis 1811 und 1812 usw. Indes die _allgemeine Voraussetzung_
erstens _in abstracto_ richtig, zweitens von den Currencykerls
angenommen. Also hier einstweilen nicht zu debattieren.

Vorausgesetzt also, es herrsche _rein metallische Currency in England_.
Damit aber nicht vorausgesetzt, daß das _Kreditsystem_ aufgehört hat.
Die Bank von England würde sich vielmehr in eine _Depositen- und
Leihbank_ zugleich verwandeln. Nur würden ihre Ausleihen bloß in barem
Gelde bestehen. Wollte man diese Voraussetzung nicht, so würde, was hier
als _Depositen der Bank of England_ erscheint, als __hoards__[12] _der
Privaten_ erscheinen, und was als Ausleihe derselben, als Ausleihe der
Privaten. _Was hier also von den Deposits der Bank of England_ gesagt
wird, [ist] nur _Eine Abkürzung, um den Prozeß nicht zersplittert,
sondern auf Einen_ __focus__[13] zusammengefaßt darzustellen.

Fall I. __Influx__[14] _von Bullion_. Hier die Sache sehr einfach. Viel
unbeschäftigtes Kapital, also Zunehmen der Deposita. Um sie zu
verwenden, würde die Bank ihren _Zinsfuß_ herabsetzen. Also Ausdehnung
des Geschäftes im Lande. Die _Zirkulation_ würde nur steigen, wenn das
Geschäft so stiege, um vermehrte Currency zu seiner Führung nötig zu
machen. Sonst würde die überflüssig ausgegebene Currency wieder in die
Bank zurückströmen durch den Verfall der Wechsel usw. als Deposits usw.
Die _Currency_ wirkt hier also nicht als _Ursache_. Ihre Vermehrung
schließlich _Folge_ des größeren in Aktion gesetzten Kapitals, nicht
umgekehrt. (In dem angegebenen Falle würde also die _nächste_ Folge
_Wachsen der Deposits_, das heißt des unbeschäftigten Kapitals sein,
nicht der Zirkulation.)

Fall II. Hier fängt eigentlich die Sache an. _Export von Bullion_ wird
vorausgesetzt. Anfang einer Periode der _pressure_.[15] Wechselkurs
ungünstig. Dabei mache schlechte Ernte usw. (oder auch Verteuerung der
Rohmaterialien der Industrie) beständig größere Wareneinfuhr nötig.
Gesetzt, die Rechnung der Bank of England stehe beim Beginn einer
solchen Periode wie folgt:

  a. Kapital       14 500 000 £  _Government securities_  10 000 000 £
  Rest [Reserven]   3 500 000 £  _Bills of Exchange_      12 000 000 £
  Deposits         12 000 000 £  _Bullion or coin_         8 000 000 £
                   ------------                           ------------
                   30 000 000 £                           30 000 000 £

Die Bank schuldet, da unter der _Voraussetzung_ keine _Noten_
existieren, nur die 12 Millionen _Deposits_. Nach ihrem Prinzip (die
Deposits in Zirkulationsbanken [... unlesbar], nur den dritten Teil
ihrer Zahlungsverpflichtungen in bar liegen haben zu müssen) ist ihr
Bullion von 8 Millionen um die Hälfte zu groß. Um mehr Gewinn zu machen,
setzt sie den _Zinsfuß herab_ und steigert ihre _discounts_[16] zum
Beispiel um 4 Millionen, die für Korn usw. ausgeführt werden. Die
Rechnung der Bank steht dann so:

    b. Kapital  14 500 000 £  _Government securities_  10 000 000 £
    Rest         3 500 000 £  _Bills of Exchange_      16 000 000 £
    Deposits    12 000 000 £  _Bullion or coin_         4 000 000 £
                ------------                           ------------
                30 000 000 £                           30 000 000 £

Aus dieser _figure_[17] folgt:

Die Kaufleute agieren _zuerst_ auf die _Bullionreserve der Bank_, sobald
sie _Gold_ ausführen müssen. Dieses exportierte Gold _vermindert_ ihre
Reserve (die der Bank), ohne im mindesten auf die _Currency_ zu wirken.
Ob die 4 Millionen in ihren Kellern oder in einem Schiffe nach Hamburg
liegen, ist _dasselbe_ für die Currency. Es zeigt sich endlich, daß ein
bedeutender _drain_ von Bullion,[18] hier von 4 Millionen Pfund
Sterling, stattfinden kann, der nicht im geringsten weder die _Currency_
noch das Geschäft des Landes im allgemeinen affiziert. Nämlich während
der ganzen Periode, wo die _Bullionreserve_, die _zu groß_ gegen die
Liabilities[19] war, nur auf ihre __due proportion__[20] zu denselben
reduziert wird.

c. Nehmen wir aber an, daß die Umstände, die den _drain_[21] der 4
Millionen nötig gemacht, fortdauern: Kornmangel, Steigen des Preises der
Rohbaumwolle usw. Die Bank wird besorgt für ihre Sicherheit. Sie _erhöht
den Zinsfuß_ und limitiert ihre _discounts_.[22] Daher _pressure_[23] in
der Handelswelt. Wie wirkt diese _pressure_? Es wird auf die _Deposits_
der Bank gezogen, ihr Bullion sinkt verhältnismäßig. Sinken die
_Deposits_ auf 9 Millionen, das heißt vermindern sie sich um 3
Millionen, so müßten dann 3 abgehen von der Bullionreserve der Bank.
Diese würde also fallen (4 Millionen bis 3 Millionen) auf 1 Million
gegen Deposits von 9 Millionen, Verhältnis, das gefährlich für die Bank
würde. Will sie also ihre Bullionreserve auf dem dritten Teil der
Deposits halten, so wird sie ihre _discounts_ um 2 Millionen verringern.

Die Rechnung wird dann so stehen:

     Kapital   14 500 000 £  _Government securities_  10 000 000 £
     Rest       3 500 000 £  _Bills under discount_   14 000 000 £
     Deposits   9 000 000 £  _Bullion or coin_         3 000 000 £
               ------------                           ------------
               27 000 000 £                           27 000 000 £

Folgt hieraus: Sobald der _drain_ so groß wird, daß die Bullionreserve
ihre _due proportion_ gegen die Deposits erreicht hat, erhöht die Bank
den Zinsfuß und vermindert die _discounts_. Aber dann beginnt die
_Wirkung auf die Deposits_, und infolge ihrer Verminderung vermindert
sich die Reserve von Bullion, aber in größerem Verhältnis der Diskont
von Bills.[24] Die _Currency_ wird nicht im geringsten affiziert. Ein
Teil der entzogenen Bullion und Deposits _füllt_ das Vakuum,[25] das die
Kontraktion der Bankakkomodation[26] in der inländischen Zirkulation
erzeugt, ein anderer wandert ins Ausland.

d. Gesetzt der Import von Korn usw. dauere fort, die Deposits sänken auf
4 500 000, so würde die Bank, um die nötige Reserve gegen ihre
Liabilities zu behalten, ihre _discounts_ um 3 Millionen noch
reduzieren, und die Rechnung stünde wie folgt:

     Kapital   14 500 000 £  _Government securities_  10 000 000 £
     Rest      3 500 000 £   _Bills under discount_   11 000 000 £
     Deposits  4 500 000 £   _Bullion or coin_        1 500 000 £ 
               ------------                           ------------
               22 500 000 £                           22 500 000 £

Die Bank hätte unter der Voraussetzung ihre _discounts_ von 16 auf 11
Millionen, also um 5 Millionen reduziert. Der nötige Bedarf der
Zirkulation ersetzt durch weggenommene Deposits. Aber gleichzeitig
Mangel an Kapital, hoher Preis der Rohmaterialien, Abnahme der
Nachfrage, also des Geschäftes, also _schließlich_ der Zirkulation, der
nötigen _Currency_. Der überflüssige Teil derselben würde als Bullion
ins Ausland zur Zahlung des Imports geschickt. Die Currency wird
_zuletzt_ berührt, und sie würde erst über ihre notwendige Quantität
hinaus _vermindert_, wenn die Bullionreserve vermindert [ist] über das
notwendigste Verhältnis zu den Deposits hinaus.

Zu dem Obigen noch zu bemerken:

1. Statt ihre _discounts_ zu vermindern, könnte die Bank ihre _public
securities_ verklopfen, was unter der Voraussetzung unprofitlich wäre.
Indes Resultat dasselbe. Statt ihre eigene Reserve und _discounts_ würde
sie die von Privatpersonen, die ihr Geld in _public securities_ stecken,
vermindern.

2. Ich habe hier einen _drain_ auf die Bank von 6 500 000 Pfund
vorausgesetzt. 1839 fand einer von 9 bis 10 Millionen Pfund statt.

3. Der vorausgesetzte Prozeß bei einer rein _metallic currency_[27] kann
wie beim Papier zum Schlusse mit der Kasse [?] fortgehen, wie dies
zweimal in Hamburg im achtzehnten Jahrhundert geschehen.

Schreibe bald.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Meine Ehe produktiver ist wie meine Erwerbstätigkeit.

   [2] Theorie der Währung [beziehungsweise des Geldsystems].

   [3] Allesamt.

   [4] Nach Abänderung des zu Ändernden; das heißt gemäß den
   veränderten Bedingungen.

   [5] Metallischen Umlaufsmittel.

   [6] Barren Geldmetall.

   [7] Vom Staate verbürgte Papiere.

   [8] Schatzscheine.

   [9] Ein anderes Mal.

   [10] Ebenso umgekehrt.

   [11] Gemäß den veränderten Bedingungen.

   [12] Ersparnisse, Schatzansammlungen.

   [13] Brennpunkt.

   [14] Einstrom, Zufluß.

   [15] Druck, Depression.

   [16] Diskonten, Ankauf von Wechseln.

   [17] Zahlenbild.

   [18] Abzug von Geldmetall.

   [19] Zahlungsverpflichtungen.

   [20] Richtiges Verhältnis.

   [21] Abfluß, Abzug.

   [22] Beschränkt ihre Wechselankäufe.

   [23] Gedrückte Lage.

   [24] Wechsel.

   [25] Leere.

   [26] Zusammenschrumpfen der Ausgleichmittel der Banken.

   [27] Metallische Währung.


                                   54

                                          Manchester, 5. Februar 1851.

Lieber Marx!

Inliegend das restierende eine Pfund von dem Atlas, das ich Dir leider
nicht früher schicken konnte.

Sage Harney, wenn Du ihn siehst, daß er Ende der Woche von mir
mindestens die erste Hälfte einer Reihe von Artikeln über _Continental
Democracy_[1] bekommt – die Artikel so eingeteilt, daß jeder einzelne
nicht mehr als 2 bis 2-1/2 Kolumnen in seinem Friend of the People
ausmacht. Ich werden unter dem obigen Vorwand die gesamte offizielle
Demokratie beim Kragen nehmen und sie dem englischen Proletariat dadurch
verdächtigen, daß ich sie, inklusive Mazzini, Ledru-Rollin usw., mit den
_financial Reformers_[2] auf dieselbe Stufe stelle. Das europäische
Komitee wird _catch it nicely_.[3] Die Herren werden einzeln
durchgenommen werden, Mazzinis Schriften, Ledru-Rollins famose
Heldentaten vom Februar bis Juni 1848, Herrn Ruge natürlich nicht zu
vergessen. Den Italienern, Polen und Ungarn werde ich deutlich genug
sagen, daß sie in allen modernen Fragen den Mund zu halten haben. Das
Ding mit dem Humbug, den Harney mit den Bettelbriefen der Mazzini und
Konsorten treibt, wird zu arg, und da er sonst nicht zu bessern ist, so
werde ich genötigt sein, die Albernheit dieser Kerls in seinem eigenen
Blatt aufzudecken und den englischen Chartisten die Mysterien der
kontinentalen Demokratie zu enthüllen. Ein ausführlicher polemischer
Artikel hilft bei Harney immer mehr als alles Debattieren. Leider habe
ich hier verflucht wenig Material.

Ich habe jetzt hier _Sarraus jeune, Lafayette et la révolution de
Juillet_.[4] Wüßte ich noch ein paar andere Quellen aufzutreiben, so
könnte ich für unsere Revue einen Artikel über die Julirevolution nebst
Fortsetzung bis zur Februarrevolution machen und dabei die _Histoire des
dix ans_[5] einer freundschaftlichen Kritik unterwerfen. Diese _Dix
ans_[6] stehen noch immer von den Weitergehenden unangegriffen da und
bilden in Deutschland wie in Frankreich ein sehr bedeutendes
Bildungselement in der ganzen revolutionären Partei. Ich glaube, es
könnte gar nicht schaden, den Einfluß dieses Buches auf die gebührenden
Grenzen zurückzuführen; bis jetzt ist es unattackierte Autorität.

Herr Russell, der feige Patron, hat sich wieder einmal glänzend
blamiert. Erst speit er Feuer und Flammen gegen die _papal
aggression_.[7] Dann sieht er, daß die Manchester _men_[8] sich absolut
nicht in die Schmiere mischen wollen und accouchiert nun mit seiner
heroischen Maßregel, den katholischen Bischöfen das Tragen englischer
Titel verbieten zu wollen. Und dann die schöne Andeutung, die er durch
Herrn Peto machen läßt, es sei zwar sehr wünschenswert gewesen, in
dieser Session schon das Stimmrecht auszudehnen, aber da die Law-Reform
diesmal vorkomme, so müsse man das Stimmrecht bis nächstes Jahr
verschieben. Echte Whig-Musterlogik. Übrigens sind die _membres_[9] sehr
krittlig und unsicher, die Wahlen rücken heran, sie müssen liberale oder
protektionistische _flourishes_[10] machen, und wenn die Exhibition
nicht gerade in die belebteste Zeit der sessionalen _grande
politique_[11] fiele, so könnte es dem kleinen Männchen schlecht gehen.
Und auch so – _qui sait_?[12]

Das tägliche politische Brot wird überhaupt immer trockener. Die schöne
Position, in der sich _la belle France_[13] jetzt wohlgefällt, ist auch
erbaulich. Es läßt sich übrigens nicht leugnen, daß die Herren
Burggrafen mehr und mehr aufhören, die Repräsentanten der
Bourgeoisfraktionen zu sein, oder besser, daß die Bourgeois sich von
ihren alten legitimistischen und orleanistischen Chefs mehr und mehr
trennen. Erstens die bedeutende Minorität für Baroche in der Sitzung, wo
die Koalition ihn stürzte, und die auch aus sehr vielen
Nichtbonapartisten, ehemaligen Orleanisten usw. bestand; dann die
offenbare Stimmung der konservativen Bourgeoisie _en masse_,[14] die
weit günstiger für den Napoleon ist wie früher. Die Masse dieser Kerls
will jetzt unbedingt weder orleanistische noch legitimistische
Restaurations-Intrigen; _les solutions les embêtent_,[15] und was sie
wollen, ist der Schlendrian der präsidentiellen Gegenwart. Die Kerls
sind weder royalistisch, noch republikanisch, noch imperialistisch,
sondern präsidentiell; das schönste aber dabei ist, daß diese süße
Unbestimmtheit nur möglich ist bei der Masse selbst, und daß jeder, der
sich als offizieller Repräsentant dieser Richtung geltend machen wollte,
doch binnen sechs Monaten wieder aus der Neutralität und in eine
bestimmte royalistische oder imperialistische Fraktion getrieben würde.
Übrigens habe ich hier von französischen Blättern nur die Débats und den
Charivari, der einem indes hier wieder leider Gottes witzig vorzukommen
anfängt, _grce à l’esprit exquis du peuple dans ces parages_.[16]

Von einem stupiden ungarischen Flüchtling, der mir hier dieser Tage
zwischen die Beine lief, hörte ich, daß diese edle Sorte wieder von
Mordkonspirationen und Emeuten bei Gelegenheit der _great
Exhibition_[17] faselt. Mir schien es fast, als vernähme ich aus diesem
Gepolter die heroische Stimmung der Stürmer von London, Willich und
Barthélemy. Man entrinnt übrigens den Geistern nicht: neulich
redet mich ein Kerl auf der Straße an, und siehe, es war ein
Greatwindmillstreet-Flüchtling, der in Liverpool eine Stelle hat. „Und
nähme ich Flügel der Morgenröte und flöge ans äußerste Meer“, so würde
ich der Bande nicht entrinnen.

Die hiesigen Freetrader benutzen die Prosperität oder Halbprosperität,
um das Proletariat zu kaufen, und John Watts ist der Makler dabei. Du
kennst den neuen Cobdenschen Plan: eine National Free School
Association, um eine Bill durchzusetzen, wodurch die _townships_[18]
bevollmächtigt werden sollen, sich Lokalsteuern aufzulegen zur
Errichtung von Schulen. Das Ding wird famos poussiert. In Salford ist
außerdem schon eine Free Library und ein Museum eingerichtet –
Leihbibliothek und Lesezimmer gratis. In Manchester ist die Hall of
Science – und hier war Watts, wie der Herr Mayor von Manchester
gnädigst anerkannte, wirklich der Makler – von einem Komitee aus dem
Ertrag öffentlicher Sammlungen (zirka 7000 Pfund Sterling sind zusammen)
aufgekauft und wird ebenfalls in eine Free Library verwandelt. Ende Juli
soll die Geschichte – mit 14 000 Bänden _to begin with_[19] – eröffnet
werden. Alle Meetings und Versammlungen zu diesem Zwecke erschallen vom
Lobe der Arbeiter, und speziell von dem des braven, bescheidenen,
nützlichen Watts, der mit dem Bischof von Manchester jetzt auf dem
besten Fuße steht. Ich freue mich schon auf den Ausbruch der Entrüstung
über den Undank der Arbeiter, der beim ersten _shock_[20] von allen
Seiten losplatzen wird.

Mein Herr Alter hat mir dieser Tage einen angenehmen Brief geschrieben,
worin er den Wunsch ausspricht, daß ich auf unbestimmte Zeit, das heißt
solange der Tuck mit den Ermens dauert (und das kann bis 1854 sein),
hier bleibe. Mir natürlich sehr angenehm, _s’il me paie bien mon
ennui_.[21] Ich lasse mir das natürlich nicht merken, bringe dem
„Geschäft“ dies „Opfer“ und erkläre mich bereit, „die Entwicklung der
Verhältnisse hier vorderhand abzuwarten“. Nächsten Sommer kommt er her,
und ich werde ihm dann mich so unentbehrlich zu machen suchen, daß er
auf alles eingehen muß.

Grüße Deine Frau und Kinder herzlich.

                                                            Dein F. E.

Particulars bei der Post Office Ordre[22] wie früher.

----------

   [1] Die festländische Demokratie.

   [2] Finanzreformer. [So nannten sich die radikalen Freihändler, die
   neben den Schutzzöllen auch die meisten Finanzzölle abschaffen und
   durch Steuern auf Bodenwerte, Erbschaften usw. ersetzen wollten.]

   [3] Es schön abbekommen.

   [4] Lafayette und die Julirevolution.

   [5] Geschichte der zehn Jahre. [Louis Blancs Buch über die
   Julirevolution und die ersten Regierungsjahre Louis Philipps.]

   [6] Zehn Jahre.

   [7] Angriffe des Papstes.

   [8] Männer, Leute.

   [9] [Parlaments-]Mitglieder.

   [10] Fahnenschwenken, Aufputzerei.

   [11] Hohe Politik.

   [12] Wer weiß?

   [13] Das schöne Frankreich.

   [14] In der Masse.

   [15] Die Lösungen sind ihnen unbequem.

   [16] Dank dem feinen Geiste des Volkes in diesem Landstrich.

   [17] Große Ausstellung.

   [18] Städteverwaltungen.

   [19] Zum Anfang.

   [20] Stoß, Auflehnung.

   [21] Wenn er mir meine Langeweile gut bezahlt.

   [22] Einzelheiten bei der Postanweisung.


                                   55

                                                     10. Februar 1851.

Lieber Engels!

Als Du schriebst, es sei bald Zeit, den Louis Blanc anzugreifen, warst
Du mindestens ein _clairvoyant_.[1]

Nun horche auf folgende Geschichtserzählung:

Vor einigen Tagen, ungefähr einer Woche, begegnet mir Landolphe, und ich
merkte an der verlegenen Art, worin er mich und meine Frau grüßte, daß
etwas „faul“ war im Zustand unseres _ami chevaleresque_, unseres Bayard
von der Montagne. _Eh bien!_[2] _Landolphe und Louis Blanc_ haben sich
mit dem Komitee _Willich-Schapper_ vereint, aus dem Herr Adam
ausgetreten ist! Und vierzehn Tage vorher schimpfte Landolphe noch
weidlich über Barthélemy und erzählte ich ihm die Affäre der Herren
Willich und Schapper. _Qu’en dis-tu?_[3] Mit keinem Worte haben die
Biedermänner mich vorher unterrichtet.

Du stellst Dir leicht vor, wie Willich und Schapper in ihrer Vorstellung
gewachsen sind und wie sie uns geschlagen wähnen!

Aber wir werden sie anders schlagen. Wir sind auf dem kürzesten Wege,
den Unteroffizier und Zimmermann Willich _verrückt_, _literaliter_[4]
verrückt zu machen.

Du erinnerst Dich des Briefes, den Schramm im Namen von Becker [in Köln]
an Willich schrieb, worin er ihm die Militärdiktatur anbot, die Presse
abschaffte und leichte Schlagschatten auf Schappers Moralität warf.

_Eh bien!_ Willich ist in die Falle gegangen. Er hat Becker bombardiert
mit Briefen, er hat auch schon einen Emissär zur Absendung bereit, hat
sich ganz schon das herrische Wesen eines Cromwell II. angeeignet, ist
auffahrend geworden, duldet keinen Widerspruch mehr und hat dem Becker
den Auftrag gegeben, eine Revolution in Köln zu machen, wonach er sich
bereit erklärt, die oberste Leitung zu übernehmen. Ich werde von Becker
in einigen Tagen die Briefe von Willich erhalten und dann die Minen
springen lassen.

Hier ganzer Schwarm von neuem demokratischen Gesindel, aus Brüssel
vertriebene Franzosen, Heise aus Kassel, Oppenheim aus Brüssel, Günther
aus Frankfurt usw. Von letzteren jedoch habe ich glücklicherweise keinen
gesehen.

Du hast doch meinen letzten Brief erhalten?

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Hellseher.

   [2] Ritterlicher Freund ... Bayard der Bergpartei. Wohlan.

   [3] Was sagst Du dazu?

   [4] Wörtlich.


                                   56

                [Ohne Monats- und Jahresangabe.] Mittwoch [undatiert].

Lieber Marx!

Ich finde eben Deinen Brief zu Hause und benutze gleich die heutige
Post, Dir anzuzeigen, daß ich es Ende dieser oder spätestens Anfang
nächster Woche möglich machen werde, Dir die 1 Pfund 10 Schilling für
Landolphe zu schicken, damit diese jetzt nicht länger fortzuziehende
Geschichte aus der Welt kommt. _Notre ami_[1] Landolphe hat sich
abermals als ein altes Weib bewiesen, und die alberne Zwergseitelkeit
des superklugen Louis Blanc entwickelt sich in einer Weise, die den
erhabenen Knirps wirklich zum reinen Narren stempelt. _C’est bien._[2]
Man sieht mehr und mehr ein, daß die Emigration ein Institut ist, worin
jeder notwendig ein Narr, ein Esel und ein gemeiner Schurke wird, der
sich nicht ganz von ihr zurückzieht und dem die Stellung des
unabhängigen Schriftstellers, der auch nach der sogenannten
revolutionären Partei den Teufel fragt, nicht genügt. Es ist eine reine
_school of scandal and of meanness_,[3] worin der letzte Esel zum ersten
Vaterlandsretter wird.

Harney kriegt heute drei Artikel, einleitungsweise, etwas weitläufig,
hier und da mit einer gelinden Andeutung besäet. Was bei der Sache fatal
ist, ist dies, daß man für die englischen Proletarier und das Publikum
Harneys schwerlich den Ledru-Rollin und Komp. angreifen kann, ohne sich
mit der Clique Willich-Barth[élemy] wenigstens zum Teil zu
identifizieren. Es wird nichts übrigbleiben, als dieser Clique
schließlich einige besondere Artikel zu widmen. Diese ersten drei
Artikel enthalten noch nichts, sie sind mehr geschrieben um Harneys
willen, _to put him in the right track_,[4] als zu irgend einem anderen
Zwecke.

Die Geschichte mit Willich ist _impayable_.[5] _Sorge nur, daß Du die
Briefe erhältst._ Ich möchte die sittliche Entrüstung sehen, wenn die
Bombe platzt. Ihr scheint seit einiger Zeit wieder gute Kundschafter in
der G. W. [Great Windmillstreet] zu haben, _cela ne fait pas de mal_[6]
und verschafft wenigstens Erheiterung. Ich gestehe, ich hätte den Kerl
kaum für so dumm gehalten. Er wird übrigens jetzt erst recht in hellen
Flammen sein, seit die preußischen Ministerialblätter den Krieg gegen
die Schweiz in Aussicht stellen, und die Gardereserven, wie ihnen auf
der Parade mitgeteilt, gerade deswegen unter den Waffen erhalten werden.
Die Regierungen der heiligen Allianz arbeiten wirklich diesen
phantastischen Eseln in unverantwortlicher Weise in die Hände, und wenn
Palmerston nicht wäre, so könnte die nächste „Emanzipation der
allgemeinen Dummheit“ wirklich sechs Monate zu früh zur Welt kommen.

Deine neueste ökonomische Entdeckung unterliegt gegenwärtig meiner
ernstlichsten Erwägung. Ich habe heute keine Zeit, mich weiter darauf
einzulassen, die Sache scheint mir aber ganz richtig zu sein. Aber mit
Zahlen ist nicht zu spaßen, und deshalb überlege ich das Ding genau.

_Quelle bête que ce Louis Napoléon!_[7] Verkauft seine Wahlgesetzzweifel
an die Versammlung und sich selbst an Montalembert für 1 800 000
Franken, die er schließlich doch nicht kriegt. Mit so einem Abenteurer
ist doch gar nichts anzufangen. Läßt er sich vier Wochen von gescheiten
Intriganten dirigieren, so muß er ganz gewiß in der fünften Woche alles
Durchgesetzte auf die albernste Weise wieder zuschanden machen. _Aut
Caesar aut Clichy!_[8]

Neulich stifteten wir hier eine neue _Chartist Locality_.[9] Diese
Engländer sind innerhalb der demokratischen Formen viel gewissenloser
als wir redlichen timiden Deutschen. Unser waren dreizehn, und es wurde
sogleich beschlossen, einen _council_[10] zu wählen aus dreizehn
Mitgliedern, nämlich den Anwesenden. Darauf schlug jeder einen der
Anwesenden vor, und da ich natürlich dankte, jemand an meiner Stelle
einen Abwesenden, und in weniger als fünf Minuten hatten sich die
privaten Gentlemen in einen _council_ verwandelt, und doch war jeder
gewählt, und dies ergötzliche _proceeding passed off very seriously and
as a matter of course_.[11] Was aus der Geschichte wird, werde ich
nächstens sehen. Für heute prosit

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Unser Freund.

   [2] Das ist gut.

   [3] Schule des Klatsches und der Niedertracht.

   [4] Um ihn auf die rechte Fährte zu bringen.

   [5] Unbezahlbar.

   [6] Das schadet nichts.

   [7] Was für ein [dummes] Tier, dieser Louis Napoleon.

   [8] Entweder Cäsar [das heißt Kaiser] oder [ins Schuldgefängnis zu]
   Clichy.

   [9] Chartistischer Ortsverein.

   [10] Rat, Vorstand.

   [11] Prozedur verlief in vollem Ernst und als eine
   selbstverständliche Geschichte.


                                   57

                                                     11. Februar 1851.

Lieber Engels!

_Iterum Crispinus!_[1]

Soeben erfahre ich, daß heute abend ein Meeting stattfand in Tottenham
Court Road für den Tod _Bems_. Auf der Tribüne saßen _Präsident_
Schapper usw., Louis Blanc und die übrigen Mitglieder des neuen
Völkerbundkomitees. Unter den vordersten Reihen des Auditoriums saß
Harney mit Frau. Das Hauptgros desselben bildete die Great
Windmillstreet. Schapper hielt mit Beifall, in englischer Sprache, seine
unvermeidliche Rede: _war to the knife_![2] Louis Blanc sprach nicht
besser. _Vive la guerre!_[3] Tausenau auch zugegen, sprach über Bem.
Harney hielt eine lange und, wie man sagt, gute Pauke, worin er
schließlich Blanqui, Barbès und zu guter Letzt Louis Blanc als den
sozialistischen Messias leben ließ.

_Qu’en dis-tu?_[4]

Wenn Du in einem Meeting, präsidiert von Th. Clark Esq., aufträtest und
durch Deine Gegenwart und Deine Rede das Gewicht des Meetings eigentlich
erst machtest, würde Freund Harney das für loyal halten?

Es genügt also nicht, daß er in seinem Friend of the People den Ruge
poussiert, er muß indirekt auch noch die Schapper-Willich poussieren.

Er hatte mich vorigen Sonntag rufen lassen. Der Zweck war, Jones zu
Annahme des Titels „Friend of the People“ zu bewegen. Ich bin nicht
gegangen. Er mag sich zu diesem Zwecke an Louis Blanc, Landolphe,
Schapper oder Willich wenden. Ich bin _fatigué_[5] von diesem
öffentlichen Weihrauch, womit Harney nicht müde wird _les petits grands
hommes_[6] einzuräuchern.

Abgesehen von diesem Inzidenz, daß auch Du _Brute_ (Harney), wenn nicht
Partei gegen uns nimmst, wenigstens den Unparteiischen spielst, während
Engels für Dich in Manchester wirkt, Eccarius an Deinem Blatt schreibt,
und ich gelegentlich den Jones für Dich bearbeite – abgesehen davon,
gefällt mir sehr die öffentliche, authentische Isolation, worin wir
zwei, Du [Engels] und ich, uns jetzt befinden. Sie entspricht ganz
unserer Stellung und unseren Prinzipien. Das System wechselseitiger
Konzessionen, aus Anstand geduldeter Halbheiten, und die Pflicht, vor
dem Publikum seinen Teil Lächerlichkeit in der Partei mit all diesen
Eseln [auf sich] zu nehmen, das hat jetzt aufgehört. Nun, auch auf diese
Zeilen bitte ich Dich bald zu antworten. Ich komme hier fast nur mit
Pieper zusammen und lebe ganz zurückgezogen. Du begreifst also, wie ich
Dich um so mehr hier vermisse und das Bedürfnis habe, mich mit Dir
auszusprechen.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Krispin aufs neue.

   [2] Kampf bis aufs Messer.

   [3] Es lebe der Krieg.

   [4] Was sagst Du dazu.

   [5] Müde, satt.

   [6] Kleinen Großhanse.


                                   58

                                         Donnerstag, 13. Februar 1851.

Lieber Marx!

Ich erwartete diese Geschichte wegen Harney ziemlich sicher. Ich fand
die Anzeige des Bem-Meetings im Friend of the People, worin es hieß, daß
sich die Deutschen, Franzosen, Polen und Ungarn, sowie die _fraternal
Democrats_[1] dabei beteiligen würden, und daß die W(indmill)street und
Komp. sein mußte, war klar. Ich vergaß, Dich früher auf diese Annonce
aufmerksam zu machen. Es ist mir heute nicht möglich, etwas Weiteres in
der Sache zu tun. Morgen aber schreibe ich einen Brief an Harney, der
ihm anzeigt, daß er das Manuskript, das ich ihm geschickt habe, nicht
drucken soll, da ich es nicht fortsetzen werde, und worin ich ihm zu
gleicher Zeit die ganze Geschichte ausführlich auseinandersetze. Wenn
dieser Brief nicht hilft, so muß man die ganze Sauce fallen lassen, bis
Herr Harney von selbst wiederkommt, was sehr bald geschehen wird. Ich
vermute sehr stark, daß er in kurzem herkommen wird, wo ich ihn gehörig
zwischen nehmen werde. Er soll endlich merken, daß man auch mit ihm
Ernst macht. Jedenfalls, um Zeit und doppeltes Schreiben zu ersparen,
werde ich Dir den Brief schicken, und wenn Du ihn gelesen hast, laß ihn
ihm so rasch wie möglich zukommen.

_Persönlich_ ärgert mich diese Albernheit und Taktlosigkeit von Harney
mehr als irgend etwas anderes. _Au fond_[2] kommt auch darauf nichts an.

Wir haben jetzt endlich wieder einmal – seit langer Zeit zum erstenmal
– Gelegenheit, zu zeigen, daß wir keine Popularität, keinen
_support_[3] von irgend einer Partei irgend welches Landes brauchen, und
daß unsere Position von dergleichen Lumpereien total unabhängig ist. Wir
sind von jetzt an nur noch für uns selbst verantwortlich, und wenn der
Moment kommt, wo die Herren uns nötig haben, sind wir in der Lage,
unsere eigenen Bedingungen diktieren zu können. Bis dahin haben wir
wenigstens Ruhe. Freilich auch eine gewisse Einsamkeit – _mon Dieu_,[4]
die habe ich hier in Manchester seit drei Monaten bereits genossen und
mich daran gewöhnt, und dazu als reiner Junggeselle, was jedenfalls hier
sehr langweilig ist. Wir können uns übrigens im Grunde nicht einmal sehr
beklagen, daß die _petits grands hommes_[5] uns scheuen; haben wir nicht
seit soundso viel Jahren getan, als wären Krethi und Plethi unsere
Partei, wo wir gar keine Partei hatten, und wo die Leute, die wir als zu
unserer Partei gehörig rechneten, wenigstens offiziell, auch nicht die
Anfangsgründe unserer Sachen verstanden? Wie passen Leute wie wir, die
offizielle Stellungen fliehen wie die Pest, in eine „Partei“? Was soll
uns, die wir auf die Popularität spucken, die wir an uns selbst irre
werden, wenn wir populär zu werden anfangen, eine „Partei“? Wahrhaftig,
es ist kein Verlust, wenn wir nicht mehr für den „richtigen und
adäquaten Ausdruck“ der Bornierten gelten, mit denen uns die letzten
Jahre zusammengeworfen hatten.

Eine Revolution ist ein reines Naturphänomen, das mehr nach
physikalischen Gesetzen geleitet wird, als nach den Regeln, die in
ordinären Zeiten die Entwicklung der Gesellschaft bestimmen. Oder
vielmehr, diese Regeln nehmen in der Revolution einen viel
physikalischeren Charakter an, die materielle Gewalt der Notwendigkeit
tritt heftiger hervor. Und sowie man als der Repräsentant einer Partei
auftritt, wird man in diesen Strudel der unaufhaltsamen
Naturnotwendigkeit hineingerissen. Bloß dadurch, daß man sich
independent hält, indem man der _Sache_ nach revolutionärer ist als die
anderen, kann man wenigstens eine Zeitlang seine Selbständigkeit
gegenüber diesem Strudel behalten, schließlich wird man freilich auch
hineingerissen.

Diese Stellung können und müssen wir bei der nächsten Geschichte
einnehmen. Nicht nur keine offizielle _Staats_stellung, auch solange wie
möglich keine offizielle _Partei_stellung, kein Sitz in Komitees usw.,
keine Verantwortlichkeit für Esel, unbarmherzige Kritik für alle, und
dazu jene Heiterkeit, die sämtliche Konspirationen von Schafsköpfen uns
doch nicht nehmen werden. Und das können wir. Wir können der Sache nach
immer revolutionärer sein als die Phrasenmacher, weil wir etwas gelernt
haben und sie nicht, weil wir wissen, was wir wollen und sie nicht, und
_because, after what we have seen for the last three years, we shall
take it a great deal more coolly than any one who has an interest in the
business_.[6]

Die Hauptsache für den Moment ist: die Möglichkeit, unsere Sachen zum
Druck zu bringen; entweder in einer Vierteljahrsschrift, wo wir direkt
attackieren und uns den _Personen_ gegenüber unsere Position sichern;
oder in dicken Büchern, wo wir dasselbe tun, ohne nötig zu haben, irgend
eine dieser Spinnen auch nur zu erwähnen. Mir ist beides recht; auf die
Dauer und bei der zunehmenden Reaktion scheint mir die Möglichkeit für
ersteres abzunehmen und letzteres mehr und mehr unsere Ressource zu
werden, worauf wir uns werfen müssen. Was wird aus allem Klatsch und
Tratsch, den der gesamte Emigrationspöbel auf Deine Rechnung machen
kann, wenn Du mit der Ökonomie darauf antwortest?

Morgen den Brief für Harney. _En attendant salut._[7]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Brüderliche Demokraten.

   [2] Im Grunde.

   [3] Unterstützung.

   [4] Mein Gott.

   [5] Die kleinen großen Leute [beziehungsweise Gernegroße].

   [6] Weil wir nach dem, was wir in den letzten drei Jahren gesehen
   haben, die Sache viel kühler hinnehmen werden als irgend jemand, der
   bei der Geschichte persönlich interessiert ist.

   [7] Inzwischen Gruß.


                                   59

                                             London, 23. Februar 1851.

Lieber Engels!

Du hast seit einer Woche keine Nachricht von mir erhalten, einmal weil
ich die Dokumente von Köln erwartete und sie Dir mitteilen wollte, dann
weil ich nähere Details über unseren „Exfriend“ abwarten mußte. Die
ersteren sind noch nicht gekommen. Über letzteren bin ich jetzt näher
instruiert.

Harney hat Deinen Brief richtig erhalten.

                   *       *       *       *       *

Nun zu unserem Dear [Harney]!

Er hat sich keineswegs begnügt, am Meeting der Leute teilzunehmen. Nein.
Er hat ihr Bankett vom 24. Februar, was ohne ihn vollständig in den
Sumpf gefallen wäre, zu einem _Londoner Ereignis_ gemacht. Es sind schon
tausend Karten verkauft zu dem Bankett, das in der City stattfindet.
Harney hat den _größten Teil der Karten_ vertrieben, wie Jones mir
vorgestern sagte. O’Connor, Reynolds, Hunderte von Chartisten nehmen
teil. Harney hat sie zusammengetrieben. Er ist den ganzen Tag _en
route_,[1] um die Orders von Louis Blanc auszuführen, wie Jones mir
ebenfalls sagte.

Er hat sogar eine kleine Perfidie gegen Jones begangen, indem er ihn das
Manifest von Louis Blanc und Komp. übersetzen ließ und ihn dann fragte,
ob er etwas dagegen habe, daß er als Übersetzer genannt werde? Es war
dies am Mittwoch. Er hatte also schon Deinen Brief, von dem er kein Wort
gegen Jones fallen ließ. Jones sah in seiner Frage also bloß einen
Appell an seine eigene „sozialistische“ Gesinnung – und sagte
natürlich, er habe nichts dagegen.

Jones erklärte mir, auf meine Erörterungen hin werde er wahrscheinlich,
er könne es nicht gewiß sagen, sich von dem Bankett enthalten. Was seine
Entscheidung schwankend machte, ist sehr rationell. Kommt er nicht, so
verliert er an Popularität, da, dank dem Dear, dies Bankett zu einer
Chartistenangelegenheit geworden ist. Er fürchtet zugleich, Reynolds
möge hinter seinem Rücken intrigieren.

Jones mißbilligt das Betragen des Dear, den ich nicht „wiedergesehen“.
Er suchte es damit zu entschuldigen, daß die Chartisten, wenn sie an
keinem der beiden Banketts teilnehmen, der politischen Apathie oder
Antipathie gegen die ausländischen Revolutionäre beschuldigt würden. Ich
habe ihm geantwortet: so hätte[n] Harney usw. ein Chartistenmeeting zur
Feier des unvermeidlichen 24. Februar abhalten sollen, statt sich zum
Piedestal für einen Zwerg zu machen und für ein Halbdutzend Kamele,
einen Zwerg, der den Harney nie anders als „brave _garçon_“[2]
tituliert, und der, wenn morgen eine Bewegung in London ausbricht, nach
einem Jahre oder nach zwanzig Jahren aktenstücklich beweisen wird, daß
er diese _pauvres Anglais dans la route du progrès_[3] geworfen hat, und
dies [?] liegt zwischen 1688 und dem 24. Februar 1851, wo Louis Blanc
ganz London ebenso nach sich rufen hörte, wie damals die 50 000 Arbeiter
im Hofe der Réforme, der nicht 50 Mann faßt. Und wieviel falsche Tränen
wird er zu Papier bringen über dies noch nie dagewesene Ereignis!

Harney hat sich in diese Geschichte hereingeritten einmal aus dem
Bewunderungstrieb für offizielle große Männer, den wir schon früher oft
verlacht haben. Dann liebt er die theatralischen Effektstücke. Er ist
unbedingt gefallsüchtig, ich will nicht sagen _vaniteux_.[4] Er ist
selbst unstreitig tief von der Phrase beherrscht und entwickelt sehr
reichhaltige pathetische Gase. Steht tiefer im demokratischen Dreck, als
er Wort haben will. Er hat einen doppelten _spirit_[5], einen, den ihm
Friedrich Engels gemacht hat, und einen, der ihm leibeigen ist. Der
erstere ist eine Art Zwangsjacke für ihn. Der letztere ist er selbst _in
puris naturalibus_.[6]

Was diesem Meeting noch besonderes Gewicht gibt, ist die Aufregung, die
in London herrscht infolge Abtritts des _little_ Johnny[7] und des
_avènement_ von Stanley-d’Israeli.[8]

Die Frenchmen[9] fürchten nichts mehr als eine allgemeine Amnestie. Sie
würde sämtlichen hiesigen Bretterhelden den Nimbus rauben.

A. Ruge hat versucht, mit Struve, Kinkel, Schramm, Bucher usw. einen
„Volksfreund“ oder, wie unser Gustav [Struve] wollte, einen „Deutschen
Zuschauer“ zustande zu bringen. In den Sumpf gefallen. Teils wollten die
anderen das Protektorat Winkelrieds [Ruges] nicht, teils, wie der
„gemütliche“ Kinkel, verlangten sie bare Zahlung, _ce qui ne fait pas le
compte de Mr. Ruge_.[10]

K. Heinzen ist Chefredakteur der bankrotten New Yorker Schnellpost und
hat eine schaurige Polemik mit Weitling eröffnet.

Du wirst sehr wohltun, einmal und bald an den Nathan [Roten] Becker in
New York zu schreiben und ihn _sur l’état actuel des choses_[11] zu
unterrichten.

Einliegend ein Brief von Dronke. Schicke ihn mir umgehend zurück; wenn
Du selbst dazu schreiben willst, _tant mieux_.[12]

Durch Deine Sendung hast Du mir einen großen Dienst getan.

Einiges über die französische Literatur von 1830 bis 1848 in meinem
nächsten Briefe.

Schreibe mir auch, ob meine Rechnung richtig ist.

                                                            Dein K. M.

Übrigens muß man jetzt – denn der Dear wird wiederzukommen suchen,
sobald er die Haupt- und Staatsaktion hinter sich hat – ihn sehr
vornehm traktieren und ihn fühlen lassen, daß er „verloren“ hat.

Apropos. Harney hat sich in eine Chartistendeputation nach der
Churchstreet wählen lassen, wo er zuerst sein Entree machen wird, um
dann nach der City zu gehen, wo er sich häuslich niederlassen wird. Daß
er übrigens die Sache nicht aus Naivität getan, geht schon daraus
hervor, daß er alles _hinter meinem Rücken_ mit dem _„bel“ homme_
betrieb und _Dir_ ebenfalls _nichts_ mitgeteilt [hat].

----------

   [1] Unterwegs.

   [2] Braver Junge.

   [3] In die Bahn des Fortschritts.

   [4] Eingebildet.

   [5] Geist.

   [6] In reiner Nacktheit.

   [7] Kleiner John [Russell].

   [8] Aufrücken von Stanley-d’Israeli.

   [9] Franzosen.

   [10] Was nicht in die Rechnung des Herrn Ruge paßt.

   [11] Gegenwärtiger Stand der Dinge.

   [12] Um so besser.


                                   60

                                28 Deanstreet, Soho, 24. Februar 1851.

Lieber Engels!

Es ist jetzt ein Uhr nachts. Vor einer Stunde ungefähr stürzt Pieper
hier herein, ohne Hut, zerzaust, zerrissen. Die Sache verhält sich wie
folgt.

Heute abend fand das Meeting oder Bankett in der City statt. _Willich
präsidierte_. Jones war seinem Versprechen gemäß nicht hingegangen.
Unser Dear trug ein rotes Bändchen. Anwesend an 700 Mann, 150 Franzosen
ungefähr, 250 Deutsche, 200 Chartisten und der Rest Polen und Ungarn.
Blanc las die ihm von seinen Gebrüdern [?] aus Paris zugekommenen
Adressen ab. Willich eine aus La Chaux de Fonds. Aus Deutschland hatten
sie keine. Außerdem wurde eine Adresse von Polen aus Paris verlesen.

Die Reden sollen spottschlecht gewesen sein, überhaupt trotz aller
_fraternité_ der Tau der Langeweile auf den Gesichtern und an den Zungen
geklebt haben.

Schramm und Pieper hatten Karten gelöst, um sich den Ulk anzusehen. Sie
wurden von vornherein molestiert. Schramm ging zu einem der
Ordnungshalter, dem braven chevaleresken Landolphe, und ersuchte ihn,
ihnen für ihr Geld wenigstens Ruhe zu verschaffen. Der Brave erwiderte,
es sei nicht der Ort, hier auf Auseinandersetzungen einzugehen.

_By and by_[1] dauerte es den Great Windmillstreetern zu lange. Sie
riefen: „_spy, spy_“,[2] [unlesbar] und nun wurden Schramm und Pieper
aus dem Saale herausgeprügelt, ihre Hüte zerrissen und vor dem Saale im
Hofe mit Füßen getreten, gestampft, geohrfeigt, beinahe in Stücke
zerrissen, Haarbüschel ihnen ausgerissen usw. Barthélemy kommt hinzu und
sagt von Schramm: _C’est un infme! Il faut l’écraser._[3] Schramm
erwidert: _Vous êtes un forçat libéré_.[4]

An der Keilerei nahmen an 200 Subjekte teil, Deutsche, Franzosen und die
Herren _fraternals_ nicht minder „tapfer“ gegen zwei Unbewaffnete.

_Post festum_ läßt sich der Dear [Harney] sehen, und statt energisch
aufzutreten, wie es sich gebührte, stottert er, daß er die Leute kennt
und will sich auf lange Expositionen einlassen. Natürlich schönes Mittel
in solchem Moment.

Die beiden haben sich löwenmütig verteidigt.

Die Windmiller schrien: Der hat unserer Kasse 19 Schilling gestohlen.

Soviel für heute. _Qu’en dis-tu, mon cher?_[5] Wenn morgen eine
Revolution in London ausbricht, werden Willich-Barthélemy unfehlbar zur
Herrschaft kommen.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Nach und nach, mit der Zeit.

   [2] Spion, Spion.

   [3] Das ist ein Schandbube, man muß ihn zertreten.

   [4] Sie sind ein entlassener Sträfling.

   [5] Was sagst Du dazu, mein Lieber.


                                   61

                    [Ohne Jahresangabe.] Dienstag, 25. Februar [1851].

Lieber Marx!

Gestern vor acht Tagen schickte ich Dir einen Brief für Harney und habe
seitdem keine Antwort von Dir, was mich einigermaßen in Verlegenheit
setzen könnte, wenn ein Brief von Harney, der jeden Tag ankommen kann,
rasche Beantwortung erfordern sollte, oder wenn die Unterhandlungen der
hiesigen neuen Chartistenclique, wegen eines Besuchs Harneys hier, zum
Ziele führten und er mir eines schönen Morgens auf die Kneipe gerückt
käme. Ich hoffe, daß Du alles richtig erhalten hast und daß es nicht
Unwohlsein ist, was Dich vom Schreiben abhält. Vielleicht sagt Dir der
Brief nicht zu oder die Manier, mit der ich ohne weitere Beratung mit
Dir sofort auf eigene Faust handelte. Aber gerade deswegen schickte ich
ihn Dir ja, und hattest Du etwas auszusetzen, so war nichts einfacher,
als dem Harney einfach sagen zu lassen, er solle vorderhand meinen
Artikel nicht drucken lassen, und mir den Brief zurückzuschicken nebst
Glossen, _which you know would have had all due attention_.[1]

Jedenfalls bin ich Dir noch seit längerer Zeit die Antwort auf die
Currency-Geschichte[2] schuldig. Die Sache selbst ist meiner Ansicht
nach ganz richtig und wird sehr dazu beitragen, die verrückte
Zirkulationstheorie auf einfache und klare _fundamental facts_[3] zu
reduzieren. Über die Ausführung in Deinem Brief finde ich nur folgendes
zu bemerken:

1. Gesetzt, im Anfang der _period of pressure_[4] stände die Rechnung
der Bank of England, wie Du sagst, 12 000 000 Pfund Deposits[5] und 8
Millionen Bullion oder Coin.[6] Um die überflüssigen 4 Millionen Bullion
loszuwerden, läßt Du sie den Diskontosatz herabsetzen. Ich glaube, daß
sie das nicht zu tun brauchte, und soviel ich mich erinnere, ist die
Herabsetzung des Diskontosatzes im Anfang der _pressure_ bisher nie
vorgekommen. Meiner Ansicht nach würde die _pressure_ sofort auf die
Deposits wirken und sehr bald nicht nur das Gleichgewicht zwischen
Bullion und Deposits herstellen, sondern die Bank zwingen, den
Diskontosatz zu erhöhen, damit das Bullion nicht unter ein Drittel der
Deposits sinkt. In demselben Maße, wie die _pressure_ zunimmt, stockt
auch die Zirkulation des Kapitals, der Umsatz der Waren. Die einmal
trassierten[7] Wechsel verfallen aber und wollen bezahlt sein. Daher muß
das Reservekapital – die Deposits – in Bewegung gesetzt werden – Du
verstehst, nicht _qua_ Currency, sondern _qua_ Kapital, und so wird der
einfache _Drain of Bullion_[8] nebst der _pressure_ von selbst
hinreichen, die Bank von ihrem überflüssigen Bullion zu befreien. Dazu
ist nicht nötig, daß die Bank ihren Zinsfuß unter Verhältnissen
herabsetzt, die den allgemeinen Zinsfuß im ganzen Lande gleichzeitig
steigern.

2. In einer Periode der wachsenden _pressure_ würde, wie ich glaube, die
Bank in demselben Maße das Verhältnis des Bullion zu den Deposits
steigern müssen (um nicht in Verlegenheit zu kommen), in welchem die
_pressure_ zunimmt. Die vier überzähligen Millionen würden ihr ein
gefundenes Fressen sein, und sie würde sie so langsam ausgeben wie nur
möglich. Bei steigender _pressure_ würde, unter Deinen Voraussetzungen,
ein Verhältnis des Bullion zu den Deposits wie 2/5 : 1, 1/2 : 1 und
selbst 3/5 : 1 durchaus nicht übertrieben sein, und um so leichter
durchzuführen, als mit der Abnahme der Deposits auch die Bullionreserve
absolut abnehmen, wenn auch relativ zunehmen würde. Der _run_[9] auf die
Bank ist hier ebenso möglich wie beim Papiergeld und kann durch ganz
gewöhnliche Handelsverhältnisse herbeigeführt werden, ohne daß der
Kredit der Bank erschüttert wäre.

3. „Die Currency wird _zuletzt_ berührt,“ sagst Du. Deine eigenen
Voraussetzungen, daß sie infolge des stockenden Geschäftes berührt wird
und dann natürlich weniger Currency nötig ist, führen zu dem Schlusse,
daß die Currency sich gleichzeitig mit der Aktivität des Commerces
vermindert und ein Teil derselben überflüssig wird in dem Maße, wie die
_pressure_ steigt. _Fühlbar_ wird sie freilich erst am Ende, bei hoher
_pressure_, vermindert; aber im ganzen geht doch dieser Prozeß vom
Beginn der _pressure_ an vor sich, wenn er sich auch nicht tatsächlich
im einzelnen nachweisen läßt. Aber insofern, als dies _superseding_[10]
eines Teiles der Currency _Folge_ der übrigen kommerziellen
Verhältnisse, der von der Currency unabhängigen _pressure_ ist, und alle
anderen Waren und Handelsverhältnisse _vor_ ihr davon betroffen werden,
und ebenfalls insofern diese Abnahme bei der Currency zuletzt
_praktisch_ fühlbar wird, insofern wird sie allerdings zuletzt von der
Krise berührt.

Diese Glossen, wie Du siehst, beschränken sich rein auf Deinen _modus
illustrandi_;[11] die Sache selbst ist vollständig in Ordnung.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Denen, wie Du weißt, alle gebührende Beachtung zuteil geworden
   wäre.

   [2] Currency = Umlaufsmittel, Geldwährung.

   [3] Grundlegende Tatsachen.

   [4] Periode des [Geschäfts-]Drucks.

   [5] Einlagen, Einzahlungen.

   [6] Bullion = ungemünztes Geldmetall, Coin = Metallgeld.

   [7] Gezogenen.

   [8] Abfluß von Geldmetall.

   [9] Ansturm.

   [10] Verdrängung.

   [11] Art der Veranschaulichung.


                                   62

                                           Mittwoch, 26. Februar 1851.

Lieber Marx!

Dein Brief vom 23., gestempelt 25., kam mir heute morgen zu. Adressiere
in Zukunft immer an mich, _care of Messrs._ Ermen & Engels, Manchester.
Die Briefe kommen mir sicherer zu und rascher, da ich oft unregelmäßig
nach Hause komme und die Postbeamten ohnehin zuweilen die nach meiner
Wohnung adressierten Briefe mir ins Comptoir zuschicken, wo ich
jedenfalls einmal per Tag bin. Benutze womöglich die erste Londoner
Abendpost – bis 6 von Charing Croß, oder bis 1/2-6 in den kleinen
Bureaus, die Briefe sind dann sicher den nächsten Morgen um 10 Uhr auf
dem Comptoir.

Den Brief von Dronke hast Du vergessen beizuschließen. Schicke ihn mir
bald, ich möchte ihm schreiben, speziell um die Korrespondenz mit Lupus
wieder anzuknüpfen, von dem ich gar nicht mehr weiß, wo er ist, da ich
auf alle meine Briefe keine Antwort erhalte. Wenn Du vorziehen solltest,
das Porto für auswärtige Briefe sowie die Frankatur nicht zu tragen, so
schicke sie mir zu oder lasse sie an mich adressieren, ich werde es der
Firma zuschieben.

Der Constitutionnel sagt, D’Ester sei aus der Schweiz ausgewiesen und
habe sie bereits verlassen – _en sais-tu quelque chose_?[1]

Dein Atlas ist gerettet. Ich habe mich schließlich geweigert, ihn zu
verkaufen, und behalte ihn einstweilen hier, da ich ihn sehr brauche,
ich lese jetzt die Geschichte des Consulats und Empire in französischen
und englischen Historikern, speziell militärisch. Das Beste, was ich bis
jetzt in dieser _line_[2] gefunden habe, ist W. P. Napiers (jetzt
General) _History of the war in the Peninsula_.[3] Der Kerl hat seine
Marotten wie alle Napiers, aber daneben enorm viel _common sense_[4]
und, was mehr ist, einen sehr richtigen Blick in Beurteilung des
militärischen und administrativen Genies Napoleons. Ein Franzose wäre
rein inkapabel, so ein Buch zu schreiben. Der Thiers steht, was
historische Zuverlässigkeit und selbst richtige Beurteilung angeht,
nicht die Laus höher als der elende Tory Southey, _poet laureate_[5]
selig, der auch eine Schimpf- und Rodomontiergeschichte des spanischen
Kriegs geschrieben hat. Napier streicht nur seinen Obergeneral
Wellington zu sehr heraus, doch bin ich noch nicht weit genug in der
Darstellung avanciert, um definitiv darüber urteilen zu können.

Die Mitteilungen über die _citoyens_[6] Louis Blanc und Harney werde ich
mir _ad notam_ nehmen. Von letzterem habe ich noch nichts gehört. Er muß
es übrigens jedenfalls zu fühlen bekommen, wenn er sich wieder meldet.
Was den kleinen Blanc angeht, so könnte es nicht schaden, wenn wir bei
nächster Gelegenheit einmal seine _œuvres complètes_[7] vornähmen –
Du die _Organisation du travail_ und die _Histoire de la Révolution_,[8]
ich die _Dix ans, sauf à critiquer ensemble l’Association du travail
mise en pratique après Février, et les „Pages d’histoire“_.[9] Ostern
komme ich nach London, und da ließe sich schon einiges machen. Die
Sachen selbst wären in belgischem Nachdruck hier wohlfeil zu haben. Da
mir mein Manöver mit meinem Alten vollständig gelungen ist, wenigstens
bis jetzt, so kann ich mich hier definitiv häuslich niederlassen und
werde mir ohnehin von Brüssel meine Bücher kommen lassen. Wenn Du Dir
vielleicht von Köln einiges kommen zu lassen hast, so lasse mich’s
wissen, ich schreibe dieser Tage an Daniels wegen meiner Sachen, und wir
können es dann in einem Paket machen lassen. _NB._ Alles, nur keine
englischen, auf dem Kontinent nachgedruckten Bücher. Die Entwicklung der
Geschichte mit meinem Alten und das neue Manöver, das ich anspinnen
mußte, einerseits, um meine Unentbehrlichkeit hier zu verlängern, und
zweitens, um mich vor zu großer Überbeschäftigung auf dem Comptoir zu
schützen, erzähle ich Dir mündlich, in sechs Wochen ist ohnehin Ostern,
und die Sache ist umständlich. So viel ist gewiß, daß mein Alter mir das
alles schon in bar bezahlen soll, besonders wenn er erst hier gewesen
ist und ich ihn noch mehr hereingeritten habe. Die Schwierigkeit ist
die: eine offizielle Stellung als Repräsentant meines Alten den Ermens
gegenüber zu bekommen und doch innerhalb der hiesigen Firma _keine_
offizielle Stellung mit Verpflichtung zum Arbeiten und mit Salär von der
Firma zu haben. Ich hoffe es aber durchzuführen, meine Geschäftsbriefe
haben meinen Alten _enchantiert_,[10] und er rechnet mir mein
Hierbleiben als ein großes Opfer an. _Ceci me vaut, ou me vaudra sous
peu, £ 5 additionnelles par mois, sauf additions futures._[11]

                                                            Dein F. E.

Vergiß nicht, mir zur Ergötzung in meiner Einsamkeit die Kölner Witze zu
schicken, sobald Du sie hast und gelesen hast.

----------

   [1] Weißt Du etwas darüber?

   [2] Richtung, Gebiet.

   [3] Geschichte des Krieges auf der Halbinsel [Spanien und Portugal].

   [4] Gesunden Menschenverstand.

   [5] Preisgekrönter Dichter [Hofdichter].

   [6] Bürger.

   [7] Sämtliche Werke.

   [8] „Organisation der Arbeit“ und „Geschichte der [großen
   französischen] Revolution“.

   [9] [Geschichte der] „Zehn Jahre“, neben gemeinschaftlicher Kritik
   der [Art, wie die] „Organisation der Arbeit“ nach dem Februar [1848]
   in die Praxis übersetzt wurde, und der [Schrift] „Seiten aus der
   Geschichte“.

   [10] Entzückt.

   [11] Das bedeutet für mich oder wird in kurzem für mich bedeuten
   fünf Pfund Zulage den Monat, vorbehaltlich späterer Zulagen.


                                   63

                                                     26. Februar 1851.

Lieber Engels!

Ich habe Dir in den Briefen von Pieper und Schramm die Tatsachen von den
Beteiligten selbst erzählen lassen. Du wirst Dir so am besten ein
eigenes Urteil bilden. Unbegreifliche _lcheté_[1] von seiten der 200
_fraternal murderers_, die ihren revolutionären Tatendrang an zwei
einzelnen auslassen, unbegreifliche _lcheté_ des Dear, des Landolphe,
des Louis Blanc usw., ruhig zuzusehen und ihre fraternellen Phrasen zu
memorieren.

Eins noch aus der Unterredung Schramms mit Harney: Harney hob hervor,
daß Schapper ein „langjähriger Bekannter“ von ihm sei und, während wir
in Brüssel gewesen, in sehr intimem Verhältnis mit ihm gestanden.

Apropos. Den _ganzen Rapport_ über das Meeting hatten die Herren Louis
Blanc und Konsorten _schon den Tag vorher_ an ein Pariser Blatt
abgeschickt.

Die gerichtliche Prozedur würde Louis Blanc ruinieren. Du denkst Dir,
welches Fressen für die Times, namentlich da _Barthélemy_, der
_galérien_, der _meurtrier_[2] usw., als Angeklagter und _provocateur à
l’assassinat_[3] erscheinen würde. Barthélemy sagte nämlich mitten in
der Keilszene, auf Schramm zeigend: „_C’est un infme, il faut
l’écraser._“[4] – Das Gerichtliche hat nur _den_ schlimmen Effekt:
Harneys und Jones’ projektiertes Blatt ist Klatsch, Harney und die
Fraternals sind Klatsch, die Times wird jubilieren, Pieper wird seine
Stelle verlieren (er ist nobel genug, nichts danach zu fragen) und
Schramm usw. werden schließlich doch die gesamten Chartisten auf den
Hals brechen. _Que faire?_[5] Ich werde morgen mit Jones darüber
sprechen. Freund Harney scheint sich mit Schapper darauf zu verlassen,
daß die Sache ruhig vorübergeht. Er hat es daher nicht der Mühe wert
gehalten, die nötigen _steps_[6] uns gegenüber zu tun und die nötigen
Konzessionen zu machen. Der Esel erschwert so die Situation. Ungerochen
kann man diesen Dreck doch nicht vorübergehen lassen.

Wenn Harney Dir schreibt, nimm Dich nur vor einem in acht. Du hast in
Deinem Brief zu sehr verweilt auf der theoretischen Kritik Ledru-Rollins
und Louis Blancs. Harney macht jetzt, als verlangten wir, daß er unsere
_queue_[7] bilden solle. Es ist ihm vor allem vorzuhalten:

1. daß es sich _ganz allein_ handelt um sein Verhältnis zu Schapper und
Willich, indem er unseren direkten persönlichen hundskommunen Feinden
sich als _Anhang_ konstituiert hat und, so viel Gewicht er hat, für sie
gegen uns in die Wagschale vor Deutschland geworfen. Und hatte er nicht
_mit uns schriftlich_ die Verbindung mit Vidil, mit Barthélemy und mit
Willich abgebrochen? Und wie konnte er sie aufnehmen ohne uns, _hinter
unserem Rücken_ und _wider_ unseren Willen! Wenn das fair ist, so
begreife ich es nicht.

2. Er hat _uns verleugnet_, indem er _nach_ dem Vorfall mit Schramm und
Pieper nicht sofort öffentlich in dem Meeting eine Revanche gab und dann
sich sofort zurückzog. Statt dessen tut er bei seinen Freunden alles, um
die Sache irrelevant darzustellen.

Einliegend den Brief von Dronke. Du wirst ihm ausführlich die ganze
Schmiere, das Neueste eingeschlossen, schreiben. Ich habe eine Masse
nach Köln, Hamburg usw. zu schreiben.

Wenn heute der Brief nicht frankiert ist, mußt Du entschuldigen. Es ist
zu spät, nach _stamps_[8] auszugehen, und es ist notwendig, daß der
Brief noch heute abend auf die Post kommt.

                                                         Dein K. Marx.

----------

   [1] Feigheit.

   [2] Der Galeerensträfling, der Mörder.

   [3] Aufreizer zum Mord.

   [4] Das ist ein Schandbube, man muß ihn zertreten.

   [5] Was ist zu tun?

   [6] Schritte.

   [7] Schwanz, Anhang.

   [8] Briefmarken.


                                   64

                             [Undatiert, jedenfalls 26. Februar 1851.]

Lieber Marx!

Soeben finde ich Deinen zweiten Brief vor. Ich habe sofort einen zweiten
an Harney geschrieben; wenn Du ihn billigst, laß ihn ihm gleich
zukommen. Diese Schweinerei ist zu arg, und er muß es fühlen. Wenn er
sich mit den anderen assoziiert, _tant pis pour lui, I care the
devil_.[1]

Nachts 1 Uhr. Mittwoch.

                                                            Dein F. E.

Ich habe keine _stamps_,[2] und da ich den Brief jetzt noch zur Post
trage, kann ich ihn nicht mehr frankieren.

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   [1] Um so schlimmer für ihn, ich frage den Teufel nach ihm.

   [2] Briefmarken.


                                   65

                                         Donnerstag, 27. Februar 1851.

Lieber Marx!

Gestern abend 12 Uhr, als ich nach Hause kam und Deinen Brief mit der
Erzählung der Infamie gegen Schramm und Pieper vorfand, schickte ich Dir
sofort einen Brief für Harney. Du wirst diesem Brief, der unsicheren
Handschrift, der pathetischen Entrüstung, dem polternden und stolpernden
Gedankengang und der nicht sehr großen Harmonie des Ganzen angesehen
haben, daß er unter dem Einfluß einiger Gläser starken Rumpunsches
abgefaßt war, die ich den Abend ausnahmsweise zu mir genommen hatte, und
ihn daher nicht abgeschickt haben. _In fact_,[1] ich war so wütend, daß
ich nicht hätte zu Bett gehen können, ohne ihn abzuschicken, und so
rannte ich, mehr um mich selbst zu beruhigen, als in der Absicht, dem
Harney meine Meinung schleunigst zukommen zu lassen, noch um 1 Uhr auf
die Post. Du wirst den Brief heute gegen Mittag bekommen haben, und da
heute vor Abend keine Post ist, so war es mir unmöglich, einen zweiten
Brief vor dem gegenwärtigen abzuschicken. Ich schließe Dir nun einen
verbesserten Brief an Harney bei, den Du ihm zustellen willst, wenn Du,
wie ich hoffe, den ersten noch nicht spediert hast.

Briefe adressiere mir zukünftig wie folgt:

1. Alle Briefe, die Du vor 6 Uhr abends auf das Charing Croß Office,
oder vor 1/2-6 auf die Nebenbureaus besorgst, aufs Kontor (Ermen &
Engels). Ich habe sie dann morgens um 10.

2. Alle Briefe, die Du _nach_ 6 Uhr abends noch aufgibst, nach Great
Duciestreet. Ich habe sie dann nächsten Abend um 6 Uhr, während ich sie
auf dem Comptoir erst den [über]nächsten Morgen haben würde.

Hühnerb[ein] schrieb mir dieser Tage. Mirbach ist glücklich
durchgebrannt und geht von Paris [mit] seiner Frau nach Athen.

                                                            Dein F. E.

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   [1] In der Tat.


                                   66

                                             Freitag 28. Februar 1851.

Lieber Marx!

Heute morgen erst kam Dein Brief von vorgestern an. Hätte ich diese
Details alle schon gestern gehabt, ich hätte dem _dear_[1] Harney noch
ganz anders geschrieben. Aber er wird mir schon kommen, und da werd’
ich’s ihm geben.

Eine gerichtliche Verfolgung dieser Geschichte ernstlich einzuleiten,
könnte, glaube ich, nicht viel nutzen. Abgesehen von Harney und Jones
und den Chartisten, würde die Geschichte auf gegenseitige
Rekriminationen und Anschuldigungen hinauslaufen. Mit Hilfe des ersten
besten Advokaten würden die anderen den Schramm und Pieper die
unverschämtesten Fragen vorlegen lassen, zum Beispiel, ob Schramm nicht
Kassengelder der Great W[indmillstreet] gestohlen usw. usw., die
hinreichen würden, um allen Effekt zu verderben, so energisch sie auch
zurückgewiesen würden. Die Gegenzeugen würden schwören, Schramm habe das
und das gesagt, sie würden auf einige Great Windmillszenen Schramms
zurückkommen und diese ins Kolossale übertreiben, um Schramm als einen
_disturber of public meetings_[2] darzustellen usw., und der
_magistrate_,[3] zu glücklich, die _demagogues_[4] sich gegenseitig als
Schufte traktieren zu sehen, würde alles zulassen, was auf beide
Parteien kompromittierenden Schein werfen könnte. – – –

Und dann wäre die sichere Folge eines solchen Skandals die Einführung
einer neuen Fremdenbill, zum Schutz der honetten Reaktionäre, die vom
Kontinent für die Exhibition kommen.

Gerade Postzeit. Adieu!

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Lieben, teuren.

   [2] Störer öffentlicher Versammlungen.

   [3] Polizeirichter.

   [4] Demagogen, Volksaufwiegler.


                                   67

                                                Samstag, 1. März 1851.

Lieber Engels!

Du mußt ganz absonderliche Postgäule besitzen, da alle meine Briefe zu
spät kommen. – – –

Deine sämtlichen Befürchtungen wegen Skandal richtig. Aber man wird
einen scharfen Advokaten auch seinerseits haben. Etwas mehr oder weniger
Verruf kann dem Schramm ganz gleichgültig sein. Läßt er aber die Sache
auf sich beruhen, jetzt, nachdem die Franzosen der Churchstreet sich
darin eingemischt, so ist er _perdu_,[1] wenn er nicht entweder seine
öffentliche Satisfaktion von den Chartisten erhält oder wenn er die
Sache nicht vor Gericht bringt. Eins von beidem.

Jones, wie ich Dir geschrieben, war nicht auf dem Meeting vom Montag.
Ich hatte mit ihm eine Zusammenkunft in meinem Hause verabredet, stürzte
aber schon Dienstag hin, traf ihn nicht, ließ ihm ein Billett zurück,
doch ja Mittwoch zu kommen. Kam nicht. Ging Donnerstag hin. Wurde
abgewiesen. Ließ ein Billett zurück, worin ich ihn einlud. Kam nicht.
Donnerstag abend schrieb ich ihm einen ausführlichen Brief, worin ruhig,
einfach, klar der ganze Skandal von Anfang an entwickelt, ihm die eklige
Folge in der Perspektive gezeigt, öffentliche Satisfaktion verlangt und
er schließlich aufgefordert wird, mich zu besuchen zur Besprechung.
Kömmt nicht, obgleich er in der Stadt war, auch kein Antwortschreiben
von ihm. Jones ist also offenbar von dem kleinen schottischen
Intriganten bearbeitet, der fürchtet, ihn mit mir zusammenzulassen. Du
siehst also: von seiten der Chartisten keine Aussicht auf öffentliche
Satisfaktion. Bleibt nur die gerichtliche Prozedur. _Adviendra que
pourra._[2] Unangenehm nur, weil Pieper seine Stelle dabei verliert und
wir vielleicht _plus ou moins_[3] den chartistischen Mob auf den Hals
bekommen.

Es ist nur noch Ein Mittel, die Sache zu arrangieren, ohne es zum
äußersten Skandal zu treiben, und das ist, wenn Du _unmittelbar_, aber
ohne Verzug, _herkömmst_. Du könntest bei mir absteigen, da ich jetzt
zwei Zimmer zugemietet. Anderes Mittel, erkläre ich Dir definitiv, gibt
es nicht. Briefe verwirren, verschleppen, richten nichts aus.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Verloren.

   [2] Möge kommen, was da kann.

   [3] Mehr oder weniger.


                                   68

                                                         8. März 1851.

Lieber Engels!

Heute nur ein paar _matter of fact_[1] Zeilen.

Du hast gesehen, die Times hat die Sauce nicht aufgenommen. _Mais ça ne
nous regarde plus._[2]

Harney hatte schon vorgestern morgen an Schramm geschrieben. Der Bummler
ging um 9 Uhr morgens aus und kam um 1 Uhr abends nach Hause. So fand er
den Brief erst gestern.

Harney nimmt seine Erklärung auf. Hat ein genügendes Vorwort dazu
geschrieben. Schreibt dem „_dear_ Schramm“ und erinnert ihn, daß er nun
auch seine Verpflichtung halte und sich nicht an das _police court_[3]
wende – dieses Dokument vis-a-vis den Franzosen.

Gestern brachte die _Patrie_ (heute der Constitutionnel) eine Erklärung
der Herren Blanc, Barthélemy, Schapper, Willich und des ganzen übrigen
Komitees, worin die Herren sagen, Blanqui habe den Toast an kein
Mitglied des Komitees geschickt. Die Patrie bemerkt dazu: sie habe das
nicht aufnehmen wollen, ohne vorher Erkundigungen einzuziehen. Und da
habe ihr denn Herr Antoine – Blanquis Schwager – folgendes
zugeschickt: Der Toast sei dem mitunterzeichneten Barthélemy zugesandt
und der Empfang desselben von ihm bescheinigt worden. Du begreifst,
welches Wehrufen in diesem Lager herrscht!

_Mais ce n’est pas tout._[4]

Wolff schickte also gestern morgen Wdloff [?] mit einem
Originalengländer zu Landolphe. Der Kerl hat sich als dekonzertierter[5]
_Grec_[6] benommen, erst geheult, deklamiert, phrasiert, jouiert,[7] mit
Armen und Beinen auseinandergeschlagen und fiel dann zurück in seines
Nichts durchbohrendes Gefühl der Feigheit. Wird heute abend vor den
elenden _Crapauds_[8] der Churchstreet protokolliert werden.

                                                            Dein K. M.

Ich habe von Becker Willichs Briefe erhalten. Du bekommst sie Dienstag.

----------

   [1] Tatsächlichkeit.

   [2] Aber das kümmert uns nicht mehr.

   [3] Polizeigericht.

   [4] Aber das ist nicht alles.

   [5] Außer Fassung gebrachter.

   [6] Falschspieler.

   [7] Gespielt.

   [8] Kröten, Gesindel.


                                   69

                                                Montag, 10. März 1851.

Lieber Marx!

Heute morgen kommt einliegender Brief von Weerth an, den ich Dir gleich
schicke. Die Geschichte zwischen Schramm und Harney ist also jetzt
gesettled [erledigt]. Wenn Du den Bummler dafür kriegen kannst, laß ihn
jetzt dem Harney eine Kopie der Übersetzung des Blanqui-Toasts
zuschicken, _cela fera son effet_.[1] Es wird überhaupt gut sein, wenn
er, der ja jetzt mit Harney wieder auf dem besten Fuß steht, die
Verbindung mit ihm aufrecht erhält. Harney hat immer ein Blatt. Eine
Kopie des Artikels, der an die Times geschickt war, könnte ebenfalls an
Blanqui nach Belleisle geschickt werden. Schramm sollte in dieser
Angelegenheit nicht zu nachlässig sein – er deckt sich dadurch den
Rücken nach verschiedenen Seiten hin. Morgen Geld.

                                                            Dein F. E.

Barthélemy ist schön blamiert – das ist ein Trost.

Laß Schramm die ganze Historie dem Harney schriftlich mitteilen. Dann
haben wir _given notice_,[2] und das ist immer ein Punkt, der später von
Gewicht sein kann.

----------

   [1] Das wird seine Wirkung haben.

   [2] Kündigung [Warnung] gegeben.


                                   70

                                                        17. März 1851.

Lieber Marx!

Ich habe einen höchst ennuyanten Anfall von Grippe gehabt, der mich zu
allem Vernünftigen und Unvernünftigen unfähig machte, daher mein
Schweigen. Ich konnte Dir bloß die Post Office Ordre vorige Woche
schicken – Du wirst sie erhalten haben. Die 5 Schilling gehören
Lenchen, die gerade abwesend war, als ich mein Exit aus Deinem Hause
machte. Wenn es irgend angeht, schicke ich Dir diese oder spätestens
nächste Woche die 2 Pfund für Hipphipphurra [Harney], Schramm kann sie
ihm hinbringen. Da ich bisher auch von Dir – seit ich Dir Weerths Brief
schickte – nichts zu sehen bekommen habe, so weiß ich natürlich von
nichts weiter und warte auch noch immer auf die edlen Willichschen
Briefe. Den Friend of the People mit Schramms Erklärung habe ich nicht
gesehen, dies Ding kommt hier sehr unregelmäßig an; laß mir doch von
Schramm ein Exemplar _sous bande_[1] zuschicken, er wird sich gewiß
leicht eins verschaffen können, wenn er keines disponibel haben sollte.
Daß der Landolphe sich schließlich als ein Poltron herausgestellt hat,
ist sehr angenehm zu erfahren, auf den berühmten Brief von ihm warte ich
noch immer.

Ich ärgere mich hier scheußlich über die dummen Einrichtungen, die mir
ein regelmäßiges und geordnetes Ochsen fast ganz unmöglich machen. An
die eine Bibliothek kann ich nicht kommen, die andere, öffentliche,
enthält die Sachen, die mich jetzt zunächst interessieren, nur
sporadisch, und die Stunden konvenieren mir nicht; so daß mir nichts
bleibt als das elende Athenäum, wo man nie etwas bekommen kann und wo
die Bibliothek sich in der scheußlichsten Unordnung befindet. Dem Napier
laufe ich zum Beispiel wieder vergeblich nach, und es dauert immer 2 bis
3 Wochen, bis man einen folgenden Band auftreiben kann. Aus Verzweiflung
habe ich mir Ciceros Briefe genommen und studiere darin das _règne de
Louis Philippe_[2] und die Korruption des Direktoriums. Eine höchst
heitere _chronique scandaleuse_.[3] Der Cicero ist wirklich unbezahlbar;
Professor Krug und Sebastian Seiler in einer Person. Eine gemeinere
Canaille wie diesen Kerl haben die Reihen der Biedermänner seit Anbeginn
der Welt nicht aufzuweisen. Ich werde mir dies anmutige Büchlein gehörig
exzerpieren. Ohne Mehreres für heute.

                                                       Dein F. Engels.

----------

   [1] Unter Kreuzband.

   [2] Regierung Louis Philipps.

   [3] Skandalchronik.


                                   71

                                                London, 17. März 1851.

Lieber Engels!

Ich habe eine Woche nicht geschrieben. Einmal hatte ich selbst die
Grippe zur Wahlverwandtschaft, und dann _criblé de petites misères_,[1]
die alle in dieser verhängnisvollen Woche zum Ausbruch kommen.

Einliegend erhältst Du die heiteren Briefe des Ritters von Willich.

In dem Heinzenschen Schimpfblatt steht eine angebliche Korrespondenz aus
Paris, hier in London fabriziert, worin, wie es sich von selbst
versteht, erstens wir beide angegriffen werden, dann Rudolph Schramm,
der Deputierte, „weil er ohne Anstand das Geld seiner Frau verzehrt“,
und die „Halbmenschen Tausenau, Julius und Bucher“; schließlich, und
sehr bitter, der große _Kinkel_. Heinzen verzeiht ihm die Konkurrenz im
Bettel nie und nimmermehr. Gelobt wird nur der große Ruge und Struve.
Ruge läßt in diesem Brief aus Paris schreiben, daß er von Brighton nach
London eine eintägige Ausflucht gemacht hatte. Dieser Klatschartikel ist
dadurch entstanden, daß Heinzen Klatsch aus einem Privatbrief von Ruge
und einem Privatbrief von Bamberger, also ganz entgegenstehende
Anschuldigungen, zusammengeworfen und ediert hat.

Bei dem großen Bankett, wo Ruge als der „unendliche Dumme“ auftrat –
Wolff und Liebknecht waren Ohrenzeugen –, fand sich kein Berliner oder
Frankfurter Deputierter ein. Sie wollen keine Hegemonie Ruge-Struve. Die
Clique R. Schramm, Graf Reichenbach (der Frankfurter, nicht der Bart der
Partei) und Oppenheim, Bucher, endlich Julius auf eigene Faust,
intrigieren alle wieder gegen die Dummheitsgötter. Natürlich aus
erhabenen Gründen. _Je vous dis, de la merde, la merde tout pure, toute
cette canaille là._[2]

Kinkel, der die Infamien gegen uns drucken läßt, sprach in seiner
rotsaffianledernen Weise auf dem Bankett ein Wort der wehmütigen
Versöhnung „von dem einfachen Verfassungskämpfer an bis zum roten
Republikaner“. Alle die Esel, während sie für Republik, und Kinkel sogar
gelegentlich für rote Republik ächzten, krochen der englischen
Konstitution servilstens in den Hintern, ein Widerspruch, worauf sie
sogar das unschuldige Morning Chronicle als Mangel an Logik aufmerksam
zu machen geruhte.

Von Landolphe nichts weiter. Er trägt das Bewußtsein des enthüllten Grec
gelassen als „_homme d’honneur_“[3] mit sich herum.

Die Blanqui-Komödie war noch nicht beendet. Der _ancien capitaine_[4]
Vidil schickte eine Erklärung in die Patrie, worin er erzählt, sein
Ehrgefühl und Wahrheitsinstinkt dringen ihm die Erklärung ab, daß Louis
Blanc, alle anderen und er selbst gelogen haben in der ursprünglichen
Erklärung; das Komitee habe aus 13, nicht aus 6 Personen bestanden.
Ihnen allen sei der Toast Blanqui vorgelegt, von ihnen allen sei er
diskutiert worden. Er habe sich unter den Sechs befunden [die für
Verlesung des Toastes gestimmt hatten]. Der noble Barthélemy, der diesen
Brief nicht gelesen, schickt einige Tage später ebenfalls eine Erklärung
an die Patrie, er habe den Toast erhalten, den anderen nicht mitgeteilt,
konstituiert sich so als dreifachen Lügner. Die Patrie, indem sie diesen
Brief mitteilt und am Schlusse erklärt, sie werde nichts mehr von diesen
Eseln aufnehmen, macht folgende Vorbemerkung:

[Marx hat das nun folgende Stück im „Ritter vom edelmütigen Bewußtsein“
selbst wie folgt übersetzt]: „Wir haben uns oft gefragt, und die Frage
ist schwer zu beantworten, was bei den Demagogen größer sei, ihre
Ruhmredigkeit oder ihre Dummheit. Ein vierter Brief von London vermehrt
noch unsere Verlegenheit. Da sind ihrer, wir wissen nicht wie viele arme
Teufel in einem solchen Grade gemartert von der Wut, zu schreiben und
ihren Namen in den _reaktionären_ Blättern genannt zu sehen, daß sie
selbst vor einer grenzenlosen Beschämung und Selbstherabsetzung nicht
zurückschrecken. Was liegt ihnen am Gelächter und der Indignation des
Publikums – das Journal des Débats, die Assemblée Nationale, die Patrie
werden ihre Stilübungen abdrucken; um dies Glück zu erreichen, ist der
kosmopolitischen Demokratie kein Preis zu hoch .... Im Namen der
literarischen Commiseration [Mitleid] nehmen wir daher den folgenden
Brief des Bürgers Barthélemy auf; er ist ein neuer und wir hoffen der
letzte Beweis für die Echtheit des nur zu berühmten Toastes Blanquis,
den sie erst alle geleugnet und für dessen Beteuerung sie sich jetzt
untereinander in die Haare geraten.“

Ist das nicht superb?

Ich habe Deine Post Office Ordre erhalten. Wenn Du solche Zinsen in
Deinem Commerce zahlst, müssen entweder Deine Profite oder Deine
Verluste enorm sein.

Vergiß nicht an Dronke zu schreiben. Gabler ist tot. Also eingelegt an
Th. Schuster ist Frankfurt.

                                                         Dein K. Marx.

----------

   [1] Bis über die Ohren von kleinlichen Nöten überhäuft.

   [2] Ich sage [Euch] Dir, Dreck, absoluter Dreck, dieses ganze
   Canaillentum.

   [3] Ehrenmann.

   [4] Hauptmann außer Diensten.


                                   72

                                              Mittwoch, 19. März 1851.

Lieber Marx!

Die Geschichte mit dem Toast Blanqui entwickelt sich wirklich über die
Maßen schön. Die Erklärung Vidils ist gegenüber Louis Blanc unbezahlbar
– der Kerl vor Frankreich und England als gemeiner Lügner hingestellt.
Der Barthélemy hat sich wunderbar hineingeritten. – Eine Stelle Deines
Briefes verstehe ich nicht. Vidil erklärt, das Komitee habe aus 13,
nicht aus 6 Personen bestanden ... er habe sich „unter den sechs
befunden“. Wer sind die sechs? Die Unterzeichner der ersten Erklärung
oder etwa die Fraktion, die für Vorbringung des Toastes Blanqui stimmte?

Der Klatsch unter den Deutschen ist auch angenehm. Ich sah den Report
des Banketts in der Daily News – da das Ding respektabel war, so hat
sich diesmal ja auch Mazzini nicht geniert, hinzugehen. „Der General
Haug _in the chair_!“[1] Dieser Kerl verspricht eine Karikatur des
Generals Dubourg von 1830 zu werden. Nach der Annonce in der Times zu
urteilen, ist Göhringers Golden Star Tavern jetzt sehr respektabel. Da
ich doch den Klatsch all zusammen haben muß, so wäre es nicht übel,
einmal eine Patrouille dort rekognoszieren zu lassen – _il s’en
trouvera bien un qui voudra mettre son nez dans cette merde là, même au
risque d’être mis à la porte_.[2]

_Last – but not least_ –[3] haben die Willichiana sehr zur Erheiterung
meines heutigen Frühstücks beigetragen. Dieser Schafskopf! Wie der den
Schr[amm]schen Brief als Antwort auf seinen ersten ansehen konnte, ist
mir wirklich kaum begreiflich. Aber die Chance der Militärdiktatur in
der Rheinprovinz ohne Presse, die ihn schikanieren könnte,
_sapristi_,[4] das mußte diesem vernagelten Rindvieh den Kopf natürlich
verdrehen. Neiner _capitaine d’armes_[5] und Feldwebel! Die soziale
Revolution vermittels der Pauperverpflegung der Familien der Landwehr,
die Statistik reduziert auf ein Register der „Vorräte, Viehe,
Transportmittel und Mannschaften“! Dieser Revolutionsplan schlägt den
früheren, mit 5000 Mann Deutschland zu erobern, gänzlich platt. Wenn der
Landwehr _das_ nicht einleuchtet, so müßte man ja an der Menschheit
verzweifeln. „Ich würde einige Männer mitbringen, andere _berufen_“ –
weißt Du, was der Kerl vorhatte? „Der Bürger Karl Marx ist berufen,
binnen 48 Stunden in Köln sich zu stellen und die Leitung des
Finanzwesens und der gesellschaftlichen Reformen unter Aufsicht und
Kontrolle des Bürgers Gebert zu übernehmen. Ungehorsam gegen diesen
Befehl und jede Widersetzlichkeit oder Räsonieren, sowie unziemliche
Witze werden mit dem Tode bestraft. Der Bürger Marx wird zur Bewachung
einen Unteroffizier und sechs Mann erhalten.“ – Und wie spricht der
Kerl von N. N.! „_Nous ne voulons plus de jouisseurs!_“[6] Also selbst
der spartanische _pot half and half_[7] und die Widerstandslosigkeit bei
Frauen gelten dem Feldwebel schon für Sybaritismus.

Aber worauf antwortet Willich in dem dritten, jubelnden, siegesgewissen,
nur am Geld hapernden Brief? Hat ihm Schramm einen zweiten geschickt
oder hatte Becker auf Willichs zweiten Brief geantwortet? _Explique moi
cela_[8] und sage, ob Du die Sachen jetzt zurückhaben mußt; ich behielte
sie gerne einstweilen noch hier, um gelegentlich die nötigen Notizen zu
machen.

Die Eisenbahnspekulation wird wieder brillant – seit dem 1. Januar die
Aktien meist 40 Prozent gestiegen, und die schlechtesten am meisten. _Ça
promet!_[9]

                                                       Dein F. Engels.

----------

   [1] Auf dem [Präsidenten-]Sitz.

   [2] Es wird sich wohl jemand bereit finden, seine Nase in jenen
   Dreck zu stecken, selbst auf die Gefahr, vor die Tür gesetzt zu
   werden.

   [3] Schließlich, aber nicht zum wenigsten.

   [4] Potztausend.

   [5] Kammerunteroffizier.

   [6] Wir wollen keine Genußmenschen mehr haben.

   [7] Maß halb [Ale] und halb [Porter].

   [8] Erkläre mir das.

   [9] Das verspricht!


                                   73

                                                        22. März 1851.

Lieber Engels!

Ich habe Dir durch Pieper oben das famose Aktenstück abschreiben lassen.
Unter dem Vorwand, die Mazzinische Anleihe garantiert zu haben, verlangt
Ruge Geld, um es in „öffentliche Meinung“ umzusetzen. Unter den
„Preußen“ hier, Bucher, Elsner, Zimmermann usw., herrscht große
Entrüstung über dieses „starke Provisorium“.

Was die „sechs“ angeht, die Dir solchen _trouble_[1] machten, so waren
diese sechs Landolphe und Blanc, Willich und Schapper, Barthélemy und
Vidil, kurz die sechs Matadore; Ungarn, Polen usw. nicht zugezogener Mob
figurierten nicht.

In dem dritten Brief antwortet Willich auf nichts als seinen eigenen
Gedankensprecher. _N’a reçu ni lettre ni rien de la part des Becker et
des Schramm._[2] – – –

Der eigentliche _contriver_ [Macher] des deutschen _Centraldodge_[3] ist
der unermüdliche, lederartige Hühneraugenoperateur und Grasfresser
Struve. Der Kerl treibt nur sein altes Handwerk, mit Kranioskopie, Moral
und dergleichen Allotriis die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Marktschreier, noch dazu mit einer heiseren Kehlkopfstimme. Er hat
während der letzten 25 Jahre ein „demokratisches Staatslexikon“
geschrieben und eine „demokratische Weltgeschichte“, beides nichts als
das eine der ins Struvesche übersetzte Welcker-Rotteck, das andere der
demokratisch paraphrasierte Rotteck. Und Ruge ist so tief gesunken, daß
er am Druck dieses Blödsinns in Deutschland nur durch eine mitleidige
Polizei aufgehalten worden ist.

                                                         Dein K. Marx.

Jones war vor ein paar Tagen bei mir und gratuliert sich namentlich nach
den neuesten Enthüllungen, daß ich ihn vor der Teilnahme an dem Bankett
gerettet habe.

----------

   [1] Beschwerden.

   [2] Hat von den Becker und Schramm weder Brief noch sonst etwas
   erhalten.

   [3] Zentralschwindel [das Zentralkomitee der deutschen Flüchtlinge
   ist gemeint].


                                   74

                                   28 Deanstreet, Soho, 31. März 1851.

Lieber Engels!

Während Du Kriegsgeschichte treibst, führe ich einen kleinen Krieg, in
dem ich _by and by_[1] zu unterliegen drohe, und woraus weder Napoleon
noch selbst Willich – der kommunistische Cromwell – einen Ausweg
gefunden haben würden.

Du weißt, daß ich am 23. März 31 Pfund 10 Schilling an den alten
Bamberger und am 16. 10 Pfund an den Juden Stiebel zu zahlen hatte,
alles auf kursierende Wechsel. Ich hatte erst bei meiner Schwiegermutter
durch Jenny direkt anfragen lassen. Die Antwort darauf war, daß Edgar
mit dem Rest von _Jennys Geld_ wieder nach Mexiko expediert worden ist
und ich _keinen Centime_ herausbekommen konnte.

Dem Stiebel zahlte ich am 16. März seine 10 Pfund durch Hilfe von
Pieper.

Dem alten Bamberger gegenüber blieb mir nichts übrig, als ihm zwei
Wechsel auszustellen, einen auf ihn für London, vier Wochen nach dem 24.
März, den anderen auf drei Wochen nach Trier auf meine Mutter, um den
ersten zu decken. Sie erklärt mir positivement, daß sie jeden von mir
auf sie gezogenen Wechsel protestiert.

So habe ich also für den 21. April das Äußerste von dem wütend
gewordenen alten Simon Bamberger zu gewärtigen.

Gleichzeitig ist meine Frau niedergekommen am 28. März. Die Entbindung
war leicht, dagegen liegt sie jetzt sehr krank da, mehr aus bürgerlichen
als physischen Gründen. Dabei habe ich _verbalement_[2] keinen
_Farthing_[3] im Hause, um so mehr Rechnungen dagegen von dem kleinen
_commerce_, Metzger, Bäcker und so fort.

Du wirst zugeben, daß diese Gesamtsauce passablement angenehm ist und
daß ich bis an die Wirbelspitze meines Schädels im kleinbürgerlichen
Dreck stecke. Und dabei hat man noch die Arbeiter exploitiert![4] Und
strebt nach der Diktatur! _Quelle horreur._[5]

_Mais ce n’est pas tout._[6] Der Fabrikant, der mir in Brüssel Geld lieh
von Trier aus, tritt mich und verlangt es zurück, weil seine Eisenhütte
schlecht gehe. _Tant pis pour lui._[7] Dem kann ich nicht gerecht
werden.

Aber endlich, um der Sache eine tragikomische Spitze zu geben, kommt
noch ein _Mystère_[8] hinzu, das ich Dir jetzt _en très peu de mots_[9]
enthüllen werde. Doch eben werde ich gestört und muß zu meiner Frau zur
Krankenleistung. Also das andere, worin Du auch eine Rolle spielst, das
nächste Mal.

                                                            Dein K. M.

_Apropos._ Wie berechnen Kaufleute, Fabrikanten usw. den Teil ihres
Einkommens, den sie selbst verzehren? Wird dieses Geld auch vom _banker_
geholt oder wie wird es damit gehalten? Darüber erbitte ich Antwort.

----------

   [1] Mit der Zeit.

   [2] Wörtlich.

   [3] Heller.

   [4] Ausgebeutet.

   [5] Wie scheußlich.

   [6] Aber das ist nicht alles.

   [7] Um so schlimmer für ihn.

   [8] Geheimnisvolle Sache.

   [9] In sehr wenig Worten.


                                   75

                                                        2. April 1851.

Lieber Engels!

Du erhältst einliegend die Adresse des Briefes, den ich heute von Dir
empfangen habe, zurück. Sollte Pitt Ermen Deinen Brief erbrochen haben?
Du mußt diese Sache _éclaircir_.[1]

Dein Post Office Ordre kam mir sehr gelegen. Und diesmal hat die
Geschwindigkeit das Kapital verzehnfacht, wie die Eisenbahnrevenuen des
Signore Proudhon.

Du kannst Dir denken, daß ich nicht müßig bin. Und mit den _avances_,[2]
die Du machst, hoffe ich das Fehlende aus verschiedenen Weltgegenden
zusammenzubringen.

Über das _Mystère_[3] schreibe ich Dir nicht, da ich, _coûte que
coûte_[4] Ende April jedenfalls zu Dir komme. Ich muß auf acht Tage hier
heraus.

Das schlimmste ist, daß ich jetzt plötzlich in meinen Bibliothekstudien
gehemmt bin. Ich bin so weit, daß ich in fünf Wochen mit der ganzen
ökonomischen Plackerei fertig bin. _Et cela fait_,[5] werde ich zu Hause
die Ökonomie ausarbeiten und im Museum mich auf eine _andere
Wissenschaft_ werfen. _Ça commence à m’ennuyer. Au fond_[6] hat diese
Wissenschaft seit Adam Smith und David Ricardo keine Fortschritte mehr
gemacht, so viel auch in einzelnen Untersuchungen, oft supradelikaten,
geschehen ist.

Antworte mir auf die Frage, die ich Dir in meinem letzten Briefe
gestellt.

Da Du jetzt Kriegswissenschaft treibst, könntest Du nicht die
ungarischen Feldzüge, mit Hilfe der Neuen Rheinischen Zeitung, des _blue
book_[7] von Palmerston usw. die Sache von neuem bearbeiten? _Ça serait
très utile._[8] In kürzerer oder längerer Zeit werde ich zwei Bände zu
60 Bogen herausgeben, und da wäre das famos am Platze.

Meine Frau ist leider sehr angegriffen.

Einliegend ein Brief von Daniels, dem ich ausführlich über seine
Physiologie geschrieben. Jedenfalls _schreibe mir, was Du davon meinst_.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Aufklären.

   [2] Vorschüsse.

   [3] Geheimnisvolle Sache.

   [4] Koste es, was es wolle.

   [5] Dies gemacht.

   [6] Das fängt mich an zu langweilen. Im Grunde ...

   [7] Blaubuch.

   [8] Das würde sehr nützlich sein.


                                   76

                                 [Ohne Jahresangabe.] 3. April [1851].

Lieber Marx!

Die Geschichte mit meinem geöffneten Briefe ist sehr sonderbar. Auf dem
Kontor kann er nur von unserem Kommis geöffnet worden sein, und dem
traue ich die Courage dazu nicht zu; außerdem könnte er es nur während
der Abwesenheit des alten Hill getan haben, und ich glaube nicht, daß
der einen Moment das Kontor verließ. Von den Ermens war keiner in der
Stadt. Die Sache ist natürlich nicht zu ergründen, da eine bedeutende
Chance vorhanden ist – _vu_[1] die Interpellationen im Parlament wegen
der Flüchtlinge –, daß es auf der Post selbst geschehen. Daß ich dem
Kommis, der mehr in Ermen Brothers’ als in Ermen _and_ Engels’ Diensten
steht, in der letzten Zeit etwas verdächtig geworden bin, fiel mir schon
früher auf; aber von da bis zum Brieferbrechen _il y a loin encore_.[2]
Jedenfalls werde ich dem Ding in Zukunft vorzubeugen wissen. Wenn der
Narr den Brief auch gelesen hätte, so läge daran nicht einmal viel; denn
wollte der Kerl jemals, zum Beispiel wenn mein Alter herkäme, von der
Information Gebrauch machen, so wäre er so kompromittiert, daß er sofort
geschaßt würde. Indes, wie gesagt, ich traue ihm die Courage nicht zu.

Was die Frage angeht, die Du in Deinem vorletzten Briefe stellst, so ist
sie nicht ganz klar. Indes wird, denke ich, folgendes genügen.

Der Kaufmann als Firma, als Profitmacher, und derselbe Kaufmann als
Konsument sind im Commerce zwei ganz verschiedene Personen, die sich
feindlich gegenüberstehen. Der Kaufmann als Firma heißt Kapitalkonto,
respektive Gewinn- und Verlustkonto. Der Kaufmann als Fresser, Säufer,
Wohner und Kindermacher heißt Haushaltungsunkostenkonto. Kapitalkonto
debitiert[3] also dem Haushaltungsunkostenkonto jeden Centime, der
aus der kommerziellen in die Privattasche wandert, und da
Haushaltungsunkostenkonto nur ein Debet, aber kein Kredit hat, also
einer der schlechtesten Schuldner der Firma ist, so ist am Ende des
Jahres die ganze Debetsumme von Haushaltungsunkostenkonto purer Verlust
und wird vom Profit abgeschrieben. Bei der Bilanz und der Berechnung des
Profits-Prozent wird indes gewöhnlich die Summe, die für die Haushaltung
verbraucht wird, als noch vorhanden, als Teil des Profits angesehen; zum
Beispiel bei 100 000 Taler Kapital sind 10 000 Taler verdient, aber 5000
verjubelt worden, so rechnet man, 10 Prozent Profit gemacht zu haben,
und nachdem alles richtig gebucht worden, figuriert Kapitalkonto im
nächsten Jahre mit einem Debet von 105 000 Taler. Die Prozedur selbst
ist etwas verwickelter, als ich sie hier darstelle, indem Kapitalkonto
und Haushaltungsunkostenkonto selten oder nur beim Jahresabschluß in
Berührung kommen, und Haushaltungsunkostenkonto gewöhnlich als Debitor
von Kassakonto figuriert, das den Makler macht, aber es kommt
schließlich auf dies hinaus.

Bei mehreren Associés ist die Sache sehr einfach. Zum Beispiel _A_ hat
50 000 Taler im Geschäft und _B_ ebenfalls 50 000; sie machen 10 000
Taler Profit und verbrauchen jeder 2500 Taler. Die Kontos stellen sich
also am Ende des Jahres bei einfacher Buchhaltung ohne die imaginären
Kontos:

    _A_ Kredit bei _A & B_ – Kapitaleinschuß          50 000  Taler
    _A_ Kredit bei _A & B_ – Profitanteil              5 000    "  
                                                      -------------
                                                      55 000  Taler
    Debet bei _A & B_ – für Bar                        2 500    "  
                                                      -------------
                 _A_ Kredit für nächstes Jahr         52 500  Taler

Ebenso _B_. Dabei rechnet das Geschäft aber immer, 10 Prozent Profit
gemacht zu haben. In einem Worte: die Kaufleute bei der Berechnung der
Profitprozente ignorieren die Existenzkosten der Associés, dagegen bei
Berechnung der Kapitalvermehrung durch den Profit bringen sie sie in
Anschlag.

Über die ungarische Kampagne – oder noch besser, wenn’s ginge, über
sämtliche Kampagnen von 1848/50 zu schreiben, wäre mir schon recht, wenn
nur die Quellen alle beizuschaffen wären. Die Neue Rheinische Zeitung
könnte mir zu nichts dienen als zur Vergleichung der österreichischen
Bulletins, und wie lückenhaft die sind, weißt Du. Ich müßte wenigstens
zehn bis zwölf Werke über diese Kampagne allein haben, und selbst dann
fehlte mir noch die Hauptsache: der Kossuthsche Közlöny (Moniteur). Bei
nichts blamiert man sich so leicht wie bei der Kriegsgeschichte, wenn
man räsonieren will, ohne die sämtlichen Data über Stärke,
Verproviantierung und Munitionierung usw. zu haben. Alles das geht für
eine Zeitung, wo alle Blätter gleich schlecht unterrichtet sind und wo
es darauf ankommt, aus den paar Daten, die man hat, die richtigen
Schlüsse zu ziehen. Aber um _post festum_ sagen zu können in allen
entscheidenden Fällen: hier hätte so und so gehandelt werden müssen, und
hier wurde richtig gehandelt, obwohl der Erfolg dagegen zu sprechen
scheint; dazu sind, glaube ich, die Materialien für den ungarischen
Krieg noch nicht genug vor dem Publikum. Zum Beispiel wer schafft mir
die Etats der österreichischen und ungarischen Armeen und der
verschiedenen Korps am Vorabend jeder Schlacht und jeder wichtigen
Bewegung? Kossuths und Görgeys Memoiren müßten erst heraus sein, und die
von Dembinski vorgelegten Schlacht- und Kampagnenpläne in authentischer
Gestalt vorliegen. Indes selbst mit dem existierenden Material ließe
sich schon manches aufklären und vielleicht ein ganz interessanter
Artikel machen. So viel ist jetzt schon klar: die ungarische
Insurrektion, wie die polnische von 1830, wie das russische Reich 1812,
ist Anfang 1849 nur gerettet worden durch den Winter. Ungarn, Polen und
Rußland sind die einzigen Länder Europas, wo eine Invasion im Winter
unmöglich ist. Es ist aber schon immer fatal, wenn eine Insurrektion nur
durch den Dreck gerettet wird, der sie in unergründlicher Tiefe umgibt.
Wäre die Geschichte zwischen Österreich und Ungarn im Mai statt im
Dezember zum Eklat gekommen, so wäre nie eine ungarische Armee
organisiert worden und der ganze Quark endigte wie Baden, _ni plus ni
moins_.[4] Je mehr ich Krieg ochse, desto stärker wird meine Verachtung
gegen den Heldenmut – eine abgeschmackte Phrase dieser Heldenmut, die
ein ordentlicher Soldat nie in den Mund nimmt. Napoleon, wo er keine
Proklamationen und Tiraden macht, sondern _coolly_[5] spricht, spricht
nie von _glorieux, courage indomptable_[6] usw., sondern sagt höchstens:
_il s’est bien battu_.[7]

Wenn übrigens im nächsten Jahre eine Revolution in Frankreich ausbricht,
so ist gar kein Zweifel, daß die heilige Allianz _wenigstens_ bis vor
Paris kommt. Und bei den merkwürdigen Kenntnissen und der raren Energie
unserer französischen Revolutionäre ist noch sehr die Frage, ob die
Forts und die Enceinte[8] von Paris auch nur bewaffnet und
approviantiert sind. Sind aber zwei Forts genommen, zum Beispiel Saint
Denis und das nächste nach Osten zu, so ist Paris und die Revolution
_jusqu’à nouvel ordre_[9] im Sumpf. Ich werde Dir das nächstens einmal
genau militärisch auseinandersetzen und zugleich die einzige Maßregel,
die dagegen getroffen werden kann, um wenigstens die Invasion zu
schwächen: die Okkupation der belgischen Festungen durch die Franzosen
und der rheinischen durch einen sehr zweifelhaften insurrektionellen
_coup de main_.[10]

Folgender Spaß zur Charakteristik des preußischen Kamaschenrittertums
und zur Erklärung der späteren Niederlage bei Jena usw. wird Dich
erfreuen. Die scheinbar kühnen, _au fond_[11] aber überaus sicheren
Coups[12] Napoleons in der Kampagne von Marengo brachten den preußischen
General Bülow, aus der Schule des alten Fritz, Vater oder Onkel [Bruder]
des späteren Bülow von 1813, zu folgender Einsicht: 1. ein Kriegssystem
basiert auf das Absurde aufzustellen, damit man den Gegner stets durch
neue Verrücktheiten „in Verlegenheit setze“, und 2. anstatt des
Bajonetts der Infanterie Lanzen zu geben wie im Dreißigjährigen Kriege!
Um Napoleon zu schlagen, das Pulver abzuschaffen, _qu’en dis-tu_?[13]

Daß Du trotz alledem Ende des Monats herkommst, freut mich sehr. Du mußt
mir aber bei der Gelegenheit das vollständige Exemplar der Neuen
Rheinischen Zeitung mitbringen – ich werde daraus über sämtliche
deutschen demokratischen Esel und desgleichen über französische
Dossiers[14] anlegen, eine Arbeit, die jedenfalls geschehen muß, ehe wir
wieder in irgend einen Dreck hineingeschleudert werden. Es wäre gut,
wenn zu diesem Zwecke der würdige Liebknecht, _qui est assez bon pour
cela_,[15] aufs Museum ginge und dort die Abstimmungen der Berliner,
Frankfurter und Wiener Versammlungen, die gewiß dort sind (in den
stenographischen Berichten), nachläse und für die gesamten Linken
exzerpierte.[16]

Du weißt, ich habe den Schluß von Daniels nicht gelesen. Daß sich der
Kerl auf die „Begriffe“ als das Vermittelnde zwischen den Menschen usw.
steift, ist erklärlich; Du wirst das einem über Physiologie Schreibenden
nicht ausreden. Er rettet sich immer schließlich mit dem Argument, daß
jede faktische Tatsache, die auf die Menschen einwirkt, Begriffe in
ihnen provoziert, und daß die Reaktion gegen diese Tatsache also zwar in
zweiter Instanz eine Folge der Tatsache, in erster aber eine Folge der
Begriffe ist. Gegen diese formelle Logik ist freilich nichts zu sagen,
und es kommt dabei ganz auf die Art seiner Darstellung im Manuskript an,
die ich nicht kenne. Ich meine, es wäre am besten, ihm zu schreiben, er
wisse jetzt, welchen Mißdeutungen diese und jene Partien ausgesetzt
seien, und solle sie also so ändern, daß die „wahre“ Ansicht deutlich
hervortrete. Das ist alles, was Du tun kannst, oder Du müßtest das
Manuskript selbst umschreiben an den fraglichen Stellen, was doch auch
nicht geht.

Laß mich wissen, wie es Deiner Frau geht, und grüße sie herzlich von
mir.

Ich bin froh, daß Du mit der Ökonomie endlich fertig bist. Das Ding zog
sich wirklich zu sehr in die Länge, und solange Du noch ein für wichtig
gehaltenes Buch ungelesen vor Dir hast, so lange kommst Du doch nicht
zum Schreiben.

Wie sieht’s mit einem Verleger für Deine beabsichtigten zwei Bände in 60
Bogen aus? Wenn das _all right_ wäre, so könnte man den Kerl schon dazu
kriegen, daß er die nötigen Sachen für den ungarischen Artikel – ich
würde sie schon angeben – beischaffte, _au besoin_ gegen spätere
Verrechnung beim Honorar. Notwendig wäre dann noch eine sehr gute
Spezialkarte von Ungarn und Siebenbürgen, womöglich Schlachtpläne, die,
soviel ich weiß, in den bisherigen Werken nicht enthalten sind – und
die Karte allein könnte auf zirka 15 bis 20 Taler zu stehen kommen. Ich
würde diese durch Weydemeyer aussuchen lassen. Apropos, hast Du seine
Adresse? Ich möchte ihn wegen der militärischen ABC-Bücher über
Organisation und Taktik befragen, gerade diesen Dreck kann ich hier
nicht bekommen. Den Decker, der noch bei Dir ist, muß ich auch haben.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Siehe.

   [2] Ist es noch weit.

   [3] Belastet, schreibt auf die Schuldenseite.

   [4] Weder mehr noch weniger.

   [5] Kühl.

   [6] Glorreich, unbändigem Mut.

   [7] Er hat sich gut geschlagen.

   [8] Befestigungsmauer.

   [9] Bis neue Verhältnisse eintreten.

   [10] Handstreich.

   [11] Im Grunde.

   [12] Überraschungsstreiche.

   [13] Was sagst Du dazu?

   [14] Personalakten.

   [15] Der dafür gut genug ist.

   [16] Auszöge.


                                   77

                                                       11. April 1851.

Lieber Marx!

Ich dachte, ich wäre heute abend endlich mit meiner großartigen
strategischen Abhandlung fertig geworden. Teils abgehalten, teils zum
Nachschlagen über Details genötigt, teils weil das Ding länger wird, als
ich dachte, werde ich es schwerlich heute abend spät fertig bekommen. Es
ist übrigens _total unfit_[1] zum Drucke, nur für private Information
und eine Art Übung für mich.

Über den Wellington fange ich allmählich auch an, klar zu werden.
Eigensinniger, zäher, obstinater Engländer, mit dem vollen Bonsens[2]
und dem vollen Talent der Ressourcenbenutzung seiner Nation; langsam in
seinen Überlegungen, vorsichtig, trotz des kolossalsten Glückes nie auf
einen glücklichen Zufall rechnend; er würde ein Genie sein, wenn nicht
der _Common sense incapable_[3] wäre, sich bis zum Genie emporzugipfeln.
Alle seine Sachen sind musterhaft, keine einzige meisterhaft. Ein
General wie er ist für die englische Armee, in der jeder Soldat, jeder
Unterleutnant ein kleiner Wellington in seiner Sphäre ist, wie
geschaffen. Und er kennt seine Armee, ihre eigensinnige defensive
_doggedness_,[4] die jeder Engländer vom _Boxring_[5] mitbringt, und die
sie in den Stand setzt, nach achtstündiger angestrengter Defensive, die
jede andere Armee zusammenbrechen würde, noch eine imposante Attacke zu
machen, in der die ermangelnde Lebhaftigkeit durch die Gleichförmigkeit
und Stetigkeit aufgewogen wird. Die Defensive von Waterloo, bis die
Preußen kamen, hätte keine Armee ohne einen Kern von 35 000 Engländern
ausgehalten.

Übrigens hatte Wellington im spanischen Kriege mehr Einsicht in die
napoleonische Kriegskunst als die Nationen, denen Napoleon die
Überlegenheit dieser Kriegskunst auf den Rücken schrieb. Während die
Österreicher rein konfus wurden, und die Preußen, weil ihr Verstand _n’y
voyait que du feu_,[6] den Blödsinn und die Genialität für identisch
erklärten, wußte Wellington sich ganz geschickt zu benehmen und sich vor
den Schnitzern zu hüten, die die Österreicher und Preußen machten. Er
machte keine napoleonischen Manöver nach, aber er machte es den
Franzosen unendlich schwer, ihre Manöver bei ihm zu applizieren. Er
machte keinen einzigen Fehler, wenn er nicht aus politischen Rücksichten
mußte; dafür habe ich aber auch noch nicht das geringste entdeckt, wo er
nur einen Funken von Genie bewies. Napier selbst weist ihm Gelegenheiten
nach, wo er geniale Coups von entscheidender Wirkung tun konnte und
nicht daran dachte. Er hat – soweit meine Erfahrung geht – nie eine
solche Gelegenheit zu benutzen verstanden. Er ist groß in seiner Art,
nämlich so groß, wie man es sein kann, ohne aufzuhören, mittelmäßig zu
sein. Er hat alle Eigenschaften des Soldaten, sie sind alle gleichmäßig
und merkwürdig harmonisch ausgebildet; aber eben diese Harmonie
verhindert jede einzelne dieser Eigenschaften an wirklich genialer
Entfaltung. _Tel soldat, tel politique._[7] Sein politischer Busenfreund
Peel ist gewissermaßen sein Abklatsch. Beide repräsentieren den Toryism,
der _bon sens_[8] genug hat, mit Anstand eine Position nach der anderen
aufzugeben und sich in die Bourgeoisie aufzulösen. Es ist der Rückzug
nach Torres Vedras. _Voilà_ Wellington.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Ungeeignet.

   [2] Nüchternheit.

   [3] Gesunde Menschenverstand unfähig [wäre].

   [4] Hartnäckigkeit, störrische Ausdauer.

   [5] Platz, wo geboxt wird.

   [6] Bei ihr nur das Feuer sah.

   [7] Wie der Soldat, so die Politik.

   [8] Gesunder Verstand.


                                   78

                                                       15. April 1851.

Lieber Engels!

Du hast keinen Brief erhalten und erhältst auch jetzt nur diese Zeilen,
weil ich _from day to day_[1] Deinen Brief – den angekündigten –
abwarte. Einliegend ein Brief von Lupus. Ich habe ihm schon geschrieben
vor vier Tagen, aber nicht geantwortet auf die an Dich gestellten
Fragen.

Ein Brief von einem mir unbekannten Fischer aus Amerika. Ich habe
einstweilen Liebknecht an ihn schreiben lassen.

Einen Brief von Rothacker schicke ich Dir das nächste Mal. Auch der Esel
ist Redakteur in Amerika. Aus seinem Briefe geht so viel hervor, daß vom
äußersten _far West_[2] bis zum Osten überall gegen uns geheult,
geschimpft und geschrieben wird. Weitling brachte in seinem Blättchen
einen Artikel aus Paris (angeblich, in Wahrheit von Willich) gegen mich
und Dich. Andererseits hat Schnauffer den großen Willich angegriffen.

Schapper hat eine Konstitution für England ausgearbeitet, da sie in
derselben Windmill, nach reiflicher Überlegung und weitläufiger
Diskussion, beschlossen haben, England habe keine geschriebene
Konstitution und müsse daher eine erhalten. Und Schapper-Gebert werden
ihm diese Konstitution geben. Geschrieben ist sie schon.

Der Schimmelpfennig ist in Deutschland herumgereist und hat da überall
sehr gegen uns intrigiert, im gemeinsamen Interesse von
Willich-Schapper, Ruge-Kinkel, Becker-Sigel. Besonders an den Sitzen der
Kinkelbegeisterung und ganz speziell in Westfalen, Osnabrück, Bielefeld
usw., wo die Kerls uns nie grün waren, ist der Klatsch unendlich.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Tag für Tag.

   [2] Fernen Westen.


                                   79

                                                          1. Mai 1851.

Lieber Marx!

In ein paar Tagen, längstens acht, erhältst Du weitere 5 Pfund, ich
würde sie Dir schon heute schicken, hätte ich nicht soeben 10 Pfund auf
einem Brett auszahlen müssen.

Ich habe seit ein paar Tagen den Brief von Lupus und den von Dronke
vergeblich gesucht. Du mußt sie beide mitgenommen haben. Wenn Du sie
findest, schicke sie mir umgehend, ich schreibe dann gleich. Auch den
Brief von Fischer aus New Orleans finde ich nicht.

_Ne nous plaignons pas trop de la mauvaise queue._[1] Ich habe gerade
Savarys Memoiren zu Hause. Napoleon hatte die seinige – und welche!
Dieser Savary ist ein famoses Exemplar davon. Etwas Mittelmäßigeres als
diesen Kerl gibt es nicht. Wenn gewisse Leute glauben _up to the
mark_[2] zu sein und nicht einmal das Kommunistische Manifest verstehen,
so bildet sich dieser Savary ein, Napoleon in der Tasche zu haben, einer
der wenigen Auserwählten zu sein, die die ganze Größe des Kerls
begreifen, und dabei hat er nicht einen einzigen Feldzugs- oder
Schlachtplan begriffen. Als er diese Memoiren schrieb, war kaum eine
einzige ordentliche Darstellung dieser Kampagnen geschrieben, er hätte
also, da das Ding apologetisch sowohl für Napoleon wie für ihn selbst
ist, gewiß nicht unterlassen, sein Bestes in dieser Beziehung zu tun;
statt dessen überall nur ein paar allgemeine Phrasen und
unzusammenhängende verworrene Details eines untergeordneten Augenzeugen.
Von Austerlitz weiß der Kerl zum Beispiel nur, daß der Feind in einem
Flankenmarsch überrascht und in so viel Stücke zersplittert wurde, wie
französische Kolonnen anrückten – wörtliche Kopie aus Napoleons
Bulletin. Wie das aber geschah, davon weiß er nichts. Im übrigen enorm
viel Klatsch aus der Kaiserzeit und dem Konsulat; ein wahrer
Mustercrapaud, renommierend, verlogen, servil, und sich mit wahrer
Wollust in der edlen Tätigkeit des Polizisten ergehend, sowohl was den
Genuß der Autorität bei Verhaftungen als was die Freude am Mouchardieren
angeht; dabei brauchbar zu allerhand Allotriis und Intrigen, aber doch
überall so mittelmäßig, diensteifrig und beschränkten Horizonts, daß er
überall kurzgehalten und mit positiven Orders versehen werden mußte.
_Enfin_, durchaus kein repräsentables Subjekt, _au fond_ nicht besser
und nicht schlechter, nicht brauchbarer und nicht kompromittierlicher
als gewisse _amici_, und doch machte Napoleon mit der Zeit eine passable
Maschine, einen Herzog von Rovigo und einen Hofmann aus ihm, der ihn
beim Kaiser von Rußland nicht blamierte. Aber freilich, solche Kerls muß
man sich kaufen können, und dazu gehört vor allem Geld und Macht.

Übrigens hat der edle Thiers den Savary, dessen Memoiren doch in
Frankreich bekannt genug waren, mit einer Unverschämtheit abgeschrieben,
die der der englischen Ökonomie im Plagiieren nichts nachgibt, und das
nicht bloß im Klatsch; auch in Sachen über Verwaltung usw. ist hier und
da Herr Savary Hauptquelle. – – –

Den Krawall unter dem Stadtrat in Köln wegen der Rede des Beigeordneten
Schenk an den Pr[inz] von Pr[eußen] wirst Du gelesen haben, sowie die
unverschämte Rede dieses letzteren. „Die Presse ist schlecht, die
Kölnische Presse muß sich bessern!“ _Ce pauvre_ Brüggemann – er benutzt
natürlich die Gelegenheit zu einer Seichbeutelei, wie man sie unter der
Zensur zu schreiben bescheidenst und wohlmeinendst sich die große
Freiheit nahm. Dafür ist aber jetzt auch „unser Stupp“ Bürgermeister und
der größte Mann in Köln, und Dein Schwager [Minister v. Westphalen]
konfisziert Bücher mit lobenswertem Eifer. Ich fürchte nur, er wird
nächstens _en Brutus prussobureaucrate_[3] sich auch an Deinen Sachen
vergreifen, und das wird die Honorarzahlungen unangenehm stoppen können.
Der andere Schwager dieses Edlen, der pp. Florencourt, ist ja, wie
deutsche Blätter melden, _tambour battant et mèche allumée_[4] in den
Schoß der katholischen Kirche übergegangen. Deine Familie ist doch
wenigstens interessant, in der meinigen muß ich allein die
affenteuerlichen Geschichten machen.

Wie geht es in Deinem Hause? Grüße Deine Frau und Kinder und schreibe
bald.

                                                            Dein F. E.

Soeben finde ich die Briefe von Lupus und Fischer – den von Dronke kann
ich aber nicht finden. An Lupus schreibe ich noch heute. Wenn Du nach
Köln schreibst, wäre es gut, wenn Du sie wegen des Reisegeldes trätest
– Du kennst ja die Kölner.

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   [1] Beschweren wir uns nicht zu sehr über schlechtes Gefolge.

   [2] Auf der Höhe.

   [3] Als preußisch-bureaukratischer Brutus.

   [4] Mit klingendem Spiel und brennender Lunte.


                                   80

                                                          3. Mai 1851.

Lieber Engels!

Lupus hat von Köln, wie er mir selbst schreibt, einen englischen Paß und
Reisegeld für sich und Dronke erhalten. Dronke hat den Kölnern auch
einen Aufsatz über die italienische Revolution zugeschickt.

_Mais ce qu’il y a de drôle_,[1] Dronkens Unterschrift steht positiv –
abgedruckt in Louis Blanc – unter der Adresse an das damalige Komitee
zur Feier der Februarrevolution. _Nous lui demanderons des
éclaircissements sur ce fait étrange. Dans le meilleur cas, ce n’est pas
un trait d’esprit de la part de ce gnome._[2]

Becker hat seine Setzerei und Druckerei nach Verviers verlegt, und es
scheint nicht, daß die Regierungsverfolgungen ihm Schaden tun. Ein Heft
von meinem Zeugs ist hierher gelangt, aber nur ein Exemplar.

Das hiesige zentraldemokratische deutsche Komitee hat sich hier
aufgelöst zur selben Zeit, wo der große Karl Heinzen ihm „militärischen
Gehorsam“ ankündigt. Der süße Kinkel, wegen seinen dramatischen
Vorlesungen für respektable Cityleute – 12 Vorlesungen für 1 Guinea:
der Süße schickt diese Billetts durch ein Komitee (worin Oppenheim von
Berlin) an Gott und die Welt, hat ungefähr 300 Hörer – darf sich
natürlich nicht kompromittieren und hat sich zurückgezogen. Ebenso Haugh
sich überworfen. Ruge, dessen Finanzen sehr zerrüttet scheinen, hatte
vor, sich eine Daguerreotypanstalt zu kaufen und als Daguerreotypist das
Land zu durchziehen.

Weerth schreibt mir heute im höchsten Maße malkontent: die langen Nasen
und das Rauchfleisch ennuyieren ihn. Außerdem, sagt er, drohe ihm „eine
glänzende Lage“ – Heirat? Aber er sei zu alt, um Philister zu werden.
Du kennst unseren Freund Weerth. Er ennuyiert sich rasch, und am
schnellsten, wenn er sich bürgerlich behaglich findet. Sein Freund Campe
sagte ihm, verdrießlich auf die Makulatur zeigend: „Alles zieht, aber
nichts schlägt durch!“ Und das sei der allgemeine Zustand in
Deutschland.

Hier wimmelt’s von _people_ aller Art. Ich glaube nicht, daß es mich
belästigen wird _in any way_.[3] Denn was von den Industriellen liberal,
radikal oder auch nur neugierig ist, das wird mit großer Aufmerksamkeit
eingefangen bei Göhringer oder von der Kinkelclique und dann gleich mit
Skandal über uns beide gefüttert. _Tant mieux pour nous!_[4]

Die ganze Woche ist die Bibliothek geschlossen gewesen. Von dem roten
Narren erfährt man nichts mehr.

Daniels schreibt mir, daß sie nirgends besser repräsentiert sind, als in
Berlin, und dort zwei „Talente“ und „Gentlemen“ zur Disposition haben,
die sehr tätig seien. – Das Foucaultsche Experiment mit dem Pendel wird
hier im polytechnischen Institut gezeigt.

Den gesagten Brief an Daniels werde ich morgen besorgen. Schramm hat es
_mirabile dictu_ zu einem _season ticket_[5] gebracht.

Heinzen hat in seinem Schmutzblatt auch wieder mit seinem „_native_“[6]
Dreck geworfen, der _malheureux_.[7] Der Kerl ist so dumm, daß Schramm
für Geld unter dem Namen „Müller“ bei ihm korrespondiert und lauter
unpassende Allotria, wie den Blanquitoast usw., in seinen Zeitungskram
einschmuggelt.

Willich begegnete vor einigen Tagen dem Bamberger, den er früher einmal
gesehen hatte. Kam auf ihn zu. Drückte ihm die Hand [und sagte]: „Ich
war drei Wochen sehr krank. Konnte das Haus nicht verlassen. Die
Revolution marschiert famos. Namentlich hier in London sind wir sehr
tätig. Zwei neue Filialvereine gestiftet. Schapper wirkt ungeheuer.“

Ein andermal mehr. Nächste Woche werde ich mich auf der Bibliothek
ernsthaft für Deine Quellen zu Louis Blanc umsehen.

                                                         Dein K. Marx.

Meine Frau läßt bestens grüßen. Sie war wütend, daß der N. uns so
zudringlich gleich auf den Hals kam.

Übrigens schenkst Du der Post immer einen _Stamp_. _One will do._[8]

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   [1] Aber, was komisch anmutet.

   [2] Wir werden ihn um Aufklärungen über diesen sonderbaren Umstand
   ersuchen. Im besten Fall ist es kein Geniestück von seiten dieses
   Knirpses.

   [3] In irgendeiner Weise.

   [4] Um so besser für uns.

   [5] Wunderbarerweise ... Halbjahrs-Fahrschein [in diesem Falle
   wahrscheinlich eine Dauerkarte für die Weltausstellung].

   [6] Angeboren, auch Eingeborener [Anspielung auf Heinzens
   Deutschtümelei].

   [7] Unglückselige.

   [8] Briefmarke. Eine genügt.


                                   81

                                                          5. Mai 1851.

Lieber Engels!

Ich schicke Dir hier nachfolgend eine Kopie des Artikels über die
Anwendung der Elektrizität auf die Agrikultur, wörtlich englisch. Du
bist so gut und schreibst mir umgehend, 1. was Du von der Sache hältst.
2. Erkläre mir die Geschichte, da ich nicht ganz klug daraus werde, _in
plain German_.[1]

„Ein Feld wird in längliche Vierecke, je 76 Yards[2] lang und 40 Yards
breit geteilt, die deshalb jedes einen Acre[3] umfassen. Das Umstehende
ist der Plan eines solchen Vierecks.

        A                     G                     D
          +-------------------+-------------------+
          |                   | V                 |
          |                   | i                 |
          |                   | e                 |
          |                   | z                 |
          |                   | i                 |
          |                   | g                 |
   Nord E +-------------------+-------------------+ F Süd
          |           Sechsund|siebzig Yards      |
          |                   | Y                 |
          |                   | a                 |
          |                   | r                 |
          |                   | d                 |
          |                   | s                 |
          +-------------------+-------------------+
        B                     H                     C

An jedem der Punkte _A_, _B_, _C_ und _D_, werden Pflöcke in die Erde
getrieben. Die Außenlinien stellen starke Eisendrähte vor, die von
Pflock zu Pflock gehen, an jedem Pflock befestigt, und so miteinander
verbunden sind, daß sie ein Viereck von Draht bilden, das 3 Zoll unter
die Oberfläche eingesenkt ist. An den Punkten _E_ und _F_ sind 15 Fuß
hohe Stangen angebracht. Ein Draht ist mit dem unter der Oberfläche sich
befindenden Querdraht beim Punkt _E_ verbunden, die Stange entlang bis
nach oben, und dann durch die Mitte des Vierecks bis zur Spitze der
Stange bei _F_ gezogen, von wo er diese entlang nach dem Querdraht unter
der Oberfläche gezogen und bei dem genannten Punkt befestigt wird. Wir
müssen hierbei bemerken, daß das Viereck so gerichtet sein muß, daß es
von Norden nach Süden läuft, so daß der Draht, der von _E_ nach _F_
geht, einen rechten Winkel mit dem Äquator bildet. Es ist wohlbekannt,
daß eine beträchtliche Menge von Elektrizität in der Atmosphäre erzeugt
wird und mit der Bewegung der Erde beständig von Osten nach Westen geht.
Diese Elektrizität wird von dem Draht angezogen, von _E_ zu _F_ gespannt
auf die Drähte übertragen, die von den Punkten _A_, _B_, _C_ und _D_ das
Viereck unter der Oberfläche des Bodens bilden .... Jede Menge von
Elektrizität, die gebraucht wird, kann dadurch erzeugt werden, daß man
unter dem Boden bei dem Punkt _G_ einen Sack Holzkohlen und an dem Punkt
_H_ Platten von Zink befestigt und diese beiden so durch einen Draht
verbindet, der ähnlich wie der bei _E_ und _F_ über zwei Stangen geht
und den _F_ Längsdraht kreuzt, der von den letztgenannten Punkten
ausgeht. Die Kosten, zu welchen diese Einrichtung hergestellt werden
kann, werden auf ein Pfund für den Acre berechnet, und man hat
berechnet, daß sie 10 bis 15 Jahre dauert, wenn die Drähte sorgfältig
aufgehoben und jedes Jahr wieder an ihre Stelle gesetzt werden.

Die Stangen werden aus Hartholz gemacht. In dem Maße, wie die Fläche
ausgedehnt wird, vermindern sich die Kosten. Die Art, wie das Stück Land
angelegt wird, ist die folgende. Mit einem Seemannskompaß und
abgemessenen Längen Bindfaden messe man die Plätze aus für die
Holznadeln, an welche der _eingegrabene_ Draht befestigt wird, indem er
durch schmale Schließhaken läuft. Es muß darauf geachtet werden, daß der
eingegrabene Draht die Längsseite entlang richtig mittels des Kompasses
von Norden nach Süden und die Breitseite entlang richtig von Osten nach
Westen gelegt wird. Dieser Draht muß zwischen zwei und drei Zoll tief in
die Erde gesenkt werden. Die Linien des eingegrabenen Drahtes sind dann
fertig. Der hochliegende Draht muß an beiden Enden mit dem eingegrabenen
Draht verbunden sein. Eine Holznadel mit einem Schließhaken muß daher
eingetrieben werden und die beiden Stangen – die eine von 14, die
andere von 15 Fuß – müssen mittels des Kompasses richtig nach Norden
und Süden eingestellt, der Draht über sie gezogen und je an den
Holzstäben befestigt werden, jedoch gleicherweise an diesen Punkten den
eingegrabenen Draht berühren. Der obengespannte Draht muß auch fest
angezogen werden, sonst wird der Wind ihn zerreißen.“

Dies die Geschichte.

Die deutschen Zentralmänner haben sich zum xtenmal vereinigt, und so
erscheint eine Annonce von General Haugh, die wieder für den 10. Mai die
Erscheinung seines „Kosmos“ ankündigt, unter Mitarbeit der Herren Ruge,
Kinkel, Ronge usw. Das wird schön werden.

Eben bringt Tupman [Pieper] einen Brief von Miquel, woraus hervorgeht,
daß die deutschen Demokraten – auch einige Kommunisten – an der Spitze
das Bremer Schundblatt von Ruge, unermüdlich in ihren Verleumdungen
gegen mich sind, und derartiges frißt natürlich bei dem deutschen
Philister und Straubinger reißend um sich. Die Kerls müssen doch eine
Heidenangst vor mir haben, daß sie jetzt schon alle Mittel aufbieten, um
mir den Aufenthalt in Deutschland unmöglich zu machen.

                                                            Dein K. M.

Jones hielt gestern eine wirklich famose Vorlesung gegen das
_cooperative movement_,[4] worin er _de front_[5] sein eigenes Publikum
attackierte. Er sagte mir, daß aus dem Blatt mit Harney wohl nichts
werden wird, da mit dessen Frau kein Geschäft abzuschließen ist. Er wird
einstweilen auf seine Faust ein Magazin herausgeben.

----------

   [1] Verständlichem Deutsch.

   [2] Englisches Längenmaß = 91,4 Zentimeter.

   [3] Acker beziehungsweise Morgen.

   [4] Genossenschaftsbewegung.

   [5] Ins Gesicht.


                                   82

                              [Undatiert. Jedenfalls Anfang Mai 1851.]

Lieber Marx!

Morgen oder übermorgen erhältst Du die Post Office Ordre. Unser
Buchhalter hat heute wieder kein _Cash_.[1]

Seit wann gebrauchst Du zu Deinen Briefen das inliegende schöne Siegel
– oder ist was damit passiert?

_Il paraît donc_,[2] daß die ganze Neue Rheinische Zeitung diesen Sommer
in London zusammensitzen wird, _moins_[3] vielleicht Freiligrath und den
Honorarius Bürgers. Daß Lupus definitiv kommt, freut mich sehr. Ich weiß
übrigens positiv, daß die Geschichte mit den _Alien-Offices_[4] an der
Grenze hier jetzt noch weit weniger streng ist als früher und daß daher
der ganze Skandal wegen des Verbots, Flüchtlinge hierher zu schicken,
der purste Humbug ist.

Die Unterschrift des Alrauns [Dronke] zu der Genfer Adresse ist höchst
sonderbar – eine _bévue inconcevable_[5] –, neuer Beweis, daß man _a
sharp look-out after these young men_[6] haben muß und daß sie kurz
gehalten werden müssen. Es kann nur eine _bévue_ sein, die Briefe des
Kerlchens waren übereifrig, und vielleicht hat er geglaubt, einen
famosen Geniestreich zu machen. Man muß ihn scharf inquirieren, rüffeln
und ihm empfehlen: _surtout pas de zèle_![7]

Nächstens werde ich Dir eine ökonomische Abhandlung von Wellington aus
dem Jahre 1811 mitteilen, über _free trade_ und Monopol im
Kolonialhandel. Das Ding ist kurios, und da es die spanischen Kolonien
betrifft und nicht die englischen, so kann er den _freetrader_ spielen,
obwohl er gleich im Anfang mit einem aristokratisch-militärischen
Fanatismus über die Kaufleute schimpft. Er dachte nicht, daß er diese
Prinzipien nachher auf die englischen Kolonien anwenden helfen müßte.
Aber das ist der Witz. Dafür, daß der alte Irländer unverdienterweise
Napoleon besiegte, hat er später vor Cobden erliegen müssen und _en
économie politique_[8] durch das kaudinische Joch des _free trade_
passieren. Die Weltgeschichte gibt doch zu sehr vielen angenehmen
Betrachtungen Anlaß!

Die Auflösung der Londoner demokratischen provisorischen Regierung für
Deutschland hat mich mit Kummer erfüllt. So eine schöne Gelegenheit für
die Esel, sich vor dem öffentlichen Gelächter zu erhalten, findet sich
sobald nicht wieder. Dafür eröffnet der große Franz Raveaux in der
Kölnischen Zeitung wieder seine Klüngelpolemik mit Herrn Paul Franck und
anderen Tröpfen. Er ist wieder reif, in irgend ein Nationalnarrenhaus
gewählt zu werden und zu sagen: „Meine Herren, hück hat die Stadt Köllen
ener jroßer Dag erlebt!“

Ich bin übrigens moralisch überzeugt, daß der Willich und Komp. über
einen großartigen Plan zur Revolutionierung Englands während der
Exhibition brüten, obwohl es ebenso sicher ist, daß sie keinen Finger
rühren werden. Wird nichts Vereinzeltes bleiben!

Die zweite Marke auf meinen Briefen ist für späte Aufgabe. Ich kann für
diesen _Stamp_ anderthalb Stunden nach Schluß der gewöhnlichen Post den
Brief noch mit demselben Zuge fortbekommen. Übrigens zahlt dies die
Firma.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Bargeld.

   [2] Es scheint also.

   [3] Außer.

   [4] Ausländerbureaus.

   [5] Unbegreiflicher Schnitzer.

   [6] Ein scharfes Auge auf diese Jünglinge [haben].

   [7] Insbesondere keinen Übereifer.

   [8] In der Volkswirtschaftspolitik.


                                   83

                                                 Freitag, 9. Mai 1851.

Lieber Marx!

Ich schickte Dir gestern zwei Briefe, den einen ohne anderen Inhalt als
eine Post Office Ordre, den anderen durch Pieper. Du hast beide
hoffentlich erhalten.

Die elektrische Geschichte ist einfach, was die Konstruktion anbetrifft.
An den vier Ecken _A B C_ und _D_ – ich setze voraus, daß Du die
Zeichnung dort hast – werden Pflöcke in die Erde geschlagen und ein
starker Draht drei Zoll unter der Erdoberfläche von einem dieser Pflöcke
zum anderen gezogen, so daß er unter der Erde das ganze Feld umspannt.
Bei _E_ und _F_, Norden und Süden, werden zwei Pfähle in die Erde
geschlagen, deren Spitzen fünfzehn Fuß über der Erde ebenfalls durch
einen Draht verbunden werden. Die beiden Enden des Drahtes laufen am
Pfahl hinab und werden unter der Erde mit dem verdeckten Draht _A B C D_
verbunden. Ebenso ein Querdraht von _G_ bis _H_ auf zwei Pfählen, der in
der Mitte den Draht _E F_ kreuzt. Was der Sack Holzkohle und die
Zinkplatten sollen, ist mir nicht ganz klar, da ich die elektrische
Beschaffenheit der Holzkohle vergessen habe – ich vermute, durch diese
Holzkohle bei _G_ und den Zink bei _H_, die beide ebenfalls vergraben
und mit dem großen vergrabenen Draht in Verbindung stehen, will der Kerl
die Elektrizität polarisieren, einen positiven (Zink) und negativen
(Kohle) Pol herstellen.

Der Rest bezieht sich auf technische Geschichten, Isolierung der Drähte
usw.

Da Du mir weiter nichts schreibst, so vermute ich, daß sich die
Geschichte auf irgend ein Experiment bezieht, ich glaube, Du sprachst
mir davon, daß im Economist oder so etwas davon gestanden hat. Mir ist
der Erfolg der Sache etwas zweifelhaft, doch mag was damit zu machen
sein, wenn man das Ding ausdehnt und verbessert. Es fragt sich nur 1.
wieviel Elektrizität sich in der Weise aus der Luft abfassen läßt, und
2. wie diese Elektrizität auf Wachstum und Keimen der Pflanzen wirkt.
Laß mich jedenfalls wissen, ob das Experiment schon gemacht ist und mit
welchem Erfolg, und wo der Bericht darüber steht.

Zwei Haken hat die Sache jedenfalls:

1. Will der Kerl den Draht, der die Elektrizität abfassen soll, genau
Nord und Süd gelegt haben, und schreibt doch den Farmers vor, ihn nach
dem Kompaß zu legen. Von der Deklination des Kompasses, die hier in
England zirka 20 bis 23 Grad beträgt, spricht er gar nicht, und er müßte
jedenfalls sagen, ob er sie in Anschlag gebracht hat. Die Farmers wissen
jedenfalls von Deklination nichts und würden den Draht nach der
Magnetnadel legen, wo er dann nicht von Nord nach Süd, sondern von
Nord-Nord-West nach Süd-Süd-Ost zeigen würde.

2. Wenn die Elektrizität eine befördernde Wirkung auf das Keimen und
Wachsen der Pflanzen hat, so wird sie im Frühjahr die Pflanzen zu _früh_
keimen machen und sie Nachtfrösten usw. aussetzen. Dies müßte jedenfalls
sich zeigen und dem wäre nur abzuhelfen, indem man während des Winters
die Kommunikation der schwebenden und der vergrabenen Drähte
unterbräche. Auch davon spricht der Mann nicht. Entweder aber ist die so
abgefaßte Elektrizität ohne alle befördernde Wirkung oder sie hat die
des Zufrühtreibens. Auch das muß aufgeklärt werden.

Die Sache läßt sich übrigens nicht beurteilen, bis sie probiert ist und
Resultate da sind, und deswegen sage mir, wo ich das Weitere über diesen
Gegenstand finden kann.

Ich danke dem Schöpfer in der Höhe, daß die Zentralesel sich
wiedergefunden haben, und selbst ihren Kosmos gönne ich ihnen. Wir
werden doch bald wieder ein Organ haben, soweit wir’s brauchen, und wo
wir alle Angriffe zurückweisen können, ohne daß es scheint, als ginge
dies von uns aus. Das ist ein Vorzug der beabsichtigten Kölner
Monatsschrift vor unserer Revue.

Daß die Schimpfereien in Deutschland nicht weniger Fortgang finden als
in Amerika und London, ist nicht anders zu erwarten. Du hast jetzt die
stolze Position, von zwei Welten zugleich attackiert zu werden, was dem
Napoleon nie passiert ist. Übrigens sind unsere Freunde in Deutschland
Esel. Daß sie von bloßen Schimpfereien keine Notiz nehmen, als alle
Vierteljahr zwei Worte über den Stand dieses sauberen Trade zu geben,
ist ganz in Ordnung. Aber wenn es zu Verleumdungen kommt, wenn sich der
demokratische Philister nicht mehr mit der einfachen Überzeugung
begnügt, daß man das schwärzeste Ungeheuer ist, sondern wenn er anfängt,
mit erlogenen und entstellten Tatsachen um sich zu werfen, dann wäre es
wahrhaftig nicht zu viel, wenn einem die Herren das Dokument
einschickten, damit man seine Maßregeln treffen kann. Aber der Deutsche
glaubt genug getan zu haben, wenn er dergleichen Unsinn simplement
_nicht glaubt_. Laß den Pieper deswegen an M[iquel] schreiben. Es ist
nicht einmal nötig, daß man gleich antwortet, sondern wenn man des Zeugs
ein paar Dutzend Stück hat, kann man einmal tüchtig losfahren und die
Wanzen _d’un seul coup de pied_[1] ekrasieren. Was das angeht, daß sie
uns den Aufenthalt in Deutschland unmöglich machen wollen –
_laissons-leur ce plaisir_![2] Sie können die Neue Rheinische Zeitung,
das Manifest und _tutte quante_ nicht aus der Geschichte
herausstreichen, und all ihr Heulen hilft ihnen nichts. Die einzigen
Leute, die uns in Deutschland gefährlich werden könnten, wären
Meuchelmörder, und seit der Gottschalk tot ist, hat keiner in
Deutschland die Courage, uns dergleichen Leute auf den Hals zu schicken.
_Et puis_,[3] haben wir uns nicht auch 1848 in Köln unsere Stellung erst
erwerben müssen, und _lieben_ wird uns der demokratische rote oder
selbst kommunistische Mob doch nie.

Ich freue mich, daß Du Ruhe hast bis jetzt vor den Ausstellungsleuten.
Ich kriege sie schon auf den Hals. Gestern waren zwei Kaufleute aus
Lecco hier, der eine ein alter Bekannter von 1841. Die Österreicher
wirtschaften schön in der Lombardei. Nach all den Kontributionen,
wiederholten Zwangsanleihen, dreimal im Jahre immer wieder
eingeforderten Steuern, kommt endlich Regelmäßigkeit hinein. Die
mittleren Kaufleute in Lecco müssen 10 000 bis 24 000 Zwanziger (350 bis
700 Pfund) jährlich zahlen – an direkten regelmäßigen Steuern, alles
_hard cash_.[4] Da mit dem nächsten Jahre die österreichischen Banknoten
dort auch eingeführt werden sollen, will die Regierung vorher alles
Metallgeld herausziehen. Dabei wird der hohe Adel – _i gran ricchi_[5]
– und die Bauern verhältnismäßig _sehr geschont_ – _il medio
liberale_,[6] die liberale Mittelklasse der Städte muß alles zahlen. Du
siehst die Politik der Kerls. Daß bei diesem Drucke – in Lecco haben
sie eine Erklärung unterzeichnet und an die Regierung geschickt, daß sie
nicht mehr zahlen; daß man sie pfänden solle, daß sie aber, wenn dies
System nicht aufhöre, alle auswandern würden, und mehrere sind bereits
gepfändet –, daß dabei die Kerls auf Mazzini warten und erklären, es
_müsse_ losgehen, weil sie es nicht länger aushalten könnten, _perché
rovinati siamo e rovinati saremo in ogni caso_[7] – das begreift sich.
Dies erklärt manches in der Wut der Italiener, loszuschlagen. Diese
Kerls hier sind alle Republikaner, und zwar lauter angesehene Bourgeois
– der eine ist der erste Kaufmann in Lecco und zahlt selbst 2000
Zwanziger monatlich Steuern. Er wollte platterdings wissen, wann es
losgehe, sie hatten es unter sich in Lecco – dem einzigen Orte, wo ich
populär bin – ausgemacht, daß ich das aufs Haar wissen müßte.

Morgen den Wellington, an dem mich diese Kerls gehindert haben.

                                                            Dein F. E.

Dieser Brief ist mit Siegellack und unserem Firmasiegel _E. & E._
gesiegelt. Du wirst also sehen, ob er erbrochen.

----------

   [1] Mit einem einzigen Fußtritt.

   [2] Lassen wir ihnen das Vergnügen.

   [3] Und dann.

   [4] Bares (Hart-)Geld.

   [5] Die sehr Reichen.

   [6] Die liberale Mittelschicht.

   [7] Weil wir auf jeden Fall ruiniert sind und sein werden.


                                   84

                                                 London, 16. Mai 1851.

Lieber Engels!

Deinen Brief, der vorgestern ankam, erhielt ich zu spät, um ihn noch zu
beantworten. Ich war nämlich schon auf dem Museum, ehe der _postman_
erschien, und kehrte erst um 7 Uhr abends nach Hause zurück. Gestern
aber konnte ich Dir mit dem besten Willen nicht schreiben, da ich solche
Unterleibsschwierigkeiten hatte, daß mir fast der Kopf sprang, wie dem
Freiligrathschen Neger die Trommel.

Die vorige Konfusion kommt einfach daher, daß ich einem der beiden
Bummler sofort auf Deinen ersten Brief ein Schreiben an Dich zur
Besorgung an Dich auf die Post gab. Er hatte es verbummelt, und die paar
Zeilen befanden sich noch gestern in seinem Portefeuille.

Was die _electricity_ angeht, so findet sich die Notiz darüber in dem
Economist von 1845. Er enthält übrigens nichts, als was ich Dir
mitgeteilt, mit der Erzählung, daß der Versuch mit dem größten Erfolg in
Schottland gemacht. Er nennt sogar den Farmer.

Freiligrath kommt in diesen Tagen her.

Nun zu den Postgeschichten. Ich glaube, die Post ist unschuldig.
Wenigstens bin ich allein für die schlechte Form der Siegel
verantwortlich. Das einzige, was mir ganz _alienum est_,[1] ist das:
Manchester.

Hast Du gesehen in der Kölnischen Zeitung, wie Kinkel durch seine Frau
jede Teilnahme an dem Manifest des starken „Provisorium“ ableugnet? Und
wie er „eine schwere Krankheit“ sich an den Hals lügt, um das Interesse
des deutschen Philisters zu steigern?

Durch die Intervention meines würdigen Schwager-Ministers ist wieder der
Druck meiner Sachen, wie der Revue, ins Stocken geraten. Es scheint, daß
Becker auf Schwierigkeiten in Verviers gestoßen ist.

In Frankreich scheint _Cavaignac_ reißend um sich zu greifen. Seine Wahl
wäre die rationelle Lösung, würde aber die Revolution um Jahre
aufschieben. Der Kongreß von Nikolaus, Friedrich Wilhelm und Habsburg
hat ungefähr dieselbe Bedeutung wie der von General Haugh, Ruge und
Ronge. Die Einkommensteuer war übrigens für den Augenblick das Klügste,
was die Preußen tun konnten. –

Was sagst Du von der portugiesischen Revolution?

Herr A. Goegg ist hier, wurde von Willich und Komp. sofort abgefangen
und hielt Vorlesungen in der Windmill. Glückauf!

_Maintenant, mon cher_, lebe wohl. Von jetzt an wird die Korrespondenz
wieder ordentlich ins Gleis kommen.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Fremdartig ist.


                                   85

                                     Manchester, Montag, 19. Mai 1851.

Lieber Marx!

Ich bin froh, daß mit den Briefen nichts vorgefallen ist, es ist immer
besser so. Der hiesige Postmeister hat mir ebenfalls eine hinreichende
Erklärung für den zu spät gekommenen Brief gegeben. Schreibe in Zukunft
auf der Adresse die Straße und Nummer _über_ der Stadt, so daß
Manchester ganz unten steht, die Postschreiber sind daran gewöhnt und
haben, weil die Straße unten stand, in dem einen Brief das „Manchester“
übersehen und ihn als Londoner Stadtbrief nach London zurückgeschickt.

Das Neueste ist, daß Du vollständig enfonciert [vernichtet] bist. Du
glaubst, die richtige Theorie der Grundrente entdeckt zu haben. Du
glaubst, der erste zu sein, der die Ricardosche Theorie umwirft.
_Malheureux que tu es_,[1] Du bist überflügelt, vernichtet, geschlagen,
assommiert. Die ganze Grundlage Deines _monumentum aere perennius_[2]
ist zusammengebrochen. Höre: Herr Rodbertus hat soeben den dritten Band
seiner „Sozialen Briefe an v. Kirchmann“ veröffentlicht – 18 Bogen.
Dieser Band enthält eine „vollständige Widerlegung der Ricardoschen
Lehre von der Grundrente und die Darlegung einer neuen Rententheorie“.
Leipziger Illustrierte Zeitung von voriger Woche. Jetzt hast Du Dein
Fett.

Die Bemühungen des großen Kinkel, aus der unrespektablen Gesellschaft,
genannt europäisches Komitee, herauszukommen, ohne Gestank zu
hinterlassen, sind sehr heiter. Du wirst im Samstags-Ind [unlesbar]
gesehen haben, daß einige Heuldemokraten bei Elberfeld eine Versammlung
und kleine _riots_[3] zustande gebracht haben und dabei
diese Proklamation verteilt. Das ist zustande gebracht durch
deutschkatholische Verbindungen von Ronge. Weder Kinkel noch sonst
jemand vom Chor hätte dort etwas ausgerichtet.

Die Geschichte mit Cavaignac ist in jeder Beziehung fatal; wenn
_Girardin_ von ihm sagt, daß er die meiste Chance hat, so muß es wahr
sein. Außerdem sehen die Kerle immer mehr ein, daß die Revision
unmöglich ist – auf legale Weise. Und die illegale ist ein
Staatsstreich, und wer zuerst Staatsstreiche anfängt, der wird
ekrasiert, sagt das Débats. Napoleon fängt an, _horriblement_[4]
verschlossen zu werden. Changarnier ist vernichtet, vollständig
pensioniert, die Fusion führt zu nichts unmittelbar Praktischem, so
hübsch sie ist, _il n’y a que Cavaignac_.[5] Ob der Kerl die Revolution
aufschöbe, wäre am Ende so gefährlich nicht; einige Jahre resoluter
industrieller Entwicklung, die Überdauerung einer Krise und einer neuen
Prosperitätsperiode könnte durchaus nicht schaden, besonders wenn sie
von bürgerlichen Reformen in Frankreich usw. begleitet wäre. Aber
Cavaignac und die bürgerliche Reform, das ist in Frankreich die
Zollreform und die englische Allianz, und bei erster Gelegenheit der
Krieg gegen die heilige Allianz, mit Englands Hilfe, mit gehöriger Zeit
zu Rüstungen, mit einer lang vorbereiteten Invasion gegen Deutschland,
und das könnte uns die Rheingrenze kosten, die ohnehin das beste Mittel
ist, den Crapaudsozialismus mit einer Abschlagszahlung von Gloire zur
Ruhe zu bringen.

Das Débats ist übrigens so herunter, daß es nur noch in der
Aufrechterhaltung des neuen Wahlgesetzes die Rettung der Gesellschaft
sieht.

Das Frankfurter Journal läßt sich aus Köln schreiben, den Flüchtlingen
in London gehe es jetzt leidlich, mit Ausnahme derer in der Kaserne,
unter denen auch Willich sei. Die Augsburger Allgemeine Zeitung glaubt
wirklich, die Fremdenbill sei noch in Kraft, und sieht die Flüchtlinge
– diese ewigen Juden des neunzehnten Jahrhunderts – mit der blassen
Furcht vor dieser Bill in London zitternd herumschleichen.

Von der portugiesischen Revolution sage ich gar nichts. Bemerkenswert
ist bloß, daß Saldanha als rein _persönlicher_ Insurgent, als _ôte-toi
de là, Costa Cabral, que je m’y mette_,[6] absolut nichts ausrichtete,
daß aber von dem Moment, wo er gezwungen war, sich an die liberalen
Bürger von Oporto anzuschließen und in der Person des José Passos einen
allmächtigen Repräsentanten dieser bürgerlichen Gewalt bei sich
aufzunehmen, daß da die ganze Armee ihm zufiel. Die Stellung, die Passos
erhält, und die nächste Entwicklung wird zeigen, ob Saldanha und die
Königin die Bürger nicht gleich wieder zu prellen suchen. Lissabon ist
nichts, Oporto ist das Zentrum der konstitutionellen Bürger, der
Manchesterschule von Portugal.

Sei froh, daß Herr Goegg nicht zu Dir gekommen ist. _Le diable emporte
toutes ces médiocrités gonflées._[7]

                                                            Dein F. E.

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   [1] Unglücklicher, der Du bist.

   [2] Denkmal dauernder als Erz.

   [3] Aufruhrszenen.

   [4] Schauerlich.

   [5] Es ist nur Cavaignac da.

   [6] Steh’ auf da, Costa Cabral, damit ich mich dorthin setze.

   [7] Der Teufel hole alle diese aufgeblasenen Mittelmäßigkeiten.


                                   86

                                                 London, 21. Mai 1851.

Lieber Engels!

Freiligrath ist hier und läßt Dich grüßen. Er ist hier, um sich nach
einer Stelle umzusehen. Wenn er keine findet, will er nach Amerika.

Er hat ganz gute Nachrichten aus Deutschland mitgebracht. Die Kölner
sind sehr tätig. Ihre Agenten reisen seit September. Sie haben in Berlin
zwei ganz gute Repräsentanten, und da die Demokraten beständig in Köln
sich Rats erholen kommen, so paralysieren sie die anderen Herren
beständig. So waren die Braunschweiger drauf und dran, dem
Schimmelpfennig 2000 Taler für das Londoner Komitee (Soziales) zu geben.
Vorher aber schickte sie Dr. Lucius nach Köln, und so fiel die Sache ins
Wasser.

Kinkel ist sehr diskreditiert in der Rheinprovinz, speziell in Bonn. Das
dortige Komitee hatte der Johanna 200 Pfund geschickt. Aber schon nach
zwei Wochen verlangte sie Fortsetzung. Das mißfiel sehr den
Spießbürgern.

Die Kölner werden in einigen Wochen einen kommunistischen Kongreß
abhalten.

Sigel, der Obergeneral, ist hier und in die Windmillstreet eingetreten.

Auch eine Nummer des Kosmos ist erschienen von General Haugh. Enthält
Reklamen für Willich, Kinkel und Göhringer. Die verschiedenen Banden
fallen immer mehr zusammen. Ich habe eine aufgedunsenere und
selbstgefälligere Abgeschmacktheit weder gesehen noch gehört.

Das Ganze ist belletristisch-quartaner-idiotisch geschrieben und mit
einer selbstgefälligen Dummheit, die ihresgleichen in den Annalen der
Weltgeschichte sucht. Dazu mit einem Mangel an allem Talent, der
unerhört ist. Doch ich muß suchen, Dir ein Exemplar von diesem Bettel
aufzutreiben.

Die Wanze Meyen läuft hier sehr geschäftig umher und teilt jedem, der es
hören will, das Geheimnis mit, daß Marx und Engels allen Anhang und
allen Einfluß in Deutschland verloren haben. Fürchterlicher Meyen!

Um Dir übrigens ein Beispiel von der schamlosen Zudringlichkeit dieser
Patrone, von ihrem schäbigen Bettlertum zu geben:

Vorigen Sonntag war ich in Johnstreet, wo der alte Owen an seinem 80.
Geburtstag eine Vorlesung hielt. Trotz seiner fixen Ideen war der Alte
ironisch und liebenswürdig. Einer der Trabanten des Kosmos, nachdem der
alte Herr geendet hatte, drängt sich an ihn heran und drückt ihm den
Kosmos in die Hand mit der Erklärung, das Blatt enthalte seine
Prinzipien. Und der Alte empfiehlt es wirklich dem Publikum. _C’est par
trop drôle!_[1]

Ich konnte den Abend übrigens nicht vermeiden, wieder mit Harney zu
sprechen, der halb angerissen und sehr zuschauerlich auf mich zukam und
sich nach Dir erkundigte.

Willichs Bettelgeschäfte gehen ganz gut. Er hat, als die
schleswig-holsteinischen Flüchtlinge herkamen, über 200 Pfund von den
_citymerchants_[2] „für diese“ erbettelt.

Girardin sagt zwar, Cavaignac sei jetzt der einzig ernsthafte Kandidat
der _parti de l’ordre_,[3] der Bourgeoismasse. Er selbst aber greift ihn
und Changarnier wütend an, und seine Polemik erinnert wieder an die
besten Zeiten seines Kampfes gegen den National. Dieser Kerl macht
größere Agitation in Frankreich, als die ganze Bande der Montagnards und
Roten zusammengenommen. Bonaparte scheint _hors de question_.[4] Indes,
wenn die royalistische Majorität der Nationalversammlung die
Konstitution wieder verletzt und mit einfacher Majorität die Revision
der Verfassung beschließt, wird sie doch am Ende gezwungen sein – da
sie dann allen legalen Halt verliert –, mit Bonaparte als dem Inhaber
der exekutiven Gewalt einen Kompromiß abzuschließen. Es könnte in diesem
Falle vielleicht zu ernstlichen Kollisionen kommen, da Cavaignac
schwerlich die Gelegenheit sich noch einmal vor dem Maule wegfischen
lassen wird.

Bald wird die ganze Neue Rheinische Zeitung hier sein. Ich wundere mich
über das Ausbleiben von Lupus. Wenn ihm nur kein Pech arriviert ist.

Ich sitze jetzt immer von morgens 10 bis abends 7 auf der Bibliothek und
verspare die Industrieausstellung bis auf Deine Ankunft.

Hast Du die falsche und echte Epistel Mazzinis im Débats gelesen?

                                                            Dein K. M.

Musch [Marx’ Sohn Edgar] grüßt den „Friedrich Engels“.

Apropos. Willich und Schimmelpfennig haben an „ihre Brüder in der
preußischen Armee“ den unvermeidlichen Aufruf erlassen.

----------

   [1] Das ist schon zu komisch.

   [2] Kaufleute der [Londoner] City.

   [3] Ordnungspartei.

   [4] Außer Frage.


                                   87

                                             Manchester, 23. Mai 1851.

Lieber Marx!

Ich habe mit Vergnügen aus den Blättern ersehen, daß die Neue
Rheinische Zeitung in Deiner Person auch auf dem Soyerschen
Allerweltspreß-Symposium vertreten war. Mögen Dir die _homards à la
Washington_[1] und der _champagne frappé_[2] geschmeckt haben. Wie aber
Mr. Soyer Deine Adresse aufgefunden hat, ist mir ein Geheimnis.

Weißt Du, was aus dem versoffenen Laroche aus der Great Windmillstreet
geworden ist? Derselbe ist, wie deutsche Blätter melden, abgefangen und
in Berlin zum Tode verurteilt worden. Es stellt sich heraus, daß dieser
angebliche ehemalige preußische Husarenleutnant niemand anders ist als
der Schuhmacher August Friedrich Gottlieb Lehmann aus Treibel bei Sohrau
in der oberschlesischen Wasserpolackei, Wehrmann ersten Aufgebots, durch
Urteil vom 23. März 1842 wegen Desertation in Friedenszeit, Fälschung
und unerlaubten Schuldenmachens zu den militärischen Ehrenstrafen und
sechzehnmonatiger Einstellung in eine Strafsektion verurteilt. Ein neuer
Beitrag zur Aufklärung über unsere Revolutionshelden.

Daß die großen Krieger, Willich, Schimmelpfennig und Sigel, sich mehr
und mehr zusammenfinden, ist ganz gut. Dies Soldatenpack hat einen
unbegreiflich schmutzigen _Esprit de corps_.[3] Sie hassen sich
untereinander _à mort_,[4] beneiden sich gegenseitig wie Schuljungen die
kleinste Auszeichnung, aber gegen Leute vom „Zivil“ sind sie alle einig.
Akkurat, nur in zwerghaft karikiertem Maßstab, wie in den ersten
französischen Armeen von 1792/93. Die Windmillstreet-Gesellschaft sehen
sie alle für ein Bataillon an, das fix und fertig und geschlossen
herübermarschieren wird; es ist das einzig übrige, seit die in der
Schweiz gesprengt und fortexpediert sind. Kein Wunder, daß sie sich alle
an dieses edle Korps anhängen. Es ist sehr gut, daß man schon jetzt auf
diesen Offizierkorpsgeist aus der alten Kaserne und von der
Offizierstafel her aufmerksam gemacht wird, und daß man schon jetzt
sieht, wie diese Cliquenwirtschaft unter dem emigrierten
Offiziersmaterial ebensosehr herrscht wie im herrlichen Kriegsheer. Wir
wollen diesen Herren seinerzeit schon zeigen, was „das Zivil“ zu
bedeuten hat. Aber dergleichen Geschichten zeigen mir, daß ich gar
nichts Besseres tun kann, als meine militärischen Studien fortzusetzen,
damit wenigstens Einer vom „Zivil“ ihnen theoretisch die Stange halten
kann. Jedenfalls will ich’s dahin bringen, daß solche Tröpfe mich nicht
niederschwatzen sollen. Daß sie übrigens um 2000 Taler geprellt worden
sind, ist sehr erfreulich. Die Nachrichten aus Köln sind sehr angenehm,
die Leute dort mögen sich nur in acht nehmen.

Daß Girardin den Cavaignac nicht unterstützt, ging schon aus den
englischen Blättern hervor. Aber daß er das Faktum konstatiert, daß
Cavaignacs Chancen so flott stehen, reicht hin, um die Situation zu
charakterisieren. Wenn die Chance sich realisieren sollte, von der Du
sprichst, daß die Majorität und Bonaparte einen Vertrag schlössen und
die illegale Revision durchzuführen suchten, so geht’s schief, glaube
ich. Das setzen sie nie durch, solange Thiers, Changarnier und das
Débats nebst ihren respektiven Schwänzen dagegen sind. Die Chance für
Cavaignac wäre zu schön; und in diesem Falle, glaube ich, könnte er auf
die Armee rechnen.

Gibt es Krawall im nächsten Jahre, so ist Deutschland in einer
verfluchten Lage. Frankreich, Italien und Polen sind bei seiner
Zerstücklung interessiert. Mazzini hat sogar, wie Du gesehen hast, den
Tschechen Rehabilitierung versprochen. Außer Ungarn hätte Deutschland
nur einen möglichen Bundesgenossen, Rußland – vorausgesetzt, daß dort
eine Bauernrevolution durchgeführt worden ist. Sonst kriegen wir eine
_guerre à mort_[5] mit unseren edlen Freunden nach allen vier Winden
hin, und es ist sehr fraglich, wie diese Geschichte enden wird.

Je mehr ich über die Geschichte nachdenke, je klarer wird es mir, daß
die Polen eine _nation fondue_[6] sind, die nur so lange als Mittel zu
brauchen sind, bis Rußland selbst in die agrarische Revolution
hineingerissen ist. Von dem Moment an hat Polen absolut keine _raison
d’être_[7] mehr. Die Polen haben nie etwas anderes in der Geschichte
getan, als tapfere krakeelsüchtige Dummheit gespielt. Auch nicht ein
einziger Moment ist anzugeben, wo Polen, selbst nur gegen Rußland, den
Fortschritt mit Erfolg repräsentierte oder irgend etwas von historischer
Bedeutung tat. Rußland dagegen ist wirklich progressiv gegen den Osten.
Die russische Herrschaft mit all ihrer Gemeinheit, all ihrem slawischen
Schmutz ist zivilisierend für das Schwarze und Kaspische Meer und
Zentralasien, für Baschkiren und Tataren, und Rußland hat viel mehr
Bildungselemente und besonders industrielle Elemente aufgenommen, als
das seiner ganzen Natur nach chevaleresk-bärenhäuternde Polen. Schon daß
der russische Adel fabriziert, schachert, prellt, sich korrumpieren läßt
und alle möglichen christlichen und jüdischen Geschäfte macht, vom
Kaiser und Fürst Demidoff bis herab zum lausigsten Bojaren vierzehnter
Klasse, der nur _blagarodno_ (wohlgeboren) ist, schon das ist ein
Vorzug. Polen hat nie fremde Elemente nationalisieren können. Die
Deutschen der Städte sind und bleiben Deutsche. Wie Rußland Deutsche und
Juden zu russifizieren versteht, davon ist jeder Deutschrusse aus
zweiter Generation ein sprechendes Exempel. Selbst die Juden bekommen
dort slawische Backenknochen.

Von der „Unsterblichkeit“ Polens liefern Napoleons Kriege 1807 und 1812
schlagende Exempel. Unsterblich war bei den Polen bloß ihre Krakeelerei
ohne allen Gegenstand. Dazu kommt, daß der größte Teil von Polen, das
sogenannte Westrußland, das heißt Bjelostock, Grodno, Wilna, Smolensk,
Minsk, Mohilew, Volhynien und Podolien, sich mit geringen Ausnahmen seit
1772 ruhig hat von den Russen beherrschen lassen, _ils n’ont pas
bougé_,[8] mit Ausnahme von ein paar Bürgern und Edelleuten hier und da.
Ein Viertel von Polen spricht Litauisch, ein Viertel Ruthenisch, ein
kleiner Teil Halbrussisch und der eigentliche polnische Teil ist zu voll
einem Drittel germanisiert.

Glücklicherweise haben wir in der Neuen Rheinischen Zeitung keine
positiven Verpflichtungen gegen die Polen übernommen, als die
unvermeidliche der Wiederherstellung mit suitabler Grenze – und auch
die noch unter der Bedingung der agrarischen Revolution. Ich bin sicher,
daß diese Revolution in Rußland eher vollständig zustande kommt als in
Polen, wegen des Nationalcharakters und wegen der entwickelteren
Bourgeoiselemente in Rußland. Was ist Warschau und Krakau gegen
Petersburg, Moskau, Odessa usw. usw.!

Resultat: Den Polen im Westen abnehmen, was man kann, ihre Festungen
unter dem Vorwand des Schutzes mit Deutschen okkupieren, besonders
Posen, sie wirtschaften lassen, sie ins Feuer schicken, ihr Land
ausfressen, sie mit der Aussicht auf Riga und Odessa abspeisen, und im
Falle die Russen in Bewegung zu bringen sind, sich mit diesen alliieren
und die Polen zwingen, nachzugeben. Jeder Zoll, den wir an der Grenze
von Memel bis Krakau den Polen nachgeben, ruiniert diese ohnehin schon
miserabel schwache Grenze militärisch vollständig und legt die ganze
Ostseeküste bis nach Stettin bloß.

Ich bin übrigens überzeugt, daß bei dem nächsten Krawall die ganze
polnische Insurrektion sich auf Posener und galizische Adlige nebst
einigen Zuläufern aus dem Königreich beschränken wird, und daß die
Prätensionen dieser Ritter, wenn sie nicht von Franzosen, Italienern,
Skandinaviern usw. usw. unterstützt und durch tschechoslawische Krawalle
verstärkt werden, an der Erbärmlichkeit ihrer Leistungen scheitern
werden. Eine Nation, die 20 000 bis 30 000 Mann höchstens stellt, hat
nicht mitzusprechen. Und viel mehr stellt Polen gewiß nicht.

Grüße Freiligrath, wenn Du ihn siehst, und Deine Familie, den Bürger
Musch nicht zu vergessen. Ich komme zirka acht Tage später nach London,
als ich dachte; die Geschichte hängt von vielen kleinen Lumpereien ab.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Hummern _à la_ Washington.

   [2] Champagner in Eis.

   [3] Korpsgeist.

   [4] Auf den Tod.

   [5] Krieg auf Tod und Leben.

   [6] Aufgelöste Nation.

   [7] Existenzberechtigung.

   [8] Sie haben nicht gemuckt.


                                   88

                                                         28. Mai 1851.

Lieber Engels!

Das Nichtantworten von Daniels (dem ich übrigens morgen wieder einen
Brief zukommen lasse, wenn ich nicht noch heute einen erhalte) hat sehr
verdrießliche Gründe. Nothjung ist in Leipzig am Bahnhof verhaftet
worden. Was man an Papieren gefunden hat, weiß ich natürlich nicht.
Darauf wurden (oder auch gleichzeitig, ich weiß das nicht) Becker und
Röser in Köln verhaftet und gehaussucht (ebenso letzteres bei Bürgers.
Dieser ist in Berlin, steckbrieflich verfolgt und wird wohl bald hier
eintreffen).

Diese Maßregeln der Polizei gegen die Emissäre usw. verdanken wir ganz
und gar dem elenden Geschrei der Esel in London. Diese Blasebälge
wissen, daß sie weder konspirieren, noch einen wirklichen Zweck
verfolgen, noch eine Organisation in Deutschland hinter sich haben. Sie
wollen nichts als gefährlich _scheinen_ und die Zeitungstretmühle in
Rotation setzen. So hindern und gefährden die Canaillen die wirkliche
Bewegung und setzen die Polizei auf das _Qui vive_.[1] Hat je eine
solche Partei existiert, deren eingestandener Zweck die reine
Renommisterei ist?

Freiligrath ist instinktmäßig zur rechten Zeit abgereist, um nicht
gefaßt zu werden. Kaum hier, so wurden ihm Schlingen von allen
Emigrationscliquen, philanthropischen Kinkelfreunden, ästhetelnden
Howitts usf. gelegt, um ihn für die Koterie einzufangen. Er hat allen
solchen Versuchen sehr grob geantwortet, daß er zur Rheinischen Zeitung
gehöre und mit der kosmopolitischen Brühe nichts zu tun habe und nur mit
dem „Dr. Marx und seinen intimsten Freunden“ verkehre.

Vorher noch _un mot_[2] über den Zustand in Frankreich.

Ich überzeuge mich _de plus en plus_,[3] daß trotz alledem und alledem
die Chancen Napoleons von allen Kandidaten einstweilen noch die besten
sind. Man wird _en principe_[4] die Revision beschließen, aber _en
pratique_[5] sich mit der Revision des auf den Präsidenten bezüglichen
Artikels besch[schränken]. Sollte die Minorität zu viel Lärm machen, so
faßt man einen einfachen Majoritätsbeschluß, wodurch man die Auflösung
der Nationalversammlung und die Einberufung einer neuen beschließt, die
dann unter _auspiciis Faucheri_,[6] des Telegraphen und des Gesetzes vom
31. Mai vor sich gehen wird. Die Bürger würden Cavaignac vorziehen; aber
die Gefahr, mit dem _status quo_ durch eine radikale Neuwahl zu brechen,
ist ihnen zu bedenklich. Schon jetzt haben eine Masse Fabrikanten ihre
_hands_[7] gezwungen, Petitionen für Revision der Verfassung und
Verlängerung der Präsidentengewalt zu unterhauen. _En tout cas_[8] muß
die Sache sich bald entscheiden, und _nous verrons_![9]

Der Kosmos hat also mit Glanz Fiasko gemacht.

_Vale faveque!_[10]

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Wer da!

   [2] Ein Wort.

   [3] Mehr und mehr.

   [4] Im Prinzip.

   [5] In der Wirklichkeit.

   [6] Unter der Leitung [des Ministers] Faucher.

   [7] Arbeiter.

   [8] Auf jeden Fall.

   [9] Wir werden sehen.

   [10] Lebewohl und bleibe mir gut.


                                   89

                                  Dienstag [undatiert], Ende Mai 1851.

Lieber Marx!

Am Samstag komme ich nach London, wenn nichts dazwischen kommt.

Meine Befürchtungen wegen der Kölner haben sich, scheint es, nur zu
rasch realisiert; die Verhaftung des roten Becker und Rösers wegen
Hochverrat und Versuch zum Umsturz der Verfassung, sowie der Versuch zur
Verhaftung des stillen Heinrich [Bürgers] sind offenbar nicht ohne
Beziehung auf die B[undes]geschichte. Glücklicherweise hat man, wie das
Frankfurter Journal sagt, absolut keine Papiere bei den Verhafteten
gefunden – ob bei B[ürgers], wird nicht gesagt. Heinrich wird nun wohl
auch zur Komplettierung der Neuen Rheinischen Zeitung nach London
kommen. Die Geschichte kann unangenehm werden, wenn die Kerle sich dumm
benommen haben.

                                                            Dein F. E.


                                   90

                                                        16. Juni 1851.

Lieber Engels!

Bei Daniels ist Haussuchung und er verhaftet worden. Ich glaube nicht,
daß man irgend etwas bei ihm gefunden hat.

Heute morgen erhielt ich einen Brief, offenbar von Daniels’ Handschrift
aber ohne Namensunterschrift, worin man mir das obige Faktum mitteilt
und mich zugleich auffordert, alle Briefe beiseite zu bringen, da man
aus *sicherer* (im Original so) Quelle wisse, daß auch hier in England
Haussuchungen stattfinden würden.

Ob das gesetzlich möglich ist, weiß ich nicht. Jedenfalls werde ich
alles beiseite bringen. Auch Du wirst gut tun, wenn Du sämtliche Briefe
– die irrelevanten verbrennst und die anderen, die irgend _data_ und
dergleichen enthalten, bei der Mary oder eurem Kommis versiegelt
placierst.

Bei dem Jacoby hat man wahrscheinlich eine Empfehlung von Daniels
gefunden.

Ich habe heute gleichzeitig durch einen Kaufmann einen Brief von
Weydemeyer erhalten, der sich bei Frankfurt versteckt hält. Ich lege Dir
diesen Brief bei. Weißt Du vielleicht die exakte Zahl, die Weydemeyer
wissen will, zwischen dem Verhältnis des inneren und auswärtigen Handels
Englands? Die Sache hat sich in der letzten Zeit bedeutend verändert.
Salut!

                                                         Dein K. Marx.


                                   91

                                                        27. Juni 1851.

Lieber Marx!

Es ist sehr _bonasse_[1] von der braven sächsischen Polizei, daß sie uns
allerhöchst selbst von dem unterrichtet, was wir bisher nicht wußten
oder erfahren konnten. Bürgers’ didaktisch-würdevolles Rundschreiben mit
dem bekannten _clair-obscur_[2] des Räsonnements muß ihnen viel
fruchtloses Kopfzerbrechen gekostet haben; sie haben auch gerade nur die
unrechten Stellen groß drucken lassen. Heiter nimmt es sich aus, daß die
großen Windmiller jetzt vor der ganzen Welt herausgeschmissen aus der
eigenen Partei dastehen, der große Willich gepaart mit Haude, Gebert und
anderem unbekannten Pack, einem gewissen „Schopper“ (von „Schoppen“
abgeleitet), dessen seltene Verdienste so wenig bekannt sind, daß selbst
in Köln sein Name nicht einmal richtig gedruckt wird! _So far all
right._[3] Aber der erste Artikel der Statuten ist schlimm für die
Verhafteten: „Alle Mittel der revolutionären Tätigkeit“, oder wie es
dort heißt. Das führt die Sache aus dem Gebiet der bloßen verbotenen
Verbindung heraus auf das des Hochverrats. Übrigens, nach einer
Andeutung der Kölnischen Zeitung zu schließen, scheint meine Vermutung
richtig zu sein, daß man vorhat, die ganze Gesellschaft vor den für
diese grandiose Gelegenheit eigens ins Leben zu rufenden Berliner
Staatsgerichtshof zu stellen.

Ein gutes Zeichen für die Stimmung der Bourgeois ist, daß die Regierung
mit ihrem Versuch, die große Dresdener Entdeckung als Schreckschuß zu
exploitieren, so komplett durchgefallen ist. Der Bürger fürchtet sich so
wenig mehr vor dem roten Gespenst, daß er vom großen Kommunistenkomplott
nichts hören will und schon fürchtet, daß das Haussuchungssystem
nächstens auch auf ihn ausgedehnt werde.

Kein einziges Blatt will anbeißen, und die Verzweiflungsexperimente der
Regierung, bei Turnvereinen, freien Gemeinden und demokratisierenden
Schneidermeistern weitere Umtriebe zu entdecken, beweisen einerseits,
wie sehr sie sich über die Gleichgültigkeit der Bürger ärgert und die
Neugier derselben zu kitzeln sucht, und andererseits, zu wie wenig
weiteren Entdeckungen die Statuten und das Rundschreiben geführt haben.
Bei Miquel scheint auch fruchtlos gehaussucht zu sein.

_Qu’y a-t-il de nouveau à Londres?_[4]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Gutmütig.

   [2] Halbdunkel.

   [3] Somit [ist] alles in Ordnung.

   [4] Was gibt es Neues in London?


                                   92

                      [Undatiert. Etwa zwischen 6. bis 10. Juli 1851.]

Lieber Marx!

Nachdem ich meinen Alten hier acht Tage herumgeschleift, habe ich ihn
glücklich wieder fortexpediert und kann Dir heute endlich inliegend Post
Office Ordre für 5 Pfund schicken. Im ganzen kann ich mit dem Resultat
meiner Entrevue mit dem Alten zufrieden sein. Er hat mich auf wenigstens
drei Jahre hier nötig, und Verpflichtungen für die Dauer, nicht einmal
auf die drei Jahre, habe ich keine eingegangen, sind auch weiter nicht
verlangt worden; weder in Beziehung auf Schriftstellerei noch auf
Hierbleiben im Falle einer Revolution.

An diese scheint er gar nicht zu denken, so sicher ist das Volk jetzt!
Dagegen habe ich mir Repräsentations- und Tafelgelder gleich im Anfang
ausgemacht – zirka 200 Pfund jährlich, was auch ohne große
Schwierigkeiten bewilligt wurde. Mit einem solchen Salär geht die Sache
schon, und wenn es bis zur nächsten Bilanz ruhig bleibt und das hiesige
Geschäft gut geht, wird er noch ganz anders bluten müssen – ich komme
schon in diesem Jahre weit über die 200 Pfund. Dabei hat er mich in
seine ganzen Geschäftsverhältnisse sowohl hier wie drüben blicken
lassen, und da er sehr gute Geschäfte gemacht und seit 1834 sein
Vermögen mehr als verdoppelt hat, so versteht es sich, daß ich mich
nicht mehr geniere, als nötig ist.

Der Alte ist übrigens auch verschlagen genug. Sein Plan, der aber nur
sehr langsam und schwierig durchzuführen und wegen der Tuckereien mit
den Ermens schwerlich je durchgeht, ist der, den Peter Ermen nach
Liverpool ziehen zu lassen, was dieser selbst wünscht, und mir dann die
ganze Leitung des hiesigen Kontors – wo G. Ermen dann die Fabrik führen
würde – in die Hände zu spielen. Damit wäre ich dann gebunden.
Natürlich erklärte ich, daß mir das doch über die Kräfte ginge, und
spielte den Bescheidenen. Wäre mein Alter indes noch ein paar Tage hier
geblieben, wir wären uns in die Haare geraten.

_Ceci entre nous._[1]

Die Kölner Zeitung ist seit Anfang Juli hier nicht mehr zu sehen,
wahrscheinlich wegen vergessener Abonnementserneuerung. Ich weiß also
nicht, ob weiter noch etwas vorgefallen ist. Wenn Du Neues weißt, so
lasse mich es ja wissen. Ich werde endlich wieder anfangen können,
ordentlich zu arbeiten, da die Exhibitionsstörungen jetzt so ziemlich
vorüber sind und der Athenäumskatalog endlich fertig ist. Auch habe ich
vor, bald aufs Land zu ziehen, damit ich ganz ungestört bin. Da ich
binnen eines Jahres meinen Alten nicht wieder herbekomme, kann ich mich
ganz nach Konvenienz einrichten und die Repräsentationsgelder zum großen
Teile anders verwenden.

Grüße Deine Frau und schreibe bald

                                                          Deinem F. E.

----------

   [1] Dies unter uns.


                                   93

                                   28 Deanstreet, Soho, 13. Juli 1851.

Lieber Engels!

Ich habe meinen Brief von Tag zu Tag aufgeschoben, um Dir vollständig
die Dokumente zu geben, die unten mitgeteilt werden. Da die
Vollständigkeit aber erst in einigen Tagen möglich wird, schreibe ich
heute, um nicht noch länger Dich auf Antwort warten zu lassen.

_D’Abord._[1] Scheint mir aus Deinem Briefe hervorzugehen, daß Du
während der Anwesenheit des Alten in Manchester nicht erfahren hast, daß
ein zweites Aktenstück in der Kölnischen Zeitung abgedruckt war, unter
der Überschrift „Der Bund der Kommunisten“. Es war dies die von uns
beiden verfaßte Ansprache an den Bund – _au fond_[2] nichts als ein
Kriegsplan gegen die Demokratie. Nach einer Seite hin war die
Veröffentlichung desselben gut, im Gegensatz zu dem der Form nach _plus
ou moins_[3] absurden und dem Inhalt nach wenig tröstlichen Aktenstück
des Bürgers. Andererseits erschweren einige Stellen die Situation der
jetzt Gefangenen.

Wie ich durch Louis Schüler [oder Schöler] aus Köln erfahre, schreibt
Bürgers sehr trübselig aus Dresden. Dagegen glaubt man in Köln allgemein
an die Freisprechung von Daniels, gegen den nichts vorliegt und für den
die ganze Heulerei in der heiligen Stadt heult. Sie hält ihn natürlich
für unfähig solcher „Narreteien“.

Miquel hat aus Göttingen geschrieben. Mehrmalige Haussuchung bei ihm.
Man fand nichts. Ist nicht eingesperrt worden. Es sind von Göttingen aus
fünf neue Emissäre – Gentlemen – nach Berlin usw. ausgegangen. Die
Judenverfolgung erhöht natürlich den Eifer und das Interesse.

Das drolligste ist, daß die alberne Augsburger Allgemeine Zeitung das
von uns verfaßte Aktenstück zu einem Kinde der Herren Mazzini-Ruge
macht, sich ein über das andere Mal an die Brust schlägt und ihre
Begriffserschütterung über das Ungeheure nicht besser zu formulieren
weiß, als indem sie verschiedentlich Wahnsinn! schreit. Wahnsinn!
Wahnsinn!

Die Triersche Zeitung hat sich natürlich – _id est_ Karl Grün – aufs
hohe Pferd gesetzt und aus dem ersten Aktenstück die materielle, aus dem
zweiten jedoch die „geistige“ Ohnmacht der Partei bewiesen. Die
lichtfreundlichen und am weitestgehenden „anarchischen“ Phrasen fehlen
natürlich nicht. Alles von oben machen! Polizeistaat! Andersdenkende
förmlich in Bann tun und ausschließen. _Mon Dieu!_ Da hört am Ende alles
auf!

Nun zu den hiesigen Stürmen, die in einem Regentropfen sich zu ereignen
gewohnt sind.

Erstens. Vater Willich ist aus der Kaserne – deren Auflösung, wie es
scheint, beschlossen war – ausgekniffen und in tiefen Krakeel mit den
meisten seiner Leibgarde geraten.

Zweitens. Der große Fickler arrivierte hier. Lupus war einige Tage vor
seiner Ankunft in England mit ihm in Straßburg zusammengewesen.
Liebknecht ist seit alter Zeit mit ihm vertraut. Beide begaben sich also
zu ihm am 5. Juli. Er schwatzte sehr freundlich, sprach von der
Notwendigkeit der Aussöhnung der Parteien usw. Da kam auch der Amand
Goegg hinzu. Er nannte Willich einen „bloßen Phantasten“, Schapper ein
„ekelhaftes Subjekt“ – nachdem er den Kerl einigemal in der Windmill
poltern gehört, habe er sich von ihm getrennt und sei nicht mehr in die
Herberge gegangen. Fickler und Goegg zogen beide besonders stark über
den großen Kinkel los, der hier nun den glücklichen Parvenü spielt und
sich daher den Ärger der anderen großen Männer zugezogen hat. Ruge wurde
dagegen als eine Art von _lumen_[4] betrachtet.

Fickler fragte nach meiner Adresse, und Lupus und Liebknecht entfernten
sich, düpiert von den nach „Eintracht“ ringenden Biedermännern.

Einige Tage nachher schickte mir Freiligrath folgenden Brief zu, der ihm
zugegangen war:

                       4 Brunswickplace, North Brighton, 4. Juli 1851.

Lieber Freiligrath!

Wir projektieren eine Art Klub und Verein, der das Privatwesen aufhebt
und niemand von der revolutionären sozialdemokratischen Partei
ausschließt, als den, der exklusiv sein will oder der sich durch
Charakter und Antezedentien selbst unmöglich gemacht hat.

Fickler, Goegg, Sigel, Ronge, Ruge betreiben die Sache, und ich habe es
übernommen, Dich zu unterrichten und Dich einzuladen, wenn Du Dich, wie
ich vermute, interessierst, an einem Meeting zu dem Zwecke am 14. Juli
(Montag 8 Tage) 11 Uhr morgens in _Ficklers_ Wohnung, 26 Yorkbuildings,
die einen Teil von New Road bilden, unterhalb Bakerstreet, teilzunehmen.
Wir haben etwa 24 Leute eingeladen, die wir als zuverlässig und
treugeblieben kennen. Mehr wissen wir für den Augenblick nicht.

Ich hätte Dich gern gesprochen. Wenn wir reussieren mit dem Projekt, so
wird dergleichen sofort in allen Fällen möglich. Wenn Du auch nicht in
London bleibst, sollst Du doch hinkommen.

Mit Gruß und mit Händedruck

                                                         Dein A. Ruge.

_Qu’en dis-tu?_[5]

Freiligrath hat nun den großen Fehler begangen, seine Antwort erst
gestern, 12. Juli, abzuschicken, so daß Ruge ihn [sie] nicht einmal vor
seiner Abreise aus Brighton nach London erhalten wird. Überhaupt nahm
Freiligrath die Sache etwas zu pomadig. _Mais enfin, chacun a sa manière
d’agir._[6] Lupus, dem ich den Brief mitteilte, schrieb sofort an
Fickler:

                          3 Broadstreet, Golden Square, 10. Juli 1851.

Bürger Fickler!

Am 5. dieses Monats war ich mit Liebknecht bei Ihnen auf Besuch. Aus der
Art und Weise, wie Sie sich gegen uns aussprachen, konnte ich durchaus
nicht schließen, daß schon tags zuvor nachstehender Brief an Freiligrath
abgesandt worden war. (Folgt obenstehender Brief.) Hätte ich am 5.
dieses Monats entfernt ahnen können, daß Sie mit A. Ruge, diesem
albern-schamlosen Lumpenhunde, in derartiger Verbindung stehen, ich
würde Ihre Wohnung gewiß nicht betreten haben.

Da Sie nun aber, wie ich aus vorstehendem ersah, mit einem Menschen
zusammengehen, „_der sich durch Charakter und Antezedentien_“ (zum
Beispiel durch sein feiges Davonlaufen aus Berlin usw.) für jede
wahrhaft revolutionäre Partei „_selbst unmöglich gemacht hat_“ und der
bereits von der ganzen kommunistischen Partei in Deutschland in Verruf
getan ist: so soll durch diese Zeilen konstatiert werden, daß ich mit
Leuten, die sich so intim in der Sphäre eines Individuums wie Ruge
bewegen, nichts zu schaffen haben will und kann.

                                                             W. Wolff.

_P. S._ Sie können von diesen Zeilen einen beliebigen Gebrauch machen.
Ich für meinen Teil werde sie meinen Parteigenossen zur Kenntnis
bringen.

                                                            Der Obige.

Lupus erhielt darauf folgende Antwort:

                                                        11. Juli 1851.

Lieber Bürger Wolff!

Mein Ahnungsvermögen ist in der Tat so schwach, daß es mich auch nicht
entfernt den Verlust Ihres Wohlwollens und Ihres Besuchs befürchten
ließ, wenn ich mit dem „Lumpenhund“ Ruge im Umgang mich befinde. Ja, ich
wußte nicht einmal, daß ich in solcher Hinsicht schon unter der
Vormundschaft einer Parteiabteilung und unter der Polizeiherrschaft der
Männer der Zukunft stehe. Dieser Stumpfsinnigkeit, sowie der Erfahrung,
welche ich in zwanzigjährigem politischen Wirken dahin machte: daß es
nicht _eine_ politische Partei gebe, die vermeiden könne, mit
Lumpenhunden zusammenzuwirken, verdanke ich den Entschluß, jedem
befähigten Manne die Hand zu bieten, der gemeinsam mit mir die
revolutionäre Bahn wandeln will; – ob derselbe bloß halbwegs zum Ziele
gehe, welches ich mir vorgesteckt; – ob er mich bis dahin begleite oder
ob er darüber hinausschreite.

Politische wie religiöse Achtserklärungen sind Anachronismen, selbst
wenn sie vom Kaiser und Papst ausgehen; um wieviel lächerlicher
erscheinen dieselben, wenn die Königlein und Päpstlein einer Partei sie
ausschleudern, welche nach offenkundig gewordenen Bekenntnissen so
zerfahren ist wie die Ihrige, und welche heute aus ihrer eigenen Mitte
diejenigen zu „Lumpenhunden“ umformt, welchen sie gestern noch fast
göttliche Ehre erwiesen!

Auf meinem Lebensweg habe ich ungleich mehr „Lumpenhunde“ als ehrliche
Leute gefunden und bin von den ersteren ungleich weniger betrogen worden
als von den letzteren. Deshalb verliere ich keine Zeit mit Sonderung
dieser Sorten und sehe hauptsächlich auf Befähigung, deren man in der
verschiedensten Weise bedarf.

Wollen Sie daher mit Marx und Liebknecht – um deren Verständigung ich
Sie bitte – an dem erwähnten „Meeting“ teilnehmen, so lade ich Sie dazu
mit dem Bemerken ein: daß es sich lediglich um eine Vorberatung handelt
und die Hauptunannehmlichkeit für Sie wie für die Hälfte der
Gesellschaft überhaupt darin bestehen dürfte, für die unedleren
Körperteile der Sitze zu entbehren, was aber wesentlich zur
Beschleunigung der Beratung beitragen wird.

Mit freundlichem Gruß

                                                      Ihr Fickler usw.

Das komischste an der ganzen Sache ist und bleibt die unendliche
Anstrengung des Ruge und seiner Clique, sich mit stets neuen
Kombinationen dem Publikum aufzudrängen. Geht es nicht als Abcdef, so
geht es sicher als Fedcba. Rechne einmal aus, wieviel Variationen und
Permutationen der Art noch möglich sind. Hat es je eine ohnmächtig
lächerlich-anspruchsvollere Clique gegeben?

                                                            Dein K. M.

Apropos, die 5 Pfund erhalten. Sie kommen wie ein _deus ex machina_,
denn die _circumstances_[7] sind „öklich“ und schwer zu sehen, wie
herauszukommen. Schreibe _direkt_ an den Klose (6 Upper Ruppertstreet,
near Princeßstreet, Soho), da der Tropf sonst glaubt, sein an Dich
gerichteter Brief, Du erinnerst Dich wegen der 10 Pfund, sei nicht an
Dich gelangt.

----------

   [1] Erstens.

   [2] Im Grunde.

   [3] Mehr oder weniger.

   [4] Licht.

   [5] Was sagst Du dazu?

   [6] Aber schließlich handelt jeder auf seine Weise.

   [7] Umstände.


                                   94

                                            Manchester, 17. Juli 1851.

Lieber Marx!

Dem Klose wird heute noch geschrieben – es ist gut, daß Du seine
Adresse beigefügt, da ich sie nicht hatte. – Daß Du arg in der Klemme
bist, glaube ich gern, und um so ärgerlicher ist es mir, daß ich bis
Anfang nächsten Monats über keinen Centime mehr zu disponieren habe.
Wenn Du bis dahin nicht warten kannst, wäre es nicht einzurichten, daß
Weerth Dir bis dahin einiges pumpte? Ich kann am 1. August 5 Pfund und
am 1. September wieder 5 Pfund zurückzahlen, und das ist so sicher wie
bar Geld.

Die Zeitungsabonnements sind hier endlich wieder in Ordnung, und so habe
ich denn endlich unser altes Aktenstück in der Kölnischen Zeitung zu
Gesicht bekommen. Die Augsburger erzählt übrigens in einem sonst
anscheinend gut unterrichteten Artikel Dresden, man habe den Nothjung
endlich durch schikanöse Verhöre breitgeschlagen, und dieser habe die
umfassendsten Geständnisse gemacht. Ich halte es allerdings für leicht
möglich, daß geschickte Inquirenten ihn bald in die Enge treiben und in
die tollsten Widersprüche verwickeln können. Ein preußischer Beamter
soll hingegangen sein, um noch mehr aus ihm herauszuquetschen. Der König
von Hannover soll sich geweigert haben, die Verfolgungen in seinen
Staaten zu betreiben, wenigstens in der _cruden_[1] Weise, wie dies in
Preußen, Hamburg usw. geschieht. Der Brief Miquels scheint dies zu
bestätigen. Daß Martens in Hamburg verhaftet ist, weißt Du. Die Dummheit
der Preußen geht übrigens aus nichts mehr hervor als aus der Haussuchung
bei „Karl am Rhein“, den man ebenfalls im Verdacht hatte, im
komm[unistischen] Bund zu sein, und bei dem man nur Briefe von Raveaux
fand!

Das alte Aktenstück kann nur durch die eine Stelle über die „Exzesse“
den Verhafteten schädlich sein, alle übrigen Stellen gehen gegen die
Demokraten, und würden nur in dem Fall ihre Position erschweren, wenn
sie vor eine halbdemokr[atische] Jury kämen; wie es aber den Anschein
hat, wird man sie vor eine exquisite Spezial- oder Bundesjury stellen,
wenn man sie überhaupt davor stellt. Und selbst diese Sachen waren schon
in dem Bürgersschen Dokument, das gleich anfangs gefaßt war, großenteils
wieder verarbeitet. Dagegen ist es in jeder anderen Beziehung von
enormem Vorteil, daß das Ding publiziert und durch alle Blätter gegangen
ist. Die einzelnen stillen Cliquen von angehenden Kommunisten, die man
gar nicht kennt und die nach den bisherigen Erfahrungen in allen Teilen
Deutschlands sitzen müssen, werden daran einen famosen Halt bekommen,
und selbst dem Artikel der Augsburger sieht man an, daß das Ding sie
ganz anders affiziert hat als die ersten Entdeckungen. Ihre
Zusammenstellung des Inhaltes zeigt, daß sie den „Wahnsinn“ nur zu gut
verstanden hat – _en effet il n’y avait pas moyen de s’y méprendre_.[2]

Dabei galoppiert die feudale Reaktion so toll und blindlings darauf los,
daß der ganze Schreckschuß bei der Bourgeoisie nicht den mindesten
Effekt macht. Es ist zu heiter, zu sehen, wie die Kölnische Zeitung
jetzt täglich das _il faut passer par la mer rouge_[3] predigt und alle
Fehler der Konstitutionellen von 1848 eingesteht. Aber freilich, wenn
man einen Kleist-Retzow zum Oberpräsidenten nach Koblenz bekommt, und
wenn die unverschämte Kreuzzeitung in ihren platten Possen und
Knittelversen immer injuriöser wird, was soll da die gebildete und
gesetzliche konstitutionelle Opposition anfangen! Es ist schade, daß wir
die Kreuzzeitung nicht hier haben. Ich sehe allerlei Auszüge draus. Von
dieser hundsordinären, gassenbubenhaften, stinkenddummpreußischen
Manier, mit der das Blättchen jetzt über die anständigen, wohlhabenden
und respektablen konstitutionellen Größen herfällt, hat man keine
Vorstellung. Wenn man Kerlen wie Beckerath und Konsorten noch ein
bißchen Taktgefühl und Widerstandsfähigkeit zutrauen könnte, sie müßten
die Mißhandlungen und Schimpfereien eines Père Duchesne in
Rheinschürgermanier und die ganze _terreur rouge_[4] einer Behandlung
vorziehen, wie sie sie jetzt von den Junkern und der Kreuzzeitung
täglich zu genießen haben.

   „Und weiter sprach der Esel:
   Da ist auch der Gemeinderat von Wesel.
   Wenn ich nicht wär ein Eselein,
   So möchte ich wohl Gemeinderat von Wesel sein“ –

In solchen witzigen Reimen bepißt die Kreuzzeitung jetzt der Reihe nach
sämtliche konstitutionelle Koryphäen, und die Kerle lassen sich das
ruhig gefallen. Es ist aber den Hunden recht, die die besten Artikel der
Neuen Rheinischen Zeitung als „gemeine Schimpfereien“ verschrien, daß
sie jetzt auf ihren eigenen feigen Buckel den Unterschied angefuchtelt
bekommen. Sie werden sich zurücksehnen nach den hiergegen unendlich
attischen Verhöhnungen der Neuen Rheinischen Zeitung.

Aus der Geschichte mit Fickler werde ich nicht recht klug. Warum lief
Lupus auch gleich zu Fickler hin und ließ nicht erst den Liebknecht
sondieren, _puisque celui-ci n’aurait compromis que lui-même_?[5] Es
sieht aus, als habe man Fickler keilen wollen. Und dann, nachdem er
dagewesen, war der Brief von Lupus zu sackgrob. Entweder war der Fickler
überhaupt nicht der Mühe wert, oder – nachdem in der Unterhaltung
selbst von Fickler und Goegg Ruge als eine Art Lumen schon hingestellt
war, reichte es hin, daß man mit ihm abbrach, ohne gerade ganz grob mit
ihm zu brechen. Es war ein gemeiner Streich von Fickler, _c’est
clair_.[6] Indes mußte man nicht dergleichen von süddeutschen
Biedermännern von vornherein als möglich voraussetzen? Und er hatte ja
aus seinem Respekt vor Ruge kein Geheimnis gemacht. Die Zudringlichkeit
des Ruge ist freilich namenlos. Aber gerade diese ewig neuen Variationen
sind Beweis genug, daß keine auch nur im geringsten ziehen will, und daß
das „_comité allemand_“,[7] an das Mazzini seine Römerbriefe schreibt,
noch immer nur im Kopfe von Ruge existiert.

Sorge ja dafür, daß Weerth hierherkommt, und schreibe bald wieder.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Roh, ungeschlacht.

   [2] Wirklich, es war gar nicht möglich, es nicht zu verstehen.

   [3] Es muß durch das rote Meer gegangen werden.

   [4] Rote Schrecken.

   [5] Da der nur sich allein bloßgestellt hätte.

   [6] Das ist klar.

   [7] Deutsches Komitee.


                                   95

                  [Undatiert.] 28 Deanstreet, Soho, [Mitte] Juli 1851.

Lieber Engels!

Sei so gut und gib den einliegenden Brief an Schulz sofort auf die Post
in Manchester.

Du erhältst einliegend den Brief Freiligraths an Ruge, den ich
zurückzuschicken bitte, und den Brief von Bermbach an mich. Auch einen
Brief von Miquel.

Ein gewisser „Ulmer“, Schuster, war bei den letzten Haussuchungen aus
Köln entflohen. Er gab einem Straubinger bei „Schärttner“ einen Brief an
seine Verwandten mit. Dieser Straubinger wurde sofort mit den Briefen an
der holländischen Grenze abgefaßt. Kompromittiert sind dadurch nur die
Leute, die ihn befreit haben. So gut ist die Polizei im Schärttnerschen
Lokal organisiert.

Weydemeyer hat sich über die Grenze gemacht. Wir erwarten ihn hier.

Die elenden Heinzen-Ruge lassen sich allerlei dummen Klatsch über die
Kölner Vorfälle, angeblich aus Deutschland, schreiben. Der ganze falsche
Inhalt zeigt, daß sie ihre eigenen Korrespondenten sind.

Laß bald von Dir hören.

                                                            Dein K. M.

_P. S._ Es fällt mir eben ein, daß es besser ist, wenn Du selbst den
Brief an Bermbach schickst. Nämlich auswendig: Louis Schulz, 2
Schildergasse, Köln. Inwendig den verschlossenen Brief an Bermbach. Du
richtest es natürlich so ein, daß man keine inwendige Adresse sieht, und
machst den Brief kaufmännisch zu.


                                   96

                        [Undatiert. Offenbar zweite Hälfte Juli 1851.]

Lieber Marx!

Inliegend die Dokumente zurück. Der Brief von Miquel gefällt mir. Der
Kerl denkt wenigstens und würde gewiß sehr gut werden, wenn er einige
Zeit ins Ausland käme. Seine Befürchtungen wegen der nachteiligen
Einwirkung unseres jetzt publizierten Aktenstücks auf die Demokraten
sind für seine Gegend gewiß sehr richtig; diese niedersächsische,
naturwüchsige Mittelbauerndemokratie, der die Kölnische Zeitung neulich
in den Hintern kroch und ihr die Allianz anbot, ist aber auch danach und
steht weit unter der spießbürgerlichen Demokratie der größeren Städte,
von der sie doch beherrscht wird. Und diese kleinbürgerliche
Normaldemokratie, obwohl schwer pikiert offenbar durch dies Aktenstück,
ist selbst viel zu geklemmt und gedrückt, als daß sie nicht, mit der
großen Bourgeoisie, viel eher auf die Notwendigkeit des _passer par la
mer rouge_[1] käme. Die Kerle werden sich mehr und mehr in die
Notwendigkeit einer momentanen terroristischen Herrschaft des
Proletariats ergeben – das kann ja doch nicht von langer Dauer sein,
denn der positive Inhalt des Aktenstücks ist ja so unsinnig, daß von
permanenter Herrschaft solcher Leute und endlicher Durchführung solcher
Prinzipien keine Rede sein kann! Dagegen der hannoverische große und
Mittelbauer, der nichts hat als seinen Boden, dessen Haus, Hof
und Scheune usw. usw. bei dem vorauszusehenden Ruin aller
Assekuranzkompanien allen Gefahren ausgesetzt sind, der ohnehin seit
Ernst August alle Süßigkeiten des gesetzlichen Widerstandes
durchgekostet hat – dieser deutsche _sturdy yeoman_[2] wird sich hüten,
eher als er muß ins rote Meer zu gehen.

Nach Beckers Brief wäre Haupt der Verräter – was ich nicht glauben
kann. Die Geschichte müßte übrigens jedenfalls ergründet werden.
Verdächtig kann allerdings scheinen, daß, soviel ich weiß, Haupt noch
auf freien Füßen ist. An eine Reise nach Hamburg von Göttingen oder Köln
aus wird nicht zu denken sein. Was und wann man aus den Prozeßakten oder
Verhandlungen darüber für Aufklärung erhält, ist nicht zu sagen. __S’il
y a trahison__,[3] darf man es nicht vergessen, und ein Exempel bei
passender Gelegenheit wäre sehr gut.

Ich hoffe, Daniels wird bald freigelassen, __après tout c’est la seule
tête politique, qu’il y ait dans Cologne__,[4] und er würde trotz aller
polizeilichen Überwachung doch imstande sein, die Geschichte im rechten
Geleise zu erhalten.

Um noch einmal auf den Effekt unseres Aktenstücks auf die Demokraten
zurückzukommen: Miquel sollte doch bedenken, daß wir die Herren
fortwährend und ununterbrochen in Schriften verfolgt haben, die mehr
oder weniger doch Parteimanifeste waren. Woher also nun das Geschrei
über ein Programm, das bloß das schon längst Gedruckte in sehr ruhiger
und besonders ganz unpersönlicher Weise resümiert? Hatten uns unsere
kontinentalen Jünger denn verleugnet, hatten sie sich tiefer, als die
Parteipolitik und Parteiehre zuließen, mit den Demokraten eingelassen?
Wenn die Demokraten eben aus Gegensatzlosigkeit so revolutionär schrien,
wer machte sie gegensatzlos, doch nicht wir, sondern höchstens die
deutschen Kommunisten in Deutschland. Da scheint allerdings der Haken zu
liegen. Jeder irgendwie intelligente Demokrat mußte von vornherein
wissen, was er von unserer Partei zu erwarten hatte – das Aktenstück
konnte ihm nicht viel Neues bringen. Alliierten sie sich _pro tempore_
mit den Kommunisten, so waren sie über Bedingung und Dauer der Allianz
vollständig instruiert, und es kann bloß hannoverischen Mittelbauern und
Advokaten eingefallen sein zu glauben, die Kommunisten hätten sich seit
1850 von den Prinzipien und der Politik der Neuen Rheinischen Zeitung
bekehrt. Waldeck und Jacoby haben sich das gewiß nie träumen lassen. In
jedem Falle werden alle derartigen Veröffentlichungen auf die Dauer
weder gegen „die Natur der Dinge“ noch gegen „den Begriff des
Verhältnisses“, um mit Stirner zu sprechen, etwas ausrichten, und die
demokratische Schreierei und Wühlhuberei wird bald wieder in voller
Blüte stehen und mit den Kommunisten Hand in Hand gehen. Und daß uns die
Kerle den _lendemain_[5] der Bewegung doch schlechte Streiche spielen
werden, wissen wir längst und wird durch keine Diplomatie verhindert.

Dagegen, daß sich überall, wie ich voraussetzte, kleine kommunistische
Cliquen auf Grundlage des Manifestes bilden, hat mich sehr gefreut. Das
fehlte uns gerade bei der Schwachheit des bisherigen Generalstabs. Die
Soldaten finden sich von selbst, wenn die Verhältnisse so weit
sind, aber die Aussicht auf einen Generalstab, der nicht aus
Straubingerelementen besteht und größere Auswahl zuläßt als der
bisherige von 25 Mann, die irgendwelche Bildung besitzen, ist sehr
angenehm. Gut wäre eine allgemeine Empfehlung, überall unter den Kommis
Propaganda zu machen. Für den Fall, daß man eine Verwaltung organisieren
müßte, sind die Kerls unentbehrlich – sie sind ans Schanzen und an
übersichtliche Buchführung gewöhnt, und der Commerce ist die einzig
praktische Schule für brauchbare Bureauschreiber. Unsere Juristen usw.
taugen dazu nicht. Kommis für die Buchführung und Komptabilität,
talentvolle Studierte für Redaktion von Depeschen, Briefen,
Aktenstücken, _voilà ce qu’il faut_.[6] Mit 6 Kommis organisiere ich
einen Verwaltungzweig tausendmal einfacher, übersichtlicher und
praktischer als mit 60 Regierungsräten und Kameralisten. Diese letzteren
können ja nicht einmal leserlich schreiben und versauen einem alle
Bücher, so daß kein Teufel draus klug wird. Da man doch mehr und mehr
gezwungen wird, auf diese Eventualität sich einzurichten, so wäre die
Sache nicht ohne Wichtigkeit. Ohnehin sind diese Kommis an anhaltende
mechanische Tätigkeit gewöhnt, weniger anspruchsvoll, leichter vom
Bummeln abzubekommen und bei Unbrauchbarkeit leichter zu beseitigen.

Der Brief nach Köln ist fort – sehr schön besorgt; wenn der nicht
richtig ankommt, weiß ich’s nicht. Sonst ist die Adresse von Schulz
nicht sehr empfehlenswert – Ex-Cogerant!

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   [1] Das rote Meer passieren.

   [2] Handfester Freisasse.

   [3] Wenn Verrat vorliegt.

   [4] Schließlich ist er der einzige politische Kopf in Köln.

   [5] Der folgende Tag.

   [6] Das ist’s, was wir brauchen.


                                   97

                                                        30. Juli 1851.

Lieber Marx!

Ich wundere mich, seit vierzehn Tagen nichts von Dir gehört zu haben.

Unsere Voraussetzung in der letzten Revue wegen der enormen Ausdehnung
der ozeanischen Dampfschiffahrt hat sich schon jetzt bestätigt.
Abgesehen von einzelnen kleinen Linien gehen jetzt schon zwei höchst
wichtige neue große Linien: 1. die Schraubenschiffe von Liverpool nach
Philadelphia, alle vierzehn Tage vier Schiffe auf der Linie; 2. die
Dampfer zwischen Liverpool, Rio de Janeiro und Valparaiso usw. usw.,
alle sieben Wochen vier Schiffe auf der Linie. Dazu kommen in ein bis
zwei Monaten die regelmäßigen Überlandfahrten nach Kalifornien – New
York, nach San Juan, von dort per Steamer nach dem Nicaraguasee, über
Land nach Leon, von da direkt nach San Franzisko – in Gang, die Reise
nach Kalifornien wenigstens acht Tage abgekürzt.

Nächsten Monat kommt ein Zug in Gang zwischen London und Aberdeen, 550
englische Meilen oder 8 Breitegrade, in einem Tage.

Von Leeds nach London und zurück fährt man jetzt für 5 Schillinge auf
einer, für 4 Schillinge und 6 Pence auf einer anderen Eisenbahn.
Nächsten Samstag sollen auch hier die Fahrten herabgesetzt werden. Wenn
sie ebenso niedrig kommen, gehe ich wenigstens alle vierzehn Tage einmal
nach London.

Wenn in den nächsten sechs Wochen nichts Besonderes passiert, so wird
die Baumwollernte dieses Jahr 3 000 000 Ballen oder 1200 Millionen Pfund
bis 1350 Millionen Pfund stark. _Jamais on n’a vu la plante aussi
florissante._[1] Dazu Symptome eines abnehmenden Geschäftes: Ostindien
ist überladen und schreit nach Stoppage der Einfuhr in Baumwollwaren,
der hiesige Markt für Garn und Gewebe noch immer derangiert durch die
schwankenden Baumwollpreise – wenn der Crash[2] im Markt mit einer
solchen Riesenernte zusammentrifft, so wird er heiter. Peter Ermen macht
schon jetzt in die Hosen, wenn er daran denkt, und der kleine Laubfrosch
ist ein ganz gutes Barometer.

_Voilà_ ein industrielles Potpourri für heute.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Nie hat man die Pflanze so blühen gesehen.

   [2] Krach.


                                   98

                                   28 Soho, Deanstreet, 31. Juli 1851.

Lieber Engels!

Soeben bekomme ich Deinen Brief, der sehr angenehme Aussichten zur
Handelskrise eröffnet.

Ich habe seit ungefähr 14 Tagen nichts geschrieben, weil ich die Zeit,
die ich nicht auf der Bibliothek zubringe, wie ein Hund gehetzt war, und
so trotz des besten Willens immer wieder vom Schreiben abkam.

Nachdem mich die beiden Bamberger, Vater und Sohn, von Woche zu Woche,
von Monat zu Monat hingezogen mit dem Versprechen, mir einen Wechsel zu
diskontieren, nachdem ich endlich zu diesem Zwecke verflossenen Montag
mir die beiden Bursche bestellt und schon die _stamped paper_[1]
mitgebracht, eröffnet mir der Junge, daß der Alte, der auch da war,
nicht könne usw. – – –

Übrigens glaubst Du mir ohne weitere Beteuerung, daß ich meiner
Situation verdammt müde bin. Ich habe nach Amerika geschrieben, ob es
möglich ist, von hier aus eine Korrespondenz zusammen mit Lupus für ein
paar Dutzend Journale zu machen, denn es ist _impossible_,[2] so
fortzuleben.

Was die Unterhandlungen mit Ebner in Frankfurt angeht, so schreibt er,
daß Cotta wahrscheinlich meine Ökonomie – deren Plan ich hingeschickt
– nehmen wird, und daß, wenn nicht, er einen anderen Buchhändler
auftreiben wird. Ich wäre längst auf der Bibliothek fertig. Aber die
Unterbrechungen und Störungen sind zu groß, und zu Haus, wo alles unterm
Belagerungszustand steht und Tränenbäche mich ganze Nächte lang
ennuyieren[3] und wütend machen, kann ich natürlich nicht viel tun.
Meine Frau tut mir leid. Auf sie fällt der Hauptdruck, und _au fond_[4]
hat sie recht. _Il faut que l’industrie soit plus productive que le
mariage._[5] Trotz alledem erinnerst Du Dich, daß ich von Natur _très
peu endurant_[6] bin und sogar _quelque peu dur_,[7] so daß von Zeit zu
Zeit mein Gleichmut verloren geht.

Julius ist vor einer Woche ungefähr begraben worden. Ich war bei der
Bestattung zugegen. Der edle Kinkel hielt eine Jammerpredigt über das
Grab. Julius war der einzige in der Emigration, der studierte und mehr
und mehr vom Idealismus auf unser Gebiet herübertrat.

Der edle Dulon befindet sich hier.

Heinzen und Ruge fahren fort, in der New Yorker Schnellpost gegen die
Kommunisten und uns speziell zu poltern. Das Zeug ist aber so kreuzdumm,
daß es unmöglich ist, anders darauf einzugehen, als bei gelegener Zeit
einmal aus Ruges Machwerken das Komischste zusammenzustellen und den
Deutschen zu offenbaren, von wem sie jetzt, _malgré eux_[8] regiert
werden.

Hast Du vielleicht die neueste Schrift von Proudhon gelesen?

Weydemeyer hat mir von Frankfurt geschrieben. Karstens [Leßner] sitzt in
Mainz. Er hatte einen vergeblichen Fluchtversuch gemacht.

_Vale faveque._

                                                            Dein K. M.

Du wirst übrigens sehr wohltun, wenn Du womöglich mit Namensunterschrift
einen Aufsatz für Jones machst. Er geht fort in seinem Blatte, er lernt.
_Ce n’est pas un Harney._[9] Die _Notes to the People_[10] kommen daher
auf, während der Friend of the People kaputt geht.

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   [1] Gestempeltes Papier.

   [2] Unmöglich.

   [3] Langweilen, quälen.

   [4] Im Grunde.

   [5] Die Erwerbstätigkeit muß wirklich produktiver sein als die Ehe.

   [6] Sehr wenig geduldig.

   [7] Ein wenig hart.

   [8] Ohne es zu wollen.

   [9] Der ist kein Harney.

   [10] Notizen für das Volk [Titel einer damals von Ernest Jones
   herausgegebenen Wochenschrift].


                                   99

                                      Undatiert. [Anfang August] 1851.

Lieber Marx!

Inliegend die zweite Hälfte der Fünfpfundnote.

Weydemeyer will also nach Amerika und sehen, daß er die New Yorker
Arbeiterzeitung, die Fenner v. Fenneberg jetzt hat, in seine Hände
bekommt. Kann er sich in New York halten, so ist er uns dort jedenfalls
nützlicher als in London, wo der _embarras_[1] nur vermehrt würde. Ein
solider Bursche wie er hat uns in New York gerade gefehlt, und am Ende
ist New York auch nicht aus der Welt, und bei Weydemeyer ist man sicher,
daß er _le cas échéant_[2] doch gleich bei der Hand ist.

Der Plan mit der lithographischen Korrespondenz ist ganz gut. Nur müßt
Ihr das Dings ganz geheim halten – der kleine Bamberger und andere,
einmal die Idee gegeben, würden Euch sofort das Prävenire spielen. Ich
würde an Deiner Stelle das Ding, sobald die ersten Einrichtungen
getroffen, in den deutsch-amerikanischen Blättern annoncieren lassen,
und zwar selbst als Direktor mich unterzeichnen, um das Ding ziehen zu
machen. Geht das Ding so auf Deine Verantwortlichkeit und glaubst Du,
daß es irgendwie nützlich sei, mich als Mitarbeiter zu nennen, so steht
Dir das natürlich frei. Willst Du Deinen Namen indes aus dem Geschäfte
heraushalten, wofür ich die Notwendigkeit durchaus nicht einsehe, _car
enfin_,[3] warum solltest Du nicht auch das Recht haben, eine
industrielle Firma zu bilden und die Neue Rheinische Zeitung
lithographiert fortzusetzen – so müßte Lupus die Firma bilden.
Weydemeyer könnte Euch in New York hierfür vom größten Nutzen sein,
besonders bei Eintreibung der Gelder, was die Hauptsache ist. Ich bin
überzeugt, das Ding wird enorm ziehen, und die vielen amerikanischen
Korrespondenten in London usw. werden es sehr bald fühlen.

Was ist das für eine neue Schrift von Proudhon, von der Du sprichst?

Ich werde dem Jones einen Artikel mit meiner Unterschrift machen, ich
wollte nur, Jones schickte mir ein möglichst vollständiges Exemplar
seiner „Notes“, das hier nicht aufzutreiben ist. Wie ist seine Adresse,
ich habe sie vergessen.

Auch von Amerika lauten die Berichte über das Baumwollwarengeschäft
schlecht. Die Märkte sind _overstocked_,[4] und die Yankees selbst
fabrizieren für den jetzigen Stand des Marktes zu viel.

Schreibe bald wieder, ich ennuyiere mich hier tödlich.

                                                            Dein F. E.

_NB._ Halte Deine Papiere nur immer gut aus dem Hause, ich werde seit
einiger Zeit hier sehr scharf beobachtet und kann keinen Schritt tun,
ohne zwei bis drei Informers [Spitzel] an den Fersen zu haben. Herr
Bunsen wird die Gelegenheit nicht haben unbenutzt passieren lassen, um
der englischen Regierung neue und wichtige Aufschlüsse über unsere
Gefährlichkeit zu geben.

----------

   [1] Verlegenheit.

   [2] Im Bedarfsfall.

   [3] Denn schließlich.

   [4] Überfüllt.


                                  100

                                  28 Deanstreet, Soho, 8. August 1851.

Lieber Engels!

Du entschuldigst, daß ich nicht früher geschrieben und Dir gleichzeitig
den Empfang der 5 Pfund angezeigt. Die _pressure from without_[1] war
diese Woche so stark, daß ich nicht zum Schreiben kam. Vor dem
Herauswerfen aus dem Hause habe ich mich einstweilen durch Zeichnung
einer Bill [Wechsel] an den Landlord gesichert.

Die New Yorker Tribune hat mich und Freiligrath gegen Honorar zum
Mitarbeiten aufgefordert. Sie ist das verbreitetste Journal in
Nordamerika. Wenn es Dir möglich ist, mir einen englisch geschriebenen
Artikel über die _deutschen_ Verhältnisse bis _Freitag morgen_ (15.
August) zu liefern, so wäre das ein famoser Anfang.

Der rote Wolff ist wieder „Irländer“ geworden.

Nun zur _Idée générale de la Révolution au XIX siècle par P. J.
Proudhon_.[2] Als ich Dir das erste Mal über das Buch schrieb, hatte ich
bloß Auszüge – oft noch verfälscht – daraus gelesen. Jetzt kann ich
Dir das σχελετὸν[3] schicken. Vorläufig. Das Buch enthält gut
geschriebene Ausfälle gegen Rousseau, Robespierre, Montagne usw. Die
Macht des wahren Verlaufs, um mit dem unsterblichen Ruge zu reden,
produziert sich wie folgt:

I. __Étude.__ Die Reaktion hat die Revolution erst zur Entwicklung
gebracht.

II. __Étude. Y-a-t-il raison suffisante de la Révolution au XIX
siècle?__[4] Die Revolution von 1789 hat das alte Regime gestürzt. Sie
hat aber vergessen, die neue Gesellschaft oder die Gesellschaft neu zu
machen. Sie dachte nur an die _politique_, statt an die _économie
politique_.[5] Gegenwärtig herrscht „_Anarchie des forces
économiques_“,[6] daher „_Tendance de la société à la misère_“.[7] Dies
zeigt sich in der Teilung der Arbeit, Maschinerie, Konkurrenz,
Kreditwesen. Wachstum von Pauperismus und Verbrechen. Ferner: der
_Staat_ [_l’état_] ist immer mehr _grand_,[8] mit allen Attributen des
Absoluten versehen worden, immer gewachsen an Selbständigkeit und Macht.
Wachsen der Staatsschuld. Der Staat verteidigt den Reichtum gegen das
Elend. Korruption. Der Staat unterjocht die Gesellschaft. Es existiert
Notwendigkeit für eine neue Revolution. Die Aufgabe der Revolution
besteht darin, _à changer, à redresser la mauvaise tendance de la
société_.[9] An die Gesellschaft selbst darf man nicht rühren. Von
_reconstitution arbitraire_[10] kann bei ihr nicht die Rede sein.

III. __Étude. Du Principe d’Association.__ Die Assoziation ist ein
_dogme_, aber keine _force économique_.[11] Die Assoziation ist nichts
Organisches und Produktives wie die Teilung der Arbeit, Handel,
Austausch usw. Man muß die Assoziation nicht verwechseln mit der _force
collective_. _La force collective est un acte impersonnel, l’association
un engagement volontaire. L’association est de sa nature stérile,
nuisible même, car elle est une entrave à la liberté du
travailleur._[12] Man hat dem __contrat de société__ eine Kraft
zugeschrieben, die nur der Teilung der Arbeit, dem Austausch, der _force
collective_ gehört. Wenn man Assoziationen stiftet, um große Werke
auszuführen, so verdankt man diese nicht dem _Prinzip_ der Assoziation,
sondern ihren _Mitteln_. Man unterwirft sich der Assoziation nur, wenn
man _une indemnité suffisante_[13] darin findet. Nur für den _associé
faible_ oder _paresseux_ ist die _association productive d’utilité_.[14]
Sie ist _solidarité, responsabilité commune_[15] Dritten gegenüber. Die
Assoziation ist überhaupt nur anwendbar _dans des conditions spéciales,
dépendantes de ses moyens_.[16] _L’association, formée en vue du lien de
famille et de la loi du dévouement, et en dehors de toute considération
économique extérieure – l’association pour elle même, est un acte de
pure religion, un lien surnaturel, sans valeur positive, un mythe._[17]
Man muß die Assoziation nicht verwechseln mit den _rapports nouveaux que
se propose de développer la réciprocité entre les producteurs et les
consommateurs. L’association met de niveau les contractants, subordonne
leur liberté au devoir social, les dépersonnalise._[18]

IV. __Étude. Du Principe d’Autorité.__ Die _idée gouvernementale naquit
des moeurs de famille et de l’expérience domestique_.[19] Die Demokratie
ist der _dernier terme der évolution gouvernementale_.[20] Der Idee des
_gouvernement_ stellt sich die des _contrat_ entgegen. Das wahre
revolutionäre Motto ist: _plus de gouvernement!_ Die __autorité
absolue__[21] ist bald gezwungen, sich selbst zu negieren und zu
beschränken in den __lois__ und __institutions__.[22] Unzählig, wie die
Interessen, nun die Gesetzgebung, die sie äußerlich bestimmt. Sie
verläuft sich in die schlechte Unendlichkeit. Das Gesetz eine Fessel,
die man mir von außen aufdrängt. _Konstitutionelle Monarchie._
Zwitterunsinn. _Suffrage universel._[23] Die _intuition divinatoire de
la multitude_[24] ist Unsinn. _Qu’ai je besoin de mandataires, pas plus
que de représentants!_[25] Wahl, _vote_,[26] selbst einstimmig,
entscheiden nichts. Nach dem _suffrage universel_ wäre Bonaparte der
wahre Mann usw. _La démocratie pure ou le gouvernement direct_[27] –
Erfindung von Rittinghausen, Considérant, Ledru-Rollin – _aboutit à
l’impossible et à l’absurde_.[28] In dieser auf die Spitze getriebenen
Staatsidee tritt ihr _nonsense_[29] hervor.

V. __Étude. Liquidation sociale. 1. Banque nationale.__[30] Die
Liquidation der Bank von Frankreich wird dekretiert. Sie wird nicht zur
Staatsbank erklärt, nein zum „_établissement d’utilité publique_“.[31]
Der Zins wird reduziert auf 1/2 oder 1/4 Prozent.

2. _Staatsschuld._ Durch die erste Maßregel ist den _capitaux
particuliers_ die _industrie de l’escompte_[32] genommen, sie strömen
auf die Börse, der Staat zahlt nur mehr 1/2 oder 1/4 Prozent, und damit
hört das Interesse am Interesse auf. Statt Zins zahlt der Staat
_annuités_,[33] das heißt er zahlt in jährlichen Quoten das ihm gepumpte
Kapital zurück. Oder mit anderen Worten Dekret, daß die Zinsen, die der
Staat für die Schuld zahlt, ihnen gerechnet werden als _déduction du
principal, à titre d’annuités_.[34]

3. __Dettes hypothécaires. Obligations simples.__ „_Les intérêts de
toutes créances, hypothécaires, chirographaires, actions de commandite,
sont fixes à_ 1/4 oder 1/2 Prozent. _Les remboursements ne pourront être
exigés que par annuités. L’annuité pour toutes les sommes au-dessous de
2000 frcs. sera de 10 pour-cent; pour les sommes au-dessous de 2000, 5
pour-cent. Pour faciliter le remboursement des créances et suppléer à la
fonction des anciens prêteurs, une division des Bureaux de la banque
nationale d’escompte deviendra Banque foncière: le maximum de ses
avances sera, par année, de 500 millions._“[35]

4. __Propriété immobilière: Btiments.__[36] Dekret: „_Tout payement
fait à titre de loyer sera porté en _à compte de la propriété_, celle-ci
estimée au vingtuple du prix de location. Tout acquittement de terme
vaudra au locataire part proportionnelle et indivise dans la maison par
lui habitée, et dans la totalité des constructions exploitées à loyer et
servant à la demeure des citoyens. La propriété ainsi remboursée passera
à fur et au mesure au droit de l’administration communale, qui, par le
fait du remboursement, pendra hypothèque et privilège du premier ordre,
au nom de la masse des locataires, et leur garantira à tous, à
perpétuité, le domicile, au prix de revient de btiment. Les communes
pourront traiter de gré à gré avec les propriétaires, pour la
liquidation et le remboursement immédiat des propriétés louées. Dans ce
cas, et afin de faire jouir la génération présente de la réduction des
prix de loyer, les dites communes pourront opérer immédiatement une
diminution sur le loyer des maisons pour lesquelles elles auront traité,
de manière que l’amortissement en soit opéré seulement en trente ans.
Pour les réparations, l’agencement et l’entretien des édifices, comme
pour les constructions nouvelles, les communes traiteront avec les
Compagnie maçonnes ou associations d’ouvriers en btiment, d’après les
principes et les règles du nouveau contrat social. Les propriétaires,
occupant seuls leurs propres maisons, en conserveront la propriété aussi
longtemps qu’ils le jugeront utile à leurs intérêts._“[37]

_5. _Propriété foncière._ „Tout payement de redevance pour
l’exploitation d’un immeuble acquerra au fermier une part de propriété
dans l’immeuble, et lui vaudra hypothèque. La propriété, intégralement
remboursée, relèvera immédiatement de la commune, laquelle succédera à
l’ancien propriétaire et partagera avec le fermier la nue propriété et
le produit net. Les communes pourront traiter de gré à gré avec les
propriétaires qui le désireront, pour le rachat des restes et le
remboursement immédiat des propriétés. Dans ce cas il sera pourvu, à la
diligence des communes, à l’installation des cultivateurs et à la
délimitation des possessions, en ayant soin de compenser autant que
possible l’étendue superficiaire avec la qualité du fonds, et de
proportionner la redevance au produit. Aussitôt que la propriété
foncière aura été intégralement remboursée, toutes les communes de la
république devront s’entendre pour égaliser entre elles les différences
de qualité des terrains, ainsi que les accidents de la culture. La part
de redevance à laquelle elles ont droit sur les fractions de leurs
territoires respectifs, servira à cette compensation et assurance
générale. A partir de la même époque, les ouvriers propriétaires qui,
faisant valoir par eux même leurs propriétés, auront conservé leur
titre, seront assimilés aux nouveaux, soumis à la même redevance et
investis des mêmes droits, de manière que le hasard des localités et des
successions ne favorise personne, et que les conditions de culture
soient pour tous égales. L’impôt foncier sera aboli. La police agricole
est dévolue aux conseils municipaux._“[38]

VI. __Étude. Organisation des forces économiques. 1. Crédit.__[39] Die
oben angeführte _banque nationale_ mit ihren Suktursalen. Entziehung
nach und nach von Gold und Silber aus der Zirkulation. Substitution von
Papier. _Quant au _crédit personnel_, c’est dans les compagnies
ouvrières et les sociétés agricoles et industrielles qu’il doit trouver
son exercice._[40]

2. __Propriété.__ Lies in dem oben zitierten „_propriété foncière_“.[41]
Unter den obigen Bedingungen kann man, _sans la moindre inquiétude,
permettre au propriétaire de vendre, transmettre, aliéner, faire
circuler à volonté la propriété. Avec les facilités du remboursement par
annuités, la valeur de l’immeuble peut être indéfiniment partagée,
échangée, subir toutes les mutations imaginables, sans que l’immeuble
soit entamé jamais. Le travail agricole repousse la forme
sociétaire._[42]

3. __Division du travail, forces collectives, machines. Compagnies
ouvrières._ Toute industrie, exploitation ou entreprise, qui par sa
nature exige l’emploi combiné d’un grand nombre d’ouvriers de
spécialités différentes, est destinée à devenir le foyer d’une société
ou compagnie de travailleurs. Mais là où le produit peut s’obtenir sans
un concours de facultés spéciales, par l’action d’un individu ou d’une
famille, il n’y a pas lieu à l’association._[43] Also keine
_associa_tions in den kleinen Ateliers, beim Handwerk, Schusterei,
Schneiderei usw., Marchands usw. Assoziation in der _großen Industrie_.
Hier also die __compagnies ouvrières_. Tout individu employé dans
l’association a un droit indivis dans la propriété de la compagnie; il a
le droit d’en remplir successivement toutes les fonctions; son
éducation, son instruction et son apprentissage doivent être dirigés de
telle sorte, qu’en lui faisant supporter sa part des corvées répugnantes
et pénibles, ils lui fassent parcourir une série de travaux et de
connaissances, et lui assurent, à l’époque de la maturité, une aptitude
encyclopédique et un revenu suffisant; les fonctions sont électives et
les règlements soumis à l’adoption des associés; le salaire est
proportionné à la nature de la fonction, à l’importance du talent, à
l’étendue de la responsabilité; tout associé participe aux bénéfices
comme aux charges de la compagnie, dans la proportion de ses services;
chacun est libre de quitter à volonté l’association, de faire régler son
compte et liquider ses droits, et réciproquement la compagnie maîtresse
de s’adjoindre toujours de nouveaux membres._[44] Dies die Lösung _des
deux problèmes: Celui de la force collective, et celui de la division du
travail_.[45] ... In der Übergangsperiode sind die Fabrikanten usw. die
Leiter dieser Ateliers.

4. __Constitution de la valeur: organisation du bon marché.__[46]
Abzuhelfen der _cherté du marchandise_[47] und dem _arbitraire du
prix_.[48] Der __juste prix_ représente avec exactitude: a) le montant
des frais de production, d’après la moyenne officielle des libres
producteurs; b) le salaire du commerçant, ou l’indemnité de l’avantage
dont le vendeur se prive en se dessaisissant de la chose_.[49] Um den
Marchand hierzu zu bewegen, muß ihm nun Garantie gegeben werden. Sie
kann _exister de plusieurs manières: soit que les consommateurs qui
veulent jouir du juste prix, et qui sont en même temps producteurs,
s’obligent à leur tour envers le marchand à lui livrer à des conditions
égales leurs propres produits, comme cela se pratique entre les
différentes associations ouvrières parisiennes; soit que les dits
consommateurs se contentent d’assurer au débitant une prime ou bien
encore une vente assez considérable pour lui assurer un revenu_.[50] Zum
Beispiel der Staat, _au nom des intérêts que provisoirement il
représente, les départements et communes, au nom de leurs habitants
respectifs, voulant assurer à tous le juste prix et la bonne qualité des
produits et services, offrent de garantir aux entrepreneurs qui
offriront les conditions les plus avantageuses, soit un intérêt pour les
capitaux et le matériel engagé dans leurs entreprises, soit un
traitement fixe, soit, s’il y a lieu, une masse suffisante de commandes.
Les soumissionnaires s’obligeront, en retour, à fournir les produits et
services pour lesquels ils s’engagent, à toute réquisition des
consommateurs. Toute latitude réservée, du reste, à la concurrence. Ils
devront indiquer les éléments de leurs prix, le mode des livraisons, la
durée de leurs engagements, leurs moyens d’exécution. Les soumissions
déposées, sans cachet, dans les délais prescrits, seront ensuite
ouvertes et publiées, huit jours, quinze jours, un mois, trois mois,
selon l’importance des traités, avant l’adjudication. A l’expiration de
chaque engagement il sera procédé à de nouvelles enchères._[51]

5. __Commerce extérieur.__[52] Sobald der Zins sinkt, muß man _abaisser
les tarifs_,[53] und wenn er unterdrückt ist oder auf 1/4 bis 1/2
Prozent steht, die Douanen abschaffen.

VII. __Étude. Dissolution du gouvernement dans l’organisme économique._
La société sans l’autorité. Élimination des cultes, Justice,
Administration, Police, Instruction publique, Guerre, Marine etc._,[54]
alles mit respektiven Stirnerschen Phrasen.

Schreibe mir ausführlicher, was Du von diesem Rezept denkst.

                                                     Salut! Dein K. M.

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   [1] Druck von außen, das heißt die äußeren Umstände.

   [2] „Allgemeine Idee der Revolution im neunzehnten Jahrhundert“ von
   P. J. Proudhon.

   [3] Gerippe.

   [4] II. Studie. Gibt es einen hinreichenden Grund für die Revolution
   im neunzehnten Jahrhundert?

   [5] Politische Ökonomie, Volkswirtschaft.

   [6] Anarchie der ökonomischen Kräfte.

   [7] Tendenz der Gesellschaft zur Verelendung.

   [8] Groß.

   [9] Die schlechte Tendenz der Gesellschaft ändern, ins Rechte
   setzen.

   [10] Willkürliche Umgestaltung.

   [11] Ökonomische Kraft [oder Potenz].

   [12] Kollektivkraft. Die Kollektivkraft ist eine unpersönliche
   Äußerung, die Assoziation eine freiwillige Bindung. Die Assoziation
   ist ihrer Natur nach unfruchtbar, ja schädlich, denn sie ist eine
   Beeinträchtigung der Freiheit des Arbeiters.

   [13] Eine genügende Entschädigung.

   [14] [Dem] schwachen oder faulen Teilhaber ist die Assoziation
   nutzbringend.

   [15] Gemeinsame Solidarität und Verantwortlichkeit.

   [16] Unter besonderen Bedingungen, die von ihren Mitteln abhängen.

   [17] Die in Hinblick auf das Familienband und das Gesetz der
   Aufopferung, außerhalb jeder wirtschaftlichen Erwägung gegründete
   Assoziation – die um ihrer selbst willen [gegründete] Assoziation
   ist eine rein religiöse Schöpfung, ein übernatürliches Band ohne
   positiven Wert, eine Mythe.

   [18] Neue Beziehungen, welche die Gegenseitigkeit zwischen den
   Produzenten und den Konsumenten zu entwickeln vorhat. Die
   Assoziation nivelliert die Vertragschließenden, sie ordnet deren
   Freiheit der sozialen Verpflichtung auf und beraubt sie ihrer
   Persönlichkeit.

   [19] IV. Studie über das Autoritätsprinzip. Die Idee der Regierung
   entstammt den Gewohnheiten des Familienlebens und den Erfahrungen
   des Haushalts.

   [20] Das letzte Wort der Entwicklung der Regierung.

   [21] Keine Regierung mehr! [Die] absolute Gewalt.

   [22] Gesetze und Einrichtungen.

   [23] Allgemeines Stimmrecht.

   [24] Prophetische Eingebung der Menge.

   [25] Was habe ich Mandatgeber nötig? [ich brauche sie] ebensowenig
   wie Vertreter.

   [26] Abstimmung.

   [27] Die reine Demokratie oder die direkte Regierung.

   [28] Läuft auf Unmöglichkeit und Widersinn hinaus.

   [29] Wahnsinn.

   [30] V. Studie. Die Liquidation der Gesellschaft. 1. Die
   Nationalbank.

   [31] Gemeinnütziges Institut.

   [32] Den Einzelkapitalen [das] Gewerbe des Diskontierens ...

   [33] Annuitäten, Jahresabzahlungen.

   [34] Abzug vom Hauptbetrag als Jahreszahlungen.

   [35] Hypothekenschulden. Einfache Schulden. „Die Zinsen aller
   hypothekarischen, schlechthin handschriftlichen Schuldscheine und
   Kommanditanteile werden auf 1/4 oder 1/2 Prozent festgesetzt.
   Abzahlungen können nur in Gestalt von regelmäßigen Jahresraten
   gefordert werden. Die Jahresabzahlung für alle Summen unter 2000
   Franken wird 10 Prozent, für alle Summen über 2000 Franken 5 Prozent
   sein. Um die Abzahlung der Schuldscheine zu erleichtern und die
   Funktion der einstigen Geldverleiher zu ersetzen, wird eine
   Abteilung der Bureaus der nationalen Diskontobank Bodenkreditbank:
   das Maximum ihrer Vorschüsse wird jährlich 500 Millionen betragen.“

   [36] Unbewegliches Eigentum: Gebäude.

   [37] „Jede als Miete geleistete Zahlung wird in Abschlagszahlung auf
   das betreffende Eigentum abgeändert, welches auf das Zwanzigfache
   des Mietpreises abgeschätzt wird. Jede Terminzahlung hat für den
   Mieter die Geltung eines proportionellen, unteilbaren Anteils an dem
   von ihm bewohnten Hause und der Gesamtheit der zu Vermietungszwecken
   benutzten und dem Wohnbedürfnis der Staatsbürger dienenden Gebäude.
   Das auf diese Weise abgezahlte Eigentum wird im entsprechenden Maße
   als Gerechtsame der kommunalen Verwaltung übertragen, die auf Grund
   der Abzahlung im Namen der Masse der Mieter Hypothek und erstes
   Vorrecht nimmt und ihnen allen für immer die Wohnung zum Kostenpreis
   des Gebäudes garantiert. Die Gemeinden können nach Belieben mit den
   Eigentümern behufs sofortiger Liquidation und Zurückzahlung der
   vermieteten Besitzungen verhandeln. In diesem Fall und um der
   gegenwärtigen Generation die Herabsetzung der Mietpreise zuteil
   werden zu lassen, können die betreffenden Gemeinden eine sofortige
   Herabsetzung der Miete der Häuser, in bezug auf die sie
   abgeschlossen haben, in der Weise eintreten lassen, daß die Tilgung
   erst in 30 Jahren abläuft. Für die Reparaturen, den Betrieb und die
   Unterhaltung der Gebäude, sowie für die Errichtung neuer Gebäude
   werden die Gemeinden mit den Maurergesellschaften oder
   Bauarbeitergenossenschaften gemäß den Prinzipien und Regeln des
   neuen sozialen Vertrags verhandeln. Die Eigentümer, die ihre Häuser
   selbst bewohnen, behalten das Eigentum so lange, wie sie das in
   ihrem Interesse betrachten.“

   [38] Bodeneigentum. „Jede Bezahlung von Bodenzins für die Ausnutzung
   eines Grundstücks erwirbt dem Pächter einen Eigentumsanteil am
   Grundstück und bedeutet für ihn eine Hypothek. Das völlig abgezahlte
   Bodeneigentum untersteht sofort der Gemeinde, die an die Stelle des
   vormaligen Eigentümers tritt und mit dem Pächter das formale
   Eigentumsrecht und den Reinertrag teilt. Die Gemeinden können nach
   Bedarf und Belieben mit den Eigentümern, welche dies wünschen, für
   den Rückkauf der Reststücke und die sofortige Abzahlung der
   Grundstücke verhandeln. In diesem Falle wird auf Antrag der
   Gemeinden für die Ansiedlung von Landbauern und die Abgrenzung
   gesorgt werden, wobei man sehen wird, soviel als möglich einen
   Ausgleich zwischen Umfang und Güte der Grundstücke zu treffen und
   die Bodenzinsgebühr dem Ertrag anzupassen. Sobald das Grundeigentum
   vollständig abgezahlt sein wird, werden sich alle Gemeinden der
   Republik zu dem Zweck ins Einvernehmen setzen, alle
   Verschiedenheiten in der Güte der Bodenstücke sowie die Zufälle der
   Bodenbewirtung untereinander auszugleichen. Der Teil des
   Bodenzinses, auf den sie von den Stücken, die auf ihrem Gebiet
   liegen, Anspruch haben, wird für diesen Ausgleich und die allgemeine
   Versicherung benutzt werden. Von diesem Zeitpunkt an werden die
   landbesitzenden Arbeiter, die infolge eigener Bewirtung ihrer
   Grundstücke ihren Eigentumstitel bewahrt haben, den neuen
   [Bedingungen] angepaßt, demselben Bodenzins unterworfen und mit
   denselben Rechten ausgestattet werden, so daß der Zufall der
   Lokalität und der Erbschaften niemand begünstigt und die
   Wirtschaftsbedingungen für alle gleich sind. Die Grundsteuer wird
   abgeschafft, die Politik der Bodenbewirtung ist auf die Gemeinderäte
   übergegangen.“

   [39] VI. Studie. Organisation der ökonomischen Kräfte. 1. Kredit.

   [40] Was den Personalkredit anbetrifft, so wird er in den
   Arbeiterkompanien und den landwirtschaftlichen und gewerblichen
   Gesellschaften seinen Betrieb finden.

   [41] „Bodeneigentum.“

   [42] Ohne die geringste Befürchtung den Eigentümern erlauben, ihr
   Eigentum nach Belieben zu verkaufen, zu übertragen, zu veräußern, in
   Umlauf zu setzen. Dank den Erleichterungen der Abzahlung in
   Annuitäten kann der Wert von Immobilien endlos geteilt und
   ausgetauscht sowie allen denkbaren Formveränderungen unterzogen
   werden, ohne daß vom Gegenstand selbst etwas abgeteilt wird. Die
   landwirtschaftliche Arbeit widerstrebt der Form der Sozietät.

   [43] Arbeitsteilung, Kollektivkräfte, Maschinen. Arbeiterkompanien.
   Jede Industrie, Unternehmung oder Bewirtung, die von Natur die
   vereinte Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitern verschiedener
   Spezialitäten erfordert, ist dazu bestimmt, die Stätte einer
   Arbeitergesellschaft oder Kompanie zu werden. Dort aber, wo das
   Produkt ohne das Zusammenwirken verschiedener Spezialitäten, durch
   die Tätigkeit eines Individuums oder einer Familie erzielt werden
   kann, hat die Assoziation keine Stätte.

   [44] Arbeiterkompanien. Jedes in einer Assoziation beschäftigte
   Individuum hat ein unteilbares Recht am Eigentum der Kompanie; es
   hat das Recht, nacheinander alle Ämter derselben zu versehen; seine
   Erziehung, sein Unterricht und seine Anlernung müssen so gestaltet
   werden, daß sie es seinen Anteil an den widerwärtigen und schweren
   Frondiensten leisten lassen, es eine Reihe von Arbeiten und
   Kenntnissen erlernen machen und ihm zur Zeit der Reife eine
   enzyklopädische Fähigkeit und ein ausreichendes Einkommen sichern;
   die Ämter unterliegen Wahlen und die [Dienst- usw.] Ordnungen sind
   der Annahme durch die Genossenschafter unterstellt; der Lohn wird im
   Verhältnis gesetzt zur Natur des Amtes, zur Wichtigkeit der Begabung
   und zur Größe der Verantwortung; jeder Genossenschafter wird an den
   Gewinsten und den Lasten der Kompanie im Verhältnis seiner
   Dienstleistung beteiligt; jedem steht es frei, seine Rechnung
   abzuschließen und seine Ansprüche zu liquidieren, und die Kompanie
   ihrerseits hat das Recht, zu jeder Zeit neue Mitglieder aufzunehmen.

   [45] Zwei Probleme: das der Kollektivkraft und das der
   Arbeitsteilung.

   [46] Konstituierung [Feststellung] des Wertes: Organisation des
   billigen Marktes.

   [47] Verteuerung der Waren.

   [48] Willkürliche Bestimmung des Preises.

   [49] Der gerechte Preis stellt mit Genauigkeit dar: a. den Betrag
   der Produktionskosten gemäß dem amtlich ermittelten Durchschnitt der
   freien Produzenten; b. den Lohn des Händlers oder die Entschädigung
   für den Vorteil, dessen sich der Verkäufer durch die Fortgabe des
   betreffenden Artikels beraubt.

   [50] Auf verschiedene Weise bestehen: sei es, daß die Konsumenten,
   die den gerechten Preis genießen wollen und zugleich Produzenten
   sind, sich ihrerseits gegenüber dem Händler verpflichten, ihm ihre
   Produkte zu den gleichen Bedingungen zu liefern, wie das die
   verschiedenen Pariser Arbeitergenossenschaften üben; sei es, daß die
   betreffenden Konsumenten sich damit begnügen, dem Verschleißer eine
   Prämie oder noch besser einen Absatz zu verbürgen, der groß genug
   ist, ihm ein Einkommen zu sichern.

   [51] Im Namen der Interessenten, die er vorläufig vertritt, die
   Departements und Gemeinden im Namen ihrer betreffenden Einwohner
   erklären sich, um allen den gerechten Preis und die gute Qualität
   der Produkte und Dienste zu sichern, bereit, den Unternehmern,
   welche die vorteilhaftesten Bedingungen bieten, entweder einen Zins
   für die in ihren Unternehmungen verwendeten Kapitale und
   Materialien, oder ein festes Gehalt, oder, wo dies angeht, eine
   genügende Menge von Aufträgen zu verbürgen. Die Bewerber wiederum
   machen sich anheischig, die Produkte und Dienste, zu denen sie sich
   verpflichten, nach allen Anforderungen der Konsumenten zu liefern.
   Übrigens bleibt der Konkurrenz alle Bewegungsfreiheit vorbehalten.
   Sie müssen die Grundbestandteile ihrer Preise, die Art der
   Ablieferung, die Dauer ihrer Verpflichtungen, ihre Mittel der
   Ausführung angeben. Die Angebote werden unversiegelt innerhalb der
   vorgeschriebenen Fristen eingereicht, dann je nach der Wichtigkeit
   des Kontraktes acht Tage, vierzehn Tage, einen Monat, drei Monate
   vor der Zusprechung geöffnet und veröffentlicht. Nach Ablauf jedes
   Vertrags wird zu neuen Ausschreibungen geschritten.

   [52] Außenhandel.

   [53] Die Zölle herabsetzen.

   [54] VII. Studie. Auflösung der Regierung in die ökonomische
   Organisation. Die Gesellschaft ohne Autorität. Es werden ausgemerzt
   die Kulte, die Justiz, die Administration, die Polizei, der
   öffentliche Unterricht, der Krieg, die Marine usw.


                                  101

                                    [Undatiert. Etwa 10. August 1851.]

Lieber Marx!

Die Schnellpost hat mich sehr ergötzt. Seit langer Zeit hatte ich keine
so perfekte Salbaderei gelesen wie „A. Ruge an K. Heinzen“. Ich hätte
nicht geglaubt, daß selbst zwei Esel wie Ruge und Heinzen aus dem
dreijährigen Revolutionsstrudel so ganz unverändert und mit allen alten
Phrasen, lächerlichen Manieren, Wendungen usw. usw. behaftet, auftauchen
könnten wie diese zwei. Es ist der Clown der Kunstreitergesellschaft,
der nach den halsbrechendsten Sprüngen aufs neue seinen Diener macht und
sagt: _here we are again!_[1] und dann die ganze alte Leier seiner
altbekannten Schnurren mit der größten Unbarmherzigkeit abermals
ableiert. Ich sehe den literarischen Laxiermichel Ruge leibhaftig vor
mir, wie er ernsthaft erklärt, daß „die gründliche Antwort auf die
Tyrannei, die Anarchie und den Hochverrat ... eben der Geniestreich ist,
auf den es ankommt“, und dann diesen Geniestreich selbst vollzieht,
indem er entdeckt, daß der moderne Klassenkampf die _secessio plebis_[2]
ist, woran sich ungezwungen anknüpfen jener römische Schulmeister,
dessen Namen ich vergessen, seine Fabel vom Magen und den Händen und
andere dergleichen anmutige Tertianer- und Konrektorenerinnerungen mehr.
_Impayable_[3] ist der Kerl, wo er einmal auf die „Verhältnisse“ zu
sprechen kommt und dann gleich begütigend hinzusetzt: „Du weißt, ... daß
ich unter den Verhältnissen nichts anderes verstehe als die Gedanken,
welche jetzt die Köpfe der Menschen beherrschen!“ Die lahmen Versuche,
geistreich-maliziöse Anspielungen zu machen, scheitern vollständig. Der
Kerl ist so geschickt, daß jeder merkt, er hat _malice_ auf jemand, aber
auf wen und weshalb, und das sonstige Wie und Warum, das kriegt keiner
heraus. Wenn der große Ruge als reiner Hanswurst sich herauswickelt, so
ist der große Heinzen nicht weniger brillant in seiner in Permanenz
erklärten Rüpelhaftigkeit. Die Manier, mit der der Kerl in seiner Note
seinen alten Blödsinn über Kommunismus am 23. Juli 1851 dem Publikum mit
genau denselben Worten wieder aufzudrängen sucht, wie im Sommer 1847 in
der Deutschen Brüsseler Zeitung, ist von einer namenlosen
Unverschämtheit.

_Et pourtant_[4] – die Kerle sind gezwungen, die Überlegenheit unserer
Sachen durch ihre fortwährende Beschäftigung mit ihnen und noch mehr
durch den Einfluß anzuerkennen, den diese Sachen trotz aller
Hartnäckigkeit und Wut unbemerkt auf sie ausüben. Wo ist eine Phrase in
der ganzen Sudelei, die nicht ein Plagiat, eine mißverstandene
Entstellung unserer Sachen, eine durch sie hervorgerufene Anregung
enthält!

Über den Londoner Ausgleichungsversuch hat Herr Meyen oder Herr Faucher
in die halboffizielle Manteuffelsche Lithographierte Korrespondenz in
Berlin einen albernen Artikel setzen lassen – bloß wir zwei hielten
noch zusammen usw., die anderen seien alle einig und gegen uns. Von
Freiligrath oder Wolff ist keine Rede. Der große Willich scheint sich
nach der Auflösung der Armee der Zukunft wieder veranlaßt zu sehen, sich
bei den großen Männern aller Parteien „als Charakter“ Anerkennung zu
verschaffen – er soll ja bei ihren Versammlungen gewesen sein. _A quoi
tous ces coups de désespoir ont-ils abouti?_[5] Und ist der große Sigel
bei Dir gewesen?

Die Herren haben, wie ein von Julius mir zuadressierter deutscher
Sozialtiftler aus Dessau mich eben versichert, dort verbreitet, Du
schriebst in die Neue Preußische Zeitung, nach eigenem Geständnis; Du
habest das Herrn Louis Drucker (!) selbst gesagt. _En voilà une
bonne!_[6]

Was den Proudhon angeht, so scheint der Mann ja Fortschritte zu machen.
Die Phasen, durch die sich sein Unsinn entwickelt, nehmen jedenfalls
erträglichere Gestalt an, und Herr Louis Blanc mag sich an diesen
„_hérésies_“[7] die Zähne ausbeißen. _Au bout du compte_[8] kommt also
Herr Proudhon jetzt auch dahin, daß der wahre Sinn des Eigentumsrechtes
in der verkleideten Konfiskation alles Eigentums durch einen mehr oder
weniger verkleideten Staat besteht und daß der wahre Sinn der
Abschaffung des Staates die verstärkte Staatszentralisation ist. Oder
was sind _toutes les communes de la république qui s’entendent pour
égaliser entre elles les différences de qualité des terrains ainsi que
les accidents de la culture_,[9] mit ihren notwendigen Zubehören und
Konsequenzen anders?

Wenn ich morgen Zeit habe, weiteres über diesen Sonderling. Den Artikel
für Freitag kann ich diese Woche unmöglich liefern. Schreibe mir aber,
und bald, in welcher Art er sein soll – ob ein einzelner beliebiger
Artikel, oder ob Du eine Reihe haben willst, und zweitens, wie das Zeugs
zu halten ist, denn ich kenne die _politics_ der New York Tribune
durchaus nicht näher, als daß sie amerikanische Whigs sind. Und was Du
sonst noch in dieser Beziehung mir mitteilen kannst, um mir auf die
Beine zu helfen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Da sind wir wieder.

   [2] Auszug der Plebejer.

   [3] Unbezahlbar.

   [4] Und doch.

   [5] Was haben alle die Verzweiflungsstreiche ausgerichtet?

   [6] Das ist mal eine gute [Geschichte], das heißt etwas Heiteres.

   [7] Ketzereien.

   [8] Am Ende des Dinges.

   [9] Alle Gemeinden der Republik, die sich zu dem Zweck ins
   Einvernehmen setzen, alle Verschiedenheiten in der Güte der
   Bodenstücke, sowie die Zufälle der Bodenbewirtung untereinander
   auszugleichen.


                                  102

                                [Undatiert. Etwa den 11. August 1851.]

Lieber Marx!

Gestern in meinen Glossen über Proudhon gestört, fahre ich heute fort.
Ich abstrahiere einstweilen von den vielen Lücken des Rezepts, zum
Beispiel, wie man nicht sieht, in welcher Weise die Fabriken aus den
Händen der Fabrikanten in die der _compagnies ouvrières_[1] übergehen
sollen, da zwar der Zins und die Grundrente, aber nicht der Profit
abgeschafft wird (die Konkurrenz bleibt ja bestehen); ferner, was aus
den großen Grundbesitzen werden soll, die ihr Land durch Lohnarbeiter
exploitieren lassen, und andere dergleichen Mängel. Um über das Ganze
als theoretisches _ensemble_[2] urteilen zu können, müßte man das Buch
selbst haben. Ich kann also nur insofern eine Meinung aussprechen als
ich die einzelnen Maßregeln in ihrer Praktikabilität, _le cas
échéant_[3] betrachte und zugleich untersuche, inwiefern sie zur
Zentralisation der gesamten Produktivkräfte geeignet sind. Und auch
hierzu müßte man eigentlich das Buch selbst haben, um alle
_développements_[4] zu sehen.

Daß Herr Proudhon endlich zur Einsicht der Notwendigkeit der mehr oder
minder versteckten Konfiskation gekommen ist, ist, wie schon gesagt, ein
Fortschritt. Es fragt sich nun, ob sein Konfiskationsvorwand praktikabel
ist; denn wie bei allen diesen bornierten Kerls, die sich selbst
vorlügen, dergleichen Gewaltmaßregeln seien keine Konfiskation, ist eben
dieser Vorwand der _pivot_[5] des Ganzen. „Der Zins wird auf 1/2 oder
1/4 Prozent erniedrigt.“ Wie, davon sagen Deine Auszüge bloß, daß der
Staat oder die unter der Hand und unter anderem Namen mit dem Staate
verschmolzene Bank 500 Millionen Franken jährlich auf Hypotheken zu
diesem Zins auspumpen soll. Ich schließe zudem, daß diese Herabsetzung
graduell geschehen soll. Ist der Zins einmal so niedrig, so wäre die
jährliche Abtragung aller Schulden usw. mit 5 bis 10 Prozent _per
annum_[6] natürlich leicht. Aber den Weg, um dahin zu kommen, gibt Herr
Proudhon nicht an. Hierbei fällt mir unsere neuliche Debatte über
Herabsetzung des Zinsfußes durch Deinen Plan ein, eine ausschließlich
privilegierte Nationalbank mit Monopol der Papiercurrency[7] und
Ausschluß des Goldes und Silbers von der Zirkulation zu etablieren. Ich
glaube, daß jeder Versuch, den Zinsfuß rasch und stetig
herunterzudrücken, scheitern muß an der in jeder Revolution und
Geschäftsstockung steigernden Notwendigkeit des Wuchers, des
Kreditgebens an momentan geklemmte, in Verlegenheit schwebende, also
momentan unsolide Leute. Wenn auch der Teil des Zinsfußes, der für
wirkliche Remuneration des Leihens gilt, durch Masse von Kapital zu
drücken ist, so bleibt der Teil, der die Assekuranz der Rückzahlung
repräsentiert, und der gerade in der Krisis enorm steigt. In jeder
Revolution sind die Kaufleute der Regierung dankbar, die ihnen, nicht zu
1/4 oder 1/2 Prozent, sondern zu *5 Prozent* pumpt. Vergleiche 1848,
Darlehenskassen usw. Der Staat und jede große zentralisierte Staatsbank
kann aber, solange sie ihre Zweigbanken nicht bis in die kleinsten
Nester organisiert und ihren Beamten lange kommerzielle Praxis gegeben
hat, nur dem großen Commerce pumpen – sie pumpte sonst ins Blaue
hinein. Und der kleine Commerce kann seine Waren ihr nicht verpfänden
wie der große. _Donc_,[8] erstes Resultat jeder Herabsetzung des Zinses
für die Regierungsvorschüsse = Vergrößerung des Profits der großen
_commerçants_[9] und allgemeine Hebung dieser Klasse.

Der kleine Commerce würde nach wie vor gezwungen sein, sich an
Zwischenhändler zu wenden, denen die Regierung zu 1/2 Prozent
vorschösse, damit sie zu 5 bis 10 Prozent wieder ausleihen könnten. Das
ist unvermeidlich – der kleine Commerce bietet keine Garantie, kann
kein Pfand stellen. Also auch nach dieser Seite Hebung der großen
Bourgeoisie – indirekte Herstellung einer großen Wucherklasse, Bankiers
auf untergeordneter Stufe.

Die ganze ewige Dringerei der Sozialisten und Proudhons auf Herabsetzung
des Zinses ist meiner Ansicht nach ein verklärter frommer Bourgeois- und
Kleinbürgerwunsch. Solange Zins und Profit in umgekehrtem Verhältnis
stehen, so lange kann sie nur zur Steigerung des Profits führen. Und
solange es unsolide, garantielose und gerade deswegen erst recht
geldbedürftige Leute gibt, so lange kann die Staatspumperei die
Privatpumperei nicht aufheben, also nicht den Zinsfuß herabsetzen für
alle Transaktionen. Der Staat, der zu 1/2 Prozent pumpt, würde gerade so
dastehen gegenüber dem Wucherer, den er mit Geld versorgt, wie die
französische Regierung von 1795, die 500 Millionen Steuern in Assignaten
einnahm und sie für 3 Millionen wieder ausgab und, bloß um ihren
„Kredit“, der schon klatsch war, zu erhalten, die Assignaten[10] in den
Steuerzahlungen für voll, für das 200fache ihres direkten Wertes annahm
– wie diese Regierung gegenüber den Güterspekulanten und
_agioteurs_[11] von damals.

Proudhon ist zu naiv. Der _crédit personnel trouve_ oder _doit trouver
son exercice dans les compagnies ouvrières_.[12] Das heißt das Dilemma
entweder der Direktion und schließlich Administration und
Reglementierung dieser Kompanien durch den Staat, was Proudhon doch
nicht will, oder die Organisation des famosesten Assoziationsschwindels,
des Schwindels von 1825 und 1845, reproduziert auf der Stufe des
Lumpenproletariats und Kleinbürgertums. – Die allmähliche Herabsetzung
des Zinsfußes durch kommerzielle und Zwangsmaßregeln so zur Hauptsache
machen zu wollen, daß durch Verwandlung der Zinszahlung in Rückzahlung
alle Schulden usw. liquidiert und alles reelle Vermögen in Händen des
Staates oder der Kommunen zentralisiert wird, scheint mir vollständig
impraktikabel 1. aus den angeführten Gründen; 2. weil es viel zu lange
dauert; 3. weil das einzige Resultat, bei fortdauerndem Kredit des
Staatspapiers, die Verschuldung des Landes an Ausländer werden müßte, da
alles rückgezahlte Geld ins Ausland wandern würde; 4. weil es, selbst
die Möglichkeit der Sache im Prinzip zugegeben, Unsinn wäre, zu glauben,
_Frankreich_, _la République_, könne dies gegen England und Amerika
durchführen; 5. weil der auswärtige Krieg und die _pressure of the
moment_[13] im allgemeinen dergleichen systematische langsame, auf 20
bis 30 Jahre verteilte Maßregeln und vollends Geldzahlungen rein
unsinnig macht.

Praktisch scheint mir die Geschichte nur die Bedeutung zu haben, daß man
in einem gewissen Moment der revolutionären Entwicklung mit Hilfe einer
Monopol-Staatsbank allerdings dahin kommen kann, zu dekretieren: Artikel
1: der Zins ist aufgehoben oder auf 1/4 Prozent beschränkt; Artikel 2:
die Zinsraten werden wie bisher fortbezahlt und gelten als Rückzahlung;
Artikel 3: der Staat hat das Recht, alle Immobilien usw. zum kuranten
Taxwert zu kaufen und mit 5 Prozent in 20 Jahren abzuzahlen. Dergleichen
_kann_ vielleicht als direkter letzter Vorläufer der unverhohlenen
Konfiskation einmal brauchbar werden; aber das [es] ist reine
Spekulation, darüber zu grübeln, wann, wie und wo.

Jedenfalls ist dies Proudhonsche Buch, wie es scheint, viel irdischer
als seine früheren – auch die _constitution de la valeur_[14] nimmt
eine fleischlichere Gestalt an: die des _juste prix des
boutiquiers_.[15] _Quatre francs, Monsieur, c’est le plus juste
prix!_[16] Was die Aufhebung der Douane und die des Zinses miteinander
zu tun haben, ist nicht klar. Daß Proudhon seit 1847 den Übergang von
Hegel zu Stirner so vollständig gemacht hat, ist auch ein Fortschritt.
Sage noch, daß er die deutsche Philosophie nicht versteht, wenn er sie
bis auf die letzte Verfaulungsphase an seinem Kadaver durchmacht!

Schreibe bald und sage, was Du von Obigem hältst.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Arbeiterkompanien.

   [2] Zusammengehöriges.

   [3] Den Fall gegeben.

   [4] Entwicklungen.

   [5] Angelpunkt.

   [6] Für das Jahr.

   [7] Papiergeld.

   [8] Somit.

   [9] Händler, Geschäftsleute.

   [10] Staatspapiergeld, Kassenscheine.

   [11] Geldhändler, Geldspekulanten.

   [12] Der persönliche Kredit soll seinen Betrieb in den
   Arbeiterkompanien finden.

   [13] Druck der Augenblicksumstände.

   [14] Konstituierung des Wertes.

   [15] Reelle Preis der Kleinkaufleute.

   [16] Vier Franken, mein Herr, das ist der reellste Preis.


                                  103

                                 28 Deanstreet, Soho, 14. August 1851.

Lieber Engels!

Ich schicke Dir in ein oder zwei Tagen den Proudhon selbst, den Du mir
aber, sobald gelesen, zurückschickst. Ich will nämlich – von wegen des
Geldes – zwei bis drei Bogen über das Buch drucken lassen. Du teilst
mir deswegen Deine Ansicht ausführlicher mit, als Du sonst im
Raschschreiben pflegst.

Der Proudhonsche Witz – und das Ganze ist vor allem eine Polemik gegen
den Kommunismus, so viel er auch davon stiehlt und so sehr er ihm in
Cabet-Blancscher Verklärung erscheint – resümiert sich meiner Ansicht
nach auf folgendes Räsonnement:

Der eigentliche Feind, der zu bekämpfen, ist das Kapital. Die rein
ökonomische Affirmation des Kapitals ist der Zins. Der sogenannte Profit
ist nichts anderes als eine besondere Form des Salärs. Den Zins heben
wir auf, indem wir ihn in eine _annuité_, das ist jährliche
Abschlagszahlung des Kapitals verwandeln. So wird der Arbeiterklasse –
lies _industriellen_ Klasse – auf immer das Prä gesichert und die
eigentliche Kapitalistenklasse zu einer stets verschwindenden Existenz
verurteilt. Die verschiedenen Formen des Zinses sind Geldzins, Mietzins,
Pachtzins. So wird die bürgerliche Gesellschaft beibehalten,
gerechtfertigt und nur ihrer _mauvaise tendance_[1] beraubt.

Die _liquidation sociale_[2] ist bloß das Mittel, um die „gesunde“
bürgerliche Gesellschaft von vorn anfangen zu können. Rasch
oder langsam, _peu nous importe_.[3] Über die Widersprüche,
Unentschiedenheiten, Unklarheiten dieser Liquidation selbst will ich
erst Dein Urteil hören. Aber der wahrhaft heilende Balsam der von vorn
angefangenen Gesellschaft besteht in der Abschaffung des Zinses, das
heißt in der perennierenden Verwandlung des Zinses in eine _annuité_.
Dies, nicht als Mittel, sondern als _ökonomisches Gesetz_ der
reformierten bürgerlichen Gesellschaft aufgestellt, resultiert natürlich
zweierlei:

1. Verwandlung der kleinen nichtindustriellen in industrielle
Kapitalisten. 2. Verewigung der großen Kapitalistenklasse, denn _au
fond_, wenn man die Sache im Durchschnitt nimmt, zahlt die Gesellschaft
im _großen und ganzen_ – den industriellen Profit abgerechnet – nie
etwas anderes als die _annuité_. Wäre das Gegenteil wahr, so würde die
Zins-von-Zinsenrechnung des Dr. Price eine Realität sein und der ganze
Globus nicht hinreichen, das kleinste von Christo herrührende Kapital zu
_verzinsen_. In der Tat aber ist mit Sicherheit zu behaupten, daß das
zum Beispiel in England – also dem ruhigstbürgerlichen Lande – seit 50
oder 100 Jahren, sei es in Grund und Boden oder sonst angelegte Kapital
sich – wenigstens dem Preise nach, worauf es hier ankommt – noch nie
verzinst hat. Man nehme zum Beispiel die höchste Schätzung des
Nationalreichtums von England, zum Beispiel 5 Milliarden. Also England
produziert jährlich 500 Millionen. Der ganze Reichtum Englands also nur
= die jährliche Arbeit Englands multipliziert mit 10. Also nicht nur,
daß das Kapital sich nicht verzinst, es _reproduziert_ sich nicht
einmal, dem Werte nach. Und aus dem einfachen Gesetz. Der Wert [wird]
ursprünglich bestimmt durch die ursprünglichen Produktionskosten, der
Arbeitszeit nach, die ursprünglich nötig war, um die Sache herzustellen.
Aber einmal produziert, wird der Preis des Produktes bestimmt durch die
Kosten, die nötig sind, um es zu _reproduzieren_. Und die Kosten der
Reproduktion sinken beständig und [um] so rascher, je industrieller das
Zeitalter. Also Gesetz der fortwährenden Entwertung des Kapitalwertes
selbst, wodurch das sonst ins Absurde führende Gesetz der Renten und des
Zinses gecheckt [gehemmt] wird. Es ist das auch die Erklärung des von
Dir aufgestellten Satzes, daß keine Fabrik ihre Produktionskosten deckt.
Proudhon kann die Gesellschaft also nicht neu gestalten durch die
Einführung eines Gesetzes, das sie _au fond_ jetzt ohne seinen Rat
befolgt.

Das Mittel, womit Proudhon alles bewirkt, ist die Bank. _Il y a ici un
qui pro quo._[4] Das Bankgeschäft ist in zwei Teile aufzulösen: 1. Die
_Versilberung_ des Kapitals. Hier gebe ich bloß _Geld_ für _Kapital_,
und das kann allerdings zu den bloßen Produktionskosten geschehen, also
zu 1/2 oder 1/4 Prozent. 2. _Vorschießen von Kapital_ in der Form von
Geld, und hier wird sich der Zins nach der Quantität des Kapitals
richten. Was der Kredit hier tun kann, ist nur, vorhandenen, aber
unproduktiven Reichtum durch Konzentration usw. usw. in wirkliches
aktives Kapital zu verwandeln. Proudhon hält Nummer 2 für so leicht wie
Nummer 1, und er wird, _au bout du compte_,[5] finden, daß, indem er
eine illusorische Masse von Kapital in der Form von Geld anweist, er nur
im besten Fall den _Zins_ des Kapitals reduziert hat, um seinen _Preis_
in demselben Verhältnis zu erhöhen. Womit nichts gewonnen ist als der
Mißkredit seines Papiers.

Den Zusammenhang der Douane mit dem Zins überlasse ich Dir im Original
zu genießen. Die Sache war zu köstlich, um sie durch Verstümmlung zu
verderben. Herr Proudhon erklärt sich weder genau, wie es mit dem Anteil
der Kommune an Häusern und Land sich verhält – und gerade das hätte er
den Kommunisten gegenüber tun müssen –, noch wie die Arbeiter in den
Besitz der Fabriken kommen. Jedenfalls will er „_des compagnies
ouvrières puissantes_“,[6] hat aber doch solche Angst vor diesen
industriellen „Zünften“, daß er, zwar nicht dem Staate, wohl aber der
_société_ das Recht vorbehält, sie _aufzulösen_. Als echter Franzose
beschränkt er die Assoziation auf die Fabrik, weil er weder einen _Moses
and son_ kennt, noch a _midlothian farmer_.[7] Der französische Bauer,
der französische Schuster, Schneider, _merchant_[8] erscheinen ihm als
_des données éternelles et qu’il faut accepter_.[9] Je mehr ich aber den
Dreck treibe, um so mehr überzeuge ich mich, daß die Reform der
Agrikultur, also auch der darauf basierten Eigentumssauerei, das Alpha
und Omega der kommenden Umwälzung ist. Ohne das behält Vater Malthus
recht.

Dem Louis Blanc usw. gegenüber ist die Schrift kostbar, namentlich durch
die frechen Ergießungen über Rousseau, Robespierre, Gott, die
_fraternité_ und ähnlichen Salbader.

Was nun die New York Tribune betrifft, so mußt Du mir jetzt, wo ich mit
der Ökonomie die Hände voll habe, helfen. Schreibe eine Reihe von
Artikeln über Germanien, von 1848 an. Geistreich und ungeniert. Die
Herren sind sehr _frech_ im ausländischen Departement.

In ein paar Tagen schicke ich Dir zwei Bände Römisches. Nämlich
„_Économie Politique des Romains. Par Dureau de Lavalle_.“[10] Ich habe
das Buch (grundgelehrt) von Paris kommen lassen. Es werden Dir da
Lichter aufgehen auch über den ökonomischen Hinterhalt der römischen
Kriegsführung, der nichts anderes war als das – _Cadaster_. Wie schicke
ich Dir die Sache am wohlfeilsten? Die zwei Bände sind dick. Den Artikel
der Lith. Korr. mußt Du schießen oder in Abschrift zu erhalten suchen.
Sobald Weydemeyer da ist, muß man die Esel Spießruten laufen lassen in
New York. Dazu gehören alle Aktenstücke. Faucher ist Korrespondent der
Neuen Preußischen Zeitung. Sigel hat sich noch nicht sehen lassen.
Willich ist natürlich Mitglied der _Verbrüderung der Emigration_.
Freitag hatten sie ihre erste Generalversammlung. Wir hatten einen
Kundschafter da. Die Sitzung wurde eröffnet mit Verlesung (durch
_General_ Haugh) des Artikels gegen uns in der Lith. Korr. Denn um uns
leben, weben und sind sie. Dann noch allerlei mißliebige
Katzbalgereiverträge beschlossen. Meldete sich für Preußen Herr Meyen,
für England Oppenheim, für Frankreich Ruge, Kinkel für Amerika – und
die Zukunft. Ich freue mich übrigens sehr, Dein Urteil über das
Gesamtliche (?) zu hören.

                                                          [Karl Marx.]

----------

   [1] Schlechte Tendenz.

   [2] Liquidation der Gesellschaft.

   [3] Verschlägt uns nichts.

   [4] Es liegt da eine Verwechslung vor.

   [5] Am Schlusse der Rechnung.

   [6] Machtvolle Arbeitergesellschaften.

   [7] Moses & Sohn [eine große Firma der Herrenkonfektion in London].
   _Midlothian_-Pächter [Midlothian, eine Grafschaft in Südschottland,
   zeichnet sich durch hochentwickelte Landwirtschaft aus, die meist
   von wohlhabenden Pächtern betrieben ward].

   [8] Kaufmann.

   [9] Auf ewig gegebene Dinge, die man hinnehmen muß.

   [10] Volkswirtschaft der Römer, von Dureau de Lavalle.


                                  104

                                          Manchester, 21. August 1851.

Lieber Marx!

Du erhältst hierbei einen beliebigen Artikel. Verschiedene Umstände
haben konspiriert, das Ding schlecht zu machen. Erstens war ich seit
Samstag zur Abwechslung einmal unwohl. Dann fehlte alles Material –
reine Ärmelschüttelei und Aushelferei mit dem bloßen Gedächtnis. Dann
die kurze Zeit und Arbeit auf Bestellung, fast totale Unkenntnis des
Blattes und seines Leserkreises, also kein ordentlicher Plan möglich.
Endlich die Unmöglichkeit, das Manuskript der ganzen Reihe zum
Vergleichen zusammenzuhalten, also Notwendigkeit eines _plus ou moins_
pedantisch-systematischen Anfangs, um Wiederholungen in den folgenden
Artikeln zu vermeiden. Alles das, und meine ohnehin ganz aus der Übung
gekommene Schreiberei dazu, haben das Ding sehr trocken gemacht, und
wenn es sich durch etwas empfiehlt, so ist es durch kulanteres Englisch,
das ich der Gewohnheit, seit acht Monaten fast nur Englisch zu sprechen
und zu lesen, verdanke. _Enfin, tu en feras ce que tu voudras._[1]

Den Proudhon habe ich zur Hälfte durch und finde Deine Ansicht
vollkommen bestätigt. Sein Appell an die Bourgeoisie, sein Zurückgehen
auf Saint-Simon und hundert andere Geschichten, schon im kritischen
Teil, bestätigen, daß er die industrielle Klasse, Bourgeoisie und
Proletariat, als eigentlich identisch und nur durch die Nichtvollendung
der Revolution in Gegensatz gebracht ansieht. Die pseudo-philosophische
Geschichtskonstruktion liegt ganz klar auf der Hand: vor der Revolution
industrielle Klasse im Ansichsein, 1789 bis 1848 im Gegensatz, Negation;
Proudhonsche Synthese _to wind up the whole with a flourish_.[2] Mir
kommt das Ganze als ein letzter Versuch vor, die Bourgeoisie theoretisch
zu halten; unsere Prämissen über entscheidende historische Initiative
der materiellen Produktion, Klassenkampf usw. usw. größtenteils
adoptiert, meist verdreht und hierauf das Experiment gegründet,
vermittels pseudo-hegelscher Eskamotage das Proletariat scheinbar in die
Bourgeoisie zurückzunehmen. Den synthetischen Teil habe ich noch nicht
gelesen. In den Angriffen gegen Louis Blanc, Robespierre, Rousseau sind
hier und da nette Sachen, aber im ganzen kann man nichts
Prätentiös-Flacheres lesen als seine Kritik der Politik, zum Beispiel
bei der Demokratie, wo er, wie die Neue Preußische Zeitung und die ganze
alte historische Schule, mit der Kopfzahl herankommt, und wo er sich
nicht schämt, mit kleinen praktischen Bedenken, die eines Schuljungen
würdig sind, Systeme aufzubauen. Und welche große Idee, daß _pouvoir und
liberté_[3] unvereinbare Gegensätze sind, und daß keine Regierungsform
ihm einen genügenden moralischen Grund angeben kann, weswegen er ihr
gehorchen sollte! _Par dieu_, wozu brauchte man denn ein _pouvoir_?

Übrigens bin ich überzeugt, daß Herr Ewerbeck ihm seine Übersetzung des
Manifestes und vielleicht auch unter der Hand Übersetzungen aus Deinen
Artikeln in der Revue hat zukommen lassen. Eine Anzahl Pointen sind
unbedingt daraus gestohlen – zum Beispiel, daß das Gouvernement nichts
ist als die Macht einer Klasse zur Niederhaltung der anderen und mit dem
Verschwinden des Klassengegensatzes ebenfalls verschwindet. Dann viele
Pointen über die französische Bewegung seit 1848. Ich glaube nicht, daß
er das alles in Deinem Buche gegen ihn gefunden hat.

Ich schreibe dieser Tage ausführlicher über das Ding, sowie ich das
Ganze gelesen habe. Inzwischen erwarte ich dieser Tage Weerth hier, der
wie gewöhnlich auf einmal in Bradford auftaucht, und ich werde deshalb
vielleicht genötigt sein, den Proudhon zwei oder drei Tage länger hier
zu behalten.

Sage Lupus, daß ich mit Watts gesprochen habe und dieser sich alle Mühe
geben wird, und mit aller Aussicht auf Erfolg, ihm hier eine Stelle zu
verschaffen. Watts glaubt, daß seine Qualität als Exreichstagsmann hier
vollständig hinreicht. Er kennt die ganze Sorte von Schulmeistern und
Pfaffen der liberalen Couleur, und wenn er sich einmal in Bewegung
setzt, wird er gewiß etwas ausrichten können. Ich werde ihn deshalb warm
halten; sowie ich aber weiteres höre, werde ich es ihn wissen lassen.
Übrigens ist der Watts trotz alledem doch noch ebenso erträglich als die
übrige Sorte von Philistern. Da der Mann als Engländer, Sozialist,
Doktor und Familienvater lebt, so muß man ihm zugute halten, daß er seit
sieben Jahren Teetotaler ist und sogar Gelüste verspürt, Struvescher
Grasfresser zu werden. Es ist schlimm, aber es ist ein Faktum, hier in
Manchester ist durchschnittlich der ordinäre Spießbürger der
umgänglichste Mensch; er säuft, er reißt Zoten, er ist Rebblkaner (wie
Martens) und man kann über ihn lachen.

Was hörst Du Neues aus Deutschland? In Hamburg sind drei entlassen,
einer neu verhaftet. Die Geständnisse des Schneidergesellen Nothjung
laufen also darauf hinaus, daß er Emissär einer propagandistischen
geheimen Verbindung sei – _quelle découverte_![4]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Kurz, Du wirst daraus machen, was Du willst.

   [2] Um das Ganze mit einem Hallo abzuschließen.

   [3] [Regierungs-]Gewalt und Freiheit.

   [4] Welche Entdeckung!


                                  105

                                       28 Deanstreet, 25. August 1851.

Lieber Engels!

_D’abord mes remerciements pour ton article._[1] Trotz allem Bösen, was
Du ihm nachgesagt hast, war er famos und ist unverändert nach New York
gesegelt. Du hast ganz den Ton für die Tribune getroffen. Sobald wir
ihre erste Nummer erhalten, schicke ich sie Dir zu, und von da an
regelmäßig.

_Maintenant_ habe ich eine ganze Ladung Emigrationsmist an Dich zu
spedieren – und wenn Du einen Farmer in der Umgegend kennst, der den
Guano dieser sauberen Vögel zum Dünger braucht, so kannst Du ein
Geschäft machen.

Also, wie Dir schon bekannt, am Freitag, 8 August, fand die erste
_offizielle_ Versammlung der verbrüderten Emigration statt, worin
besonders leuchteten: Der „Damm“, der präsidierte, Schurz
Sekretär, Goegg, zwei Sigel, Fickler, Tausenau, Frank (der
Österreicher-Biedermann), Willich, Borkheim, Schimmelpfennig, Johannes
Ronge, Meyen, Graf Reichenbach, Oppenheim, Bauer-Stolp, der Hanebuch
[Hamburger] Lüders, Haugh, A. Ruge, Techow, Schmolze (bayerischer
Leutnant), Petzler, Böhler, Gehrke, Schärttner, Göhringer usw., Kinkel
und Strodtmann natürlich nicht zu vergessen. Also die Hauptcliquen: 1.
Ruge-Fickler, 2. Kinkel, 3. Tausenau. Die anderen independenten
literarischen Bummler und Vereinbarer dazwischen. Der eigentliche
Knotenpunkt, um den es sich bei dieser großen Haupt- und Staatsaktion
handelte, war folgender: Ruge-Fickler-Tausenau-Goegg-Sigel-Haugh usw.
wollten die Erwählung eines offiziellen Komitees teils zur Denunziation
der Missetaten der Reaktion, teils zur Repräsentation der Emigration,
teils zur „Aktion“-Agitation Deutschland gegenüber. Der dumme Ruge hatte
dabei noch den Haken, daß er Ledru-Mazzini gegenüber als bevollmächtigt
anerkannt [würde] und außer seinem Namen nun auch wirklich das Korpus
der deutschen Flüchtlingschaft als Armee ihnen zu Gebot stellen könne.
Herr Kinkel (mit ihm, außer Retter Schurz mit seinem Biographen,
besonders Willich, Techow, Schmolze, Schimmelpfennig) dagegen wollte
kein öffentliches Institut dieser Art, um den Ruge nicht mehr oder
minder den Mazzini-Ledru gegenüber anerkennen zu müssen. Von vornherein
war die Clique Ruge-Fickler entrüstet, als sie den Versammlungssaal über
die Gebühr voll sah. Man war in geheimer Sitzung überein gekommen, nur
die Notabilitäten zu berufen. Die Clique Kinkel aber hatte _le menu
peuple_[2] mitgebracht, um sich die Stimmenzahl zu sichern.

Die Sitzung wurde öffentlich mit dem Vorlesen des Schmierartikels der
Lith. Korr. durch General Haugh, der gleichzeitig erklärte, es müßten
Spione in der Gesellschaft sein, das Aktenstück könne mißbraucht werden
usw. Willich unterstützte dies mit damals noch ungebrochenem Pathos und
forderte die Verbrecher auf, sich lieber zu nennen. Erhob sich darauf
Bauer-Stolp (den ich übrigens für einen regulären Spion halte), er
begreife Willichs tugendhaftes Entsetzen nicht, da er in der ersten
vorbereitenden Sitzung Herrn Schindler als Redakteur der Lith. Korr.
ohne Widerspruch eingeführt habe. Dieser Inzident erledigt, stellte
Tausenau unter vielem pathetisch-gemütlichen Ächzen und Krächzen, er
glaubte sich vor einem Wiener Publikum zu befinden, seinen Antrag auf
die Kommissionsernennung. Herr Meyen antwortete ihm, daß er keine Taten
wolle, aber freiwillige Verträge. (?) Melden sich abgekarteterweise
sofort Kinkel für Amerika und seine Zukunft, Oppenheim für England,
Schurz für Frankreich, Meyen für Preußen. Tausenaus Antrag fällt mit
Glanz durch, und er erklärt gerührt, daß er trotz seines Durchfalls
seinen gerechten Zorn auf dem Altar des Vaterlandes opfern und im Schoße
der Verbrüderten bleiben werde. Aber sofort nahm die Clique Fickler-Ruge
die drohende und gereizte Haltung geprellter schöner Seelen an.

Am Schlusse der Sitzung kommt Kinkel auf Schabelitz zu (der hier
durchaus als unser Agent tätig war und als ein sehr nützlicher Agent, da
er das Vertrauen sämtlicher Biedermänner besaß), erklärte ihn für einen
braven Demokraten, erklärt die Basler National-Zeitung für ein
ausgezeichnetes demokratisches Blatt und erkundigt sich unter anderem
nach den Finanzen desselben. Schabelitz: Schlecht. Kinkel: Aber tun die
Arbeiter denn nichts? Schabelitz: Alles, was wir von ihnen verlangen,
sie lesen das Blatt. Kinkel: Die Arbeiter müßten mehr tun. Sie
unterstützen auch uns nicht, wie sie sollten. Und Sie wissen, wir tun
doch so viel für die Arbeiter. Wir tun alles, um sie zu „respektablen“,
Sie verstehen mich wohl, um sie zu „ehrbaren Bürgern“ zu machen. _En
voilà une bonne._[3]

Die Sitzung der Vereinbarer vom 15. war wenig besucht und, wie die
Engländer sagen, indifferent.

Unterdessen hatten sich große Dinge ereignet – am 17. – und der wahre
Verlauf der Sache verlief sich, wie unser großer Arnold Ruge sagen
würde, wie folgt:

Herr Kinkel berief Willich, Techow, Goegg, Sigel und noch einige zu sich
und erklärte ihnen, daß er „160 Pfund durch Fischer aus New Orleans
erhalten habe und beauftragt sei, diese Gelder zu verwenden unter
Zuziehung der obenbenannten Männer und des Herrn _Friedrich Engels_“.
Statt des letzteren hatte er Fickler eingeladen, der aber erklärt hatte,
er habe mit den „Lumpen“ nichts zu schaffen. Herr Kinkel war gezwungen,
den Brief vorzuzeigen, und da zeigte sich denn, daß diese Gelder sich
schon seit drei Wochen anonym und inkognito in seiner Wohnung befanden,
unschlüssig, ob sie ihr großes Herz der profanen Welt erschließen
sollten oder nicht. Obgleich Kinkel mit Engelszungen sprach, so half das
nicht. Es fand eine Separatsitzung der Clique Fickler-Ruge-Tausenau
statt. Die Süddeutschen hatten nämlich unter der Hand gefunden, daß
Arnold Ruge ein Narr ist. – Ruge in tiefem Grimme über die verlorenen
160 Pfund eröffnete nun den Freunden, daß vor mehr als zwölf Monaten
Willich-Kinkel den Schimmelpfennig zu Mazzini geschickt, ihn als Emissär
vorgestellt und [Mazzini] zu einer Agitationsreise nach Deutschland um
Geld angegangen hatten. Mazzini gab ihm 1 000 Franken bar und 5 000
Franken in seinen italienischen Scheinen unter der Bedingung, nach zwölf
Monaten ihm die 1 000 Franken und zwei Fünftel der untergebrachten
italienischen Scheine zurückzuerstatten. Davon reiste Schimmelpfennig
durch Frankreich und Deutschland. Die zwölf Monate waren vergangen, aber
Kinkel-Schimmelpfennig, die 1 000 Franken und die italienischen Scheine
ließen nichts mehr von sich hören. Jetzt, nachdem das Geld aus New
Orleans angekommen, hatte Kinkel seine Abgesandten an Mazzini wieder
geschickt, nicht um zu zahlen, sondern um zu renommieren und in eine
Allianz mit ihm zu treten. Mazzini war zu delikat, sie an ihre Schuld zu
mahnen, erklärte ihnen aber, er habe seine Verbindungen in Deutschland,
könne daher keine neuen eingehen. Die Herren hatten sich auch, erzählte
Arnold Ruge weiter, zu Ledru-Rollin begeben. Hier aber war Ruge
zuvorgekommen, und da Ledru-Rollin sich schon als Präsidenten der
französischen Republik betrachtet und entschlossen ist, sofort den Krieg
nach außen zu führen, ihm Sigel als Obergeneral der deutschen
Revolutionsarmee vorgestellt, mit dem Ledru-Rollin sich dann auch in
strategische Gespräche eingelassen. Hier fuhr also Kinkel-Willich
abermals ab. Nach diesen Enthüllungen Ruges lag also die Verworfenheit
der Clique Kinkel-Willich offen vor den Augen der betörten schönen
Seelen. Nun mußte eine Tat vollbracht werden, und welche andere Taten
kennt Ruge als neue Kombinationen und Permutationen seines
verschimmelten alten Zentralkomitees? Es wurde also die Bildung eines
_Agitationsklubs_ beschlossen, der kein diskutierender, sondern
„_wesentlich arbeitender_“ sein, nicht _words_, sondern _works_ liefern
und vor allem die Gesinnungsgenossen auffordern solle, Geldbeiträge zu
liefern. Zusammensetzung: Fickler, Tausenau, Frank, Goegg, Sigel,
Hordle, J. Ronge, Haugh, Ruge. Du erkennst sofort die Reformation
Ruge-Ronge-Haugh. Aber bei näherer Ansicht zeigt sich, daß der
wesentliche Bestandteil des Klubs 1. die westsüddeutschen Biedermänner
Fickler, Goegg, Sigel, Hordle, 2. die ostsüddeutschen Tausenau, Haugh
und Frank sind, daß der Klub also wesentlich als _süddeutscher_ sich den
„_Preußen_“ gegenüber gebildet hat und Ruge nur die Nabelschnur ist, die
die Verbindung mit dem europäischen Zentralkomitee aufrecht erhält. Auch
nennen sie jetzt die anderen Vereine schlechtweg „die Preußen“. Dieser
Agitationsklub ernannte Tausenau zu seiner Exekutivgewalt und
gleichzeitig zu seinem Minister des Auswärtigen. Es war das also eine
_vollständige Absetzung_ des Zentral-Ruge. Um ihm aber diese Pille zu
versüßen, wurde ihm als Douceur gegeben die Anerkennung, daß man seine
Stellung beim Zentralkomitee anerkennt, seine bisherige Tätigkeit und
seine Vertretung des teutschen Volkes im Sinne des teutschen Volkes.
Dieses _testimonium paupertatis_ wirst Du gedruckt gelesen haben in der
in fast allen englischen Blättern gebrachten Notiz, worin der
Agitationsverein seine Geburt dem europäischen Publikum allerergebenst
anzeigt und um gute Kundschaft bittet. Selbst dieses Douceur wurde dem
unglücklichen Ruge verbittert, indem die Bauer-Fickler die unerträgliche
_conditio sine qua non_[4] stellten, daß Ruge aufhöre, „sein dummes Zeug
in die Welt zu schreiben“.

Ehe ich weiter erzähle, muß ich bemerken, daß in dem
gesamtdemokratischen Verein wir _ohne Wissen der anderen_ durch einen zu
unserem Bunde aus Köln geflüchteten Arbeiter namens Ulmer vertreten
sind, ein Mensch, der bei uns sehr ruhig und schweigsam ist und von dem
wir nie geglaubt hätten, daß er die Gesamtdemokratie im Schach halten
würde. Aber _indignatio facit poetam_,[5] und derselbe stille Ulmer hat,
wie er mir sagte, das „Genie“, daß er leicht wütend wird, am ganzen
Körper zittert und dann wie ein Berserker losfährt. Trotz seiner
schmächtigen Schneiderfigur hat er zudem als bester Turner von Mainz ein
bedeutendes Bewußtsein physischer Kraft und Gesundheit. Außerdem den
Kommunistenstolz der Unfehlbarkeit.

Am 22. August fand also die dritte Sitzung statt. Versammlung sehr
zahlreich, da großer Skandal von wegen des hochverräterischen
Agitationsvereins zu erwarten stand. Präsident: Meyen. Auch zugegen:
Rudolf Schramm und Bucher. Die Clique Kinkel stellte den Antrag auf
Bildung eines Flüchtlingskomitees. Nämlich Herr Kinkel will doch nicht
als öffentlicher Mann von der Bühne treten. Er will auch nicht sich bei
den ästhetisch-liberalen Bürgern Englands kompromittieren. Ein
Flüchtlingskomitee ist politisch-philanthropisch, stellt außerdem
Geldmittel zur Verfügung, vereinigt also alle wünschenswerten
Bedingungen. Dagegen wurde von einem gewissen Hollinger und von Ulmer
der Antrag gestellt, das Flüchtlingskomitee in einer allgemeinen
Generalversammlung der Flüchtlinge zu wählen, worauf die Kinkelclique
immer hinwies auf die Gefahr des Skandals, den die Leute hinter dem
Rücken der Versammlung (nämlich wir Anonymi) machen würden. Aber sie
hatten auch _Feinde vor_ sich. Von dem Agitationsklub waren nur zugegen
Goegg, Sigel und sein Bruder. Goegg wurde in das Flüchtlingskomitee
gewählt; das gab eine Gelegenheit, 1. den Austritt Tausenaus zu
erklären, 2. die Erklärung des Agitationsvereins abzulesen, 3.
schließlich nach Verlauf der Debatte ihren Gesamtaustritt anzuzeigen.
Großer Sturm. _Techow und_ [Rudolf] _Schramm hunzten den Arnold Ruge
schrecklich_ ab. Es wurde überhaupt sehr _geschimpft_. Goegg antwortete
den anderen überlegen, griff den zweideutigen Kinkel bitter an, der nur
seine Trabanten antworten ließ, sich als Großmogul den Bart strich und
durch den stets um ihn wedelnden Schurz Zettel schrieb, die er, wie die
Vereinbarer in Berlin, unter seinen Getreuen zirkulieren ließ und nach
der Zirkulation sein Schlußvotum niederschrieb. Nur als Goegg sagte, daß
der Agitationsverein seine Erklärung in den englischen Blättern
publizieren werde, antwortete Kinkel _majestätisch, daß er jetzt schon
die ganze amerikanische Presse beherrsche, und daß schon die Anstalten
getroffen seien, in kürzester Frist auch die französische Presse seiner
Herrschaft zu unterwerfen_. –

Außer diesem skandalschwangeren Thema liefen noch andere durch, die im
Schoße der verbrüderten Demokraten selbst den gewaltigsten Sturm
anregten, so daß es zu Faustdrohungen kam, furchtbares Toben und
Geschrei, bis um 2 Uhr Mitternacht der Wirt durch Auslöschen der Lampen
die Vereinbarungslustigen in undurchdringliche Nacht versenkte. Die zwei
Pivots des Skandals [Rudolf] Schramm und Ulmer. Schramm nämlich in
seiner Diatribe gegen Ruge machte gleichzeitig seinem Grimm gegen die
Kommunisten Luft, was vielen Anklang fand, griff den Willich aufs
gehässigste an und erklärte die Arbeiter für feig. Ulmer antwortete
hierauf; verlangte aber seinerseits mit Hollinger – Freund von Sigel –
Berufung einer allgemeinen Flüchtlingsversammlung zur Wahl eines
Unterstützungskomitees. Er schuldigte Willich usw. direkt der
Verschwelgung und Verschwendung der Flüchtlingsgelder an.
Unaussprechlicher Tumult. Oswald Dietz springt vor, erklärt, er sei
Kassierer des Flüchtlingskomitees der Great Windmillstreet und verlangt
Widerruf. Ulmer erklärte, wenn die Herren es verlangten, werde er
Beweise beibringen. Er widerrufe nichts. Willich in seiner bekannten
Manier sucht ihn zu beschwichtigen und ladet ihn zu einer
Privatauseinandersetzung auf seinem Zimmer ein. Aber Cato Ulmer bleibt
unerschütterlich und sprach nicht ohne Anhang. Nebenbei bemerkt, hatte
Schimmelpfennig, hinter Ulmer sitzend, während der Rede Goeggs
fortwährend gegrunzt und Lärm gemacht, als auf einmal Ulmer von seinem
„Genie“ ergriffen wird, sich mit ausgestreckter Faust umwendet und dem
Schramm zubrüllt: „Wenn Sie, elender Pfennigfuchser, nicht endlich das
Maul halten, schmeiße ich Sie zum Fenster hinaus.“ Schramm wurde blaß
wie Kreide, aber mit seiner preußischen Offizierscourage zu Rate gehend,
entfernte er sich in den äußersten Winkel.

Willich war während dieser denkwürdigen Farce zu verschiedenen Malen und
von allen Seiten, Goegg, Schramm, Hollinger, Ulmer usw., so derb gepackt
worden, daß er sechsmal erklärte, er müsse austreten, wenn man seine
würdige Persönlichkeit nicht außer Spiel ließe.

Nun aber neues Element des Skandals, von uns eigens zubereitet. Nämlich
die Herren, die „höheren Flüchtlinge“, wie sie sich nennen, hatten die
„niedrige Emigration“ ganz außer acht gelassen. – – –

Dieser „niederen Emigration“ haben nun Rumpf und Ulmer erklärt, nächsten
Freitag kämen ihre Interessen vor in dem allgemeinen Emigrationsverein.
Sie werden sich sämtlich, mit Knüppeln bewaffnet, dahin begeben, um ihre
Ansprüche durchzusetzen. Ich habe sie nun durch Ulmer wissen lassen,
Kinkel habe 160 Pfund für sie erhalten, die er wochenlang verheimlicht
[hat], und die er nun mit Willich zu teilen gedenke. Sie würden
überhaupt – _et c’est vrai_[6] – nur als Firma benutzt, um die
Finanzen dieser Staatsmänner auf den Strumpf zu bringen. Ulmer wird der
Redner sein, und da Schramm usw. nichts von dieser Auslandssendung
wissen, wird der Skandal erbaulich werden von allen Seiten.

Du darfst erst einen – später aber notwendigen – Brief an Kinkel
schreiben, sobald ich Dir über die Freitagsitzung berichtet. Was Du aber
gleich tun mußt, ist, an _Fischer_ nach New Orleans zu schreiben, ihm
den ganzen Dreck klarzumachen und ihn wissen zu lassen, daß er nur noch
unter der Firma „Freiligrath“, die ganz populär ist, Geld sammelt.
Unsere Partei braucht es notwendig. Sie ist die einzig aktive, die
einzig direkt mit Bundestag und Gott und Teufel im Kampfe stehende, und
es fehlt uns alles Geld zur Agitation. Andererseits muß Geld geschaffen
werden für unsere Eingekerkerten, die zum großen Teil durchaus ohne
Mittel sind. Diese zwei Gesichtspunkte scheinen mir leicht dem Mann klar
zu machen. Wenn er kann, soll er übrigens die Sammlung geheim machen, du
unsere Wirksamkeit nur gestört wird durch jeden Zeitungsklatsch.

_Vale faveque._[7]

                                                         Dein K. Marx.

Bemerken muß ich noch, daß der orthodoxe Stier Schapper durchaus nicht
mit „Ungläubigen“ sich einläßt, vielmehr Willich erklärt hat, sie
könnten ihm eher den Kopf einreißen, als daß er zu „den Hunden“ gehe.

Wenn manchmal jetzt meine Briefe um ein paar Tage ausbleiben, geschieht
es, um vollständiger zu berichten.

----------

   [1] Voran meinen Dank für Deinen Artikel.

   [2] Das gemischte [gewöhnliche] Volk.

   [3] Das ist mal eine gute [Idee].

   [4] Unerläßliche Bedingung.

   [5] Die Empörung macht den Dichter.

   [6] Und das ist wahr.

   [7] Lebe wohl und bleibe mir gut.


                                  106

                                                      [?] August 1851.

Lieber Engels!

Du liest zuerst wohl den Proudhon, da ich den zurück haben muß. Den
Dureau habe ich ausgezogen, soweit ich ihn brauche. –

Apropos. _Schreibe doch endlich an den Fischer in New Orleans._
(Liebknecht ist jetzt sein stehender Korrespondent.) Es ist dies um so
wichtiger, als gerade aus New Orleans die Kinkels, Ruges usw. Subsidien
zu ziehen gedenken. Vergiß also nicht an den Mann zu schreiben, der sich
in einem Brief an Liebknecht über Dein Schweigen beklagt.

                                                            Dein K. M.


                                  107

                [Undatiert. Ersichtlich vom 26. oder 27. August 1851.]

Lieber Marx!

Die homerischen Kämpfe der großen Männer im Streben nach Einheit haben
mich wunderlich erheitert. Welche Iliade!

An Fischer ist geschrieben. Es ist aber doch positiv, daß ich in dem
Brief an Kinkel mit genannt bin, damit ich mich bei Fischer nicht
blamiere? Die Idee mit Freiligrath ist famos, das hat gewiß Deine Frau
erfunden. Den F[ischer] aufzufordern, direkt für _unsere_ Parteizwecke
Geld aufzutreiben, geht durchaus nicht; kommt aber noch etwas – was ich
nach diesen Erfahrungen der Amerikaner bezweifle –, so denke ich, wird
mein Brief hinreichen, es in Freiligraths Hände zu spielen, _et cela
suffit_.[1]

Über Proudhon morgen oder übermorgen. Weerths Anwesenheit und dann diese
Schmiere, verbunden mit Kontorlasten, haben mich verhindert, das Ding
ernsthaft anzufassen. Jedenfalls ist die Scharlatanerie großartig drin.
Der zweite Teil, von der Liquidation an, ist bewundernswert durch die
Verschmelzung der Girardinschen Reklame und der Stirnerschen Renommage.
Dazu ist manches grammatisch und logisch reiner Gallimathias, von dem er
selbst weiß, daß es absolut keinen Sinn hat. Dieser zweite Teil ist
wirklich gar nicht ernsthaft zu behandeln, man kann’s beim besten Willen
nicht.

Für die Tribune habe ich natürlich auch nichts machen können – nächste
Woche Fortsetzung. Eiligst

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Und das genügt.


                                  108

                                       28 Deanstreet, 31. August 1851.

Lieber Engels!

Man verrechnet sich immer, wenn man auf entscheidende Krisen unter den
demokratischen Herren rechnet. Ein Skandal, wie der vor vierzehn Tagen,
erheischt mehrwöchentliche Erholung für diese _performers_.[1] Und so
kam es denn gestern, Freitag den 29., zu nichts Bedeutendem.

_D’abord_.[2] Am Montag, den 25. August, wie ich Dir schon
mitgeteilt, drohten Willich und Schapper mit ihrem Abtritt aus dem
Flüchtlingskomitee der Great Windmill. Am folgenden Dienstag traten sie
wirklich in offizieller Sitzung ab und löste sich das Komitee überhaupt
in Wohlgefallen auf. Bei dieser Gelegenheit kam es zu bitteren Worten.
Willich moralisierte und sittenpredigte, worauf ihm seine Laster
entgegengehalten wurden. Der Hauptanklagepunkt gegen ihn aber war der,
daß diesmal, wie schon bei einer früheren Gelegenheit, wo Rechenschaft
abgelegt werden sollte über die Zwanzige von Pfunden, die in die
Bürstenmacherei gesteckt sind, dafür gesorgt worden, daß Herr Lüssel
(?), verantwortlicher Garant derselben, durchgebrannt war.

Freitag hatte sich General Sigel in der allgemeinen Sitzung der
Vereinbarungslustigen eingefunden. Er hatte auf das Erscheinen der
„niedrigen Emigration“ gerechnet, für die er einige gewaltige Lanzen mit
Willich brach, der seiner Entrüstung über die sittenlose, früher von ihm
uns gegenüber apotheosierte Lumpenherde freien Lauf ließ. Wer aber nicht
erschien, war das Lumpenproletariat. Diejenigen, die sich vor den Türen
des Areopag eingefunden, waren zu wenig zahlreich, um auf Erfolg rechnen
zu können, und zogen sich deshalb zurück. Du weißt, daß es feige Patrone
sind.

Lupus, der, aus alter Freundschaft zur Gräfin Reichenbach und ihrem
ebenfalls hier anwesenden Bruder, von Zeit zu Zeit das Haus des
Reichenbach frequentiert, fand gestern daselbst Herrn Techow, den er von
der Schweiz her kannte. Kurz nachher erschien Willich in eigener Person
und in Gesellschaft des tiefsinnigen Eduard Meyen. Lupus ging fort, als
diese Größen Platz griffen.

_Voilà tout ce que j’ai à rapporter pour le moment._[3] Mit den 160
amerikanischen Pfunden hat Kinkel teils direkt, teils durch seine
Anhänger den „Respektablen“ und den „_hommes d’état_“[4] eine gewaltige
Meinung von seiner Macht und seinen Verbindungen beizubringen gewußt.
Der edle Willich aber hat durch Auflösung des Windmillkomitees das
solideste Band zerrissen, das ihn mit der „Canaille“ verklitterte.
_Maintenant_,[5] was Dich anbetrifft, so ist es positiv, daß _Fischer_
Dich ausdrücklich genannt unter den Paten der 160 Pfund. General Sigel
und Goegg teilten das angeblich _au secret_[6] ihrem Freund Schabelitz
mit, in der Tat aber, wie ich glaube, um es Dir zukommen zu lassen. Nach
meiner Ansicht hast Du nichts zu tun, als Herrn Kinkel zu schreiben, Du
habest aus New Orleans die Nachricht über die Geldsendung und Deine
Mitzurateziehung bei Verwendung desselben erhalten. Du fragtest ihn
simplement, was mit dem Gelde geschehen oder beabsichtigt sei. Die
Adresse Kinkels ist: Dr. phil. (so schreibt er sich auf seinen
Visitenkarten) Kinkel, 1 Henstridge Villas, St. Johns Wood. Ich werde
Dir zum Spaß einmal eine solche Visitenkarte zuschicken, die ganz Inhalt
und Form einer Londoner Reklame für Heilung von Krähenaugen _and so
forth_[7] hat.

Damit ich das große Ereignis nicht vergesse. In der Nummer vom 13.
August kündet der unglückliche Heinzen an, daß Otto seine Kapitalien
zurückgezogen und so er allein mit seinem geistigen Kapital
zurückgeblieben, womit in dem industriellen Amerika ein Blatt nicht
erscheinen könne. Er schreibt also eine Elegie über den Fall Hektors vor
der Zeit. Und in derselben Nummer fordern Hoff und Kapp zu
Aktienzeichnungen für eine neue Zeitung auf, die an die Stelle der
Schnellpost treten solle. Und wie das Schicksal wunderliche Nücken hat,
macht gleichzeitig die Staatszeitung dem edlen Heinzen –
unter Enthüllung vieler seiner Geldgemeinheiten – einen
Prozeß wegen Verleumdung, der ihn, wie er vorhersieht, in ein
„Sittenverbesserungshaus“ bringen wird. _Le pauvre_ Heinzen! Auch ist
dieser große Mann jetzt moralisch entrüstet über Amerika und die
„gemütsarmen Yankees“ und die „Deutsch-Amerikaner“, die ihnen
nachschlagen, statt an der „Humanisierung der Gesellschaft“ zu arbeiten
und für die großen politisch-sozialen Enthüllungen Arnold Ruges sich zu
begeistern ...

Du hast sicher schon längst aus den Journalen ersehen, daß Girardin sich
mit Ledru-Rollin liiert. Der glaubte auch schon der künftige
französische Großmogul zu sein. Nun hat sich aber ein Gegenkomitee
Lammenais-Michel (de Bourges)-Schölcher gebildet, das die „Vereinigten
Staaten von Europa“ durch die _romanischen Völker_ – Franzosen,
Spanier, Italiener – bewirken will, woran sich dann die Deutschen usw.
anzukristallisieren haben. – Also, die Spanier (!) sollen uns
zivilisieren! _Mon Dieu_, das übertrifft nach den Karl Heinzen, der die
Feuerbach und Arnold Ruge unter die Yankee zur „Humanisierung“ einführen
will. Der „Proscrit“ von Ledru-Rollin attackierte bitter das
rivalisierende Komitee. Sie antworteten ihm mit gleicher Münze. Was aber
noch bitterer für den Großmogul _in partibus_[8] ist: In Paris fand ein
Konklave der ganzen Presse statt. Der Proscrit war auch durch einen
Deputierten vertreten. Zweck: Einigung über einen gemeinschaftlichen
Präsidenten. Der Proscrit fiel mit seinen Anträgen durch, und es wurde
rein herausgesagt, die Herren in London hätten gut schwatzen, aus
Frankreich selbst müsse das Erforderliche für Frankreich geschehen,
Ledru-Rollin schneide sich sehr, wenn er sich für „die wichtige Person“
halte, wofür ihn Mazzini ausgibt.

Übrigens trennte sich der Konklave unter Skandal und ohne Resultat. Die
einheitssüchtige Demokratie gleicht sich überall wie ein Ei dem anderen.

Addio!

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Theaterspieler.

   [2] Erstens.

   [3] Das ist alles, was ich im Augenblick zu berichten habe.

   [4] Staatsmänner.

   [5] Jetzt.

   [6] Vertraulich.

   [7] Und so weiter.

   [8] In den Landesteilen [der Ungläubigen], das heißt ohne
   tatsächliche Macht.


                                  109

                                            Montag, 1. September 1851.

Lieber Marx!

Du mußt mich abermals entschuldigen.

Erstens habe ich mit dem Proudhon noch weiter nichts anfangen können,
weil ich seit vier Tagen mit den scheußlichsten Zahnschmerzen geplagt
gewesen bin, die mich total unfähig machten, irgend etwas zu tun. Dazu
kommt nun noch heute abend mein Bruder (den Du kennst) von London und
wird mich, ich weiß nicht wie lange, am Arbeiten verhindern. _Que le
diable emporte l’exposition!_[1]

Zweitens kann ich Dir die für heute versprochenen 5 Pfund erst morgen
schicken, da absolut kein Geld in der Geschäftskasse ist und ich sie
also erst morgen bekommen kann.

Der Triumphartikel der Lithographierten Korrespondenz über die endlich
erreichte Einheit der honetten Emigration ist ja bereits durch ein neues
Lamento und Ausfälle der „Preußen“ gegen die „Süddeutschen“ und den
„Pommer“ Ruge in derselben Lithographierten Korrespondenz widerrufen.
_Sic transit gloria_ – die Freude hat nicht lange gedauert. Es ist gut,
daß wir in jedem der neuen zwei Vereine so viel Freunde haben, daß
keiner von beiden uns behelligen wird.

Die Failliten haben in Liverpool und London ja schon angefangen, und der
Economist trotz seiner Beweise, daß der Trade des Landes äußerst gesund,
das heißt, daß das meiste Surpluskapital in der soliden Produktion
angelegt ist, muß doch gestehen, daß Ostindien wieder überführt ist und
im ostindischen Handel die alten Konsignations- und Vorschußgeschichten
mit unveränderlicher Regelmäßigkeit wieder eingerissen sind. Nächste
Woche will er uns lehren, wie man das Konsignationsgeschäft auf soliden
Grundlagen betreiben kann – ich bin begierig darauf. Inzwischen
verdienen die Spinner und Weber hier enorm – die meisten sind bis
Neujahr engagiert, und auf dem Lande wird allgemein wenigstens bis 8 Uhr
abends, also 12 bis 12-1/2 Stunden, gearbeitet, oft länger. Aus
Baumwolle zu 3-3/4 bis 4-1/2 Pence pro Pfund spinnen sie Garn zu 7 bis 8
Pence das Pfund; die Spinnkosten bei diesen groben Nummern kaum 1-1/2
bis 2 Pence das Pfund, also bei einer wöchentlichen Produktion von 12
Millionen Pfund (bei 600 000 000 Pfund Einfuhr roher Baumwolle) verdient
die Gesamtmasse der Spinner, wenn die groben Nummern als Norm gelten, in
England wöchentlich 75 000 Pfund Sterling, jährlich 3-3/4 Millionen
Pfund netto. Dasselbe ist richtig, wenn statt Nr. 6 bis 12 die
Durchschnittsnummern des Garnes, 18 bis 24, angenommen werden, und
manche, die bei guten Maschinen schlechtere Baumwolle anwenden können,
verdienen am Pfund Garn nicht 1-1/2 Pence, sondern 2-1/2 Pence. Alles
das datiert vom April und Mai, vom Fall der Baumwollpreise, und wer
verhältnismäßig am meisten Twist kauft, sind die Deutschen. Wenn der
Tanz losbricht – und dieser Trade dauert gewiß nicht länger als bis in
den März – und zu gleicher Zeit in Frankreich ein Ulk losgeht, so
werden die Deutschen es schön fühlen mit all dem unverkäuflichen Garn
auf dem Hals, und das Land wird auch so gut präpariert werden.

Weihen wir eine stille Träne den Manen Brüggemanns! Unverdienteres
Unglück hat wohl nie einen Biedermann getroffen – _sit illi terra
levis_.[2]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Der Teufel hole die Ausstellung!

   [2] Möge ihm die Erde leicht sein.


                                  110

                                            Montag, 8. September 1851.

Lieber Marx!

Morgen geht mein Bruder fort, und ich werde dann endlich wieder zur Ruhe
kommen. Ich bin die ganze Zeit über keinen Augenblick allein gewesen,
und es war mir rein unmöglich, Dir die Banknote früher zu schicken als
Samstag, und zwar beide Stücke mit derselben Post, da Sonntags nur eine
_delivery_[1] ist. Da hierbei Gefahr der Entwendung ist, so gebe ich Dir
_particulars_[2] der Note – sie war numeriert _E_ 01780, und datiert
Leeds, 15. Juli 1850. Sollte sie Dir also nicht zugekommen sein, so gehe
gleich auf die Bank und _stop payment_,[3] was noch frühzeitig genug
sein wird. Es war eine Fünfpfundnote.

Freitag abend erhalte ich plötzlich einen Brief von meinem Alten, worin
er mir erklärt, ich verbrauche viel zu viel Geld und müsse mit 150 Pfund
auskommen. Ich werde mir diese lächerliche Zumutung natürlich nicht
gefallen lassen, um so weniger, als sie mit der Drohung begleitet ist,
nötigenfalls die Ermens anzuweisen, mir nicht mehr als diese Summe
auszuzahlen.

Ich denke mit Hilfe meines Bruders und meiner Alten die Sache in Ordnung
zu bringen, werde mich aber doch zunächst etwas einschränken müssen, da
ich Summa Summarum hier schon 230 Pfund vermöbelt habe und bis zum
November, wo ich ein Jahr hier bin, diese Summe nicht zu sehr steigern
darf. Jedenfalls ist dieser neue Trick wieder sehr unangenehm und ärgert
mich bedeutend, namentlich die unnoble Manier, die mein Alter dabei
anschlägt. Es ist richtig, er verdient hier dies Jahr lange nicht so
viel wie das vorige, aber das liegt einzig in dem schlechten Management
seiner Associés, über die ich keine Kontrolle habe.

Was ist das für ein neuer Tuck in Paris? Diesmal scheint die Clique
Hippopotamus ins Pech geraten zu sein; was ich von den deutschen
verhafteten Namen kenne, sind lauter alte Weitlingianer aus der Epoche
von 1847 und früher. Es scheinen da mehrere Mogeleien durcheinander zu
laufen. Der schwäbische Heiland scheint sich auch unter den Glücklichen
zu befinden. _Tant mieux pour lui._[4] Was Du erfährst, teile mir mit.

Wie deutsche Blätter melden, sollen die Kölner nicht vor die nächsten –
Oktober – Assisen kommen.

Morgen oder übermorgen mehr.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Auslieferung.

   [2] Einzelheiten.

   [3] Verhindere die Auszahlung.

   [4] Um so besser für ihn.


                                  111

                                       Donnerstag, 11. September 1851.

Lieber Marx!

Ich hatte gehofft, Dir heute einen Artikel für Amerika fertig machen zu
können. Da fehlen mir noch zirka drei bis vier Seiten daran. Ich muß
also auf die morgige Post verzichten, wenn ich aber nicht irre, geht
Mittwoch ein Collins Steamer, und damit kann der Artikel gehen und dann
Freitag der dritte nachfolgen. Ich werde mich danach erkundigen. Ich
halte _in the present moment_[1] dies amerikanische Geschäft, das ja
positiv Geld einbringt, für pressanter als den Proudhon, von dem ich
nicht weiß, ob er es ebenso sicher und rasch einbringt, daher habe ich
dies zuerst vorgenommen. Solltest Du anderer Meinung sein, so schreibe.

Meinen Brief von Montag wirst Du erhalten haben.

_En attendant tes nouvelles._[2]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Im gegenwärtigen Augenblick.

   [2] Deinen Nachrichten entgegensehend.


                                  112

                     28 Deanstreet, Soho, Samstag, 13. September 1851.

Lieber Engels!

Du hast doch meinen Brief während der Anwesenheit Deines Bruders
erhalten? Ich frage, da Du ihn nicht erwähnst, nicht wegen seines
Inhaltes. Er enthielt nur Klatsch, obgleich es gut ist, daß auch dieser
archiviert wird. Aber in fremde Hände möchte ich ihn doch nicht geraten
wissen.

Deine verschiedenen Briefe, eingeschlossen der fünfpfundige, sind hier
richtig angekommen.

Kinkel macht jetzt seine Rundreise durch Nordengland. War er noch nicht
in Manchester?

Nach dem in meinem letzten Schreiben Erwähnten hat sich wenig hier
zugetragen. Gestern (Freitag) vor acht Tagen erklärte Graf Reichenbach
seinen Austritt aus dem allgemeinen Flüchtlingsverband. Auch Du, Brutus?
Sigel usw., die noch nicht definitiv ausgetreten waren, sind es jetzt.
Willich aber macht einen Feldzug gegen das „Lumpenproletariat“ unter den
Flüchtlingen. Über die gestern abend gehaltene Sitzung habe ich noch
keinen Bericht erhalten.

Auch das italienische Komitee hat sich gespalten. Eine bedeutende
Minorität ist ausgetreten. Mazzini erzählt mit Kummer dies Ereignis in
der Voix du Peuple. Hauptanlässe sollen sein: _D’Abord Dio. Ils ne
veulent pas du dieu. Ensuite, et c’est plus grave, ils reprochent à
Maître Mazzini de travailler dans l’intérêt autrichien en prêchant
l’insurrection_, das heißt _en la précipitant. Enfin: Insistent sur un
appel direct aux intérêts matériels des paysans italiens, ce qui ne peut
se faire sans attaquer de l’autre côté les intérêts matériels des
bourgeois et de la noblesse libérale, qui forme la grande phalange
mazzinienne._[1] Diese letztere Sache ist durchaus wichtig. Wenn Mazzini
oder wer sonst an die Spitze der italienischen Agitation sich stellt,
diesmal nicht _franchement_ und _immédiatement_ die Bauern aus
_métayers_[2] in freie Grundeigentümer verwandelt – die Lage der
italienischen Bauern ist scheußlich, ich habe die Schandwirtschaft jetzt
gründlich durchgeochst –, so wird die österreichische Regierung im
Falle der Revolution zu galizischen Mitteln ihre Zuflucht nehmen. Schon
hat sie im Lloyd gedroht mit „gänzlicher Umwandlung des Besitzstandes“
und „Vernichtung des unruhigen Adels“. Wenn dem Mazzini noch nicht die
Augen aufgehen, so ist er ein Rind. Allerdings kommen die
Agitationsinteressen hinein. Wo die 10 Millionen Franken hernehmen, wenn
er die Bourgeois vor den Kopf stößt? Wie den Adel in seinen Diensten
behalten, wenn ihm ankündigen, daß es sich zunächst um seine
Expropriation handelt? Das sind Schwierigkeiten für solchen Demagogen
aus der alten Schule.

Unter den Verhafteten in Paris befindet sich leider auch Schramm.
Vorgestern kam ein Brief von dem Schlingel an Liebknecht, und wir haben
die erfreuliche Aussicht, dies fahrige Subjekt wieder unter uns zu
sehen. Er soll sich aber wundern, _ce Monsieur là_![3] Du wirst mich
sehr verpflichten, wenn Du mir bis _Dienstag morgen den Aufsatz für Dana
schickst_. Anbei Brief von Dronke. Übrigens, wenn man ihm schreibt, muß
es unter seiner direkten Adresse geschehen. Die von Schuster ist
durchaus unsicher. Ich schicke Dir in ein paar Tagen ein Billett für ihn
und dann schreibst Du auch noch einiges hinzu und expedierst die Sache
an den Knirps.

                                                  [Ohne Unterschrift.]

----------

   [1] Erstens Gott. Sie wollen nichts von Gott wissen. Dann, und das
   ist wichtiger, werfen sie Meister Mazzini vor, er arbeite dadurch im
   Interesse Österreichs, daß er den Aufstand predigt, das heißt
   dadurch, daß er ihn überstürzt. Schließlich bestehen sie auf
   direkten Appell an die materiellen Interessen der italienischen
   Bauern, was nicht möglich ist, ohne auf der anderen Seite die
   materiellen Interessen der Bourgeois und des liberalen Adels
   anzugreifen, aus denen die große mazzinistische Phalanx besteht.

   [2] Rundheraus und sofort die Bauern aus Halbpächtern ....

   [3] Dieser Herr.


                                  113

                                          Freitag, 19. September 1851.

Lieber Marx!

Ich wurde gestern in der höchsten Eile noch mit dem Artikel fertig –
_tel quel_,[1] oft unterbrochen, seit drei Wochen, und zuletzt in der
Eile noch den Rest zusammengeschmiert. _Tu en feras ce que tu
pourras._[2] In jedem Falle wirst Du ihn heute mit der ersten Post
erhalten haben.

Der einzige Brief, der seit der Ankunft meines Bruders hier ankam, war
Deiner vom 31. August, den ich am 2. September erhielt, worin Du die
Heinzenschen Stellen mitteiltest (aus der Schnellpost über Veredlung des
Yankeetums).

Meine Faulheit erklärt sich:

1. aus einer Geschäftsreise nach Bradford,

2. aus der Abreise unseres Kommis nach London, von wo er erst Montag
zurückkommt,

3. aus der plötzlichen Entlassung unseres Warehouseman[3] und Gehilfen,
so daß ich jetzt alle Hände voll zu tun habe.

Morgen oder Montag gebe ich mich an den dritten amerikanischen Artikel,
der positiv zum nächsten Steamer in Deinen Händen ist – wenn Mittwoch
einer geht, bis Dienstag, sonst bis Freitag. Morgen mehr, das Kontor
wird zugeschlossen und Gas haben wir noch keines, so daß ich dies fast
im Dunkeln schreibe.

                                                            Dein F. E.

Das Dokument Willich in den Débats ist wunderschön!

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   [1] So wie er gerade ist.

   [2] Du wirst daraus machen, was Du willst.

   [3] Lagerverwalter.


                                  114

                                       Manchester, 23. September 1851.

Lieber Marx!

Endlich denke ich wieder so weit zu sein, daß ich nach allen fatalen
Störungen wieder regelmäßig ans Arbeiten komme. Der Artikel Nr. 3 für
Amerika wird heute abend fertig gemacht und Dir gleich zugeschickt, und
dann werde ich den Proudhon direkt vornehmen.

Von Kinkels Rundreise habe ich weiter noch nichts vernommen. Die
Spaltung unter den Italienern ist wunderschön. Es ist vortrefflich, daß
dem geriebenen Schwärmer Mazzini endlich die materiellen Interessen auch
einmal in die Quere kommen, und das in seinem eigenen Lande. Dazu ist
die italienische Revolution gut gewesen, daß sie die entschlossensten
Klassen auch dort in die Bewegung gerissen hat, und daß sich jetzt der
altmazzinistischen Emigration gegenüber eine neue radikalere Partei
bildet und Herrn Mazzini allmählich verdrängt. Auch nach
Zeitungsberichten scheint _il Mazzinismo_ selbst bei Leuten, die weder
konstitutionell noch reaktionär sind, in Verruf zu kommen, und die Reste
piemontesischer Preßfreiheit von diesen zu Angriffen gegen Mazzini,
deren _portée_[1] die Regierung nicht begreift, benutzt zu werden. Im
übrigen überragt sonst die italienische Revolution die deutsche bei
weitem an Ideenarmut und Phrasenreichtum. Es ist ein Glück, daß das
Land, wo es statt Proletariern fast nur Lazzaroni gibt, wenigstens
_métayers_[2] besitzt. Auch die anderen Gründe der italienischen
Dissidenten sind erfreulich, und schließlich ist es sehr schön, daß die
einzige bisher wenigstens ungespaltene Emigration jetzt auch sich in den
Haaren liegt.

Der Bericht des Kleinen [Dronke] hat mir viel Spaß gemacht.
Wichtigtuender Klatsch, ein Duell, ein in Hamburg einzukassierendes
Stück Geld, piemontesische Pläne – _dodge, dodge_ und aber _dodge_! Man
begreift bei dem Männchen nie zweierlei Dinge, erstens was er treibt,
und zweitens wovon er lebt. Inliegend erfolgt der Brief zurück, schicke
mir die Antwort und ich werde sie ihm portofrei befördern. Seine direkte
Adresse ist notiert – die von Schuster wäre sehr schön, seit er
gehaussucht worden! – –

Die australische Goldsuppe wird hoffentlich die Handelskrise nicht
aufhalten. Jedenfalls kreiert sie momentan einen neuen, großenteils
fiktiven Markt und treibt die Wolle in die Höhe, da die Schafherden
vernachlässigt werden. Sonst ist die Geschichte famos. Der Steam um die
Welt wird in sechs Monaten in vollem Gange sein, und unsere
Prophezeiungen über die Suprematie des Stillen Ozeans realisieren sich
noch rascher, als wir erwarten konnten. Bei dieser Gelegenheit werden
auch die Engländer herausfliegen und die Vereinigten Staaten der
deportierten Mörder, Hausbrecher, Notzüchter und Taschendiebe der Welt
ein erstaunliches Exempel geben von dem, was ein Staat von unverhohlenen
Schuften für Wunder verrichten kann. _They will beat California
hollow._[3] Während in Kalifornien doch noch die Schufte gelyncht
werden, wird man in Australien die _honnêtes gens_[4] lynchen, und
Carlyle wird seine _aristocracy of rogues_[5] in voller Glorie etabliert
sehen.

Die vielen Beteuerungen der Blätter bei Gelegenheit der letzten
Failliten und der unter anderem in Liverpool herrschenden Depression,
daß trotzdem der Trade des Landes niemals gesunder gewesen sei, sind
sehr verdächtig. Positiv ist, daß Ostindien _overstocked_[6] ist und
seit Monaten dort mit Verlust verkauft wird. Wohin die Massen Zeug
gehen, die jetzt hier in Manchester und Gegend fabriziert werden, ist
mir nicht klar; es muß viel, sehr viel Spekulation dabei sein, da,
sobald die Baumwolle im Juli den niedrigsten Punkt erreicht hatte und
die Spinner sich mit rohem Material zu versehen anfingen, sofort alle
Spinner und Weber auf lange Zeit in Kontrakt genommen wurden von
hiesigen Kommissionshäusern, die lange nicht auf alle die Ware
Bestellung hatten, die sie beim Fabrikanten bestellten. Bei den
ostindischen Häusern ist offenbar das alte Vorschußsystem wieder in
vollem Zuge, bei ein paar ist es schon ans Tageslicht gekommen, bei
anderen wird’s früher oder später einen heiteren Crash geben. Da die
Fabrikanten hier auf Mord und Brand arbeiten, und seit 1847 die hiesige
Produktionskraft, besonders 5 bis 20 Meilen um Manchester, sich
wenigstens um 30 Prozent vermehrt hat (sie war 1842 30 000, 1845 40 000,
jetzt gewiß 50 000 bis 60 000 Pferdekraft für Lancashire), so braucht
dies flotte Arbeiten nur noch bis März oder April fortzugehen, und wir
haben eine Überproduktion, die Dir Freude machen wird ....

Die Russen beziehen in diesem Moment fast kein Pfund Twist mehr von
England, sehr wenig fertige Baumwollwaren, sehr viel rohe Baumwolle –
2000 bis 3000 Ballen pro Woche, und trotzdem daß der Zoll von 7^0 auf
5^0 pro Pfund für Garn herabgesetzt ist, entstehen noch täglich neue
Spinnereien. Nikolas scheint endlich Angst vor dieser Industrie zu
bekommen und will den Zoll noch mehr heruntersetzen. Da aber all sein
reicher Adel und alle Bourgeois in diesem Geschäft interessiert sind, so
kann diese Geschichte ernstlich werden, wenn er darauf besteht.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Tragweite.

   [2] Halbpächter.

   [3] Sie werden Kalifornien gründlich schlagen.

   [4] Anständigen Leute.

   [5] Aristokratie der Gauner.

   [6] Überladen.


                                  115

                                    28 Deanstreet, 23. September 1851.

Lieber Engels!

Mit dem Pariser Dokument, das ist sehr dumm. Die Deutsche Zeitung,
Kölnische und Augsburger, schieben’s uns, wie sich von diesen
kritiklosen Hunden erwarten läßt, in den Hals. Andererseits verbreitet
der elende Willich _et Co._, wir hätten das Zeug in Paris durch Bekannte
von uns denunzieren lassen. _Qu’en dis-tu?_[1]

K. Schramm ist auch eingesteckt. _Habeat sibi._[2] Das nächste Mal –
nach Einziehung noch einiger Nachrichten – schreibe ich Dir weiter über
den hiesigen Sumpf. Für heute wirst Du regaliert mit folgendem Resümee
eines mehrspaltigen Manifestes des Bürgers Techow in der New Yorker
Staatszeitung, benamset: „_Umrisse des kommenden Krieges. London, 3.
August._“ (Schlecht, doktrinär geschrieben, allerlei Reminiszenzen aus
unserer Revue und scheinbar verständig entwickelt, aber Inhalt platt,
keine Bewegung in der Form, nichts Schlagendes.) Ich schenke Dir, was
Techow zunächst über die Revolution von 1849 rezitiert. Er zieht sich
daraus zunächst folgende allgemeine Nutzanwendungen:

1. Gegen die Gewalt gibt es keinen anderen Widerstand als die Gewalt.

2. Die Revolution kann nur dann siegen, wenn sie allgemein wird, das
heißt wenn sie in den großen Zentren der Bewegung zündet ([unlesbar]
Pfalz, Baden) und wenn sie ferner nicht der Ausdruck einer _einzelnen
Oppositionsfraktion_ ist. (Beispiel: Juni-Insurrektion von 1848.)

3. Die Nationalkämpfe können zu keiner Entscheidung führen, weil sie
vereinzeln.

4. Die Barrikadenkämpfe haben keine andere Bedeutung, als den Widerstand
einer Bevölkerung zu signalisieren, diesem Widerstand gegenüber die
Gewalt der Regierungen, das heißt die Gesinnungen der Truppen auf die
Probe zu stellen. Wie diese Probe auch ausfallen möge, Organisation für
den Krieg, Aufstellung disziplinierter Armeen bleibt immer die erste und
wichtigste Maßregel der Revolution. Denn nur durch diese ist die
Offensive möglich, und nur in der Offensive liegt der Sieg.

5. Konstituierende Landesversammlungen sind nicht imstande, für den
Krieg zu organisieren. _Sie verlieren ihre Zeit stets an Fragen der
inneren Politik_, für deren _Lösung die Zeit_ erst _nach dem Siege_
gekommen ist.

6. Um für den Krieg organisieren zu können, muß die Revolution Raum und
Zeit gewinnen. Sie muß daher politisch angreifen, das heißt soviel wie
möglich Länderstrecken in ihren Bereich ziehen, weil sie militärisch im
Anfang stets auf die Defensive beschränkt ist.

7. Die Organisation für den Krieg kann in dem republikanischen Lager so
gut wie in dem royalistischen nur basiert sein auf Zwang. Mit
politischer Begeisterung und mit phantastisch aufgeputzten Freischaren
ist gegen Disziplin und gut geführte Soldaten noch nie eine offene
Feldschlacht gewonnen worden. Die militärische Begeisterung stellt sich
erst nach einer Reihe von Erfolgen ein. – Für diese Erfolge gibt es im
Anfang keine bessere Grundlage als eiserne Strenge der Disziplin. Mehr
noch als in der inneren Organisation des Landes können demokratische
Grundsätze in den Armeen erst nach dem Siege der Revolution zur
Anwendung kommen.

8. Der kommende Krieg ist seiner Natur nach ein Vernichtungskrieg –
Völker oder Fürsten. Folgt daraus die Anerkennung der politischen und
militärischen Solidarität aller Völker, das heißt der Intervention.

9. Das Gebiet der kommenden Revolution liegt räumlich in denselben
Grenzen wie das der besiegten: Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn,
Polen.

Folgt aus allem: Die Frage der kommenden Revolution ist gleichbedeutend
mit der eines europäischen Krieges. Gegenstand des Krieges: Ob Europa
kosakisch oder republikanisch. Schauplatz des Krieges – die alten:
Oberitalien und Deutschland. Herr Techow zählt nun auf: 1. Die
Streitkräfte der Konterrevolution; 2. die Streitkräfte der Revolution.

I. _Streitkräfte der Konterrevolution._

1. _Rußland._ Gesetzt, es könne seine Streitkraft auf 300 000 bringen,
das wäre sehr viel. In welcher Zeit und wie stark kann es dann am Rhein
und in Italien erscheinen? Im besten Falle in zwei Monaten. Mindestens
ein Drittel Abgang für Kranke und Besatzung der Etappenstraßen. Bleiben
200 000 Mann, die in zwei Monaten nach Ausbruch der Bewegung auf den
entscheidenden Punkten des Kriegsschauplatzes erscheinen.

2. _Österreich._ Berechnet den Stand seiner Armee auf 600 000 Mann.
Brauchte 1848 und 49 in Italien 150 000 Mann. Diese Zahl verlangt
Radetzky auch jetzt in Friedenszeiten. In Ungarn braucht es jetzt im
Frieden 200 000 Mann. Im letzten Kriege reichten 200 000 Mann nicht aus.
Ein Drittel dieser Armee besteht aus Ungarn und Italienern, die abfallen
werden. Im besten Falle, wenn der Aufstand in Ungarn und Italien nicht
gleichzeitig ausbricht, kann es – durch allerlei Barrikadenkämpfe
aufgehalten – in 6 Wochen mit 50 000 Mann am Rhein erscheinen.

3. _Preußen._ Zählt 500 000 Mann, inklusive der Ersatzbataillone und der
Landwehr des ersten Aufgebots, die nicht mit ins Feld rücken. Für die
Operation im Felde 300 000 Mann: Halb Linie, halb Landwehr.
Mobilisierung: 14 Tage bis 3 Wochen. Das Offizierkorps in der
preußischen Armee aristokratisch, die Unteroffiziere bureaukratisch, die
Masse „durchaus demokratisch“. Fernere Chance hat die Revolution in der
Mobilisierung der Landwehr. Desorganisation des preußischen Heeres durch
die Revolution, deren der König nur unter Schutz der russischen Armee so
weit Herr wird, um mit den Russen die Trümmer seines Heeres gegen die
Rebellen zu führen. Rheinprovinz, Westfalen, Sachsen für ihn verloren,
so die wichtigsten Festungslinien und mindestens ein Drittel seiner
Armee. Ein Drittel braucht er gegen die Aufstände in Berlin, Breslau,
Provinz Posen und Westpreußen. Bleiben höchstens 100 000, die nicht
früher als die Russen selbst auf dem Kampfplatz erscheinen können.

4. _Die deutsche Bundesarmee._ Das badische, schleswig-holsteinsche, das
kurhessische und die pfälzischen Regimenter gehören der Revolution. Nur
Trümmer der deutschen Bundesarmee werden, dem Flehen der Fürsten
folgend, die Heere der Reaktion verstärken. Ohne militärische Bedeutung.

5. _Italien._ Die einzige militärische Macht von Italien, das
sardinische Heer, gehört der Revolution.

Also Summa Summarum:

   Kriegsschauplatz in              150 000  Russen                     
      Deutschland:                                                      
                                    100 000  Preußen                    
                                     50 000  Österreicher  300 000  Mann
   Kriegsschauplatz in Italien:     150 000  Österreicher               
                                     50 000  Russen        200 000  Mann
                                                           -------------
                                                   Fazit:  500 000  Mann

II. _Streitkräfte der Revolution._

1. _Frankreich._ 500 000 Mann schon in dem ersten Moment der Revolution
zur Verfügung. Davon 200 000 am Rhein, 100 000 in Italien (Ober-)
sichern der Revolution in Italien und Deutschland Raum und Zeit zu ihrer
Organisation.

2. _Preußen._      50 000 } nämlich die Hälfte der abgefallenen
                          }         Armee organisiert.
3. _Österreich._  100 000 }

4. Kleine deutsche Armee: 100 000.

Macht dann folgende Rechnung:

            _Aktive französische Armee_        300 000  Mann
            _Deutsches Revolutionsheer_        150 000   "  
            _Italien und Ungarn_               200 000   "  
                                               -------------
                                               650 000  Mann

Also: Revolution führt 650 000 Mann gegen 500 000 Mann des Absolutismus.

Er schließt damit:

„Welche nationalen, welche prinzipiellen Verschiedenheiten die große
Partei der Revolution immerhin spalten mögen – wir alle haben gelernt,
daß zur Bekämpfung dieser verschiedenen Ansichten untereinander die
Stunde erst nach dem Siege gekommen ist“ usw.

Was meinst Du von dieser Berechnung?

Techow setzt voraus, daß die Desorganisation auf Seite der regulären
Armee und die Organisation auf Seite der revolutionären Streitkräfte
sich befinden wird. Das bildet die Basis seiner Rechnung. Doch Du wirst
besser über diese Statistik urteilen können als ich.

Was aber die eigentlich politische Tendenz dieses Aufsatzes ist, die in
der Ausführung noch klarer durchblickt, so ist sie die: Es bricht gar
keine Revolution aus, das heißt kein Parteikampf, kein Bürgerkrieg, kein
Klassenzwist, bis nach _Beendigung des Krieges_ und dem Sturze Rußlands.
Um aber diese Armee für den Krieg zu organisieren, da bedarf es der
_Gewalt_. Und woher soll die _Gewalt kommen_? Vom General Cavaignac oder
einem ähnlichen militärischen Diktator in Frankreich, der seine Generale
in Deutschland und Oberitalien hat. _Voilà la solution_,[3] die nicht
sehr weit von Willichs Ideen abliegt. Der Weltkrieg, das heißt, im Sinne
des revolutionären preußischen Leutnants, die Herrschaft wenigstens
provisorisch des Militärs über das Zivil. Wie aber ein General
_quelconque_,[4] und stände der alte Napoleon selbst aus dem Grabe,
nicht nur die Mittel, sondern auch diesen Einfluß erhalten soll, ohne
vorhergehende und gleichzeitige _innere_ Kämpfe, ohne die verdammte
„innere Politik“, darüber schweigt das Orakel. Wenigstens der fromme
Wunsch des künftigen Weltkrieglers, der seinen angemessenen politischen
Ausdruck exakt findet in den klassenlosen Politikern und Demokraten als
solchen, ist rein herausgesagt.

Lebe wohl!

                                                            Dein K. M.

Soeben habe ich Deinen Brief erhalten, was ich hier noch anzeige.

_NB._ Du weißt doch, daß der Stechan oder Steckhahn in Hannover
verhaftet war und, ehe er in unsere Verbindung trat, mit dem Komitee
Schapper usw. in Korrespondenz stand. Nun sind zwei Briefe, die er an
den Sekretär Dietz dieses Komitees schrieb und die dieser erhalten
hatte, jetzt befindlich auf dem Bureau des Polizeiinspektors in
Hannover. Ulmer war nun von uns beauftragt, Herrn Dietz und Komp.
darüber zu interpellieren nächsten Freitag in der öffentlichen Sitzung
des Flüchtlings- oder Emigrationsvereins. Wir haben wieder Konterorder
gegeben. Stechan ist durchgebrannt. Also auf dem Wege nach London oder
schon hier. Und wer bürgt uns dafür, daß Stechan nicht zu unseren
Feinden geht, statt zu uns?

Deine Handelsnachrichten haben mich äußerst interessiert.

Was den K. Schramm angeht, so hatte er von mir ein kurzes
Legitimationsschreiben, eingetragen in seine Brieftasche. Diese Zeilen
könnten zum Uriasbrief an ihm geworden sein.

Addio!

----------

   [1] Was sagst Du dazu?

   [2] Gehab’ es ihm wohl.

   [3] Dies die Lösung.

   [4] Irgendwelcher, xbeliebiger.


                                  116

                                                   25. September 1851.

Lieber Marx!

Dein Brief ist eingetroffen. Über Techows Gelehrsamkeit morgen. Kinkels
Bettelbrief nach New Orleans ist sehr reizend, leider habe ich ihn auch
bloß französisch zu Gesicht bekommen. Herr Stechan muß auch jetzt in
London sein, es ist sehr recht, daß Du den Kerl laufen läßt, wenn er
sich nicht meldet, und wartest, was geschieht, ehe Du jemand seine
Partei nehmen läßt. Unter den in Paris Freigelassenen, von denen die
heutigen Blätter sprachen, wird sich wohl auch Herr Konrad Schramm
befinden. Die Dummheit der deutschen Zeitungen, uns das alberne
W[illich]sche Aktenstück in die Schuhe zu schieben, hat mich ebenfalls
sehr geärgert. Es wird sich indes sehr bald herausstellen, daß wir mit
dieser elenden Schmiere nichts zu tun haben. _Par dieu, nous en avons
assez sur les bras_[1] mit den Aktenstücken anderer Leute, nach Stil und
Gehalt. Inliegend Artikel Nr. 3 für New York, jedenfalls etwas weniger
Schund als Nr. 2. Nr. 4. wird bald in Angriff genommen.

Du könntest mir von Zeit zu Zeit amerikanische Blätter _sous bande_[2]
zuschicken, man sieht den Dreck stellenweise ganz gern einmal _in
natura_. Ich werde Dir _ad hoc_[3] nächstens wieder ein Lot Stamps[4]
schicken.

Adieu!

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Bei Gott, wir haben genug auf uns.

   [2] Unter Kreuzband.

   [3] Zu diesem Zweck.

   [4] Anzahl Briefmarken.


                                  117

                       [Undatiert. Wahrscheinlich 26. September 1851.]

Lieber Marx!

Was die Techowsche Kriegsgeschichte angeht, so ist sie auch militärisch
ungeheuer flach und stellenweise direkt falsch. Abgesehen von den tiefen
Wahrheiten, daß gegen die Gewalt nur die Gewalt hilft, von den
abgeschmackten Entdeckungen, daß die Revolution nur dann siegen kann,
wenn sie allgemein ist (also wörtlich, wenn sie gar keinen Widerstand
findet, und dem Sinne nach, wenn sie eine Bourgeoisrevolution ist),
abgesehen von der wohlmeinenden Absicht, die fatale „innere Politik“,
die eigentliche Revolution also, durch einen bis jetzt, trotz Cavaignac
und Willich, noch nicht entdeckten Militärdiktator zu erdrücken, und
abgesehen von dieser sehr bezeichnenden politischen Formulierung der
Ansicht dieser Herren über die Revolution, ist militärisch zu bemerken:

Die eiserne Disziplin, die allein den Sieg verschaffen kann, ist genau
die Kehrseite der „Vertagung der inneren Politik“ und der
Militärdiktatur. Wo soll diese Disziplin herkommen? Die Herren sollten
doch in Baden und der Pfalz einige Erfahrungen gemacht haben. Es ist
eine evidente Tatsache, daß die Desorganisation der Armeen und die
gänzliche Lösung der Disziplin sowohl Bedingung wie Resultat jeder
bisher siegreichen Revolution war. Frankreich brauchte von 1789 bis
1792, um nur eine Armee von zirka 60 000 bis 80 000 Mann – die
Dumouriezsche – wieder zu organisieren, und selbst die zerfiel wieder,
und es gab sozusagen keine organisierte Armee in Frankreich bis Ende
1793. Ungarn brauchte von März 1848 bis Mitte 1849, ehe es eine
ordentlich organisierte Armee hatte. Und wer brachte in der ersten
französischen Revolution die Disziplin in die Armee? Nicht die Generäle,
die erst nach einigen Siegen in einer Revolution, bei improvisierten
Armeen Einfluß und Autorität bekommen, sondern die _terreur_[1] der
inneren Politik, der Zivilgewalt.

Streitkräfte der Koalition: 1. Rußland. Die Annahme von 300 000 Mann
Effektivtruppen, von denen 200 000 unter Gewehr auf dem
Kriegsschauplatz, ist hoch. _Passe encore._[2] Aber in zwei Monaten
können sie weder am Rhein (allenfalls die Avantgarde am Niederrhein, bei
Köln) noch in Oberitalien sein. Um gleichzeitig agieren zu können, sich
mit Preußen, Österreich usw. gehörig zu dislozieren, gehen drei Monate
hin – eine russische Armee marschiert nicht über 2 bis 2-1/2 deutsche
Meilen den Tag und ruht jeden dritten [Tag]. Es dauerte fast zwei
Monate, bis sie in Ungarn auf dem Kriegsschauplatz erschienen.

2. Preußen. Mobilisierung: mindestens vier bis sechs Wochen. Die
Spekulationen auf Abfallen, Aufstände usw. sehr riskiert. Kann im besten
Falle doch 150 000 Mann, im schlechtesten aber vielleicht nicht 50 000
disponibel machen. Da mit ein Drittel und ein Viertel zu rechnen, ist
reiner Humbug, es kommt alles auf Zufälligkeiten an.

3. Österreich. Ebenso _chanceux_,[3] noch vertuckter.
Wahrscheinlichkeitsrechnung _à la_ Techow hier außer aller Möglichkeit.
Im besten Falle stellt es, wie Techow angibt, vielleicht 200 000 Mann
gegen Frankreich, im schlechtesten kommt es nicht dazu, einen Mann zu
detachieren, und kann den Franzosen vielleicht 100 000 _höchstens_ bei
Triest entgegenstellen.

4. Bundesarmee – die bayerische geht gewiß zu zwei Dritteln gegen die
Revolution, und hier und da auch noch ein Stück. Mit drei Monat Zeit
läßt sich allenfalls ein Korps von 30 000 bis 50 000 Mann daraus bilden,
und gegen Revolutionssoldaten sind sie im Anfang gut genug.

5. Dänemark stellt gleich 40 000 bis 50 000 Mann gute Soldaten ins Feld,
und wie 1813 werden die Schweden und auch die Norweger mit müssen auf
den großen Kreuzzug. Techow denkt daran nicht, auch nicht an Belgien und
Holland.

Streitkräfte der Revolution. 1. Frankreich. Hat 430 000 Mann unter den
Waffen. Davon 100 000 in Algier. 90 000 nicht _présent sous les
armes_[4] – ein Viertel des Restes. Bleiben 240 000 – von denen in
vier bis sechs Wochen, trotz der jetzt bedeutend vervollständigten
Eisenbahnen, nicht über 100 000 Mann an der belgisch-deutschen und
80 000 Mann an der savoyisch-piemontesischen Grenze erscheinen können.
Sardinien wird diesmal versuchen, wie Belgien 1848, den Fels im Meere zu
spielen; ob daher das piemontesische Heer, ohnehin voll sardinischer
bigotter Bauernjungen – wenigstens in seiner jetzigen Gestalt mit
aristokratischen Offizieren –, der Revolution so sicher ist, als Techow
sich einbildet, ist sehr die Frage. Viktor Emanuel hat sich Leopold zum
Muster genommen, _c’est dangereux_[5].

2. Preußen –? 3. Österreich –? das heißt, was regelmäßige,
organisierte Soldaten angeht. Was Freischaren angeht, so werden sich
ihrer Legion melden, natürlich zu nichts zu brauchen. Wenn in den ersten
Monaten aus den abgefallenen Truppen 50 000 bis 60 000 brauchbare
Soldaten zu machen sind, so ist das viel. Wo sollen in so kurzer Zeit
die Offiziere herkommen?

Nach alledem ist es wahrscheinlicher, da gerade das, was Napoleon die
rasche Formierung riesiger Armeen möglich machte, gute Kaders nämlich,
in jeder Revolution notwendig fehlen (selbst in Frankreich), daß die
Revolution, wenn sie im nächsten Jahre zustande kommt, vor der Hand
entweder auf der Defensive bleiben oder sich auf hohle Proklamation von
Paris aus und sehr ungenügende, blamable und schädliche
_Risquons-tout_[6]-Expeditionen in größerem Maßstabe beschränken muß. Es
sei denn, daß die Rheinfestungen im ersten Sturm übergehen und daß das
piemontesische Heer dem Aufruf des Bürgers Techow folgt; oder daß die
Desorganisation der preußischen und österreichischen Truppen sofort
Berlin und Wien zu Zentren erhält, und dadurch Rußland auf die Defensive
versetzt; oder daß sonst Geschichten passieren, die sich nicht
vorhersehen lassen. Und darauf _à la_ Techow zu spekulieren und
wahrscheinlichkeitszurechnen ist müßig und willkürlich, wie ich das in
meinen eigenen Experimenten hinlänglich gesehen habe. Es läßt sich da
bloß sagen, daß von der Rheinprovinz enorm viel abhängt.

                                                 [Unterschrift fehlt.]

----------

   [1] Schrecken.

   [2] Mag noch hingehen.

   [3] Ungewiß.

   [4] Unter den Waffen anwesend.

   [5] Das ist gefährlich.

   [6] Der Name eines Fleckens in Belgien. [Setzen wir alles aufs
   Spiel.]


                                  118

                                      28 Deanstreet, 13. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Weydemeyer ist am 29. September von Havre nach New York abgesegelt. Er
traf daselbst Reich, der auch über See ging nach den Atlanticis. Reich
war mit Schramm verhaftet worden und berichtet, daß die Polizei bei
Schramm eine Kopie des Protokolls fand, worin sich die Verhandlungen
befinden, die sein Duell mit Willich veranlaßten, das Protokoll
desselben Abends, wo er Willich insultierte und aus der Sitzung lief.
Die Sache ist von seiner Hand geschrieben und ohne Unterschrift. Die
Polizei fand so heraus, daß er Schramm heißt und nicht „Bamberger“, auf
dessen Paß er sich in Paris aufhielt. Andererseits hat das Protokoll zur
Verwirrung des Herrn Stadthauptmann Weiß und Kompanie beigetragen, indem
unsere Namen so in den Dreck verwickelt worden. Da Schramm einmal diese
Dummheit begangen, ist es wenigstens erfreulich, daß der Ehrenmann
direkt dafür gezüchtigt wird.

Kinkel hat also die von Amerika gesandten 160 Pfund dazu verwandt, um
mit seinem Retter Schurz persönlich nach Amerika kollektieren zu gehen.
Ob er gerade in diesem Augenblick der _pressure on the american
money-market_[1] zur rechten Zeit kommt, scheint zweifelhaft. Er wählte
den Moment so, daß er _vor_ Kossuth eintraf, und schmeichelt sich,
letzteren bei irgend einer Gelegenheit im Lande der Zukunft öffentlich
zu umarmen und in allen Zeitungen drucken zu lassen: Kossuth und Kinkel!

Herr Heinzen hat, durch seine Sklavenemanzipationsheulereien
unterstützt, eine neue Aktiengesellschaft in New York zustande gebracht
und führt sein Blatt unter etwas verändertem Titel fort.

Stechan – traue keinem Straubinger nicht – befindet sich seit mehreren
Wochen hier im Gefolge von Willich-Schapper. Während das Faktum besteht,
daß seine an den Dietz geschriebenen Briefe zu Hannover auf der Polizei
liegen, schreibt Stechan eine Korrespondenz in die Norddeutsche Zeitung,
worin er meldet, Herrn Dietz sei das Pult erbrochen (_quelle
bêtise!_[2]) und so die Briefe entwendet worden. Der Spion sei, wie
jetzt konstatiert, der seit langem im Dienste der Polizei befindliche
Haupt aus Hamburg. Welch Glück, daß ich vor einigen Wochen jeden
öffentlichen Schritt in der Angelegenheit Dietz-Stechan verhindert habe.
Was den Haupt betrifft, so habe ich nichts mehr von ihm gehört und sinne
vergebens auf ein Mittel, einen Brief in seine Hände zu spedieren, denn
Haupt muß sich erklären. Mit Weerth habe ich’s schon einmal versucht,
aber die Hausleute Haupts haben ihn immer abgewiesen unter dem Vorwand,
er sei abwesend. _Que penses-tu de_[3] Haupt? Ich bin überzeugt, daß er
weder Spion ist, _noch jemals Spion war_.

Edgar Bauer soll auch hier sein. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Vor
einer Woche traf Blind hier mit Gattin (Madam Cohen) ein zum Besuch der
Exhibition, ist vergangenen Sonntag wieder abgereist. Ich habe ihn seit
Montag nicht wiedergesehen, und zwar durch folgenden abgeschmackten
Vorfall, der Dir beweist, wie sehr der Unglückliche unter dem Pantoffel
steht. Heute erhielt ich einen Stadtbrief, worin er mir seine Abreise
anzeigt. Am vergangenen Montag nämlich war er bei mir mit Gattin.
Außerdem anwesend Freiligrath, roter Wolff (der sich nebenbei bemerkt
ganz stille wieder herangeschlichen und zudem noch mit einem englischen
Blaustrumpf verheiratet hat), Liebknecht und der unglückliche Pieper.
Die Frau ist eine lebhafte Jüdin, und wir lachten und schwatzten ganz
lustiglich, als der Vater aller Lügen die Sprache auf Religion brachte.
Sie renommierte mit Atheismus, Feuerbach usw. Ich griff Feuerbach nun
an, aber natürlich sehr manierlich und freundlichst. Im Anfang schien
mir die Jüdin Spaß an der Diskussion zu haben, und das war natürlich der
einzige Grund, warum ich mich auf dieses mir ennuyante Thema einließ.
Dazwischen orakelte mein doktrinär-naseweises Echo, Herr Pieper,
allerdings gerade nicht sehr taktvoll. Plötzlich sehe ich, daß die Frau
in Tränen schwimmt. Blind wirft mir melancholisch vorwurfsvolle Blicke
zu, sie bricht auf – und ward nicht mehr gesehen, _ni lui non plus_.[4]
Solch Abenteuer habe ich in meiner langen Praxis noch nicht erlebt.

Pieper ist abgesegelt nach dem Hause Rothschild nach Frankfurt a. M. Er
hat sich die sehr unangenehme Manier angewöhnt, wenn ich mit jemandem
diskutiere, sich in sehr albern schulmeisterlichem Tone einzumischen.

Der Ehren-Göhringer hat mir eine _summons_ [Zahlungsforderung] auf den
22. dieses Monats geschickt wegen der alten Forderung. Gleichzeitig ist
der große Mann nach Southampton gereist, um Kossuth zu empfangen. Es
scheint, daß ich die Empfangsfeierlichkeiten zahlen soll.

Ich habe aus Paris zwei Briefe erhalten, einen von Ewerbeck und einen
von Sassonoff. Herr Ewerbeck gibt ein unsterbliches Werk heraus:
_L’Allemagne et les Allemands_.[5] Erstreckt sich von Arminius dem
Cherusker (so schreibt er mir wörtlich) bis auf das Jahr des Herrn 1850.
Er verlangt von mir biographisch-literarhistorische Notizen über die
drei Männer: Friedrich Engels, Karl Marx und Bruno Bauer. Die
Schmiererei hat schon begonnen mit dem Drucke. _Que faire!_[6] Ich
fürchte, wenn man dem Kerl gar nicht antwortet, bringt er den größten
Unsinn über uns in die Welt. Schreibe mir, was Du davon denkst.

An Sassonoffs Brief ist jedenfalls das Interessanteste das Datum
„Paris“. Wie kommt Sassonoff in diesem diffizilen Augenblick nach Paris?
Ich werde ihn um Aufschluß über dies _mystère_ bitten. Er räsoniert
seinerseits sehr über Dronke, der ein _fainéant_ [Nichtstuer] sei und
sich von einigen Bourgeois „_enjôler_“[7] lasse. Er habe die Hälfte des
Manifestes übersetzt. Dronke habe sich zur Übersetzung der anderen
Hälfte verpflichtet. Durch seine gewöhnliche Nachlässigkeit und Faulheit
sei aus dem Ganzen nichts geworden. Letztere Sache sieht unserem Dronke
allerdings ähnlich, wie ein Ei dem anderen. Nachdem Herr Campe meine
Anerbietung zu der Broschüre gegen Proudhon, Herr Cotta und später
Löwenthal die (durch Ebner in Frankfurt vermittelte) wegen meiner
Ökonomie ausgeschlagen, scheint sich endlich für letztere eine Aussicht
zu eröffnen. In einer Woche werde ich wissen, ob sie sich realisiert. Es
ist ein Buchhändler in Dessau, auch durch Ebner vermittelt. Dieser Ebner
ist ein Freund von Freiligrath.

Von der Tribune habe ich noch keinen Brief erhalten, sie auch noch nicht
zu Gesicht bekommen, zweifle aber nicht, daß die Sache ihren Fortgang
hat. Jedenfalls muß sich das in einigen Tagen aufklären.

Du mußt mir übrigens endlich Deine _vues_[8] über Proudhon, wenn noch so
kurz, mitteilen. Sie interessieren mich um so mehr, als ich jetzt in der
Ausarbeitung der Ökonomie begriffen bin. Ich habe übrigens in der
letzten Zeit auf der Bibliothek, die ich fortbesuche, hauptsächlich
Technologie, die Geschichte derselben, und Agronomie geochst, um
wenigstens eine Art Anschauung von dem Zeug zu bekommen.

_Qu’est ce que fait la crise commerciale?_[9] Der Economist enthält
Tröstungen, Beteuerungen und Ansprachen, die den Krisen regelmäßig
vorausgehen. Man fühlt indessen seine Furcht, während er den anderen die
Furcht auszuschwatzen sucht. Wenn Dir folgendes Buch in die Hände fällt:
Johnston, _Notes on North America_, zwei Bände, 1851, so wirst Du
allerlei interessante Notizen darin finden. Dieser Johnston ist nämlich
der englische Liebig. Ein Atlas für physische Geographie von „Johnson“,
nicht mit dem obigen zu verwechseln, ist vielleicht in einer der
Buchbibliotheken Manchesters zu haben. Er enthält die Zusammenstellung
sämtlicher neueren und älteren Forschungen in diesem Gebiet. Kostet 10
Guineen. Also nicht für Private berechnet. Von dem _dear_ Harney
verlautet nichts. Er scheint noch immer in Schottland zu hausen.

Die Engländer geben zu, daß die Amerikaner den Preis in der
Industrieausstellung davongetragen und sie in allem besiegt haben. 1.
Gutta-percha. Neuer Stoff und neue Produktionen. 2. Waffen. Revolver. 3.
Maschinen. Mäh-, Säe- und Nähmaschinen. 4. Daguerreotyps zum erstenmal
im großen angewandt. 5. Schiffahrt mit ihrer Jacht. Endlich, um zu
zeigen, daß sie auch Luxusartikel liefern können, haben sie einen
kolossalen Klumpen kalifornisches Golderz ausgestellt und daneben ein
goldenes Service von Virgingold.

Salut.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Druck auf den amerikanischen Geldmarkt.

   [2] Welche Dummheit.

   [3] Was hältst Du von [Haupt]?

   [4] Ebensowenig er.

   [5] Deutschland und die Deutschen.

   [6] Was tun?

   [7] Beschwatzen.

   [8] Ansichten.

   [9] Was macht die Geschäftskrisis?


                                  119

                                           Mittwoch, 15. Oktober 1851.

Lieber Marx!

Inliegend Post Office Ordre für 2 Pfund. Partikulars wie früher. Die
Geschichte mit Göhringer ist sehr fatal, Du wirst zahlen müssen. Die
Gentlemen vom Country machen kurzen Prozeß, und die Handschrift ist auch
da. Ich würde an Deiner Stelle so rasch wie möglich das Geld nebst
Summonskosten auftreiben und dem Kerl zuschicken, _il n’y a rien à
faire_,[1] und in den Gerichtshof zu gehen und sich verdonnern lassen,
macht nur noch mehr Kosten und ist nicht zu angenehm. Wieviel beträgt
die Summe, und was kannst Du auftreiben? Schreibe mir möglichst genau
darüber, ich tue gewiß mein möglichstes, um Dir die _brokers_
[Gerichtsvollzieher] aus dem Hause zu halten, so knapp ich jetzt selbst
bin.

Was den Haupt angeht, so werde ich ihn nicht eher für einen Spion
halten, als bis ich Beweise davon in der Hand habe. Der Kerl mag im
Cachot Bevuen [Fehler] gemacht haben, und verdächtig ist allerdings die
Geschichte mit Daniels, der auf seine Denunziation hin verhaftet sein
soll. Aber dies Knotengeschwätz aus der Windmillstreet ist um so
alberner, als es zu gleicher Zeit mit der Erbrechung des Dietzschen
Pultes laut wird.

Die Geschichte mit Blind und Gattin ist allerdings noch nie dagewesen.
Tränen zu vergießen und durchzubrennen, weil Monsieur Pieper den
Feuerbach schlecht macht? _C’est fort._[2]

Gebrauchst Du das Wort „_verheiratet_“ vom roten Wolff im englischen,
solid bürgerlichen Sinne? Ich muß es fast glauben, da Du es
unterstreichst. Das wäre doch über alle Bäume erhaben. Mr. Wolff _bon
époux, peut-être même bon père de famille_![3]

Ich glaube, Du tust am besten, den Ewerbeck mit einigen mageren Notizen
abzuspeisen und ihn passablen Humors zu halten, es kann zu nichts
nützen, daß der Kerl in Frankreich gar zu großen Blödsinn über uns
verbreitet. Der Mensch hat übrigens eine Zähigkeit in seinen
Experimenten ein großer Mann zu werden, die unbegreiflich ist, da sie
sogar seinen Geiz überwindet, denn das neue „Unsterbliche“ geht doch
unzweifelhaft wieder auf eigene Kosten, mit Aussicht auf Absatz von 50
Exemplaren.

Von Sassonoff lasse mich weiteres hören, wenn Du von ihm hörst. Dies
Abenteuer ist pikant, und Mr. Sassonoff wird äußerst verdächtig.

Ich bin gerade dran, mir aus Proudhon die nötigen Zusammenstellungen zu
machen. Warte bis Ende dieser Woche, und Du erhältst ihn mit Glossen
zurück. Die Rechnungen des Kerls sind wieder kapital. Wo eine Zahl ist,
da ist auch ein Schnitzer.

Wie es hier mit der Krise gehen wird, ist noch nicht zu sagen. Vorige
Woche ist nichts gemacht worden wegen der Königin. Diese Woche auch noch
nicht viel. Der Markt hat aber eine _downward tendency_[4] bei noch
festen Preisen des Rohmaterials. In einigen Wochen wird beides bedeutend
heruntergehen, und wahrscheinlich, nach der jetzigen Aussicht, das
Industrieprodukt verhältnismäßig mehr als das Rohmaterial, der Spinner,
Weber, Drucker also wird mit geringerem Nutzen arbeiten müssen. Das ist
schon sehr verdächtig. Aber der amerikanische Markt droht auszugehen,
aus Deutschland sind die Berichte nicht übermäßig günstig, und wenn das
so fortgeht mit dem Absterben der Märkte, so können wir den Anfang des
Endes in ein paar Wochen erleben. In Amerika ist schwer zu sagen, ob die
_pressure_ und die Bankrotte (zusammen 16 Millionen Dollar Passiva)
schon wirklicher Anfang sind oder bloße Sturmvögel. Jedenfalls sind hier
schon sehr bedeutende Sturmvögel in Gang. Der _iron trade_[5] ist ganz
paralysiert, und zwei der ihn besonders mit Geld versehenden Banken –
die in Newport – sind kaputt; außer den neulichen _failures_[6] in
London und Liverpool jetzt ein Talgspekulant in Glasgow, und an der
Londoner Stockexchange Herr Thomas Alsopp, Freund von O’Connor und
Harney. Ich habe heute die Berichte aus den Woll-, Seiden- und
Metallwarendistrikten nicht gesehen, _cela ne sera pas trop brillant non
plus_.[7] Jedenfalls sind die Anzeichen jetzt gar nicht mehr zu
verkennen und die Aussicht, ja fast die Gewißheit vorhanden, daß die
kontinentalen Krämpfe des nächsten Frühjahrs mit einer ganz hübschen
Krise zusammenfallen. Selbst Australien scheint wenig tun zu können, das
Goldfinden ist seit Kalifornien alt und die Welt darüber blasiert. Es
fängt an, ein _regular trade_[8] zu werden, und die umliegenden Märkte
sind selbst so überführt, daß sie, ohne ihrem eigenen _glut_[9]
besonderen Abbruch zu tun, unter den 150 000 Neusüdwalesern einen extra
_glut_ zustande bringen können. –

                                                            Dein F. E.

Jones schickt mir ein Zirkular zu, er müsse noch 600 Subskribenten haben
oder kaputt gehen, _mais quo puis-je faire_?[10]

----------

   [1] Es ist nichts zu machen.

   [2] Das ist stark.

   [3] Guter Ehemann, vielleicht sogar guter Familienvater.

   [4] Tendenz nach unten.

   [5] Eisengeschäft.

   [6] Bankrotte, Zahlungseinstellungen.

   [7] Das wird auch nicht allzu glänzend sein.

   [8] Regelrechtes Gewerbe.

   [9] Überfüllung.

   [10] Aber was kann ich tun?


                                  120

                                28 Deanstreet, Soho, 19. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief von Dronke, worin dieser –
von wegen Ausweisung angeblich – seine Ankunft in London für den 23.
oder 24. dieses Monats ankündigt. Die Existenzfrage wird ihm hier näher
denn je auf den Leib rücken.

Eine noch fatalere Nachricht ist die: Ich führte seit letzter Zeit die
Korrespondenz mit Köln so, daß die Briefe an mich durch den
Eisenbahnkonduktor Schmidt nach Lüttich besorgt, ich andererseits, unter
einem Kuvert, ihm einen Brief nach Lüttich durch eine dritte Person
zuschickte. Dieser Schmidt ist nun verhaftet worden, dann freigegeben,
aber die Untersuchung dauert fort. In dieser Sache scheint direkter
Verrat im Spiele zu sein. Der Verabredung gemäß müßte Pieper übrigens
längst Nachricht aus Köln, wo Rothschilds sich einen Tag aufhielten, und
aus Frankfurt geschickt haben. Statt dessen ersehe ich aus einem Briefe
Ebners (aus Frankfurt) an Freiligrath, daß er, obgleich schon acht Tage
in Frankfurt, noch nicht bei Ebner war, dem er einen Brief von mir zu
überbringen hatte. Unser großes Pech ist, daß unsere Agenten höchst
nachlässig die Sache immer betreiben, und stets als Nebensache. Die
anderen sind unstreitig besser bedient. – –

Was nun den Ewerbeck betrifft, so mußt Du mir wenigstens bis zum Jahre
1845 die Dich betreffenden Notizen in etwelchen Zeilen niederschreiben.

Die plötzliche Schwenkung des Herrn Louis Bonaparte, welche Konsequenzen
sie auch haben mag, ist ein Meisterstreich Girardins. Du weißt, daß
dieser Herr sich in London mit Ledru-Rollin verbunden hatte, und sein
Blatt wurde eine Zeitlang auch wirklich so dumm, wie es von einem
Verbündeten Ledru-Rollins und Mazzinis zu erwarten steht. Unerwartet
machte er den Zug mit dem _suffrage universel_,[1] wozu er mittels
seiner Artikel, des Dr. Veron und persönlicher _entrevues_[2] den
Bonaparte bestimmt hat. Die royalistische Konspiration ist so gebrochen.
Die Wut des sonst so diplomatischen Journal des Débats beweist dies am
klarsten. Alles stand unter einer Decke, Faucher, Carlier, Changarnier
und selbst die edlen Berryer und Broglie, die scheinbar sich mit
Bonaparte ralliiert hatten. Jedenfalls ist jetzt die „Revolution“ – in
dem Sinne des Losgehens – eskamotiert. Mit dem _suffrage universel_ ist
nicht daran zu denken. Herr Girardin aber liebt die revolutionäre
Inszenesetzung nicht. Er hat die Royalisten und die Revolutionäre von
Fach gleichmäßig düpiert, und es ist sogar noch die Frage, ob er den
Louis Bonaparte nicht auch absichtlich düpiert. Denn der _suffrage
universel_ wieder eingesetzt, wer bürgt dem Bonaparte für die Revision,
und die Revision erreicht, wer bürgt ihm dafür, daß sie in seinem Sinne
ausfallen wird? Dennoch, bei der naturwüchsigen Dummheit der
französischen Bauern fragt es sich, ob der _Élu du suffrage
universel_[3] als Restaurateur dieses _suffrage_ nicht wieder gewählt
wird aus Dankbarkeit, namentlich wenn er _by and by_[4] liberale
Minister ernennt und durch geschickte Pamphlets alles Unheil auf die
konspirierenden Royalisten schiebt, die ihn gefangen gehalten während
drei Jahren. Es wird von seiner Geschicklichkeit abhängen. Bonaparte
weiß jetzt jedenfalls, daß ihm von der _parti de l’ordre_ kein Weizen
blüht.

Eines der komischsten Intermezzos in diesem Intrigenspiel ist die
melancholische Gebarung des National und des Siècle, die beide
bekanntlich seit geraumer Zeit für den _suffrage universel_ geheult
haben. Jetzt, wo Frankreich in Gefahr steht, es wieder geschenkt zu
erhalten, vermögen sie ihr Ressentiment [Verdruß] nicht zu verbergen.
Wie nämlich die Royalisten mit dem _suffrage restreint_[5] auf
Changarniers, hatten sie mit demselben auf Cavaignacs Wahl gerechnet.
Girardin sagt ihnen geradezu, er wisse, daß sie unter dem
republikanischen Abscheu vor der Revision – die dem Bonaparte Aussicht
auf Wiederwahl eröffne – nur ihren Haß gegen das _suffrage universel_
verbergen, das ihren Cavaignac und ihre ganze Koterie unmöglich mache.
Der arme National _s’était déjà consolé du départ du suffrage
universel_.[6]

Soviel ist sicher. Mit diesem Coup ist die Emeute für den Mai 1852
vereitelt. Höchstens könnte sie jetzt früher ausbrechen, wenn eine von
den herrschenden Koterien einen _coup d’état_[7] versuchte.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Allgemeines Stimmrecht.

   [2] Zusammenkünfte.

   [3] Erwählte des allgemeinen Stimmrechts.

   [4] Nach und nach.

   [5] Beschränktes [Zensus-]Stimmrecht.

   [6] Hatte sich bereits über den Hingang des allgemeinen Stimmrechts
   getröstet.

   [7] Staatsstreich.


                                  121

                                                     25. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Du hast doch meinen Brief vom vorigen Montag erhalten? Bei Deiner großen
Exaktheit im Schreiben beunruhigt mich Dein Stillschweigen.

Von Pieper habe ich bis auf diesen Moment noch nichts gehört. Wenn ihm
nichts passiert ist, ist er unverzeihlich leichtsinnig. Dronke ist noch
nicht angekommen. Von Köln nichts gehört.

Einliegend ein Brief von Fischer, der als rechter demokratischer
Philister schreibt. Einstweilen, _il faut le laisser faire_,[1] da
nichts mehr zu ändern ist. Wenn er nur keine Dummheiten dem Kinkel
gegenüber begeht. Sein Brief scheint darauf hinzudeuten.

Also, wie wir jetzt erfahren, Kinkel hatte es folgendermaßen angelegt.
Von den 160 Pfund wurde Schurz auf geheime Mission geschickt nach
Belgien, Frankreich und der Schweiz. Er hat dort sämtliche großen
Männer, bis auf die Reichsversammler (den _late_[2] Raveaux nicht
ausgenommen), den Kinkel bevollmächtigen und sie zugleich die auf die
künftige deutsche Republik zu kontrahierende Schuld garantieren lassen.
Die große Masse ist jetzt also vereinigt, und E. Meyen konnte in der New
Yorker Staatszeitung das große Geheimnis promulgieren, daß jetzt der
Sinn der künftigen Bewegung in Deutschland aufgefunden sei, nämlich das
Prinzip des Volkstums. So dumm, wie dieser Mensch jetzt schreibt,
schrieb er selbst in seinen blühendsten Zeiten nicht. Die Kerls sind
geistig völlig bankrott. Addio!

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Muß man ihn gewähren lassen.

   [2] Verflossen, weiland.


                                  122

                                            Nach dem 26. Oktober 1851.

Lieber Marx!

Wenn ich Dir nicht gleich auf Deinen Brief vom 19. antwortete, so
geschah es, weil ich Weerth in einigen Tagen hier erwartete und wegen
Haupt die Sachen abmachen wollte; und weil ich den Proudhon ebenfalls
abschließen wollte. Letzteres wird heute und morgen abend geschehen, und
Weerth war Samstag und Sonntag hier, er wird noch einige Zeit in
Bradford bleiben, kann also selbst keinen Brief hinnehmen und weigerte
sich auch eventuell es zu tun, da die Verhältnisse in Deutschland jetzt
so brillant seien, daß man ohne weiteres bei der geringsten Veranlassung
abgefaßt werde und er keine Lust hat, in diese Bundesgeschichte
irgendwie verwickelt zu werden. Dies ist ihm _au fond_[1] nicht
übelzunehmen. Er will mir indes einen Brief sicher an H[aupt] besorgen
und verlangt nur, daß er ganz aus der Sache herausgelassen werde.
Außerdem erzählte er, daß er dem H[aupt] in der letzten Zeit mehrmals
begegnet und auf ihn zugegangen sei, daß dieser ihm aber jedesmal mit
großer Verlegenheit plötzlich ausgewichen und durchgebrannt sei. Möglich
wäre es, daß H[aupt] von seiner Familie usw. im Cachot etwas
breitgeschlagen wäre und einige Geständnisse gemacht hätte, die ihm
jetzt schwer auf dem Herzen liegen. Sonst meint Weerth auch, daß diese
anderen Willich-Stechanschen Geschichten reine Verleumdungen seien, da
H[aupt] gar keinen Grund haben könne, sich zu verkaufen.

Der Fischersche Brief ist allerdings das Dümmste, was mir seit langer
Zeit vorgekommen ist. Ich erwartete aber so etwas und glaube auch, daß
es bei seinen _Geldversprechungen_ sein Bewenden haben wird. Es ist von
demokratischen Eseln nicht zu verlangen, daß sie uns Geld schicken
sollen, wenn ihre eigenen Leute persönlich bei ihnen betteln, und das
Höchste, wozu sie zu kriegen sind, ist, wie Fischer selbst sagt, daß sie
uns eine Stimme in der Verwendung der Gelder geben wollen, wenn wir uns
dazu verstehen wollen, mit dergleichen Pack in einem Konklave zu sitzen
und noch dazu in einer Minorität. Der Pumpplan _à la_ Mazzini mit
Reichsgarantie (das Deutsche Reich garantiert die Republik!) ist gar so
übel nicht und hat jedenfalls die Gesamttätigkeit sämtlicher
Musterbettler zu seiner Erzeugung nötig gehabt. Seitdem diese Erfindung
zustande gebracht, wird unserer Partei nichts übrig bleiben, als sich
vom demokratischen Geldmarkt völlig zurückzuziehen. _This impudence
beats us hollow._[2] Die Gelder, die wir überhaupt von den Demokraten
für politische Zwecke erhalten haben, sind uns ohnehin bloß _per
abusum_[3] zugekommen, und seit die großen Männer selbst als _joint
stock company_[4] am Markt erschienen sind, hört diese Illusion
vollständig auf. Alle unsere Aufforderungen würden uns bloß _refus_[5]
und Blamagen zuziehen, es sei denn, daß es Weydemeyer gelingt, in New
York etwas auszurichten, und auch das würde bloß unter den Arbeitern
sein.

Weerth wird Dir dieser Tage schreiben. Er ist sehr unschlüssig, was er
anfangen soll. Er hat famose Offerten, aber sie konvenieren ihm alle
nicht recht.

Herr Kossuth ist wie der Apostel Paulus, alles für alle. In Marseille
schreit er _Vive la République_, in Southampton _God save the Queen_.
Welche merkwürdige, hyperkonstitutionelle Moderation paradiert der Kerl
jetzt. Es ist aber den Herren Pettie und der Clique Harney recht, daß er
ihr Bankett gar nicht besuchen will. Selbst Herr Mazzini würde sehr kühl
empfangen werden – wenigstens von dem Publikum. Wieder einer, in dem
man sich nicht getäuscht hat. Wie lange wird es übrigens dauern, wenn es
nächstes Jahr keine _secousses_[6] geben sollte, so sinkt Herr Kossuth
auch auf die Mazzinische ordinäre Brülldemagogie herab.

Morgen oder übermorgen den Proudhon. Ich werde Fischer womöglich die
Revue schicken, habe aber nur vom letzten Heft mehrere Exemplare. Kannst
Du mir Nr. 1 bis 4 noch verschaffen?

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Im Grunde.

   [2] Diese Unverschämtheit schlägt uns aus dem Felde.

   [3] Mißbräuchlicherweise.

   [4] Aktiengesellschaft.

   [5] Zurückweisungen.

   [6] Erschütterungen.


                                  123

                                                     26. Oktober 1851.

Lieber Engels!

Weerth wird morgen früh, also gleichzeitig mit diesem Wisch, unter der
Adresse Steinthal einen Brief von mir vorfinden, darin ein anderer an
Schneider II liegt, _den Ihr sofort besorgen müßt_. Die Sache ist von
der äußersten Wichtigkeit und keinen Augenblick aufzuschieben. Ich
ersuche Euch daher, nicht an Euer gewöhnliches Tagewerk zu gehen, bis
Ihr die Sache gelesen und expediert habt.

                                                            Dein K. M.


                                  124

                                                    24. November 1851.

Lieber Frederic!

Du begreifst, daß ich bei sehr brouilliertem [mißlichem] Familienwesen
erst jetzt einige Zeilen an Dich richte.

Du erinnerst Dich, daß der Pieper in seinem letzten Briefe schrieb, der
Kontrakt über meinen Anti-Proudhon sei dem Abschluß nahe. Aus seinem
einliegenden Briefe wirst Du ersehen, daß _dieses Manuskript_ gar nicht
mehr erwähnt wird. Das ist dieselbe Weise, worin unsere lieben Getreuen
mich seit sechs Monaten hinhalten. Andererseits hat Ebner mir
geschrieben, Löwenthal wolle den Versuch mit einem Bande machen,
erwähnte aber nicht, daß ich mit der „Geschichte der Ökonomie“ anfangen
solle. Dies wäre ein Umwerfen meines ganzen Planes. Ferner schrieb
Ebner, daß Löwenthal nur „niedrig“ zahlen könne. Dies lasse ich mir
gefallen, wenn er das herausgibt, was ich zunächst herausgeben will.
Zwingt er mich aber, meinen ganzen Plan zu verderben, so muß er mir auch
so zahlen, als wenn ich direkt in seinem Auftrag schriebe. Indes, ich
lasse einstweilen den Ebner gewähren. Er hat mir mitgeteilt, daß er
nicht abschließen wird ohne meine Genehmigung. _Qu’en penses-tu?_[1] –
–

Eccarius’ Bruder ist hier angekommen. Er und sämtliche übrige in Hamburg
inhaftierte Straubinger sind mit einem Laufpaß freigegeben worden. Daß
Haupt ursprünglich nicht die Absicht hatte, zu verraten, geht aus
folgendem hervor: Bürgers Brief an ihn fiel in die Hände seines Alten,
der ihn darüber zur Rede stellte und ihn der Polizei ausliefern wollte.
Letzteres verhinderte er, zerriß ihn und brachte nachher die Stücke
Eccarius usw., um sie erst zusammenzusetzen und zu lesen und dann in
deren Gegenwart zu verbrennen. Dieses Faktum ist wichtig. Der
Familiendruck hat den _unglücklichen_ Kerl ruiniert.

Vor einigen Tagen las ich in der Bibliothek Herrn Proudhons
Elukubrationen über die _gratuité du crédit_[2] gegen Bastiat. Dies
übertrifft an Charlatanerie, Poltronnerie, Tapagerie und Schwäche alles,
was der Mann geleistet hat. _Exempli gratia:_[3] Die Franzosen glauben,
im Durchschnitt 5 bis 6 Prozent Zinsen zu zahlen. Sie zahlen 100
Prozent. _Comment donc?_[4] Nämlich so. Die Zinsen auf die hypothekar-
und chirographische Staats- usw. Schuld beträgt 1600 Millionen. Nun
existiert aber in Frankreich nur eine Milliarde Kapital in Gold und
Silber. Also _q. e. d._[5] Anderes Beispiel: Als die _Banque de France_
errichtet wurde, betrug ihr Kapital 90 Millionen. Damals, auf diese
Summe, gestattete ihr das Gesetz, 5 Prozent zu nehmen. Sie operiert
jetzt (Depositen usw. eingerechnet) auf ein Kapital von 450 bis 460
Millionen, wovon drei Viertel nicht ihr, sondern dem _public_ gehören.
Wenn also die Bank (90 zu 450 = 1 : 5) statt 5 nur 1 Prozent nimmt, so
erhält sie den legitimen Profit. Und weil die _Banque de France_ im
Notfall (2) mit 1 Prozent sich begnügen könnte (das heißt die
_Aktionäre_), darum kann der Zinsfuß für _Frankreich_ auf 1 Prozent
herabgesetzt werden. Und 1 Prozent _c’est la presque gratuité du
crédit_.[6]

Dabei solltest Du sehen, wie der Kerl dem Bastiat gegenüber mit der
_dialectique hégelienne_[7] renommiert.

Ich habe hier Deine Kritik noch einmal durchgelesen. Es ist schade,
_qu’il n’y a pas moyen_,[8] sie drucken zu lassen. Wenn ich noch meinen
Senf hinzugetan, könnte sie sonst unter unserem Doppelnamen erscheinen,
vorausgesetzt, daß dies Deiner Handelsfirma kein Ärgernis gäbe.

Kossuth reiste, wie Du weißt, am 20. ab, aber, was Du noch nicht weißt,
begleitet von Lola Montez und _caballero_[9] Göhringer.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Was denkst Du darüber?

   [2] Unentgeltlichkeit des Kredits.

   [3] Zum Beispiel.

   [4] Wie also?

   [5] _Quod erat demonstrandum_ – was zu beweisen war.

   [6] Das ist beinahe die Unentgeltlichkeit des Kredits.

   [7] Hegelschen Dialektik.

   [8] Daß es kein Mittel gibt.

   [9] Ritter, Kavalier.


                                  125

                                                    27. November 1851.

Lieber Marx!

Meine paar Zeilen von vorgestern wirst Du erhalten haben. Wenn Weerth
das Nötige nicht gleich auftreiben kann, so will ich sehen, daß ich
übermorgen oder spätestens Montag die Sache ins reine bringe. Im Notfall
wirst Du jedenfalls die Geschichte bis Dienstag hinhalten können.

Inliegend den Brief von Meister Pieper zurück. Der Heine scheint ihm
sehr gelegen zu kommen, um die anstandsgemäßen vier Seiten voll zu
machen. Ich hoffe, Du wirst ihm wegen des Proudhon einen zur Tatkraft
anspornenden Brief geschrieben haben, denn wenn er erst wieder hier ist,
so hörst und siehst Du vom Manuskript für die erste Zeit kein Wort mehr.
Wegen Löwenthal widersprechen sich Pieper und Ebner sehr, jedenfalls ist
aber dem letzteren mehr zu trauen. Ich glaube, was das Anfangen mit der
Geschichte der Ökonomie betrifft, wovon Pieper spricht, daß wenn
Löwenthal dies wirklich vor hat, Ebner ihm am besten Schwierigkeit
macht; es ginge nicht, Deinen ganzen Plan umzuwerfen, Du habest schon
angefangen, die Kritik auszuarbeiten usw. Sollte es aber nicht anders
gehen, so müßte Löwenthal eben sich für zwei Bände verpflichten, und Du
würdest diesen Raum auch nötig haben, teils wegen des zu antizipierenden
Kritischen, teils um die Geschichte bei dem am Ende doch keinenfalls für
Londoner Kostenpreise berechneten Honorar für Dich einigermaßen rentabel
zu machen. Dann kämen als dritter Band die Sozialisten und als vierter
die Kritik – _ce qu’il en resterait_[1] – und das vielberühmte
„Positive“, das, was Du „eigentlich“ willst. Die Sache hat in dieser
Form ihre Schwierigkeiten, aber sie hat den Vorzug, daß man das
vielverlangte Geheimnis erst ganz am Schlusse sagt, und erst nachdem die
Neugier des Bürgers durch drei Bände hindurch in Atem gehalten wird, ihm
enthüllt, daß man keine Morrisonpillen fabriziert. Für Leute von einigem
Verstand werden die Andeutungen der ersten Bände, der Anti-Proudhon, das
Manifest genügen, um sie auf die richtige Fährte zu leiten; der Kauf-
und Lesemob wird sich für die Geschichte usw. nicht mehr interessieren,
wenn er das große Mysterium schon im ersten Bande enthüllt bekommen hat;
er hat, wie Hegel in der Phänomenologie sagt, „Die Vorrede“ gelesen, und
da steht ja das Allgemeine drin.

Du tust gewiß am besten, mit Anstand, aber bei irgend akzeptablen
Bedingungen jedenfalls mit Löwenthal abzuschließen und das Eisen zu
schmieden, weil es warm ist.

Die Hauptsache ist, daß Du erst wieder mit einem dicken Buche vor dem
Publikum debütierst, und am besten mit dem unverfänglichsten, der
Historie. Die mittelmäßigen und lausigen Literaten Deutschlands wissen
sehr gut, daß sie ruiniert wären, wenn sie nicht zwei- bis dreimal des
Jahres mit irgend einem Schund vor dem Publikum erschienen. Ihre
Zähigkeit hilft ihnen durch; obwohl ihre Bücher wenig oder nur
mittelmäßig ziehen, glauben schließlich doch die Buchhändler, sie müßten
große Männer sein, weil sie in jedem Meßkatalog ein paarmal vorkommen.
Dann ist es auch platterdings nötig, daß der Bann gebrochen wird, der
durch Deine lange Abwesenheit vom deutschen Büchermarkt und durch die
spätere Angstmichelei der Buchhändler entstanden ist. Ist einmal erst
ein oder zwei Bände lehrreicher, gelehrter, gründlicher und zugleich
interessanter Sachen von Dir erschienen, _alors c’est tout autre
chose_,[2] und Du pfeifst den Buchhändlern was, wenn sie niedrig bieten.

Es kommt noch das dazu, daß Du diese _Geschichte_ nur in London machen
kannst, während Du Sozialisten und Kritik überall machen kannst. Es wäre
also gut, wenn Du die Gelegenheit jetzt noch benutztest, ehe die
Crapauds irgend einen Blödsinn machen und uns wieder auf das _theatrum
mundi_[3] versetzen.

Die New Yorker Schnellpost kommt morgen. – –

Je mehr ich mir die Sache überlege, desto praktischer erscheint mir das
Anfangen mit dem Historischen. _Sois donc un peu commerçant, cette
fois!_[4]

Was meine Proudhon-Glossen angeht, so sind sie zu unbedeutend, als daß
damit viel anzufangen wäre. Es würde wieder gehen wie bei der Kritischen
Kritik, wo ich auch ein paar Bogen schrieb, weil auf eine Broschüre
gerechnet wurde, und Du ein gründliches Buch von zwanzig Bogen daraus
machtest, worin meine Wenigkeit sich sehr komisch ausnahm. Du würdest
doch wieder so viel dazu tun, daß mein Anteil, ohnehin nicht der Rede
wert, ganz vor Deiner schweren Artillerie verschwände. Sonst hätte ich
nichts dagegen, als daß Deine Historie mit Löwenthal viel wichtiger und
dringender ist.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Soviel davon übrig bleibt.

   [2] Dann ist’s eine ganz andere Sache.

   [3] Weltbühne.

   [4] Sei doch diesmal ein wenig Geschäftsmann.


                                  126

                                28 Deanstreet, Soho, 1. Dezember 1851.

Lieber Engels!

Ich lege Dir hier ein: 1. Auszug des Briefes von Cluß (aus Washington)
an Wolff; 2. Brief von Pieper aus Brüssel.

_Ad_ Nr. 1 hat Lupus vergessen, zwei Data noch auszuziehen, die Dir
nicht uninteressant sein werden. _Erstens_: Der Artikel „Revolution und
Konterrevolution in Deutschland“ ist _deutsch_ in der New Yorker
Abendzeitung erschienen, in verschiedene Blätter übergegangen und hat
Furore gemacht. Cluß schreibt nicht, ob dies Übersetzung aus der Tribune
ist oder nicht. Ich habe deswegen direkt an Dana geschrieben.
_Zweitens_: Herr Wiß, das Hauptinstrument Kinkels, hat öffentlich
erklärt, daß er „ökonomisch“ unsere Ansichten teile. Du siehst, wie sie
operieren.

Was Herrn Tupman [Pieper] betrifft, so erwähnt er weder unseren Brief
aus Manchester, noch einen späteren Brief, den ich ihm von hier aus
durch meine Frau schreiben ließ.

Was aber nun die _Kölner_ betrifft, so ist es System der gemeinen
Emigrationsschweine, die ihre Rüssel in der ganzen Preßkloake haben,
gegen diese Sache _la conspiration du silence_[1] zu beobachten, um nur
ja ihrer eigenen Wichtigkeit keinen Abbruch zu tun. Dem muß jetzt
entgegengewirkt werden. Ich habe Briefe heute nach Paris geschickt gegen
die preußische Justiz, um die Sache in die dortige Presse zu bringen.
Lupus hat die Artikel für Amerika und Schweiz übernommen.
_Maintenant_[2] mußt Du mir eine englische Geschichte schmieden, nebst
einem Privatbrief an den Editor[3] der Times, wohin die Sache
versuchsweise geschickt werden muß. Wenn die Times, die jetzt ihre
Popularität wieder aufzufrischen sucht und sich sicher geschmeichelt
findet, wenn sie als einzig einflußreiches Journal auf dem Kontinent
behandelt wird, die ohnehin preußenfeindlich ist, wenn die Times sich
der Sache annähme, könnte man nach Deutschland hin wirken. Hervorzuheben
wäre die Lage des Justizwesens überhaupt in Preußen.

Gelingt dieser Versuch nicht, der auf keinen Fall schadet, so schreibst
Du von Manchester direkt an den Sun. Erhält er die Sache _vor_ der
Times, so würde diese sie auf keinen Fall mehr annehmen. –

E. Jones hat Kossuth – mit Benutzung meines Briefes – _sans
miséricorde_[4] angegriffen. „_I tell him, that the revolutions of
Europe mean the crusade of labour against capital, and I tell him they
are not to be cut down to the intellectual and social standard of an
obscure semibarbarous people, like the Magyars, still standing in the
halfcivilisation of the 16th century, who actually presume to dictate to
the great enlightenment of Germany and France, and to gain a false won
cheer from the gullibility of England._“[5]

Apropos. Ich hätte bald ein Wichtiges in der Chronique scandaleuse
vergessen. Stechan, Hirsch, Gümpel usw., kurz, die aus Deutschland
gekommenen Arbeiter haben sich bei mir ansagen lassen. Ich werde sie
heute empfangen. Sie haben sich schon bedeutend mit Schapper und Willich
überworfen. Stechan hat offen den Dietz als Spion denunziert vor dem
Arbeiterverein, und obgleich einige Stimmen schrien, er sei Agent von
Marx, dennoch die Niedersetzung einer Kommission bewirkt, worin aber die
Freunde und Protektoren des Dietz-Schapper und Willich die Hauptrolle
spielen. Durch diese Leute werde ich jedenfalls neue Krisen in der
elenden ... Herberge hervorrufen.

Gleichzeitig zeige ich Dir den Empfang der drei Pfund an.

Salut.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Die Verschwörung des Totschweigens.

   [2] Jetzt.

   [3] Schriftleiter.

   [4] Erbarmungslos.

   [5] „Ich erkläre ihm, daß die europäischen Revolutionen den Kreuzzug
   der Arbeit gegen das Kapital bedeuten, und ich erkläre ihm, daß sie
   nicht auf das geistige und soziale Niveau eines obskuren,
   halbbarbarischen Volkes, wie die Magyaren, heruntergedrückt werden
   können, die noch in der Halbzivilisation des sechzehnten
   Jahrhunderts stecken und sich tatsächlich einbilden, [sie könnten]
   die große Erleuchtung Deutschlands und Frankreichs kommandieren und
   der Leichtgläubigkeit Englands ein erschwindeltes Hoch ablocken.“


                                  127

                                                     3. Dezember 1851.

[Engels an Marx, ohne Überschrift.]

„_Représentants de la France, délibérez en paix!_“[1] Und wo sollten die
Herren ruhiger deliberieren können als in der Kaserne d’Orsay, gehütet
von einem Bataillon _chasseurs de Vincennes_![2]

Die Geschichte Frankreichs ist in das Stadium der vollendetsten Komik
eingetreten. Kann man sich etwas Heitereres denken als diese mitten im
Frieden mit malkontenten Soldaten vom unbedeutendsten Menschen der
ganzen Welt ohne allen Widerstand, soweit man bis jetzt urteilen kann,
durchgeführte Travestie des 18. Brumaire. Und wie schön alle die alten
Esel abgefangen sind! Der schlauste Fuchs von ganz Frankreich, der alte
Thiers, der geriebenste Advokat des Barreaus, Herr Dupin, gefangen in
der Falle, die ihnen der notorischste Ochs des Jahrhunderts gestellt
hat, gefangen ebenso leicht wie die stiere republikanische Tugend des
Herrn Cavaignac und wie der Maulheld Changarnier! Und um das Tableau zu
vollenden, ein Rumpfparlament mit Odilon Barrot als „Löwe von Kalbe“,
und dieser selbe Odilon verlangt, angesichts solchen Verfassungsbruchs
verhaftet zu werden, und kann es nicht dahin bringen, daß man ihn nach
Vincennes schleppt! Die ganze Sache ist expreß für den roten Wolff
erfunden worden; der allein kann von jetzt an die Geschichte von
Frankreich schreiben. Ist jemals in der Welt ein Coup mit alberneren
Proklamationen gemacht worden als dieser? Und der lächerliche
napoleonische Apparat, der Jahrestag der Krönung und von Austerlitz, die
Provokation auf die konsularische Verfassung usw. – daß so etwas auch
nur für einen Tag gelingen konnte, degradiert die Herren Franzosen doch
wahrhaftig auf ein Niveau der Kinderei, das ohnegleichen ist.

Wunderschön ist das Abfassen der großen Ordnungsmäuler, des kleinen
Thiers ganz vorzüglich, und des tapferen Changarnier. Wunderschön ist
die Rumpfparlamentssitzung im 10. Arrondissement mit Herrn Berryer, der
zum Fenster hinausschreit: _Vive la République_, bis endlich das ganze
Lot [Pack, Haufen] abgefaßt und zwischen Soldaten in einen Kasernenhof
gesperrt wird. Und dann der dumme Napoleon, der sofort aufpackt, um in
die Tuilerien zu ziehen. Hätte man sich ein ganzes Jahr lang geplagt,
man hätte keine schönere Komödie erfinden können.

Und am Abend, als der dumme Napoleon sich endlich in das langersehnte
Bett in den Tuilerien geworfen hatte, da muß der Schafskopf erst recht
nicht gewußt haben, woran er ist. _Le consulat sans le premier
consul!_[3] Keine Schwierigkeiten im Innern größer als überhaupt seit
drei Jahren, keine außergewöhnliche Finanzklemme, selbst nicht einmal in
seinem eigenen Beutel, keine Koalition an den Grenzen, kein Sankt
Bernhard zu passieren, kein Marengo zu gewinnen! Es ist wirklich zum
Verzweifeln. Und nun nicht einmal eine Nationalversammlung mehr, die die
großen Pläne des Verkannten vereitelt; nein, für heute wenigstens ist
der Esel so frei, so ungebunden, so absolut wie der Alte am Abend des
18. Brumaire, so vollständig ungeniert, daß er gar nicht umhin kann, den
Esel nach allen Richtungen hin herauszukehren. Schreckliche Perspektive
der Gegensatzlosigkeit!

_Mais le peuple, le peuple! – Le peuple se fiche pas mal de toute cette
boutique_,[4] freut sich seines oktroyierten Stimmrechtes wie ein Kind
und wird es wahrscheinlich auch gebrauchen wie ein Kind. Was kann aus
diesen lächerlichen Wahlen von Sonntag über acht Tage hervorgehen,
wenn es überhaupt dazu kommt! Keine Presse, keine Meetings,
Belagerungszustand die Hülle und Fülle und dazu Befehl, binnen vierzehn
Tagen einen Deputierten zu stellen.

Was soll aber aus dem ganzen Kram werden? „Stellen wir uns auf den
welthistorischen Standpunkt“, so bietet sich uns ein famoses Thema zur
Deklamation dar. So zum Beispiel – es muß sich zeigen, ob das
Prätorianerregiment der römischen Kaiserzeit, das einen durchaus
militärisch organisierten, ausgedehnten Staat, ein entvölkertes Italien
und die Abwesenheit eines modernen Proletariats zur Voraussetzung hatte,
möglich ist in einem geographisch konzentrierten, dicht bevölkerten Land
wie Frankreich, das ein zahlreiches industrielles Proletariat hat. Oder:
Louis Napoleon hat keine eigene Partei; er hat die Orleanisten und
Legitimisten mit Füßen getreten, er muß jetzt eine Wendung nach links
machen. Eine Wendung nach links impliziert eine Amnestie, eine Amnestie
impliziert eine Kollision usw. Oder aber: Das allgemeine Stimmrecht ist
die Grundlage der Macht von Louis Napoleon, er kann es nicht angreifen,
und das allgemeine Stimmrecht ist _jetzt_ mit einem Louis Napoleon
unverträglich. Und andere dergleichen spekulative Themata, die sich
famos ausspinnen ließen. Nach dem aber, was wir gestern gesehen haben,
ist auf den _peuple_ gar nichts zu geben, und es scheint wirklich, als
ob der alte Hegel in seinem Grabe die Geschichte als Weltgeist leitete
und mit der größten Gewissenhaftigkeit alles sich zweimal abspinnen
ließe, einmal als große Tragödie und das zweite Mal als lausige Farce,
Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre, Barthélemy für
Saint-Just, Flocon für Carnot, und das Mondkalb mit dem ersten besten
Dutzend schuldenbeladener Leutnants für den kleinen Korporal und seine
Tafelrunde von Marschällen. Beim 18. Brumaire also wären wir schon
angekommen.

Kindisch dumm hat sich das Pariser Volk benommen. _Cela ne nous regarde
pas; que le président et l’assemblée s’entre-tuent, peu nous
importe!_[5] Aber daß die Armee sich anmaßt, Frankreich eine Regierung,
und noch dazu welche, zu oktroyieren, das geht es doch wohl an, und der
Mob wird sich wundern, was das für ein allgemeines, „freies“ Stimmrecht
ist, das sie nun „seit 1804 zum erstenmal“ ausüben sollen!

Wie weit der offenbar über die Menschheit sehr verdrießliche Weltgeist
diese Farce noch fortführen wird, ob wir binnen einem Jahre Konsulat,
Empire, Restauration usw. vorüberspazieren sehen werden, ob die
napoleonische Dynastie auch erst in den Straßen von Paris geklopft
werden muß, ehe sie in Frankreich unmöglich wird, das soll der Teufel
wissen. Mir kommt es aber vor, als ob das Ding eine merkwürdig verrückte
Wendung nähme, und als ob die Crapauds einer wunderlichen Erniedrigung
entgegengingen.

Gesetzt auch, der Louis Napoleon konsolidiere sich momentan, so kann
doch solch dummes Zeug nicht dauern, selbst bei der tiefsten möglichen
Versunkenheit der Franzosen. Aber was dann? Es sieht verflucht wenig rot
aus, das ist ziemlich klar, und wenn Herr Louis Blanc und Ledru-Rollin
gestern mittag ihre Bagage packten, so mögen sie heute nur wieder
auspacken. _La voix tonnante du peuple ne les rappelle pas encore._[6]

Hier und in Liverpool hat die Geschichte den Commerce plötzlich
gestoppt, aber in Liverpool sind sie heute schon frisch wieder am
Spekulieren. Und die französischen Fonds sind nur 2 Prozent gefallen.

Unter diesen Umständen wird mit den Versuchen, für die Kölner in der
englischen Presse aufzutreten, natürlich gewartet werden müssen.

Wegen der Artikel für die Tribune, die offenbar darin erschienen sind,
schreibe _englisch_ an den Editor der Tribune. Dana ist vielleicht
abwesend, und ein _business letter_[7] wird gewiß beantwortet. _Tell him
that he must distinctly state per next returning steamer what has become
of these papers, and in case they have been made use of, he is requested
to send by the same opportunity copies of the Tribune containing them,
as no copy has been kept here and without having the articles already
sent, again before our eyes, we cannot, after such a lapse of time,
undertake to go on with the following number of the series._[8]

Der Effekt der französischen Nachrichten auf den europäischen
Emigrationsmob muß heiter gewesen sein. Ich möchte das angesehen haben.

_En attendant tes nouvelles_[9]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Vertreter Frankreichs, beratet in Ruhe.

   [2] Schützen von Vincennes.

   [3] Das Konsulat ohne den ersten Konsul.

   [4] Aber das Volk, das Volk! – Das Volk stellt sich zu diesem
   ganzen Kram sehr gleichgültig.

   [5] Das geht uns nichts an; ob der Präsident und die
   [National-]Versammlung einander umbringen, kümmert uns wenig.

   [6] Die donnernde Stimme des Volkes ruft sie noch nicht zurück.

   [7] Geschäftsbrief.

   [8] Erkläre ihm, daß er mit dem nächsten zurückkehrenden Dampfboot
   genau angeben muß, was aus diesen Manuskripten geworden ist, und daß
   er, falls sie Verwendung gefunden haben, ersucht wird, mit derselben
   Gelegenheit die Nummern der Tribune, die sie enthalten, Dir zu
   übersenden, da hier keine Abschrift zurückbehalten wurde und wir,
   ohne die schon gesandten Artikel wieder vor uns, es nach so langer
   Zwischenzeit nicht unternehmen können, mit den weiteren Nummern der
   Serie fortzufahren.

   [9] Deinen Nachrichten entgegensehend.


                                  128

                                28 Deanstreet, Soho, 9. Dezember 1851.

_Dear Frederic!_

Ich habe Dich auf Antwort warten lassen, _quite bewildered_[1] von
diesen tragikomischen Ereignissen in Paris. Ich konnte nicht wie Willich
sagen: Sonderbar, man hat uns keinen Avis von Paris gegeben! Auch nicht,
wie Schapper, mit dem Bierpott mich in Permanenz bei Schärttner
erklären. Zur Rettung des Vaterlandes schlief Schapper mit einigen
Trabanten, unter dem Vorgeben zu wachen, zwei Nächte bei Schärttner.
Diese Herren, wie Löwe von Kalbe und Komp., hatten ihre _malles_[2]
gepackt, aber da die Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist,
beschlossen sie erst hinüberzustiefeln, sobald die Sache sich
„entschieden“ habe.

Hast Du Louis Blancs Miserere gelesen? Den anderen Tag protestierte
Bernard le Clubiste dagegen, dies Lamento mitunterzeichnet zu haben.

Einliegend erhältst Du einen Brief von Reinhardt aus Paris.

Pieper ist wieder hier, sehr von sich selbst entzückt. Er tritt von
Rothschild aus, fährt aber fort, dort im Hause deutsche Stunde zu geben.

_Maintenant_, was soll ich Dir über die Situation schreiben? So viel ist
klar, das Proletariat hat seine Kräfte geschont. Bonaparte hat
einstweilen gesiegt, weil er während der Nacht das öffentliche
Stimmrecht in geheimes verwandelte. Mit der, trotz aller posthumen
Erklärungen von d’Argout, der Bank entwendeten Million Pfund Sterling
hat er die Armee gekauft. Wird ihm der Coup noch einmal gelingen, wenn
die Wahl gegen ihn ausfällt? Wird die Majorität überhaupt wählen? Die
Orleans sind nach Frankreich abgereist. Es ist schwer, ja unmöglich, ein
Prognostikon zu stellen in einem Drama, dessen Heros Crapulinski ist.
Jedenfalls scheint mir die Situation eher verbessert als verschlechtert
durch den _coup d’état_.[3] Mit Bonaparte ist leichter fertig zu werden,
als es mit der Nationalversammlung und ihren Generälen möglich gewesen
wäre. Und die Diktatur der Nationalversammlung stand vor der Tür.

Kostbar ist die Enttäuschung von Techow und Komp., die ohne weiteres in
der französischen Armee _les apôtres de la trinité démocratique, de la
liberté, de l’égalité, de la fraternité_ sahen. _Les pauvres hommes!_[4]
Und die Herren Mazzini und Ledru-Rollin können sich nun auch ruhig
schlafen legen. Die Katastrophe war der _downfall_[5] der Emigration. Es
hat sich gezeigt, daß sie _pour rien_[6] in der Revolution ist. Die
Herren hatten nämlich _beschlossen_, die Weltgeschichte zu suspendieren
bis nach Kossuths Rückkehr. Apropos. Die Pennysubskription für letzteren
hat exakt in London 100 d., sage Pence, abgeworfen.

Salut!

                                                            Dein K. M.

Apropos. Habe ich Dir nicht einen _französisch_ geschriebenen Brief
Piepers an mich zugeschickt? Ist dies der Fall, so schicke ihn mir
umgehend zurück.

----------

   [1] Ganz benommen.

   [2] Koffer.

   [3] Staatsstreich.

   [4] Die Apostel der demokratischen Dreieinigkeit, der Freiheit,
   Gleichheit und Brüderlichkeit ..., die armen Teufel!

   [5] Sturz.

   [6] Ohne Bedeutung.


                                  129

                                        Manchester, 10. Dezember 1851.

Lieber Marx!

Was machen die großen Männer in dieser _eventful crisis_?[1] Man sagt,
Louis Blanc sei in Frankreich arretiert, das wird leider aber nicht wahr
sein, _nous connaissons notre petit bonhomme_.[2] Übrigens seit aus der
Pariser Insurrektion nichts geworden ist, bin ich froh, daß der erste
Sturm vorüber ist. _Tout blasé qu’on est_,[3] wird man bei solchen
Gelegenheiten doch immer einigermaßen vom alten politischen Fieber
gepackt und ist doch immer einigermaßen selbst beim Ausgang einer
solchen Geschichte interessiert. Jetzt kann ich wenigstens wieder
Menschenrassen studieren, mit deren Untersuchung ich mich beim Ausbruch
dieses großen Coups beschäftigte.

Trotz alledem will übrigens weder hier noch in Liverpool die Confiance
wiederkehren, und bloß P. Ermen ist ebenso übermütig und
napoleonsgläubig, wie er vor vier Tagen _dejected_ und _chapfallen_[4]
war. Die hiesigen Bourgeois sind im ganzen doch zu gescheit, um an eine
mehr als ephemere Existenz dieser napoleonischen Farce zu glauben. Aber
was soll aus all dem Dreck werden? Gewählt wird der Napoleon, das ist
keine Frage, die Bourgeoisie hat keine Wahl, und wer will die
Stimmzettel verifizieren? Additionsfehler zugunsten des Abenteurers sind
gar zu verlockend, und die ganze Gemeinheit der französischen
besitzenden Klasse, die servile Unterwürfigkeit nach dem kleinsten
Sukzeß, die Kriecherei vor einem _pouvoir quelconque_[5] sind diesmal
glänzender als je ans Licht getreten. Aber wie will der Esel regieren?
Er bekommt weniger Stimmen als 1848, _c’est clair_,[6] vielleicht 3 _à_
3-1/2 Millionen im ganzen; das ist schon eine für den Kredit gefährliche
Niederlage. Jede finanzielle und Steuerreform ist unmöglich 1. aus
Geldmangel, 2. weil ein militärischer Diktator sie nur bei erfolgreichen
auswärtigen Kriegen, _où la guerre paie la guerre_,[7] durchführen kann,
im Frieden aber nicht nur jedes Surplus, sondern noch viel mehr in die
Taschen der Armee wandern muß, 3. weil der Napoleon zu dumm ist. Was
bleibt ihm da? _La guerre?_ Gegen wen, gegen England etwa? Oder der
einfache Militärdespotismus, der im Frieden notwendig zu neuer
Militärrevolution führen, die Parteien der Nationalversammlung in der
Armee selbst hervorrufen muß? Es ist kein Ausweg da, die Farce muß in
sich selbst zusammenbrechen. Und erst wenn eine Handelskrisis kommt!

Daß Louis Napoleon mit etwas „Großem“ schwanger geht, daran zweifle ich
keinen Augenblick. Was das aber für ein Unsinn sein wird, darauf bin ich
begierig. Das Développement der napoleonischen Ideen wird einen sehr
hohen Flug nehmen und, an den ordinärsten Hindernissen scheiternd, platt
auf den Bauch fallen. – Was bei der ganzen Transaktion ziemlich klar
heraustritt, ist, daß die Roten abgedankt haben, vollständig abgedankt.
Jetzt von Entschuldigungen sprechen wollen, warum sie sich nicht in
Masse wehrten, wäre Unsinn. Die nächsten Monate werden lehren, ob die
Erschlaffung derart in Frankreich ist, daß es mehrerer Jahre bedürfte,
um den Roten ein neues Achtundvierzig möglich zu machen. Aber woher soll
diese Ruhe auf der anderen Seite kommen?

Ich sehe nur zwei Auswege aus dieser Sauerei:

Entweder treten jetzt die Faktionen der Ordnungspartei, in der Armee
abgespiegelt, an die Stelle der „Anarchisten“, _id est_ richten eine
solche Anarchie her, daß schließlich die Roten und Ledru-Rollin als
solche Erlöser erscheinen wie jetzt Napoleon;

oder Louis Napoleon schafft die Getränkesteuer ab und läßt sich
verleiten, einige bürgerliche Reformen zu machen – woher aber Geld und
Macht dazu hernehmen, ist schwer zu sagen. In diesem sehr
unwahrscheinlichen Falle könnte er sich halten.

_Qu’en penses-tu?_[8]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Ereignisreiche Krisis.

   [2] Wir kennen unsern kleinen Biedermann.

   [3] So abgestumpft man [auch] ist.

   [4] Niedergeschlagen ... bestürzt.

   [5] Irgendwelche Macht.

   [6] Das ist klar.

   [7] Wo der Krieg den Krieg bezahlt.

   [8] Was hältst Du davon?


                                  130

                                        Manchester, 11. Dezember 1851.

Lieber Marx!

Inliegend der Brief von Reinhardt zurück sowie der von Pieper, den ich
wegen der Kölner Geschichten einstweilen zurückgehalten hatte.

An der von den Zeitungen ausposaunten großen Expedition der 700
Vagabunden nach Paris scheint nichts zu sein, und auch der kleine Louis
Blanc ist nach seinem heutigen erneuerten Schmerzgeächze in der Daily
News einstweilen, wenn auch angeblich nicht in London, doch in
Sicherheit. Das erste Wehklagen war noch göttlich gegen das heutige.
_Peuple français – noble fierté – courage indomptable – éternel amour
de la liberté – honneur au courage malheureux_[1] – und damit macht
der kleine Kerl einen _demi-tour à droite_[2] und predigt Vertrauen und
Vereinigung des Volkes und der Bourgeoisie. _Vide Proudhon: Appel à la
Bourgeoisie, pagina 2._[3] Und dies Räsonnement! Wenn die Insurgenten
geschlagen worden, so kommt das daher, daß sie nicht das _vrai
peuple_[4] waren; das _vrai peuple_ kann nicht geschlagen werden; und
wenn sich das _vrai peuple_ nicht geschlagen hat, so kommt das daher,
daß es sich nicht für die Nationalversammlung schlagen wollte; es ist da
freilich einzuwenden, daß das _vrai peuple_, einmal siegreich, selbst
Diktator gewesen wäre, aber daran hat es in der Überraschung nicht
denken können, und dann ist es ja so oft geprellt worden!

Das ist diese alte ordinäre Demokratenlogik, die noch bei jeder
Niederlage der revolutionären Partei sich breit gemacht hat. _Le fait
est_,[5] meiner Ansicht nach, daß wenn sich das Proletariat diesmal
nicht in Masse geschlagen hat, es sich vollständig seiner eigenen
Erschlaffung und Ohnmacht bewußt war und mit fatalistischer Resignation
sich so lange in den erneuerten Kreislauf von Republik, Empire,
Restauration und neuer Revolution ergab, bis es eben wieder durch ein
paar Jahre Misere unter der Herrschaft möglichst großer Ordnung neue
Kräfte gesammelt hat. Ich sage nicht, daß dies so kommen wird, aber das
scheint mir die instinktive Grundanschauung gewesen zu sein, die am
Dienstag und Mittwoch und nach der Herstellung der geheimen Abstimmung
und der darauffolgenden Retirade der Bourgeoisie am Freitag beim Pariser
Volke vorgeherrscht hat. Es ist Unsinn, zu sagen, daß dies keine
Gelegenheit fürs Volk war. Wenn das Proletariat warten will, bis ihm von
der Regierung seine eigene Frage gestellt wird, bis eine Kollision
eintritt, die den Konflikt schärfer und bestimmter ausspricht als im
Juni 1848, da kann es lange warten. Die letzte Gelegenheit, wo die Frage
zwischen Proletariat und Bourgeoisie ziemlich distinkt gestellt war, war
beim Wahlgesetz 1850, und da zog das Volk es vor, sich nicht zu
schlagen. Das und das ewige Hinweisen auf 1852 war schon ein Beweis von
Schlaffheit, der, ausgenommen im Falle einer Handelskrise, für uns
hinreichte, ein ziemlich schlechtes Prognostikon auch für 1852 zu
stellen. Seit der Abschaffung des allgemeinen Stimmrechtes, seit der
Verdrängung des Proletariats von der offiziellen Bühne ist es doch etwas
zu viel verlangt, den offiziellen Parteien zuzumuten, die Frage so zu
stellen, daß sie dem Proletariat konveniert. Und wie stand denn die
Frage im Februar? Damals war das Volk gerade so _hors de cause_[6] wie
jetzt. Und es ist gar nicht zu leugnen, daß, wenn die revolutionäre
Partei in einer revolutionären Entwicklung anfängt, entscheidende
Wendepunkte passieren zu lassen, ohne ein Wort dreinzusprechen oder,
wenn sie sich einmischt, ohne zu siegen, sie mit ziemlicher Sicherheit
als für einige Zeit kaputt angesehen werden kann. _Witness_[7] die
Insurrektionen nach dem Thermidor und nach 1830, und die Herren, die
jetzt so laut sagen, daß das _vrai peuple_ seine Gelegenheit abwarte,
kommen in Gefahr, allmählich in denselben Train mit den ohnmächtigen
Jakobinern von 1795 bis 1799 und den Republikanern von 1831 bis 1839 zu
geraten und sich sehr zu blamieren.

Auch ist nicht zu leugnen, daß der Effekt der Herstellung der geheimen
Abstimmung auf die Bourgeoisie, Kleinbürgerschaft und _au bout du
compte_[8] _auch auf viele Proletarier_ (das geht aus allen Berichten
hervor) ein merkwürdiges Licht auf die Courage und Einsicht der Pariser
wirft. Viele haben offenbar gar nicht daran gedacht, wie albern die von
Louis Napoleon gestellte Frage ist, und wo denn Garantien für die
richtige Registrierung der Stimmen sind; die meisten aber müssen den
Humbug durchschaut und trotzdem sich vorgeschwatzt haben, jetzt sei _all
right_,[9] _bloß damit sie einen Vorwand hätten, sich nicht zu
schlagen_.

Nach dem Briefe von Reinhardt, nach den täglichen neuen Enthüllungen
über die Infamien der Soldaten und über ihre speziellen Exzesse auf den
Boulevards gegen jeden _pékin quelconque_,[10] Arbeiter oder Bourgeois,
Roter oder Bonapartist, _n’importe_[11] – nach den sich häufenden
Nachrichten von lokalen Insurrektionen selbst in den entlegensten
Winkeln, wo kein Mensch Widerstand vermutete, nach dem Briefe des
französischen Exdeputierten und Commerçant in der gestrigen Daily News
scheint allerdings der _Appel au peuple_[12] eine unangenehme Wendung
für Bonaparte nehmen zu wollen. Die Masse der Bourgeoisie in
Paris scheint doch dies neue Regime mit seinen oktroyierten
Transportationsgesetzen nicht sehr zu relishen.[13] Der militärische
Terrorismus entwickelt sich zu schnell und zu unverschämt. Zwei Drittel
von Frankreich sind in Belagerungszustand. Ich glaube, daß nach all
diesem die Masse der Bourgeoisie gar nicht stimmen wird, daß die ganze
Stimmposse auf nichts hinauslaufen wird, denn die Gendarmen werden an
allen zweifelhaften Orten, wo die Gegner Louis Napoleons in Massen
stimmen, Krakeel mit den Wählern anfangen und dann der ganze Wahlprozeß
dort kassiert werden. Dann erklärt Louis Napoleon Frankreich _en état
d’aliénation mentale_[14] und proklamiert die Armee zur einzigen
Reiterin der Gesellschaft, und dann ist der Dreck vollständig klar und
Louis Napoleon mitten drin. Aber eben bei dieser Wahlgeschichte könnte
die Sache sehr unangenehm werden, wenn _dann_ überhaupt noch ernsthafter
Widerstand gegen eine etablierte Regierung zu erwarten wäre.

Eine Million Stimmen hat der Kerl sicher an den Beamten und Soldaten.
Eine halbe Million Bonapartisten, vielleicht mehr, sind auch im Lande.
Eine halbe Million, vielleicht mehr, zaghafter Bürger stimmen für ihn.
Eine halbe Million dummer Bauern, eine Million Additionsfehler – das
sind schon 3-1/2 Millionen, und mehr hatte der alte Napoleon nicht in
seinem Empire, das das ganze linke Rheinufer und Belgien einschloß, also
gewiß 32 Millionen Einwohner hatte. Warum sollte ihm das vorderhand
nicht genügen? Und bekäme er die, mit vielleicht 1 Million gegen ihn, so
würden die Bourgeois ihm bald zufallen. Aber vielleicht bekommt der die
2-1/2 Millionen nicht, und vielleicht, obwohl es der Ehrlichkeit der
französischen Beamten viel zugemutet wäre, bringt er es nicht fertig,
sich Additionsfehler bis zu 1 Million kreditieren zu lassen. Jedenfalls
hängt sehr viel ab von den Maßregeln, die er gezwungen ist, inzwischen
zu treffen. Übrigens, wer hindert die Beamten, ehe das Abstimmen
anfängt, in die Wahlurnen ein paar hundert _oui_ zu werfen? _Il n’y a
plus de presse_[15] – niemand kann’s verifizieren.

Jedenfalls ist es schlimm für Crapulinski, daß die Fonds wieder am
Fallen sind, und für Louis Blanc, daß er jetzt England als freies Land
anerkennen muß.

In ein paar Monaten müssen die Roten wieder eine Gelegenheit bekommen,
wo sie sich zeigen können, vielleicht schon bei der Abstimmung; wenn sie
dann aber wieder abwarten, dann gebe ich sie auf, und dann bringen sie
es auch bei der schönsten Handelskrise zu nichts als zu einer sie
definitiv für ein paar Jahre beseitigenden Tracht Prügel. Was ist denn
noch an dem Gesindel, wenn es verlernt, sich zu schlagen?

Ist Pieper wieder in London? Ich habe ihm einen Auftrag wegen Büchern
nach Frankfurt zu geben, und weiß nicht, ob er noch in Brighton ist.

Das schlimmste ist, daß Du jetzt mit Löwenthal auf Schwierigkeiten
stoßen wirst. Es wäre am besten, wenn der Kontrakt schon abgeschlossen
wäre.

_Liverpool Market – quiet at yesterdays prices; Manchester Market –
firm. Some overtrading going on to the Levant. German buyers continue
keeping out of the Market._[16]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Französisches Volk – edler Stolz – ungebändigter Mut – ewige
   Freiheitsliebe – Ehre dem unglücklichen Mut.

   [2] Halbe Wendung nach rechts.

   [3] Siehe Proudhon: Appell an das Bürgertum, Seite 2.

   [4] [Das] wahre Volk.

   [5] Die Sache ist die.

   [6] Außer Betracht.

   [7] Zeuge, Beweis.

   [8] Am Ende der Rechnung, schließlich.

   [9] Alles in Ordnung.

   [10] Beliebiger Zivilist.

   [11] Gleichviel.

   [12] Appell an das Volk.

   [13] Schmackhaft finden.

   [14] Im Zustand geistiger Verirrung.

   [15] Es gibt keine Presse mehr.

   [16] Börse von Liverpool – ruhig bei gestrigen Preisen; Börse von
   Manchester – fest. Ein Teil des Überflusses geht nach der Levante
   ab. Deutsche Käufer bleiben noch immer vom Markte fort.


                                  131

                                                    16. Dezember 1851.

Lieber Marx!

Inliegend ein Brief von Weydemeyer, der mir heute mittag zukam. Die
Nachrichten soweit ganz gut, Heinzens Blatt am Krepieren und Weydemeyer
schon jetzt imstande, mit einer Wochenzeitung aufzutreten. Aber die
Forderung, ihm bis Freitag abend einen Artikel zuzuschicken, ist etwas
stark – besonders unter den jetzigen Umständen. Und doch schmachten die
Leute gerade jetzt dort nach Räsonnements und Anhaltspunkten über die
französische Geschichte, und wenn man etwas Eklatantes über die
Situation sagen könnte, so wäre damit der Sukzeß des Unternehmens in der
ersten Nummer zu machen. Aber das ist gerade der Haken, und wie
gewöhnlich überlasse ich Dir wieder die Schwierigkeit, und was ich auch
schreiben mag, jedenfalls ist’s nicht über den _Coup de tête_ von
Crapulinski. Du kannst ihm darüber jedenfalls einen diplomatisch
„rückenfreihaltend“ epochemachenden Artikel schreiben. Was ich tue, weiß
ich noch nicht, jedenfalls versuche ich irgend etwas. Den Schnapper kann
ich nicht schicken, erstens ist das erste Kapitel matt, und zweitens
ließ ich das Ding ganz sein, seitdem die Geschichte anfängt, komische
Romane zu schreiben – eine etwas zu gefährliche Konkurrenz. Ich werde
indes einige komische Szenen mehr in den Plan aufnehmen und dann das
Ding wieder anfangen – das aber paßt durchaus nicht für dort, und
ohnehin will Weydemeyer Sachen haben, worunter unser Name steht.
Schreibe mir umgehend, was Du zu tun gedenkst, _le temps passe_;[1] der
Samstagsteamer kann nicht vor Neujahr in New York eintreffen, und das
ist schlimm, noch schlimmer ist die uns gelassene kurze Galgenfrist.

Weydemeyer soll nur seine Finger so lange aus den amerikanischen
Geschichten herauslassen, bis er die Namen dort richtig schreiben kann.
Es ist schade, daß er nicht erst Zeit hat, sich zu orientieren und etwas
Englisch zu lernen. Die „Abolutionisten“ würden für Heinzen ein famoses
Fressen sein. Was Weerth angeht, so sehe ich den morgen oder übermorgen
hier und werde sehen, was er leisten kann. Nächste Woche, vielleicht
schon Samstag abend, bin ich in London, und wir können dann das Weitere
absprechen; inzwischen ist bloß die Frage, was für die erste Nummer zu
tun ist, damit kann nicht gewartet werden, und schreibe mir also
umgehend, was Du zu tun gedenkst.

Weydemeyer scheint in kommerzieller Beziehung, wie nach diesem Briefe zu
schließen, allerdings nach etwas „grün“ zu sein, ich werde ihm darüber
die nötigen Andeutungen geben. Er kennt sein Publikum noch gar nicht.

Lupus kann auch sich gleich in Bewegung setzen, um zu sehen, was er für
die erste Nummer zustande bringt, Weydemeyer wird um Material sehr
verlegen sein.

Was sagst Du zu den französischen Fonds, die gestern 101,50 Franken
standen – 1-1/2 Prozent über Pari –, das keilt dem Louis Napoleon
Stimmen die Menge, besser als alle bezahlten Zeitungslügen. Auch die
Exzesse der Bauern im Süden und Zentrum helfen ihm. Ein Teil davon ist
gewiß richtig und kann von dieser Barbarenrasse gar nicht anders
erwartet werden. Die Kerls kümmern sich um die Regierung usw. den
Teufel, aber ihr erstes ist, dem Steuereinnehmer und Notar das Haus zu
demolieren und die Frau zu notzüchtigen und ihn selbst totzuschlagen,
wenn sie ihn fassen. Die Sache hat an sich _au fond_ wenig zu bedeuten
und geschieht den Herren ganz recht, aber dem Napoleon jagt sie alles
zu, was irgend etwas zu verlieren hat. In der Tat, die Invasion der
einheimischen Barbaren, wenn sie einmal kommt, verspricht ein
erheiterndes Schauspiel werden zu wollen, und wohl denen, unter deren
Regierung dergleichen angenehme Geschichten vorfallen. Das Steigen der
Fonds _jetzt_ ist gewiß nicht mehr Regierungsmanöver, sondern Ausdruck
der in Vertrauen auf Louis Napoleon übersetzten Angst der _haute
finance_ vor dem Lebendiggeschundenwerden, das der wahrhaftige
Constitutionnel in so lebhaften Farben schildert! –

Also schreibe mir gleich wegen Weydemeyer.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Die Zeit vergeht.


                                  1852


                                  132

                                                       6. Januar 1852.

Lieber Marx!

Hoffentlich wirst Du _by this time_[1] von Deinen Leiden vollkommen
hergestellt sein, und ebenso hoffe ich, daß Deine Frau mir nicht länger
wegen des _coup d’état_[2] zürnen wird, der Dich für zwei Tage in so
tiefe Melancholie versenkte. Jedenfalls bitte ich, sie und Deine Kinder
bestens von mir zu grüßen.

Ich werde für nächsten Freitagsteamer einen Artikel für Weydemeyer
zurecht machen, und hoffe von Dir irgendeine _actualité_[3] für die
Tribune zu erhalten, die ich sofort übersetzen werde. Bei dem Blatte hat
man sich wahrhaftig nicht anzustrengen. Barnum stolziert in seinen
Spalten in Lebensgröße herum, und das Englisch ist grauenhaft – sonst
hat es indes auch einige gute Eigenschaften, die unsere _line_[4]
übrigens nichts angehen. Kannst Du es mir bis Donnerstag – selbst mit
der zweiten Post – herbesorgen, so hast Du die Übersetzung in London
zeitig für Samstagsteamer, _id est_ mit der zweiten, am Freitag dort
ankommenden Post. Nächste Woche werden dann die Artikel über Deutschland
aufgenommen und sollen rasch vollendet werden.

Die Plattheit, mit der die Österreicher den Louis Napoleon nachmachen
und sofort ihre Konstitution auch abschaffen, ist doch sehr arg. Jetzt
wird es einen schönen Tanz in Preußen setzen – es ist kein Zweifel, daß
Preußen von Österreich verraten und verkauft ist, und wenn es
nicht auch die Konstitution abschafft, sehr leicht von einer
russisch-österreichisch-französischen Allianz ekrasiert [zertreten]
werden kann.

1851 hat die englische Baumwollindustrie wöchentlich 32 000 Ballen
konsumiert, gegen 29 000 Ballen 1850. Das ganze Surplus, und bedeutend
mehr, ist nach Ostindien und China gegangen; die Überführung dieser zwei
Märkte und der Home Trade[5] nähren jetzt Manchester fast allein, da
nach dem Kontinent sehr wenig geht. Das _kann_ nicht lange mehr dauern.
Die Sache treibt sich hier sehr auf die Spitze, und, zum Beispiel, daß
die Baumwollpreise angesichts einer unerhört großen Ernte in vollem
Steigen begriffen sind, bloß in Erwartung eines noch größeren Konsums,
ist doch schon bezeichnend genug.

Von Weerth hatte ich heute ein paar Zeilen aus Bradford – er erkundigt
sich wegen des Hanebuch [Hamburger] Lüders, der an ihn geschrieben hat.
Kannst Du mir etwas mitteilen, ob und wiefern er sich bei den dortigen
Intrigen beteiligt hat, so soll’s mir angenehm sein und wird vielleicht
nützlich werden. Sonst hier nichts Neues, _business with us slack_,[6]
Nebel und Rauch die Masse.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Nunmehr, jetzt.

   [2] Staatsstreich.

   [3] Tagesfrage.

   [4] Abteilung, Fragengebiet.

   [5] Inlandsgeschäft.

   [6] Geschäftsgang bei uns matt.


                                  133

                                      [Undatiert, Anfang Januar 1852.]

Lieber Herr Engels!

Wie können Sie glauben, daß ich _Ihnen_ wegen der kleinen Kneiperei
gezürnt hätte – es tat mir sehr leid, Sie vor Ihrer Abreise nicht mehr
zu sehen, wo Sie sich dann selbst am besten überzeugt hätten, daß ich
nur mit meinem hohen Herrn etwas schmollte. Übrigens haben solche
Extraszenen ganz heilsame Folgen; diesmal muß sich aber der _père_ Marx
bei seiner nächtlichen philosophischen Wanderung sehr stark erkältet
haben, denn er wurde ernsthaft krank und liegt bis jetzt noch ruhig
danieder. Vielleicht wird es ihm heute möglich werden, etwas aufzustehen
und sich an die Artikel für Amerika zu machen. Ich glaube aber, daß er
noch nicht so weit hergestellt ist, wie er meint. Er phantasierte
während drei Nächten und war sehr schlimm. Er läßt Sie bitten, Weerth zu
grüßen, ihm zu sagen, daß er recht ärgerlich über ihn wäre, daß er bei
Übersendung von Reinhardts Brief aus Paris nur zwei Worte
mitgeschrieben, und daß er vor allem seine Pflichten als alter Redakteur
der Neuen Rheinischen erfüllen und irgendeine Ware auf Lager nach
Amerika spedieren solle. Was den Hanebuch betrifft, so sagt jetzt der
_père_ Marx wörtlich was folgt:

„Stets kanonenvoll, mit seinem insinuanten Wesen gegen Damen
renommierend, meinend, damit die Fußtritte von _Bar-Besen_[1] erhalten
zu haben; von Anfang an auf das geräuschvollste auf Straßen und Gassen,
Parlours, Omnibus, Halfpenny-Steamboats das englische Publikum
provozierend, sich an den großen Debatten zwischen Kinkel und Ruge zu
beteiligen; jeden Deutschen bei den Ohren hinschleppend nach Cranbourne
Hotel, einer der wichtigtuendsten Schreier des Emigrationsklubs, also
auch seinen Bärengeifer über die kleine Winkelkirche der Neuen
Rheinischen Zeitung ausfatzend. Weerth soll ihm antworten, wenn er
dessen Protektion verlangt, er möge suchen, in einen der sieben von
Kinkel zu errichtenden Ministerien einen Posten zu finden, was ihm bei
seinen großen Verdiensten um die große einige Revolutionspartei und bei
seinem Einfluß auf die beiden Kinkelschen Hofschriftsteller Meyen und
Oppenheim nicht schwer fallen dürfte. Überhaupt soll Weerth, wenn jetzt
einer der Geister sich an ihn wendet, [ihnen] sie merken lassen, daß er
auch zu der ‚kleinen unverbesserlichen Sonderkirche‘ der Neuen
Rheinischen Zeitung gehört, wie Meyen nach Amerika hingeschrieben.“ So
weit mein hoher Patient Knackrüge.

Gestern kam ein sehr netter Brief von Cluß aus Washington, woraus das
Treiben Kinkels von neuem hervorgeht. Leider kann ich ihn hier nicht
beilegen, da Freiligrath ihn gestern mitgenommen. Morgen werden wir ihn
schicken. Teilen Sie ihn auch Weerth stellenweise mit.

Es wird Sie wohl auch interessieren zu hören, daß Ihr ehemaliger Chef,
General Willich, von der niedrigen Flüchtlingschaft eine Tracht Prügel
bezogen, da diese den Unterschied zwischen sich und den höheren
Flüchtlingen nicht [hat] begreifen können und die Art der Verwaltung der
großen Revolutionsgelder im Interesse der großen Männer nicht gutheißen.
Aus Cluß’ Brief geht noch hervor, daß Kinkel die Mystifikation Willichs
und den Brief Schramms benutzt hat, um ihre Verbindungen mit Köln in
Amerika zu beweisen. Es wird bald Zeit, mit der wirklichen Geschichte
hervorzurücken. Der Kinkel scheint auch in Amerika verbreitet zu haben,
daß Marx’ Partei Lasterpreise aussetzt, um nicht Moralhelden zu werden.
Der Musch läßt Frederic herzlich grüßen. Die Mädchen sind schon in der
Schule. Sie erinnern sich vielleicht, daß Pieper dem Jungen seine
hübsche Brieftasche zum Geschenk gemacht hatte. Gestern drohte er, sie
ihm wieder abzunehmen und ihm an deren Stelle etwas anderes zu kaufen.
Heute morgen versteckt der Junge die Tasche und sagt eben: „Mohr, jetzt
habe ich sie gut versteckelt, und wenn der Pieper sie haben will, dann
sage ich, ich habe sie einem armen Mann geschenkt.“ Der Filou!

Adieu!

                                           Herzliche Grüße Jenny Marx.

----------

   [1] Schanktisch-Kellnerinnen.


                                  134

                                          Manchester, 14. Januar 1852.

Liebe Frau Marx!

Ich hätte Ihren angenehmen Brief längst beantwortet, wenn ich nicht
durch eine Masse Geschichten daran total verhindert worden wäre –
namentlich durch die Anwesenheit meines Schwagers, den ich während einer
Woche zu amüsieren hatte, was hier in Manchester gewiß keine Kleinigkeit
ist. An Arbeiten war während dieser Zeit natürlich nicht zu denken, und
erst jetzt kann ich anfangen, mich zu besinnen, was bis nächsten
Freitagsteamer geleistet werden kann. Heute oder morgen abend wird
jedenfalls etwas für die Tribune fertig gemacht, und auch Vater
Weydemeyer wird nicht leer ausgehen. Inzwischen höre und sehe ich von
diesem nichts – hoffentlich ist bei Ihnen heute ein Brief von ihm
eingesprungen, der uns die Aussichten fürs neue Jahr meldet, da die mit
gestrigem Steamer eingetroffenen Briefe gerade bis zum 1. Januar gehen.

Ich hoffe, daß der _pater familias_ sich inzwischen von seinem Straf-
und Schmerzenslager erhoben haben wird, und wünsche nur, daß er über der
Bibliothek nicht ganz die Tribune vergißt. Die Nachrichten über
Ehren-Lüders sind Weerth sofort mitgeteilt worden, sowie das Nötige über
Kinkel. –

Inliegend den Brief von Cluß zurück. Der Kerl ist ein unbezahlbarer
Agent. Wenn die Geschichte mit der Willichschen Mystifikation auskommt,
das wird ein heiteres Hallo setzen. Dies Faktum beweist nur, daß Kinkel
in Beziehung auf uns in Amerika sehr häufig und sehr unangenehm
interpelliert worden ist, und daß wir unter den dortigen Demokraten auch
einen _set_[1] von Anhängern haben, die auf uns schwören, wie die
anderen auf Kinkel oder Heinzen oder Hecker, keiner weiß warum; es
werden das Anhänger sein _à la_ Magnus Groß, Wilhelmi usw., Leute, die
nur eines kurzen Zusammenseins mit uns bedürften, um über uns und sich
eines Besseren aufgeklärt zu werden und in den allgemeinen Schafstall
zurückzukehren, wohin sie gehören.

Der Louis Napoleon wird doch täglich amüsanter. Während noch immer nicht
eine einzige jener großen Maßregeln zur Vernichtung des Pauperismus usw.
das Tageslicht erblicken kann, bringt das Männchen es fertig, das ganze
Philisterium der Welt durch Maßregeln aufzuhetzen, die bloß die
momentane Konsolidierung seiner Autorität sichern sollen. Kein
nichtfranzösisches Blatt wagt mehr für ihn aufzutreten, selbst der Sun
und die Kölnische schweigen, und nur der Lumpaziuskorrespondent des
Globe deponiert noch täglich seine Gemeinheiten in dem ihm dazu
bewilligten Winkel. Dazu hat Louis Napoleon schon alle Welt argwöhnisch
gemacht, ganz Europa hallt wider von Krieg und Kriegsgeschrei, und
selbst die friedfertige Daily News muß _nolens volens_ in den Ruf nach
_national defences_[2] einstimmen. Der Kerl fängt nachgerade an, neben
der einen, seit dem 2. Dezember zumeist hervorgetretenen Seite seines
Charakters, dem _gambler_,[3] auch die zweite zu entwickeln, die des
verrückten Prätendenten, der sich für einen prädestinierten Welterlöser
hält und auf seinen Stern schwört. Und als die Zeit erfüllet war, da
sandte Gott den Neffen, auf daß er erlöse alle Welt aus der Knechtschaft
des Teufels und aus der Hölle des Sozialismus. Glücklicherweise kommt
das Parlament bald zusammen, und das gibt immer etwas Abwechslung im
politischen Humbug.

Viele Grüße an Marx und die Kleinen

                                                  von Ihrem F. Engels.

----------

   [1] Satz, Stamm.

   [2] Nationale Verteidigungsmaßnahmen.

   [3] Glücksspieler.


                                  135

                                 28 Deanstreet, Soho, 20. Januar 1852.

Lieber Engels!

Seit gestern bin ich erst wieder aufgestanden und seit heute schreibe
ich erst wieder.

In Frankreich _les choses vont à merveille_.[1] Und ich hoffe, daß _la
belle France_ diese Schule nicht zu oberflächlich durchmachen wird,
sondern eine längere Klasse bestehen muß. Krieg, einige _months_[2]
früher oder später, scheint mir unvermeidlich. _Nous avons eu le
Napoléon de la paix._[3] Louis kann den Louis Philippe _by no means_[4]
nachmachen. _Et alors?_[5]

Du weißt, daß die Kölner nicht vor die Assisen gestellt sind, unter dem
Vorwand, die Sache sei so schwierig, daß die Untersuchung von neuem
beginnen müsse.

Madier war eben hier und beweist mir _de la manière la plus
crapaude_,[6] daß die Frenchmen zum Frühstück London nehmen und in fünf
Stunden alle Küsten von England überfallen können. Man hat zu viel
_pitié_[7] mit den armen Teufeln, um nicht zu schweigen, _quand ils
déraisonnent_.[8]

Schreibe bald.

                                                            Dein K. M.

Was macht _le commerce_?

----------

   [1] Verlaufen die Dinge wundervoll.

   [2] Monate.

   [3] Wir haben den Friedensnapoleon gehabt.

   [4] Unter keinen Umständen.

   [5] Und dann?

   [6] Mit den gesindelhaftesten (das heißt flachrevolutionären)
   Argumenten.

   [7] Mitleid.

   [8] Wenn sie Blödsinn schwatzen.


                                  136

                                                      22. Januar 1852.

Lieber Marx!

Inliegend der siebente Artikel für die Tribune. Der achte usw. wird
morgen abend gemacht werden, heute werde ich etwas für Weydemeyer fertig
machen. Ich behalte mir für Weydemeyer zunächst England vor, da ich mich
nicht entschließen kann, deutsche Zeitungen zu lesen und etwas über
Deutschland zu machen. Könntest Du Lupus, der hoffentlich auch wieder
flott auf den Beinen ist, nicht bewegen, etwas „aus dem Reiche“ zu
liefern? – Weerth wird nächste Woche etwas für Weydemeyer schaffen,
diese Woche kann er nicht. Übermorgen hoffe ich ihn hier zu sehen, und
vielleicht kommt er in acht bis vierzehn Tagen nach London, da es ihm
wieder vor lauter Ungeduld wie heiße Kohlen unterm Hintern brennt.

Da gestern der Pacific von New York eingesprungen ist, so könnte es
sein, daß ich morgen die versprochenen Nummern von Weydemeyer erhielte
– doch rechne ich nicht darauf, da er vielleicht den englischen
Postdampfer abgewartet hat. Er muß übrigens weniger schicken, 50 Nummern
ist zu viel und wird wahrscheinlich ein Heidengeld kosten; und wem
sollten wir die alle schicken? Ich will sehen, was die Kosten sind, und
im Notfall, wenn er nicht durch Paketversendungsagenturen die Sache
wohlfeiler einrichten kann, so reichen 10 Exemplare vollkommen aus; denn
auf _Abonnenten_ in Europa kann er doch nicht rechnen. Vielleicht ein
paar in London, sonst doch nur etwa in Hamburg. Dazu gehörte auch eine
Agentur, und die würde sich nicht bezahlen. – Hoffentlich schickst Du
mir jetzt auch bald einen Artikel für die Tribune zum Übersetzen.

Jones schrieb an mich und verlangt Beiträge. Ich werde mein Bestes tun
und hab’s ihm versprochen. Bei alledem geht mir ein Stück freie Zeit zum
Ochsen nach dem anderen fort, und das ist schlimm. Ich muß sehen, wie
ich mich einrichte und das Kontor prelle. Jones schrieb von einer
Gemeinheit von Harney gegen ihn, und von 15 Pfund, um die er geprellt
sei, worüber Du mir Näheres sagen könntest – was ist das? Er war
natürlich _very busy_[1] und schrieb sehr in abgebrochenen Sätzen und
Ausrufungszeichen. –

Daß der brave Louis Napoleon Krieg anfangen muß, ist sonnenklar, und
wenn er sich mit Rußland verständigen kann, so wird er wohl mit England
anbinden. Es hätte das seine guten und seine schlimmen Seiten. Die
Einbildung der Franzosen, sie könnten in fünf Stunden London und England
erobern, ist sehr ungefährlich. Was sie jetzt allerdings können, sind
plötzliche Piratenüberfälle mit 20 000, höchstens 30 000 Mann, die aber
nirgends viel ausrichten könnten. Brighton ist die einzige ernstlich
bedrohte Stadt; Southampton usw. sind mehr als durch alle Befestigungen
durch ihre Lage in tiefen Buchten, die nur zur Flutzeit und nur mit
lokalen Lootsen zu befahren sind, sichergestellt. Der höchste Effort,
den eine französische Landung zustande bringen könnte, wäre die
Zerstörung von Woolwich; aber selbst dann müßten sie sich verdammt
hüten, nach London zu gehen. Für jede ernsthafte Invasion müßte der
ganze Kontinent zusammen den Engländern wenigstens _a years notice_[2]
geben, und sechs Monate reichen hin, um England in Verteidigungszustand
gegen jeden Angriff zu setzen. Der gegenwärtige Alarm ist absichtlich
übertrieben, und die Whigs helfen bestens dazu. Laß die Engländer ein
Dutzend Linienschiffe und Steamer zurückrufen, ein zweites Dutzend von
jeder Sorte, die halbfertig in den Häfen liegen, ausrüsten, 25 000 Mann
mehr Truppen halten, freiwillige Jägerbataillons mit Miniéschen Büchsen
organisieren und dazu etwas Miliz und etwas Exerzitium für die
_yeomanry_,[3] und sie sind vorderhand sicher. Der Alarm ist aber sehr
gut, die Regierung hatte die Geschichte wirklich famos verkommen lassen,
und das wird aufhören; und dann, wenn es zu etwas kommt, sind sie so
gerüstet, daß sie jeden Landungsversuch zurückweisen und sofort Revanche
nehmen können.

Sonst sehe ich nur zwei Chancen für Louis Napoleon, wie er Krieg
anfangen will: 1. gegen Österreich, das heißt gegen die ganze heilige
Allianz, oder 2. gegen Preußen, wenn dies von Rußland und Österreich
fallen gelassen wird. Indes dies letztere ist sehr zweifelhaft, und ob
er mit der heiligen Allianz anbindet, fragt sich sehr. Piemont, die
Schweiz und Belgien werden ihm, sei es von England, sei es von der
heiligen Allianz, nicht überlassen. Die Sache wird so schön vertuckt,
daß schließlich der pure Zufall entscheiden muß.

_Und à l’intérieur_,[4] welche famose Entwicklung! Die Mordversuche
werden schon ganz alltäglich und die Maßregeln immer schöner. Flöge doch
endlich der Herr de Morny, der noch etwas den Tugendhelden spielt, und
konfiszierte der Edle doch das Vermögen der Orleans!

Man kann einem Gouvernement Blanqui nicht besser vorarbeiten, wie dieser
Esel tut.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Sehr beschäftigt.

   [2] Ein Jahr Voranzeige.

   [3] Landmiliz.

   [4] Im Innern.


                                  137

                                       28 Deanstreet, 24. Januar 1852.

Lieber Frederic!

Ich schreibe nur wenige Zeilen, da eben ein Brief von Bermbach aus Köln
ankommt, von dem ich wünschte, daß Du ihn noch morgen erhieltest. Es ist
nun unumgänglich, daß Du erstens über die Kölnische Angelegenheit einen
Brief _to the editor of the Times_[1] mir schickst, nebst ein paar
Zeilen, die ich vorherschicke dem _corpus delicti_. Zweitens daß Du in
Deinem eigenen Namen an die Daily News dasselbe tust, obgleich natürlich
das eigentliche _corpus delicti_, das heißt die Insertion selbst, mit
„_a Prussian_“[2] oder dergleichen unterschrieben wird. Ich glaube, daß
an die Times der „Doktor“ und an die Daily News der Manchester
„Merchant“ besser tun, _id est_ mehr Chancen der Aufnahme finden wird.
Nenne die Leute bei ihren Titeln: Dr. Becker, Dr. (!) Bürgers, Dr.
Daniels, Dr. Klein, Dr. Jacobi, Otto (ein in Deutschland
wissenschaftlich renommierter Chemiker), Röser und Nothjung. Dieser
kölnische Anklagesenat ist das _nec plus ultra_ von Feigheit. Übrigens
sind die Richter nach dem neuen Disziplinargesetz auch nicht mehr
„unabsetzbar“, wenigstens nur nominell.

Dein Artikel für Dana ist famos.

Ich habe _poor_ Weydemeyer natürlich seit Deiner Anwesenheit nur noch
einen Artikel schicken können. Die Hämorrhoiden haben mich diesmal mehr
angegriffen als die französische Revolution. Ich will sehen, was ich die
nächste Woche fertig bringe. Auf die Bibliothek zu gehen, erlauben die
hinteren Verhältnisse noch nicht. Die Konfiskation der orleanischen
gestohlenen und erbettelten Güter! Abtritt Foulds! Persigny! Bravo! _Ça
marche._[3]

Merkwürdig ist es, wie _army, navy, colonies, fortifications and the
whole administration_[4] verfault ist unter diesem sonderbaren
aristokratischen Cliquenregime, das die englischen Bourgeois seit 1688
an der Spitze der Exekutivgewalt traditionell mitgeschleppt haben. Nach
dem englischen Überheben und liberalen Geheul unter Kossuths Ägide, nach
den kosmopolitisch-philanthropisch-kommerzialen Friedenshymnen während
der Exhibition, kurz nach dieser Periode der bürgerlichen
Selbstüberhebung, ist es erquicklich, wenn die Canaillen jetzt finden,
daß nicht etwas, sondern alles im Staate Dänemark faul ist. Und dann
sehen die Herren auch gar zu bequem den kontinentalen Kämpfen zu.

Salut!

                                                            Dein K. M.

Die zwei einliegenden Briefe, wenigstens den von Cluß, schicke umgehend
zurück.

----------

   [1] An den Redakteur der Times.

   [2] Ein Preuße.

   [3] Die Sache marschiert.

   [4] Heer, Flotte, Kolonien, Befestigungen und die ganze Verwaltung.


                                  138

                                          Manchester, 28. Januar 1852.

Lieber Marx!

Inliegend das Ding für die Times. Du schreibst dabei ganz einfach: _Sir,
I do believe the publication of the scandalous facts contained in the
annexed letter will contribute to throw some lights upon the state of
things on the Continent. – The correctness of these facts I guarantee,
etc._[1] Namen und Adresse.

Meins an die Daily News geht heute abend mit der zweiten Post ab;
besorgst Du die Sache also gleich, so kommen beide Briefe fast
gleichzeitig in den respektiven Offices an und können in der
Freitagsnummer stehen. Gib aber den Brief _in Charing Croß auf_; bei den
Nebenoffices ist zu viel Verzug.

Die beiden Briefe von Cluß und Bermbach inliegend zurück. An Deinem
Brief vom Samstag wieder das Siegel in miserablem Zustand; es erfolgt
inliegend. Wie verhält es sich damit?

Ich unterzeichne in den Daily News einfach: _A German Merchant_.[2]

Schreibe bald

                                                          Deinem F. E.

[Auf der Rückseite steht in Englisch folgender Brief, der hier sofort in
Übersetzung gegeben wird:]

   „An den Redakteur der Times!

   Mein Herr! Die Vernichtung der letzten Reste einer unabhängigen
   Presse auf dem Festland hat es zur Ehrenpflicht der englischen
   Presse gemacht, jeden Akt der Ungesetzlichkeit und Unterdrückung in
   diesem Teil Europas zur Kenntnis zu nehmen. Erlauben Sie mir daher,
   eine Tatsache vor die Öffentlichkeit zu bringen, die beweist, daß
   die Richter in Preußen durchaus auf einer Stufe stehen mit den
   politischen Handlangern Louis Napoleons. Sie wissen, welch
   wertvolles Regierungsmittel eine wohlangefertigte Verschwörung
   bilden kann, wenn sie im geeigneten Moment aufgetischt wird. Die
   preußische Regierung brauchte eine solche Verschwörung zu Anfang des
   vorigen Jahres, um ihr Parlament gefügig zu machen. Demgemäß wurden
   eine Anzahl Leute verhaftet und die Polizei in ganz Deutschland in
   Bewegung gesetzt. Aber es ward nichts gefunden, und schließlich
   wurden nur einige wenige Personen unter dem Vorwand in Köln in Haft
   behalten, daß sie die Führer einer weitverbreiteten revolutionären
   Organisation seien. Es sind dies hauptsächlich Dr. Becker und Dr.
   Bürgers, zwei Herren von der Presse, Dr. Daniels, Dr. Jacobi und Dr.
   Klein, praktizierende Ärzte, von denen zwei die herben Pflichten von
   Armenärzten mit Ehren erfüllt hatten, und Herr Otto, Leiter eines
   großen chemischen Unternehmens und in seinem Lande wegen seiner
   Leistungen in der Wissenschaft der Chemie wohl bekannt. Da indes
   kein Beweis gegen sie erbracht war, wurde ihre Freilassung jeden Tag
   erwartet. Während sie jedoch noch im Gefängnis waren, wurde das
   ‚Disziplinargesetz‘ verkündet, das die Regierung in den Stand setzt,
   sich vermittels eines sehr kurzen und leichten Verfahrens jedes
   lästigen richterlichen Beamten zu entledigen. Die Wirkung dieses
   Gesetzes auf das bis dahin langsam und schleppend sich hinziehende
   Verfahren gegen die obengenannten Herren war eine fast unmittelbare.
   Nicht nur wurden sie in Sonderhaft gehalten, wurde ihnen jeder
   selbst schriftliche Verkehr miteinander oder ihren Angehörigen
   [Freunden] verweigert und wurden sie der Bücher und
   Schreibmaterialien, Dinge, die in Preußen dem gemeinsten Verbrecher
   vor der Verurteilung bewilligt werden, versagt, es nahm das
   Gerichtsverfahren überhaupt einen völlig anderen Charakter an. Die
   _Ratskammer_ (Sie wissen, wir werden in Köln nach dem _Code
   Napoléon_ abgeurteilt) ward sofort bereit gefunden, zu erklären, daß
   Anlaß zu einer Anklage vorliege, und die Sache kam vor den
   Anklagesenat, ein Kollegium von Richtern, das die Funktionen einer
   englischen Großen Jury versieht. Aus das ohnegleichen dastehende
   Erkenntnis dieses Kollegiums bitte ich besonders Ihre Aufmerksamkeit
   lenken zu dürfen. In diesem Erkenntnis findet sich wörtlich
   übersetzt folgende außerordentliche Stelle: ‚In Erwägung, daß kein
   zuverlässiges Beweismaterial erbracht worden ist und daß daher kein
   Anklagefall festgestellt ist, _liegt kein Grund vor, die Anklage
   aufrechtzuerhalten_ (die notwendige Folgerung ist, werden Sie
   annehmen, daß die Angeschuldigten in Freiheit zu setzen sind? Ganz
   und gar nicht), – sind sämtliche Protokolle und Urkunden dem
   Untersuchungsrichter zur erneuten Untersuchung zurückzugeben.‘ Das
   heißt also, daß nach zehnmonatiger Haft, während welcher Zeit weder
   der Eifer der Polizei noch der Scharfblick des Staatsanwaltes den
   Schatten einer Anklage zustande bringen konnten, das ganze Verfahren
   von Anfang an aufs neue beginnen soll, um vielleicht nach einem
   zweiten Jahre Untersuchungen ein drittes Mal dem
   Untersuchungsrichter überwiesen zu werden. Diese offenbare
   Verletzung des Gesetzes wird durch folgendes erklärt: Die Regierung
   bereitet gerade jetzt die Schaffung eines Staatsgerichtshofs vor,
   der aus dem servilsten Material zusammensetzt werden soll. Da ihr
   eine Niederlage vor den Geschworenen sicher wäre, muß die Regierung
   die Schlußverhandlung dieser Sache verschleppen, bis sie vor den
   neuen Gerichtshof kommen kann, der natürlich der Krone jede, den
   Verhafteten aber keinerlei Garantie bietet. Würde es nicht sehr viel
   ehrenvoller für die preußische Regierung sein, über die Angeklagten
   von vornherein durch königliches Dekret Spruch zu verhängen, wie
   dies Louis Napoleon getan hat? Ich bin, mein Herr, Ihr sehr
   ergebener Diener.

                                                          Ein Preuße.“

----------

   [1] Mein Herr! Ich hoffe, die Bekanntgabe der im beifolgenden Brief
   aufgeführten skandalösen Tatsachen wird etwas dazu beitragen, die
   gegenwärtigen Zustände auf dem Festland zu beleuchten. Für die
   Richtigkeit der Angaben verbürge ich mich.

   [2] Ein deutscher Kaufmann.


                                  139

                                          Manchester, 29. Januar 1852.

Lieber Marx!

Es ist ärgerlich, daß man sich auf das Geschehen von Nichts verlassen
kann, was man nicht selbst tut. Durch die Dummheit unseres Ausläufers
ist mein Brief an die Daily News gestern nicht abgegangen; jetzt ist es
zu spät. Ich kann ihn also nur zurückhalten, bis ich sehe, ob die
morgige oder Samstags-Times den Deinigen hat. Wo nicht, geht er sofort
ab. In der Zwischenzeit eine Konsideration:[1] Wäre _Freiligrath_ nicht
der wahre Mann für die Daily News? Ich könnte, wenn er dorthin schriebe,
die Weekly Preß und den Sun versuchen. Wir zwei sind schon einmal bei
der Daily News abgefahren.

Inliegend ein weiterer Artikel für Dana. Vielleicht läßt er sich, nach
dem Ende der polnischen Geschichten, halbieren – besser indes wär’s, er
bliebe zusammen. Teilst Du ihn, so kannst Du beide Hälften doch mit
demselben Steamer schicken, da vor morgen über acht Tage kein weiterer
Steamer ist. Ich will sehen, daß ich jetzt ziemlich rasch vorgehe, _say_
[sage] zwei Artikel pro Woche, um das Subjekt zu Ende zu bringen. Es
wird doch 15 bis 16 Artikel werden, im ganzen.

Von Weydemeyer keine Nummern erhalten, auch keinen Brief. Das wundert
mich. Ich werde ihm heute abend wieder einen Artikel zurechtmachen. –

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Erwägung.


                                  140

                                                      2. Februar 1852.

Lieber Marx!

Erinnerst Du Dich eines Flüchtlings _Richter_ aus Torgau (preußisch
Sachsen), Sattler und Tapezierer – der früher in London war? Dieser
Mensch, den ich mich erinnere in London gesehen zu haben – groß, blond,
Flüchtlingsmanieren –, kommt plötzlich hier zu mir, angeblich von
Barmen zurückkehrend, wo er eine Zeitlang ohne Papiere gearbeitet haben
will, und bringt Grüße von Hühnerbein usw. usw. Ich kann mich absolut
nicht auf ihn besinnen, außer daß ich ihn gesehen habe. Unsere
Flüchtlingsregister und Pfänders oder Rings gutes Gedächtnis werden
jedenfalls etwas Näheres über ihn besagen. Ich habe eine gewisse Ahnung,
daß der Kerl einer von der Willichschen Clique ist – in dem Falle
schmeiße ich ihn sofort heraus.

Wegen der Geschichte der Kölner kann ich bis jetzt in der Times nichts
entdecken. Ich warte nur Antwort von Dir ab, um sofort, _s’il y a
lieu_,[1] an die Daily News zu schreiben. Der amerikanische Steamer ist
herein, aber zu meiner großen Verwunderung kein Brief von Weydemeyer,
auch keine Nummern, wenigstens bis jetzt. Möglich indes, daß dies auch
morgen noch kommt.

                                                            Dein F. E.

Sage Pieper, ich würde ihm seine 2 Pfund dieser Tage schicken, da der
neue Monat angebrochen ist.

----------

   [1] Wenn es am Platze ist.


                                  141

                                 28 Deanstreet, Soho, 4. Februar 1852.

Lieber Engels!

Weerth ist heute morgen nach Holland abgereist. Wohin er sich von da
begeben wird? Ich weiß es nicht, und Weerth vielleicht auch nicht. Er
war, wie immer, höchst zerfallen mit seinem Schicksal, und was das
unsere angeht, so schien ihm nur das eine unbequem daran, daß wir in
London sitzen mußten statt in Cadix, in Saragossa oder an einem anderen
verwünschten spanischen Platze. Denn seit Weerth wieder in Yorkshire
gelebt hat, erklärt er, daß er in Spanien seine schönste Zeit erlebt
hat. Er behauptet, daß er das englische Klima nicht vertragen kann und
wird das holländische daher wohl sehr komfortabel finden. Wünschen wir
ihm _le bon voyage_ und _attendons_,[1] ob er sein Wort halten und an
Weydemeyer denken wird.

Ich hatte der Times vorigen Donnerstag, _il y a donc presque une
semaine_,[2] den „_letter to the Editor_“[3] zugeschickt. Es scheint,
daß dieses Blatt jetzt, wo es aus der Polemik gegen Bonaparte ein Metier
macht, Preußen zu schonen für nötig hält. Du mußt Dich also an die Daily
News wenden. Mißlingt auch das, was ich nicht glaube, so bleibt der
Spectator. _Il est presque sur._[4]

Gestern schickt mir G. J. Harney die erste Nummer seines
wiedererstandenen und etwas vergrößerten Friend of the people[5] zu.
Wenn er sich darum acht Monate aus der Welt zurückgezogen und in dem
tiefsinnigen Schottland vergraben hatte – doch _un seul passage suffira
pour te faire goûter cette fruit délicieuse_:

„_Justice – Immuable, Universal – Eternal_

_proclaims the sublime principle which will be, at once, our guiding
star, the rule of our conduct, and the test etc._“ _En voilà assez!_[6]
Den Bonaparte aber hat er hinlänglich gestraft, indem er ihn „_Louis the
Base_“[7] nennt.

Ich weiß nicht, ob der Exdear mir das Blättchen zugeschickt hat, um uns
Mitleid abzunötigen, oder ob er aus Malice gegen uns noch platter
demokratisch geworden ist, als wir es für möglich gehalten hätten.
Übrigens neben der Plattheit und der _Justice immuable_ finden sich die
schamlosen Kunststücke des _trading demagogue_.[8] Gegen Jones – durch
den _spirit of freedom_,[9] den Spouter Massey, Sekretär der
Schneiderassoziation in Castlestreet, läßt er eine Apologie der
Assoziationen im allgemeinen und der _Amalgamated Society_ im besonderen
bringen, die sich durch viele Nummern abzuspinnen droht. Und Rhadamantus
Harney hatte Jones selbst gesagt, daß er _au fond_ seiner Ansicht über
die Assoziationen ist. Gleichzeitig zeigt er an: „_Kossuths Reception
and Progress in America_“, obgleich er in einem Briefe an Jones Kossuth
als Humbug bezeichnet hat. So sind die Herren von dem „_sublime
principle_“. _Je ne sais que c’est que des principes, sinon des règles
qu’on prescrit aux autres pour soi._[10] Harney hat sich eine Zeitlang
zurückgezogen, den Jones mit seinem _tempérament fougueux_[11] in die
Suppe der Popularität spucken lassen, um sie selbst zu essen. Aber, wenn
er vielleicht dem Jones schadet, er selbst wird zu nichts kommen. Der
Kerl ist vollständig gebrochen als Schriftsteller, und wie mir Lupus
sagt, der ihn in Jonesstreet speechmachen hörte, auch als Redner, vor
allem aber als Mensch. In dieser Chartistenagitation ist O’Connor
_verrückt_ geworden (hast Du seine jüngste Szene vor Gericht gelesen?),
Harney abgeschmackt und Jones bankrott. _Voilà le dernier but de la vie
dans tous les mouvements populaires._[12]

Ein Franzose namens Massol hat mich besucht. Kurze Zeit Mitarbeiter an
der Réforme unter Lammenais. Früher unter den _civilisateurs_,[13] die
sich Mehemed Ali aus Gallien verschrieben hatte. Er ist einer von den
wenigen _hommes d’esprit_,[14] die man unter den Franzosen noch findet.
Nach ihm ist Sassonoffs Aufenthalt in Paris (das dieser jetzt übrigens
verlassen muß) durchaus erklärt durch einen sehr soliden falschen Paß
und durch Verbindungen mit einigen _femmes galantes_, die in den
höchsten Kreisen _influence_ haben. Massol wird Dir gefallen.
Außerdem habe ich _les citoyens_ Vallières (alter Barbésist und
Barrikadenoffizier), Bianchi und Sabatier gesehen. Letzterer sehr fein,
aber _en général_ nicht über dem Durchschnittsniveau.

Dronke ist, wie ich höre, in Savoyen.

Sei so gut – vergiß es aber nicht –, mir die Tribunes zu schicken.
Johnson, der Freund Freiligraths, wünscht die Artikel über Germany zu
lesen.

Was die Handelsgeschichte angeht, so werde ich nicht mehr klug daraus.
Bald scheint die Krise vor der Tür zu stehen, die City niedergeschlagen,
bald wieder alles obenauf. Ich weiß, daß das alles der Katastrophe
keinen Eintrag tut. Aber um die aktuelle Bewegung zu verfolgen, dazu ist
London in diesem Augenblick nicht der Ort.

Salut!

                                                            Dein K. M.

Mit dem Siegel, das ist sehr verdächtig. Schicke mir _das jetzige_, das
ich genau in Augenschein genommen, zurück.

----------

   [1] Gute Reise und warten wir ab.

   [2] Also fast vor einer Woche.

   [3] Brief an den Redakteur.

   [4] Es ist beinahe sicher.

   [5] Volksfreund.

   [6] Ein einziger Satz wird hinreichen, Dir einen Geschmack von
   dieser delikaten Frucht zu geben: „_Unerschütterliche, universelle
   – ewige Gerechtigkeit_, darin ist das erhabene Prinzip ausgedrückt,
   das gleichzeitig der Leitstern, die Richtschnur unseres Handelns wie
   der Prüfstein usw.“ Das genügt.

   [7] Louis den Niedrigen.

   [8] Geschäftsdemagogen.

   [9] Geist der Freiheit.

   [10] „Erhabenen Prinzip“. Ich weiß nicht, was Prinzipien sind außer
   Regeln, die man anderen für sich vorschreibt.

   [11] Stürmischen Temperament.

   [12] Das ist der letzte Lebenszweck in allen Volksbewegungen.

   [13] Zivilisierer [Erzieher].

   [14] Leute mit Grips.


                                  142

                        28 Deanstreet, Soho, Freitag, 6. Februar 1852.

Lieber Engels!

Soeben erhalte ich Deinen Aufsatz.

Ich schreibe Dir nur drei Zeilen, da die Zeit drängt wegen des Abganges
der Post nach Amerika und ich erst später ausgehen kann, um mich über
den „Richter“ zu erkundigen.

Es ist mir allerdings lieb, wenn Du die 3 Pfund _mir_ einstweilen durch
Postorder zuschicktest. Ich erhalte die nächste Woche _some money_[1]
und werde dann dem Pieper die 2 Pfund in Deinem Namen zustellen. Mir ist
es aber wichtig, sie _anfangs_ der Woche zu haben, was ihm gleichgültig
sein kann, da er einstweilen noch wohlversorgt ist.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Etliches Geld.


                                  143

                                                     17. Februar 1852.

Lieber Marx!

Du wirst wütend über mich sein, daß ich so kurz angebunden bin, aber der
Teufel soll mich holen, wenn ich vor lauter Arbeit und Commerce weiß, wo
mir der Kopf steht. _Voici les faits_:[1] 1. Charles ist nach
Deutschland und hat mir nicht nur seinen ganzen Stock Arbeit, sondern
noch ein hübsches Restchen der mit dem Jahresschluß verknüpften
Restantarbeiten hinterlassen; 2. die Bilanz vom vorigen Jahre bringt
meinem Alten _positiven Verlust_, was ihm zwar sehr gesund ist, was aber
mir dafür eine heillose Masse Geschichten, Kalkulationen, Arbeiten usw.
an den Hals bringt; 3. einer der Ermens hat den Kontrakt gekündigt, und
die Intrigen und Korrespondenzen, die sich daran knüpfen, kannst Du Dir
denken. Genug: Heute abend sitze ich bis 8 Uhr auf dem Kontor, und statt
Dir ausführlicher schreiben zu können, muß ich noch einen Brief nachher
an meinen Alten schreiben und ihn vor 12 Uhr nachts aufs Postoffice
tragen; morgen abend muß ich für Jones etwas machen, und übermorgen will
ich sehen, daß ich für die Tribune einen Artikel fertig bringe. An freie
Zeit vor 7 bis 8 Uhr abends ist jetzt vorderhand nicht zu denken, und
das schlimmste ist, daß ich jetzt für einige Zeit dem elenden Handel
meine ganze Aufmerksamkeit widmen muß, sonst geht hier alles schief und
mein Alter stoppt mir die _supplies_.[2]

Die 2 Pfund wirst Du erhalten haben. Laß bald von Dir hören, selbst wenn
ich nicht die Muße finden sollte, Deinen letzten Brief ausführlich zu
beantworten.

Nach der heutigen Daily News wird Louis Napoleon ja Kaspar Hauser
exhumieren und sich vermittels seiner Tante Stephanie als Thronerben von
Baden melden. _Voilà de grandes nouvelles pour le citoyen Seiler dont
l’étoile va se lever incessamment._[3] Könnt ihr den großen Historiker
des K. H. [Kaspar Hauser] nicht dahin bringen, daß er an Louis Napoleon
schreibt und ihm seine wichtigen Quellen in dieser Geschichte anbietet?
_Il y a là de quoi faire un grand coup._[4]

                                                            Dein F. E.

Wie kommt’s nur, daß Weydemeyer nichts von sich hören läßt? Bringt
morgen früh der Dampfer Arctic keinen Brief, so gebe ich’s auf, es muß
was los sein. Seit dem 5. Januar hat er, soviel ich weiß, nicht
geschrieben, wenigstens habe ich nichts gehört.

----------

   [1] Dies die Tatsachen.

   [2] Zufuhren.

   [3] Das sind großartige Nachrichten für den Bürger Seiler, dessen
   Stern unverzüglich aufsteigen wird.

   [4] Das ist Stoff für einen großen Streich.


                                  144

                                28 Deanstreet, Soho, 18. Februar 1852.

[Marx an Engels, ohne Anrede.]

Ich werde Dir _Sonnabend_ ausführlich schreiben. Heute nur wenige
Zeilen.

Ich habe das Geld, das mir von Haus versprochen ist, noch nicht
erhalten, also Deine 2 Pfund dem Pieper noch nicht zustellen können, ihm
aber gesagt, ich hätte einige Zeilen von Dir erhalten, worin Du mir
anzeigtest, daß ich Geld für ihn von Dir zugeschickt bekommen würde.
Hoffentlich kann ich diese Woche noch zahlen.

Wenn Deine Zeit so sehr in Anspruch genommen ist, tust Du sicher besser,
für Dana als für Jones zu schreiben. Aus dem einliegenden Briefe von
Weydemeyer siehst Du noch mehr, wie nötig es ist, diese Artikel nicht zu
unterbrechen. Jetzt gilt es, die Angriffe auf die Frankfurter Linke zu
verdoppeln in der Tribune, speziell wenn Du auf den „Märzverein“ kommst.
Ich schicke Dir heute zur Aushilfe Bauers Buch, worin sich wenigstens
einige Fakta finden.

_Ich ersuche Dich wiederholt, mir die Nummern der Tribune umgehend zu
schicken_, da Johnson der einzige Engländer ist, an den ich mich _in
extremis_ – und ich schwebe immer am Rande – wenden kann. Vergiß dies
diesmal nicht.

Wie kommt es, daß W[eydemeyer] _keinen_ Deiner Artikel empfangen hat? Du
mußt eine Untersuchung darüber anstellen.

                                                            Dein K. M.


                                  145

                                         Manchester, 19. Februar 1852.

Lieber Marx!

Trotz der größten Mühe bin ich – da ich Deinen Brief erst heute morgen
erhielt – bis jetzt – 11 Uhr abends – nicht mit dem Artikel für Dana
fertig geworden. Den Bauer hab’ ich erhalten – kommt sehr zu gut. Du
wirst dafür, mag die Geschichte gehen wie sie will, für nächsten
Dienstagsteamer zwei Artikel für D[ana] erhalten. Tu mir nur den
Gefallen und schließe, da Deine Briefe an Weydemeyer kommen und meine
nicht, sofort den inliegenden Zettel an Weydemeyer ein und spediere ihn.
Es ist das eine kuriose Geschichte. Auch zwei Briefe oder drei an meinen
Alten scheinen nicht angekommen zu sein. _Cela n’est pas clair._[1]

Sage Jones, daß ich ihm für nächste Woche etwas besorgen werde, oder
schreibe ihm ein Billett des Inhalts. Der Teufel weiß, woher mir jetzt
auf einmal alle Abhaltungen auf den Hals kommen, daß ich nichts anfangen
kann. Aber Samstag und Sonntag werde ich mich einschließen, und dann
hoffe ich etwas fertigzubringen.

Warum schickt Weydemeyer nicht den Simonschen Artikel mit, damit wir
selbst zusehen können? Wir würden mit einem bissigen Gegenartikel dem
Dana schon beweisen, daß nichts dabei herauskommt, wenn er Sachen gegen
uns nimmt.

                                                            Dein F. E.

Schreibe mir doch einmal genau die Adresse, unter der Du an Weydemeyer
geschrieben hast.

----------

   [1] Die Sache ist nicht klar.


                                  146

                                                     23. Februar 1852.

_Dear Frederic!_

Ich muß Dich noch einmal um die Tribune treten, da ich täglich von
Johnson getreten werde. Was Du an Papieren etwa von Weydemeyer erhalten,
bitte ich mir auch zuzusenden. Deine Adresse an Weydemeyer war
vollständig richtig.

Apropos. Der Straubinger Richter ist nach Pfänders Aussage eine Kreatur
von Willich. [Vergleiche Brief 140.]

E. Jones hat Deine Korrespondenz, natürlich ohne Dich zu nennen,
furchtbar reklamenhaft angekündigt. Durch die Konkurrenz Harneys, der,
der Teufel weiß woher, Geld aufgetrieben hat und große _Annoncenwagen_
durch die City spazieren läßt mit der Aufschrift: „_Read the Friend of
the People_“,[1] dessen Blatt in allen Sozialistenshops ausgehangen und
angeboten wird – ist er zu dieser Marktschreierei gezwungen.

Ich werde die Nummer der Tribune, worin Herr Simon renommiert,
auftreiben und Dir verschaffen .... Bonaparte hat umsonst für diese Esel
gelebt. Sie glauben immer noch an das „allgemeine Wahlrecht“ und sind
bloß mit dem armseligen Kalkül beschäftigt, wie sie ihre elenden
Personalitäten abermals dem deutschen Volke oktroyieren sollen. Wie der
kleine eitle Patron zu der Tribune geraten, ist mir sehr erklärlich. _Le
citoyen Froebel aura été l’homme intermédiaire._[2] Er hängt seit lange
mit Dana zusammen.

Einliegend ein Brief von Reinhardt, worin hübsche Cancans.[3]

Russell ist auf possierliche Weise gestürzt. Ich wünsche nichts mehr,
als daß Derby ans Ruder kommt. Du hast während dieser kurzen Session
gesehen, wie elend die Manchestermänner sind, wenn die _force des
choses_[4] sie nicht treibt. Ich verdenke es den Burschen nicht. Jede
weitere demokratische Eroberung, wie zum Beispiel die Ballot, ist eine
Konzession, die sie den Arbeitern natürlich nur _en cas d’urgence_[5]
machen.

Gestern sprach ich einen französischen Merchant, der eben von Paris
ankam. Das Geschäft miserabel. Und weißt Du, was der Esel sagt?
_Bonaparte fait pire que la république. Les affaires allaient mieux._[6]
Es ist ein wahres Glück, daß die französischen Bourgeois stets ihr
Gouvernement für die Handelskrisen verantwortlich machen. Bonaparte ist
wahrscheinlich auch an der Arbeitslosigkeit in New York und an den
Bankrotten in London schuld.

Ewerbeck hat mir 12 Exemplare seines dickleibigen Werkes: „_L’Allemagne
et les Allemands_“ geschickt. Eins für Dich. So etwas ist noch nie
gesehen und gehört worden. Der historische Teil, der _ab ovo_[7]
anfängt, ist eine Kopie veralteter Schulkompendien .... Dazu ein Stil _à
pouffer de rire_.[8] Zum Beispiel: wie aus den Drachenzähnen Jasons
Krieger erwuchsen, so – liegen sich die deutschen Stämme beständig in
den Haaren. _Romulus Augustulus était un jeune homme doux et
agréable_,[9] und die Deutschen sind seit drei Jahrhunderten gewohnt,
sich von ihren Nachbarn _des bêtes_[10] genannt zu hören.

Hast Du die albern-infame Rede Mazzinis gelesen?

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Lest den Friend of the People [Volksfreund]!

   [2] Der Bürger Fröbel wird der Vermittler gewesen sein.

   [3] Klatschereien.

   [4] Gewalt der Dinge.

   [5] Im Notfall.

   [6] Bonaparte wirkt schlimmer als die Republik. Die Geschäfte gingen
   [vorher] besser.

   [7] Vom Ei [Uranfang] an.

   [8] Um vor Lachen zu platzen.

   [9] Romulus Augustulus war ein sanfter und einnehmender Jüngling.

   [10] Viehe, das heißt Dummköpfe.


                                  147

                                28 Deanstreet, Soho, 27. Februar 1852.

Lieber Engels!

Ich sehe, daß ich das vorige Mal den Brief von Reinhardt vergessen habe.
Den Artikel an Dana geschickt, von dem ich noch keine Antwort habe auf
meine Forderung, mir in London ein Haus anzuweisen. Meine Alte hat trotz
ihres Versprechens noch nichts von sich hören lassen. Auf Briefe an
Bekannte in Deutschland habe ich bisher ebensowenig eine Antwort
erhalten. Seit einer Woche habe ich den angenehmen Punkt erreicht, wo
ich aus Mangel an den im Pfandhaus untergebrachten Röcken nicht mehr
ausgehe und aus Mangel an Kredit kein Fleisch mehr essen kann ...

Ich schreibe heute nicht ausführlich, da ich mit dem Diktieren eines
Artikels für Weydemeyer und der Expedition und Korrektur der übrigen
Beiträge für ihn beschäftigt bin.

In der Augsburger [Allgemeinen] Zeitung habe ich gesehen, durch Seilers
Handlangerdienst, daß Herr Stirner eine „Geschichte der
Konterrevolution“ herausgegeben hat. Er wird beweisen, daß die
Revolution unterging, weil sie „die Heilige“ war, und die
Konterrevolution siegte, weil sie „egoistisch“ sich verhielt.

Am 25. Februar feierten die Franzosen ein Februarbankett oder vielmehr
ein trockenes Meeting mit Zubehör von Tee und Sandwiches. Ich und Frau
waren eingeladen. Das übrige Publikum hatte Zutritt für einen Frank. Da
ich weder hingehen konnte noch wollte, schickte ich meine Frau mit einem
_frenchman_ hin. Ledru-Rollin, Pyat, Thoré, Martin Bernard usw., kurz,
die ganze melinistische [?] Clique, von der die Sache ausgegangen war,
erschien nicht, weil das Entree zum Besten der Flüchtlinge ihr zu gemein
war. Louis Blanc hatte auch abgeschrieben. Es war nur die unterste Hefe
der Emigration da, die sich zum großen Teil blanquistisch nennt. Nachdem
aber der kleine, falsche Korse, der sich in irgend einem Parlour in der
Nähe aufhielt, nachdem ihm seine Spione die Abwesenheit Ledru-Rollins
und Ko. versichert, erschien, und bei dem gänzlichen Mangel an Talent
und Autorität, wurde der kokette stahlblaue Frack mit _rapturous
applause_[1] aufgenommen. Seine Rede, nach deren Abhaltung er sich
sofort entfernte, brachte seine Feinde zum Entzücken. Riß sie hin.
Besiegte sie. Und was sagte _that little man_,[2] dieser Johnny Russell
des Sozialismus? Man wundere sich hier im Ausland über die sonderbaren
Ereignisse in Frankreich; er glaube fester denn je an den Stern _de la
patrie_. Und warum? _Je veux_, sagte er, _vous expliquer le mouvement
historique etc._[3] Nämlich im Leben aller großen Militärs, zum Beispiel
von Frederic le Grand, von Napoleon le Grand, finden sich _des grandes
victoires et des grands revers. Eh bien! la France est une _nation
militaire_._ Sie hat ihre _élans_ und ihre _catastrophes_. _Quod erat
demonstrandum._[4] Was es wollte, hat es noch immer fertig gebracht,
1789 die Feudalität, 1830 die Könige verjagt. Wen wollte es 1848
stürzen? Du meinst vielleicht die Bourgeoisie. Beileibe nicht. _La
misère, la hideuse misère._[5] Folgt nun ein sozialistischer Tränenstrom
über die Misere. _La misère, ce n’est pas quelque chose de fixe, quelque
chose de saisissable_,[6] aber dennoch wird die französische Nation in
der neuen Revolution die Misere besiegen und dann _la mère ne détruira
pas de ses propres mains le fruit de ses entrailles, la petite fille de
sept ans ne se „groupera“ plus sous la machine_,[7] und was dergleichen
Eseleien mehr sind. Dabei verschwendete er in seiner Rede drei ganze
Witze. Er nannte Bonaparte 1. _un aventurier_, 2. _un btard_ und 3. _le
singe de son oncle_.[8] Die letztere Neuigkeit versetzte die Anwesenden
in wahre St. Veitstänze. _Qu’en dis-tu?_[9] Es ist, um an den _crapauds_
zu verzweifeln. Ihre Geschichte im großen ist epigrammatisch, ein wahres
dramatisches Kunstwerk, aber die Kerls! _Mon dieu!_ Herrn Blancs Einfall
erinnert mich an einen Witz, den mir Massol mitteilte. Bonaparte ist
nach zwölf abends regelmäßig betrunken, in der Gesellschaft der _mles
und femmelettes_,[10] die er in seinen Orgien um sich versammelt. Er
flucht und schwört dann. Eine der Damen seiner Bekanntschaft
entschuldigt ihn mit den Worten: _Mais c’est un militaire!!_[11]

Addio!

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Stürmischem Beifall.

   [2] Der kleine Mann.

   [3] [Stern] des Vaterlandes .... Ich will, sagte er, euch die
   Bewegung der Geschichte auseinandersetzen usw.

   [4] Große Siege und große Schlappen. Wohlan, Frankreich ist eine
   militärische Nation. [Sie hat ihre] Aufschwünge [und ihre]
   Zusammenbrüche. Was zu beweisen war.

   [5] Das Elend, das scheußliche Elend.

   [6] Das Elend ist nichts fest Umschriebenes, nichts zu Greifendes.

   [7] Die Mutter wird nicht mehr mit eigenen Händen die Frucht ihres
   Leibes vernichten, das Mädchen von sieben Jahren wird sich nicht
   mehr an die Maschine „gruppieren“.

   [8] 1. Einen Abenteurer, 2. einen Bastard und 3. den Affen seines
   Oheims.

   [9] Was sagst Du dazu?

   [10] Männchen [und] Weibchen.

   [11] Aber er ist ein Militär.


                                  148

                                             Manchester, 2. März 1852.

Lieber Marx!

Die 5 Pfund, die ich gestern zur Hälfte an Dich direkt, zur Hälfte unter
Kuvert an Lupus schickte, wirst Du erhalten haben. –

Stirners Geschichte der Reaktion ist, nach der Augsburger Allgemeinen
Zeitung, eine miserable Kompilation oder vielmehr Zusammenstellung von
Lesefrüchten und gedruckten und ungedruckten Stirnerschen
Zeitungsartikeln – „verschmähte Blätter und Blüten“ über alles in der
Welt und noch einiges andere –, zwei Bände, die mit der Drohung
schließen, daß der dritte „die Grundlage und das Lehrgebäude“ enthalten
werde. Weit entfernt, sich zum Heiligen zu versteigen, sind seine
eigenen Glossen vielmehr für höhere Töchterschulen bestimmt.

Der kleine Simon von Trier muß sich doch bei Dana schrecklich blamieren,
wenn er uns so lächerlichen Blödsinn unterschiebt und Dana dabei unsere
Artikel liest, die doch _anything but that_[1] enthalten .... Mein
Artikel für den Southampton Steamer hat diesen verfehlt, da ich mich um
einen Tag wegen dessen Abfahrt verrechnet hatte; Du erhältst ihn nun
Freitag mit noch einem zweiten, der die Sache bis Ende 1848 bringen
wird. Dann kommen die preußischen Kammern, die Reichsverfassungskampagne
und schließlich die preußisch-österreichischen Wirren von 1850/51,
endlich Konklusion – zusammen wird das Ganze vielleicht noch sechs bis
acht Artikel machen, Summa Summarum 17 bis 20 Artikel. – In vierzehn
Tagen wird Charles wieder hier sein, und dann habe ich mehr Zeit. Jones
muß sich bis dahin gedulden. –

Herr Derby also erklärt geradeheraus, daß er _à la_ Sir J. Graham
etwaige zukünftige Bandieras wieder den Österreichern und Konsorten in
die Hände spielen wird. Also wieder Brieferbrechungen _en masse_. Wer
hauptsächlich hierunter leiden wird, ist Mazzini und die Ungarn. Uns
wird das wenig genieren.

Die Unverschämtheit des Derby ist aber groß. „Ich erkläre euch hiermit,
daß ich bei passender Gelegenheit einen Zoll auf Korn legen werde. Wann,
darüber habe ich allein zu urteilen. Wenn ihr, die Majorität des
Unterhauses, aber nicht _des factieux_[2] sein wollt, so müßt ihr mich
in Ruhe lassen, bis ich mich so weit konsolidiert und das Land so weit
toryfiziert habe, daß ich in aller Gemütsruhe den ganzen Fortschritt der
letzten zwanzig Jahre wieder umwerfen kann.“ Das arme _house of
commons_![3] Anstatt eines Ministeriums, das sich in relativer Minorität
befand, erhält es jetzt eines, das in der absoluten und permanenten
Minorität ist, und es soll ihm nicht einmal Opposition machen dürfen.
Den schlappen Freetraders aber geschieht ganz recht. Die Kerls hatten
eine Schlacht gewonnen, eine neue strategische Linie erobert und
vernachlässigen, sie zu besetzen und zu befestigen, ja vernachlässigen,
vom Siege zu profitieren und selbst bloß den Feind zu verfolgen. Jetzt
haben sie die Schlacht noch einmal auf demselben Terrain zu liefern.
Dies Tory-Avènement[4] hat den Kerls die Fragen aber plötzlich enorm
klar gemacht. Die Parlamentsreform, und zwar bis zu einem Grade, der
wenigstens die unvermischten Tories und Whigs auf ewig von der
Herrschaft ausschließt und eine Majorität von Industriellen im Kabinett
und im Parlament sicherstellt, ist jetzt Lebensfrage für die
Fabrikanten. Hier sind diese Gentlemen wieder sehr aktiv. In diesem
Augenblick ist die Anti-Corn-Law-League versammelt und berät, ob sie
sich wieder organisieren soll. Cobden, Bright, M[ilner] Gibson usw. sind
hier. Wahrscheinlich werden sie das Gerippe der Organisation wenigstens
wieder zusammenstoppeln. Aber erst wenn es zur Auflösung kommt, wird der
rechte Tanz losgehen. Die Auflösung muß aber bald kommen, die
Kollisionen können trotz der sanften Worte und friedlich-versöhnenden
Absichten des Derby nicht ausbleiben.

Leider ist wenig Aussicht, daß die Handelskrise mit der Auflösung
gleichzeitig eintritt. Der Commerce geht hier fortwährend brillant. Die
Nachrichten von Amerika sind äußerst günstig. Was die Krise
hinausschiebt und noch etwas hinausschieben kann, ist 1. Kalifornien,
sowohl der Trade dahin, wie die Massen Gold, die in Verkehr kommen, und
die Auswanderung dahin, kurz, der ganze Stimulus, den Kalifornien auf
die ganzen Vereinigten Staaten ausübt. 2. Der Zügel, den die hohen
Baumwollpreise von 1849 und 1850 der Baumwollindustrie anlegten, die
sich erst seit Frühjahr 1851 flott entwickelt hat. 3. Der enorme Fall in
den Baumwollpreisen – fast 50 Prozent – seit 1-1/2 Jahren. In New
Orleans kostete Baumwolle (Middling, die Durchschnittssorte) am 1.
September 1850 13-1/2 Cents = 7-3/4 Pence in Liverpool; jetzt kostet
Middling in New Orleans 7-5/8 Cents = 4-7/8 Pence in Liverpool und stand
eine Zeitlang auf 7 Cents. Das muß den Konsum natürlich bedeutend
vermehren. Im vorigen Jahre – Januar und Februar – wurden hier im
Baumwollbezirk wöchentlich 29 000 Ballen konsumiert, dies Jahr 33 000,
und das ist bloß amerikanische, dazu noch Surate, ägyptische, usw. –
Wenn das so fortgeht, konsumiert England dies Jahr 800 bis 850 Millionen
Pfund Baumwolle. 4. Die allgemeine Scheu vor der Spekulation, die nicht
einmal auf Goldminen und Dampfschiffe sich mit Ausdauer werfen will.
Nach allem, was ich sehe, sollte ich meinen, daß noch sechs Monate so
forcierter Produktion wie jetzt hinreichen müßten, um die ganze Welt zu
überführen; dazu noch zirka vier Monate für die Zeit, bis die Waren am
Bestimmungsort ankommen und die Nachrichten von der definitiven
Überführung wieder her, sowie für die Zwischenzeit, wo die Leute sich
besinnen, bis sie von Panik erfaßt werden – so wäre die Zeit vom
November 1852 bis Februar 1853 wohl die wahrscheinlichste für den
Ausbruch der Krise. Das ist aber alles _guess-work_,[5] und wir können
sie ebensogut schon im September haben. Sie wird aber schön werden, denn
solche Massen Waren aller Art sind noch nie auf den Markt geschleudert
worden und solche kolossale Produktionsmittel sind noch nie dagewesen.
Der dumme Streik der _engineers_ hält sie gewiß für einen Monat
wenigstens auf; Maschinen werden jetzt so gut wie gar keine gemacht und
sehr viele verlangt. Hibbert, Platt & Son haben Hunderte von Ordres
sowohl für hier wie fürs Ausland und können natürlich nicht eine einzige
ausführen. Wenn dies kommerzielle Ungewitter übrigens dem Herrn Derby
über den Hals kommt, so wird’s ihm schlecht gehen! – –

Das Buch von Ewerbeck schicke mir ja nicht. Es ist die 6 Pence nicht
wert, die das Porto kosten würde.

Grüße Deine Frau und Kinder bestens.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Alles andere als das.

   [2] Ränkespinner.

   [3] Haus der Gemeinen.

   [4] Das zur Regierung Kommen der Tories.

   [5] Sache des Vermutens.


                                  149

                                  28 Deanstreet, London, 3. März 1852.

Lieber Engels!

Ich habe Montag die 5 Pfund erhalten, obgleich Lupus 3 und nicht 4
Broadstreet wohnt. Ebenso heute den sehr gelungenen Artikel an Dana.

Deine Sendung der Revolution und Tribune war erbrochen. Man hatte sich
nicht einmal die Mühe genommen, sie wieder zuzumachen.

[Ernest] Jones hat mit Bezug auf W[eydemeyer]s Artikel ihm einen mit
heutiger Post abgehenden offiziellen Brief zugeschickt, worin er Heinzen
_avec un dédain Suprême_[1] behandelt und ihn über den „_war of
classes_“[2] belehrt. Vorgestern hielt die National-Reformleague ein
großes Meeting, wenigstens 2000 Zuhörer. Jones hat [die] Herrn Hume,
Walmesley und Ko. gehörig gedeckelt und einen wahren Triumph
davongetragen. London und Manchester scheinen sich jetzt so in die
Arbeit zu teilen, daß dort die Bourgeois mehr ihre politische und hier
mehr ihre kommerzielle Attacke führen.

Es ist mir vor einigen Tagen ein _italienisch_ abgefaßtes Manifest von
Signore Mazzini in die Hand gefallen. Er ist der _heilige_ Bourgeois
_quand même_[3] und schimpft über die „profanen“ französischen
Bourgeois. Er überträgt die Initiative von Paris nach Rom. „_Il
materialismo_“[4] und „_il egoismo_“[5] haben Frankreich ruiniert. Die
Arbeiter haben von den Bourgeois beide Laster geerbt. Seit 1815 hat
Frankreich aufgehört, das Land der Initiative zu sein, Italien und
Ungarn sind jetzt die auserwählten Länder.

Während „Signore Mazzini“ als Peter der Eremit die lasterhaften
Franzosen abkanzelt, kriecht er den englischen Freetraders in den
Hintern, die wohl „_le dévouement_“[6] und „_la foi_“[7] inkorporieren.
_L’imbécile!_[8]

Den einliegenden Brief bitte zurückzuschicken. Heute nur so wenig, weil
ich mit der Expedition nach Amerika die Hände voll habe.

                                                         Dein K. Marx.

----------

   [1] Mit erhabener Verachtung.

   [2] Klassenkampf.

   [3] Trotz alledem.

   [4] Der Materialismus.

   [5] Der Egoismus.

   [6] Die Hingebung.

   [7] Den Glauben.

   [8] Der Dummkopf.


                                  150

                                                        18. März 1852.

Lieber Marx!

Inliegend der Brief von Wichtelmännchen [E. Dronke] zurück. Ich bin
_pour le moment entièrement dépourvu_[1] und würde die 2 Pfund – in
diesem Monat wenigstens – nicht auftreiben können; außerdem ist sein
Brief vom 5. datiert, und man weiß gar nicht, ob ihn das Geld noch träfe
....

Wenn der Kleine ankommt, wirst Du einige Mühe haben, sein durch die
„langen Mühsale“ gewiß sehr gesteigertes pugnazioses Temperament in
Schranken zu halten; Keilereien und Paukereien kosten hierzulande zu
viel Geld, als daß man ihm dergleichen gestatten könnte. Es wird am
besten sein, wenn Du ihn an Pieper überantwortest, damit dieser ihm in
der politischen Ökonomie Unterricht geben kann. Die Geschichte mit
Massol ist sehr interessant, und wenn er dort bleibt, so bin ich
begierig, ihn kennen zu lernen.

Was Du mir von Jones schreibst, freut mich sehr – ich habe nur jetzt
verflucht wenig Zeit, sonst würde ich ihm mehr Artikel schicken. Aber
der Charles ist noch nicht von Deutschland zurück, und dann außer dem
Artikel für die Tribune und einem wöchentlichen Bericht an meinen Alten
noch regelmäßig wöchentlich für ihn respektive Weydemeyer zu schreiben,
ist etwas zu stark, wenn man den ganzen Tag auf dem Kontor geschanzt
hat. Zudem muß ich endlich mit meinen slawischen Geschichten ins reine
kommen. Auf die bisherige dilettantische Weise bin ich in einem ganzen
Jahre zu nichts gekommen, und da ich doch einmal angefangen habe und zu
weit bin, um die Geschichte fallen zu lassen, so muß ich jetzt einmal
einige Zeit regelmäßig daran wenden. Ich habe seit vierzehn Tagen
tüchtig Russisch geochst und bin mit der Grammatik jetzt so ziemlich im
reinen, zwei bis drei Monate mehr werden mir auch den nötigen
Wortreichtum verschaffen, und dann kann ich was anderes anfangen. Mit
den slawischen Sprachen muß ich dies Jahr fertig werden, und _au
fond_[2] sind sie gar nicht so schwer. Außer dem linguistischen
Interesse, was die Sache für mich hat, ist es auch die Konsideration,
daß wenigstens einer von uns bei der nächsten Haupt- und Staatsaktion
die Sprachen, die Geschichte, die Literatur und die Details der sozialen
Institutionen gerade derjenigen Nationen kennt, mit denen man sofort in
Konflikt kommt. Bakunin ist eigentlich bloß dadurch etwas geworden, daß
kein Mensch Russisch konnte. Und der alte panslawistische Schwindel, das
altslawische Gemeindeeigentum in Kommunismus zu verwandeln und die
russischen Bauern als geborene Kommunisten darzustellen, wird wieder
sehr breit getreten werden.

Jones hat übrigens sehr recht, jetzt, nach des alten O’Connor
definitivem Verrücktwerden, alle Saiten anzuspannen. Jetzt ist die
Chance für ihn, und wenn der _citizen_[3] Hipphipphurra noch dazu
abfällt, so ist er seiner Sache sicher. Nach allem, was ich sehe, sind
die Chartisten so komplett aufgelöst und zerfahren und haben zu gleicher
Zeit einen solchen Mangel an brauchbaren Leuten, daß sie entweder ganz
auseinandergehen und in Cliquen zerfallen, also praktisch reiner Schwanz
der _financials_[4] werden müssen oder aber auf einer ganz neuen Basis
von einem tüchtigen Kerl rekonstruiert. Jones ist ganz im richtigen
Zuge, und wir können wohl sagen, daß er ohne unsere Doktrin nicht auf
den richtigen Weg geraten wäre und nie gefunden hätte, wie man
einerseits die einzig mögliche Basis zur Rekonstruktion der
Chartistenpartei, den instinktiven Klassenhaß der Arbeiter gegen die
industriellen Bourgeois, nicht nur beibehalten, sondern noch erweitern,
entwickeln und der aufklärenden Propaganda zugrunde legen kann – und
andererseits doch progressiv sein, den reaktionären Gelüsten der
Arbeiter und ihren Vorurteilen entgegentreten.

_Quoad Napoleonem_,[5] hat der Mann nicht zu Louis Blanc gesagt, als er
nach Frankreich ging: _Quand je serai président, je mettrai en pratique
vos idée?_[6] Übrigens sieht man, wie die Finanznot selbst einen wahren
Sozialisten wie Louis Napoleon zu finanziell-bürgerlichen
Mustermaßregeln treiben kann, wie die Rentenkonversion. Der Shopkeeper
und kleine Industrielle verzeiht für diese Eine Ersparnis von 18
Millionen zwanzig sozialistische Sprünge, und die Daily News bewundert
diese Maßregel. Dümmer und gemeiner wie die Débats kann man übrigens
über diese Geschichte nicht sprechen. Ganz die alte Geschichte:
Postreform = Sozialismus! Rentenkonversion = Sozialismus! Freetrade =
Sozialismus! Ich fürchte nur, daß Mynheer Napoleon, der trotz alledem in
seinen eigentlich sozialistischen Geschichten sehr schüchtern
auftritt und in der Hypothekengeschichte auch nicht über die
bürgerlich-preußischen Kreditinstitute hinausgeht, schließlich, durch
den Drang der Verhältnisse gezwungen, alle seine sozialistischen
Velleitäten in einfache bürgerliche Reformen umwandelt, und dann kann
uns nur die unvermeidliche Finanznot retten. Die Daily News hat recht,
die Rentenkonversion ist eine _mesure éminemment pacifique_[7] und zudem
ein sehr fatales Anzeichen, daß Louis Napoleon mehr in die Bahnen des
bürgerlichen _common sense_[8] gerät. Aber freilich, wann hat man jemals
Frankreich mit _common sense_ regieren können, und welch eine
Verwicklung von Umständen gehört dazu, einen Louis Napoleon zum _common
sense_ zu bringen! Jedenfalls sieht mir die kontinentale Atmosphäre
nicht sehr revolutionär aus, obwohl Alräunchen ganz andere Nachrichten
mitbringen wird. –

Unser Konzern hier geht wahrscheinlich noch in diesem Jahre auseinander.
Ist dies der Fall, so werde ich zunächst, bei Besorgung der Liquidation,
eine bedeutend freiere Stellung erhalten und weniger an Kontorarbeiten
regelmäßig gebunden sein. Später, schreibt mir mein Alter, würde sich
für mich wohl eine _bessere_ Stellung finden – ich vermute, daß er auf
meinen alten Plan eingehen wird, wonach ich mich nach Liverpool setzen
und Baumwolle für ihn einkaufen würde. Das wäre famos, und Du müßtest in
diesem Falle, wenn Du mit den Vorarbeiten zur Ökonomie fertig bist, mit
Deiner ganzen Familie auf sechs Monate herüberkommen – wir würden in
New Brighton an der See wohnen, und Du würdest noch Geld dazu sparen.
Jedenfalls nehme ich mir Zulage, das ist klar. – Leider habe ich heute
nicht Ruhe, den Artikel für die Tribune zu machen; aber da nächsten
Mittwoch ein amerikanischer Steamer geht, so bekommst Du ihn bis Montag
oder Dienstag, und ich mache dann für den Freitagsteamer wieder einen.

Viele Grüße.

                                                            Dein F. E.

Diesmal war das Siegel Deines Briefes zum erstenmal vollkommen
unverletzt.

----------

   [1] Für den Augenblick ganz entblößt.

   [2] Im Grunde.

   [3] Bürger.

   [4] [Abkürzung für] _Financial Reformers_ = Steurreformer.

   [5] Was Napoleon anbetrifft.

   [6] Wenn ich Präsident sein werde, werde ich Ihre Ideen praktisch
   verwirklichen.

   [7] Hervorragend friedfertige Maßregel.

   [8] Gesunden Menschenverstandes.


                                  151

                                   28 Deanstreet, Soho, 30. März 1852.

Lieber Frederic!

Soeben Deinen Artikel erhalten. Du bekommst einliegend ein ganzes Pack
von amerikanischen Neuigkeiten, die Dir schon früher zugekommen, wenn
nicht Abschrift und bündliche [an Bundesmitglieder gehende] Mitteilung
von einem Teile der Sachen nötig gewesen wäre.

Hier allerlei Neues. Gottfried Christus Kinkel schickt oder hat vielmehr
ausgeschickt Studiosum Schurz und Schimmelpfennig, um für Mitte April in
London von der Schweiz, Paris, Deutschland, Belgien aus einen Kongreß
zusammenzutrommeln, zur Garantie der Revolutionsanleihe und zur
definitiven Regulierung der Verwaltung dieses Schatzes und der
demokratischen Regierung _in partibus_.[1]

Kossuth, durch Szemere in Amerika bloßgestellt und ganz mit seinem
zurückgelassenen Londoner Komitee zerfallen, wird sich wundern zu
erfahren, welche Spaltungen unterdessen unter der demokratischen
Klerisei eingerissen sind.

Herr Mazzini nämlich, seit zwei Jahren der Papst der demokratischen
Kirche _in partibus_, hielt es endlich an der Zeit, seinem Gifte gegen
den Sozialismus und Frankreich in französischer Sprache Luft zu machen,
nämlich in der Brüsseler Nation, die er mit 10 000 Franken von dem
italienischen Gelde, im Einverständnis mit Ledru-Rollin, an sich gekauft
hatte. Dort schiebt er den 2. Dezember, die Einnahme Roms, kurz die
ganze Konterrevolution den Sozialisten in die Schuhe und poltert in
seiner hochtrabenden Dominikanermanier gegen die Ketzer, die Sekten, den
Materialismus, den Skeptizismus, das welsche Babel ganz ebenso
entschieden, wie er in London den englischen liberalen Bourgeois in den
Hintern kriecht. Frankreich habe die revolutionäre [undeutlich,
wahrscheinlich Initiative] verloren. Das _peuple-roi_ existiere nicht
mehr. Jetzt sei die Reihe an den anderen Völkern usw. Kurz, eine
förmliche Bannbulle, die die Ehren der Aufnahme in die Patrie und im
Constitutionnel genossen hat. Das war den Franzosen zu toll. Der kleine
Louis Blanc, der hier zugleich eine Gelegenheit sah, sich wieder zu
rehabilitieren und vorzudrängen, trommelte Cabet [?], Pierre Leroux,
Bianchi, Nadaud und Vasbender (Proudhonien) zusammen. Im Morning
Advertiser haben sie Herrn Mazzini aufs gröbste angegriffen. Der
theoretische Teil ihrer Replik fast so schwach wie der Angriff Mazzinis.
Der persönliche, wozu Massol dem Leroux das Material gab, vernichtet den
arroganten Theopompos.

Ledru-Rollin seinerseits, um nicht allen Einfluß zu verlieren, sah sich
gezwungen, aus dem europäischen Zentralkomitee _auszuscheiden_. Auch er
hat in der Nation auf den Angriff gegen Frankreich geantwortet. Elender
Artikel ohne Hand und Fuß. Behauptet „die revolutionäre Initiative
Frankreichs“, aber wie! _C’est pour faire pitié!_[2] Ledru-Rollin soll
jetzt nach den Vereinigten Staaten gehen wollen ....

Unterdes schafft die englische Regierung auf Staatskosten jede Woche den
Mob der französischen Emigration haufenweise nach Amerika. Der elende
_little_ Blanc will die zufällige Gesamtdemonstration gegen Mazzini
benutzen, um sich als das sichtbare Haupt der _ecclesia pressa_ zu
konstituieren. Zur Hintertreibung seiner kleinen Intrigen werde ich
Massol hinter Pierre Leroux hetzen. Endlich, um die Konfusion voll zu
machen, kommt Proudhon her.

Wie tief die offiziellen Größen sinken, siehst Du daraus, daß der süße
Felix Phat – _cet homme artiste_,[3] unter welchem Kunstausdruck die
Franzosen alle Schwäche, alle Charakter- und Verstandlosigkeit eines
Individuums beschönigen – die Dezembertage zu einem melodramatischen
Spektakelstück verarbeitet hat. Er hat einen englischen Unternehmer
dafür gefunden, und mit ihm wird er den Schund in New York usw.
aufführen, die Mordszenen, Expulsionen, Deportationen usw. Kann man
hundsgemeiner auf das Pech seines Landes spekulieren? ...

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Ohne Anhang.

   [2] Es ist, um Mitleid zu erregen.

   [3] Dieser Mensch mit der Künstlernatur.


                                  152

                                                        1. April 1852.

Lieber Marx!

Deinen Brief heute morgen erhalten, und zwar unversehrt. Die neue
Adresse scheint gut zu tun.

Die erheiternden Emigrationsaktenstücke werden morgen zurückerfolgen –
ich werde mir einige Notizen daraus machen.

Der kleine Dronke scheint sich richtig in Paris haben fassen lassen –
sonst hörte man wohl von ihm. Sollten sich im Café D. wirklich, wie die
Kölnische Zeitung sagt, einige Leute „der Marxschen Sekte“
zusammengefunden haben? Ich wüßte nicht, wo diese Trümmer herkommen
sollten. Jedenfalls wäre es von Dronke unverzeihlich gewesen, wenn er
sich so _publiquement_ unter diese Leute ins Café begeben hätte. Wäre er
aber noch frei und eine Möglichkeit vorhanden, mit ihm zu
korrespondieren, so müßte man jetzt allerdings alles aufbieten, um ihn
nach London zu schaffen – er ist ausgewiesen, und die Kerle sind
imstande, ihn wegen _rupture de Ban_[1] nach Algier zu schicken. Wenn es
also möglich ist, Näheres zu erfahren, so will ich sehen, daß ich die
zwei Pfund auftreibe; in Sicherheit muß das Kerlchen doch kommen.
Schreibe mir, was Du über ihn erfährst.

Ich gehe jetzt nach Hause, um noch einen Artikel für Dana fertig zu
machen, der, wenn er fertig wird, Dir mit der zweiten Post zugeht.
Vorige Woche war ich scheußlich erkältet und bin es noch, so daß ich
mehrere Abende absolut zu nichts kapabel war. Sonst wäre schon mehr
fertig.

Sage Jones, daß er nächste Woche etwas von mir erhält – meine Artikel
für ihn sind leider alle miserabel, da ich bei der Kleinheit jedes
einzelnen und des geringen benutzbaren Raumes regelmäßig vergesse, was
ich die Woche vorher geschrieben – dazu muß ich rasch und flüchtig
arbeiten und habe gar keine Zeit, mir über die letzten französischen
Geschichten Material zu sammeln und zu ordnen. Das ewige Schütteln aus
dem Ärmel demoralisiert.

Sollte ich heute abend mit dem Artikel für Dana nicht fertig werden, so
liegt das besonders daran, daß ich noch ein gut Teil Neue Rheinische
Zeitung April und März 1849 durchzugehen habe, denn die Frankfurter
müssen bei dieser Gelegenheit _gründlich_ gedeckelt werden. Der Bauer
reicht da nicht aus.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Bannbruch.


                                  153

                                 28 Deanstreet, London, 5. April 1852.

Lieber Frederic!

Einliegend eine Sendung von Cluß, die ich bis Montag
(Bundessitzungsabend) zurück haben muß.

Dronke hatte gleich den anderen Tag, nachdem Du mir sein erstes
Schreiben zurückgeschickt, aus dem Gefängnis geschrieben an Freiligrath,
was ich Dir mitzuteilen vergaß. Freiligrath schickte sofort den Brief an
Lassalle, damit dieser ihm Geld nach [unlesbar] spediere, was
wahrscheinlich um so rascher expediert werden konnte, als Lassalle mit
jenem Briefe alle liberalen Bourgeois von Düsseldorf angehen konnte.
Leider sagt die Patrie, es seien kompromittierende Briefe bei Dronke
gefunden. Sollte er dumm genug gewesen sein, von seinem abgeschmackten
Heß und sonstigen Verbindungen die Testimonia mit sich herumzutragen?

Louis Blanc, wie ich voraussah, sucht die gemeinsame Erklärung gegen
Mazzini zu benutzen, um ein neues „_réseau d’action_“[1] zu bilden und
sich als Chef der revolutionären Partei vorzudrängen. Er hat sogar mich
zu seiner Fusion aller französischen Sozialisten zuziehen wollen und zu
einer Zusammenkunft einladen lassen. Ich habe natürlich ihn nicht einmal
einer Antwort gewürdigt, sondern dem _intermédiaire_[2] bloß mein
Erstaunen über diese Zudringlichkeit zu erkennen gegeben. Da Proudhon
herkommt, wäre dem Kleinen eine Allianz mit mir jetzt sehr gelegen.

Dana hat endlich geschrieben und 9 Pfund, die Zahl der _gedruckten_
Artikel, gezahlt. Er hat mich zugleich gebeten, da die Präsidentenwahl
alle Spalten des Blattes in diesem Intervall in Anspruch nehme, den Rest
in fünf bis sechs Artikeln zu kondensieren und im letzten namentlich die
_prospects of revolutionary Germany_[3] darzustellen. Es gäbe dies
famosen Anlaß zur Geißelung der Emigration, und werde ich Dir in einem
späteren Briefe ausführlich meine Ansichten darüber schreiben.

Szemere schickt mir nun in drei bis vier Lieferungen sein (deutsches)
Manuskript über Kossuth, Görgey und Louis Bathyani. Weydemeyer hat es in
Amerika zu verlegen, was für ihn ein famoses Geschäft ist, zumal da
hinzukommt, daß er wahrscheinlich von dieser Seite 500 Dollar für sein
Blatt erhalten wird. Aber ehe die Sache deutsch nach Amerika geht, soll
sie hier in England englisch übersetzt werden, um hier, nachdem sie in
Amerika deutsch erschienen, als Broschüre für das hiesige Publikum
herausgegeben zu werden. Du wirst schwerlich Zeit zu diesem Geschäft
haben, selbst wenn Du den Dana eine Zeitlang liegen läßt. In diesem
Falle müßte ich Jones die Sache geben. Es wird ein Pfund pro Bogen
Übersetzung gezahlt.

Ich habe hier Oberst Szerelmey kennen gelernt, der sehr gebildet ist. Er
hat vierzehn Schlachten in Ungarn mitgemacht. Da er zugleich famoser
Maler ist, so gibt er jetzt ein Prachtwerk heraus, die Schlachtberichte
im Text und die Schlachtzeichnungen. Er hat die Skizzen selbst gemacht,
die ersten französischen Maler die Ausführung. Er hat mir ein Exemplar
zugesagt. [Das] Stück wird 10 Pfund kosten. Da erhältst Du also einen
Beitrag für Deine Kriegsbibliothek. – – –

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Netz der Aktion.

   [2] Mittelmann.

   [3] Aussichten des revolutionären Deutschland.


                                  154

                                                       20. April 1852.

Lieber Marx!

Ich habe mit Bedauern gesehen, daß sich meine Befürchtungen wegen Deines
kleinen Mädchens nur zu schnell bestätigt haben. Wenn es nur irgend ein
Mittel gebe, daß Du mit Deiner Familie in eine gesündere Gegend und
geräumigere Gegend [?Wohnung] ziehen könntest!

Gern hätte ich Dir einiges Geld geschickt, aber ich habe in London so
viel mehr ausgegeben, als worauf ich gerechnet [hatte], daß ich selbst
hier bis Ende dieses Monats krumm liegen muß, und im nächsten Monat habe
ich an Rechnungen und für in Deutschland bestellte Bücher gleich 12
Pfund zu zahlen. Doch will ich sehen, wenn es irgend angeht, daß ich Dir
gleich anfangs Mai etwas besorge. Ich wollte, ich hätte vorher gewußt,
wie die Sachen in London ständen, ich hätte dann die _au fond_ ganz
überflüssige Reise nach London unterlassen und dadurch etwas freie Hand
bekommen.

Pindar ist hier, da er in Liverpool kein Unterkommen gefunden hat. Er
sucht eine Stelle oder Privatstunden, und ich werde mich natürlich für
ihn verwenden. Um ihm einen Beweis meiner guten Dispositionen zu geben,
habe ich russische Stunden bei ihm genommen. Um ihn aber hier empfehlen
zu können, muß ich etwas mehr über ihn wissen, und da man [aus] ihm
dergleichen nur mit der größten Mühe herauszerrt, so wäre es mir lieb,
wenn Du mir schriebst, was Du von ihm und seinen Verhältnissen weißt,
woher Du ihn kennst usw. Bei seiner stummen Manier sieht er mir übrigens
nicht danach aus, als ob er hier sein Glück machen werde.

Bei den jetzigen kommerziellen Aspekten besonders in bezug auf Ostindien
ist ein Punkt nicht außer acht zu lassen. Trotz der seit drei Jahren
fortwährend steigenden kolossalen Einfuhr englischer Industrieprodukte
nach Ostindien kommen seit einiger Zeit wieder ziemlich gute Nachrichten
von dort; die Vorräte verkaufen sich allmählich und werden dort besser
bezahlt. Dies kann nur darin seinen Grund haben, daß in den zuletzt von
den Engländern eroberten Provinzen, in Sindh, dem Pendjab usw., wo sich
die einheimische Handarbeit bisher noch fast ausschließlich gehalten
hatte, diese jetzt endlich von der englischen Konkurrenz erdrückt wird,
sei es, daß die hiesigen Fabrikanten erst neuerdings dahin gekommen
sind, die für diese Märkte passenden Zeuge anzufertigen, sei es, daß die
Natives ihren Geschmack an den einheimischen Geweben endlich dem
wohlfeileren Preis der englischen, gewöhnlich nach Indien exportierten
Zeuge geopfert haben. Die letzte indische Krisis 1847 und die damit
zusammenhängende große Depreziation der englischen Produkte in Indien
mag dazu sehr viel beigetragen haben; und schon aus dem alten Gülich
geht hervor, daß selbst das zu seiner Zeit von den Engländern eroberte
Indien noch lange nicht vollständig seine eigene alte Manufaktur
aufgegeben hatte. Nur hieraus ist es zu erklären, daß nicht längst in
Kalkutta und Bombay die 1847er Geschichte sich in verstärkter Form
wiederholt hat. Wenn aber erst die 3 000 000 Ballen Baumwolle der
letzten Ernte in den Markt gekommen und verarbeitet und als fertige
Waren dem größten Teile nach nach Ostindien spediert sind, wird sich das
schon ändern. – –

Nach allen Regeln muß die Krisis in diesem Jahre kommen, und
wahrscheinlich wird sie es auch; wenn man aber die gegenwärtige ganz
unerwartete Elastizität des ostindischen Marktes und die durch
Kalifornien und Australien hineingekommene Konfusion sowie die
Wohlfeilheit der meisten Rohprodukte, die die Industrieerzeugnisse
ebenfalls wohlfeil hält, und die Abwesenheit aller großen Spekulation
betrachtet, so kommt man fast in Versuchung, der gegenwärtigen
Prosperitätsperiode eine außerordentlich verlängerte Dauer zu
prophezeien. –

Grüße Deine Frau vielmals und schreibe bald.

                                                            Dein F. E.


                                  155

                                28 Deanstreet, London, 24. April 1852.

Lieber Frederic!

Ich habe vergangene Woche eine Scheußlichkeit durchgemacht, von der Du
Dir keine Vorstellung machen kannst. Am Tage des Begräbnisses blieben
die versprochenen Gelder von allen Seiten aus, so daß ich schließlich
gezwungen war, zu benachbarten Franzosen zu laufen, um die
[Beerdigungskosten] zu zahlen. Und unglücklicherweise kam noch der Brief
von Weydemeyer, wonach auch in Amerika alle Aussichten gescheitert
scheinen. Cluß, dessen Brief Du nächste Woche erhältst, gibt jetzt
bessere Aussichten. _Quoique de dure complexion_,[1] griff mich diesmal
die Erbärmlichkeit bedeutend an.

Einliegend ein Brief von Ewerbeck, der nie frankiert und immer die
letzten zehn Pence einem wegstiehlt. Dann einen Artikel von B. Bauer in
der Daily New York Tribune. Dein Artikel hat alles Aas dahingezogen. Du
wirst lachen über die Bauerschen Entdeckungen über die „Armeen“. Wenn Du
mir jetzt Artikel für Dana schickst, so kannst Du warten, bis es mehrere
sind, die ich dann gleichzeitig abschicke. – –

Heise (von der Hornisse), jetzt Willichs Intimus, teilen ein Bett. Was
ist an dem Kerl? Sie renommieren wieder mit einem beabsichtigen Putsch
in Deutschland. –

Apropos. Vergiß nicht _immédiatement_[2] folgende zwei Wische nach
London zu senden: 1. eine Vollmacht für Liebknecht, das Pfund Sterling
bei _Hain_ zu heben; 2. einen kleinen Wisch schreibe selbst an Hain,
worin Du dem „lieben Freund“ in zwei Zeilen mitteilst, da Du gehört, daß
es ihm gut gehe, habest Du Liebknecht an ihn gewiesen wegen des Pfund
Sterling. Man muß nämlich verhüten, daß keine Feindschaft nicht
entsteht.

Nämlich gestern, da einer unserer Bekannten, der bisher bei Liebknecht
Nachtlager fand, von dessen Wirtsleuten herausgeschmissen wurde und
keiner von uns einen Penny dem armen Teufel geben konnte, schrieb ich
Liebknecht ein Billett, worin ich ihm sagte, Du habest ihn auf Hain
wegen des einen Pfund Sterling angewiesen. Herr Hain schien etwas
ungläubig und verlangte von Liebknecht erst Deine Handschrift zu sehen.

Schicke mir einige Stamps, da ich Dir eine Masse Zeug zusenden muß.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Obgleich [ich] von Charakter hart [bin].

   [2] Unverzüglich.


                                  156

                                           Manchester, 25. April 1852.

Lieber Marx!

Von Hain erhielt ich gestern abend ein Billett, was ich Dir nebst
Antwort darauf gestern zurückschickte. Ich denke, hiernach wird Herr
Hain schon zahlen.

Inliegend die Stamps, denen bald mehr folgen sollen. Auch die
Geschichten zurück. Der Brief von Ewerbeck ist ein würdiges Pendant zu
seinem Buche. „Helft mir doch gegen Ribbentrop! Ich werde ihn der
Demokratie als _hypocrite_ und _débaucheur_[1] denunzieren!“ Der Mensch
ist vollends verkindischt.

Auch Freund Bruno hat nicht zugenommen an Weisheit und Erkenntnis
Gottes. _Il valait bien la peine_,[2] von Berlin aus die amerikanische
Presse in Bewegung zu setzen, um auf diesem weiten Umweg der erstaunten
Welt zu verkünden, daß die kontinentalen Armeen zur Aufrechterhaltung
der inneren Ruhe da sind. Herr Bruno repräsentiert noch immer die
Hegelsche Dialektik auf der Stufe ihrer tiefsten Versumpfung. Die ganze
Tiefe der Geschichtsauffassung beschränkt sich in diesem
Entwicklungsstadium darauf, die banalsten Gemeinplätze mit einem
hinreichenden Aufwand von Pathos und scheinbarer Entwicklung umständlich
zu beweisen und sie dann als ein ganz neu entdecktes Resultat des
Forscherfleißes hinzustellen. Alles das ist erträglich bei längst
vergangenen Historien, aber wenn einem die unmittelbare Gegenwart auf
diese Weise vermystiziert wird, so ist das zu arg, und jeder Esel muß
merken, daß nichts dahinter steckt. Und die tiefe Wahrheit: die
Regierungen haben recht gegen die Revolutionen, weil diese noch unreif
sind, aber die Revolutionen haben auch recht gegen die Regierungen, weil
sie die Ideen der Zukunft zwar embryonisch und unreif, aber doch
substantiell repräsentieren – alter Hegelscher Witz, der gewiß selbst
in Amerika nicht mehr neu ist! Und immer und ewig die „Verstimmung“, die
„Verdrießlichkeit“, die „gründliche Gleichgültigkeit“ des „Bürgers“. „In
einigen Ländern kämpfen Klassen gegen Klassen, in anderen Nationen gegen
Nationen.“ Genau genommen ist dieser ungeheuer gescheite Satz das Ganze,
was Bruno aus der Revolution gelernt hat.

Herr Tellering ist offenbar aus Frankreich fortgeschafft worden als
heimatlos vagabundierendes Mitglied des Lumpenproletariats und nicht
einmal in der _société du 10 Décembre_[3] brauchbar.

Wenn Du nicht positiv weißt, daß Dr[onke] freiwillig nach Deutschland
gegangen ist, so scheint mir die Sache wahrscheinlicher so, daß er, als
früher schon aus Frankreich ausgewiesen, diesmal nicht nach einer
beliebigen, sondern nach der _deutschen_ Grenze transportiert worden ist
.... Man wird ihn sehr bald nach Köln transportieren und vielleicht vor
den Assisen versuchen, als Zeuge auftreten zu lassen. Ihm selbst
geschieht diesmal ganz recht. Das Geld, was er etwa brauchte, konnte er
in Frankfurt gewiß auftreiben oder sich von Lassalle irgendwo
hinschicken lassen, aber nein, das Kerlchen muß absolut nach Koblenz, wo
ihn jeder Gendarm und jeder Hund auf der Straße kennt. _En attendant il
est sûrement logé._[4]

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Heuchler und Verführer.

   [2] Es hat der Mühe sehr gelohnt.

   [3] Verein des 10. Dezember [Titel der bonapartistischen
   Verschwörung].

   [4] Inzwischen ist er sicher untergebracht.


                                  157

                                           Manchester, 27. April 1852.

Lieber Marx!

Inliegend Neuestes von Weydemeyer, das etwas besser lautet. Deinen
Artikel behalte ich einstweilen hier, 1. um ihn zu lesen und 2. um ihn
später eventuell ins Englische zu übersetzen, was mit Weglassung einiger
nur Deutschen verständlichen Redeblumen sehr gut geht.

_Voilà donc_ Moses Heß in der Kölnischen Zeitung steckbrieflich wegen
Hochverrats verfolgt. Ich will mich hängen lassen, wenn das nicht
infolge von bei Vater Dronke gefundenen blödsinnigen Papieren über ihre
wichtigen Genfer Geschichten geschehen ist. _Cela valait bien la
peine!_[1] Inzwischen ist Moses wieder Märtyrer, was sein _otium cum
dignitate_[2] sehr verschönern wird; vielleicht wird man ihn bald nach
London spedieren – _est-ce que nous n’échapperons jamais à cet
imbécile_![3] Jedenfalls kann alles das für die armen Teufel in Köln
wieder sehr fatal werden und neuen Grund zu Verschleppungen ihres
Prozesses geben; wären sie wirklich schon vor die Assisen verwiesen, so
hätten wir das doch gehört.

Freiligrath schreibt mir wegen einer Introduktion an meinen Schwager –
ich schicke sie ihm heute, er will also doch sich mit Gewalt nach einer
Stelle umsehen.

Meine besten Grüße an Deine Frau und Kinder

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Das hat gerade der Mühe gelohnt.

   [2] Würdevolles Mußeleben.

   [3] Werden wir diesem Dummkopf niemals entrinnen!


                                  158

[An einen aus Williamsburg datierten Brief Weydemeyers angefügt.]

                                           Manchester, 29. April 1852.

Lieber Marx!

Die Koblenzer Geschichte wegen des Pikkolo [Ernst Dronke] war also doch
eine reine Fabel, und wenn der Kölner Zeitung zu trauen ist, wird Vater
Dronke jetzt wohl schon in London sein und seine Abenteuer so ein Ziel
erreicht haben. _Tant mieux pour lui._[1] Die Geschichte mit Moses’
Steckbrief wird mir aber dadurch erst recht unerklärlich. Jedenfalls
scheint sie neue Schikanen gegen die Kölner anzudeuten. Gott weiß,
welcher alte Wisch wieder in die Hände der Polizei geraten sein mag.
_Pauvre_ Moses, so _egregiously post festum_[2] noch zum Märtyrer _in
partibus infidelium_[3] zu werden!

Nächste Woche werde ich einige Artikel für Dana hintereinander
machen und sehen, daß ich die Geschichte bis zum Schlusse der
Reichsverfassungskampagne bringe. Damit wir dann gleich schließen
können, wäre es gut, wenn Du für die letzten Artikel, die _revolutionary
prospects of Germany_[4] und die Stellung unserer Partei während und
nach der Revolution, mir ein kurzes Memorandum machtest. Gerade diese
Schlußsachen sind zu wichtig, und dann wird ein solches Memorandum mich
in den Stand setzen, die Artikel nicht nur besser, sondern auch bei
weitem rascher zu machen. Auf diese Weise würde es mit einiger
Anstrengung von meiner Seite gelingen, die ganzen rückständigen fünf bis
sechs Artikel heute über vierzehn Tage fertig zu haben, und inzwischen
könntest Du schon mit Dana wegen einer neuen Serie, über einen
Gegenstand von mehr _actualité_, in Korrespondenz treten, _soit la
France, soit l’Angleterre_.[5] Da Weydemeyers Broschüre nun recht bald
erscheint, so wird der 18. Brumaire, es sei denn unter veränderter
Gestalt, dem Dana nicht mehr zu verkaufen sein; er kann ihn dann _for
nothing_[6] haben und selbst übersetzen. Du könntest aber immer bei Dana
anfragen, ob er eine für das anglo-amerikanische Publikum berechnete
Veränderung und Übersetzung haben will, man würde dann die Vorgeschichte
bis zum 2. Dezember 1851 bedeutend zusammenstreichen und schließlich die
Sache in die unmittelbare _actualité_ verlaufen lassen müssen, so daß
fortlaufende wöchentliche oder vierzehntägliche Berichte über Frankreich
sich daran schließen könnten.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Um so besser für ihn.

   [2] Armer [Moses], so ungemein hinterher.

   [3] In den Gebieten der Ungläubigen.

   [4] Aussichten der Revolution in Deutschland.

   [5] Sei es Frankreich oder England.

   [6] Umsonst.


                                  159

                            28 Deanstreet, London, den 30. April 1852.

Lieber Frederic!

Gleichzeitig mit diesem Briefe erhältst Du eine kolossale Sendung von
Amerika. Ich habe heute auch einen Brief von Cluß erhalten, von dem ich
Dir unten Auszüge gebe, den ich aber bis nächste Woche noch brauche.

Dronke ist _sain et sauf_[1] hier eingetroffen. Er gefällt mir besser,
als ich gefürchtet hatte. Er ist gewachsen und auch in die Breite
gegangen. Dadurch hat er an Aplomb gewonnen. Einstweilen kneipt er bei
Anschütz, der ihn mit offenen Armen empfangen hat. Er wird hier ein
kleines Geschäft anfangen, da er von Paris den Auftrag hat, hier
Zigarren- und Moneytaschen zu verkaufen. 10 Prozent Gebühren. Und durch
Anschütz kommt er gleich in die nötigen Verbindungen für diesen Trade.

Von ihm habe ich erfahren, daß der „brave“ Techow eine Charakteristik
über uns in die Schweiz geschickt, worin er weidlich schimpfte, speziell
über Dich. Die Militärs haben einen Konkurrenzneid gegen Dich. _Et je
pense_,[2] daß Du eines Tages _leurs pressentiments_[3] rechtfertigen
wirst. Außerdem: Schily verlangte von Genf, die Herren sollten sich mit
uns ausgleichen. Darauf erfolgte ein Gutachten, gezeichnet: Willich,
Techow, Schapper, Schimmelpfennig, worin es unter anderem hieß: 1. habe
man vollständig mit dieser ganz machtlosen Partei gebrochen; 2. seien
Polizeispione unter uns, die alles der preußischen Regierung anzeigten.
– –

Das Memorandum über Deutschland wirst Du erhalten.

Aus dem Clußschen Briefe folgendes:

Hutzel (zu unterscheiden von Hutzelwitt, Freund von Cluß, bei dem
Kinkelkongreß zu Cinncinnati als Garant anwesend) schreibt an Cluß unter
anderem: „Kinkel wollte mich durch Gemeinheiten gegen Marx und Engels
niederschmettern. Was ich wollte, ist mir gelungen. Ich brachte ihn so
in die Enge, daß ich ihn auf lange im Sacke habe. Er wollte sich
sicherstellen dadurch, daß er mich um mein Ehrenwort hat, über den
Vorfall zu schweigen und ihm ‚keine Stänkereien‘ durch eine Publikation
zu bereiten. Ein gewisser Tellering schimpft ‚wie ein Rohrspatz in einem
Briefe an Anneke‘.“

Weiter schreibt Cluß selbst: „In New York in der kostbaren Versammlung,
deren Rapport ich in meinem letzten Briefe sandte, haben sich die sehr
zahlreichen Turnvereine separat konstituiert und sich für meinen Protest
und Weydemeyers Artikel gegen das Memorial von Kinkel erklärt.“

Unter den Sachen, die ich Dir zuschicke, findest Du den Entwurf einer
Reklame für die Bilder und [das] Schlachtenberichtwerk vom alten
Szerelmey. Er wünscht es etwas ausgepatscht und ins Englische als
Reklame verarbeitet, wofür er jedem von uns ein Exemplar des Werkes
zusagt. _Je crois que ça vaut la peine de faire un petit Puff._[4] –

_Mais que dis-tu, mon cher_,[5] daß Ruge in dem Dir überschickten Janus
sich den Kommunismus als jüngstes Produkt seines „humanistischen
Denkens“ anzueignen sucht, und wie! _Mon Dieu!_

Hast Du den Hahnenkampf zwischen Harney und Jones gelesen? Sonst schicke
ich Dir ihre wechselseitigen Philippiken. Beide, der eine freiwillig,
der andere gezwungen, steigen hier auf den Standpunkt der deutschen
Emigrationspolemik herab.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Heil und sicher.

   [2] Ich denke.

   [3] Ihre Ahnungen.

   [4] Ich glaube, das lohnt der Mühe, eine kleine Marktschreierei zu
   machen.

   [5] Aber was sagst Du dazu, mein Lieber?


                                  160

                                              Manchester, 1. Mai 1852.

Lieber Marx!

Inliegend 30 Schilling Post Office Ordre, alles, was ich für den Moment
entbehren kann. Du wirst das Ding zwar morgen des Sonntags wegen nicht
einkassieren können, aber wenigstens weißt Du, daß Du es hast. Sollte es
mir im Laufe des Monats möglich sein, eine zweite derartige Sendung
abzustoßen, so weißt Du, daß es jedenfalls geschieht, aber bis jetzt
kann ich das noch nicht beurteilen.

Daß der Kleine eingesprungen ist und sich herausgemacht hat, ist sehr
schön, und daß er an Anschütz vorderhand _a friend in need, a friend
indeed_[1] gefunden, ist auch etwas wert. Im Laufe des Sommers muß er
mich mal besuchen, wenn ich erst meinen Alten hier gehabt habe.

Den Brief von Cluß nächste Woche zurück. Die Geschichte für Szerelmey
werde ich machen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Ein Freund in der Not, ein wirklicher Freund.


                                  161

                                              Manchester, 4. Mai 1852.

Lieber Marx!

Inliegend den Clußschen Brief zurück. Die Jonesschen Artikel habe ich
hier, dagegen nicht die von Harney, die Du mir gelegentlich schicken
kannst, damit man beide Seiten kennen lernt und Vater Harney in seiner
neuen Rolle sieht ....

Das Herkommen meines Alten schiebt meine Danaschen Pläne natürlich um
acht bis vierzehn Tage auf.

Wie mir Ebner schreibt, steht er wegen Deiner Ökonomie noch immer mit
Löwenthal in Unterhandlung, der sich in Brüssel etablieren will und
einstweilen noch Associé im Frankfurter Geschäft bleibt.

Wie kommt Freiligrath mit meinem Schwager voran? Antworte mir wegen
Pindar, _c’est une bête ennuyeuse et assez confuse_.[1] Ist er im
B[un]d?

Schreibe bald.

                                                            Dein F. E.

Bei Paketen, die nicht durch die Post gehen, schreibst Du besser statt
der alten Nr. 70 beide, die alte und neue Nummer auf die Adresse, so:
Nr. 44/70 Great Ducie Street, Strangeways, Manchester.

Die Geschichte für Szerelmey womöglich morgen.

----------

   [1] Das ist ein langweiliges und ziemlich konfuses Vieh.


                                  162

                                   28 Deanstreet, London, 6. Mai 1852.

Lieber Frederic!

Das Paket an Dich ist nicht abgegangen, weil Pickford 2-1/2 Schilling
meiner Frau abverlangte. Und so viel ist der ganze Dreck nicht wert.

Der einliegende sonderbare Zettel, den Du erhältst, ist eine rasch
genommene Kopie von einem Rundzettel, den die Herren Kinkel-Willich an
ihre Affiliierten erlassen haben. Das Komische ist, daß einer ihrer
Sektionschefs diese Wische jedesmal zum preußischen Generalkonsul
Hebeler bringt, der dafür zahlt. Die preußische Regierung hat natürlich
ebensogut den Schlüssel zu diesen wichtigtuenden Mysterien wie
Kinkel-Willich.

So viel ist sicher, daß ein Putsch _quelconque_[1] beabsichtigt wird.
General Klapka ist bereits nach Malta abgereist, in seiner Tasche eine
Bestallung, gezeichnet Kossuth-Mazzini, die ihn zum Obergeneral der
ungarischen und italienischen Armee ernennt. Ich glaube, in Sizilien
soll begonnen werden. Wenn die Herren nicht jedes Jahr zweimal
Niederlagen erleben und Schläge bekommen, fühlen sie sich unbehaglich.
Daß die Weltgeschichte sich ohne ihr Zutun entwickle, ohne ihre
Intervention, und zwar offizielle Intervention, können sie nicht
zugeben. Geht die Sache schief, so hat Herr Mazzini von neuem
Gelegenheit, sich in entrüsteten Briefen an einen Graham _quelconque_
wichtig zu machen.

Ich war gestern mit Freiligrath bei Buchhändler Trübner. Er glaubt, eine
Anzahl der „Revolution“ hier in London unterbringen zu können und einen
anderen Teil in Deutschland durch Campe vertreiben lassen zu können.
Sobald also die Weydemeyerschen Exemplare kommen, expediere hierher. Die
Turnzeitung scheint sich verlaufen zu haben.

                                                         Dein K. Marx.

----------

   [1] Irgendwelcher [Putsch].


                                  163

                                              Manchester, 7. Mai 1852.

Lieber Marx!

Inliegend den Brief von Cluß zurück. Es fällt mir dabei ein, daß jetzt,
wo Herr Dana sich mit Bruno Bauer und Simon von Trier in Verbindung
gesetzt und zugleich Dir wegen der Präsidentenwahl den Raum beschränkt
hat, es gewiß am Platze wäre, gegen Herrn Dana einige Yankeeschritte zu
tun .... _A Barnum, Barnum et demi._[1] Wenn es Dir recht ist, kann ich
dies per nächsten Steamer bei Weydemeyer einleiten.

Das Zirkular des Konvents an die Sektionen ist heiter. Ich will mich
hängen lassen, wenn die Sektionen St. Petersburg, Warschau, Berlin, Rom
usw. weiter als vier Meilen von Charing Croß entfernt domiziliert sind.
Dies karbonarische, wichtigtuende, energisch aussehende,
tagesbefehlmäßige Auftreten verrät, wie sehr die Herren sich wieder
selbst über ihre angeblich organisierten Kräfte täuschen. Jetzt einen
Putsch zu beabsichtigen, ist eine _Bêtise_[2] und eine Gemeinheit. Aber
freilich, „es muß doch was geschehen, es muß doch was getrieben werden!“
– – –

Ich habe endlich meine kriegswissenschaftlichen Sachen aus Deutschland
erhalten. Was ich bis jetzt davon gelesen, ist nur wenig. Herr Gustav
von Hofstetter, der Vielgerühmte, erscheint mir nicht gerade als
Napoleon, sondern bis jetzt nur als recht brauchbarer Chef eines
Bataillons oder so im kleinen Gefecht. Doch habe ich sein Ding noch
nicht ausgelesen. Ein ganz hübsches Ding dagegen ist eine Broschüre über
die neuen Fortifikationen im großen, von einem preußischen
Ingenieurhauptmann Künzel – historischer und materialistischer als
irgend etwas, was ich bisher _in militaribus_ gelesen. – Was nun den
Herrn Willisen angeht, so ist hier zu sagen, daß bei Idstedt nicht die
Dänen über die Schleswig-Holsteiner, sondern die gewöhnliche Taktik des
gesunden Menschenverstandes über die Hegelsche Spekulation gesiegt hat.
Das Willisensche Buch sollte eigentlich heißen: _Philosophie_ des großen
Krieges. Es versteht sich damit von selbst, daß in dem Ding mehr
Philosophiererei als Kriegswissenschaft enthalten ist, daß die sich am
meisten von selbst verstehenden Sachen mit der weitläufigsten und
tiefsten Gründlichkeit _a priori_ konstruiert werden, und daß dazwischen
die schulgerechtesten Abhandlungen über Einfachheit und Mannigfaltigkeit
und dergleichen Gegensätze vorkommen .... Hier und da sind nette Aperçus
und brauchbare Reduktionen auf einfache Grundregeln; es wäre auch
schlimm, wenn das nicht der Fall wäre. Auf seine Anwendung auf die
Praxis bin ich noch nicht gekommen; aber es spricht nicht sehr für
Willisen, daß Napoleons größte Erfolge jedesmal durch Mißachtung der
Willisenschen ersten Regeln erlangt wurden, ein Resultat, das sich ein
bibelfester Hegelianer freilich sehr gut erklären kann, ohne daß die
Regeln im geringsten zu leiden brauchen.

Wie ich sehe, sind Görgeys Memoiren soeben erschienen – sie kosten aber
6 Taler, und ich werde sie mir daher jetzt noch nicht anschaffen können.
Mit ihnen kann man das Material über das _Militärische_ des ungarischen
Krieges als vorderhand abgeschlossen betrachten. Über den ungarischen
Krieg mache ich jedenfalls etwas, vielleicht über alle 1848/49er Kriege.
Sowie ich etwas mit der früheren Kriegsgeschichte im reinen bin, werde
ich mich nach einem Verleger umsehen, der dann auch den größten Teil der
Kosten für die Quellen tragen kann.

Die Dir vorigen Samstag geschickten 30 Schilling wirst Du erhalten
haben.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Gegen einen Barnum [setzt man] anderthalb Barnums.

   [2] Dummheit.


                                  164

                                             Manchester, 19. Mai 1852.

Lieber Marx!

_Les affaires vont bien._[1] Morgen oder übermorgen reist mein Alter
wieder ab, sehr zufrieden mit seinen Geschäften. Das hiesige Geschäft
wird vollständig reorganisiert und auf neuen Grundlagen fortgeführt. Die
Zulage ist glücklich erobert, und sobald die Kontrakte unterzeichnet
sind und mein Alter verschwindet, wird die erwähnte Banknote bei Dir
ihre Erscheinung machen. Das schönste dabei ist, daß ich gar nichts
unterschreibe, mein Alter hat die Weisheit, mir in politischer Beziehung
doch nicht ganz zu trauen und sich daher wohl zu hüten, daß er nicht
später durch mich in neue Unannehmlichkeiten kommt. Auch kann ich es
eintretendenfalls bei Beobachtung einiger Anstandsformen dahin bringen,
daß ich von einem meiner Brüder ersetzt werde, so daß bei meinem
Fortgehen mein Alter nichts verliert als allenfalls einige Illusionen,
und ich derjenige bin, der ein Opfer bringt, nicht er. Da ich nämlich
durch alle diese Veränderungen für den Augenblick einen tüchtigen Haufen
Arbeit auf den Hals bekommen werde, so kann ich in den nächsten Tagen
schwerlich an viel Zusammenarbeiten mit Dir denken, und doch wäre es mir
lieb, Dich sobald wie möglich hier zu sehen .... Es fällt mir gerade
ein, daß es am besten wäre, Du kämest Pfingsten, _id est_ den Freitag
vorher – übermorgen über acht Tage –, wo hier die allgemeinen
_holidays_[2] sind. Bei schönem Wetter gingen wir dann auf die Insel Man
oder sonst wohin und bei schlechtem arbeiteten wir.

Die Hauptsache ist übrigens bei dem neuen Arrangement, daß vom 1. Juli
an mein Geld nicht nur sich vermehrt, sondern auch vollständig _mein_
ist, so daß kein Mensch mehr mich zu fragen hat, wozu ich es gebrauche.
Das Nähere mündlich.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Die Geschäfte gehen gut.

   [2] Ferientage.


                                  165

                                             Manchester, 21. Mai 1852.

Lieber Marx!

Mein Alter ist fort. _All is right._[1] Inliegend die erste Hälfte der
Zehnpfundnote. Ende nächster Woche hoffe ich, Dich hier zu sehen.
Vermutlich liegt in diesem Augenblick ein Brief von Dir in meinem Hause,
ich habe aber nicht die Zeit, hinzugehen. Die zweite Hälfte der Note
erfolgt entweder heute mit der zweiten Post oder morgen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Alles ist in Ordnung.


                                  166

                                             Manchester, 22. Mai 1852.

Lieber Marx!

Ich schreibe Dir heute bloß, um für alle Fälle anzuzeigen, daß ich Dir
gestern per erste Post direkt eine halbe Zehnpfundbanknote geschickt,
und daß die zweite Hälfte gleichzeitig an Lupus zur Abgabe an Dich
kuvertiert wurde, was Du hoffentlich richtig erhalten hast.

Hier ist jetzt große _electioneering activity_[1] – zwei von den Tories
aufgestellte Whigfreetrader sollen Bright und Gibson hinauswerfen, und
es wird nichts getan als gekanvaßt[2] und gesoffen. Natürlich haben die
Kerls keine Chance, es wird sie aber ein schönes Geld kosten.

Vor drei Wochen trat, wie ich erwartet, ein Anlauf zur Spekulation im
Baumwollenmarkt ein; da aber die Chancen noch nicht prononciert genug
sind und die hiesigen Spinner und Kaufleute dagegen operierten, fiel die
Geschichte momentan wieder ins Wasser. Sie wird indes sehr bald wieder
anfangen, sobald die ganze Masse der Ernte in Amerika abgeliefert ist
.... _Après tout_[3] zeigen sich die Sturmvögel jetzt doch schon etwas
bestimmter und in größerer Menge. _Cela sera beau._[4]

Hoffentlich erhalte ich spätestens bis morgen früh einen Brief von Dir.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Wahlagitation.

   [2] [Wähler] persönlich bearbeitet.

   [3] Nach allem.

   [4] Es wird schön sein.


                                  167

                                    28 Deanstreet, Soho, 22. Mai 1852.

Lieber Frederic!

Heute morgen ist die erste Hälfte der Zehnpfundnote eingesprungen.

Ich denke Freitag von hier abzureisen, und zwar zu Schiff nach
Liverpool, von da nach Manchester.

Apropos. Bürger Schramm reist nach Amerika über Liverpool. Nun hat der
Kerl vor, wie er uns vertraut, Dich Mittwoch oder Donnerstag
heimzusuchen. Du mußt sehen, wie Du ihm entgehen kannst.

Cherval, von dessen Heldentaten vor den Pariser Assisen, in dem _Complot
allemand-français_,[1] Du gelesen, ist, wie Du vielleicht auch in den
englischen Blättern (Morning Advertiser) gesehen, auf fabelhaft kühne
Weise den Häschern entsprungen. Nachträglich stellt sich heraus, mit
Einwilligung der Polizei, der er alles, was er wußte, verraten. Die
Great Windmillers selbst waren gezwungen, den Helden, mit dem sie in
London herumparadierten, auszustoßen.

Die Kölner sind von dem Anklagesenat endlich vor die Assisen verwiesen.
Wenn keine Extraassisen angesetzt werden, kommen sie erst Juli vor.

Dronke grüßt.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Deutsch-französisches Komplott.


                                  168

                                          28 Deanstreet, 3. Juli 1852.

Lieber Engels!

Ich komme spät, aber ich komme. Den Aufschub wirst Du aus folgender
Geschichtserzählung Dir erklären ....

Kloses Frau, lang kränkelnd, abzehrend im Hospital, wird von dem
Hundepack entlassen gerade im Moment der letzten Krise, stirbt
vorgestern in seinem Hause. Nun kein Centime da, Begräbniskosten usw.
Freiligrath konnte nichts tun, da er eben alle seine Bekanntschaften
erschöpft hatte, um Heilbergs Frau und Kind nach Breslau
zurückzufördern, ihn selbst am Leben zu halten und schließlich ins
Hospital zu fördern. So fiel die Sache auf mich und machte unsägliche
Laufereien, bis sie ins reine gebracht war. _Maintenant_[1] ist wieder
Ruhe!

Du wirst von neuen Verhaftungen in Paris gelesen haben. Die Tölpel
(diesmal Ruge-Clique) mußten natürlich eine Scheinkonspiration wieder
von neuem auf die Tapete bringen. Ihr Korrespondent in Paris, wie mir
schon vor geraumer Zeit mitgeteilt war, _Engländer_, notorischer
Polizeiagent (in Paris), deponiert natürlich jeden ihrer Briefe sofort
im Office. Nicht zufrieden damit, schickt die französische Polizei Simon
Deutsch her, um dem Panzerum die Würmer aus der Nase zu ziehen. L[ouis]
N[apoleon] bedarf unter allen Umständen einer Konspiration.

Ein Hauptagent der Polizei ist bestochen. Zwei Generale sollen gewonnen
sein. Nemours war selbst vor vierzehn Tagen in Paris. Große Summe zur
Verbreitung von Pamphleten gegen L. N. verausgabt.

Der Hund Cherwald hat den Preußen noch den Pfänderschen Brief an ihn
ausgeliefert.

_Au revoir._

                                                            Dein K. M.

Von Weydemeyer keine Spur. Bonaparte wird wohl eher in Amerika sein als
meine Broschüre über ihn in Europa. Wenn möglich, schicke mir bald einen
Artikel für Dana.

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   [1] Jetzt.


                                  169

                                             Manchester, 6. Juli 1852.

Lieber Marx!

Ich sitze hier bis über die Ohren in der Arbeit. Vor mir liegen jetzt
noch elf Geschäftsbriefe, die ich heute noch schreiben muß, und es ist
gleich 7 Uhr. Ich will indes womöglich noch heute, spätestens aber
morgen abend einen Artikel für Dana machen.

Ich habe gerade den Herrn Görgey vor. Wir haben damals aus den
österreichischen Berichten den Gang des ungarischen Krieges in der Neuen
Rheinischen Zeitung famos richtig geraten und glänzend, aber auch
vorsichtig, richtig prophezeit. Das Buch von Görgey ist hundsgemein, so
etwas klein Neidisches, infam _mesquin_ Borniertes existiert nicht mehr.
Das Militärische ist gut, Görgey, wie er leibt und lebt, der talentvolle
Exleutnant, der sofort General wird und dem der Kompagniedienst und das
elementartaktische Detail noch als Eierschale überall anklebt. Die
Ungarn, die behaupten, Görgey hätte das nicht schreiben können, sind
_Esel_. Das echt Görgeysche und das österreichische Element sind im
Buche so leicht zu unterscheiden, wie im Chenu die beiden heterogenen
Elemente. Als Quelle ist das Buch – mit Vorsicht – aber sonst sehr gut
zu gebrauchen. Die boshafte Borniertheit des Kerls geht so weit, daß sie
ihn dazu treibt, sich selbst zu blamieren, wie durch die Geschichte von
der Waizener Proklamation, worin er Kossuth vorwirft, in der
Wirklichkeit gescheiter gewesen zu sein als in seinen bombastischen
Reden, und durch die ganze unbeholfene Darstellung, die den Verfasser
sich immer wider Willen kompromittieren läßt. Diese Borniertheit läßt
Görgey nie zu einer wirklichen Charakterisierung irgend eines Kerls
kommen, doch sind nette Züge und einzelne Glossen drin über Kossuth und
die meisten anderen. Trotz dieser Borniertheit der Boshaftigkeit war
Görgey – man sieht es überall – doch allen überlegen – was sind also
die anderen erst für Kerle!

Über den ungarischen Krieg schreibe ich jedenfalls.

                                                            Dein F. E.


                                  170

                                                        13. Juli 1852.

Lieber Engels!

Einen Artikel über die Wahlen habe ich nicht geschrieben, weil nach
meiner Ansicht erst das Gesamtresultat abgewartet werden muß. Es scheint
mir nach dem, was ich bisher gesehen, daß auf fünf bis sechs Stimmen,
zum Vorteil der Whigs, das alte Parlament mit Haut und Haar wieder
auferstehen wird. Die Kerls sind in einem _cercle vicieux_,[1] wo sie
nicht herumkommen. Die einzigen, die bis jetzt bedeutend verloren haben,
sind die Peeliten. – –

Der große Techow nebst Madame Schmidt-Stirner wandern nächste Woche nach
Australien. Aber was Dich tiefer kränken wird, „Dr.“ Damm wirst sich
nicht minder auf _australian golddigging_.[2] Noch einige Monate
Frieden, und unsere Weltumwühler wühlen alle im australischen Dreck nach
dem Drecke.

Meine Frau ist sehr leidend, magert ab und hustet. Indes erklärt der
Doktor die Sache für nicht gefährlich und hat ihr außer Medizin
verordnet, viel Porter zu trinken.

Wenn es Dir möglich ist, bis Freitag noch einen Artikel zu schicken,
werde ich versuchen, die an Dana dann zu fordernden 5 Pfund bei Johnson
zu eskomptieren. –

                                                            Dein K. M.

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   [1] Fehlerhaftem Zirkel.

   [2] Goldgraben in Australien.


                                  171

                                            Manchester, 15. Juli 1852.

Lieber Marx!

Hast Du vor zwei bis drei Tagen den Artikel im Morning Herald über die
verschiedenen Parteichefs der Opposition gelesen? Er kann nur von
Disraeli selbst geschrieben sein. Das: _And now stand forth, thou man of
„unadorned eloquence“,[1] Richard Cobden_, ist famos. Master John Bright
wurde darin ganz richtig als der einzig gefährliche Kerl erkannt, obwohl
die Herren sich über den Graham auch Illusionen machen. Dieser
gewissenlose alte _ambitieux_[2] ist gerade jetzt den Herren Tories sehr
gefährlich.

_Bon voyage_[3] den patriotischen Goldgräbern! So bekommt der Name
„Wühler“ doch endlich seine wahre Bedeutung und seinen Inhalt.

Gerade jetzt, da, wie ich höre, der Prozeß am 28. vorkommt, ist es
wichtig, mehrere sichere Verbindungen mit Köln zu haben. Wüßten wir nur,
wie weit man sich auf B[ermbach]s Tätigkeit verlassen kann. Die Briefe
könnte man ihm _via_ Bradford schon sicher zuspedieren. Wüßten wir, daß
Weerth in Hamburg, so wäre die Sache abgemacht. Ich schreibe deshalb
noch heute an Strohn. Zu gleicher Zeit ist im Notfall sogar Naut zu
benutzen. Dieser nämlich, von Emanuels abgegangen, Agent für ein kleines
Bradforder Judenhaus, hat mir einige militärische Sachen bei einem
Kölner Antiquar gegen alle Erwartung _äußerst prompt_ besorgt; das
Rätsel löst sich aber, wenn Du hörst, daß er Agent für Ermen & Engels
werden will und mich außerdem ersucht hat, ihm für ein hiesiges
Twisthaus die Agentur zu verschaffen. Ich verspreche ihm alles und
empfehle ihn meinem Alten. So kann man sich, für die Dauer dieser
Unterhandlungen, auf seine Exaktitude verlassen.

Die mir von Naut besorgten Militaria – offenbar die Bibliothek eines
abgedankten Artillerieoffiziers – kommen mir sehr gelegen, und zwar
besonders, weil sie sich hauptsächlich auf die _niedere_
Militärwissenschaft beziehen, den eigentlichen Dienst usw. Das fehlte
mir gerade. Dazu famose Sachen über Fortifikation usw. Ich werde bald so
weit sein, daß ich auch vor dem Publikum riskieren darf, ein
independentes militärisches Urteil zu haben.

Inliegend der Artikel für Dana. Ich werde jetzt rasch zum Schlusse
arbeiten; mache aber auch etwas über England. Schlagen wir 3 Pfund pro
Woche aus dem Kerl heraus, so müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn wir
es nicht dahin brächten, daß Deine Frau noch vor Ende dieses Sommers
einige Zeit aufs Land geht – das wird ihr besser helfen als aller
Porter. Jedenfalls freue ich mich zu hören, daß ihr Unwohlsein nicht
gefährlich ist.

Laß mich nur noch ein Jahr Militaria ochsen, und die
Demokraten-Leutnants sollen sich doch höllisch wundern.

Grüße Deine Frau und Kinder und Dronke und Lupus von

                                                          Deinem F. E.

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   [1] Und nun trete vor, du Mann der „unverzierten Beredsamkeit“.

   [2] Ehrgeiziger.

   [3] Glückliche Reise.


                                  172

                                                       2. August 1852.

Lieber Engels!

Die Kölner Geschichte [ist] von dem Gericht wieder auf drei Monate
vertagt, auf Antragen des Staatsprokurators. Ihm sind nämlich die
Hauptzeugen durchgegangen, Haupt nach Brasilien und ein Schneidergeselle
nach irgendeinem _lieu inconnu_.[1]

Glaubst Du, daß Dana etwa Anstand nehmen wird, wegen der
Namensverwandtschaft der englischen und amerikanischen Whigs?

Morgen wahrscheinlich eine ausführliche Depesche.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Unbekannten Ort.


                                  173

                                        28 Deanstreet, 5. August 1852.

Lieber Engels!

Vergiß ja nicht, bis _Dienstag_ mir den Rest der Sache zu schicken. Der
Abschnitt von den Tories allein ist zu klein. Aus doppeltem Grunde muß
diesmal nicht in zu kargen Portionen dem Dana geschickt werden. 1. Der
biedere Heinzen ist in Cincinnati für die Whigs gegen die Demokraten
aufgetreten, weil er mit Recht diese _electioneering time_[1] für die
rechte [Zeit] hält, um gekauft werden zu können. Greeley hat seine
dortige Rede in der Tribune mitgeteilt und Heinzen gelobt. Also droht
mir ein Ungewitter von dieser Seite. 2. Da ich seit Wochen, namentlich
aber seit den letzten vierzehn Tagen täglich sechs Stunden laufen muß,
um 6 Pence für das Fressen aufzutreiben und zudem noch von der Landlady
von neuem gequält werde, so blieb mir nichts übrig, als gestern Johnson
zu schreiben und bei ihm anzufragen, ob er mir einen Wechsel auf die
Tribune diskontieren will. Sollte der Mann so verständig sein, hierauf
einzugehen, was noch _in dubio_,[2] so muß ich also dem Dana das
schreiben, und erhält er kleine Artikel, so betrachtet er die Sache als
Schneiderei und wirft mich zum Tempel hinaus, da er jetzt so reichlichen
_supply_[3] von Heinzen, Ruge und B. Bauer hat. Zum größeren Pech sah
ich heute noch aus der Times, daß die Daily Tribune protektionistisch
ist. Also das alles _very ominous_.[4] Man muß so rasch an den Kerl
schicken als möglich, ehe Konterorder kommt. Meine Depesche kann ich
noch nicht fortschicken, da ich scheußliche Kopfschmerzen habe, wenn
auch nicht infolge von _pale ale_.[5]

Ich habe allerlei Zeug auch von Cluß an Dich zu schicken, die Du
erhältst, sobald Du mir einige Stamps einlegst, da die Geschichte Dir
sonst das Doppelte kostet, und ich _pour le moment_[6] keinen Penny zu
entsenden habe.

Salut!

                                                            Dein K. M.

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   [1] Wahlagitationszeit.

   [2] Zweifelhaft.

   [3] Zufuhr.

   [4] Sehr verhängnisvoll.

   [5] Helles Bier.

   [6] Im Augenblick.


                                  174

                                              Freitag, 6. August 1852.

Lieber Marx!

Die erste Hälfte des Artikels wirst Du gestern nachmittag Englisch und
Deutsch zurückerhalten haben. Die zweite hast Du Dienstag morgen. Was
die Schutzzöllnerei angeht, so schadet das nichts. Die amerikanischen
Whigs sind alle industrielle Schutzzöllner, aber darum noch lange keine
grundaristokratischen Derby-Protektionisten. So dumm sind sie auch
nicht, daß sie nicht ebensogut wie List wüßten, daß für die englische
Industrie der _freetrade_[1] am konvenabelsten ist. Übrigens kann ich im
Notfall bei den _freetraders_ hier und da ein Wort deshalb einschieben,
was Du ja wieder ausstreichen kannst, wenn es Dir nicht gefällt. Es ist
aber nicht einmal nötig.

Ich dachte, Du hättest das Diskontogeschäft mit Johnson seit lange
gemacht, und hoffe sehr, daß es zustande kommt. Was mich betrifft, so
reite ich mich täglich tiefer in Geldsachen fest. Vater Dronkes Besuch
ist mir zwar sehr angenehm, da aber abends nicht gearbeitet werden kann,
so wird ziemlich Geld verbummelt, und dazu die laufenden
_disbursements_,[2] nebst 20 Pfund Schulden im Haus, das setzt einen
fest. Nächste Woche (Anfang) will Dronke zurück, und dann werde ich eine
Zeitlang tüchtig arbeiten, Stoff genug habe ich hier, und dann auch bis
Ende September wieder einiges Geld disponibel bekommen – ein paar Pfund
im Dezember [September] gewiß. Zum äußersten Pech hat mich in einer
bösen Stunde auch noch Herr Pindar angepumpt, der noch immer auf drei
Stunden herumreitet und sich rührend verliebt zu haben scheint –
_pauvre garçon, il faut l’avoir vu sous l’empire de l’émotion plus ou
moins vierge_.[3] –

Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll, daß ich einen Artikel Germany
für Dana hinter Dr[onke]s Rücken mache, der die Sache nicht kennt; auf
dem Kontor habe ich jetzt alle Hände voll bis nach 7 Uhr abends, da kann
ich es also nicht. _Cependant je verrai._[4]

Grüße Deine Frau und Kinder bestens von Deinem

                                                                 F. E.

Inliegend für 9 Schilling und einige Pence Stamps.

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   [1] Freihandel.

   [2] Ausgaben, Zahlungen.

   [3] Armer Junge, man muß ihn unter dem Einfluß mehr oder weniger
   jungfräulicher Aufregung gesehen haben.

   [4] Indes werde ich sehen [was zu machen].


                                  175

                                        28 Deanstreet, 6. August 1852.

Lieber Engels!

Einliegend Briefe von Cluß:

   1. 20. Juni.
   2. 4. Juli.
   3. 8. Juli mit Zirkular von Kinkel.
   4. Zirkular von Kinkel vom 2. August.
   5. Cincinnati, 6. August, Brief von Kinkel an Hutzel.
   6. Brief von Hillgärtner an Hutzel.
   7. Brief von Cluß vom 22. Juli.

Das geheime Sendschreiben von Kossuth, wovon Cluß in seinem letzten
Briefe spricht, findest Du englisch in dem morgen erscheinenden Paper
von Jones. Es ist daher nicht beigelegt.

Dienstag, am 3. August, fand Kinkelsche Garantenversammlung statt. Die
Hauptsache war die: Reichenbach hütet wie ein Zerberus den Schatz. 200
Pfund Sterling, die Kinkel-Willich bisher verausgabt, haben sie
_aufgenommen_ bei Gerstenberg usw. auf die Revolutionsdepositen.
Statutenmäßig können sie bloß verfügen, sobald _drei_ Mann wenigstens
von den Garanten ernannt sind .... Löwe (alliiert mit Ruge) schlug vor,
das Geld dem Revolutionsbunde in Amerika auszuhändigen. Kinkel erklärt
sich jetzt für bereit, mit Goegg, Ruge usw., _gemeinsam_ zu gehen und
gemeinsam das Geld zu verwalten, damit er überhaupt ans Verwalten kommt
....

Aber nun tut sich eine dritte Sache auf, deren nächstes Resultat zwar
Kinkel und Goegg, beide Seiten, von dem „Schatze“ fernhalten kann.
_Nämlich einerseits agitiert unser Eduard Meyen_ dafür, das Geld für die
Ausgaben eines großen _London weekly paper_[1] zu verwenden. Imandt usw.
betrachten dies als den einzigen Weg, das Geld vor Kinkel und Goegg zu
retten.

Über die heutige Sitzung werde ich genauen Bericht erhalten, da Imandt
jetzt B. M. G. [Bundesmitglied] ist.

Eben erhalte ich den einliegenden Brief von Freiligrath, woraus folgt,
daß der Biedermann Johnson sich auf nichts einläßt. Ich weiß mir also
absolut nicht mehr zu helfen, und die Position wird scheußlich.

Also der brave Goegg ladet den Freiligrath ein. Auf den können sie immer
noch nicht verzichten, werden es schließlich aber doch müssen.

Gruß an Alraun [Dronke].

                                                            Dein K. M.

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   [1] Londoner Wochenblatt.


                                  176

                               28 Deanstreet, London, 10. August 1852.

Lieber Engels!

Erstens einliegend den Originaltext von Kossuths _Secret circular_.[1]

Nun der Bericht über die Garantensitzung vom 3. August.

Zugegen: Kinkel, Willich, Reichenbach, Löwe von Kalbe, Meyen, Schurz
(Techow diesmal nicht), Schimmelpfennig, Imandt, von anderen weiß ich
nicht. Schärttner nicht zu vergessen. – –

_Löwe von Kalbe_: _Erstens_: „Die deutsche Anleihe ist mißglückt, da die
politische Konstellation (Mai 1852), in bezug worauf sie unternommen
wurde, nicht mehr vorhanden, und die vorausgesetzte Summe von 20 000
Dollar nicht aufgebracht worden ist.“ _Zweitens_: „Die Gelder den
amerikanischen Komitees zurückzuschicken.“

Der erste Teil des Antrags geht durch, der zweite verworfen.

_Imandt_: „Das vorhandene Geld soll, wenn die übrigen Garanten der
Majorität noch derselben Ansicht, zur Herausgabe einer deutschen Zeitung
in London verwandt werden.“ „Reichenbach bleibt Trustee des Geldes.“ „Es
soll ein Komitee gewählt werden von Reichenbach, Löwe und
Schimmelpfennig, dem die Listen der Garanten in Amerika und der Schweiz
von Kinkel und Willich ausgeliefert würden, das bisherige Komitee hat
nichts mehr mit der Sache zu schaffen. Das neue Komitee wird die
auswärtigen Garanten von den gefaßten Beschlüssen unterrichten und ihre
Meinung einholen.“ Reichenbach unterstützt. Imandts Anträge gehen
sämtlich durch. Kinkel und Willich protestieren, weil die Verfügung über
die Gelder nicht lediglich dem Garantenkörper zustehe. Nur die Geber des
Geldes, respektive die in Amerika aufgestellten Finanzkomitees könnten
das Verfügungsrecht ausüben. –

                                                         Dein K. Marx.

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   [1] Geheimes Rundschreiben.


                                  177

                                                      16. August 1852.

Lieber Marx!

Heute abend sind mir 2 Pfund zugesagt, die ich vor einiger Zeit verpumpt
hatte; bekomme ich sie, so schicke ich sie Dir gleich morgen in einer
Post Office Ordre und schreibe Dir auch ausführlicher. –

Aus Deinem Bericht scheint hervorzugehen, daß dem Herrn Kinkel durch die
Beschlüsse vom 3. vorderhand das Geld aus den Fingern gerissen ist.

Übrigens mache ich den ungarischen Feldzug jetzt baldigst und schreibe
noch diese Woche direkt an Brockhaus. Ich werde sehen, daß ich ihm, wenn
er meinen militärischen Kapazitäten nicht traut, vorher ein paar
einschlagende Artikel für die „Gegenwart“ mache, wo er dann sehen kann,
was daran ist. Der Brockhaus ist am Ende noch einer der traktabelsten
Buchhändler. _Nous allons voir._[1]

Den Artikel für Dana vorigen Donnerstag schreibend, wurde ich
unterbrochen, ich werde dafür diese Woche womöglich zwei machen. Auch
über England erwarte ich von Dir wieder etwas.

Grüße Deine Frau und Kinder.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Wir werden sehen.


                                  178

                               28 Deanstreet, London, 19. August 1852.

Lieber Engels!

Von Dronke 10 Schilling überreicht erhalten. Gestern per Post 2 Pfund
Sterling. So sehr willkommen das Geld kam, so ennuyant[1] ist es mir,
daß Du Dich für mich auspressest, und in einem Moment gar, wo Du selbst
_plus ou moins_ festgesessen.

Für den ungarischen Krieg wirst Du wahrscheinlich wohltun, noch
anzusehen:

„_The fortress of Komorons_ (Comorn) _during the war of Independence in
Hungary. By Colonel Sigismund Thaly. Translated_ (vom Deutschen) _by
William Rushton. James Madden, Leadenhallstreet._“

Von Schriften über das Kriegswesen, da Du einmal gründlich die ganze
_line_ durchmachen willst, zitiere ich noch folgendes, im Falle Dir das
eine oder andere vielleicht anschaffenswert scheint:

_Carion Nisas_: _Essai sur l’histoire générale de l’art militaire etc._
Paris 1824.

_Kausler_: Kriegsgeschichte aller Völker. Ulm 1825. Wörterbuch und Atlas
der Schlachten 1825 und 1831. (Die beiden einzigen allgemeinen
Kriegsgeschichten. Sollen mager sein.)

_Guerard_: Enzyklopädie der Kriegskunst. Zweite Auflage. Wien 1833.

_Handbibliothek der Offiziere_ über das Ganze der Kriegslehre für
Eingeweihte und Laien. Von einer Gesellschaft preußischer Offiziere.
Berlin 1828.

J. A. M. (Mitterbacher): Das Kriegswesen der Römer, nach antiken
Denkmalen geordnet. _Ottenberger._ Prag 1824.

_Löhr_: Das Kriegswesen der Griechen und Römer. Zweite Auflage. Würzburg
1830.

_Blesson_: Geschichte des Belagerungskriegs. Berlin 1821.

_Hoyer_: Geschichte der Kriegskunst. Göttingen 1797.

_Chambray_: Veränderungen in der Kriegskunst von 1700 bis 1815. Deutsch.
Berlin 1830.

_Stenzel_: Geschichte der Kriegsverfassung Deutschlands, besonders im
Mittelalter. Berlin 1820.

_Barthold_: Georg v. Frundsberg. Hamburg 1833.

Von Cluß heute Briefe angekommen, die ich Dir schicke, sobald sie Lupus
und dem Bündchen mitgeteilt.

Was Weydemeyer angeht, so schreibt Cluß wie folgt:

„Weydemeyer hat mir unlängst auf mein Betreiben geschrieben, er müsse
ernstlich sich hinter Korff rücken, der die 50 Brumaires abgesandt haben
soll. Weydemeyer hat, glaube ich, kleine Forderungen an Korff und wird
deswegen wohl ihm die Absendung respektive Bezahlung des Portos
aufgetragen haben. – Die übrigen 300 Brumaires ... noch nicht abgesandt
....“

Ich habe vorige Woche wegen Abdruck des Brumaire an F. Streit in Koburg
geschrieben, der in ähnlichen Artikeln handelt.

Apropos. Nr. 15 stand in der Tribune. –

Nachträglich habe ich noch zu berichten:

Am 3. allerdings fand förmliche Ehescheidung statt zwischen Kinkel und
dem _coffre fort_. Reichenbach hat in seinem Namen das Geld auf der Bank
von England deponiert. –

Freund Jones war die vorige Woche ein Haar breit am Untergehen seines
Blattes. Wöchentliches Defizit. Überworfen mit dem Komitee und den zwei
Bürgern, die ihm das Geld bis jetzt vorgeschossen. Plötzliche Rettung.
M’Gowan hat den Druck übernommen, schießt das wöchentliche Defizit vor,
und Jones haust jetzt im Office des alten Northern Star. M’Gowan hat den
Harney herausgeschmissen, und der Esel hatte ihm für 40 Pfund den alten
Star abgekauft.

In Frankreich nach der Gazette Agricole ein Defizit der nächsten Ernte
von einem Drittel _below the average_,[2] was nach J. B. Say in
Frankreich gleich _famine_.[3] – In Deutschland mittlere Ernte. In
England schon Abflüsse von Geld von der Bank für Getreideeinkäufe. Dabei
tolle Spekulation in der City. Vorige Woche Bankrotte auf der Stock
Exchange. Endlich in Nordamerika, wie ich aus dem New York Herald sehe,
die allertollste Spekulation in _railways_, _bancs_,[4] Häuserbauen,
unerhörte Expansion des Kreditsystems usw. Ist das nicht
_approaching_[5] der Krisis? Die Revolution könnte früher kommen als uns
erwünscht. Nichts schlimmer, als wenn die Revolutionäre für Brot sorgen
sollen.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Peinlich.

   [2] Unter dem Durchschnitt.

   [3] Hungersnot.

   [4] Eisenbahnen, Banken.

   [5] Herannahen.


                                  179

                         28 Deanstreet, Soho, London, 20. August 1852.

Lieber Engels!

Dronke wird Dir das zwar miserabel konfuse Manuskript über Görgey
mitbringen, ebenso den _Neveu de Rameau_ und _Jacques le fataliste_[1]
im Original.

Von Köln gestern Brief von Bermbach erhalten. Darin hauptsächlich
folgendes:

„In letzter Zeit hat man verschiedener Orten bei allerhand Leuten nach
Korrespondenzen von Ihnen gesucht, welche absolut durch jener Personen
Vermittlung in die rheinische Demokratie gelangen sollten. Ihre Freunde
in Köln wurden endlich vor die Assisen gestellt. Der Anklageakt, ein
sehr kompendiöses Werk, ist zugestellt, der Termin zur öffentlichen
Verhandlung der Sache auf den 28. dieses Monats bestimmt, und die
üblichen Präliminarien sind vom Stapel gelaufen. Sie werden nach dem
_Code pénal_ beurteilt, da ihr Vergehen noch vor die Zeiten des neuen
Preußischen Gesetzbuchs fällt. Soweit ich die Sache überschauen kann,
steht sie _juristisch_ äußerst gut, aber man weiß, daß vor Geschworenen
der moralische Standpunkt überwiegt, und nach dieser Seite läßt sich
Gefahr für einzelne der Angeklagten nicht wegleugnen. Die
Hauptangeklagten, Röser, Bürgers, Nothjung und Reiff, haben nämlich viel
zu viel eingeräumt: eine Verbindung mit bestimmten Tendenzen und von
einer bestimmten Dauer zugegeben; von der Aufnahme neuer Mitglieder mit
gewissen Förmlichkeiten und Verpflichtungen gesprochen und dergleichen
mehr, was an und für sich kein Verbrechen qualifiziert, wohl aber nach
Umständen unangenehm auf Geschworene, die meist aus dem Bauernstand
erlesen sind, einwirken kann, zumal wenn eine so geringe Ehrfurcht vor
dem Herrgott und Grundeigentum durchleuchtet. Wegen der Verteidigung
werden sich auch bedeutende Schwierigkeiten erheben; die Herren
Advokaten verstehen nichts von solchen Sachen, sind meist prinzipielle
Gegner und denken mit Schaudern an die zehntägige Sitzung, die für die
Sache anberaumt ist. Freiligrath wird _in contumaciam_ geköpft werden.
– Ich habe eben den Anklageakt gelesen, der nicht weniger als etliche
65 bis 70 Seiten enthält. Die Leute haben es lediglich ihren eigenen
Aussagen zu verdanken, wenn sie hängen bleiben. Es ist nun nicht zu
verwundern, daß man die Leute so gepeinigt hat; je länger sie allein
gehalten wurden, desto schönere Aussagen machten sie. Vom Faktum ist
sonst gar keine Rede, und wenn die Angeklagten nicht recht hübsch selbst
größtenteils ausgesagt hätten, läge nichts vor. Der Anklageakt enthält
nebenbei allerhand Spezialia, woraus hervorgeht, daß gewisse
Verhältnisse und Personen ihnen durch aufgefangene Briefe und Spionage
ziemlich genau bekannt sind.“

Soweit Bermbach. – –

Ein gewisser Coeurderoi (_d’ailleurs très bon républicain_[2]), der
schon ein kleines Pamphlet gegen Mazzini, Ledru-Rollin, Louis Blanc,
Cabet usw. veröffentlicht hat, gibt jetzt ein förmliches Buch über die
ganze französische Emigration heraus.

Proudhon veröffentlicht ein neues Werk. Da Religion, Staat usw.
unmöglich geworden, bleiben nur noch die „Individuen“ übrig. Diese
Entdeckung hat er Stirner nachgemacht.

Durch das unverzeihliche Zaudern von W[eydemeyer] bin ich so im
Gedränge, daß ich heute selbst die Stamps für diesen Brief nicht
beibringen kann.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Rameaus Neffe [und] Jacques der Fatalist [Titel von Werken
   Diderots].

   [2] Übrigens sehr guter Republikaner.


                                  180

                                          Manchester, 22. August 1852.

Lieber Marx!

Inliegend der Artikel für Dana. Die Mitteilungen von Bermbach sind
unangenehm; wenn nur diejenigen loskommen, die _nicht_ geschwatzt haben!
Übrigens ist der Prozeß _autant_[1] gegen uns gerichtet wie gegen die
Kölner; wir werden auch unser Fett abbekommen, und besonders da _le
jeune_[2] Sädt jetzt denkt, seine Revanche ungezüchtigt nehmen zu
können.

Kannst Du mir die Sachen von Coeurderoi nicht verschaffen – das heißt,
wenn sie der Mühe wert sind und mehr enthalten als pure Deklamationen.

Unser Worzell war, wie ich aus Smitt erfahre, wirklich Graf und
Hauptbeteiligter bei der Wolhynischen Insurrektion, wo er sich dadurch
auszeichnete, daß er versprengt wurde und zirka drei bis vier Wochen in
den Wäldern eine Art Räuberbande anführte, bis ihn Rozycki nach Polen
brachte; unser Sznayde hat einige Kavallerie – soviel ich bis jetzt
weiß – ohne Auszeichnung kommandiert. Ein 1847 in Berlin erschienenes
Werk von Mieroslawski über den polnischen Feldzug wird von Smitt sehr
gerühmt.

Vergiß mir den englischen Artikel nicht!

Beste Grüße an Deine Frau und Kinder.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Ebenso.

   [2] Der jugendliche.


                                  181

                               28 Deanstreet, London, 24. August 1852.

Lieber Frederic!

Du erhältst hier eingeschlossen: 1. Einen Brief von Massol an mich. Der
Mann, auf den er Einfluß übt, ist Proudhon, und das Buch, das er als
glückliche (!) Frucht dieses Einflusses betrachtet, dessen jüngstes Buch
über Louis Bonaparte. Darüber werde ich in einem nächsten Briefe
berichten.

2. Den Brief von Cluß, aus dem Du schon Auszüge erhalten.

3. Den höchst interessanten Bericht von Jakob Hutzel über Godofreden.

4. Einen Wisch von Goegg in der Schweizer Nationalzeitung.

5. und 6. „Entwurf eines Unionvertrags“ zwischen Kinkel, Willich und
Goegg. Ein Rundschreiben der erstgenannten Herren an ihre amerikanischen
Komitees und Garanten.

Das Ganze ist ein Notschrei von Kinkel-Willich. Sie wollen: 1. Den
unbeugsamen Reichenbach von dem heiligen Gral entfernen, um
„schleunigst“ die Geldmittel zu verwenden. 2. Da Kinkel keine Armee mehr
hinter sich, will er mit 1000 Pfund hinter sich in den sogenannten
Revolutionsbund treten, von dem er erwartet, daß er ihn aus Dankbarkeit
in sein oberstes Komitee wählt. 3. Willich, dessen Stellung unhaltbar
ist, dem es auf den Nägeln brennt, will nach Amerika, nachdem er, wie er
sagt, „noch _eine_ Aufgabe gelöst“. Die Aufgabe ist, durch Ausliefern
der 1000 Pfund an den Revolutionsbund und durch Eintritt in denselben
sich das Rittertum in Amerika „vorzubereiten“.

Nächstens mehr. Salut!

                                                         Dein K. Marx.


                                  182

                         28 Deanstreet, Soho, London, 30. August 1852.

Lieber Engels!

Aus den Aktenstücken, die ich Dir gesandt habe, hast Du gesehen, wie
Kinkel-Willich manövrieren. – Es handelt sich für die Herren darum,
endlich wirklich an die _Verwaltung der Gelder_ zu kommen, von der sie
abzutreten drohen, wenn man ihnen nicht willfahre. Der _point urgent_[1]
ist der. Die Kerls haben 200 Pfund Sterling verausgabt, die ihnen hier
schwerlich ratifiziert würden. Daher der Versuch, sich direkt und
„schleunigst“ aus Amerika zu Geldausgaben bevollmächtigen zu lassen oder
zur Zuziehung eines dritten Kollegen, damit sie als konstituiert handeln
können. Sie haben die Sache in ihrer Weise pfiffig angegriffen. Erst die
Dokumente nach Amerika und der Schweiz geschickt, _hinter_ dem Rücken
der Londoner Garanten. Dann diesen die Schriften am 26. zugestellt
(obgleich vom 11. und 12. datiert), mit der Bemerkung, Stillschweigen
als Einverständnis zu betrachten. –

Welcher Art aber die „starken“ Organisationen in Deutschland sind, womit
sie renommieren, wirst Du aus folgendem ersehen.

Du weißt, daß Gebert _angeblich_ nach Amerika gereist ist. Aber die
Sache verhält sich wie folgt.

Kinkel-Willich haben Anfang dieses Monats einen Emissär nach Deutschland
abgesandt, _id est_ _Gebert_, den Schneidergesellen. In Magdeburg hat er
eine sogenannte Kommunistengemeinde versammelt; drei Tage nacheinander
wurden Beratungen gehalten, 26 bis 30 Mitglieder nahmen teil; das
Präsidium führte ein gewisser _Hammel_; gegen Marx und Engels wurde mit
großer Erbitterung debattiert, – nebst mehreren Administrations- und
Organisationsfragen kam man auf die Frage: wie und auf welche Art eine
Druckerei zu schaffen wäre! Es fand sich ein armer Buchdrucker, der in
oder um Magdeburg herum etabliert ist; mit ihm wurde ein Vertrag
geschlossen. Er stellte seine Office der Propaganda zur Verfügung, die
alte Firma wird beibehalten. Dafür werden ihm sofort 100 Taler
ausgezahlt und ein Schuldschein für 350 Taler am Ende des Jahres, von
jetzt gerechnet.

Die Polizei wußte alles von Geberts Abreise an. Sie läßt ihn beständig
begleiten. Sie hatte ihren Berichterstatter in der Magdeburger
Versammlung. Sie will ihn erst einstecken, sobald er seine Mission
erfüllt und möglichst viele ins Pech geritten hat. Die Sache ist sehr
fatal für unsere Kölner Gefangenen. Wird Gebert gesteckt usw., so halte
ich es an der Zeit, öffentlich die Kerls zu denunzieren und vor ihnen zu
warnen, die zur Scheinagitation und um sich wichtig zu machen vom
sicheren Versteck aus den deutschen Regierungen, speziell der
preußischen, in die Hände arbeiten. Ich habe sofort nach Köln berichtet.
Wie ich die Sache erfahren habe, kann ich Dir nur _mündlich_ mitteilen.
Das Postgeheimnis ist hier auch ein problematisches Ding. – –

Vor einigen Tagen berief _Pyat_ (Felix) die mit ihm zusammenhaltenden
Franzosen zu einer Reunion und legte ihnen ein Programm vor, das nun
gedruckt werden soll. „Gott“ spuckte natürlich dadrein. Einer der
Anwesenden protestierte dagegen, „Gott“ in einem Revolutionsprogramm zu
beherbergen. Pyat, dem _gouvernement direct_ gemäß, läßt _abstimmen_.
„Gott“ passiert mit sieben Stimmen Majorität. _L’être suprême est sauvé
encore une fois._[2] Früher hieß es: Gott verläßt die Seinen nicht.
Jetzt heißt es: Die Seinen verlassen Gott nicht. Eine Hand wäscht die
andere.

General Vetter war auf längere Zeit aus London verschwunden, niemand
wußte wohin. Das _mystère_ hat sich aufgeklärt. Vetter reiste mit einem
amerikanischen Passe, worin er als Maler figurierte, mit seiner
Mätresse, einer Sängerin, namens Ferenzi. Er passierte als Künstler. Sie
gab an allen bedeutenden Orten Konzerte, und so ist er von Genua und
Mailand bis Rom, Neapel, Palermo gekommen. Er hatte die _passwords_[3]
und Empfehlungen von Mazzini-Kossuth. So waren ihm die geheimen
italienischen Zirkel zugänglich, während sein _ostensibler trade_[4] ihn
in die höheren _cercles_ brachte. Er ist seit einiger Zeit hierher
zurückgekehrt und hat Bericht bei dem „europäischen“ Zentralkomitee
abgestattet. (Notabene: Darasz ist gestorben und vorige Woche begraben
worden.) Das Resümee davon, zum großen Kummer des „frommen“ Mazzini:
_L’Italie s’est tout à fait matérialisée. On n’y parle que commerce,
affaires, soies, huiles et autres misères mondaines. Les bourgeois
calculent d’une manière terriblement positive les pertes, que la
révolution de Mars les a fait subir et ne pensent qu’à se reprendre sur
le présent. Quant à l’initiative insurrectionnelle ils sont heureux de
la laisser aux Français, à ce peuple frivole et sensualiste. La seule
chose, dont ils ont peur, c’est que les Français ne se htent trop._

_Tu penses bien, mon cher, quel coup de foudre pour l’archange Mazzini.
Le général Vetter, nommé déjà comme commandant supérieur des forces
Mazzini-Kossuthiennes leur a déclaré, que les choses étant ainsi, il ne
saurait mieux faire que de passer avec sa maîtresse en Amérique. Au bout
du compte le malheureux Mazzini est convenu avec Kossuth de vouloir bien
laisser aux Français l’initiative insurrectionnelle._[5]

Aber nicht der _vile multitude_,[6] sondern dem Bonaparte.

Aus Paris schreibt man mir darüber unter anderem:

„Kiß, Abgesandter von Kossuth, ist hier nicht nur mit den Orleanisten in
Verbindung getreten, sondern mit den Bonapartisten. Kiß ist in
Bekanntschaft mit Jeromes Söhnen. Auf diese konventionelle Bekanntschaft
gestützt, wußte er Kossuth den Kopf voll zu machen, eine Verbindung mit
der französischen Regierung zugunsten Ungarns einzugehen. Der
phantastische Agitator ging in die Schlinge und sandte zu diesem Behuf
Kiß mit _Gülden_ versehen hierher nach Paris. Kiß amüsiert sich in
Kaffeehäusern und _anderen_ Häusern, antichambriert hin und wieder bei
Pierre Bonaparte, macht diesem einen blauen Dunst vor, schreibt
prachtvolle Berichte an Kossuth, und ist [an] Ungarns Befreiung kein
Zweifel mehr. Diese Revolutionäre _par excellence_ senden Agenten, um
mit dem „_Tyrannen_“ einen Bund auf Leben und Tod zu schließen.“

_Mais ce n’est pas tout._[7]

Aus sicherer Quelle weiß ich, daß im Namen der polnischen
„Zentralisation“ Lelewel und Thaddäus Gorzowski hier waren. Sie haben
den Kossuth-Mazzini einen Insurrektionsplan vorgelegt, dessen _pivot_[8]
die Mitwirkung Bonapartes ist. Diese alten Esel von Konspirateurs rennen
sich jeden Tag von neuem hinein. Als Agenten hier haben und hatten sie
einen gewissen Graf Lanckronsky oder ähnlich. Dieser Bursche (wohnt 7
Harringtonstreet, Hampstead Road) ist _russischer_ Agent, und ihr
Insurrektionsplan hatte die Ehre, vorher in Petersburg korrigiert zu
werden.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Dringender Punkt.

   [2] Das höchste Wesen ist wieder einmal gerettet.

   [3] Stichworte, Losungsworte.

   [4] Zur Schau getragenes Gewerbe.

   [5] Italien ist vollständig dem Materialismus verfallen. Man spricht
   nur vom Handel, Geschäft, von der Seide, dem Öl und anderen
   irdischen Erbärmlichkeiten. Die Bürger berechnen auf eine
   schrecklich positive Art die Verluste, die die Märzrevolution über
   sie gebracht hat, und denken nur daran, sich an der Gegenwart
   schadlos zu halten. Die Initiative des Aufstandes überlassen sie
   gern den Franzosen, diesem leichtfertigen und sinnlichen Volke. Das
   einzige, was sie fürchten, ist, daß die Franzosen sich zu sehr
   beeilen könnten. Du kannst Dir denken, mein Lieber, welcher
   Blitzschlag das für den Erzengel Mazzini [war]. Der schon zum
   Oberbefehlshaber der Truppen der Mazzini-Kossuth ernannte General
   Vetter hat ihnen erklärt, daß er bei diesem Stande der Dinge nichts
   Besseres zu tun wüßte, als mit seinem Liebchen nach Amerika zu
   verschwinden. Zum Schlusse ist der unglückselige Mazzini mit Kossuth
   übereingekommen, den Franzosen die Initiative zum Aufstand
   überlassen zu wollen.

   [6] Gemeine Menge.

   [7] Aber das ist nicht alles.

   [8] Angelpunkt.


                                  183

                                     28 Deanstreet, 2. September 1852.

Lieber Engels!

Aus den einliegenden schwachmütigen Briefe des braven Weydemeyer wirst
Du ersehen, wie die Sachen stehen.

Von Herrn Streit habe ich noch keine Antwort, _ce qui est de très
mauvais augure_.[1] Ich habe nun einige, wenn auch wenige Aussicht, daß
ein Londoner Buchhändler die Sache [Der 18. Brumaire] englisch
herausgeben will. Als Probe soll ich ihm vorläufig das erste Kapitel
geben. Ich habe es daher durch Pieper übersetzen lassen. Die Übersetzung
wimmelt von Fehlern und Auslassungen. Indes wirst Du doch durch die
Korrektur nicht so in Anspruch genommen als durch die langweilige
Übersetzungsarbeit. Du müßtest mir dazu ein englisches Vorwort von
höchstens zehn Zeilen schreiben. Diese Schrift sei ursprünglich in der
Form von Zeitungsartikeln, von Ende Dezember bis Anfang Februar,
erschienen, am 1. Mai in New York als Broschüre herausgekommen, werde
jetzt in zweiter Auflage in Deutschland erscheinen, sei die älteste der
gegen Bonaparte erschienenen Schriften. Einige antiquierte Einzelheiten
darin seien aus dem Datum ihrer Ersterscheinung zu erklären.

E. Jones hat mich zwei Monate mit der Versprechung einer Übersetzung
(für sein Journal) an der Nase herumgezogen. Meinerseits hat er nur
Gefälligkeiten erhalten. Trotz meines eigenen Geldpechs bin ich tagelang
mit ihm in seinen Zeitungsgeldangelegenheiten bei Pontius und Pilatus
herumgezogen. Alle ausländischen Mitteilungen, die sein pauvres
Blättchen eigens hatte, sind von mir. – Endlich habe ich, da sein
Journal zu miserabel wurde, einige Wochen ihm _editorial support_[2]
gegeben, und wirklich wuchs das Blatt um einige hundert Abonnenten in
London. –

Ich habe ihm gesagt, es sei gut, daß er Egoist sei, aber er solle es in
zivilisierter Weise sein und nicht so albern.

Da das Blatt indes das einzige Chartistenorgan, so werde ich nicht
brechen, aber einige Wochen _let ship him for himself_.[3]

                                                            Dein K. M.

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   [1] Was ein sehr schlechtes Anzeichen ist.

   [2] Redaktionelle Unterstützung.

   [3] Ihn allein sein Schiff fahren lassen.


                                  184

                                                      21. August 1852.

Lieber Marx!

Heute abend wird der Schluß Deines Artikels übersetzt und morgen oder
Donnerstag der Artikel Germany gemacht. Charles ist auf einige Tage
verreist und ich habe viel auf dem Kontor zu tun, so daß ich oft abends
ganz wirr im Kopfe bin.

Für die kriegsgeschichtlichen Sachen meinen Dank. Kannst Du vielleicht
gelegentlich auf dem Britischen Museum nachsehen, ob dort 1. die
österreichische militärische Zeitschrift seit 1848, 2. das preußische
Militär-Wochenblatt, die Berliner Wehrzeitung, 3. noch sonstige
militärische Zeitschriften, besonders Revuen – auch französische –
seit 1848 an, sich befinden? Auch eine Kollektion der Augsburger
Allgemeinen Zeitung besonders seit 1850. Diese Sachen sind mir sehr
nötig, und wenn es irgend angeht, würde ich Zeit zu finden suchen, sie
dort durchzuochsen, wenn ich so weit bin.

Die Posse Willich-Schily muß heiter abgelaufen sein. Pauvre Willich, wie
oft wird er sich unter den ihn hetzenden Biedermännern in die
Gesellschaft des roten Wolf zurückwünschen!

Harneys Gestirn der Freiheit ist also Todes verblichen?

Die Krisis scheint allerdings kommen zu wollen, wenn auch die neulichen
Failliten nur Vorläufer waren. Aber Frankreich bleibt in der Sauce, und
das ist schon viel. – Die kleine _panic_ im Goldmarkt scheint vorüber,
die Konsols und _Railwayshares_[1] steigen wieder flott, _money is
easier_,[2] die Spekulation noch immer sehr verteilt auf Korn, Cotton,
Steamboats, Miningoperations usw. ... Daß übrigens eine ausgebildete
Spekulationswut diesmal der Krise vorhergeht, glaube ich nicht, und wenn
sonst die Umstände günstig sind, werden ein paar schlechte ostindische
Posten, eine _panic_ in New York usw. sehr bald beweisen, daß mancher
tugendhafte Bürger ganz im stillen allerhand Schwindel angestellt hat.
Und diese entscheidenden schlechten Nachrichten aus überfüllten Märkten
müssen doch bald kommen. Nach China und Ostindien wird in einem fort
massenhaft geschickt, und doch sind die Nachrichten nicht besonders, ja
Kalkutta ist _decidedly overstocked_,[3] und hier und da fallieren
_native dealers_.[4] An eine längere _prosperity_[5] als Oktober oder
November glaube ich nicht – selbst Peter Ermen wird besorgt.

Übrigens hängt es doch sehr von der Intensität der Krise ab, ob sie
sofort eine Revolution erzeugt – sofort, das heißt in sechs bis acht
Monaten. Die schlechte Ernte in Frankreich hat das _air_,[6] als sollte
es dort zu etwas kommen; aber wird die Krise chronisch und die Ernte
schließlich doch etwas besser als erwartet, so kann’s immer noch bis
1854 dauern. Ich gestehe, ich wollte, mir bliebe noch ein Jahr Zeit zum
Ochsen, ich habe noch manches durchzumachen.

Australien schadet auch. Erstens durch das Gold und das Aufhören aller
seiner anderen Exporte, sowie durch die damit bedingte stärkere Einfuhr
aller _commodities_,[7] dann durch den Abzug der hiesigen _surplus
population, at the rate of 5000 a week_.[8] Kalifornien und Australien
sind zwei Fälle, die im Manifest nicht vorgesehen waren: Schöpfung
großer neuer Märkte aus nichts. Sie müssen noch herein.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Eisenbahnaktien.

   [2] Geld ist billiger.

   [3] Entschieden übermäßig versorgt.

   [4] Eingeborene [das heißt indische] Händler.

   [5] Geschäftsblüte.

   [6] Aussehen, Anblick.

   [7] Waren.

   [8] Übervölkerung in Höhe von 5000 [Menschen] die Woche.


                                  185

                                          Dienstag, 7. September 1852.

Lieber Marx!

Die Übersetzung von Pieper macht mir viel Mühe. Der Anfang ist gerade
sehr schwer zu übersetzen und _l’aimable_[1] Kandidat P. hat seinem
scharmanten Leichtsinn die Zügel vollständig schießen lassen. Womöglich
erhältst Du sie Donnerstag.

Hier ist mit Pindar ein Roman vorgegangen .... Pindars Abwesenheit gibt
mir mehr Zeit, ich treibe das Russische jetzt mehr _con amore sine ira
et studio_,[2] und kann schon etwas. Militaria sind augenblicklich _at a
discount_.[3] Kontorarbeiten sehr belebt.

Sobald ich irgend kann, das heißt in ein paar Tagen, schicke ich Dir
zwei Pfund, das ist alles, was ich für den Monat loseisen kann.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Der liebenswürdige.

   [2] Gemächlich ohne Hast und Eifer.

   [3] Unter dem Preise [das heißt zurückgestellt].


                                  186

                                                   22. September 1852.

Lieber Marx!

Vorgestern schickte ich Dir die Übersetzung und Post Office Ordre für
ein Pfund. Anfang Oktober folgen noch ein paar Pfund – also in neun bis
zehn Tagen. Ich schickte Dir gern mehr auf einen Haufen, weil das,
selbst bei gleicher Summe im ganzen, doch den Vorteil hat, daß Du für
die Verwendung planmäßiger verfahren kannst. Aber meine Geldzustände
sind momentan selbst in Konfusion, so daß ich nie genau weiß, wieviel
ich im Monat brauchen werde, und daher die Pfunde einzeln flott werden,
wo denn nichts Besseres zu tun ist, als sie Dir gleich zu schicken. Im
nächsten Monat werde ich mir das Ding kaufmännisch ordnen und dann bald
imstande sein, Überschläge zu machen.

Aus beiliegendem Memorandum wirst Du sehen, daß P[ieper] manche ziemlich
grobe Schnitzer gemacht – die Grammatikalia und Donatschnitzer habe ich
natürlich nicht aufgezählt, _cela n’aurait jamais fini_.[1]

Einzelne Stellen sind übrigens fast unübersetzbar. Übrigens wäre es gut,
wenn der Buchhändler gerade das _letzte_ Kapitel auch sähe, das wird ihm
bedeutend mehr imponieren; wie wär’s, wenn P[ieper] das übersetzte und
Du es mir gleich schicktest; ich hab’s mir darauf angesehen und bin
schon etwas präpariert, so daß es rasch gehen würde. Sollte die Sache
sich jetzt nicht drucken lassen, so muß die Übersetzung doch fertig
gemacht werden; der Kerl wird bald Kaiser und dann ist wieder eine
famose Zeit, wo ein Postskriptum gemacht werden könnte.

Ich gehe sogleich nach Hause und mache den Artikel für die Tribune
fertig, so daß er mit der zweiten Post abgeht und Du ihn noch per
morgenden Steamer abschicken kannst. Wie sieht’s mit einem neuen
englischen Artikel für Dana aus?

Hoffentlich hat der Brandy Deine Frau wieder auf die Beine gebracht –
grüße sie und Deine Kinder sowie Dronke und Lupus bestens.

                                                            Dein F. E.

Der Brief von Massol mit dem Artikel für Dana per zweite Post – ich
habe ihn nicht hier.

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   [1] Es hätte kein Ende genommen.


                                  187

                             28 Deanstreet, London, 8. September 1852.

Lieber Engels!

Dein Brief heute kam in eine sehr aufgeregte Atmosphäre.

Meine Frau ist krank, Jennychen ist krank, Lenchen hat eine Art
Nervenfieber. Den Doktor kann und konnte ich nicht rufen, weil ich kein
Geld für Medizin habe. Seit acht bis zehn Tagen habe ich die _family_
mit Brot und Kartoffeln durchgefüttert, von denen es noch fraglich ist,
ob ich sie heute auftreiben kann. Diese Diät war natürlich nicht
förderlich bei den jetzigen klimatischen Verhältnissen.

Artikel für Dana schrieb ich nicht, weil ich nicht den Penny hatte, um
Zeitungen lesen zu gehen. Sobald Du übrigens Nr. 19 geschickt hast,
werde ich in einem Briefe meine Ansicht über 20, die Zusammenfassung der
Jetztsauerei schreiben.

Als ich bei Dir war und Du mir gesagt hattest, mir bis Ende August eine
etwas größere Summe beschaffen zu können, schrieb ich das meiner Frau
zur Beruhigung. Dein Brief von vor drei bis vier Wochen deutete an, daß
nicht viele Aussicht sei, läßt indes noch einige. So hatte ich bis
Anfang September alle Gläubiger, denen, wie Du weißt, immer nur kleine
Fragmente abgezahlt werden, hingeschoben. Jetzt ist der Sturm allgemein.

Ich habe alles versucht, aber umsonst. Erst bringt mich Weydemeyer um 15
Pfund. Ich schreibe nach Deutschland an Streit (weil der in der Schweiz
an Dronke geschrieben hatte). Er antwortet nicht einmal. Ich wende mich
an Brockhaus und biete ihm Artikel für die Gegenwart von unverfänglichem
Inhalt. Er schlägt in einem sehr höflichen Briefe ab. Endlich laufe ich
in der letzten Woche den ganzen Tag mit einem Engländer herum, der mir
den Diskonto für die Wechsel auf Dana verschaffen wollte. _Pour le roi
de Prusse._[1]

Das Beste und Wünschenswerteste, was passieren könnte, wäre, wenn mich
die Landlady zum Haus hinauswürfe. Ich wäre dann wenigstens die Summe
von 22 Pfund quitt. Aber so viel Gefälligkeit ist ihr kaum zuzutrauen.
Dazu Bäcker, Milchmann, Teekerl, _greengrocer_,[2] alte Metzgerschuld
noch. Wie soll ich mit all dem Teufelsdreck fertig werden? Endlich, in
den letzten acht bis zehn Tagen, habe ich einige Schilling und Pence,
was mir das Fatalste ist, aber es war nötig, um nicht zu verrecken, von
Arbeitern gepumpt.

Du wirst aus meinen Briefen ersehen haben, daß ich die Erbärmlichkeiten
wie gewöhnlich, wenn ich selbst darin stecke und nur nicht von weitem
davon höre, mit großer Indifferenz durchwate. Indes _que faire_?[3] Mein
Haus ist ein Lazarett, und die Krise wird so störend, daß sie mich
zwingt, ihr meine allerhöchste Aufmerksamkeit zu schenken. _Que faire?_

Unterdessen ist Herr Goegg wieder auf der Lustfahrt nach Amerika,
_steamer first class_.[4] Herr Proudhon hat einige 100 000 Franken für
seinen Anti-Napoleon eingesteckt und Vater Massol ist so großmütig, mir
das _miner_, _fouiller_[5] usw. zu überlassen. _Je le remercie bien._[6]

                                                            Dein K. M.

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   [1] Für den König von Preußen [das heißt umsonst].

   [2] Gemüsehändler.

   [3] Was tun?

   [4] Per Dampfer in der ersten Klasse.

   [5] Unterwühlen, durchwühlen usw.

   [6] Ich danke ihm bestens.


                                  188

                                     28 Deanstreet, 9. September 1852.

Lieber Engels!

Die 4 Pfund Sperlinge erhalten. Ich habe an meine Alte wieder
geschrieben und denke, daß das wenigstens etwas helfen wird.

Außerdem habe ich heute noch einen Versuch gemacht, von dem ich hoffe,
daß er endlich doch glücken wird, um das Geld auf Dana zu erhalten, denn
es ist mir brennend auf den Nägeln, _et je n’ai pas à perdre du
temps_.[1]

Eben war der Doktor da und hat für die ganze _family_, _excepté moi_,[2]
Rezepte verschrieben. Mit meiner Frau geht es besser, am schlechtesten
mit Laurachen. –

Anliegend ein Memoire von Paris, das dort einem Freund von mir in die
Hand gefallen, der es mir abschriftlich zugeschickt und das ich wieder
für das Manchester Archiv abgeschrieben.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Und ich habe keine Zeit zu verlieren.

   [2] Familie, ich ausgenommen.


                                  189

                                                   14. September 1852.

Lieber Marx!

Der Pieper hat mir geschrieben und _umgehende_ Rücksendung der
korrigierten Übersetzung gewünscht. _Cela me convenait bien_,[1] ich
hatte Leibschmerzen und war zu aller Arbeit untauglich. Sage ihm, wenn
er auf seine Briefe Antwort von mir haben will, so soll er wenigstens
seine Adresse dabei schreiben; Pieper, Esq., ist in London so bekannt
nicht, selbst seitdem er Kommis _à_ 25 Schilling die Woche ist. Im
übrigen soll er nur mit der Übersetzung fortfahren, sich aber etwas mehr
Mühe geben oder, wenn das nicht geht, wenigstens bei schweren Stellen
Platz lassen, ich will sie dann ausfüllen, das ist immer besser, als
Blödsinn [wie Pieper] aus Leichtsinn machen. Er schrieb mir übrigens
bloß unter dem Vorwand, nicht zu wissen, ob ich ihn überhaupt für
kapabel halte, das Ding zu machen. Er soll ein ausführliches Register
über die Hauptfehler mit Glossen haben. – Heute und morgen abend denke
ich das Ding fertig zu machen, da ich besser bin.

Im übrigen schrieb er mir getreulichst als Echo alles, was er in Deinem
Hause gehört hatte, und was ich natürlich schon wußte. –

Hoffentlich ist Dir die Diskontierungsgeschichte endlich gelungen und
geht es in Deinem Hause etwas besser. Ich sinne jetzt auf einen neuen
Plan, einige Pfund zu sparen; wenn er gelingt, denke ich bis Anfang
nächsten Monats – also in zirka 14 bis 16 Tagen – Dir wieder etwas
schicken zu können. Es hängt teilweise davon ab, ob mein Schwager
hierherkommt und wann.

Inliegend zwei Wische von Weydemeyer, Du kannst mir das Lithographierte
gelegentlich fürs Archiv zurückschicken. Das _Mémoire_[2] von Häfner ist
interessant, aber offenbar für uns geschrieben – _c’est une
pétition_.[3]

Grüße Deine Frau und Kinder bestens.

                                                            Dein F. E.

Du wirst mit Vergnügen sehen, daß Heinzen auf dem letzten Loche pfeift.

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   [1] Das paßte mir sehr.

   [2] Denkschrift.

   [3] Es ist eine Bittschrift.


                                  190

                            28 Deanstreet, London, 18. September 1852.

Lieber Engels!

Wenn Du noch einige Tage mit dem Rücksenden der Übersetzung zögerst, so
ist die Möglichkeit, sie unterzubringen, aber auch total klatsch. Die
Beschäftigung mit Bonaparte hatte wieder ihren Klimax und fängt jetzt,
wie alles in London, an, von neuen Thematen verdrängt zu werden.

Das Diskontogeschäft, nach dem mich ein Citylümmel, _nommé_[1] Pönisch,
acht Tage an der Nase herumgezogen, ist nichts. Ich habe daher gestern
an Dana geschrieben. Ich habe ihm zugleich gesagt, daß _on Germany_[2]
nur noch zwei Artikel kommen, 19 und 20. Sobald Du mir 19 geschickt,
werde ich meine Ansichten über 20, den Schluß und weiteres schreiben. In
ein paar Tagen wird auch die Zollvereinsgeschichte entschieden sein,
ohne die 20 nicht abzuschließen ist.

Meine Frau ist körperlich mehr herunter als je, das heißt reine
Schwäche. Seit drei Tagen trinkt sie auf Befehl des Doktors alle Stunden
einen Löffel Brandy. Übrigens ist es insoweit besser, als sie seit heute
wenigstens wieder auf ist. Sie lag acht Tage. Laurachen ist
Rekonvaleszent, die anderen _all right_. Ausführlich schreiben kann ich
erst nächste Woche. Diese ist mit verfehlten Geschäftsläufereien und
sehr eklichem Krakeel _cum creditoribus_[3] hingegangen.

                                                            Dein K. M.

Mit meinem Briefe nächste Woche schicke ich auch die Aktenstücke zurück.
Schicke mir die Briefe Massol wieder.

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   [1] Namens.

   [2] Über Deutschland.

   [3] Mit den Gläubigern.


                                  191

                                                   20. September 1852.

Lieber Marx!

Ich wußte nicht, daß Du mit der Übersetzung so pressiert bist, ich ließ
die Sache etwas hingehen, weil ich, wie gesagt, nicht wohl war und dann,
weil Pieper so sehr zudrängte, um ihn etwas zu ärgern. Ich gab mich
indes gleich gestern dran, und wäre auch fertig geworden, wäre nicht
gegen 2 Uhr mittags der ältliche Herr Schily in mein Zimmer getreten,
der in Liverpool mit einem angeblichen Sodapatent eine Fabrik anlegen
will, die 400 bis 500 Prozent reinen Gewinn bringen soll und je nach
Umständen 4-1/2 Millionen Taler pro Jahr abwerfen kann. Diesen
abenteuerlichen Plan wollte er mit mir durchsprechen – er war drauf und
dran, sich mit einigen Tausend Talern, die ihm sein Bruder verschaffen
will, in diesen Schwindel einzulassen. –

Ich hatte natürlich die Verpflichtung, den edlen Schily bekneipt zu
machen – _il n’y avait pas moyen à y échapper_.[1] Als er etwas
bekneipt wurde und ich mit einem dritten Deutschen, Vetter von Charles,
debattierte, schrie er in einem fort, obwohl sehr gutmütig: Glauben Sie
das ja nicht, der Engels glaubt an nix, an gar nix glaubt der Engels,
die Kerls von der Neuen Rheinischen Zeitung glauben alle nix, kein
Mensch kann aus ihnen klug werden. Gar nix glaubt der Engels! Ich sagte
ihm natürlich, die Kerls von der Neuen Rheinischen Zeitung fänden
dagegen nicht die geringste Schwierigkeit, aus seinesgleichen sofort
klug zu werden. Heute morgen ist der Brave unter biederem Händedruck
wieder nach Liverpool gesegelt, und heute abend wird die Übersetzung
fertig gemacht. Die Sache hält mich aber furchtbar auf, da ich alle
etwas schwierigen Stellen ohne Ausnahme neu übersetzen muß – Pieper
hilft sich da jedesmal durch buchstäbliche Übersetzung, wobei reiner
Unsinn entsteht. Einzelne Stellen sind übrigens fast unmöglich zu
übersetzen.

Ich will indes alles aufbieten, heute abend fertig zu werden, so daß Du
sie morgen erhältst.

                                                            Dein F. E.

Wenn irgend möglich schicke ich Dir dieser Tage noch ein Pfund.

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   [1] Dem war nicht zu entgehen.


                                  192

                                    28 Deanstreet, 23. September 1852.

Lieber Engels!

Erhalten 1 Pfund und die verbesserte Übersetzung. Mit letzterer hast Du
Dir zu viel Mühe gegeben. Wenn die Sache geht (der Erfolg wird von
dieser Nr. 5 abhängen), so mußt Du es leichter nehmen: ich meine,
Redeblumen und Geschichten, die nicht nötig sind, laufen lassen, wenn
sie schwierig zu übersetzen.

_Weerth_ ist hier seit Sonntag. Er wird Sonnabend nach Manchester
abgehen und dort drei bis vier Wochen bleiben, dann nach Westindien usw.
verschwinden.

Einliegend:

1. Brief von Cluß.

2. Zwei Auszüge aus den von der Karlsruher Zeitung zuerst publizierten,
dann von der Augsburger Allgemeinen Zeitung usw. abgedruckten
Enthüllungen über die Emigration, für den Fall, daß Du nicht selbst die
Sachen gesehen hast.

Dr. Piali (in Paris) schreibt mir unter anderem: „Kossuth will im
Oktober losschlagen. Kiß hat Kossuth von hier aus allerlei Zusicherungen
gemacht, die vielleicht in das Fabelreich gehören, doch bei der
Fabelhaftigkeit der hiesigen Zustände auch möglich sind. Kossuth soll
von Bonaparte ein eigenhändiges Schreiben erhalten haben, nach Paris zu
kommen. Dieses Schreiben soll in wortgetreuer Kopie in allen ungarischen
Komitaten zirkulieren. Alles ist in Ungarn auf einen Gewaltschlag von
Kossuth vorbereitet. Selbst k. k. Beamte sind mit in dem großen Komplott
....“

Was die Kossuthgeschichte angeht, so ist es wohl möglich, daß Bonaparte
ihm Fallen stellt, um sich bei Österreich beliebt zu machen.

Der acht Mann starke Volksverein (aus dem Ruge nach dem Weydemeyerschen
Brief an Dich mit bekannter Virtuosität drei Ausschüsse gebildet hat)
zieht jetzt (unter anderem Ronge und Tralles) in der City herum, unter
dem Vorwand, zugleich eine „freie Gemeinde“ zu stiften. Was Teufel hat
der Deutsch-Katholik Ronge mit „freien Gemeinden“ zu schaffen?

Was sagst Du zu den Ovationen, die Bonaparte in den Provinzen erhält?
Die Franzosen blamieren sich doch schmählich .... Der Zollverein scheint
mir seinem sicheren Untergang nahe zu sein. Das österreichische
Bankerutt weiß immer noch fertig zu werden mit der preußischen
Prosperität.

Dana hat, wie ich gesehen, den Artikel genommen. Die Staatszeitung (New
York) bringt schon einen deutschen Auszug daraus.

Den 4. Oktober sollen also jetzt unsere „Leut“ vorkommen. Bürgers
gesteht alles, wenigstens soweit es ihn betrifft. Seinem Beruf gemäß
wird er sich „prinzipiell“ verteidigen. Während der Untersuchung hat er
ein 30 Bogen langes Memorandum über das „Wesen des Kommunismus“ zu
Protokoll gegeben. _Hony soit qui mal y pense._[1] Daniels soll sich
ziemlich wohl befinden. Der Ankläger wird beginnen von den
St.-Simonisten an; Advokat Schneider, um ihn zu schlagen, beginnt von
Babeuf. Man wird von Glück sagen können, wenn keiner zurückgeht auf die
Inkas oder Lykurg. –

_Ad vocem_ Jones. Obgleich ich mich persönlich seiner nicht zu beloben
habe, habe ich – er überrannte mich wieder, da _il y avait crise_[2] –
ihm beigestanden, wie unser ganzes Korps in der letzten Woche. Die
anderen Kerls hatten zwei bis drei Meetings zusammenberufen, wo
beschlossen werden sollte „_that this meeting is of opinion, that no
confidence can be placed in the success of any democratic movement which
Mr. Ernest Jones is connected therewith_“.[3] Sie _have been beaten_,[4]
und das gehörig. Die Esel suchten ihn erst durch Geldlumpereien zu
blamieren. Damit mißglückten sie. Dann griffen sie ihn an, daß Gegner zu
(?) ihm halten, weil er „__unfriendly_ feelings amongst the different
classes_“[5] heraufagitiere. Nämlich Harney-Holyoake, Hunt vom „Leader“,
Newton (der Kooperative) _et tutti quanti_[6] haben sich verbündet zur
Stiftung einer „National Party“. Diese National Party will _general
suffrage, but not Chartism_.[7] Alter Witz. Aber vor Eröffnung ihres
Feldzugs sollte Jones _be crushed_.[8] Sie haben sich _rather_[9]
verrechnet. Er hat sein Blatt um 1 Penny erhöht, ohne einen Abonnenten
zu verlieren.

                                                            Dein K. M.

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   [1] Hundsfott, wer schlecht darüber denkt.

   [2] Eine Krise vorlag.

   [3] Daß diese Versammlung der Meinung ist, daß in den Erfolg keiner
   demokratischen Bewegung, mit der Mr. Jones verbunden ist, Vertrauen
   gesetzt werden kann.

   [4] Sind geschlagen worden.

   [5] Unfreundliche Gefühle zwischen verschiedenen Klassen.

   [6] Und alle gleicher Art.

   [7] Allgemeines Stimmrecht, aber nicht den Chartismus.

   [8] Zermalmt werden.

   [9] Ziemlich.


                                  193

                                                   24. September 1852.

Lieber Marx!

Inliegend das Kuvert Deines heute erhaltenen Briefes zurück, mit dem
ein, übrigens mißlungener Erbrechungsversuch gemacht worden zu sein
scheint.

Die Übersetzung und der Massolsche Brief gingen gestern abend per zweite
Post ab.

Sehr nett ist die Schilderung von Cluß über den Empfang Kinkels usw. bei
den Deutsch-Yankees, die Kerls sind in den Alleghanies akkurat dieselben
wie im Schwarzwald und im Taunus.

Die Crapauds machen sich gut. Die Arbeiter scheinen _après tout_[1] über
der momentanen _prosperity_ und der Aussicht auf die _gloire de
l’empire_[2] rein verbürgerlicht zu sein. Es wird eine harte Züchtigung
durch Krisen bedürfen, wenn sie _bald_ wieder zu etwas kapabel werden
sollen. Wird die nächste Krise gelind, so kann Bonaparte sich
durchschiffen. Aber sie sieht aus, als wollte sie verflucht ernsthaft
werden. Keine Krise schlimmer, als wo die Überspekulation sich in der
Produktion langsam entwickelt und daher soviel Jahre zur Entwicklung
ihrer Resultate gebraucht, wie im Produkten- und Effektenhandel Monate.
Und mit dem alten Wellington ist nicht nur der _common sense_[3] von
Altengland, Old England selbst in seinem einzigen überlebenden
Repräsentant begraben. Was bleibt, sind _sporting characters_[4] ohne
_suite_[5] wie Derby und jüdische Schwindler wie D’Israeli – die gerade
solche Karikaturen der alten Tories sind, wie Monsieur Bonaparte von
seinem Onkel. Es wird hier schön werden, wenn die Krise kommt, und es
ist nur zu wünschen, daß sie sich noch etwas hinzieht, um ein ebenso
chronischer Zustand mit akuten Episoden zu werden wie 1837/42. In einer
Emeute übrigens war der alte Wellington, nach allem, was man von ihm
weiß, ein ganz formidabler Militärchef – der Kerl ochste alles,
studierte alle militärischen Schriften mit großem Eifer und kannte die
Sache ganz gut. Er hätte auch nicht vor extremen Mitteln geschaudert.

Der Kölner Prozeß wird schrecklich ennuyant werden nach Deinen
Mitteilungen. Der unglückliche Heinrich mit seiner prinzipiellen
Verteidigung! Er wird die Verlesung seiner dreißig Bogen verlangen, und
wenn sie ihm bewilligt wird, ist er _perdu_.[6] Die Jury verzeiht ihm
nie, daß er sie so gelangweilt. Übrigens hat das öffentliche Ministerium
Pech. Haupt ist also nach Brasilien, der anonyme Schneidergesell war
damals auch verschwunden und wird schwerlich wieder erschienen sein, und
jetzt muß ihm gar der Polizeirat verrecken, wegen dessen Krankheit im
Juli die Geschichte vertagt wurde. Aber was wird so viel Glück wert
sein, wenn Heinrich die Sache vom philosophischen Standpunkt aus
beleuchtet! – –

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Nach alledem.

   [2] Ruhm des Kaiserreichs.

   [3] Gesunder Menschenverstand.

   [4] Dilettanten.

   [5] Gefolge.

   [6] Verloren.


                                  194

                            28 Deanstreet, London, 28. September 1852.

Lieber Engels!

Du hast längere Zeit keinen Brief von mir erhalten. Hauptsache ist
Weerth, der die Abende, die ich sonst mit Schreiben zubringe, _plus ou
moins_[1] mit Beschlag belegte. Und zwar zu meiner nicht übergroßen
Freude. Du weißt, daß ich Weerth sehr gern habe, _mais_[2] es ist
peinlich, wenn man bis an den Hals im Drecke sitzt, sich einen so feinen
Gentleman gegenüber zu haben, _auquel il faut cacher les parties trop
honteuses_.[3] Solch ein Verhältnis bringt doppelte _gêne_[4] hervor,
und ich hoffe, daß er morgen nach Manchester abreist und mich, wenn er
wiederkommt, in Verhältnissen findet, wo ich wieder _franchement_[5] mit
ihm verkehren kann. Ich denke übrigens, daß er, abgesehen den leidenden
Zustand meiner Frau, mir nicht tiefer in die Karten gesehen hat.

Einliegend der Auszug eines Briefes von Barthélemy an Willich. B. hat
diesen Brief einem Franzosen, namens Durand, zur Besorgung an Willich
mitgegeben .... _Que penses-tu de ce_[6] braven Barthélemy, „_auquel il
est impossible de se résigner à laisser Bonaparte jouir paisiblement de
son triomphe_“?[7] Zittre Byzantium! Was den angeblichen Brief von
Blanqui betrifft, so scheint mir dieses eine melodramatische Lüge des
düstern Barthélemy. Denn was meldet er von Blanqui? Daß die Lage der
_prisonniers de Belle Isle est _bien triste__.[8] Wenn Blanqui ihm
weiter nichts zu enthüllen hatte, täte er jedenfalls besser, seine
_libri tristium_[9] für sich zu behalten. Übrigens geht aus dem ganzen
Briefe des B. hervor, daß er vollständig von der französischen
Emigration und von den Gesellschaften in Frankreich getrennt ist.

Damit Du Dich „ein bißchen auf den welthistorischen Standpunkt stellen“
kannst, schicke ich Dir einliegend Augsburger Allgemeinen Artikel von
dem Spion Mayr, der hier in London sogar von den Busenfreunden Willich
und Schapper zum „Haus hinausgeschmissen“ wurde.

Ich habe Dir doch schon geschrieben, daß Herzen hier ist und gegen
Herwegh Memoires umherschickt ....

An einem Artikel oder selbst bloß zum Entwurf für den deutschen
Schlußartikel konnte ich noch nicht arbeiten. Das Hin- und Herschreiben
und Familiengeschichten absorbierten mich so sehr, daß ich seit drei
Wochen nicht auf der Bibliothek war, was ich zugleich tat, um meine Frau
während dieser ihr so fatalen Zeit aufrecht zu erhalten.

Apropos! Es ist _positiv_, daß die Konspiration der Orleanisten täglich
an Aktivität, Umfang und Chancen zunimmt. Die Herren haben sich
koalisiert mit Cavaignac, Charras, Lamoricière, Bedeau. Unter den _aides
de camp de L. Bonaparte_[10] sind drei gekauft, das heißt bedeutende
Summen für sie sind deponiert auf der Bank of England. Mit den reinen
Republikanern ist folgender Kontrakt geschlossen. _Erstens_: Bildung
einer provisorischen Regierung, nur aus _Generalen_ bestehend.
_Zweitens_: Cavaignac erhält Marseille, Lamoricière Lyon, Charras Paris,
Bedeau Straßburg als Garantie. _Drittens_: Das Volk wird aufgefordert
von der provisorischen Regierung, in seinen Urwahlen zu entscheiden, ob
es die Konstitution von 1830 will mit der Dynastie Orleans oder die
Konstitution von 1848 mit einem Präsidenten. Im letzteren Falle wird
sich Joinville als Kandidat präsentieren. Jud Fould steht fortwährend
mit den Orleans in Verbindung. Monat März ist provisorisch bestimmt zur
Ausführung des Unternehmens, wobei Bonaparte im Notfall ermordet werden
soll von seinen _aides de camp_.[11] Man will aber, daß Bonaparte erst
Kaiser sei und sich noch weiter abgenutzt habe.

Aus einem Briefe Pialis ersehe ich, daß der Lord Palmerston einer
italienischen flüchtigen Aristokratin in einer Privataudienz in London
allerlei Tröstliches über Italien gesagt hat und ebenso sich selbst die
„tröstliche“ Perspektive stellt, in weniger als Jahresfrist englischer
„Premierminister“ zu sein. Was alte Leute doch dem Lügen ergeben sind
und der _vanité_![12] Übrigens sprach sich Herr Piali wenigstens in
einem Punkte rund aus. Lombardei-Venedig müsse sich sofort im Falle
einer Insurrektion an Piemont anschließen. Die Duselei mit einer
„italienischen Republik“ müsse man „der Zukunft“ überlassen.

                                                            Dein K. M.

An dem vorigen Briefkuvert, das Du mir zurückgeschickt, war allerdings
der Versuch gemacht, ihn zu erbrechen. Offenbar aber ungeschickt und
resultatlos.

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   [1] Mehr ober weniger.

   [2] Aber.

   [3] Vor dem man die gar zu beschämenden Dinge verheimlichen muß.

   [4] Gezwungenheit, peinliches Zurückhalten.

   [5] Offen und frei.

   [6] Was meinst Du zu diesem.

   [7] Dem es unmöglich ist, sich darein zu ergeben, Bonaparte seinen
   Triumph in Frieden genießen zu lassen.

   [8] Gefangenen von Belle Isle sehr trist ist.

   [9] Klagebriefe [Titel einer Gedichtsammlung des römischen Dichters
   Ovid].

   [10] Flügeladjutanten Louis Bonapartes.

   [11] Flügeladjutanten.

   [12] Eitelkeit.


                                  195

                               48 Great Ducie Street, 4. Oktober 1852.

Lieber Marx!

Inliegend 2 Pfund 10 Schilling. Die 10 Schilling gib dem Dronke, der ein
sehr wertvolles slawisches Buch für mich aufgetrieben hat – was er dem
Kerl vom Preise abdingt, ist seine Kommission für die Entdeckung;
_puisqu’il est commerçant, il faut le traiter selon les principes du
commerce_.[1] Laß ihn aber gleich hingehen und das Buch per Post in
einfacher Bande, wie eine Zeitung, mit 6 Stamps, wenn unter, mit 12
Stamps, wenn über 1 Pfund Gewicht, an mich abschicken. Notabene, wenn es
_ein_ Band ist; sonst [kostet es] für jeden Band 6 Stamps, und dann geht
es besser per Pickford & Co. oder Carver & Co. unfrankiert ab, in einem
Paket. Könnt Ihr Carver & Co.s Bureau auftreiben (sie heißen dort,
glaube ich, Chaplin, Horne & Carver oder Chaplin, Horne & Co.), so geht
es am besten mit denen, an Friedrich Engels _care of_ Ermen & Engels –
sie sind unsere _carriers_.[2] Es ist dies auch immer der beste Weg, mir
Pakete zukommen zu lassen.

Sobald ich meinen Weg für diesen Monat etwas klarer vor mir sehe,
erhältst Du mehr.

Weerth ist in Bradford. Er kommt erst in acht Tagen.

Damit mir das Buch nicht zum Teufel geht, schreibe ich gleichzeitig an
Dronke.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Da er Geschäftsmann ist, muß man ihn nach den Regeln des
   Geschäftes behandeln.

   [2] Spediteure.


                                  196

                                                     14. Oktober 1852.

Lieber Marx!

Es ist physisch unmöglich, Dir den ganzen Artikel zu übersetzen. Heute
morgen erhielt ich ihn. Den ganzen Tag auf dem Kontor beschäftigt, daß
ich nicht wußte, wo mir der Kopf stand. Heute abend 7 bis 8 Uhr Tee
getrunken und das Ding eben durchgelesen. Dann ans Übersetzen. Jetzt –
1/2-12 Uhr – soweit wie ich’s Dir schicke, bis zum natürlichen Absatz
des Artikels. Um 12 Uhr muß er auf der Post sein. Du siehst, Du
bekommst, was irgend geleistet werden kann.

Der Rest wird sofort übersetzt – nächste Woche schickst Du ihn entweder
_via_ Southampton oder am Freitag. Mache inzwischen Deinen weiteren
Artikel nur fertig, ein Teil kann vielleicht schon Freitag gehen, wo
nicht, den folgenden Dienstag, wo wieder ein Yankeesteamer ist. Also das
hat nichts zu sagen. Sorge nur, daß ich das Manuskript _früh_ erhalte,
ich erwarte Weerth jeden Tag und muß dann doch suchen, mich mit der Zeit
einzurichten, denn am Tage bin ich im Commerce mehr wie vollauf
beschäftigt.

Grüße Deine Frau und Kinder, Dronke, Lupus, Freiligrath.

                                                            Dein F. E.

Gib acht, die Kölner kommen doch nicht los, der Präsident ist ein Hund,
wie hat er den Bürgers schikaniert.


                                  197

                                                     16. Oktober 1852.

Lieber Marx!

Wie die Sache jetzt eingeleitet ist, kann’s gar nicht fehlen. Der Brief
von Stieber ist eine Entdeckung, die mehr wert ist als alle
australischen Goldgruben. Welches Glück, daß der _malheureux_ Nothjung
diese alten Neue Rheinische Zeitungspapiere aufgehoben und damals nach
London geschickt hat! Ich hoffe nur, das Ding kommt an, denn so etwas zu
unterschlagen, würde selbst der Oberprokurator für kein Verbrechen
halten. Du hättest diesen Brief besser nicht mit dem Auftrag des
Registerns geschickt, sondern sonstwie. Zwischen Frankfurt und Köln kann
immer noch ein Pech passieren, und wenn auch die Kopie schon viel
beweist, so ist das Original doch zu wichtig. Jemand mußte es selbst
oder per Expreß nach Köln bringen. Indes ich hoffe, es geht gut.

Auch die anderen Dokumente sind sehr schön, und wir werden jetzt einen
Hallo schlagen, der kolossal ist.

Der Sicherheit halber schickte ich gestern einen Brief an v. Hontheim,
der in Amsterdam auf die Post gelegt wird, und worin ich ihm in Auszug
den Inhalt Deines für Schneider bestimmten Briefes und die Nichtankunft
des von Schneider an Dronke adressierten Briefes mitteilte. Also vier
Abschriften und ein Auszug.

Auf einem anderen Wege werde ich heute noch eine Kopie des Stieberschen
Briefes nach Köln befördern, ebenso Ausschnitte, enthaltend den Artikel
im Freitags-Advertiser, und die Erklärungen im Samstags-Advertiser nach
der Rheinprovinz befördern, überhaupt Notizen über die Polizeiverbrechen
unter die Bourgeois schleudern.

Nun folgende Vorschläge:

1. Bei dem höchst zweideutigen und stellenweise von uns jetzt zu
erweisenden unzweideutigen Charakter der einzigen gravierenden Zeugnisse
ist Dein Zeugnis und das von Lupus, Pieper usw., wenn es _eidlich_
abgelegt und _beglaubigt_ wird, sehr wichtig. Das öffentliche
Ministerium mag sagen, was es will, das schadet nichts – die
Geschworenen halten uns und die Angeklagten doch für Gentlemen. Nun ist
aber nichts einfacher, als daß zwei oder drei von Euch sich zum Windham
begeben und dort diejenigen auf London Bezug habenden Sachen
_beschwören_, die Ihr alle wißt. Also zum Beispiel

a. daß gar kein *H.* Liebknecht existiert, sondern nur ein *W.*
Liebknecht, soweit Ihr wißt, und Ihr nie einen H. Liebknecht gekannt
habt;

b. daß die Frau Daniels Dir nie geschrieben;

c. daß Ihr außer den Mittwochzusammenkünften nicht auch etwa in einem
anderen Lokal an einem Donnerstag andere Zusammenkünfte gehabt und

d. daß Ihr die in den Protokollen von Hirsch enthaltenen Aussagen von
Reden, Vorträgen usw., die Ihr gehalten haben sollt, für _utterly
untrue_[1] erklärt;

e. daß der Zettel, der bei dem roten Katechismus beigelegen, und den das
öffentliche Ministerium als in Deiner Handschrift abgefaßt ansieht,
nicht von Dir herrührt – und was sonst noch aus den letzten
Verhandlungen und ersten Aussagen Stiebers als unwahr und der
Widerlegung wert erscheint.

Dies alles, vor Windham beschworen, wird dieser als gewöhnliches
Affidavit ausfertigen – Ihr könnt’s gleich englisch im Konzept
mitbringen – und Ihr bittet ihn, es einem Policeman zu geben, der mit
Euch zum preußischen Konsul Hebeler in die City geht, dieser _muß_ die
Unterschrift von Windham legalisieren, _sonst verliert er sein
Exequatur_. Dies in zwei Kopien so ausgefertigt, kann dann nach Köln
gehen und wird seinen Effekt nicht verfehlen. Ich halte dies für höchst
wichtig, da damit _alle_ legalen Formen befolgt sind und das Ding ein
gerichtlicher Akt ist. Sollte Hebeler trotzdem die Unterschrift weigern,
so geht Ihr zum ersten besten _Notary public_, der legalisieren wird
(letzteres ist ein Weg, der in einem ähnlichen Falle meinem Alten von
der Behörde in Preußen angegeben worden).

2. Einige Leute aus dem Stechanschen Arbeiterverein, Komiteemitglieder
usw., könnten ebenfalls, nicht mit kleinen Zettelchen, sondern mit
ganzen Seiten oder möglichst großen Stücken der Hirschschen Handschrift
vor den Magistrat gehen und _beschwören_, daß dies die Handschrift des
Hirsch ist. _Cela vaut infiniment mieux_[2] als bloße unbeglaubigte
Ausschnitte.

Wir werden Euch Montag wieder einiges Geld zugehen lassen, damit Ihr
deswegen nicht in Verlegenheit kommt. _Dein_ eidliches Zeugnis könnte
erst ganz zuletzt abgehen – das hat seine guten Seiten; nur muß man
sorgen, daß alles hinkommt, ehe die Zeugenverhöre geschlossen sind.

Vergiß nicht, mir sobald wie möglich einige sichere Adressen zukommen zu
lassen.

Die Aussage von Stechan wegen der Fälschung muß ebenfalls vor einem
Magistrat beschworen werden. _Cela pourra avoir de brillants
résultats._[3] – –

Str[ohn] ist wieder in Bradford, etwas krank, und kommt Mittwoch oder
Donnerstag her. Ich schreibe ihm heute und instruiere ihn so weit, daß
Du, wenn Du ihm Sachen schickst, auf geschickte, nicht mit _meinen_
Wegen kollidierende Besorgung rechnen kannst. Die Hauptsache ist, daß
alle kaufmännischen Adressen jede nur _einmal_ benutzt wird.

Wir müssen es dahin bringen, daß man künftig nicht mehr von
_Diebereien_, sondern von _Stiebereien_ spricht.

Da ist ja auch der Advokatanwalt Schürmann unter den Verteidigern. Auch
dessen Adresse kann für Einlagen benutzt werden. Schneider ist wirklich
zu gefährlich. – –

Werden die Kölner, was ich aber für fast unmöglich halte, wenn wir
fortfahren, alle Mittel aufzubieten, um alle Informationen und
Aktenstücke herüberzubefördern, doch verdonnert, so müssen wir unbedingt
etwas schreiben. Wo nicht, glaube ich, würde es den Effekt der
Regierungsniederlage nur abschwächen. Indes kommt’s auch dann noch
darauf an. Vor allen Dingen muß von allen Aktenstücken, Affidavits usw.
genaue Kopie behalten werden, mit allen Legalisationen usw., denn diese
Dinge machen dann eine Reihe _pièces justificatives_.[4]

Dronke hat mich um 10 Schilling gebeten, da er krank und im Pech ist.
Wenn das nächste Geld ankommt, also Dienstag, gib sie ihm oder etwas
mehr.

Die Adressen schickst Du mir am besten per Pickford oder Carver.

Grüße alle und schreibe bald

                                                          Deinem F. E.

Wir führen hier genau Register über alle abgehenden Dokumente, Datum,
Beförderungsweg usw.

----------

   [1] Gänzlich unwahr.

   [2] Das ist viel mehr wert.

   [3] Das kann glänzende Wirkungen haben.

   [4] Beweisstücke.


                                  198

                                         Manchester, 18. Oktober 1852.

Lieber Marx!

Hierbei der Rest des neulichen Artikels. Gestern auch den folgenden
erhalten. Das heute gesandte Stück kannst Du gleich _via_ Liverpool per
United States Mail Steamer abschicken, am Mittwoch morgen segelt der
Pacific. Am Freitag wirst Du wieder etwas erhalten.

Mache doch die Artikel nicht mehr so lang. Mehr als eine bis anderthalb
Spalten kann Dana gar nicht _wünschen_, es wird zu viel für eine Nummer.
Diesen neuen Artikel werde ich wieder spalten müssen, doch geht es sehr
schwer, und ich weiß noch nicht wo. Fünf bis sieben Seiten von der
Handschrift Deiner Frau sind _vollkommen genug_, und gibst Du mehr in
einem Artikel, so wird Dana Dir nicht einmal dafür dankbar sein.

Bürgers, Röser und vielleicht Otto, sowie Nothjung scheinen mir so
ziemlich geliefert. Gegen Daniels, Becker, Jacobi scheint gar nichts
vorzuliegen, und so hoffe ich, daß diese wenigstens freikommen. Becker
hat sich mit großer Unverschämtheit herausgearbeitet. Je mehr diese aber
diskulpiert[1] werden, mit desto größerem Eifer, glaube ich, wird sich
Gerichtshof und Jury auf die Kompromittierten werfen, die beleidigte
Bourgeoisie und der beleidigte Staat wollen ihre Opfer haben.

An den Siegeln aller Briefe, die ich von Dir erhalte, ist mit heißem
Eisen herumgearbeitet, doch, soweit ich beurteilen kann, _pour le roi de
prusse_.[2] Das an der Enveloppe sitzende Gummi verhindert das
Eindringen.

Weerth ist hier, hat mir das Paket gebracht und läßt Euch alle grüßen.
Das Szemeresche Manuskript über Kossuth ist weit besser als das über
Görgey – dem Kossuth ist er gewachsen. Die Pieperschen Übersetzungen
habe ich noch nicht ansehen können, ich bin zu sehr auf dem Kontor
beschäftigt und abends manchmal matt wie ein Hund.

Beste Grüße an Deine Frau.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Entlastet.

   [2] Für den König von Preußen, umsonst.


                                  199

                                    [Wahrscheinlich 22. Oktober 1852.]

Lieber Marx!

Wenn Du in Zukunft präzis auf Zusendung der Artikel für Dana rechnen
willst, so mußt Du Dich hüten, mir gerade auf den speziellen Donnerstag
Abend ... zuzuschicken.

Wir sind also jetzt von Staats und sogar Polizei wegen als
„intelligente“ Leute anerkannt, _teste_[1] Stieber. Eine schöne
Geschichte. Wie der dumme Stieber die Kerls für seinen eigenen Mouchard
Cherval verantwortlich zu machen sucht. Weißt Du etwas über die Gründe
der Verhaftung von Kothes und Bermbach? Gerade diese beiden – das ist
ominös. Den Haupt werden wir aber züchtigen. Weerth wird erfahren, wo er
in Südamerika ist, und wenn er hinkommt, ihn demaskieren. Dazu ist es
nötig, daß man sich die Kölnische Zeitung oder ein anderes Blatt
verschafft, worin seine Aussagen stehen. Könnt Ihr das nicht besorgen?
Bietet alles auf; es wäre zu schön, den Schuft die Macht der Neuen
Rheinischen Zeitung bis nach Brasilien fühlen zu lassen.

Dieser Tage mehr, sowie auch Übersetzungen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Bezeugt von.


                                  200

                                28 Deanstreet, Soho, 25. Oktober 1852.

Lieber Engels!

Wegen unserer Korrespondenz müssen wir andere Maßregeln treffen. Es ist
positiv, daß wir einen _Mitleser_ im Ministerium Derby haben. Zudem
stellt sich, wenigstens versuchsweise, wieder eine Schutzwache (abends)
vor mein Haus. Ich kann Dir also absolut nichts schreiben, wovon ich
nicht ratsam halte, daß es die preußische Regierung in diesem Augenblick
erfährt.

Dana benimmt sich sehr kommun gegen mich. Ich habe ihm vor ungefähr
sechs Wochen geschrieben und ihm genau gesagt, wie es bei mir steht, und
daß ich das Geld für die abgesandten Artikel _umgehend_ haben muß. Er
hat die Artikel regelmäßig abgedruckt, aber das Geld noch nicht
geschickt. Ich muß natürlich demungeachtet exakt fortfahren. Sonst bin
ich doch am Ende wieder der Bestrafte.

Nun hatte ich schon vor fünf Wochen den Landlord mit dieser Aussicht auf
Amerika beschwichtigt. Heute kommt der Kerl her und machte der
_housekeeperin_[1] und mir einen scheußlichen Skandal. Er zog sich heute
– da ich zuletzt zur _ultima ratio_, nämlich zur Grobheit meine
Zuflucht nahm – mit der Drohung zurück, wenn ich ihm diese Woche nicht
Geld schaffe, werde er mich auf die Straße werfen, vorher aber noch
einen _broker_[2] mir in das Zimmer setzen.

Von Cluß sind vor vier bis fünf Tagen 130 Exemplare des Brumaire
angekommen. Ich konnte sie aber nicht von der Douane nehmen bis jetzt,
da ich 10 Schilling 9 Pence bei dieser Gelegenheit entrichten muß.

Kothes und Bermbach sind verhaftet worden, weil ich letzterem durch
ersteren eine zur Verteidigung nötige Arbeit, die etwas voluminös war
(trotz dünnem Papier und kleiner Perlschrift), zugeschickt hatte. Die
Regierung glaubte einen famosen Fang getan zu haben. Aber _jeune_[3]
Sädt, bei näherer Ansicht, beschwor sicher Himmel und Hölle, um die
Sache niederzuschlagen, denn das Aktenstück enthielt sonderbare
_strictures_[4] über das Talent usw. des jungen Sädt und konnte, den
Juries mitgeteilt, nur zur Freisprechung der _accusés_[5] beitragen.

In der „Neuen Preußischen Zeitung“ ist „G. Weerth“ als Mitglied der
Zentralbehörde in Köln angeführt, und zwar wird dies zitiert aus dem
Anklageakt.

                                                            Dein K. M.

Sobald der Prozeß vorüber ist, er mag nun ausfallen, wie er will, müssen
wir beide einen oder zwei Druckbogen „An das Publikum zur Aufklärung“
drucken lassen. Ein günstigerer Moment, zur Nation _en large_[6] zu
sprechen, kommt nicht wieder. Zudem dürfen wir den Schein des Ridicule
nicht dulden, den selbst die moralische Würde und szientifische Tiefe
des sanften Heinrich unfähig sind zu zerstreuen.

Cherval hat selbst an den Londoner Deutschen Arbeiterverein geschrieben,
er sei „_Spion_, aber im edlen Sinne des Cooperschen Spions“. Ich habe
auf sicherem Wege einem der Advokaten die nötigen Aufklärungen zukommen
lassen.

Wegen der oben angeregten Publikation über den „Kölner Prozeß“ muß sich
jetzt schon umgesehen werden. Mir schiene das beste, wenn Du an Campe
schriebst, er solle Dir einen _soliden Kommissionär_ nennen, im Falle er
selbst zu ängstlich sei. Da Du ein zahlungsfähiger Mann bist, kann dem
Kommissionär gesagt werden, er erhalte das Geld zum Beispiel in drei
Monaten (auf Wechsel), wenn er in der Zwischenzeit sich nicht (was
sicher) schon aus dem Verkauf bezahlt gemacht. Übrigens können die
Druckkosten für eine solche Lumperei höchstens auf 25 Taler kommen.

Vale! und überlege die Sache. Schweigen können wir nicht, und wenn wir
nicht zur Zeit für die Druckgelegenheit sorgen, kommen wir wieder nicht
im rechten Augenblick.

----------

   [1] Vizewirtin [die das Haus für den Eigentümer – „Landlord“ – zu
   verwalten hat].

   [2] Auspfänder.

   [3] Jung.

   [4] Kritische Sätze.

   [5] Angeklagten.

   [6] Im weiten Sinne.


                                  201

                                         Manchester, 27. Oktober 1852.

Lieber Marx!

Ich hatte, als ich gestern schrieb, die Stiebersche Aussage nur sehr
flüchtig gelesen, und daher war ich heute sehr heiter überrascht, als
Dein Aktenstück der Sache eine Wendung gab, die mich _jetzt_ nicht mehr
an der Freisprechung _aller_ Angeklagten verzweifeln läßt. _En
effet_,[1] die Blamage des Stieber ist komplett. Die Sache ist hier
nochmals von mir abgeschrieben und auf zwei verschiedenen, sehr guten
Wegen nach Köln abgegangen; auch habe ich, was schon in London hätte
geschehen sollen, die zwei Zettel mit Hirschs Handschrift an das
Original angesiegelt und dabei diesen Umstand mit meiner Unterschrift
dokumentiert, so daß sie im schlimmsten Falle nicht ohne Unterschlagung
des Ganzen unterschlagen werden können. Ich habe nun noch einige Wege
zur Verbindung mit Köln entdeckt, und obwohl diese ersten beiden (die
aber nicht wiederholt werden können) eine Wahrscheinlichkeit von 99
Prozent bieten, daß die Sachen richtig und denselben Tag bei Schneider
eintreffen, so wäre es doch gut, wenn ich noch ein drittes, von _Dir
beglaubigtes_ Exemplar mit _neuen_ Hirschschen Handschriftproben
erhielte, um dies noch auf anderem Wege hinzubefördern. Übrigens
_können_ die Pr[eußen] dies Ding nicht unterschlagen, das hätte
Kriminalfolgen für die Beteiligten.

Dein Brief heute an mich war erbrochen, da die vier Zipfel der Enveloppe
nicht alle vom Siegel gut gefaßt waren. Ob der an St[rohn] auch, ist
schwer zu sagen, da die Firma das äußere Kuvert erbrochen. Doch war dies
Aufbrechen so leicht vor sich gegangen, daß ich fast schließen muß, auch
hier sei man schon früher dran gewesen. Also taugt auch die
Steinthal-Adresse nichts mehr. Schreibe an unseren alten James Belfield,
Golden Lion, Deansgate, Manchester, inwendig Kuvert „F. E.“, weiter
nichts. Bei sehr wichtigen und gefährlichen Sachen mache es wie ich
jetzt: ein Paket beliebigen Inhalts, worin Dein Brief liegt, per
Pickford & Co. an mein Haus, und abwechselnd per Chaplin, Horne & Carver
an mich, Adresse Ermen & Engels unfrankiert. Das ist ganz sicher. Laß
aber die Adressen namentlich per Post abwechselnd mit verschiedenen
Handschriften schreiben und laß die Pakete per Spediteur nicht immer
durch denselben und von demselben Orte ins Office tragen. Dann ist
letzterer Weg ganz sicher. Gib mir dann entweder eine sichere Adresse
nach London auf diesem Wege an oder laß irgend jemand, dessen Hauswirt
nicht argwöhnisch, einen falschen Namen annehmen _à la_ Williams, oder
sage mir, ob Lupus noch 4 Broadstreet, Dr[onke] noch im Model Lodging
House und wo sonst unsere zuverlässigen Leute wohnen, damit ich die
Adresse wechseln kann.

Alle diese Mittel abwechselnd in Tätigkeit gesetzt, werden uns genügende
Sicherheit verschaffen. Dazu schreibe, damit’s nicht auffällt,
gleichgültige Briefe per Post direkt, wie ich auch tun werde.

Das Kopieren des Aktenstücks hat mich so in Anspruch genommen, daß ich
wirklich nicht weiß, ob ich wegen Dana und Freitagsteamer mein Wort in
_vollem_ Sinne halten kann. _Etwas_ kommt jedenfalls. Bedenke, daß mir
an gewisser Stelle die schönsten Knospen treiben und mich stellenweise
am Sitzen verhindern; _il faut que cela finisse_.[2]

Die Erklärung des alten Justizrats Müller wird dem Stieber schon den
Hintern mit Grundeis gehen machen wegen seiner Originalprotokolle. Aus
ihr geht auch hervor, daß die Juristen dort überhaupt sehr wütend sein
müssen wegen der Polizeiinfamien, die der Stieber mit ganz
altpreußischer Unkenntnis des rheinischen Gesetzes, Gerichtsverfahrens
und der rheinischen öffentlichen Meinung so unverschämt, und wie ein
Kind über seine Pfiffigkeit sich freuend, an die große Glocke hängt.
_C’est de bon augure._[3]

Es ist schön: die Polizei stiehlt, fälscht, erbricht Pulte, schwört
falsche Eide, zeugt falsch, und zu allem dem behauptet sie das
Privilegium zu haben gegenüber den Kommunisten, die _hors la société_[4]
stehen! Dies und die Manier, wie die Polizei, in ihrer schuftigsten
Gestalt, alle Funktionen des öffentlichen Ministeriums übernimmt, den
Sädt in den Hintergrund drängt, unbeglaubigte Zettel, bloße Gerüchte,
Rapporte, Hörensagen als wirkliche gerichtlich erwiesene Sachen, als
Beweise vorbringt – _c’est trop fort_![5] Das muß doch wirken.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] In der Tat.

   [2] Das muß ein Ende nehmen.

   [3] Das ist ein gutes Anzeichen.

   [4] Außerhalb der Gesellschaft.

   [5] Das ist zu stark.


                                  202

                              28 Deanstreet, London, 27. Oktober 1852.

Lieber Engels!

Ich hatte Dir geschrieben, daß ich ein „Lithographiertes Zirkular“ über
den Kölner Prozeß abfassen würde. Aus dem Lithographischen Zirkular ist
jetzt ein Pamphlet von ungefähr drei Druckbogen geworden. Die Sache
jetzt noch zu lithographieren, geht aus doppelten Gründen nicht: Erstens
kommt eine so umfassende Lithographie sehr teuer zu stehen, während sie
nichts einbringt, denn anstandshalber kann man solche lithographischen
Rundschreiben nicht verkaufen. Zweitens liest kein Mensch, und es ist
auch nicht zu verlangen, eine Lithographie, die den Inhalt von drei
Druckbogen bringt.

Es bleibt also nichts übrig, als die Sache drucken zu lassen. In
Deutschland _impossible_.[1] London ist der einzig mögliche Ort. Es wird
auch möglich sein, Kredit zu erhalten, wenn ich nur im Bestande bin,
einen Teil vorauszuzahlen. Ich ersuche Dich, hierüber mit Weerth und
Strohn zu konsultieren. Es ist aber kein Tag zu verlieren. Wenn die
Sache nicht jetzt kommt, hat sie kein Interesse mehr. Meine Broschüre
ist keine Prinzipienrettung, sondern auf Darstellung der Tatsachen und
des Verlaufs gegründete Brandmarkung der Regierung. Ich selbst bin
natürlich _incapable_,[2] auch nur einen Centime für die Sache
beizutreiben. Ich habe gestern den von Liverpool her datierenden Rock
versetzt, um Schreibpapier zu kaufen.

Das Empire marschiert famos. Bonaparte versteht es wie kein anderer
darauf hinzuarbeiten, daß diesmal die Handelskrise Frankreich noch
grausamer trifft als England.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Unmöglich.

   [2] Außerstande.


                                  203

                                      28 Deanstreet, 28. Oktober 1852.

[Marx an Engels ohne Anrede.]

Das Geld erhalten und heute das Paket mit dem Brief. In meinem letzten
Schreiben an Dich und Weerth hatte ich absichtlich nichts erzählt, was
im Falle des Erbrechens der Briefe die preußische Regierung weiter
aufklären könnte über die gegen sie ergriffenen Schritte. Heute berichte
ich im Detail. Ich denke, wir haben eine Kontermine gelegt, die den
ganzen Regierungshumbug in die Luft sprengt. Die Herren Preußen sollen
sehen, _qu’ils ont à faire à plus fort_.[1]

Montag erhielt Schneider II über Düsseldorf (an einen Kaufmann,
Freiligraths Bekannten, adressiert) einen Brief von mir, dessen Inhalt
in kurzem folgender: 1. 1847, während ich in _Brüssel_ war, wurde
Cherval zu London durch Herrn Schapper und auf Vorschlag Schappers in
den Bund aufgenommen, also nicht 1848 von mir zu Köln. 2. Von Ende
Frühling 1848 bis Sommer 1850 wohnte Cherval fortwährend zu London, wie
durch seine _housekeepers_[2] bewiesen werden kann. Er hauste also nicht
während dieser Zeit als Propagandist in Paris. 3. Erst [im] Sommer 1850
begab er sich nach Paris. Die bei ihm abgefangenen Papiere und seine
Aussagen vor den Pariser Assisen beweisen, daß er Schapper-Willichs
Agent war und unser Feind. Daß Cherval _Polizeispion_, wird durch
folgendes bewiesen: 1. Wunderbare Flucht (nebst Gipperich) gleich nach
der Verurteilung aus dem Pariser Gefängnis. 2. Ungestörter Aufenthalt in
London, obgleich _gemeiner_ Verbrecher. 3. Herr von Remusat (ich habe
Schneider ermächtigt, ihn im Notfall zu nennen) erzählte mir, Cherval
habe sich ihm als Agenten für den Prinzen von Orleans angeboten. Er habe
darauf nach Paris geschrieben und folgende (mir in der Kopie
vorgezeigte) Dokumente erhalten (für einige Stunden zur Kopie), woraus
folgt, daß Cherval erst preußischer Polizeiagent war, jetzt
bonapartistischer ist. Die preußische Polizei schlägt ihm eine
Geldsendung ab, weil das „_double emploi_“[3] sei und er von
französischer Seite bezahlt worden. – Endlich habe ich Schneider einige
einfache theoretische Auseinandersetzungen gemacht, wodurch er die
Schapper-Willichschen Dokumente von den unserigen unterscheiden und die
Differenz nachweisen kann.

Nebst dem Brief an Schneider II, den Du besorgt, ging dasselbe
Aktenstück über Frankfurt a. M. (wo der alte Ebner ihn auf die Post legt
und Quittung nimmt) an Advokat von Hontheim ab, und zwar Dienstag.
Dasselbe Paket enthält: 1. einen Brief von Becker an mich mit
Poststempel London und Köln versehen, woraus folgt, daß unser Verkehr
vor allem buchhändlerischer Natur war; 2. zwei Einlagen von Daniels an
mich in dem Beckerschen Briefe, worin er bloß von seinem Manuskript
spricht; 3. zwei Ausschnitte aus den Protokollen von Hirsch; 4. einen
Ausschnitt aus den Peoples Paper, worin Cherval glücklicherweise selbst
seine Residenz anzeigt; 5. auf Seite 3 dieses Briefes befindlichen Brief
(eigene Handschrift) des Herrn Stieber an mich, während der „Neuen
Rheinischen Zeitung“.

Dienstag abend kam durch Gelegenheit ein Brief von Schneider II, woraus
hervorgeht, daß sein erster durch die Post gesandter unterschlagen ist.
Dagegen hatte er einen von hier registrierten Brief erhalten, den ich
ihm durch Dronke schreiben ließ, worin ihm angezeigt worden, daß _Henze_
hier 6 bis 8 Wochen bei Willich war, daß Willich von ihm unterhalten
worden ist, daß Willich selbst hier damit renommiert hat, er habe dem
Henze Instruktionen gegeben, wie _er_ gegen uns aufzutreten. Schneider
schreibt, daß sämtliche Advokaten von der Unechtheit der Dokumente
überzeugt, bittet dringend, ihm Beweise, namentlich auch, daß Frau
Daniels nie an mich geschrieben.

Mittwoch hätte aus Geldmangel _nichts_ geschehen können, wären nicht
glücklicherweise Deine 2 Pfund eingesprungen. Ich habe also vor dem
Police Court, Marlboroughstreet (_before Mr. Wingham, magistrate of the
Metropolitan District_,[4] der sich die Sache erzählen ließ und sich
_furieusement_[5] _für uns_ und _gegen_ die preußische Regierung
erklärte) zweierlei authentifizieren lassen:

1. Handschrift von Rings und Liebknecht, die, wie Schneider II schreibt,
fast _alle_ Protokolle des Hirsch unterzeichnet haben. Du weißt, daß
Rings kaum schreiben kann, also famos von Hirsch zum Protokollführer
bestimmt ist.

2. Habe ich von dem Wirt unseres Zusammenkunftslokals bezeugen lassen,
daß seit März die „_Society of Dr. Marx_“[6] (der Kerl kennt nur mich),
ungefähr 16 bis 18 Mann, regelmäßig und nur einmal die Woche, nämlich am
Mittwoch, zusammenkommt, und daß er und sein _waiter_[7] uns nie eine
Zeile haben schreiben sehen. Den Mist wegen des Mittwochs hat auch einer
seiner Nachbarn, ein deutscher Bäckermeister und Hausbesitzer bezeugt.
Beide Aktenstücke mit dem Siegel des Police Court sind im _Duplikat_
abgefaßt. Das erste Exemplar desselben schickte ich _via_ [unlesbar] an
G. Jung, der mir glücklicherweise vor drei Tagen geschrieben, er wohne
in Frankfurt a. M. und Adresse gegeben. Jung wird selbst nach Köln die
Sachen bringen oder ein Exemplar hinschicken. Der Brief, den er
erhalten, ist an Schneider II gerichtet und enthält außer den
angegebenen polizeilich-gerichtlich beglaubigten Dokumenten: a. Eine
Kopie des ersten Briefes an Schneider nebst zwei abermaligen
Ausschnitten aus Hirschs Protokollen. b. Ausschnitt aus einem Briefe von
Becker an mich, wo glücklicherweise auf der Rückseite Londoner und
Kölner Poststempel. Becker schreibt wörtlich wie folgt (weiter enthält
das von mir hingesandte Stück nichts): „Der Willich schickt mir die
lustigsten Briefe ....“ c. Drei Briefe von Bermbach an mich, woraus die
Natur unseres Briefwechsels hervorgeht, und wovon der eine (vom März)
zugleich die Antwort enthält auf mein Schreiben von wegen des Hirsch und
der Denunziation der Frau Daniels und der bei ihr erfolgten Haussuchung.
Dieser Brief beweist, daß sie nicht mit mir in Korrespondenz stand. d.
Abschrift des Briefes von Stieber. e. Instruktion an Schneider, worin
ich ihm unter anderem auch mitteile, daß die _beglaubigten Dokumente_
oder _Duplikat_ Donnerstag, 28. Oktober, in einem registrierten Brief
von London an ihn direkt unter seiner Adresse abgehen werden
und gleichzeitig er über Düsseldorf von Kaufmann W. den
_Registrationsschein_ erhalten wird. Unterschlägt die Regierung also
diesmal, so ertappen wir sie nachweislich _au flagrant délit_,[8] ohne
daß es ihr gelingt, der Verteidigung etwas anderes zu entziehen als ein
Duplikat.

Im Advertiser von künftigem Sonnabend (30. Oktober) wirst Du eine kurze
Erklärung über die infamen Artikel der Times und Daily News finden. Sie
ist gezeichnet: „F. Engels, F. Freiligrath, K. Marx, W. Wolff.“ Dasselbe
in mehreren Wochenblättern.

Ich denke, die preußische Regierung wird diesmal in einer Weise blamiert
werden, wie es selbst ihr noch nicht vorgekommen ist, und sich
überzeugen, daß sie nicht mit den Tölpeln von Demokraten zu tun hat. Sie
hat die Leute gerettet durch die Dazwischenkunft des Stieber. Selbst die
Verhaftung des Bermbach ist ein Glück. Ohne dies konnten seine Briefe
nicht hinübergesandt werden. Er hätte sich dagegen gesträubt, um nicht
provisorisch gesetzt zu werden. Jetzt, wo er sitzt, ist alles _all
right_. –

Besten Gruß an Weerth.

                                                            Dein K. M.

Über sichere ... Adressen hierhin das nächste Mal.

[Auf einer neuen Seite folgt die Abschrift des Briefes von Stieber aus
den „Enthüllungen“, S. 46/47, und daran anschließend fährt Marx fort:]

Ich ersuche Dich nun, auf dem dritten, in Deinem Briefe angedeuteten
Wege nach Köln folgende Zeilen an Schneider zu schreiben und sie ihm
_umgehend_ zukommen zu lassen.

„Stieber hat allerdings die 14 bis 16 der Willich-Schapperschen Clique
zugehörigen Dokumente _gekauft_, aber er hat sie zugleich _gestohlen_.
Er hat nämlich einen gewissen _Reuter_ für bares Geld zum Diebstahl
sollizitiert. Reuter war seit lange nicht gerade „Polizeibeamter“, wohl
aber _occasionally à la tache_[9] bezahlter _spy_[10] der preußischen
Gesandtschaft. Er hat _nie_ einer Kommunistengesellschaft angehört,
nicht einmal dem öffentlichen deutschen Arbeiterverein in London. Reuter
wohnte in demselben Hause wie Dietz, der Sekretär und Archivar der
Willich-Schapperschen Zentralbehörde. Reuter erbrach das Schreibpult von
Dietz und gab irgendeinem, Stieber oder Schultze, die Papiere. Die Sache
war längst herausgekommen vor den Kölner Assisenverhandlungen. Stechan
erhielt nämlich während seiner Haft in Hannover mehrere von ihm an
Dietz, als an den Sekretär des von Schapper präsidierten
Flüchtlingskomitees gerichtete Briefe von dem Untersuchungsrichter
vorgelegt. Stechan brannte bekanntlich durch aus dem Gefängnis. In
London angekommen, schrieb er nach Hannover, um jene Briefe
herauszuverlangen, damit er den _Reuter_ vor den englischen Gerichten
verfolgen könne:

1. Wegen Diebstahl mit Effraktion. [Widerrechtliches Aufbrechen.]

2. Wegen Falsums.[11] Er behauptet nämlich, in seinem – den Kölner
Juries jetzt auch von Stieber vorgelegten – Briefe sei das „530 Taler,
500 für die Führer“ _interpoliert_, von der Polizei hineingeschrieben.
Er habe nur 30 Taler damals nach London geschickt und kein Wort von
_Führern_ gesprochen.

Das Hannoversche Gericht ging natürlich nicht auf Stechans Verlangen
ein. Derselbe Reuter hat die sämtlichen Dokumente durch Effraktion des
Dietzschen Pultes gestohlen. Dietz und die Schappersche Clique
entdeckten die Sache erst, als Stechan hier ankam.“

Soeben, lieber Engels, erhalte ich Euer Paket. _Es ist also nicht nötig,
daß Du Vorliegendes abschreibst._ Ich werde es selbst direkt schicken
unter einem der mir zugekommenen Kuverts.

Sage Weerth, daß er sich jetzt eine der „Minister“stellen, die Stieber
zu meiner Disposition gestellt, für immer gesichert hat, wenn er den ihm
zugedachten Gesandtschaftsposten in Paris nicht vorzieht.

                                                            Dein K. M.

Wenn Du mir wichtige Sachen zu schreiben hast, so tu es jetzt unter der
Adresse: A. Johnson, Esq., Bullion Office, B. o. E. (Bank of England).

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   [1] Daß sie mit jemand, der stärker ist, zu tun haben.

   [2] Wirtsleute.

   [3] Doppelte Bestallung.

   [4] Vor Mr. Wingham, Polizeirichter des Bezirkes für die Hauptstadt.

   [5] Mit Leidenschaft.

   [6] Verein des Dr. Marx.

   [7] Kellner, Aufwärter.

   [8] Auf frischer Tat.

   [9] Gelegentlich nach dem Stück.

   [10] Spion.

   [11] Fälschung.


                                  204

                                    Manchester, 28. Oktober 1852. (I.)

Lieber Marx!

Gestern schickte ich Dir einen Band Dureau de la Malle und einen Brief
per Carver & Co. Hiermit erhältst Du verschiedene kaufmännisch
zugerichtete Kuverts mit inliegenden Enveloppen für Hontheim und Esser
I, die weniger bei Bürgern Verdacht erregend sind als Schneider. Hältst
Du es für passend, so kannst Du inliegend immer noch ein versiegeltes
Kuvert für Schneider machen. Ich sehe indes nicht ein, warum Du nicht
auch von Zeit zu Zeit die anderen Verteidiger durch ein paar Zeilen von
ihrer Wichtigkeit überzeugen solltest. Auch wird ein kaufmännisches
Petschaft beigelegt. Dein altes Weydemeyersches Wappen und das plumpe
_S_ sind nichts wert. Wende auch nach Manchester irgend ein anderes _six
penny_-Petschaft an.

Schicke von Zeit zu Zeit weniger wichtige registrierte Briefe an
Schneider, um die Kerls irre zu leiten und glauben zu machen, daß man
den geheimen Weg drangegeben habe aus Mangel an Adressen.

Daß die Bürger, deren Adressen Du hier erhältst, die Briefe richtig
besorgen, daran kann wohl kein Zweifel sein.

Mache doch die Advokaten auf die offenbaren _crimes_ und _délits_[1]
aufmerksam, die die Polizei begeht, und sieh, daß sie auf Verhaftung des
Stieber wegen falschen Eides und Zeugnisses antragen, der Kerl hat ja
mit Deinem Kothesbrief effektiv Perjury[2] begangen.

Per Post heute abend mehr über gleichgültigere Sachen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Verbrechen und Vergehen.

   [2] Meineid.


                                  205

                                   Manchester, 28. Oktober 1852. (II.)

Lieber Marx!

Hierbei ein Artikel für Dana – die Sache war nicht anders abzubrechen.
Gelingt es mir, noch heute abend das Ganze fertigzubringen, so bringe
ich’s später noch auf die Post. Einstweilen geht dies, damit Du doch
wenigstens _etwas_ zur Zeit erhältst. Übrigens kann Dana zur Abwechslung
auch einmal mit 3/4 bis 4/5 Druckspalten zufrieden sein, besonders wenn
er so langsam zahlt.

Ich würde mich gar nicht wundern, wenn der Kölner Prozeß noch einen
Monat dauert. Am Montag scheint keine Sitzung gehalten worden zu sein –
vielleicht war ein Angeklagter oder ein paar Geschworene krank, oder
alle bedurften zwei Rasttage hintereinander. Namentlich bei den famosen
Zeugen, die alle nichts auszusagen wissen. Dem Herrn Henze ist schon auf
die Kappe gestiegen worden. Weerth traf diesen Edlen in Hamburg, wo er
fürchterlich auf Dich schimpfte – _cela t’acquitte de toute obligation
envers lui_.[1] Er gestand auch ganz offen das bürgerliche Motiv seiner
Wut. Schreibe doch direkt – _registered letter_[2] – an einen der
Advokaten und mache sie darauf aufmerksam, daß die Anklage ganz aus den
Händen des Herrn Sädt in die des Mouchard Stieber übergegangen, der
unter stillschweigendem Konsens des öffentlichen Ministeriums ganz neue
juristische Theorien aufstellt:

1. daß es ein Verbrechen ist, wenn ein moralisch beim Prozeß Beteiligter
vom Ausland den Advokaten Akten und sonstige Mitteilungen im Interesse
der Angeklagten macht und die Polizeilügen eines Stieber als Lügen
aufdeckt; daß es ebenfalls ein Verbrechen ist, dergleichen Briefe zu
empfangen;

2. daß die Polizei dagegen das Recht hat, sich alle möglichen Verbrechen
zu erlauben und sogar damit vor dem Gericht und dem Publikum öffentlich
zu renommieren:

a. _Diebstahl mit Einbruch_ – die Erbrechung des Pultes von Dietz und
die Entwendung der Aktenstücke daraus;

b. _Verleitung dazu_, eingestandenermaßen durch Geldangebote; ebenso
_Bestechung_;

c. _Diebstahl von Akten_, die der Verteidigung gehören, indem man von
Deinem Memoire für die Advokaten ein Stück abschneidet und zurückbehält;
von der Brieferbrechung will ich nicht einmal sprechen, weil die Kerle
da nachher wenigstens legale Formen vorzuschieben suchen;

d. _falsches Zeugnis_ und _Meineid_, indem Herr Stieber absichtlich die
Kölner als Beteiligte und Genossen von Cherval usw. hinstellt, was er
selbst besser weiß und nachher auch zugibt; indem er namentlich schwört,
daß ein Brief erst am 19. Oktober mit der Post in Köln angekommen sei,
der schon am 15. da war, indem er seine ganze Lüge vom außerordentlichen
Kurier erfindet usw.;

e. _Fälschung_, indem das angebliche Protokoll direkt von der Polizei
geschmiedet und als echt vorgelegt wird, während uns alle Mittel
abgeschnitten werden, den Gegenbeweis in die Hände der Verteidiger zu
liefern.

Und so weiter.

Wenn die Advokaten sich brav und geschickt benehmen, so kann die Sache
nicht mit der Verurteilung der Kölner, sondern mit der Arretierung des
Herrn Stieber wegen Meineids und sonstiger preußischer Verbrechen gegen
den gottlosen französischen _Code pénal_ endigen.

Ich wollte Dir noch über was anderes schreiben, aber ich hab’s total
vergessen, da ich mit Weerth, der eben nach Hause kommt, geplaudert
habe.

Eben höre ich von ihm, daß Frau Daniels auch als Schutzzeugin zitiert
ist – _tant mieux_.[3] Die Protokolle werden ein schönes Ende nehmen.
Und _ce pauvre_[4] Bermbach scheint gleich ohne weiteres mit aufs
Angeklagtenbänkchen gewandert zu sein. Was sie nur diesem unschuldigen
armen Teufel wollen mögen!

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Das enthebt Dich jeder Verpflichtung ihm gegenüber.

   [2] Eingeschriebener Brief.

   [3] Um so besser.

   [4] Dieser arme.


                                  206

                                      28 Deanstreet, 2. November 1852.

Lieber Frederic!

Deinen Brief nebst 5 Pfund erhalten. 10 Schilling an Dronke gegeben.

Die Zeit ist jetzt vorbei, wo wir uns zu genieren haben, offen zu
schreiben unter unseren direkten Adressen. Sonnabend (30. Oktober)
erhielten die Advokaten die Masse der Dokumente, Sonntag den zweiten
Brief von Frankfurt, gestern meinen letzten Brief mit der Deklaration
vor dem Magistrat. Heute habe ich die im heutigen Morning Advertiser
erschienene Deklaration an Schneider II direkt registriert geschickt,
weniger, weil dies jetzt noch nötig ist, als damit die preußische
Regierung sieht, daß wir Mittel haben, die Ehrlichkeit ihrer Post zu
forcieren und im Gegenfall sie vor dem Londoner Publikum bloßzustellen.

Die Advokaten haben alles Nötige rechtzeitig erhalten, nämlich _vor
Schluß_ der Anklage. Gegenwärtig bin ich der Meinung, daß, sollte nicht
ein neuer Inzident den Prozeß verlängern und eine neue Intervention
unsererseits nötig machen, nichts mehr nach Köln abgeht. –

Was den mir fälschlich zugeschriebenen Wisch betrifft, so fehlt mir nur
noch _die Adresse von Moses Heß_, der in Lüttich haust. Ich werde ihm
nämlich schreiben: „Erkläre mir, wem Du die Katechismen gegeben und wer
sie kolportiert hat in Deutschland, sonst erkläre ich Dich in der
Independence für einen Forger.[1]“ Moses wird schon herausrücken.

Vergiß nicht, mir den Schluß für Dana zu schicken. Donnerstag kommt das
Parlament zusammen. Der Artikel ist schon jetzt etwas antiquiert. _Nach_
Freitag aber hätte er gar keinen Wert mehr.

Beste Grüße an Weerth und Strohn.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Fälscher.


                                  207

                                         London, den 4. November 1852.

Lieber Engels!

Ich muß die paar Zeilen an Dich heute diktieren, da die perfiden
Preußischen mich am Sitzen hindern.

Einliegend Brief von Schneider, der gestern abend ankam.

Du siehst, daß Simeon sein Manuskript zurück haben will.

Vehse erzählte mir gestern, Weerth habe ihn zu einem falschen Termin
nach London bestellt, worüber ich ihm die gehörigen Aufklärungen gab.

                                                            Dein K. M.

Viele Grüße vom Sekretär, der Ehefrau Marx’.

Kossuth ist wütend über Marx, daß er seinen _dodge_[1] mit Bonaparte,
Vetter usw. dem Dana mitgeteilt, der aus diesen Notizen einen
fulminanten Artikel gemacht hat.

----------

   [1] Winkelzug, Mogelei.


                                  208

                               [Undatiert. Freitag, 5. November 1852.]

Lieber Marx!

... Die Aktenstücke sind also glücklich angekommen, auch der Brief
Stiebers im Original. Jetzt wird die Sache heiter, sobald der edle
öffentliche Ankläger geendigt haben wird. Etwas Alberneres, als was der
Seckendorf sagt, ist doch selbst bei angestrengter saurer Arbeit des
Gedankens nicht ans Licht zu fördern. Weil der Engels hat drucken
lassen, daß die besten Kommunisten die couragiertesten Soldaten waren,
deswegen muß Bürgers wegen Komplott verdonnert werden. Die Fragestellung
schließe in sich, ob der Angeklagte den _Willen_ gehabt habe – _suspect
de suspicion d’incivisme_[1] –, und daher sei es auch _ganz
gleichgültig_, ob der Angeklagte Mitglied des Bundes sei oder nicht –
also Herr Seckendorf in seiner Verzweiflung an der Verurteilung von
Daniels und Komp. fordert die Geschworenen direkt auf, auch den Bürgers
und Röser freizusprechen! Der Kerl muß wenigstens acht Nächte durch
stark _brandy and water_[2] gesoffen haben, ehe es ihm so wüst und wirr
im Kopfe werden konnte. In der ganzen Schmiere ist doch auch nicht ein
Wort _to the purpose_.[3] Übrigens habe ich an der Freisprechung auch
von Bürgers usw. keinen Moment mehr gezweifelt, seit der Präsident die
Fragestellung bekannt gemacht. Es ist unmöglich, Bürgers’ Jammermanifest
und seine Rundreisen in ein „Unternehmen“ zu verwandeln, das den Zweck
hatte, die Staatsverfassung usw. Oder soll es in den Annalen der
Geschichte heißen: Im Mai des Jahres 1851, während in London der
Glaspalast eröffnet wurde, reiste der Schneider Nothjung von Berlin nach
Leipzig, um die preußische Staatsverfassung umzustoßen und den
Bürgerkrieg zu beginnen. Zudem ist das Protokollbuch fallen gelassen,
und, wie Strohn behauptet, sind unter den Geschworenen v. Rath, v.
Bianco, Leven, Leiden, Herstatt und noch einer ganz gut.

Ich glaube, wie sich die Sache jetzt entwickelt, auch, daß wir unter
allen Umständen etwas publizieren müssen. Es wäre nur gut und sogar
nötig, daß nach dem Prozeß Schneider und einer der Angeklagten nach
London kämen – ich würde sehen, daß ich dann auf einen Samstag und
Sonntag nach London käme, und wenn alles abgesprochen, könntest Du mit
hierher gehen, und das Manuskript würde in einigen Tagen fertig sein.
Inzwischen schreibe an den alten Ebner, ob er dies Broschürli nicht bei
Löwenthal anbringen kann – meinetwegen auf halbe Rechte, für Gewinn wie
Verlust, zwischen ihm und uns.

Den 6. November. Ich kam gestern aus physischen Gründen nicht zur
Absendung des Obigen. Seitdem wieder eine Stieberiade in der Kölnischen
Zeitung gelesen. Also das Originalprotokollbuch ist fallen gelassen,
dagegen Herr Liebknecht in Gestalt einer Geldquittung von den Toten
erstanden. Monsieur Hirsch und Komp. – denn es müssen ihrer mehrere
sein – scheinen die dummen preußischen Polizisten gehörig um Geld
beschwindelt zu haben. _Il valait bien la peine_,[4] einen
Polizeileutnant nach London zu schicken, um diesen Bären angebunden zu
erhalten, und dazu die Nachricht von der _ganz geheimen_ Sitzung bei
Dir.

Was ist das aber eine Geschichte mit dem Fleury, Dronkes Freund, der
hier direkt und offen als Polizeiagent bezeichnet wird? – –

„Bürgers ist geständig, Mitarbeiter der Neuen Rheinischen Zeitung
gewesen zu sein!“ Das ist natürlich hinreichend, ihn zum Galgen
verurteilen zu lassen. So was ist mir doch noch nicht vorgekommen.

Heute abend wird die Kölnische Zeitung nun wohl die ersten Nachrichten
darüber bringen, daß sich das Blättchen gewendet hat. Die Advokaten
haben sehr richtig agiert, daß sie alles zurückhielten, wenn sie nur
jetzt gehörig ins Geschirr gehen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Des Verdachtes schlechter Gesinnung verdächtig.

   [2] Kognak mit Wasser, Grog.

   [3] Zur Sache.

   [4] Es lohnte sehr der Mühe.


                                  209

                                     28 Deanstreet, 10. November 1852.

Lieber Engels!

Einliegend Bericht meiner Frau über das gestrige Robert-Blum-Meeting.
Sie war in der Galerie der Free Mason Tavern, wo es stattfand, mit
Imandt.

Nun zu der Kölner Angelegenheit.

Ich in Bürgers’ usw. Stelle würde Herrn Becker keinesfalls erlaubt
haben, auf Kosten aller anderen sich so unverschämt als den _homme
supérieur_[1] hinzupflanzen und zum Triumph der Demokraten den Charakter
des ganzen Prozesses so sehr herabzudrücken. Sich verteidigen und sich
eine Apologie auf fremde Kosten halten, sind zweierlei. Becker ist einer
der Epigonen der Revolution, der viel Schlauheit, aber wenig Verstand
[besitzt].

Die Regierung in ihrer Verzweiflung hatte, wie Du schon weißt, in dem
nachträglichen Bericht des Goldheim, zu heroischen Mitteln ihre Zuflucht
genommen, aber sich nur von neuem in die Falle geritten.

Die Aussage des Goldheim gab zwei Daten an die Hand: „Greiff“ und
„Fleury“.

Ich stellte also Nachforschungen an (mietete zu diesem Zwecke selbst
einen preußischen Mouchard) über Greiff. Ich erhielt so seine Adresse
und fand, daß er 17 Victoria Road, Kensington, wohne. Dies ist aber das
Haus des Herrn Fleury. Es war also konstatiert, daß Greiff bei Fleury
wohnt. Ferner stellte sich heraus, daß Greiff hier offiziell nicht als
„Polizeileutnant“, sondern als Attaché der preußischen Gesandtschaft
figuriert. Endlich, daß er Sonnabend den 6. November von hier abgereist
ist für einige Wochen, wahrscheinlich nach Köln. Er selbst erklärte, er
reise aus Furcht vor den Marxianern ab. Fleury habe ihn geprellt usw.

Es war nun also klar, Greiff, der Vorgesetzte von Fleury, Fleury der
Vorgesetzte von Hirsch. So hat sich die Sache auch herausgestellt.

Andererseits begaben sich Freitag den 5. November Imandt und Dronke zu
Fleury, mit der Kölnischen Zeitung in der Hand. Er spielte natürlich den
Überraschten, behauptete, keinen Greiff zu kennen, erklärte sich zu
allen Erklärungen vor dem Magistrat bereit, wollte aber vorher seinen
Advokat sprechen. Gab zwei Rendezvous, für Sonnabend den 6. November
eines für 2, das andere für 4 Uhr, hütete sich aber wohl zu erscheinen
und machte, daß die Polizei so einen neuen Tag gewann, an dem wir nicht
operieren konnten, einige vorläufige Briefe nach Köln abgerechnet.
Sonntag den 7. November endlich preßten ihm Dronke und Imandt eine
Erklärung ab, die Du in der „Kölnischen“ lesen wirst. Ich schicke Dir
Kopie davon, die ich in diesem Augenblick nicht finde. Nachdem sie die
Erklärung in der Tasche, erklärten sie ihm, er sei Spion, Greiff wohne
bei ihm, wir hätten alles das gewußt und mit der Polizei gespielt,
während sie mit uns zu spielen glaubte. Er fuhr natürlich fort, seine
Unschuld zu beteuern.

Endlich sandte ich Leute herum, um Hirschs Wohnung aufzutreiben. Es fand
sich, daß er nicht weit von Fleury, ebenfalls in Kensington wohne.

Ehe ich nun weiter erzähle, noch eines. Die _ganze Aussage des Goldheim_
wird Dir sehr klar, wenn Du erwägst: 1. daß am 30. Oktober (Sonnabend)
Goldheim hier war und mit dem preußischen Gesandtschaftssekretär Albert
sich zu Greiff und Fleury begab; 2. _daß am Morgen desselben 30.
Oktober_ unsere Erklärung über die bevorstehenden Enthüllungen in fünf
englischen Blättern erschien; 3. daß für _denselben 30. Oktober_ Fleury
dem Imandt und Dronke ein Rendezvous gegeben, weil Dronke statt dem
Imandt die französische Stunde für ihn übernehmen solle; 4. daß _bevor_
Stieber seine _zweite_ Vernehmung mit den Enthüllungen über London gab,
ich _gleich_ nach seiner _ersten_ Vernehmung über Cherval usw. eine
_Erklärung_ in die „Kölnische Zeitung“, „Frankfurter Journal“ und
„Nationalzeitung“ schickte, worin schon dem Stieber mit seinem Briefe an
mich gedroht wurde. Diese Erklärung erschien zwar in keiner der
Zeitungen, Post und Polizei hatten aber unstreitbar Notiz davon
genommen.

So klärt sich die „Hellseherei“ Stiebers und die Allwissenheit seiner
Polizeiagenten in London höchst prosaisch auf. Alles, was Goldheim sonst
gesagt, waren _Fabulae_.[2] Nach Köln habe ich auf _verschiedenen_ Wegen
die nötige Erklärung über diese Dinge gelangen lassen neben Fleurys
Erklärung.

Aber nun kommt ein Hauptwitz.

Es war natürlich meine Absicht, einen Warrant [Haftbefehl] gegen den
Hirsch zu nehmen, wozu ich seine Wohnung ausgeforscht hatte. Ich erhielt
die Adresse aber erst Sonnabend. Hatte ich den Warrant gegen Hirsch, so
war ich sicher, daß dieser den Fleury und Fleury den Greiff hereinreiten
würde.

Was geschieht? Willich, ganz im geheimen, begibt sich am Freitag mit
Hirsch in Gegenwart Schärttners auf die Magistratur in Bowstreet, läßt
Hirsch angeblich in einem dreifach gefertigten Dokument gestehen, _daß
er und Fleury seit einem halben Jahre ungefähr die falschen Protokolle
fabriziert_, schickt diese drei Dokumente 1. an Göbel, den
Assisenpräsidenten, 2. an Schneider, 3. an die Kölnische Zeitung – und
gibt dem Hirsch Geld zum _Entrinnen_, ja, läßt ihn selbst auf den
Dampfer bringen, angeblich damit er selbst in Köln gesteht.

Wir alle erfuhren dies erst durch die Nachforschungen, die wir nach
Hirsch angestellt, und zum Teil in Bowstreet, wo wir [den] Warrant
herausnehmen wollten. Schapper erzählt dem Liebknecht, daß Willich _ihm
kein Wort_ von dem allen mitgeteilt. So hat Herr Willich uns die
Handhabe der Prozedur, die wir in London selbst anstellen wollten, aus
der Hand eskamotiert! – – –

Wie hoch dieser Fleury übrigens (ich habe ihn _nie_ gesehen) bei den
Demokraten angesehen – Techow, bei seiner Abreise nach Australien,
schrieb ihm noch vom Schiff einen Brief, worin er ihm bezeugt, daß Kopf
und Herz ihm auf dem rechten Fleck sitzt. –

Hirsch hat gestanden, er habe Liebknechts Handschrift nachzumachen
versucht und unter der Leitung des Kaufmanns Fleury (dieser Hund ist
dabei _vermögend_ und in eine sehr _respektable_ englische Quäkerfamilie
hineingeheiratet) gearbeitet, wie Fleury selbst unter Greiffs Leitung
stand. So bestätigt sich vollkommen alles, was ich gleich aus dem
von der Kölnischen Zeitung gegebenen Inhalt und Daten des
Originalprotokollbuches herausdeduziert hatte und was von den Advokaten
bis jetzt keiner gehörig exploitiert hat.

Daß die Kölner Angeklagten freikommen, _alle_ ohne Ausnahme, unterliegt
nach meiner Ansicht keinem Zweifel.

Es ist mir lieb, wenn Du dem Strohn schreibst, er verpflichte mich sehr,
wenn er _gleich_ einige Pfund mitschicke. Von den 4 Pfund 10 Schilling,
die ich durch Dich erhalten, sind beinahe 3 Pfund für die Laufereien,
Mouchards usw. draufgegangen. Es benutzen natürlich auch unsere armen
Bundesfreunde die vielen Laufereien, Rendezvous usw., um eine ganz
erträgliche Summe von _faux frais de production_[3] für Bier, Zigarren,
Omnibus usw. herauszubeißen, die ich natürlich liquidieren mußte.

Die Gedichte von Freiligrath erhältst Du. –

                                                            Dein K. M.

Vehse gestern abgereist. Nach Frankfurt schon wegen unserer Broschüre
geschrieben. Schreiben wir nicht, so bemächtigt sich Becker _ad majoram
gloriam Beckerii_[4] der ganzen Geschichte.

----------

   [1] Überlegenen Mann.

   [2] Fabeln.

   [3] Produktionsunkosten.

   [4] Zum höheren Ruhme Beckers.


                                  210

                       28 Deanstreet, Soho, London, 16. November 1852.

Lieber Engels!

Wenn es Dir möglich ist, so mache für Freitag einen Tribuneartikel über
die Kölner Affäre. Du kennst jetzt alles Material ebensogut wie ich, und
ich habe seit vier bis fünf Wochen meine Hauslumpereien so sehr
vernachlässigt über dem _public business_,[1] daß ich diese Woche noch,
auch beim besten Willen, nicht zum Arbeiten komme. –

Eine Erklärung für die englische Presse über die Kölner Angelegenheit
wird heute abend konsultiert. Es wird kaum Zeit bleiben, sie Dir noch
vorher zur Ansicht zuzuschicken. Machst Du aber eine solche, die bis
_Donnerstag morgen_ noch hier ist, so ist es mir lieber.

Gruß an Weerth.

                                                            Dein K. M.

Kossuth-Mazzini ließen sich am 5. bei dem Rugemeeting krank melden.
Dafür erschienen sie am 10. bei den „_Friends of Italy_“.[2]
Ledru-Rollin entschuldigte sich gar nicht.

----------

   [1] Öffentliche Angelegenheit.

   [2] Freunde Italiens [Verein von Freunden der Befreiung Italiens].


                                  211

                       28 Deanstreet, Soho, London, 19. November 1852.

Lieber Engels!

Der Bund hat sich vergangenen Mittwoch auf meinen Antrag hin _aufgelöst_
und die Fortdauer des Bundes auch auf dem Kontinent für _nicht mehr
zeitgemäß erklärt_. Auf dem Kontinent hatte er übrigens ja seit der
Verhaftung von Bürgers, Roeser faktisch schon aufgehört. Einliegend eine
Erklärung für die englischen Blätter usw. Außerdem mache ich noch
eine lithographierte Korrespondenz ausführlich über die
_Polizeischweinereien_ und für Amerika eine Aufforderung zu Geld für die
Gefangenen und ihre Familien. Freiligrath Kassierer. Gezeichnet von
allen unseren Leuten.

                                                            Dein K. M.


                                  212

                                           Samstag, 27. November 1852.

Lieber Marx!

Wenn ich Dir viel schaffen kann für den Druck der Broschüre, so wird es
zwei bis drei Pfund höchstens sein – ich bin augenblicklich selbst
fest. Aber drei Druckbogen, das gibt zwischen 10 bis 12 Pfund Kosten,
mit Broschieren usw. noch mehr. Wenn die Sache nicht auf dem Kontinent
und für Rechnung, wenigstens unter Beteiligung, eines Buchhändlers
gedruckt wird, so kommt sie gar nicht herum. In Preußen usw. wird sie,
wenn sie hinkommt, konfisziert, und die Buchhändler prellen uns. Wir
werden also das Geld als der Geschichte geopfert ansehen müssen, denn
heraus kommt in Pfund, Schilling, Pence gewiß nichts dabei. Es fragt
sich nun, ob wir diesen Betrag jetzt daran setzen können; ob es nicht
besser wäre, die Geschichte auf einen bis anderthalb Bogen
zusammenzudrängen, damit die Kosten unseren Kräften etwas angemessener
werden? Dezember und Januar sind meine zwei schwersten Monate im Jahre;
vor Februar kann ich schwerlich an weitere Zahlungen für die Kosten
denken. Lassen wir auf Kredit drucken, so hält uns der Drucker am Ende,
wie dem Weydemeyer, die Exemplare zurück, bis er bezahlt ist. Und unter
allen Umständen müssen wir doch vorher sehen, welche Möglichkeit der
Verbreitung da ist; bis jetzt sehe ich aber so gut wie gar keine.

Weerth wird morgen nach London kommen, er segelt am 2. Dezember von
Southampton ab. Seine Ausstaffierung ist ihm sehr teuer zu stehen
gekommen. Strohn reist auch dieser Tage nach London und von da nach dem
Kontinent. Bei den vielen Reisespesen, die sein Etablissement (noch
dazu, wie ich höre, mit fremdem Kapital) ihm macht, wird auch von ihm
nichts zu erpressen sein. So sind wir alle fest.

Meine Meinung ist, wenn Du nicht ganz gute buchhändlerische Wege zur
Verbreitung hast, so wird die Geschichte gar nicht einmal bekannt und
geht vorüber, wie alle in der Emigration gedruckte Literatur, ohne daß
man in Deutschland die Geschichte zu sehen bekommt. Und das ist sehr
schlimm, in mancher Beziehung sogar schlimmer, als wenn gar nichts
geschähe. Denn es bewiese öffentlich, daß wir auf die ausländischen
deutschen Winkelpressen angewiesen sind und gar nichts ausrichten
können. Von der mit dem Bürgersschen Rundschreiben verknüpften Blamage
haben wir uns in unsere mysteriöse literarische Position zurückziehen
können, aber auch diese kann durch ein solches Geständnis unserer
literarischen Ohnmacht kompromittiert werden. Die preußische Regierung
würde sich freuen zu sehen, daß wir auf die Mittel der Publizität
reduziert sind, die den Demagogen von 1831 im Exil zu Gebote standen und
fast gleich Null waren. Es ist schlimm, daß es so ist, aber ich glaube,
wir tun besser, wenn _wir_ dies wenigstens nicht an die große Glocke
hängen. Und nach der Rheinprovinz, wohin doch der Hauptabsatz wäre,
bringen wir kein Exemplar, ohne hundert Leute zu kompromittieren,
seitdem das neue Verbrechen der hochverräterischen Korrespondenz
[unlesbar] von der Jury anerkannt ist.

Ich werde Dir das Geld am 1. oder 2. Dezember schicken, überlege Dir die
Sache noch einmal, und wenn Du glaubst, doch die Broschüre besser auf
diesem Wege als gar nicht zu drucken, so suche wenigstens solche
Arrangements zu treffen, daß wir mit dem Zahlen nicht in Verlegenheit
kommen, denn, wie gesagt, vor Februar kann ich mich zu nichts
verpflichten. – –

Grüße Deine Frau und Kinder bestens. In etwas über zwei Wochen bin ich
in London.

                                                            Dein F. E.


                                  213

                                Manchester, Montag, 29. November 1852.

Lieber Marx!

Es ist mir über beiliegendem Artikel 1 Uhr nachts geworden, aber morgen
früh 9 geht noch eine Post. Ich will das Experiment versuchen, ob Du ihn
noch zur Zeit für den Steamer erhältst (Dienstag abend per ersten Mail
nach Liverpool), wo nicht, mußt Du ihn per Freitagsteamer senden.

Morgen muß ich aus der Stadt, komme ich früh genug wieder, so schicke
ich Dir Geld.

Erhalte ich bald einen Artikel über England für die Tribune? Ich kann
jetzt wieder arbeiten.

Cobden scheint in seinen Ministerhoffnungen von Graham und Russell etwas
enttäuscht worden zu sein, diese scheinen ihn kühl abfahren zu lassen,
sonst kann ich mir seine Wut am Freitag nicht erklären. Seit 1844 hat
der Kerl nicht so ingrimmig gesprochen. _He is a disappointed demagogue
again_,[1] solange wie es dauert. Übrigens ist es gut, daß die Tories in
der Majorität waren, nun kriegen wir doch Disraelis Budget zu hören.
Hätte der Kerl mehr Kenntnisse und Verstand und weniger Schlauheit und
Diebsgelüste, so wäre nichts leichter, als den _freetradern_ ein
_freetradebudget_[2] zurecht zu machen, wobei ihnen grün und rot vor den
Augen wird. Wenn sich die Kerle nur halten, bis die Krise kommt! Wir
sind _décidément im excitement_,[3] obgleich auch dies noch sehr _piano,
piano_ geht. Aber einerlei, die sechs Seiten _joint-stock_[4]-Annoncen
der heutigen Daily News, woraufhin sie schon die Times auszustechen
glaubt, und dazu die zirka fünfzig bis achtzig ausländischen
Eisenbahnen-, Goldminen-, Dampfschiffs- usw. Gesellschaften werden ihre
unvermeidliche Wirkung nicht verfehlen. Der Geschmack „nach mehr“ bleibt
nicht aus. Glücklicherweise ist der einzige Umstand, der die
Baumwollindustrieüberproduktion frühzeitig unterbrechen konnte,
beseitigt; die neue Ernte wird weit über _drei Millionen Ballen_, die
größte also, die je da war, und Baumwolle geht wieder herunter; an
Rohstoff wird’s also nicht fehlen. Jetzt nächstes Jahr eine Mißernte in
Korn, und wir werden einen schönen Tanz erleben. Ohne eine solche ist
bei den anormalen Verhältnissen, den wie Pilze wachsenden australischen
und kalifornischen Märkten, wo ein Individuum zirka viermal soviel
konsumiert als anderswo, weil fast keine Weiber und Kinder da sind und
viel Gold in den Städten verludert wird, bei dem neuen Markt, den
Kalkuttaer Häuser jetzt schon in Birma exploitieren, bei der Ausdehnung
des Handels von Bombay und Karatschi mit dem Nordosten von Indien und
den Grenzländern (diese speziell ist sehr groß) usw., schwerlich zu
sagen, ob es im nächsten Jahre schon zu etwas Dezisivem [Entscheidendem]
kommt.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Er ist wieder ein enttäuschter Demagoge.

   [2] Freihandelsbudget.

   [3] Entschieden in der Erregung.

   [4] Aktiengesellschafts-.


                                  214

                        28 Deanstreet, Soho, London, 3. Dezember 1852.

Lieber Frederic!

Du würdest schon lange Antwort auf den Brief (mit der Einlage des
Aufsatzes für Dana) erhalten haben, wenn ich nicht doppelt beschäftigt
und abgehalten gewesen wäre durch das Diktieren meiner Broschüre in
Reinschrift und dann durch Besuche von Weerth, Strohn, Damm usw.

Die Broschüre wird aller Wahrscheinlichkeit nach in der Schweiz gedruckt
bei Schabelitz junior, der sich von seinem Alten separiert und eine
eigene Buchhandlung etabliert hat. Außerdem kann Cluß, wenn er die
Produktionskosten damit herauszuschlagen meint, die Sache in Washington
drucken lassen. Gedruckt _muß_ die Sache werden, schon um als
öffentliches Dokument nach Ausbruch der Revolution vorhanden zu sein.
Ich habe noch neue, sehr interessante Entdeckungen über das Komplott
Cherval usw. gemacht, die Du hoffentlich gedruckt lesen wirst.

Weerth kam Sonntag abend, fand mich sehr beschäftigt und nicht ganz
rosig gelaunt. Er fragte mich, „was ich denn eigentlich über die Kölner
Geschichte schreiben wolle?“ – und dies zwar in etwas vornehm näselndem
Tone. Ich fragte ihn, „was er in Westindien wolle?“, und nach Zeit von
einer Viertelstunde verschwand er. Dienstag abend kam er wieder und
sagte mir, er hätte eigentlich nicht wieder kommen wollen, habe aber dem
Andringen Freiligraths nachgegeben. Ich habe ihm nämlich Sonntag sehr
beschäftigt und verdrießlich geschienen. Ich nahm mir die Freiheit,
Herrn Weerth darauf aufmerksam zu machen, daß er neun Zehntel der Zeit,
die ich ihn kenne, immer verdrießlich und malcontent war, was er von mir
nicht behaupten werde. Nachdem ich ihm den Kopf etwas gewaschen, fand er
sich wieder zurecht und wurde – wieder der alte Weerth. Ich finde, daß
er verdammt verbürgert ist und seine Karriere zu sehr „_au sérieux_“[1]
nimmt. Strohn ist wenigstens immer der alte und _pas trop fin_.[2]

Bonapartes Kaiserreichhonigmonate sind prächtig. Der Kerl hat immer auf
Pump gelebt. Machen wir die Pumpanstalten in Frankreich so allgemein und
allen Klassen der Franzosen so zugänglich als möglich – und alle Welt
wird glauben, daß das Millennium herangekommen ist. Dazu direkt eine
eigene Bank für _stockjobbery_ und _railwayhumbug_.[3] Der Kerl bleibt
sich immer gleich. Der Industrieritter und der Prätendent verleugnen
keinen Augenblick einer den anderen. Wenn er nicht Krieg macht und bald
macht, so geht er an den Finanzen kaputt. Gut ist’s, daß Proudhons
Erlösungspläne sich in der einzigen Form realisieren, in der sie
praktikabel sind – als Kreditschwindel und mehr oder minder direkte
Prellerei.

Ich freue mich sehr auf Deine Ankunft hierher.

                                                         Dein K. Marx.

----------

   [1] Ernsthaft.

   [2] Nicht zu fein.

   [3] Aktienspekulationen und Eisenbahnschwindel.


                                  215

                                     28 Deanstreet, 14. Dezember 1852.

Lieber Engels!

Ich habe Dich während der ganzen Zeit mit Hämorrhoiden akkompagniert.
Nur bleiben sie bei mir diesmal, da sie glücklicherweise in die magere
Ruhezeit fielen, ohne die „perfide“ Entwicklung. Im Notfall mußt Du
Blutigel anwenden. _C’est le grand moyen._[1] Das Geld gestern vor acht
Tagen erhalten.

Aus der folgenden Kopie eines Briefes von Schabelitz jr. siehst Du, wie
es mit den „Enthüllungen über den Kölner Kommunistenprozeß“ steht:

                                             Basel, 11. Dezember 1852.

„Lieber Marx!

Das Manuskript ist vorgestern unversehrt in meine Hände gekommen, und
heute lese ich bereits den ersten Korrekturbogen. Die Broschüre wird aus
ganz neuer Schrift splendid gesetzt und in 16^o gedruckt. Die Korrektur
werden wir bestmöglich besorgen. Das Ganze wird 70 bis 80 Seiten im
Drucke geben, und ich glaube, wir dürfen den Preis pro Exemplar auf 10
Silbergroschen festsetzen, da jedenfalls ein Teil der Auflage (2000
Exemplare) konfisziert werden dürfte. Die Hauptsendung werden wir in die
Rheinprovinz machen. Ich bin überzeugt, daß die Broschüre ungeheures
Aufsehen machen wird, denn sie ist ein Meisterwerk. Wir waren vier
Personen, als wir das Manuskript durchlasen, und darunter zwei sehr
kompetente, urteilsfähige Männer, und wir waren alle einstimmig in
unserem Lobe. Allerdings ist der preußischen Regierung ein ‚Denkmal‘
dadurch gesetzt. – Mit herzlichem Gruße an die Partei Marx.

                                                   Ihr J. Schabelitz.“

Letzterer Witz bezieht sich darauf, daß ich einigermaßen fürchtete,
Schabelitz würde Anstoß nehmen an der rüden Behandlung der Partei
Willich-Schapper, zu der er selbst _plus ou moins_[2] gehörte.

Da Geheimhaltung die Hauptsache ist, da[mit] die Sache nicht gleich an
der deutschen Grenze konfisziert wird, habe ich hier allgemein
verbreitet, es erscheine eine Broschüre über die Kölner Angelegenheit in
Amerika.

Um Dich in Deinem Hämorrh.-Zustand nicht zu belästigen, habe ich eine
für Dana bestimmte Kritik des Budgets D’Israeli durch Pieper _tant bien
que mal_[3] übersetzen lassen und vorigen Freitag nach Amerika
geschickt.

Entschuldige, wenn ich diesmal nicht mehr schreibe. Ich habe ein Kopfweh
von allen zehn Teufeln.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Das ist das große Mittel.

   [2] Mehr oder weniger.

   [3] So gut es geht [beziehungsweise schlecht und recht].


                                  216

Fragment.

                        [Undatiert. Doch offenbar aus dem Jahre 1852.]

[Engels an Marx.]

Hast Du die Statistik des Factory Inspektor Horner über die Zunahme der
Baumwollindustrie in der gestrigen Times oder vorgestrigen Daily News
gesehen?

Oktober 1850 bis Oktober 1851 –

                  2300  Pferdekräfte  in neu errichteten Fabriken   
                  1400       "        in Vergrößerung alter Fabriken
                  ------------------                                
                  3700  Pferdekräfte  Zuwachs im Manchester Distrikt

und der Baumwollindustrie allein. Die folgende Aufzählung ergibt, daß
damals auch noch Fabriken im Bau waren, die zirka 4000 Pferdekräfte
brauchen und die jetzt fertig sein werden. Seitdem gewiß noch für 3000
bis 4000 Pferdekräfte Fabriken zu bauen angefangen, die bis Ende des
Jahres zur größeren Hälfte fertig sein können. Wenn von Januar 1848 bis
Oktober 1850 – 2-3/4 Jahre – der Zuwachs nur auf 4000 Pferdekräfte
angenommen wird, so wird die Dampfkraft der Lancashire Baumwollindustrie
seit 1848 bis Ende 1852 gestiegen sein um 3700 + 4000 + 1500 + 4000 =
13 000 Pferdekräfte. Die ganze Dampfkraft der Baumwollindustrie in
Lancashire betrug 1842 30 000 und 1845 (Ende) 40 000 Pferdekräfte;
1846/47 ist wenig angelegt, also wird jetzt fast 55 000 Pferdekräfte,
beinahe das Doppelte von 1842, in Tätigkeit sein.

Dazu die Wasserkraft, zirka 10 000 Pferdekräfte (1842), die sich wenig
vermehrt hat, da die Wasserkräfte schon länger ziemlich gut exploitiert
wurden. Da sieht man, wo das additionelle Kapital der Prosperität
bleibt. Die Krisis kann übrigens nicht lange mehr ausbleiben, obwohl
hier fast nur in _Omnibussen_ überspekuliert wird.


                                  1853


                                  217

                                          Manchester, 11. Januar 1853.

Lieber Marx!

Ich hoffte gestern noch auf meinem Wege zur Eisenbahn bei Dir vorkommen
zu können, denn infolge eines über meine verlängerte Abwesenheit und die
hier sich häufende Arbeit sich etwas unangenehm aussprechenden Briefes
war ich genötigt, plötzlich aufzupacken und dem Kontor zuzueilen. Meine
Citygeschäfte hatte ich schändlich vernachlässigt und mußte sie also
gestern im letzten Moment abmachen. Dadurch wurde ich so aufgehalten,
daß mir nichts übrig blieb, als _recta via_[1] abzusegeln, wenn ich
heute, was notwendig war, _at a decent hour_[2] im Kontor erscheinen
wollte; ohnehin wäre ich bei Dir sonst zu einer Abendstunde
eingesprungen, wo sich die gesamte Jüngerschaft einzufinden pflegt, und
in diesem Falle hätte ich nicht für die Folgen respektiver Potte bei
Göhringer, Zimmermann, Wood und anderen Nachtkneipen gestanden. –

Ich wollte, einige unserer Jungens in London kämen wirklich zu einem
_plus ou moins_[3] soliden Erwerb, denn die Bummelei wird arg, und gerät
man einmal unter sie, so ist zehn gegen eins zu wetten, daß man unter
sechsunddreißig Stunden nicht aus der Bekneiptheit herauskommt, wie mir
solches zweimal passiert ist, zur großen Verwunderung meiner Schwester.

Im Frühjahr oder Anfang Sommer komme ich wieder nach London.

Ist die Geschichte von Schabelitz noch nicht da?

Herzliche Grüße an Deine Frau und Kinder.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Geradeswegs.

   [2] Zu anständiger Zeit.

   [3] Mehr oder weniger.


                                  218

                                       28 Deanstreet, 29. Januar 1853.

Lieber Engels!

Die 3 Pfund Sterling erhalten und das rückgesandte Manuskript.

Du mußt mich entschuldigen, daß ich so lange nicht geschrieben. Die
_Pressure from without_[1] erklärt Dir das.

Willich ist vor ungefähr vierzehn Tagen als Kinkels Agent nach Amerika
abgeschoben. Frau von Brüning ist vor ein paar Tagen begraben worden.

Liebknecht hat eine sehr gute Stelle bei dem Juden Oppenheim bekommen.
Die andere Bevölkerung, _excepté_[2] Imandt, noch flottierend. Die
Broschüre bei Schabelitz wurde erst 11. Januar fertig. Sechs Bogen
ungefähr. Er scheint aber nichts nach London schicken zu wollen, bis er
die Sache glücklich nach allen Punkten in Deutschland expediert und Avis
erhalten hat. –

Aus einliegendem Ausschnitt der Arbeiterrepublik (Redakteur Weitling)
siehst Du das Gift dieses Schneiderkönigs und Diktator[s] der Kolonie
„Communia“ über den Kölner Kommunistenprozeß und die Partei Marx und
Komp.

Gestern habe ich zum erstenmal riskiert, selbst einen Artikel _englisch_
zu schreiben für Dana. Pieper spielte den Korrektor, und wenn ich nur
erst eine ordentliche Grammatik angeschafft und beherzt darauf los
schreibe, wird es _passablement_[3] gehen ....

Bei dem Stande der Winterernte bin ich überzeugt, daß die Krisis nun
_will be become due_.[4] Solange der _staplearticle, food_, erträglich
_abundant_[5] und wohlfeil blieb, zusammen mit Australien usw., konnte
die Sache sich immer noch in die Länge ziehen. Jetzt wird dem ein Stop
gesetzt werden. Übrigens, klingt es nicht sonderbar, wenn zum Beispiel
der _Economist_ apologetisch von der jüngsten Diskontoregulation der
Bank of England schreibt, ihr Zweck sei „_to prevent the _exportation of
capital__“.[6] Wir wissen recht gut, was dies soll. Aber könnte man sein
Freetradergewissen nicht beunruhigen durch die Frage: Willst Du die
„_exportation of capital_“[7] in der Form von _cottons, yarns_ usw.
ebenfalls _prevent_?[8] Warum dann in der Form _of gold_?[9] Ist das
Ende der _freetrade economy_,[10] daß sie zum _mercantilism pur_[11]
zurückkehrt und den _efflux and influx of gold_[12] als den _nervus
rerum_ betrachtet?

In der City glaubt man allgemein an Krieg seit der letzten Rede
Bonapartes. Ich habe auch einen Brief des alten Ebner aus Frankfurt
erhalten, worin er von dem Schrecken spricht, den Bonapartes
Hochzeitsrede auf die Seidenpuppen in Deutschland, speziell die
Diplomaten in Frankfurt a. M. hervorgebracht hat. Welche Tölpel unsere
Vaterländler sind, sah ich gestern unter anderem aus dem Frankfurter
Journal, wo _d. d._ Heidelberg geschrieben wird: Man bedauere höheren
Ortes jetzt sicher schon die Verfolgung des großen Gervinus, seit
Bonaparte sich „der Demokratie“ in die Arme geworfen und ein
Propagandakrieg vor der Türe stehe. Ich fürchte, Crapulinsky wird von
den deutschen Bauern und Spießbürgern als „Retter und Freund“ empfangen.
Diese burleske Figur scheint zur völligen Verkehrung und Ridikulisierung
aller traditionellen Stellungen und Parteien berufen zu sein.

Welchen Einfluß übt ein schlechter Herbst auf einen _beginnenden_ Krieg?

Schreibe mir auch, wie es im _manufacturing departement_,[13] speziell
in der Baumwolle steht.

Jones’ Blatt ist wieder in _ascendant_.[14]

Cobdens Broschüre, wie auch die _peace_[15] Konferenz in Manchester,
halte ich für einen Blödsinn im gegenwärtigen Augenblick. Da seht ihr’s,
sagt Palmerstons Journal, die Morning Post, diese bürgerlichen Parvenüs
sind total _incapables_,[16] ein Land zu regieren, das kann nur die
Aristokratie. Der Morning Herald veröffentlicht einen Brief, an ihn
selbst gerichtet und, _wie er behauptet_, unter dem Diktat Bonapartes
selbst geschrieben, worin dieser sagt, er würde bloß nach England
kommen, wenn die _queen_ 200 000 seiner Ordnungshelden gegen die
gefährlich wachsende Demokratie brauche. Diese Demokratie, sagt der
Herald, sind Sie, Herr Cobden, Sie und Komp.

Über die Times habe ich folgende ganz zuverlässige Details erhalten, die
Dich vielleicht interessieren:

Mr. _Walter_, _M. P._ für Nottingham, ist noch immer ihr
konstitutioneller König, immer noch der _principal shareholder_ des
_paper_.[17] Mr. _Mowbray Morris_ ist der _Lord of Exchequer_[18] der
Times, ihr _financial_ und _political manager_,[19] – ein sehr
abenteuerlicher und „_reckless_“ _fellow_.[20] Mr. _Delane_ jr. (Freund
d’Israelis) ist _Secretary for the Home Office_.[21] Sein Vater ist der
Editor des Morning Chronicle. Mr. _Dawson_ ist der _secretary of foreign
affairs_.[22] Außerdem hat die Times _a sort of privy councils_.[23] Der
bedeutendste darunter, Mr. _Lowe_, _M. P._ für Kidderminster, ein Albino
mit roten Augen und weißen Haaren, soll viel Talent und besondere
Kenntnis von Finanzgeschichten haben. Neben ihm Mr. _Henry Reeve_, der
einen kleinen Posten im _statistical departement des Board of Trade_[24]
hat, Bewunderer der Orleansstaatsmänner. Mr. _Lawson_ schreibt den
_money article_,[25] sonst ohne Einfluß auf die Leitung des Ganzen.

Nach einem Briefe von Zerffi glaubt man allgemein in Paris, daß
Bonaparte mit dem Sultan in der Montenegroaffäre gegen Österreich und
Rußland mogelt.

_Vale faveque._

                                                              K. Marx.

----------

   [1] Druck äußerer Umstände.

   [2] Ausgenommen.

   [3] Leidlich.

   [4] Fällig werden wird.

   [5] Stapelartikel, Nahrungsmittel, [erträglich] reichlich.

   [6] Die Ausfuhr von Kapital zu verhindern.

   [7] Ausfuhr von Kapital.

   [8] Baumwollen, Garne ... verhindern.

   [9] Von Gold.

   [10] Freihandelsökonomie.

   [11] Reinen Merkantilismus.

   [12] Abstrom und Zustrom von Gold.

   [13] Fabrikationsabteilung.

   [14] Aufstieg.

   [15] Frieden.

   [16] Unfähige Kerle.

   [17] Hauptaktionär [des] Blattes.

   [18] Schatzkanzler.

   [19] Finanzieller [und] politischer Leiter.

   [20] Rücksichtsloser Bursche.

   [21] Sekretär für das Innere.

   [22] Sekretär der auswärtigen Angelegenheiten.

   [23] Eine Art Staatsräte.

   [24] Statistische Abteilung im Gewerbe- [und Handels-]ministerium.

   [25] Artikel über den Geldmarkt.


                                  219

                                                      21. Januar 1853.

Lieber Engels!

Wenn es Dir irgend möglich, so übersetze den ganzen beigefügten Patsch
und schicke ihn direkt von Manchester (indem Du meinen Namen
unterzeichnest) über Liverpool oder Southampton, je nachdem der Steamer
geht, an „_A. Dana, One of the Editors of the New York Tribune, New
York._“[1]

Die Sache steht nämlich so:

Da das Pech die Klimax erreicht, habe ich für zehn Artikel (den
beiliegenden eingerechnet) 20 Pfund Sterling auf Greeley gezogen und ihm
geschrieben, der Abschreiber sei nicht ganz mit dem Abschreiben des
Artikels (der daher auch von Freitag datiert werden muß) fertig
geworden. Er würde ihn Dienstag abgeschickt erhalten. Ich habe ihm den
Artikel zu 2 Pfund Sterling berechnet, was Dana in seinem Briefe vom 16.
Dezember vorigen Jahres versprochen, bisher aber nicht gehalten hat.
(Für _current letters_.[2])

Der vorliegende Artikel muß wegen der Berechnung zu 2 Pfund ganz
abgeschickt werden. Das Thema mit der Herzogin von Sutherland wird in
Amerika Lärm machen.

Apropos. Blind hat mich schon zweimal wegen des Buches von Herzen
getreten. Du mußt es mir daher zurückschicken.

Es ist 2 Uhr nachts. Ich kann daher den Brief nicht mehr stampen[3]
lassen und muß ihn unfrankiert abschicken.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] A. Dana, einer der Redakteure der New York Tribune, New York.

   [2] Laufende Briefe.

   [3] Mit einer Briefmarke – _stamp_ – versehen.


                                  220

                                                     11. Februar 1853.

Lieber Marx!

Da haben wir nun die _grande affaire_[1] der Herren Kossuth und Mazzini.
Unsere Nachrichten hier sind sehr unvollkommen, aber meiner Ansicht nach
müssen wir morgen oder Montag hören, daß alles am Ende ist. Mailand ist
ein sehr schönes Terrain zum Straßenkampf, wenig gerade Straßen, und
diese ohne alle Verbindung, fast überall enge krumme Gassen mit hohen,
massiven, steinernen Häusern, jedes eine Festung für sich, die Mauern
oft 3 bis 5 Fuß und mehr dick, an Durchbrechen kaum zu denken, die
Fenster des _rez-de-chaussée_[2] mit Eisengittern wie hier und da in
Köln versehen (fast allgemein). Aber was hilft das alles, sie haben
keine Chance. Nach 1849 hat Radetzky die Befestigungen der alten
Zitadelle wieder herstellen lassen, und wenn die fertig sind, und dazu
war Zeit genug, so gehört Mailand den Österreichern, solange sie die für
Insurgenten ohne Militärinsurrektion uneinnehmbare Zitadelle besitzen.
Daß von Bellinzona, wo die Tessiner von jeher zugunsten jeder
italienischen Bewegung Massen von Lügen in die Welt schickten, keine
weiteren Nachrichten da sind, spricht sehr gegen eine Ausbreitung der
Insurrektion in der Umgegend.

Ich halte die ganze Geschichte für sehr _mal à propos_,[3] da ihr
einziger Anlehnungspunkt, außer der Tyrannei der Österreicher _in
general_,[4] doch nur der Montenegrodreck ist, wo _après tout_[5] auch
die türkische „Ordnung“ über die zernogorzische homerische Barbarei
siegen muß. Diese großen Diktatoren lassen sich also ganz _à la_ Seiler
durch ordinäre diplomatische Staatsaktionen hereinreiten und schwören
auf die welthistorische Wichtigkeit der „orientalischen Frage“! Daß sie
dabei auf irgendeinen _windfall_[6] von seiten Louis Napoleons rechnen,
ist klar, der wird sie aber, wenn nicht alles gegen die Erwartung geht,
schön in der Patsche sitzen lassen und als Anarchisten behandeln.
Außerdem ist zu vermuten, daß der Moment des Ausbruchs wie bei allen
präorganisierten Aufständen weit mehr durch die lumpigsten
Lokalzufälligkeiten bestimmt wurde als durch entscheidende Ereignisse.

Mazzini scheint wenigstens auf dem Fleck zu sein; es ging auch nicht
anders. So dumm seine bombastische Proklamation auch ist, so mag sie bei
den schwülstigen Italienern doch etwas ziehen. Dagegen der Mann der
unbegrenzten Tätigkeit, Kossuth! _Celui-là est absolument mort, après
cela._[7] Solche lächerliche Prätentionen affichiert man Anno 1853 doch
nicht ungestraft. So abgeschmackt auch die abstrakte Insurrektionswut
des Mazzini hier erscheint, so glänzend steht er doch da gegen den
braven Kossuth, der seine Rolle von Widdin wieder aufnimmt, und aus
sicherem Hinterhalt die Befreiung des Vaterlandes aus nichts von nichts
zu nichts dekretiert. Der Kerl ist wirklich ein _lche_[8] und ein
_misérable_.[9]

Jetzt wollen wir sehen, was die italienischen Bauern machen; selbst im
Falle unerhörter unglaublicher Glücksfälle könnten Vater Mazzini und
seine Bürger und Adligen da sehr unangenehme Dinge erleben; und wenn die
Österreicher Gelegenheit finden, diese Bauern auf den Adel loszulassen,
tun sie es gewiß.

Die Österreicher müssen noch 120 000 Mann in Italien haben; wie dagegen
zu insurgieren ist, ohne Aufstände unter den Truppen selbst, kann ich
nicht absehen. Und an Honvedaufstände _in Italien_, selbst auf Kossuths
Kommando hin, glaube ich nicht; dazu gehören doch größere Ereignisse,
und mit Hilfe der drei Jahre Disziplin und Ruhe haben die Österr[eicher]
auch manchen harten Honvedhintern weich geprügelt.

Wichtig scheint mir die ganze Geschichte nur als Symptom; die Reaktion
gegen den gepreßten Zustand seit 1849 beginnt, und natürlich am
wundesten Fleck. Die Sache macht hier viel Effekt, und die Philister
fangen an darin übereinzustimmen, daß dies Jahr nicht ruhig vorübergeht.
Jetzt eine Mißernte in _Corn and Cotton_,[10] Geldklemme und Zubehör,
und _nous verrons_![11]

Hast Du die 3 Pfund erhalten, die ich Dir vorige Woche schickte –
Donnerstag oder Freitag?

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Großartige Geschichte.

   [2] Erdgeschoß.

   [3] Angelegen.

   [4] Im allgemeinen.

   [5] Schließlich.

   [6] Glücksgeschenk.

   [7] Der ist nach dieser Sache absolut tot.

   [8] Feigling.

   [9] Elender Kerl.

   [10] Getreide und Baumwolle.

   [11] Wir werden sehen.


                                  221

                                                     23. Februar 1853.

Lieber Engels!

Ich war _sérieusement_[1] unwohl; namentlich erlaubten mir die „perfiden
Preußischen“ weder zu stehen, noch zu sitzen, noch zu liegen. Daher mein
langes Stillschweigen und selbst die Versäumnis, das Geld anzuzeigen.

Du hast gesehen, daß Kossuth durch einen amerikanischen Flibustier, den
Kapitän Mayne Reyd, seine angebliche Mailänder Proklamation desavouiert.
Nun schreibt mir gestern Szemere aus Paris, er wisse _positiv_, daß die
Proklamation _authentisch_ sei. Übrigens war das schon aus dem Inhalt zu
ersehen. Der „_Leader_“ (mazzinistisch) „_deems it his duty to caution
his readers, that this affair lies entirely between Mr. Kossuth and Mr.
Mazzini and that the latter is _absent_ from England_.“[2] Die direkt
gegen Agostino, indirekt auch gegen Kossuth gerichtete Erklärung Della
Roccas in der Daily News wirst Du selbst gelesen haben. Das _par nobile
fratrum_[3] scheint entzweit. Kossuth ist ebenso falsch als feig.

So elend die Mailändergeschichte ist als Finale von Mazzinis ewiger
Konspiration, und so sehr ich glaube, daß er sich persönlich geschadet
hat, so sicher scheint mir, daß das Ereignis der revolutionären Bewegung
im ganzen günstig ist. Nämlich durch die brutale Art, wie die
Österreicher es ausbeuten. Wäre Radetzky dem Vorgang Strassoldos
[Kommandanten von Mailand] gefolgt, hätte er die Mailänder Bürgerschaft
belobt wegen ihrer „ordentlichen Aufführung“, das Ganze als den
miserablen Putsch einiger „_miscreants_“[4] bezeichnet und als Zeichen
seines Vertrauens die Zügel scheinbar schlapper hängen lassen, so war
die revolutionäre Partei vor Gott und der Welt blamiert. So aber, da er
ein vollständiges Plünderungssystem einführt, macht er Italien zu dem
„revolutionären Krater“, den Mazzini durch seine Deklamationen nicht
herbeiführen konnte.

Und noch eins. Hätte einer von uns allen geglaubt, daß die Reaktion nach
ihren vierjährigen Siegen, Zurüstungen, Renommagen sich so unendlich
schwach fühle, daß sie einen wahren Angstschrei bei dem ersten Putsch
ausstößt? Der Glaube der Kerls an die Revolution ist unerschütterlich.
Sie haben jetzt wieder vor aller Welt Zeugnis ihrer Unsicherheit
abgelegt. Während die „Emigration“ realiter total bankrott ist und
keinen Hund vom Ofen locken kann, posaunen sie durch alle
Regierungsblätter deren Macht aus und bereiten den Glauben, daß ein Netz
von Verschwörungen sich allseitig um die braven Bürger schlingt.

Von Schabelitz noch immer nichts gehört, außer daß die Sache in
Deutschland zirkuliert. Er wagt noch nichts herzuschicken, aus Furcht,
daß die französische Polizei das Paket erbrechen und die Geschichte der
preußischen denunzieren möchte.

Ich weiß aus _sicherer_ Quelle, daß Ledru-Rollin, _mais c’est un
secret_[5] (Napoleon weiß es wahrscheinlich so gut wie ich), in drei bis
vier Wochen in Paris losschlagen will. Ein Augenzeuge hat mir erzählt,
daß große Aufregung in Paris herrschte bei der ersten Nachricht von dem
Mailänder Aufstand. Straßenzusammenläufe usw., nicht um zu rebellieren,
sondern um die Köpfe zusammenzustecken. Im ganzen sind die hiesigen
Frenchmen sehr zufrieden, daß Herr Mazzini sich mit seiner „Aktion“
blamiert hat. Es ist eine Revanche für sie.

Unser – aus sechs Zeilen bestehender – Aufruf zur Unterstützung für
die Kölner ist durch Cluß’ Vermittlung in allen amerikanischen Blättern
erschienen, überall unter Befürwortung der respektiven Turnvereine.
_Nous verrons._[6] Die lieben Bekannten in Köln selbst haben noch nichts
von sich hören lassen. Wenn das nicht Vorsicht ist! Einer der Ihren,
Exleutnant Steffens, der als Schutzzeuge in dem Kölner Prozeß
figurierte, ist hier und hat sogleich eine Lehrerstelle in der Anstalt
von Friedländer gefunden. Blind tritt mich täglich wegen des „Herzen“;
ebenso Dronke wegen des Zirkulars von Reichenbach. Für Dronke ist es
wichtig, um unter fremdem Namen eine Korrespondenz mit der „Volkshalle“
in Köln anzuknüpfen.

Was sagst Du zu der lebhaften Teilnahme der Pfaffen der Staatskirche an
der unglücklichen Zehnstundenbewegung? Immer wieder das alte Spiel.
Samstag schicke ich Dir ein Paket mit allen rückständigen Zeitungen und
Briefen von Cluß.

Von allen _performances_ des _little Finality-John_[7] war die letzte
doch wohl die klassischste. Selbst die Times mußte gestehen, daß _Johnny
excites „mightily little enthusiasm“_.[8]

Frau Harney ist gestorben. Ebenso Frau von Brüning. Ich hatte in
letzterer Zeit einen Briefwechsel mit letzterer, worin alles auf Kinkel
und Willich fiel. Ich habe Dir schon geschrieben, daß Willich seit vier
Wochen nach Amerika abgesegelt.

Salut.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Ernsthaft.

   [2] Hält es für seine Pflicht, seine Leser darauf aufmerksam zu
   machen, daß die Sache lediglich zwischen Mr. Kossuth und Mr. Mazzini
   spielt, und daß der letztere von London _abwesend_ ist.

   [3] Edle Brüderpaar.

   [4] Bösewichter.

   [5] Aber das ist ein Geheimnis.

   [6] Wir werden sehen.

   [7] Aufführungen des kleinen Endgültigkeits-John [Spitzname Lord
   Russels von der ersten Wahlreform her].

   [8] Johnny ungemein wenig Begeisterung erregt.


                                  222

                                               [Undatiert. März 1853.]

Lieber Marx!

Gestern schickte ich Dir eine halbe Fünfernote, die andere Hälfte
gleichzeitig per Kuvert an Dronke. Ich bin tief in der Klemme, im
Februar habe ich wegen Schuldenzahlung usw. zirka 50 Pfund ausgeben
müssen, und noch zirka 30 Pfund zu decken in diesem und dem nächsten
Monat. Sonst hätte ich Dir mehr geschickt. Eine Reform meiner _personal
expenses_[1] wird dringend, und ich werde in acht bis vierzehn Tagen
ausziehen und in wohlfeilere _Lodgings_[2] gehen, auch zu leichteren
Getränken greifen, damit ich für den großen Moment, wenn die Bilanz
abgeschlossen wird, gerüstet bin .... _Voilà la vie._[3]

Unter den Hiesigen, Deutschen wie Engländern, hat sich Monsieur Kossuth
durch seine Erklärungen total ruiniert; Mazzini desgleichen durch die
Insurrektion selbst und die lausige Manier, Krawall durch Meuchelmord
von einzelnen Soldaten anzufangen, was speziell den Engländern widerlich
ist. Etwas Feigeres und Lumpigeres als diese Kossuthschen zwei Briefe
ist doch nicht zu ersinnen, und dabei immer die Prätension: _I am a
plain, honest man._[4] Die Herren mögen sich übrigens in acht nehmen,
finden sich Beweise, so ist _ce cher_[5] Aberdeen ganz der Mann, sie
ohne weiteres einstecken und verfolgen zu lassen, und ob sie nach diesem
so sicher sind, freigesprochen zu werden, weiß ich nicht.

Das _Ministry of all the talents turns out a complete humbug_.[6] Johnny
verschrumpfter als je, der große Gladstone ein selbstgefälliger Klugtuer
_à la_ Mevissen, Aberdeen voll diplomatisch-torystischer Reminiszenzen
und purer Hofmann, der Apostel Johannes des seligen Messias Peel, Sidney
Herbert ein total inkapabler Kriegsminister, es ist ein schönes Lot
[Pack]. Dabei fühlten sich alle nicht an ihrem Platze, ausgenommen der
alte unverschämte Palmerston, der überall zu Hause ist, und wie die
Mazzinidebatte beider Häuser beweist, so _mutinous_[7] ist wie je. Er
ist doch _de facto_[8] seit der griechischen Debatte, der Milizbill und
der Adreßdebatte der _leader of the House of Commons_,[9] und es ist
bittere Ironie, dem armen Johnny diesen Posten _pro forma_ zu geben. Die
Schamlosigkeit aber geht ins Weite, für Johnny in dieser Kapazität noch
ein Salär zu verlangen, aber ein neuer Posten ist natürlich beiden
Parteien ein gefunden Fressen. Ich bin begierig auf Master Gladstones
Budget, seine Äußerung bei den Estimates und Humes Tarifmotion lassen
erwarten, daß er alles so ziemlich beim alten lassen wird, und das
ist auch wohl das einzige, was bei diesem patriotischen
Koalitionsministerium herauskommen wird. Unterdes sind die
Korruptionsgeschichten von der letzten Wahl her wunderschön und werden
doch in der nächsten Session eine Art Reformbill nötig machen. Wenn bis
dahin der Trade schlecht wird und der Kontinent sich regt, können wir
schöne Geschichten erleben.

Ich habe jetzt den Urquhart zu Hause, der den Palmerston für von Rußland
bezahlt angibt. Die Sache erklärt sich einfach: der Kerl ist ein
keltischer Schotte mit sächsisch-schottischer Bildung, der Tendenz nach
Romantiker, der Bildung nach _freetrader_.[10] Dieser Kerl ging als
Philhellene nach Griechenland, und nachdem er sich drei Jahre mit den
Türken herumgeschlagen, ging er in die Türkei und begeisterte sich für
ebendieselben Türken. Er schwärmt für den Islam, und sein Prinzip ist:
wenn ich nicht Kalvinist wäre, so könnte ich nur Mohammedaner sein. Die
Türken, die der Blütezeit des osmanischen Reiches ganz besonders, sind
die vollkommenste Nation der Erde, in allem ohne Ausnahme. Die türkische
Sprache ist die vollkommenste und wohlklingendste der Welt. All das
alberne Gerede von Barbarei, Grausamkeit, lächerlichem Barbarenhochmut
rührt bloß von der Unwissenheit der Europäer in bezug auf die Türkei und
von den interessierten Verleumdungen der griechischen Dragomans her.
Wenn ein Europäer in der Türkei schlecht behandelt wird, so ist das
seine eigene Schuld; der Türke haßt nicht die Religion und den
Charakter, sondern nur die engen Hosen des Franken. Türkische
Architektur, Etikette usw. wird dringend zur Nachahmung empfohlen.

Gegen dies glückliche Land intrigiert nun der Zar vermittels der
griechischen Pfaffen, und England hat sich von diesem fortwährend an der
Nase herumführen lassen. England muß die Türkei stützen usw., eben so
alte wie platte Gemeinplätze. Im ganzen ist dies Buch höchst amüsant.
Das beste aber ist, daß sich hieraus die ganze Politik der englischen
palmerstonfeindlichen Liberalen stützt, zum Beispiel sind alle Artikel
in der Daily News über die türkische Schmiere reine Paraphrasen aus
Urquhart, der _qua freetrader_[11] unbedingt Kredit genießt, obgleich er
den Engländern vorwirft, sie zerstörten durch ihre Importe die
thessalische Industrie – aber bei einem _highlander_[12] kommt das
nicht so genau [darauf an].

Es hat eine sehr gute Seite, daß die Times, wenn auch zunächst im
russischen Interesse, endlich einmal die alte Philisterdummheit von der
Integrität der Türkei angreift. Die dumme Daily News, die in ihrer
Bürgerborniertheit nicht weiter sieht, als ihre Nase reicht, schreit
über Verrat und weiß nichts anderes entgegenzusetzen, als eben diesen
alten Diplomatenmist. Zieht sich der Tanz noch etwas hin, so werden die
Herren doch bald zu anderen Argumenten greifen müssen und zu der
Einsicht kommen, daß nur eine kontinentale Revolution dem Dreck ein Ende
machen kann. Das müssen doch mit der Zeit auch die ärgsten Philister
einsehen, daß ohne diese gar nichts gelöst werden kann.

Die österreichisch-preußische Zollgeschichte ist der einzige
Fortschritt, zu dem man es in Deutschland gebracht hat – _et
encore_![13] Das Ding ist so mit Haken verklausuliert, und so viel
Hauptsachen sind späteren Kommissionen überlassen, während die
wirklichen Zollnachlässe so klein sind, daß wenig dabei herauskommt.
Geht die große industrielle Krise los, so wird der ganze Handelsvertrag
verschwinden vor dem allgemeinen _débcle_.[14]

Hier wird nur noch gestohlen, Knochen zerschmettert auf den Eisenbahnen
und in die Luft geflogen. Das hiesige Philisterium ist ganz konsterniert
von den absonderlichen Ereignissen der letzten acht Tage.
Glücklicherweise geht Baumwolle herunter, weshalb an der Börse nichts
los ist und man sich nach Herzenslust mit diesen großen Begebenheiten
beschäftigen kann. Die Spinnereien und meisten Webereien sind noch voll
beschäftigt, aber in groben Kalikos (_domestics_[15]) ist _vollständige
Stagnation_, und von Montag an wird in dieser Branche nur drei Tage per
Woche in allen Fabriken gearbeitet werden.

Grüße Deine Frau und Kinder.

                                                            Dein F. E.

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   [1] Persönlichen Ausgaben.

   [2] Mietzimmer.

   [3] So ist das Leben.

   [4] Ich bin ein einfacher, ehrlicher Mann.

   [5] Dieser teure.

   [6] Ministerium aller Talente stellt sich als ein vollendeter Humbug
   heraus.

   [7] Rebellisch.

   [8] Faktisch, der Sache nach.

   [9] Führer des Hauses der Gemeinen.

   [10] Freihändler.

   [11] Als Freihändler.

   [12] Hochländer [aus dem schottischen Hochland].

   [13] Und selbst dann.

   [14] Zusammenbruch.

   [15] Bezeichnung für starken [Futter- oder Hemden-]Kattun.


                                  223

                                                        10. März 1853.

Lieber Engels!

Die 5 Pfund erhalten. Ich war diese Woche ein Haar nahe am Krepieren.
Nämlich eine Leberentzündung oder wenigstens dicht daran
vorbeistreifend. Dies ist erblich in meiner Familie. Mein Alter ist
daran gestorben. Seit den vier Jahren, wo ich in England bin, hatte sich
die Sache nicht wieder gezeigt und war wie verschwunden. Doch die Krise
ist nun überstanden und, was das beste ist, _sans médecin_.[1] Doch noch
etwas matt.

Gestern erhielt ich folgendes „_angenehme_“ Schreiben von Basel:

                                   Basel, 7. März 1853, morgens 9 Uhr.

„Lieber Marx!

Soeben vernehme ich, daß die ganze Sendung der ‚Enthüllungen‘, die aus
2000 Exemplaren bestand und schon seit sechs Wochen jenseits der Grenze
in einem Dorfe lag, gestern beim Weitertransport abgefaßt wurde. Was nun
geschieht, weiß ich nicht; in erster Linie Reklamationen der badischen
Regierung beim Bundesrat, dann wahrscheinlich meine Abfassung oder
wenigstens Inanklagezustandversetzung usw. In jedem Falle ein
großartiger Lärm. Dies in Kürze Ihnen zur Nachricht; weitere
Mitteilungen sollen, wenn ich daran verhindert werden sollte, durch eine
dritte Person erfolgen. Wenn Sie an mich schreiben, so benutzen Sie auf
dem Kuvert die Adresse: ‚_Mad. Brenner-Guérard, magazin de modes,
Basle_‘ und schreiben auf der für mich bestimmten versiegelten Inlage
bloß: ‚Für Jacques‘. Das Manuskript über den Staatsstreich werde ich an
sicherem Orte deponieren. Adieu. Hoffentlich bald mehr, als ich jetzt
noch weiß. Geben Sie mir sichere Adressen an, Ihre und die Bambergers
sind wohl bekannt.

                                                         Ihr Jacques.“

Nun, _qu’en pensez-vous, mon cher maître renard_?[2] Hat der
„_Suisse_“[3] für bar Geld mich an die preußische Regierung verkauft?
Sechs Wochen jenseits der Grenze in einem Dorfe, die affektierte
Ängstlichkeit, kein Wort über die in der Schweiz gebliebenen Exemplare,
trotz meinem Dringen kein Exemplar hierhergeschickt!

Soll einem unter solchen Umständen nicht die Lust zum Schreiben
vergehen? Immer zu arbeiten _pour le roi de Prusse_!

_Que faire?_[4] Denn so darf der „_Suisse_“ nicht durchschlüpfen.

_Quant à_[5] Dana, so hat er meinen Wechsel _honoriert_. Der „brave“
Bamberger gab mir ursprünglich 5 Pfund darauf, ließ mich dann vierzehn
Tage hin und her nach der City rennen, zahlte endlich erst diese Woche,
nachdem sich meine Wirtin seit Wochen dem Heulen (wörtlich) ergeben
hatte. Seit der Zeit habe ich wieder sieben Artikel der Tribune
geschickt. Morgen schicke ich wieder einen. Ich würde mich jetzt
herausarbeiten, wenn ich nicht die verfluchte _dette consolidée_[6] auf
dem Pelze hätte. Auch diese wäre zu einem bedeutenden Teile abgetragen
worden, hätte der elende Schweizer mich nicht wieder ins _néant_[7]
gestürzt.

Ich muß nun notwendig, um den Dana warm zu halten, einen längeren
Artikel über _haute politique_[8] schreiben. Also die _détestable
question orientale_,[9] womit mir ein miserabler Yankee von hier in der
Tribune Konkurrenz zu machen sucht. Aber diese Question ist vor allem
militärisch und geographisch, also nicht von meinem Departement. Du mußt
Dich also noch einmal _exécuter_.[10] Was aus dem türkischen Reiche
werden soll, ist mir „spanisch“. Ich kann also keinen allgemeinen
Gesichtspunkt geben.

Nur für einen Zeitungsartikel – wo es übrigens nötig wäre, durch
militärisch-geographisch-historische Draperie möglichst an der
eigentlichen Question vorbeizuschlüpfen – scheinen mir folgende
Anhaltspunkte, direkt von Montenegro ausgehend, nötig:

1. Trotz aller Schikanen und Zeitungskannegießerei wird die _question
orientale_ nie der _Anlaß_ zu einem europäischen Kriege werden. Sie wird
immer wieder diplomatisch zugetuscht werden, bis das allgemeine Hallo
auch hier dem Zutuschen ein Ende macht.

2. _Encroachments of Russia_[11] in der Türkei. Gelüste von Österreich,
Ambition von Frankreich. Interessen von England. Kommerzielle und
militärische Wichtigkeit dieses Streitapfels.

3. Im Falle des allgemeinen Hallos wird die Türkei England zwingen, auf
die revolutionäre Seite zu treten, denn hier notwendig seine Kollision
mit Rußland.

4. Notwendige Auflösung des muselmännischen Reiches. _D’une manière ou
de l’autre_[12] wird [es] in die Hände der europäischen Zivilisation
geraten.

Es wäre für den Moment noch speziell bei der Montenegrogeschichte zu
verweilen, bei der miserablen Rolle, die England jetzt offiziell spielt.
Sultan nur nachgegeben, weil Frankreich und England ihre Hilfe nicht
zugesichert. Beide Länder haben in dieser Frage, unter der Maske der
_entente cordiale_,[13] gegeneinander kokettiert mit der heiligen
Allianz. Darauf hinzuweisen, daß die herrschende Oligarchie in England
auch schon deswegen stürzen muß, weil sie unfähig geworden, ihre alte
Rolle nach außen zu spielen, die englische Nation dem Kontinent
gegenüber an der Spitze zu behaupten.

_Tout ça est très pauvre, mais enfin, il me faut un ou deux articles sur
cette question pour tuer mon concurrent._[14]

                                                            Dein K. M.

Deine Übersetzung meines Sutherlandartikels ist famos. Ich selbst
scheine einiges Talent fürs Englischschreiben zu haben. Hätte ich nur
den Flügel [Wörterbuch], eine Grammatik und einen besseren Korrektor als
Mr. Pieper.

Ich schreibe heute noch einmal nach dem Kontinent. Gelingt es mir, so
viel Geld zusammenzubekommen, da es jetzt mit Schabelitz nichts ist, daß
meine Frau wenigstens ruhig abwarten kann, bis ein zweiter Wechsel auf
Dana, den ich diesmal auf 30 Pfund zu treiben denke, gezogen und zurück
sein kann, so komme ich vielleicht im April einige Tage zu Dir, _pour
restituer mes forces_[15] und um einmal ungestört mit Dir über die
jetzigen Verhältnisse zu kohlen, die nach meiner Ansicht bald zu einem
_earthquake_[16] führen müssen.

Die Morning Post behauptet, in Lancashire beschäftigten die Fabrikanten
ihre Arbeiter nur mehr _short time_,[17] die _prosperity_[18] gehe ihrem
Ende zu usw. Wie verhält es sich damit?

                                                            Dein K. M.

Bis zu diesem Augenblick – und es ist 11-1/2 Uhr – hat Dronke Nr. 2
noch nicht gebracht. Der Junge liegt wahrscheinlich noch zu Bett. Wir
müssen durchaus unsere Partei neu rekrutieren. Cluß ist gut. Reinhardt
in Paris ist fleißig. Lassalle, trotz der vielen „abers“, ist _dur_[19]
und energisch. Imandt und Liebknecht sind zäh und jeder in seiner Art
nutzbar. Aber alles das ist keine Partei. Der Exleutnant Steffen,
Exzeuge beim Kölner Prozeß, jetzt Schulmeister in einer Anstalt bei
London, scheint mir tüchtig. _Lupus grows from day to day older and
becomes more crotchety._[20] Dronke ist und bleibt ein „angenehmer
Müßiggänger“.

----------

   [1] Ohne Arzt.

   [2] Was halten Sie davon, mein lieber Meister Fuchs?

   [3] Schweizer.

   [4] Was tun?

   [5] Was [Dana] betrifft.

   [6] Konsolidierte Schuld.

   [7] Nichts.

   [8] Hohe Politik.

   [9] Scheußliche orientalische Frage.

   [10] Ins Unvermeidliche schicken.

   [11] Eingriffe Rußlands.

   [12] Auf die eine oder andere Weise.

   [13] Freundschaftliche Verständigung.

   [14] Alles das ist sehr dürftig, aber schließlich muß ich einen oder
   zwei Artikel über die Frage haben, um meinen Konkurrenten
   totzumachen.

   [15] Um meine Kräfte wiederherzustellen.

   [16] Erdbeben, Katastrophe.

   [17] Kurze Zeit [das heißt weniger Stunden pro Tag oder Woche].

   [18] Geschäftsblüte.

   [19] Hart, beziehungsweise stählern.

   [20] Lupus [W. Wolff] altert zusehends und wird immer grillenhafter.


                                  224

                                                        22. März 1853.

Lieber Engels!

Dein Artikel über die Türkei famos. Abgeschickt.

Ich weiß nicht, ob Du folgende Notizen in einem der letzten Economist
über die „__value of Turkey__“[1] gelesen hast:

„_While our commerce with Austria and Russia is either stationary or on
the decline, with Turkey it is regularly increasing. We are not able to
state what proportion of our exports may find their way to Austria
through Germany, but we believe it only small. Our direct trade with
Austria is absolutely insignificant. Our exports of british products to
her adriatic parts (the only ones she has) were not give separately from
those to the rest of Italy till 1846, when they reached 721 981 £. In
1850 they had fallen to 687 755 and in 1851 had risen to 812 942 £. Our
exports to Russia were on the average of 1840/41 1 605 000 £, in 1846/47
1 785 000 £; and in 1850/51 1 342 000 £. Our exports to the Turkish
dominions including Egypt, Syria, Palestina, Moldavia and Walachia have
progressed as follows:_[2]

             £                £                £                £    
   1840  1 440 592  1843  2 548 321  1846  2 707 571  1849  3 569 023
   1841  1 885 840  1844  3 275 333  1847  3 530 589  1850  3 762 480
   1842  2 068 842  1845  3 134 789  1848  3 626 241  1851  3 598 591

_Our exports are therefore threefold those to Russia and nearly double
those to Russia and Austria together._“[3] So weit _The Economist_.

In dem englischen Ministerium selbst muß großer Krakeel sein über die
„_Turkish Question_“.[4] Denn Palmerstons [unlesbar] die Morning Post
pfeift direkt aus dem entgegengesetzten Loche wie die Times.

D’Israeli ist seiner _leadership_ der „_great conservative party_“[5]
glücklich entsetzt, and _Sir John Pakington, a mournful man
otherwise_,[6] an seine Stelle getreten. Das ist das erstemal seit 1828,
daß die Torypartei einen „_leader_“[7] besitzt, der ebenso borniert ist
wie ihr Gros.

Du hast gesehen, daß in der letzten Abstimmung über die _clergy reserve
bill_,[8] wo der würdige Russell von den drei _clauses_,[9] die er
vorgeschlagen, eigenhändig _the omission of the third clause
proposed_,[10] das Ministerium den Sieg nur durch die Stimmen der
konservativen Minorität davontrug. Ein schlechtes Zeichen das.

Mazzini ist hier seit einigen Tagen, aber einstweilen noch inkognito.

Daß „_good_ Aberdeen“ sehr geneigt ist, den Flüchtlingen etwas am Zeuge
zu flicken, magst Du daraus sehen, daß vorige Woche die englische
Polizei eine Art Flüchtlingsstatistik aufnahm. Zwei bis drei Detektivs,
_in plain clothes_,[11] begaben sich von Square zu Square und von Straße
zu Straße und nahmen Notizen zu Papier, in den meisten Fällen bei den
Nachbarn der nahegelegenen Bierwirtschaften. Ausnahmsweise aber – zum
Beispiel bei dem Hause Pulszkys, er selbst ist just in Amerika –
drangen sie unter dem Vorwand, es sei ein Diebstahl begangen worden, in
die Domizile der Flüchtlinge selbst und durchmusterten ihre Papiere. –

Vater Willich ist in New York gelandet. Freund Weitling veranstaltete
ihm ein Bankett von dreihundert Personen, wo Willich mit einer
gewaltigen roten Schärpe erschien, eine lange Rede hielt des Inhaltes,
daß Brot mehr wert ist als Freiheit, und von Weitling ein _Schwert_
überreicht erhielt. Dann trat Weitling auf und bewies, daß Jesus
Christus der erste Kommunist war und daß sein Nachfolger niemand anders
ist als der bekannte Wilhelm Weitling.

Ich habe einen Brief von Schabelitz erhalten, den ich einlege. Es geht
daraus hervor, daß er zwar nicht politisch verraten, aber unendlich
albern verfahren hat. – – – Zugleich hat Doktor Feddersen dem Dronke
geantwortet, der ihm über die Angelegenheit geschrieben hatte. Er
bestätigt Schabelitz’ Brief, teilt aber zugleich mit, daß seiner Ansicht
nach der gerichtlichen Untersuchung gegen Schabelitz keine weitere Folge
gegeben wird. Es fragt sich, was _nun tun_? Die preußische Regierung
wünscht die Sache vollständig zu burken [ersticken], so sehr, daß der
Minister des Auswärtigen gegen eine „Theorie des Kommunismus“ fahndet,
die ich in Basel publiziert haben soll. Also sogar der Titel soll dem
Publikum verheimlicht bleiben. _Que faire?_[12]

Schabelitz hat mir zwei Exemplare geschickt, eines direkt an mich, eines
an Freiligrath, wofür ich zusammen 15 Schilling zu zahlen hatte. Schöne
_Einnahme_. Bisher war es mir noch nicht möglich, der Clique die
Exemplare zu entreißen. Bis Mittwoch (morgen) denke ich aber im Besitz
von einem derselben zu sein, zugleich mit dem Paket, das schon lange für
Dich parat liegt.

Zerffi ist hier. Er flüchtete von Paris bei der Razzia auf die fremden
Korrespondenten. Zerffi ist ein Schwätzer, hat aber über die ungarischen
Verhältnisse selbständigere und richtigere Ansichten, als ich sonst noch
von Flüchtlingen von daher gehört habe. Dies mag darin seinen Grund
haben, daß er von Hause aus kein Magyar ist, sondern ein „Schwab“, und
nicht nur ein Schwab, sondern der Sohn eines Juden aus Hannover, der
wahrscheinlich Cerf hieß und sich in Zerffi magyarisierte.

                                                            Dein K. M.

23. März. Gestern ist auf unseren Aufruf, bestehend aus drei Zeilen mit
unseren sämtlichen Namen, Sendung von 20,17 Pfund Sterling für die
Kölner vom Turnverein von Washington bei dem Kassierer Freiligrath
angelangt.

Schimmelpfennig hat 1 000 Pfund Sterling von der Brüning geerbt.

----------

   [1] Wert der Türkei.

   [2] Während unser Handel mit Österreich und Rußland entweder
   stationär geblieben ist oder zurückgeht, nimmt der mit der Türkei
   regelmäßig zu. Wir sind außerstande, anzugeben, welcher Teil unserer
   Ausfuhr seinen Weg nach Österreich etwa durch Deutschland findet,
   aber wir glauben, daß er nur klein sein kann. Unser direkter
   Handelsverkehr mit Österreich ist durchaus unbedeutend. Unsere
   Ausfuhr britischer Produkte nach seinen adriatischen Landesteilen
   (den einzigen [sollte wohl heißen: wenigen], die es hat) wurde bis
   1846 nicht von der nach dem übrigen Italien getrennt aufgeführt,
   damals hatte sie die Ziffer 721 981 Pfund Sterling erreicht. 1850
   war sie auf 687 755 gefallen und 1851 auf 812 942 Pfund gestiegen.
   Unsere Ausfuhr nach Rußland belief sich im Durchschnitt der Jahre
   1840/41 auf 1 605 000, 1846/47 auf 1 785 000 und 1850/51 auf
   1 342 000 Pfund. Unsere Ausfuhr nach den türkischen Gebieten
   einschließlich Ägypten, Syrien, Palästina, der Moldau und Walachei
   hat sich daher wie folgt entwickelt ....

   [3] Unsere Ausfuhr ist dagegen dreimal so hoch wie die nach Rußland
   und nahezu doppelt so hoch wie die nach Rußland und Österreich
   zusammen.

   [4] Türkische Frage.

   [5] Führerschaft [der] großen konservativen Partei.

   [6] Sir John Pakington, im übrigen ein trauriger Mann.

   [7] Führer.

   [8] Gesetzesvorlage über die Ersatzpersonen der Geistlichen.

   [9] Klauseln.

   [10] Auslassung der dritten von den vorgeschlagenen Klauseln.

   [11] In gewöhnlicher Kleidung.

   [12] Was tun?


                                  225

                                            Sonntag, 10. April [1853].

Lieber Marx!

Hierbei der Brief von Cluß zurück. Die Sache wird wohl auf sich beruhen
müssen, bis wir das ganze Hirschsche Aktenstück nebst seinen von
Weydemeyer zurückgehaltenen ersten Erklärungen vor Augen haben.

In Hirschs Aussage sind manche Sachen ganz richtig, zum Beispiel mit dem
Briefe von Dir aus Manchester. Dabei lügt und verschweigt er aber
natürlich gehörig. So vergißt er zu erzählen, daß er, offenbar nicht
ohne Absicht, Dir nach Manchester nachreiste und uns eines Sonntags auf
der Bury New Road mit einem anderen Bummler begegnete und im Vorbeigehen
ganz laut schrie: „Guten Tag, Marx!“ Du erinnerst Dich, wir wunderten
uns, wer es gewesen sei; _ce fut notre cher_[1] Hirsch. Ebenso die
Geschichte mit dem Brief der Frau Daniels und der Haussuchung.

Es ist komisch, wieviel Coopersche Spione jetzt auftauchen. Chenu,
Cherval, Hirsch.

Die angegebenen Personen müßten erforscht werden. Der Lanckronsky ist
offenbar derselbe, den Du als „Graf L.“ in dem Kossuth-Bonaparte-Artikel
als russischen Agenten denunziert hast. –

_Pour revenir._[2] Ich glaube nicht, daß vorderhand, das heißt bis nach
vollständiger Einsicht der Akten etwas öffentlich geschehen kann; bloß
vorbereitende Schritte, unter anderem auch Nachspürungen, woher das
Dokument kommt und wo der Hirsch jetzt ist, was er treibt; im Notfall
eine Konfrontation des Kerls, um eine weitere schriftliche Erklärung von
ihm auszupressen. Der Fleurygeschichte wegen des Diebstahls werde ich
auch sofort weiter nachforschen, leider ist mein Informant, der ihn
persönlich kennt, krank. Besorge mir nur gleich das verlangte
Signalement usw.

Die mir zugeschickten amerikanischen Zeitungen habe ich heute
größtenteils durchgestöbert. Manches ist sehr amüsant, aber es ist, so
in einem Haufen, doch eine angreifende Arbeit, die einen sehr dumm
macht. Sehr nett sind dagegen Cluß’ Briefe. Wie ich sehe, stehen die
Enthüllungen schon in der Neu-England-Zeitung, es ist doch arg, daß
Weydemeyer sie nicht in die Kriminal-Zeitung gebracht hat. Er wird
wenigstens jetzt den Hauptinhalt nachholen müssen – gib ihm doch per
nächsten Steamer einen groben Wink deshalb mit dem Scheunentor, sonst
denkt er am Ende gar nicht daran.

Wie sieht es mit Deiner Reise aus? Ich denke doch, Dich spätestens im
Mai hier zu sehen.

Meinen Brief vom Freitag mit 3 Pfund wirst Du erhalten haben. Beste
Grüße an Deine Frau.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Es war unser lieber [Hirsch].

   [2] Um [zur Sache] zurückzukommen.


                                  226

                                         28 Deanstreet, 23 April 1853.

Lieber Engels!

Die Geschichte mit Pieper ist wahr. Den einliegenden Bleistiftzettel
schicke unmittelbar zurück. _Qu’en dis-tu?_[1]

Ich habe jetzt wieder 30 Pfund Sterling auf New York zu ziehen.
Bamberger geht nicht heran, aber ich habe andere Aussicht. Wenn sie sich
erfüllt, komme ich vom 1. bis 7. zu Dir, _supposé_,[2] daß ich Dich
nicht geniere.

Wenn Deine Zeit es erlaubt, wäre es mir sehr lieb, bis Freitag einen
Artikel über die Schweiz zu haben. Du hast die Sache xmal behandelt,
während ich die Persönlichkeiten usw. nicht kenne, doch dürfte der
Artikel keine Fortsetzung haben. _Ein_ Artikel über die Schweiz ist
genug für die Größe des Landes.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Was sagst Du dazu?

   [2] Vorausgesetzt.


                                  227

                                                       26. April 1853.

_Dear Frederic!_

Ich fürchte, daß aus der vorgehabten Reise nichts wird. Bamberger kann
mir den Wechsel nicht diskontieren, und Friedländer, der halb
versprochen hatte, will _définitivement_[1] nicht. Ich habe deswegen an
Strohn geschrieben, halte es aber für eine bloße Formalität, die ich
_pour acquit de conscience_[2] und meiner Frau zuliebe erfüllt, ohne an
ein Resultat zu glauben.

Bei Gelegenheit einer Korrespondenz, worin ich der Tribune Mazzinis
Hiersein – jetzt wieder von seinen Freunden geleugnet, ich denke aber,
auf seinen Befehl – anzeige (dieselbe Korrespondenz enthält den ersten
Türkenartikel), macht sie einen kleinen _Leader_[3] über Mazzinis
glückliches Durchschlüpfen und bemerkt bei der Gelegenheit:

_„In this connection we may properly pay a tribute to the remarkable
ability of the correspondent by whom this interesting piece of
intelligence is furnished. Mr. Marx has very decided opinions of his
own, with some of which we are far from agreeing, but those who do not
read his letters neglect one of the most instructive sources of
information on the great questions of current European politics.“_[4] Du
siehst, ich sitze hier fest. Ich habe außerdem einen sehr interessanten
Brief von Cluß mit zwei Nummern von Hirschs Bekenntnissen (noch nicht
geschlossen) erhalten. Ich schicke die Geschichte noch nicht, da
vielleicht noch ein Zufall mich befähigt, selbst zu kommen und die Sache
zu bringen. Wenn ich komme, erhältst Du jedenfalls vorher Anzeige. Wann
rückt Dein Alter ein, mit dem ich nicht karambolieren will?

Wenn der Dana mir hier nur, worum ich ihn schon dreimal gebeten, ein
Haus anzeigte, so wäre ich wenigstens über das Dickste weg.

_Ad vocem_[5] Hirsch: Ich war ursprünglich Deiner Ansicht, aber doch
verhält sich die Sache anders. Stieber und Goldheim sind positiv hier,
um die Kossuthsche Pulververschwörung mit Berlin zu „vermitteln“.
Derselbe Kerl, der mir den anonymen Wisch schrieb, schrieb an demselben
Tage wörtlich folgendes an Schärttner und Göhringer:

                                               „London, den 21. 4. 53.

                           _Bekanntmachung._

Seit kurzer Zeit hier angekommen: Polizeirat Stieber und der Jude
Goldheim, Polizeileutnant, beide von Berlin.

                             _Signalement_

             _des Stieber:_                  _des Juden Goldheim:_       
   Mittlere Statur (zirka 5 Fuß),      zirka 6 Fuß,                      
   Haare: schwarz, kurz,               schwarz, kurz,                    
   Schnurrbart: ditto, ditto,          ditto, ditto                      
   Gesichtsfarbe: gelb und abgelebt.   gelb, aufgedunsenes Gesicht.      
   Trägt enge, dunkle Hose, einen      Trägt schwarze Hose, einen        
      blauen Sack, einen Zeughut,         weißgelben Sack, schwarzen     
      welchen man zusammenklappen         Hut.                           
      kann, und eine Brille.                                             

_NB._ Beide gehen regelmäßig zusammen und sind begleitet von _Hirsch_,
Handlungsdiener aus Hamburg, Künig, Postexpedient, aus dem Geburtsort
Willichs. Stieber und Goldheim gehen regelmäßig alle Tage zwischen 11
und 3 Uhr auf die preußische Gesandtschaft.“

Ich glaube, der Verfasser ist Henry de l’Aspée, Freund und Landsmann von
O. Dietz, derselbe gekränkte Polizist, der, wie Du Dich erinnern wirst,
zu weiteren Enthüllungen[6] mit uns bei Deiner Ankunft hier haben
sollte. Du siehst, wie „Hirsch“ voranarbeitet. Nichts konnte den
Willich-Kinkel ungelegener kommen.

_Fare-well._[7]

                                                            Dein K. M.

Was das Pfund angeht, so werde ich jedem 10 Schilling geben, da Pieper,
soviel ich weiß, Aussicht hat, sein Geld jetzt ohne Prozeß zu erhalten.

----------

   [1] Endgültig.

   [2] Um mein Gewissen zu beruhigen.

   [3] Leitartikel.

   [4] In diesem Zusammenhang mag es angebracht sein, der
   bemerkenswerten Fähigkeit des Korrespondenten, durch den [uns] diese
   interessante Mitteilung zugeht, Anerkennung zu zollen. Herr Marx hat
   seine sehr bestimmten eigenen Ansichten, die wir zum Teil weit
   entfernt sind, zu teilen, aber diejenigen, die seine Briefe nicht
   lesen, lassen sich eine der lehrreichsten Quellen der Informierung
   über die großen Fragen der gegenwärtigen europäischen Politik
   entgehen.

   [5] Hinsichtlich.

   [6] [Hier fehlt offenbar das Wort: Zusammenkunft.]

   [7] Lebe wohl.


                                  228

                                                       26. April 1853.

Lieber Marx!

Inliegend Artikel und Pfund Sterling. Wer immer von den beiden
Claimants[1] auch leiden möge, tröste ihn mit der nächsten Woche.

Je eher Du selbst kommst, desto besser. Das Schlafzimmer in meinem Hause
ist fertig.

In Frankreich scheint der Commerce schon am Abfallen zu sein. Besonders
abgenommen haben die direkten Importe von Baumwolle aus Amerika, so daß
Frankreich das _einzige_ Land ist, das trotz der kolossalen
amerikanischen Ernte _weniger_ bezogen hat als voriges Jahr und kaum
mehr als im Jahre der politischen Trübsal 1851, _où l’ordre et la
société allaient s’engloutir dans le gouffre socialiste_.[2] Die Importe
von 1852 zeigen den momentan magischen Effekt des Staatsstreichs, 1853
zeigt den Revers. Etwas ist immer von Liverpool nach Havre gegangen,
doch nicht so viel mehr als früher. Auch sonst scheint in Frankreich die
Industrie nicht eben zu florieren. Diesmal scheint die Sache wirklich
ernsthaft zu sein und speziell auf der Verdrängung französischer Artikel
aus den auswärtigen Märkten durch einheimisches Fabrikat zu beruhen. Die
kolossalen Exilierungen von Arbeitern 1851/52 fangen an, ihre Früchte zu
tragen; ich bin überzeugt, daß sie ganz speziell zur Ausdehnung und
Verbesserung der englischen und amerikanischen Fabriken von Pariser
Artikeln, Bronzesachen usw. beigetragen haben. Heutzutage noch
tausendmal weniger als früher jagt die Ordnung ungestraft das
Proletariat über die Grenze. Selbst im tiefsten Frieden müßte die
französische Industrie bei dieser fortwährenden Exploitation des
Komplotts als _moyen de gouvernement_[3] und ewig sich erneuernden
Proletarierverbannung zum Teufel gehen; die Engländer und Yankees wissen
wahrhaftig den brauchbaren Teil darunter zu benutzen!

Also wann kommst Du?

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Ansprucherheber.

   [2] Wo die Ordnung und die Gesellschaft daran waren, vom
   sozialistischen Strudel verschlungen zu werden.

   [3] Regierungsmittel.


                                  229

                                  28 Deanstreet, Soho, 27. April 1853.

Lieber Engels!

Ich war soeben mit Freiligrath bei Gerstenberg, und es ist Aussicht, daß
ich bis Freitag, wenn auch nicht den Wechsel diskontiert, doch einen
Vorschuß darauf erhalte. Mit Strohn war es, _of course_,[1] nichts. Also
immer noch möglich – was ich sehr wünsche –, daß ich zu Dir komme.

Den Artikel und die 2 Pfund für Pieper und Dronke erhalten.

Ich weiß nun sicher, daß ich recht berichtet war mit der Anwesenheit
Mazzinis in London.

Hirsch war vorgestern beim russischen Konsul, an demselben Tage im Hause
Fleurys zusammen mit Stieber und Goldheim.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Selbstverständlich.


                                  230

                                 [Undatiert. Offenbar 27. April 1853.]

Lieber Herr Engels!

Es ist mir furchtbar unangenehm, in Geldsachen an Sie schreiben zu
müssen. Sie haben uns nur schon zu oft geholfen. Aber dieses Mal weiß
ich keine Rettung, keinen Ausweg. Ich habe an Hagen in Bonn, an Georg,
an Cluß, an meine Schwiegermutter, meine Schwester in Berlin
geschrieben. Schreckliche Briefe! Und von allen, allen bis heute keine
Antwort. So bleibt uns kein Mittel mehr übrig. Ausmalen, wie es hier
aussieht, kann ich nicht. Mein Mann ist in die City zu Gerstenberg. Sie
können denken, welch ein Gang das für ihn ist. Während der Zeit schreibe
ich diese Zeilen. Können Sie etwas uns schicken? Für Freitag hat der
Bäcker das Brot gekündigt. Gestern hat der Musch ihn noch abgewehrt,
indem er dem Bäcker auf seine Frage: „_Is Mister Marx at home?_“[1]
antwortete: „_No he aint upstairs!_“[2] und dann mit seinen drei Broten
unter dem Arme pfeilschnell davonlief und seinen Streich erzählte.

Leben Sie wohl.

                                                           Jenny Marx.

----------

   [1] „Ist Herr Marx zu Hause?“

   [2] „Nein, er ist nicht oben!“


                                  231

                                  28 Deanstreet, Soho, 28. April 1853.

Lieber Engels!

Heute war ich mit Freiligrath wieder bei Gerstenberg. Er gab mir einen
„verschlossenen“ Empfehlungsbrief an Spielmann in Lombardstreet.
Abschlag. Dem Gerstenberg – als Hauptkinkelianer – war es natürlich
nicht Ernst mit der Sache.

Nun schicke ich Dir den Wechsel, der mit dem morgen abgehenden Briefe 32
Pfund Sterling beträgt.

Bamberger will mir 2 Pfund Sterling pumpen, damit ich ein paar Schilling
meiner Frau lassen und mit dem anderen zu Dir reisen kann. _Ich reise
Sonnabend morgen fort._ Morgen ist es unmöglich.

                                                         Dein K. Marx.


                                  232

                                                         1. Juni 1853.

Lieber Marx!

Inliegend die Hälfte von 20 Pfund – _P. E._ 90138. Die andere Hälfte
per zweite Post, da ich keine andere Adresse weiß.

Der Kerl, der den Wechsel einkassiert hat, ist auf ein paar Tage
verreist, und wir können also das Geld nicht kriegen. Damit Du aber
nicht zu warten brauchst, habe ich mir diese 20 Pfund verschafft. Die
Abrechnung über den Wechsel erfolgt also Anfang nächster Woche.

Der verdammte Hund zieht uns zirka 18 Pfund ab für Zigarren und Wein,
die teils Charles auf Spekulation, teils ich für Konsumtion von ihm
gekauft, so daß man dabei noch zum Schuldenzahlen kommt.

In einer alten Tribune von Anfang April las ich gestern Deinen Artikel
über die Times und die Flüchtlinge (mit dem Dantezitat). _Je t’en fais
mon compliment._[1] Das Englisch ist nicht nur gut, es ist brillant.
Hier und da sind ein paar Stichwörter nicht kulant genug eingeflochten,
das ist aber auch das Schlimmste, was man von dem Artikel sagen kann.
Pieper ist fast gar nicht drin zu entdecken, und ich begreife nicht,
wozu Du den noch brauchst.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Ich mache Dir dazu mein Kompliment.


                                  233

                                 [Undatiert. Wahrscheinlich Mai 1853.]

Lieber Marx!

Die Bombe wird also endlich platzen, wie Du aus inliegendem
Korrekturwisch und Weydemeyers Brief ersiehst. Wunderbarlich ist diese
Manier von Willich, sich aus der Sache zu ziehen, jedenfalls; Du wirst
Dich gewiß kostbar amüsieren über diese lahmen Zirkumlokutionen[1] und
die verlegene Holprigkeit der Schreibart. Der Kerl ist schwer getroffen.
Vater Schramm aber scheint ihn in Cincinnati schwer gekränkt zu haben;
immer zu etwas gut. Soviel ist sicher: auf _diese_ Erklärung kann nur
noch eine größere Blamage von seiten des Ritterlichen folgen. –

Zur Beruhigung kann ich Dir mitteilen, daß die Neu-England-Zeitung mir
heute den Versand von 420 Exemplaren „_Enthüllungen_“ an meine Adresse
anzeigt, ich sie also wohl morgen oder spätestens in acht Tagen erhalten
werde, wenn das Paket nicht mit dem letzten Steamer abgegangen sein
sollte. Die Kerle haben die Unverschämtheit, mich in einem halbanonymen
„Office der Neu-England-Zeitung“ unterzeichneten Briefe zum Mitarbeiten
aufzufordern – das fehlte noch!

Gut ist es auf alle Fälle, daß wir jetzt doch in der „Reform“ ein Organ
haben, worin man, selbst wenn alle Stricke reißen, Sachen in der Polemik
gegen Willich und Konsorten unterbringen kann. Der Krawall reitet den
Kellner immer tiefer hinein.

Der Druckfehler von Weydemeyer darf Dich nicht wundern. Du weißt ja, daß
Weydemeyer statt „Rühmliches“ immer auch nur „Ähnliches“ leistet.

Der Kleine [Dronke] wird nächsten Sonntag herkommen. Ich bin begierig,
wie er sich in Bradford als Kommis entwickelt. Jedenfalls scheint der
brave Buckup ihn gehörig schanzen zu lassen.

Gestern habe ich das Buch über die arabischen Inschriften gelesen, wovon
ich Dir sprach. Das Ding ist nicht uninteressant, so eklig der Pfaff und
Bibelapologet überall durchblickt. Sein höchster Triumph ist, dem Gibbon
einige Schnitzer in der alten Geographie nachweisen zu können und davon
auch auf die Verwerflichkeit der Gibbonschen Theologie zu schließen. Das
Ding heißt: _The historical Geography of Arabia by the Reverend Charles
Forster._[2] Das Beste, was dabei herauskommt, ist:

1. Die in der Genesis gegebene angebliche Genealogie von Noah, Abraham
usw. ist eine ziemlich exakte Aufzählung der damaligen Beduinenstämme je
nach ihrer größeren oder geringeren Dialektverwandtschaft usw. Die
Beduinenstämme nennen sich bekanntlich bis heute immer Beni Saled, Beni
Jussuff usw., das heißt die Söhne von dem und dem. Diese Benennung, aus
der altpatriarchalischen Existenzweise hervorgehend, führt schließlich
auf diese Art Genealogie. Die Aufzählung der Genesis wird _plus ou
moins_[3] bestätigt durch die alte Geographie, und die neueren Reisenden
beweisen, daß die alten Namen, dialektisch verändert, meistens noch
existieren. Dabei kommt aber heraus, daß die Juden selbst weiter nichts
sind als ein Beduinenstamm wie die anderen, den Lokalverhältnisse,
Agrikultur usw. in Gegensatz zu den anderen Beduinen brachten.

2. In Beziehung auf die große arabische Invasion, von der wir früher
sprachen: daß die Beduinen gerade wie die Mongolen periodische
Invasionen gemacht haben, daß das Assyrische Reich und das Babylonische
durch Beduinenstämme gegründet sind, auf demselben Flecke, wo später das
Kalifat von Bagdad. Die Gründer des Babylonischen Reiches, die Chaldäer,
existieren noch unter demselben Namen, Beni Chaled, in derselben
Lokalität. Die rasche Herstellung großer Städte, Niniveh und Babylon,
ist genau so geschehen wie noch vor 300 Jahren die Schöpfung von
ähnlichen Riesenstädten, Agra, Delhi, Lahore, Muttan, in Ostindien durch
die afghanische respektive tatarische Invasion. Damit verliert die
mohammedanische Invasion viel von ihrem distinktiven[4] Charakter.

3. Die Araber scheinen, wo sie ansässig waren, im Südwesten, ein ebenso
zivilisiertes Volk gewesen zu sein wie die Ägypter, Assyrer usw., ihre
Bauwerke beweisen das. Auch das erklärt manches in der mohammedanischen
Invasion. Was den Religionsschwindel angeht, so scheint aus den alten
Inschriften im Süden, in denen die altnational-arabische Tradition des
Monotheismus (wie bei den amerikanischen Indianern) noch vorherrscht,
und von der die hebräische nur ein _kleiner Teil_ ist, hervorzugehen,
daß Mohammeds religiöse Revolution, wie _jede_ religiöse Bewegung,
_formell eine Reaktion_ war, vorgebliche Rückkehr zum Alten, Einfachen.

Daß die jüdische sogenannte heilige Schrift weiter nichts ist als die
Aufzeichnung der altarabischen religiösen und Stammtradition,
modifiziert durch die frühe Separation der Juden von ihren
stammverwandten, aber nomadischen Nachbarn, ist mir jetzt vollständig
klar. Der Umstand, daß Palästina nach der arabischen Seite zu von lauter
Wüste, Beduinenland, umgeben, erklärt die separate Entwicklung. Aber die
altarabischen Inschriften, Traditionen und der Koran, sowie die
Leichtigkeit, mit der sich nun alle Genealogien usw. auflösen lassen,
beweisen, daß der Hauptinhalt arabisch oder vielmehr allgemein semitisch
war, wie noch bei uns die Edda und die deutsche Heldensage.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Umschreibungen.

   [2] Die geschichtliche Geographie Arabiens von Hochwürden Charles
   Forster.

   [3] Mehr oder weniger.

   [4] Unterschiedlich.


                                  234

                                                Freitag, 29. Mai 1853.

Lieber Marx!

Hierbei das Neueste aus Amerika. Ich habe noch mehrere Kopien der
Kriminalzeitung mit Weydemeyers und Deiner Erklärung hier, die ich im
Anfang der nächsten Woche schicken werde, damit Ihr sie verwenden könnt,
ein Exemplar halte ich hier für Dronke und das Archiv.

Die 25 Pfund, welche beiliegen, ist Freiligrath wohl so gut, dem
Weydemeyer oder Lièvre anzuzeigen, für heute ist es zu spät für mich, an
Weydemeyer zu schreiben. Wie die Kerle indes es fertig bringen, 125
Dollar in 25 Pfund umzuwechseln, ist mir nicht klar; nach dem letzten
New Yorker Kurs vom 4. März steht Sterling 54 Pence = 109-3/4 Cent, also
selbst zu 110 Cent sind 125 Dollar = 25 Pfund 11 Schilling 4 Pence, also
auf jeden Dollar 3,2 Pence am Kurs verloren.

Mein Alter hat mir endlich geschrieben. Wie ich erwartete: um Gottes
willen nur keinen Skandal schlagen, warten, bis er herkommt, und dann
mich an die Börse bringen. Das Geschäft geht zu gut, als daß man sich
auf großen Krakeel einlassen könnte. Ist mir soweit ganz recht, wenn
mein Herr Papa nichts dawider hat; was mache ich mir aus der Lumperei?

                                                            Dein F. E.


                                  235

                                    28 Deanstreet, Soho, 31. Mai 1853.

Lieber Engels!

Heute noch wird der Wechsel von 25 Pfund Sterling an Freiligrath
abgehen, der ihn gleich dem Lièvre anzeigen soll.

Einliegend die Adresse von Wolff, der noch immer brummt. –

Um Gottes willen, schicke mir _keine_ Exemplare mehr von Weydemeyers
oder meiner Erklärung. Hier allein liegen vierzehn Stück von beiden, die
ich vorgestern erhielt. Es wäre wichtiger, wenn Weydemeyer wenigstens
zwei oder drei Exemplare der „Hirschschen“ Enthüllungen geschickt hätte.
Zum Beispiel in der Schweiz könnte Schabelitz eines brauchen, im Falle
sein Prozeß weitergeht.

Sonst nichts Neues hier. Hast Du dem Blind, den ich noch nicht gesehen,
seinen Herzen geschickt?

Das Peoples Paper steigt und ist einstweilen pekuniär sichergestellt.
Jones ruft Massenmeetings zusammen für den 19. Juni _sqq._ auf
Blackstone Edge, Skurcoat Moor, Mount Sorrell, Nottingham Forest.

Apropos! Dem Pieper konnte ich nur 10 Schilling geben, da ich durch
Strohns falschen _railwayguide_[1] den _parliamentary train_[2]
versäumte und daher mit _class II_ reisen mußte.

Lasse bald von Dir hören.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Fahrplan.

   [2] Parlamentszug.


                                  236

                                             Manchester, 31. Mai 1853.

Lieber Marx!

Der Wechsel auf Dana ist bezahlt, morgen erhalten wir das Geld, das wir
Dir gleich schicken; Charles verfehlte den Kerl heute zweimal. Es wird
zwar auf den Kurs etwas verloren, ich denke aber doch weniger als bei
Negoziierung in London.

Das Paket mit den Broschüren ist ebenfalls hier, es geht morgen ab, ich
werde acht bis zehn hier behalten. Es ist ziemlich schwer und kostete
1,16 Pfund, die Du auf den Verkaufspreis schlagen kannst. _Duty_[1]
allein 18 Schilling, so daß es unter allen Umständen gut ist, daß es an
mich adressiert wurde.

Der Kleine [Dronke] war Samstag hier, er scheint sich besser zu machen,
als zu erwarten war. Buckup sagte Strohn, er sei ganz zufrieden mit ihm,
und er arbeite sich rasch ein. Ich habe ihm wieder etwas Pünktlichkeit
eingepredigt, übrigens sind die Verhältnisse auf dem Buckupschen Kontor
so günstig für ihn, wie er sie nur wünschen kann.

Von Amerika diese Woche mir nichts Neues zugekommen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Zoll.


                                  237

                                    28 Deanstreet, Soho, 2. Juni 1853.

_Dear Frederic!_

Die erste Hälfte der 20 Pfund-Note eingesprungen. Ich schreibe Dir vor
meinem Gang ins Museum, also noch sehr früh zu Tag.

Einliegende Erklärung des großen Willich an die Neu-England-Zeitung
hätte ich Dir längst geschickt, wenn ich nicht vorausgesetzt, daß
Weydemeyer Dir die Sache zugesandt. Das _Konzept_ dieser zweiten
Erklärung ist genuine, echter Willich. Die anderen schreiben „Aufsätze“,
er schreibt „Tatsachen“, und ... der edle Mann übergibt „ungern“ der
„Öffentlichkeit“ die Tatsachen. Natürlich, er zog es vor, sie geheim
hinter der Bierbank den Philistern vorzuraunen; sie durch zwei Erdteile
auf „Kontrabandweg“ seit drei Jahren zu kolportieren, _jurante
Kinkelio_.[1] – –

_Tout ça n’est pas trop mal pour un vieux sous-lieutenant._[2] Was aber
den Stil der Erklärung Nummer 2 angeht – so schlecht er ist, er ist
dennoch apokryph. – – Jedenfalls wird jetzt das nötige Supplement zu
Tellerings Broschüre von Herrn Willich herausgegeben werden, und da das
ganze Zeug einmal vors Publikum gebracht ist, _il faut aller jusqu’au
bout_.[3] Wenn Weydemeyer, Cluß und Komp. geschickt operieren, so müßten
sie jetzt dem Willich in die Parade fahren und im voraus den
Überraschungen, die er dem Publikum vorbehält, die Pointe und die
Neuheit abbrechen. _Nous verrons._[4]

Das Lob, das Du meinem „jungen“ Englisch erteilst, hat sehr aufmunternd
auf mich gewirkt. Was mir hauptsächlich fehlt, ist einmal grammatische
Sicherheit und zweitens die Gewandtheit in gewissen sekundären
Wendungen, ohne die alles schlagfertige Schreiben unmöglich ist. Herr
„Tribune“ hat zu meinem zweiten Artikel über Gladstones Budget eine
Bemerkung an die Spitze ihres Blattes gesetzt, worin sie das Publikum
auf die „_masterly exposition_“[5] aufmerksam macht und erklärt, sie
habe _nowhere „a more able criticism“_[6] gesehen und tue „_not expect
to see one_“.[7] Das ist nun _all right_. Aber in dem folgenden Artikel
blamiert sie mich wieder, indem sie einen ganz unbedeutenden und
unbedeutend sein sollenden Kopf [Anfang] von mir unter meinem Namen
druckt, während sie sich Deinen „Schweizer“ aneignet. Ich werde Dana
schreiben, es sei mir sehr „schmeichelhaft“, wenn sie die Sachen
manchmal als _leader_[8] benutzen. Nur sollten sie dann gefällig meinen
Namen nicht unter unbedeutende Notizen setzen. Ich habe der Gesellschaft
jetzt unter anderem zwei Artikel über „China“ mit Beziehung auf England
geschickt. Wenn Deine Zeit Dir erlaubt und Du gerade Lust hast zu
schreiben über irgend etwas, Schweiz, Orient, Frankreich, England oder
_cotton_ oder _Dänemark_, so tue es von Zeit zu Zeit, da ich jetzt
gewaltsam auf den Beutel der Kerls losarbeite, um den Ausfall von drei
_weeks_[9] zu decken. Wenn Du mir von Zeit zu Zeit so was schickst –
_de omnibus rebus_[10] –, so kann ich’s immer unterbringen, denn Du
weißt, daß ich das „Mädchen für alles“ bei den Kerls bin, und es ist
immer leicht, alles an alles, an jeden Tag anzuknüpfen.

In bezug auf die Hebräer und Araber war Dein Brief mir sehr interessant.
Es lassen sich übrigens 1. _allgemeines_ Verhältnis nachweisen bei allen
orientalischen Stämmen, zwischen dem _settlement_[11] des einen Teiles
derselben und der Fortdauer im Nomadisieren bei den anderen, seit die
Geschichte geschieht. 2. Zur Zeit Mohammeds hatte sich der Handelsweg
von Europa nach Asien bedeutend modifiziert, und die Städte Arabiens,
die am Handel nach Indien usw. großen Anteil nahmen, befanden sich
kommerziell im Verfall, was jedenfalls mit Anstoß gab. 3. Was die
Religion angeht, so wird sich die Frage in die allgemeine und darum
leicht beantwortbare auflösen: Warum _erscheint_ die Geschichte des
Orients als eine Geschichte der Religionen?

Über die orientalische Städtebildung kann man nichts Brillanteres,
Anschaulicheres und Schlagenderes lesen als den alten François Bernier
(neun Jahre Arzt von Aurang-Zebe). „_Voyages contenant la description
des états du Grand Mogul etc._“[12] Auch setzt er das Militärwesen, die
Art, wie diese großen Armeen sich ernährten usw., schön auseinander.
Über beides bemerkt er unter anderem: „Die Kavallerie bildet den
Hauptteil, die Infanterie nicht so groß, als das Gerücht geht, _si ce
n’est qu’avec les véritables gens de guerre on ne confond tous ces gens
de service et de bazars ou marchés qui suivent l’armée; car, en ce cas
là, je croirais bien qu’ils auraient raison de mettre les 2 et 300 000
hommes dans l’armée seule qui est avec le roi, et quelques fois encore
d’avantage, comme quand on est assuré qu’il sera longtemps absent de la
ville capitale; ce qui ne semblera si fort étonnant à qui saura
l’étrange embarras de tentes, de cuisines, de hardes, de meubles et de
femmes même assez souvent, et par conséquent d’éléphants, de chameaux,
de bœufs, de chevaux, de portefaix, de fourrageurs, vivandiers,
marchands de toutes sortes et serviteurs qui traînent après soi ces
armées, et à qui saura l’état et gouvernement particulier du pays, à
savoir que _le roi est le seul et unique propriétaire de toutes les
terres_ du royaume, d’où vient par une certaine suite nécessaire que
toute _une ville capitale_ comme Delhi ou Agra ne vit presque que de la
milice, et est par conséquent obligée de suivre le roi quand il va en
campagne pour quelque temps, ces villes là n’étant ni ne pouvant être
rien moins qu’un Paris, mais _n’étant proprement qu’un camp d’armée_ un
peu mieux et plus commodément placé qu’en rase campagne._“[13]

Bei Gelegenheit des Marsches des Großmoguls nach Cacharim, mit 400 000
Mann usw. Armee, sagt er: „_La difficulté est de savoir d’où et comment
peut subsister une si grande armée en campagne, une si grande quantité
d’hommes et d’animaux. Il ne faut pour cela que supposer, ce qui est
très vrai, que les Indiens sont fort sobres et fort simples dans leur
manger, et que de tout ce grand nombre de cavaliers, il n’y a pas le
dixième, ni même le vingtième part, qui, dans la marche, mange de la
viande; pourvu qu’ils aient leur kicheris ou mélange de ris et d’autres
légumes, sur lequel ils versent de beurre roux quand ils sont cuits, ils
sont contents. Il faut encore savoir que les chameaux résistent
extrêmement au travail, à la faim et à la soif, vivent de peu et mangent
de tout, et qu’aussitôt que l’armée est arrivée les chameliers les
mènent brouter à la campagne, où ils mangent tout ce qu’ils attrapent.
De plus que les mêmes marchands qui entretiennent les bazars dans Delhi,
sont obligés de les entretenir dans les campagnes_, ebenso die _petits
marchands etc. ... enfin à l’égard du fourrage, tous ces pauvres gens
s’en vont rôdant de tous les côtés dans les villages pour en acheter et
y gagner quelque chose, et que leur grand et ordinaire refuge est de
rper, avec une espèce de truelle, les campagnes entières, battre ou
laver cette petite herbe qu’ils ont rpée, et l’apporter vendre à
l’armée ...._“[14]

Bernier findet mit Recht die Grundform für sämtliche Erscheinungen des
Orients – er spricht von Türkei, Persien, Hindostan – darin, daß kein
_Privatgrundeigentum_ existiert. Dies ist der wirkliche _clef_[15]
selbst zum orientalischen Himmel.

Was sagst Du zum _failure_[16] des „_financial scheme for reducing the
national debt_“[17] des _hudibrasiac_[18] Rodolpho Gladstone?

Das Journal des Débats hat vorgestern das wahre Geheimnis ausgesprochen,
warum Rußland so frech ist. Entweder, sagt es, muß der Kontinent seine
Unabhängigkeit russischer Gefahr aussetzen, oder er muß dem Krieg sich
aussetzen, und das ist „_la révolution _sociale__“.[19] Nur vergißt das
elende Débats, daß Rußland sich ebensosehr vor der Revolution fürchtet
wie Mr. Bertin, und daß der ganze Witz jetzt darin liegt, wer sich den
meisten Schein der „Nichtfurcht“ zu geben weiß. Aber England und
_France_ – die offiziellen – sind so miserabel, daß wenn Nicholas
steifhält, er alles ausrichten kann.

_Vale faveque._[20]

                                                                 K. M.

An Lassalle ist geschrieben, und er wird wohl bereit sein, ein paar
hundert Exemplare der Broschüre in Empfang zu nehmen und in Deutschland
zu vertreiben. Nun fragt es sich, wie hinüberbringen? Charles meinte,
als ich in Manchester war, es ließe sich tun durch Verpackung mit
Kaufmannsgütern? Frage ihn jetzt einmal darüber.

_P. S._ Die Abschickung des Briefes hat sich verspätet, und so kann ich
Dir noch nachträglich Ankunft des Bücherpakets und der zweiten Hälfte
der Note anzeigen.

----------

   [1] Mit Kinkel als Schwurzeugen.

   [2] Alles das ist keine schlechte Leistung für einen alten
   Unteroffizier.

   [3] Muß man’s bis auf die Neige kosten.

   [4] Wir werden sehen.

   [5] Meisterhafte Zergliederung.

   [6] Nirgends eine fähigere Kritik.

   [7] Erwarte [auch] nicht, eine solche zu sehen.

   [8] Leitartikel.

   [9] Wochen.

   [10] Von allen möglichen Dingen.

   [11] Niederlassung.

   [12] Reisen, enthaltend die Beschreibung der Staaten des Großmogul
   usw.

   [13] Wenn man nicht alle Dienst- und Basar- oder Handelsleute, die
   der Armee folgen, mit den eigentlichen Kriegsmannschaften
   zusammenwirft; denn in diesem Falle glaube ich allerdings, daß sie
   recht hätten, 200 000 und 300 000 Mann und manchmal mehr allein auf
   die Armee, die mit dem König geht, anzusetzen, zum Beispiel wenn
   sicher ist, daß er lange aus der Hauptstadt fort sein wird; was dem
   nicht sehr erstaunlich scheinen wird, der den merkwürdigen Reichtum
   an Zelten, Küchen, Kleidern, Möbeln und oft selbst Frauen, und
   folglich an Elefanten, Kamelen, Rindern, Pferden, Lasträgern,
   Futterlieferanten, Marketendern, Händlern aller Art und Dienern
   kennt, den diese Armeen mit sich ziehen, und die eigenartige
   Verfassung und Regierung des Landes kennt, nämlich daß der _König
   der alleinige und einzige Eigentümer alles Grund und Bodens_ des
   Königreichs ist, woher es dank einer gewissen notwendigen
   Folgewirkung kommt, daß eine ganze _Hauptstadt_ wie Delhi oder Agra
   fast nur von der Miliz lebt und daher genötigt ist, dem König zu
   folgen, wenn er für etliche Zeit ins Feld zieht, da jene Städte
   nichts weniger sind noch sein können als ein Paris, sondern
   _eigentlich nur ein Feldlager_ sind, das etwas besser und bequemer
   placiert ist als auf dem flachen Lande.

   [14] „Die Schwierigkeit ist, zu wissen, woher und wie eine so große
   Armee, eine so große Menge von Menschen und Tieren im Felde
   existieren kann. Man muß da zunächst nur voraussetzen, daß die
   Inder, was sehr wahr ist, sehr mäßig und nüchtern in ihrer
   Lebensweise sind, und daß von dieser großen Zahl von Reitern nicht
   der zehnte, nicht der zwanzigste Teil auf dem Marsche Fleisch ißt;
   wenn sie nur ihr Kicheri oder Mischung von Reis und anderen
   Leguminosen haben, auf die sie, wenn sie gekocht sind, rote Butter
   schütten, sind sie zufrieden. Man muß ferner wissen, daß die Kamele
   außerordentlich viel Arbeit, Hunger und Durst aushalten, von wenig
   leben und alles essen; sobald die Armee [an dem Standort] angelangt
   ist, lassen die Kameltreiber sie auf dem Felde weiden und sie
   fressen, was sie erwischen. Außerdem daß dieselben Händler, die die
   Basars in Delhi halten, verpflichtet sind, sie im Felde zu halten,
   [ebenso] die Kleinhändler usw. ... endlich, was die Furage
   anbetrifft, so streichen alle diese armen Leute nach allen Seiten in
   die Dörfer, um dort etwas zu kaufen und zu verdienen, und daß ihre
   große und gewöhnliche Zuflucht ist, mit einer Art Sichel ganze
   Felder abzuschneiden, das bißchen Gewächs, das sie geschunden haben,
   zu dreschen oder zu waschen und es dann zum Verkauf an die Armee
   heranbringen ....“

   [15] Schlüssel.

   [16] Fehlschlag.

   [17] Finanzplan für die Reduktion der Staatsschuld.

   [18] Hudibrasischen [geht auf eine komische Person aus dem
   Spottgedicht „Hudibras“ des S. Butler].

   [19] _Soziale_ Revolution.

   [20] Lebe wohl und bleib’ mir gut.


                                  238

                                     Manchester, 6. Juni 1853, abends.

Lieber Marx!

Ich wollte Dir heute per erste Post schreiben, wurde aber bis 8 Uhr
durch Kontorarbeiten aufgehalten. Die beiden Erklärungen Weydemeyers und
Cluß’ in der Kriminal-Zeitung gegen Willich wirst Du erhalten haben, das
heißt von Amerika direkt, wo nicht, so schreibe mir gleich. Vater
Weydemeyer ist wie gewöhnlich zu breit, weiß die Pointe nur stellenweise
zu finden, stumpft sie auch dann durch seinen Stil ab und entwickelt
seinen bekannten Mangel an Verve mit seltener Gelassenheit. Trotzdem hat
der Mann sein möglichstes getan, die Geschichte mit dem
„Waffengefährten“ Henze und der von anderen inspirierten Schreibart des
Hirsch richtig gedreht; sein hahnebüchener Stil und seine Gelassenheit,
die dort für Impassibilität gilt, wird dem Philistertum zusagen, und im
ganzen kann man mit seiner Leistung zufrieden sein. Die Erklärung von
Cluß dagegen gefällt mir ausgezeichnet. Der _homme supérieur_,[1] der
seiner Überlegenheit durch die „persönliche Berührung“ mit Willich sich
sozusagen physisch bewußt geworden, lacht aus jeder Zeile hervor. An
Leichtigkeit des Stils ist das Ding das Beste, was Cluß je geschrieben,
auch nicht eine holperige Wendung drin, keine Spur von _gêne_[2] oder
Verlegenheit. Wie gut steht ihm der fingierte Biedermann mit der Miene
des _bonhomme_, der aber doch überall den Teufel durchblicken läßt, der
ihm im Nacken sitzt. Wie famos ist die Wendung mit dem „Schwindel, wie
Revolutionsagenturen sind“, von denen er lebe, wie Willich behaupten
soll. Der Ritterliche wird sich gewundert haben, unter den rohen
„Agenten“ einen Kerl zu finden, der so flott, so geschickt, so von Natur
offensiv und zu gleicher Zeit so unprätentiös nobel auftritt, und der
ihn so fein, viel feiner und gewandter als er selbst, seine eigenen
Finten _à tempo_ stößt. Wenn der Willich nur Geschmack genug hat, das
herauszufinden; aber ich hoffe, der Ärger und das notwendige
Spintisieren werden ihm schon ein gewisses Verständnis eröffnen. –

Wenn Lassalle Dir eine gute, gleichgültige Adresse in Düsseldorf gegeben
hat, so kannst Du mir hundert Exemplare schicken. Wir werden sie in
Twistballen durch hiesige Häuser verpacken lassen; aber sie dürfen nicht
an Lassalle selbst adressiert sein, da die Pakete nach Gladbach,
Elberfeld oder so gehen und von da, als _postpflichtig_, per Post nach
Düsseldorf gehen müssen. Ein Paket an Lassalle oder die Hatzfeldt können
wir aber keinem hiesigen Hause geben, denn 1. ist in jedem dieser Häuser
hier mindestens _ein_ Rheinländer, der den Tratsch kennt, oder 2. wenn
das gut geht, so wissen die Empfänger des Ballens drüben Bescheid, oder
3. im günstigsten Falle sieht sich die Post die Sachen an, ehe sie sie
abgibt. In Köln haben wir eine gute Adresse, kennen aber leider die
Leute nicht besonders, die hier die Haupteinkäufer für das Kölner Haus
sind, und können ihnen daher keinen Schmuggel zumuten. Wir sagen hier
den Leuten nämlich, die Pakete enthielten Präsente für Damen. –

Die Abwesenheit des Grundeigentums ist in der Tat der Schlüssel zum
ganzen Orient. Darin liegt die politische und religiöse Geschichte. Aber
woher kommt es, daß die Orientalen nicht zum Grundeigentum kommen, nicht
einmal zum feudalen? Ich glaube, es liegt hauptsächlich im Klima,
verbunden mit den Bodenverhältnissen, speziell mit den großen
Wüstenstrichen, die sich von der Sahara quer durch Arabien, Persien,
Indien und die Tatarei bis ans höchste asiatische Hochland durchziehen.
Die künstliche Bewässerung ist hier erste Bedingung des Ackerbaus, und
diese ist Sache entweder der Kommunen, Provinzen oder der
Zentralregierung. Die Regierung im Orient hatte immer auch nur drei
Departements: Finanzen (Plünderung des Inlandes), Krieg (Plünderung des
Inlandes und des Auslandes) und _travaux publics_ (Sorge für die
Reproduktion). Die britische Regierung in Indien hat Nr. 1 und 2 etwas
philiströser geregelt und Nr. 3 ganz beiseite geworfen, und der indische
Ackerbau geht zugrunde. Die freie Konkurrenz blamiert sich dort
vollständig. Diese künstliche Fruchtbarmachung des Bodens, die sofort
aufhörte, wenn die Wasserleitungen in Verfall kamen, erklärt die sonst
kuriose Tatsache, daß jetzt ganze Striche wüst und öde sind, die früher
brillant bebaut waren (Palmyra, Petra, die Ruinen in Jemen und
Lokalitäten in Ägypten, Persien und Hindustan); sie erklärt die
Tatsache, daß ein einziger Verwüstungskrieg ein Land für Jahrhunderte
entvölkern und seiner ganzen Zivilisation entkleiden konnte. Dahin
gehört, glaube ich, auch die Vernichtung des südarabischen Handels vor
Mohammed, die Du sehr richtig als ein Hauptmoment der mohammedanischen
Revolution ansiehst. Ich kenne die Handelsgeschichte der sechs ersten
christlichen Jahrhunderte nicht genau genug, um urteilen zu können,
inwieweit allgemeine materielle Weltverhältnisse den Handelsweg durch
Persien nach dem Schwarzen Meer und durch den Persischen Meerbusen nach
Syrien und Kleinasien dem übers Rote Meer vorziehen ließen. Aber
jedenfalls war nicht ohne bedeutende Wirkung die relative Sicherheit der
Karawanen im persischen, geregelten Sassanidenreich, während Jemen von
den Abessiniern von Anno 200 bis 600 fast fortwährend unterjocht,
überfallen und geplündert wurde. Die zur Römerzeit noch blühenden Städte
des südlichen Arabien waren im siebenten Jahrhundert wahre Wüsten von
Ruinen; die benachbarten Beduinen hatten in 500 Jahren rein mythische,
fabelhafte Traditionen über ihren Ursprung sich angeeignet (siehe den
Koran und den arabischen Geschichtschreiber Novairi), und das Alphabet,
in dem die dortigen Inschriften geschrieben, war fast total unbekannt,
obwohl kein anderes da war, so daß sogar _de facto_ das Schreiben in
Vergessenheit geraten. Dergleichen Sachen sehen neben einem durch
etwaige allgemeine Handelsverhältnisse veranlassten _superseding_[3]
auch noch eine ganz direkte gewaltsame Zerstörung voraus, wie sie nur
durch die äthiopische Invasion zu erklären ist. Die Vertreibung der
Abessinier geschah um 40 Jahre vor Mohammed und war der erste Akt des
erwachenden arabischen Nationalgefühls, das außerdem durch persische
Invasionen vom Norden her, die fast bis nach Mekka drangen, gestachelt
war. Ich werde die Geschichte Mohammeds selbst erst dieser Tage
vornehmen; bis jetzt scheint sie mir aber den Charakter einer
beduinischen Reaktion gegen die ansässigen, aber verkommenden Fellahs
der Städte zu tragen, die damals auch religiös sehr zerfallen waren, und
mit einem verkommenen Naturkultus ein verkommenes Judentum und
Christentum vermischten.

Die Sachen vom alten Bernier sind wirklich sehr schön. Man freut sich
ordentlich, einmal wieder etwas von einem alten nüchternen, klaren
Franzosen zu lesen, der überall den Nagel auf den Kopf trifft _sans
avoir l’air de s’en apercevoir_.[4]

Da ich nun doch einmal auf ein paar Wochen in der orientalischen
Schmiere festsitze, so habe ich die Gelegenheit benutzt, um Persisch zu
lernen. Von dem Arabischen schreckt mich einerseits mein eingeborener
Haß gegen die semitischen Sprachen zurück, andererseits die
Unmöglichkeit, in einer so weitläufigen Sprache, die 4000 Wurzeln hat
und sich über 2000 bis 3000 Jahre erstreckt, ohne viel Zeitverlust es zu
etwas zu bringen. Persisch dagegen ist ein wahres Kinderspiel von einer
Sprache. Wäre es nicht wegen des verfluchten arabischen Alphabets, worin
immer je sechs Buchstaben sich gleich sehen und wo man die Vokale nicht
schreibt, so würde ich mich anheischig machen, die ganze Grammatik
binnen 48 Stunden zu lernen. Dies zum Trost für Pieper, wenn er etwa
Lust haben sollte, mir diesen schlechten Witz nachzumachen. Ich habe mir
drei Wochen als Maximum für das Persische angesetzt; wenn er also zwei
Monate dran riskiert, so schlägt er mich jedenfalls. Für Weitling ist es
ein Pech, daß er kein Persisch kann; er würde seine _langue universelle
toute trouvée_[5] haben, da es meines Wissens die einzige Sprache ist,
wo kein Krakeel zwischen Mir und Mich entsteht, da der Dativ und der
Akkusativ sich immer gleich sind.

Übrigens ist es ganz angenehm, den liederlichen alten Hafis in der
Ursprache zu lesen, die ganz passabel klingt, und der alte Sir William
Jones gebraucht mit Vorliebe persische Zoten als Beispiele in seiner
Grammatik, die er dann nachher in seinen _Commentariis poeseos
asiaticae_[6] in griechische Verse übersetzt, da ihm das doch im
Lateinischen selbst noch zu unflätig vorkommt. Diese Kommentare: Jones’
Works, 2. Band, _de poesi erotica_,[7] werden Dich amüsieren. Dagegen
ist die persische Prosa zum Totschießen. Zum Beispiel der
_Ranzt-uo-saf_[8] des edlen Mirkhond, der die persische Heldensage in
sehr bilderreicher, aber inhaltloser Sprache erzählt. Hier heißt es von
Alexander dem Großen: Der Name Iskander heißt in der jonischen Sprache
Akschid Rûs (verstümmelt, wie Iskander, aus Alexandras), das bedeutet
soviel wie _Filusûf_, welches herkommt von _fila_, Liebe, und _sufa_,
Weisheit, so daß Iskander dasselbe ist wie ein Freund der Weisheit. –
Von einem _retired_[9] König heißt es: Er schlug die Trommel der
Abdankung mit dem „Trommelstock des Sichzurückziehens“, wie Vater
Willich dies tun wird, wenn er sich etwas weiter in den literarischen
Kampf lanciert. Demselben Willich wird es auch ergehen wie dem König
Afrasiat von Turan, als seine Truppen ausrissen, und von dem Mirkhond
sagt: „Er biß sich die Nägel des Entsetzens mit den Zähnen der
Verzweiflung, bis das Blut des geschlagenen Bewußtseins ihm aus den
Fingerspitzen der Scham quoll.“ – Morgen mehr.

----------

   [1] Überlegene Mensch.

   [2] Befangenheit.

   [3] Beiseiteschiebung.

   [4] Ohne sich zu gebaren, als merke er es.

   [5] Weltsprache geradezu gefunden.

   [6] Erläuterungen der asiatischen Poesie.

   [7] Über Liebespoesie.

   [8] Ein persischer Titel.

   [9] In Ruhestand getretenen.


                                  239

                                         28 Deanstreet, 14. Juni 1853.

Lieber Frederic!

Ich komme – durch allerlei Geschäftliches und Häusliches verhindert –
erst jetzt dazu, Dir auf Deine beiden Briefe zu antworten und Dir den
Empfang des amerikanischen Geldes (an Freiligrath abgeliefert) wie des
Restes des amerikanischen Tribunegeldes anzuzeigen. Wenn Du und Charles
in solchen Geschäftsverbindungen mit dem „Vermittler“ standet, so hast
Du mir zulieb Dir jedenfalls einen Streich gespielt. – –

Dem Pieper habe ich Deine Nachricht _nicht_ mitgeteilt aus folgendem
Grunde: seit ungefähr acht bis zehn Tagen wurde Pieper immer mehr Ruine,
so daß ich ihn endlich ernstlich zur Rede stellte über seinen
Gesundheitszustand. Es kam dann heraus, daß seine Krankheit immer
schlimmer wurde unter der Hand seines englischen Quacksalbers. Ich
forderte ihn auf, direkt mit mir nach dem _Bartholomäushospital_ zu
gehen – die Klinik von London, wo die ersten und berühmtesten Ärzte
öffentlich und gratis fungieren. Ein alter Hippokrates, nach
Besichtigung des _Corpus delicti_, sagte ihm: „_You have been a
fool_“,[1] nachdem er ihn über die bisherige _treatment_[2] examiniert
hatte, und erklärte ihm zugleich, daß er in drei Monaten „_down_“[3]
sein werde, wenn er ihm nun nicht exakt, Wort für Wort, folge. Die neue
Behandlung erwies gleich ihre Trefflichkeit, und in zwei Wochen ist der
Mann _sain_ und _sauf_.[4] Der Kasus war zu ernsthaft, um Störung in die
Geschichte hereinzubringen. Übrigens hat Freiligrath eine Stelle für
Pieper in Aussicht. Wird das zu Wasser, so werde ich es Dir berichten.

_Rumpf_, unser fideler Schneider, sitzt jetzt im _Narrenhaus_. Vor
ungefähr fünf Monaten heiratete _le malheureux_, um sich aus
bürgerlicher Klemme herauszuziehen, eine _alte_ Frau, wurde übertrieben
solid, entsagte allen Spirituosis und arbeitete wie ein Pferd. Vor einer
Woche ungefähr gab er sich wieder ans Trinken, läßt mich vor ein paar
Tagen rufen, eröffnete mir, daß er ein Mittel erfunden habe, die ganze
Welt glücklich zu machen; ich solle sein Minister sein usw. Seit gestern
befindet er sich im Asylum. Es ist schade um den Kerl.

_Ruge_ läßt im Leader, der übrigens ein reines Bürgerblatt geworden ist,
ankündigen, daß er Vorlesungen über die deutsche Philosophie in London
halten wird. Zugleich läßt er sich natürlich ausposaunen: „Was den Stil
angehe, so setze das deutsche Volk nur einen Mann neben ihn – Lessing.“
In demselben Leader läßt der Russe _Herzen_ seine sämtlichen Werke
anzeigen mit der Bemerkung, daß er in Verbindung mit dem polnischen
Komitee eine russisch-polnische Propagandadruckerei hier in London
errichten wird.

Aus einem der einliegenden Briefe von Cluß ersiehst Du, welcher Art der
Hauptschlag ist, womit Herr Willich droht. Er bezieht sich auf die 20
Pfund, die ich vom Flüchtlingskomitee _lieh_ zur Zeit, wo ich gepfändet
wurde, weil meine Wirtin in Chelsea ihrem Landlord nicht gezahlt,
obgleich ich sie gezahlt hatte, und die ich in den nötigen
_instalments_[5] bis auf den letzten _Farthing_[6] _zurückgezahlt_ habe.
Du mußt mir nun sagen, welche Taktik zu befolgen. Wenn der brave Willich
mich damit zu töten meint, ist er zu sehr „_bonhomme_“.

Carey, der amerikanische Nationalökonom, hat ein neues Buch
herausgegeben: „_Slavery at home and abroad_“.[7] Unter „_Slavery_“ hier
alle Formen der Knechtschaft, _wageslavery_[8] usw. verstanden. Er hat
mir sein Buch zugeschickt und mich wiederholt (aus der Tribune) zitiert,
bald als „_a recent english writer_“,[9] bald als „_correspondent of the
New York Tribune_“. Ich habe Dir früher gesagt, daß in den bisher
erschienenen Werken des Mannes die „Harmonie“ der ökonomischen
Grundlagen des Bürgertums entwickelt und alles „_mischief_“[10] aus
überflüssiger Einmischung des Staates hergeleitet war. Der Staat war
seine _bête noire_.[11] Jetzt pfeift er aus einem anderen Loch. An allem
Bösen ist schuld die zentralisierende Wirkung der großen Industrie. Aber
an dieser zentralisierenden Wirkung ist wieder England schuld, das sich
zum _workshop_[12] der Welt macht und alle anderen Länder auf brutale
und von der Manufaktur losgerissene Agrikultur zurückwirft. Für die
Sünden Englands ist dann wieder verantwortlich die Theorie von
Ricardo-Malthus und speziell Ricardos Theorie von der Grundrente. Die
notwendige Konsequenz sowohl der Ricardoschen Theorie wie der
industriellen Zentralisation würde der Kommunismus sein. Und um allem
diesen zu entgehen, der Zentralisation die Lokalisation und die auf
das ganze Land zerstreute Union von Fabrik und Agrikultur
gegenüberzustellen, wird schließlich empfohlen von unserem
Ultrafreetrader – _Schutzzölle._ Um den Wirkungen der bürgerlichen
Industrie, für die er England verantwortlich macht, zu entgehen, nimmt
er als echter Yankee dazu seine Zuflucht, diese Entwicklung in Amerika
selbst künstlich zu beschleunigen. Im übrigen wirft ihn sein Gegensatz
gegen England in _sismondisches_ Lob der Kleinbürgerei in der Schweiz,
Deutschland, China usw. hinein. Derselbe Kerl, der früher Frankreich
wegen seiner Ähnlichkeit mit China zu verhöhnen gewohnt war. Das einzig
positiv Interessante in dem Buche ist die Vergleichung der früheren
englischen Negersklaverei in Jamaika usw. und der Negersklaverei in den
Vereinigten Staaten. Er zeigt nach, wie die Hauptstöcke der Neger in
Jamaika usw. immer aus frisch importierten _barbarians_ bestand, da
unter der englischen Behandlung die Neger nicht nur ihre Population
nicht aufrechterhielten, sondern auch der jährliche Import zu zwei
Dritteln immer weggefressen wurde, während die jetzige Negergeneration
in Amerika einheimisches Produkt, mehr oder minder yankisiert, Englisch
sprechend und darum emanzipationsfähig wird.

Die Tribune posaunt natürlich Careys Buch mit vollen Backen aus. Beide
haben allerdings das Gemeinsame, daß sie unter der Form von
sismondisch-philanthropisch-sozialistischem Antiindustrialismus die
schutzzöllnerische, das heißt die industrielle Bourgeoisie in Amerika
vertreten. Das ist auch das Geheimnis, warum die Tribune, trotz aller
ihrer „isms“ und sozialistischen Flausen, „_leading Journal_“[13] in den
Vereinigten Staaten sein kann.

Dein Artikel über die Schweiz war natürlich ein direkter Sackschlag auf
die „_Leader_“[14] der Tribune (gegen Zentralisation usw.) und _ihren_
Carey. Ich habe diesen versteckten Krieg fortgesetzt in einem ersten
Artikel über Indien, worin die Vernichtung der heimischen Industrie
durch England als _revolutionär_ dargestellt wird. Das wird ihnen sehr
_shocking_[15] sein. Übrigens war die Gesamtwirtschaft der Briten in
Indien säuisch und ist es bis auf diesen Tag.

Was den stationären Charakter dieses Teiles von Asien trotz aller
zwecklosen Bewegung in der politischen Oberfläche vollständig erklärt,
sind die zwei sich wechselseitig unterstützenden Umstände: 1. Die
_public works_[16] Sache der Zentralregierung; 2. neben derselben das
ganze Reich, die paar größeren Städte abgerechnet, aufgelöst in
_villages_ (Dorfgemeinden), die eine vollständig diskrete Organisation
besaßen und eine kleine Welt für sich bildeten.

Diese idyllischen Republiken, die bloß die _Grenzen ihrer Village_
eifersüchtig gegen das benachbarte Village bewachen, existieren noch
ziemlich perfekt in den erst kürzlich den Engländern zugekommenen
_northwestern parts of India_.[17] Ich glaube, daß man sich kaum
solidere Grundlage für den asiatischen Despotismus in Stagnation denken
kann. Und so sehr die Engländer das Land irlandisiert haben, das
Aufbrechen dieser stereotypen Urformen war die _conditio sine qua
non_[18] für Europäisierung. Der _taxgatherer_[19] allein war nicht der
Mann, das fertigzubringen. Die Vernichtung der uralten Industrie gehörte
dazu, die diesen Villages den _Selfsupporting_-Charakter[20] raubte.

In Bali, Insel an der Ostküste von Java, noch vollständig neben der
Hindureligion auch diese Hinduorganisation, deren Spuren, wie die von
Hindueinfluß, auf ganz Java übrigens zu entdecken. Was die
_Eigentumsfrage_ betrifft, so bildet sie eine große _Streitfrage_ bei
den englischen Schriftstellern über Indien. In den kupierten
Gebirgsterrains südlich vom Krischna scheint allerdings Eigentum an
Grund und Boden existiert zu haben. In Java dagegen, bemerkt Sir
Stamford Raffles, der ehemalige _englische_ Governor von Java, in seiner
„_History of Java_“, auf der ganzen Oberfläche des Landes, _„where rent
to any considerable amount“ was obtainable_,[21] [ist] der
_sovereign_[22] absoluter Landlord. Jedenfalls scheinen in ganz Asien
die Mahommetans die „Eigentumslosigkeit in Land“ nicht prinzipiell
festgestellt zu haben.

Über die oben zitierten Villages bemerke ich noch, daß sie schon bei
Menu figurieren und die ganze Organisation bei ihm darauf ruht: 10
stehen unter einem höheren Kollektor, 100 dann, und dann 1000.

Schreibe mir bald.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Sie sind ein Narr gewesen.

   [2] Behandlung.

   [3] Unten [zugrunde gerichtet].

   [4] Gesund [und] heil.

   [5] Abzahlungen.

   [6] Heller.

   [7] Sklaverei daheim und im Ausland.

   [8] Lohnsklaverei.

   [9] Ein neuerer englischer Schriftsteller.

   [10] Unheil.

   [11] Schwarzes [Grusel-]Tier.

   [12] Werkstätte.

   [13] Führendes Blatt.

   [14] Leitartikel.

   [15] Anstößig, peinlich.

   [16] Öffentlichen Anlagen [Wasserwerke usw.].

   [17] Nordwestprovinzen Indiens.

   [18] Unerläßliche Bedingung.

   [19] Steuereinnehmer.

   [20] Charakter der völligen Selbstversorgung.

   [21] Wo Bodenzins von irgendwelchem Belang herauszuschlagen war.

   [22] Oberste Herrscher.


                                  240

                                         28 Deanstreet, 29. Juni 1853.

Lieber Engels!

Ich bin plötzlich überfallen worden von meiner Schwester und ihrem
Vermählten, der als Großkrämer nach dem Kap der guten Hoffnung von hier
absegelt. Dies, zusammen mit der Korrespondenz für die Tribune und
einigem Unrat, der in Amerika zu adjustieren war, nahm meine Zeit sehr
in Anspruch. Morgen, denke ich, segelt das Ehepaar ab. Wie ich von
Imandt höre, wird Deine Mutter in London erwartet, woraus der Schluß zu
ziehen, daß Du ebenfalls bald einspringen wirst.

Einliegend Lassalles Anweisung für die Versendung der Exemplare nach
Deutschland. Meine Frau wird die Expedition nach Manchester vornehmen.
Ich hoffe, daß Ihr dann die Sache in Manchester besorgen werdet. Hast Du
nichts von Jones gesehen, der in Eurer Gegend spukt und in Halifax ein
Monstermeeting zustande gebracht haben soll?

Zu meinem Erstaunen bekam ich vorigen Mittwoch einen sehr verdrießlichen
Brief von Cluß, worin er mir mitteilt, daß ihm geschrieben wurde, Pieper
habe ihn bei Schläger – ihn und Arnold – als „untergeordnete Agenten“
hingestellt, sich dagegen als den Mann, der die Nachrichten „aus erster
Quelle“ bringe usw. Zum Glück ist an der ganzen Geschichte _kein wahres
Wort_, sondern bloßer Versuch der Partei Willich, Anneke, Weitling und
Komp., Zwietracht in unseren eigenen Reihen zu säen und speziell „den
sehr unangenehmen Cluß“ neutral zu machen. Die nötigen Aufklärungen sind
natürlich sofort übers Wasser besorgt worden. Ich finde den ersten Brief
von Cluß nicht, lege aber den zweiten bei.

Als ich nach Manchester abreiste, pumpte ich 2 Pfund bei dem biedern
Bamberger. Der Kerl schickt mir grobe Mahnzettel, sogar Drohungen. _Mais
nous verrons._[1] Bis Freitag habe ich für 20 Pfund Sterling nach New
York zu ziehen. Fragt sich aber wieder, wie.

Einliegend das _Nec plus ultra_[2] der Heinzenschen blutdürstig
gewordenen Feigheit und Abneigung gegen die „gewöhnliche Kriegführung“.

Mit dem „Schweizer Artikel“ war ein Irrtum meinerseits, da Dana die
Sendung in zwei Teile gespalten, aber beide unter meinem Namen drucken
ließ.

Nun für das nächste Mal. Eben kamen Frau Schwester und Herr Schwager.
Meine Schwester ist sehr korpulent, und die Passage durch den Äquator
wird ihr verdammt Schweiß kommen [kosten].

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Aber wir werden sehen.

   [2] Nicht zu übertreffende.


                                  241

                                          28 Deanstreet, 8. Juli 1853.

Lieber Engels!

Überbringer dieser Zeilen, Dr. Jacobi, einer von dem „Kölner
Kommunistenprozeß“. Ich weiß nicht, ob Du krank bist oder bös, oder
beschäftigt, oder sonst was, da Du keine Lebenszeichen von Dir gibst.

Ich habe gestern 24 Pfund auf A. Dana gezogen bei Spielmann in
Lombardstreet, der mich in fünf Wochen, sobald Wechsel zurück, zahlen
wird. In der Zwischenzeit habe ich wieder sehr schlimme Periode
durchzumachen, um so mehr, als verschiedene wertvolle Sachen im
Pfandhaus erneuert werden müssen, wenn sie nicht verfallen sollen, und
dies natürlich nicht möglich ist _dans un moment_,[1] wo selbst die
Mittel _pour les choses les plus nécessaires_[2] fehlen. Indes, ich bin
jetzt an den Dreck gewöhnt und an die Verhältnisse, die er mit sich
bringt. Jedenfalls wirst Du mir schreiben, warum Du nicht schreibst. Ich
hoffe _at all events_,[3] daß Du nicht krank bist.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] In einem Zeitpunkt.

   [2] Für die notwendigsten Dinge.

   [3] Auf alle Fälle.


                                  242

                                    Manchester, Samstag, 9. Juli 1853.

Lieber Marx!

Letzte Nacht um vier Uhr weckt mich die alte Hausfrau aus dem Schlafe,
es sei ein Gentleman da, der mich sprechen wolle. Ich rapple mich empor
und finde an der Türe ein Männchen mit einem Cab, einem kolossalen
Koffer und Reisesack, der mir sagt, sein Name sei Jacobi und Du und
Pieper hättet ihn mir geschickt. Marx und Pieper! dachte ich, wer zum
Henker ist dieser Jacobi, ist er ein unehelicher Sohn vom Königsberger
oder was, und endlich zieht das Männchen Deinen Brief aus der Tasche,
ziemlich verdutzt, nicht gleich mit offenen Armen unbekannterweise
aufgenommen zu sein – worüber mir dann einfällt, was Dein Brief
bestätigte, daß es der Kommunistenprozeß-Jacobi sei, an den mein Herz
nicht dachte, da ich ihn in preußischen Kaschotten längst gut
untergebracht glaubte. _Que faire?_[1] Ich nehme ihn nebst Zubehör also
herein, plauderte schlaftrunken eine halbe Stunde mit ihm und ließ ihn
sich dann auf mein Sofa legen, denn das Haus ist _crammed full_[2] von
Leuten. Glücklicherweise ist mein Alter bis morgen aus der Stadt, und so
nahm ich mir den Herrn Parteimärtyrer gleich heute morgen beim Kragen,
mietete ihm eine Wohnung und verbot ihm, sich bei mir sehen zu lassen,
bis die Abreise meines Alten das Interdikt aufhebe.

Dies kriegisch-westfälische Verfahren, die Tölpelei, nach achttägigem
Aufenthalt in London einen Zug zu wählen, der mitten in der Nacht
ankommt, nahm mich wenig für den Mann ein. Weitere Verhandlungen haben
den Mann in meinen Augen etwas, aber nicht sehr, gehoben. Er will sich
bei Borchardt mit Briefen von Dir _und_ Kinkel (beinahe so gut wie Marx
_und_ Pieper) präsentieren, dem kleinen Heckscher ohne weiteres und ohne
Introduktion auf die Bude stürzen, wo er dann erwartet, daß dieser ihm
gleich alle Aufschlüsse über seinen Trade geben und aus Freude über den
neuen „wissenschaftlichen“ Umgang seinem neuen Konkurrenten die halbe
Praxis abtreten wird – und was dergleichen Biedermannsgedanken mehr
sind. Die Dummheit, zu Kinkel zu gehen, schadet ihm mehr als sie ihm
nützt. Kinkel gibt ihm Brief – nicht an Herrn, sondern an _Frau_
Schunck, eine Unverschämtheit und ein direkter grober Bruch der
englischen Etikette .... Außerdem ist Monsieur Jacobi, _à ce qu’il me
parait_,[3] nicht der Mann, sein Glück hier zu machen.

Sobald mein Herr Alter fort ist, schicke ich Dir einiges Geld. Früher
kann ich nicht gut etwas nehmen, da ich jeden Tag riskiere, daß er
einmal mein Konto nachliest, was allein schon heitere Erörterungen geben
wird, die ich lieber schriftlich abmache.

Die Idee, ich schriebe nicht, weil ich „bös“ sei, hat mich lachen
gemacht. _De quoi donc?_[4]

Grüße Deine Frau und Kinder und halte den Dreck wenigstens aus, bis ich
wieder freie Hand habe – hoffentlich binnen acht Tagen.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Was tun?

   [2] Gepfropft voll.

   [3] Wie es mir scheint.

   [4] Worüber denn?


                                  243

                                         28 Deanstreet, 18. Juli 1853.

Lieber Engels!

Ich erhielt vorgestern Brief von Lassalle, der nun im ungewissen ist, an
Unterschlagung von Briefen usw. glaubt. Es wäre gut gewesen, wenn Du mir
angezeigt, ob das Paket an ihn abgegangen oder nicht. Lassalle ist noch
der einzige, der mit London zu korrespondieren wagt, und so muß verhütet
werden, ihm die Sache zu verleiden. Ich bitte Dich also, mir anzuzeigen,
wie es mit dem Paket steht. Die Frage der Versendung desselben hat noch
die zweite Wichtigkeit für mich, daß die Epoche der __returns__[1] davon
abhängt.

Meine Frau hat mit letzter Post einen sehr freundlichen und kulanten
Brief von A. Dana erhalten, worin er anzeigt, daß es ihm unmöglich, ein
Haus in London anzugeben. _At all instances_[2] werden die von mir
gezogenen Wechsel prompt honoriert werden. Er schreibt, daß meine
Artikel „_highly valued by the proprietors of the Tribune and the
public_“,[3] und schreibt _keine_ Grenze vor für das Quantum der
Sendungen.

In der Debatte über die _advertisement duty_[4] – ich glaube vor
ungefähr zwei Wochen – hielt Herr Bright eine große Eloge auf die New
York Tribune und gab eine Analyse von einer Nummer derselben, worin
gerade mein Artikel über das Budget stand. Darüber sagte er: „_From
Great Britain there is an elaborate disquisition on the Right Honorable
Gentleman’s budget doing him justice in some parts, but not in others
and doing certainly, as far as the Manchesterschool was concerned, no
justice whatever._“[5]

Mit Jacobi mußt Du Dich nicht abschrecken lassen durch die
Unbeholfenheit und Weltunkenntnis eines 23jährigen Jünglings aus dem
Regierungsbezirk Minden, der zwei Jahre im Käfig saß. Es ist tüchtiger
Fonds hinter ihm. Ich habe seine Doktordissertation gelesen und war
„_much pleased with it_“.[6]

                                                            Dein K. M.

Jones hat bedeutende Meetings gehalten, die selbst die Aufmerksamkeit
der Bourgeoisblätter erregen.

----------

   [1] Eingänge, Zahlungen.

   [2] In allen Fällen.

   [3] Von den Eigentümern der Tribune und dem Publikum sehr geschätzt
   [werden].

   [4] Inseratensteuer.

   [5] Aus Großbritannien ist da eine sorgfältige Untersuchung des
   Budgets des sehr ehrenwerten Herrn [Schatzkanzler], die ihm in
   einigen Punkten gerecht wird, in anderen aber nicht, und die, soweit
   die Manchesterschule in Betracht kommt, ihr sicherlich in keiner
   Weise gerecht wird.

   [6] Sehr befriedigt von ihr.


                                  244

                                       28 Deanstreet, 18. August 1853.

Lieber Engels!

Lupus wird _wahrscheinlich_ eine gute Stelle in Liverpool bekommen. In
diesem Falle wird er über Manchester reisen. Die Schwierigkeit besteht
darin, daß er sein Gehalt erst am Ende des Vierteljahrs ausgezahlt
erhielte. Er erwartet dann allerdings einige Gesamthilfe von Dir und
Strohn. Ist letzterer retourniert?

Der Stänker Dronke schreibt natürlich sehr wichtigtuende Briefe in alle
Welt, zum Beispiel an Imandt, „daß er Anstalten getroffen zur
Übersiedlung nach Amerika“. __Entre nous__,[1] es scheint mir, daß der
kleine Ladenhüter, um sich in wohlfeiler Weise wichtig zu machen, dem
Lupus zu verstehen gegeben hat, daß er statt Deiner die Sache in die
Hand genommen hat. Wenigstens glaube ich, _on the part of Wolff_[2] eine
gewisse Spannung gegen Manchester wahrzunehmen. Daß Dronke ein
lebendiger _cancan_[3] ist, _no doubt about that, experto crede etc._[4]
_Pieper_ mußt Du durchaus umgehend wenigstens so viel schicken, daß er
sich Rock und Hose schaffen kann. Wie er jetzt abgerissen ist, ist es
ihm unmöglich, selbst günstige Chancen, die sich ihm bieten, zu
benutzen. Er ist unpräsentabel geworden. Zudem hast Du ihm die Sache bei
Deiner Abreise versprochen. Er hält sich brav in seinem Pech. Indes hat
alles eine Grenze.

[Ich habe] besonders Unglück in Geldnegoziationen. Ich habe jetzt für 42
Pfund Sterling (zwei Wechsel) auf Amerika laufen und kann dabei nicht
über 42 Farthing kommandieren, obgleich ich nicht nur für mich, sondern
auch für Pieper die Subsistenzmittel schaffen muß. Den ersten Wechsel
von 24 Pfund Sterling gab ich Herrn Spielmann, er sagte, ich solle in
fünf Wochen wiederkommen. Jetzt sind es schon sieben. Dabei verliere ich
durch dieses elende Laufen nach der City immer gerade Montag und
Donnerstag, das heißt beide Tage, wo ich die Korrespondenzen für
Dienstag und Freitag vorbereiten müßte. Spielmann schickt mich immer
zurück mit der jüdisch-genäselten Bemerkung: „Kaine Nootiz da.“ Wegen
solcher kleinen Summen schrieben seine Korrespondenten nur gelegentlich.
Wenn ich das Geld gleich gebraucht hätte, so hätte ich ihm im voraus
sagen müssen, daß ich das _Porto_ für einen besonderen Brief zahlen
wolle usw. Dadurch bin ich nun nicht nur in täglicher Klemme, sondern
meine Frau, die auf das exakte Eintreffen gerechnet, hatte den
verschiedenen Gläubigern Termine angesetzt, und nun stürmen die Hunde
das Haus. Ich schreibe unterdes wie der Teufel drauf los. Es wäre sehr
gut, wenn Du mir irgend einen Artikel dazwischen schicktest oder zwei,
damit ich Zeit erhielte, wieder etwas Besseres auszuarbeiten.
Dreiviertel der Zeit geht hier mit den Pennyläufereien fort.

Heise ist jetzt hier, persönlich gar kein übler Kerl. Herr Kossuth macht
sich jetzt lächerlich als Korrespondent der Daily New York Times. Vier
Briefe von D. Urquhart über die orientalische Frage im Advertiser
enthielten trotz seiner Marotten manches Interessante. Gegen Jones _we
strike_[5] seit zwei Wochen.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Unter uns.

   [2] Von seiten Wolffs.

   [3] Klatschbase.

   [4] Kein Zweifel darüber, glaube dem, der es praktisch erfahren hat.

   [5] Streiken wir.


                                  245

                                       28 Deanstreet, 28. August 1853.

Lieber Engels!

Einliegend ein Brief von Weydemeyer, einige von Cluß, eine Erklärung von
Herrn Willich, ein Brief von Mazzini an Mr. Mott (Abolitionist) in
Amerika. Deinen Aufsatz habe ich in zwei Partien benutzt und
umgeschrieben in zwei Aufsätze, die ich nach New York geschickt, indem
meine Frau den Sekretär abgab. – –

W. Wolff hat an seinen Vertrauten Rings geschrieben. Er werde bis Ende
Oktober in Manchester versuchen. Wenn sich bis dahin nichts finde,
abreisen. Er lebe einstweilen auf fremde Tasche Great D[ucie] Street
Nummer so und so.

Ich wünschte, über die Sache mit Herrn Dronke ins klare zu kommen. –

_Les choses marchent merveilleusement._[1] In Frankreich wird das einen
entsetzlichen Krach geben, wenn die ganze finanzielle Schwindelei
zusammenbricht.

Jacobi hat einen melancholisch stilisierten Artikel über den Untergang
der Erde in der Reform.

Laß diese Zeilen nicht in falsche Hände fallen.

                                                            Dein K. M.

Apropos. Vorgestern erhielt ich ein paar Zeilen von Blind. Er wird von
seiner demokratischen Vornehmheit sich wieder bequemen müssen, auf die
Messer- und Gabelfrage herabzusteigen. Er hat seinen Prozeß verloren,
und einstweilen ist das ganze Vermögen seiner Frau mit Beschlag belegt.
So hören alle Subsidien auf. Es tut mir leid für ihn, trotz der
abgeschmackten Manieren, die er zu adoptieren für gut hielt.

Hast Du die Geschichte im Morning Advertiser von wegen Bakunins
verfolgt? Urquhart brachte, daran anbindend, einen Artikel, worin er
Bakunin verdächtigt, erstens, weil er _a Russian_,[2] und zweitens, weil
er „_a Revolutionist_“ sei, die Behauptung aufstellt, es gäbe keine
ehrlichen Revolutionäre unter den Russen, ihre demokratisch sein
sollende Schriftstellerei (Hieb auf Herzen und den _polisson_[3]
Golowine) beweise gar nichts, und schließlich den kontinentalen
Revolutionären erklärt, sie seien ebensolche Verräter wie die
Regierungen, wenn sie Russen in ihr Vertrauen zuließen. Die Russen,
scheint es, schicken dann den _Englishman_ (Richards) ins Feuer,
der eine Pique gegen Urquhart hat, weil dieser, von wegen
Anciennitätsansprüchen, ihm die Thema „Paris“ (?) und „Türkei“ im
Morning Advertiser abgenommen hat. Richards erklärt, es sei ebenso
_preposterous_,[4] den Bakunin für einen _spy_[5] zu erklären, als den
Palmerston _to impeach for being bribed by Russia_,[6] bezieht sich
auf die _testimonia_[7] von Ruge, mir, lobt Herzens _Idées
révolutionnaires_[8] usw. Gestern tritt dann wieder ein Trabant von
Urquhart, A. B., auf, erklärt, er kenne sämtliche Schriften der „_jeune
Russie_“,[9] sie bewiesen die Richtigkeit von Herzens Ansicht,
Panslawismus usw.

Jedenfalls werden _les intrigants russes_[10] merken, daß es nicht so
leicht ist, hier – wie bei der pauvren französischen Demokratie – sich
mausig zu machen, „_influence_“[11] zu gewinnen und als eine Art
Aristokratie in der revolutionären Emigration sich zu gebaren. Hier
setzt es harte Püffe. Was haben die Esel nun dem Bakunin genützt? Daß er
ernsthaft öffentlich angeklagt wird und daß sie selbst eins aufs Maul
erhalten.

----------

   [1] Die Dinge gehen wunderbar vorwärts.

   [2] Ein Russe.

   [3] Lümmel.

   [4] Albern.

   [5] Spion.

   [6] Zu beschuldigen, er sei von Rußland bestochen.

   [7] Zeugenaussagen.

   [8] „Revolutionäre Ideen“ [Schrift Herzens].

   [9] Junges Rußland.

   [10] Russische Intriganten.

   [11] Einfluß.


                                  246

                               28 Deanstreet, Soho, 2. September 1853.

Lieber Engels!

Ich habe Dir lange nicht geschrieben, selbst nicht den Empfang der 5
Pfund Sterling (wovon 2,10 an Pieper und 1,10 an Lupus ausgezahlt), weil
ich in einer unbeschreibbaren Suppe _my time_ und _my energies_[1]
konsumieren muß. Am 7. Juli hatte ich dem Spielmann meinen Wechsel
gegeben. Am 31. August erklärt mir der Bursche – nachdem ich siebenmal
zu ihm gelaufen war –, daß der Wechsel verloren gegangen sei, daß ich
ihm eine Sekunda ausstellen müsse usw. Ich hatte mich also wochenlang
durchgeschleppt, indem ich bis auf das _letzte Stück_ versetzt habe, und
hatte alle Gläubiger auf den 3. September wiederbestellt, seitdem ich
sie von Juli an hingehalten. Da ich keine Ressourcen habe außer der
Einnahme von der Tribune, begreifst Du meine Situation, und wie ich
weder Zeit noch Lust zum Korrespondieren haben kann.

Dem Jacobi, wenn er noch da ist, sage, daß ich seinetwegen [an]
Weydemeyer usw. geschrieben habe.

Weswegen ich Dir heute schreibe, ist folgendes:

Du liest, soviel ich weiß, den Morning Advertiser nicht. Dieses Blatt
der „_united victuallers_“[2] brachte von einem „_foreign
correspondent_“[3] (Herr _Golowine_, denke ich) eine Apologie auf
Bakunin. Ein Anonymus, F. M., verdächtigt darauf in demselben Morning
Advertiser den Bakunin als russischen Spion, sagt, daß es ihm jetzt sehr
gut gehe usw. Antwort darauf von _Golowine_ und _Herzen_, die dabei
bemerken, daß schon einmal in einem „_German paper_“[4] 1848 dieselbe
Verleumdung vorgebracht worden sei und daß das _paper „had even ventured
to appeal to the testimony of George Sand“_.[5]

Vorvorgestern kommt Dr. Arnold Ruge und sagt, dieses deutsche Blatt sei
„die Neue Rheinische Gazette, deren Editor, Dr. Marx, ebenso überzeugt
gewesen sei von der Unwahrheit dieser Verleumdungen als jeder andere
Demokrat“.

In dem Morning Advertiser von gestern mache ich eine Erklärung folgenden
Inhalts:

Messrs. [unlesbar] Golowine und Herzen hätten _chosen to connect the_
Neue Rheinische Gazette _edited by me in 1848 and 1849_[6] mit ihrer
Polemik mit F. M. über Bakunin usw. _Now, I care nothing about the
insinuations of Messrs. Herzen and Golowine._[7] Aber usw. usw. „_permit
me to state the facts of the case_“.[8] Folgt die Aufzählung der Facta:

„daß wir am 5. Juli 1848 Pariser Briefe erhielten, einen vom
Havas-Bureau, den anderen von einem _polish refugee_[9] (so nenne ich
den Ewerbeck), beide _stating_,[10] daß George Sand Briefe besitze, die
den Bakunin kompromittieren, _as being lately entered into relations
with the Russian government_;[11]

„daß wir am 6. Juli diesen Brief, nicht des Havas-Bureau, sondern
unseres Pariser Korrespondenten abdruckten;

„daß Bakunin in der Neuen Oder-Zeitung antwortete, _vor_ unserer
Korrespondenz seien ähnliche Gerüchte in Breslau zirkuliert worden; sie
gingen aus von den russischen Gesandtschaften, und daß er sie nicht
besser widerlegen könne als durch einen Appell an George Sand;

„daß am 3. August Koscielski der Rheinischen Zeitung den Brief von
George Sand an ihren Editor brachte, der am selben Tage gedruckt wurde
mit den folgenden einleitenden Worten: (folgen die Worte der Neuen
Rheinischen Zeitung);

„daß ich Ende August durch Berlin passierte, Bakunin sah und meine alte
Freundschaft mit ihm erneuerte;

„daß 15. (oder Ende) Oktober die Rheinische Zeitung Bakunin verteidigte
gegen das preußische Ministerium, das ihn auswies;

„daß im Februar (1849) die Rheinische Zeitung einen _leading_[12]
Artikel über Bakunin brachte, beginnend mit den Worten: Bakunin ist
unser Freund! usw.;

„daß ich in der New Yorker Tribune Bakunin _paid the tribute due to him
for his participation in our movements etc._“[13]

Meine Erklärung schließt mit den Worten:

„_As to F. M. proceeding as he does from the fixed idea that continental
revolutions are fostering the secret plans of Russia, he must, if to
pretend to anything like consistency, condemn not only Bakunin but every
continental Revolutionist, as a russian agent. In his eyes Revolution
itself is a russian agent. Why not Bakunin?_“[14]

Nun in der _heutigen_ Nummer wagt sich der Lump Golowine nicht zu
nennen, sondern unter dem Titel „_from a foreign Correspondent_“[15]
bringt der Morning Advertiser das Folgende von ihm:

                        _How to write History._
                 (_From a foreign Correspondent._)[16]

_Bakunin is a Russian agent – Bakunin is not a Russian agent. Bakunin
died in the prison of Schluesselburg, after having endured much ill
treatment – Bakunin is not dead: he still lives. He is made a soldier,
and sent to the Caucasus – no, he is not made a soldier: he remains
detained in the citadel of St. Peter and St. Paul. Such are the
contradictory news which the press has given in turn, concerning Michael
Bakunin. In these days of extensive publicity we only arrive at the true
by affirming the false; but, has it at least been proved that Bakunin
has not been in the military pay of Russia?_

_There are people who do not know that humanity makes men mutually
responsible – that in extricating Germany from the influence which
Russia exercises over it, we _re-act_ upon the latter country, and
plunge it _anew_ into its despotism, until it becomes vulnerable to
revolution. Such people it would be idle to attempt to persuade that
Bakunin is one of the purest and most generous representatives of
progressive cosmopolitism._

_„Calumniate, calumniate,“ says a _French_ proverb, „and something will
always remain.“ The calumny against Bakunin, countenanced in 1848 by one
of his friends, has been reproduced in 1853 by an unknown person. „One
is never betrayed but by one’s own connexion“ says another proverb; „and
it is better to deal with a wise enemy than with a stupid friend.“ The
Conservative journals have not become the organ of the calumny
insinuated against Bakunin. A friendly journal undertook that care._

_Revolutionary feeling must be but slightly developed when it can be
forgotten, as M. Marx has forgotten, that Bakunin is not of the stuff of
which police-spies are made. Why, at least, did he not, as is the custom
of the English papers, why did he not simply publish the letter of the
Polish refugee which denounced Bakunin? He would have retained the
regret of seeing his name associated with a false accusation._“[17] –

Ich denke dem Kerl folgendes (siehe unten) zu antworten, was Du mir
_umgehend_ (bis Montag, wenn möglich) stilisiert zurückschicken mußt.

Zugleich fragt es sich, ob nicht auch Du und Dronke eine Erklärung
machen wollt als Editors der Neuen Rheinischen Gazette, Clique gegen
Clique. Auf der anderen Seite stehen nur Ruge, Herzen, Golowine.
Letzteren nannte Bakunin selbst „_un polisson_“.[18] 1843 und 1844 einer
der eifrigsten Bewunderer von Nikolas wurde er Demokrat, weil er
_glaubte_, verdächtig geworden zu sein, und nicht nach Rußland
zurückzukehren wagte. In letzterem besteht sein ganzer Heroismus.

Ich für meinen Teil würde also der Substanz nach folgende Erklärung
vorschlagen:

_„It is better to deal with a wise enemy, than with a stupid friend“
Bakunin would have exclaimed if he was ever to read the letter of the
„foreign“ Sancho Pansa who, in your Saturday’s paper, indulges in his
proverbial commonplaces._

_Is he not a „stupid friend“ who reproaches me with _not_ having done by
what doing I would have according to himself „_retained_ the regret of
seeing my name associated with a false accusation“?_

_Is he not a „stupid friend“ who is astonished of what every schoolboy
knows that truth is established by controversy and that historical facts
are to be extricated from contradictory statements?_

_When the Neue Rheinische Gazette brought the Paris letter Bakunin was
at liberty. If he was right to be satisfied with the public explanations
of the Neue Rheinische Gazette in 1848 is it not a „stupid friend“ who
pretends to find fault with them in 1853? If he was wrong in renewing
his intimate relations with the Editor of the Neue Rheinische Gazette is
it not „stupid“ on the part of a pretended friend to reveal his weakness
to the public?_

_Is he not a „stupid friend“ who thinks necessary to „plunge Russia anew
in its despotism“ as if she had ever emerged from it?_

_Is he not a „stupid friend“ who calls the latin proverb „calumniare
audacter“ a french proverb?_

_Is he not a „stupid friend“ who cannot understand why the Conservative
Journals did not like to _publish_ the calumnies which were _secretly_
spread against Bakunin throughout Germany while the most revolutionary
paper of Germany was obliged to publish them?_

_Is he not a „stupid friend“ who ignores that „revolutionary feeling“ at
its highest pitch made the „lois des suspects“ and beheaded the Dantons
and the Desmoulins and the Anacharsis Cloots?_

_Is he not a „stupid friend“ who dared not accuse the Morning Advertiser
for having inserted the letter of F. M. while Bakunin is incarcerated at
St. Petersburg at the same time accusing the Neue Rheinische Gazette for
having inserted a similar letter in 1848 when Bakunin was free and not
yet reduced to the misery of being defended by a „stupid friend“?_

_Is he not a „stupid friend“ who makes the name of Bakunin a pretext for
calumniating the friends of Bakunin while he is cautiously withholding
his own name?_[19]

Also bald Antwort. Die Sache pressiert.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Meine Zeit [und] meine Kräfte.

   [2] Vereinigten Wirte.

   [3] Ausländischen Korrespondenten.

   [4] Deutsche Zeitung.

   [5] Zeitung „hat sich sogar herausgenommen, das Zeugnis von George
   Sand anzurufen“.

   [6] Beliebt, die von mir 1848 und 1849 herausgegebene „Neue
   Rheinische Zeitung“ in Verbindung zu dringen mit ...

   [7] Nun machte ich mir nichts aus den Unterstellungen der Herren
   Herzen und Golowine.

   [8] Erlauben Sie mir, den Sachverhalt dieser Angelegenheit
   festzustellen.

   [9] Polnischen Flüchtling.

   [10] Behauptend.

   [11] Er sei neuerdings mit der russischen Regierung in Verbindung
   getreten.

   [12] Leit-[Artikel].

   [13] Den ihm für seine Beteiligung an unseren Kämpfen zukommenden
   Tribut erstattet habe.

   [14] Wenn F. M. wie er es tut, von der fixen Idee ausgeht, daß
   festländische Revolutionen die geheimen Pläne Rußlands fördern, so
   muß er, sofern er auf so etwas wie Konsequenz Anspruch erheben will,
   nicht nur Bakunin, sondern jeden festländischen Revolutionär als
   einen russischen Agenten verurteilen. In seinen Augen ist die
   Revolution selbst ein russischer Agent. Warum soll Bakunin es nicht
   sein?

   [15] Von einem ausländischen Korrespondenten.

   [16] _Wie man Geschichte schreiben soll._ (Von einem ausländischen
   Korrespondenten.)

   [17] „Bakunin ist ein russischer Agent – Bakunin ist kein
   russischer Agent. Bakunin starb im Kerker von Schlüsselburg, nachdem
   er viel schlechte Behandlung erlitten – Bakunin ist nicht tot, er
   lebt noch. Man hat ihn zum Soldaten gemacht und nach dem Kaukasus
   geschickt – nein, er ist nicht zum Soldaten gemacht worden, er
   bleibt in der Zitadelle von Sankt Peter und Sankt Paul interniert.
   Das sind die widersprechenden Nachrichten, welche die Presse
   abwechselnd über Michael Bakunin gebracht hat. In diesen Tagen
   ausgedehnter Publizität kommen wir nur dadurch auf die Wahrheit, daß
   wir das Falsche behaupten; ist es aber wenigstens bewiesen worden,
   daß Bakunin nicht russischer Militärspion war?

   Es gibt Leute, die nicht wissen, daß die Menschheit die Menschen
   voneinander abhängig macht – daß, indem wir Deutschland von dem
   Einfluß befreien, den Rußland über es ausübt, wir auf das letztere
   Land _re-agieren_ und es _von neuem_ in den Despotismus
   untertauchen, bis es von der Revolution getroffen werden kann.
   Solche Leute wird man vergeblich zu überzeugen versuchen, daß
   Bakunin einer der reinsten und hochherzigsten Vertreter des
   fortschrittlichen Kosmopolitismus ist.

   ‚Verleumdet, verleumdet,‘ sagt ein französisches Sprichwort, ‚und
   etwas wird immer zurückbleiben.‘ Die Verleumdung Bakunins, die 1848
   von einem seiner Freunde weitergegeben wurde, ist 1853 von einem
   Unbekannten wieder aufgetischt worden. ‚Man wird immer nur von
   seinen eigenen Leuten verraten,‘ sagt ein anderes Sprichwort, ‚und
   es ist besser, mit einem klugen Feind, als mit einem dummen Freund
   zu tun zu haben.‘ Konservative Blätter sind nicht das Organ der
   gegen Bakunin ausgestreuten Verleumdung geworden. Ein befreundetes
   Blatt übernahm diese Ausgabe.

   Das revolutionäre Empfinden muß nur wenig entwickelt sein, wenn
   vergessen werden kann, was Mr. Marx vergessen hat, daß Bakunin nicht
   aus dem Stoff gemacht ist, aus dem man Polizeispione macht. Warum
   hat er nicht wenigstens, wie dies Gepflogenheit der englischen
   Blätter ist, einfach den Brief des polnischen Flüchtlings
   veröffentlicht, der Bakunin denunzierte? Er würde das Bedauern
   zurückbehalten haben, daß er seinen Namen mit einer falschen
   Beschuldigung verknüpft sah.“

   [18] Einen Lümmel.

   [19] „Es ist besser, man hat mit einem klugen Feind als mit einem
   dummen Freund zu tun“, würde Bakunin ausgerufen haben, wenn er
   jemals den Brief des „ausländischen“ Sancho Pansa zu Gesicht bekäme,
   der in Ihrer Sonnabendausgabe sich in seinen sprichwörtlichen
   Gemeinplätzen ergeht.

   Ist der nicht ein „dummer Freund“, der mir einen Vorwurf daraus
   macht, das _nicht_ getan zu haben, wodurch ich nach ihm „das
   Bedauern _zurückbehalten_ hätte, meinen Namen mit einer falschen
   Beschuldigung verbunden zu sehen“?

   Ist der nicht ein „dummer Freund“, der sich über etwas wundert, was
   jeder Schuljunge weiß, nämlich daß die Wahrheit durch Polemik
   festgestellt wird und daß historische Tatsachen durch
   widersprechende Behauptungen ermittelt werden?

   Als die Neue Rheinische Zeitung den Pariser Brief brachte, war
   Bakunin auf freien Füßen. Wenn er 1848 recht tat, mit den
   öffentlichen Erklärungen der Neuen Rheinischen Zeitung zufrieden zu
   sein, ist der nicht ein „dummer Freund“, der 1853 an ihnen Fehl
   findet? Wenn er unrecht tat, sein Freundschaftsverhältnis mit dem
   Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung zu erneuern, ist es nicht
   „dumm“ von einem angeblichen Freund, seine Schwäche dem Publikum zu
   enthüllen?

   Ist der nicht ein „dummer Freund“, der es für nötig findet, „Rußland
   aufs neue in den Despotismus unterzutauchen“, als ob es je aus ihm
   herausgekommen wäre?

   Ist der nicht ein „dummer Freund“, der das lateinische Sprichwort
   „_calumniare audacter_“ [verleumde keck] ein französisches
   Sprichwort nennt?

   Ist der nicht ein „dummer Freund“, der nicht begreifen kann, warum
   konservative Blätter die _heimlich_ überall in Deutschland gegen
   Bakunin ausgestreuten Verleumdungen [Verdächtigungen] nicht
   _veröffentlichen_ mochten, während das revolutionärste Blatt
   Deutschlands verpflichtet war, sie zu veröffentlichen? Ist der nicht
   ein „dummer Freund“, der nicht weiß, daß das „revolutionäre
   Empfinden“ in seiner höchsten Steigerung die „Gesetze über die
   Verdächtigen“ schuf und die Danton, die Desmoulins, die Anacharsis
   Cloots köpfte?

   Ist der nicht ein „dummer Freund“, der sich nicht getraute, den
   Morning Advertiser dafür anzuklagen, daß er den Brief von F. M.
   veröffentlichte, während Bakunin in St. Petersburg eingekerkert
   sitzt, und zur selben Zeit die Neue Rheinische Zeitung anklagt,
   einen ähnlichen Brief 1848 veröffentlicht zu haben, als Bakunin frei
   und nicht in die bedauernswürdige Lage versetzt war, von einem
   „dummen Freund“ verteidigt zu werden?

   Ist der nicht ein „dummer Freund“, der den Namen Bakunins zum
   Vorwand nimmt, Bakunins Freunde zu verleumden, während er vorsichtig
   seinen eigenen Namen für sich behält?


                                  247

                                     28 Deanstreet, 7. September 1853.

_Dear Frederic!_

Allerdings kam Dein Brief zu spät. Ich hatte den Dreck kondensiert, mit
Entfernung von unnötigem Pathos nunmehr zurechtgefeilt, dem
liebenswürdigen Organ der vereinigten „_licensed victuallers_“[1]
zugesandt am Montag. Nicht inseriert. Zugleich aber brachte dies höchst
konsequente Blatt einen kurzen _letter_ „_From a native
Correspondent_“[2] (soll D. Urquhart sein) in die Montagsnummer, worin
sein eigener _Foreign-Correspondent_[3] ziemlich klar als „_Russian
Agent_“ abgedeckelt und Bakunin selbst nicht gerade heilig gesprochen
wird. Der Morning Advertiser schlug meine Replik wahrscheinlich ab, weil
sie nicht so konfus geschrieben war wie die des „_Native_“ [Inländers].
Jetzt erscheint die Sache in _Peoples Paper_.

Es war ein reiner _lapsus linguae_[4] – alte Gewohnheit –, wenn ich
Herrn Dronke im Briefe an Dich erwähnte.

Der brave Kleine hat so wacker gestänkert, daß 1. Lupus mir nie,
obgleich ich längst durch Dich instruiert, ein Wort von seiner Abreise
sprach; 2. daß derselbe Lupus immer mit großem Hinterhalt von Dir
spricht; 3. daß ich gestern abend eine Szene hatte, die unglaublich ist
....

Man kann das Privilegium des alten Polterers in Anspruch nehmen. Aber
man muß es nicht mißbrauchen. Ich liege auch nicht [auf] Rosen, und es
ist mir seine bürgerliche Klemme gar keine Entschädigung.

Die elenden Russen, in der Tribune sowohl als im London Advertiser
(obgleich verschiedene Persönlichkeiten und in verschiedener Form),
reiten jetzt auf dem Steckenpferd herum, daß das russische _Volk_ durch
und durch demokratisch ist, das offizielle Rußland (Kaiser und
Bureaukratie) nur Deutsche sind und der Adel ebenfalls deutsch ist.

Also Deutschland in Rußland, nicht Rußland in Deutschland ist zu
bekämpfen.

Du kennst mehr von Rußland als ich, und wenn Du Zeit gewinnst, gegen
diesen Blödsinn aufzutreten (ganz wie die teutonischen Esel den
Despotismus Friedrichs II. usw. auf die Franzosen wälzen, als wenn
zurückgebliebene Knechte nicht immer zivilisierte Knechte brauchten, um
dressiert zu werden), so verpflichtest Du mich sehr. Natürlich in der
Tribune.

                                                            Dein K. M.

Schreibe mir ausführlicher über den _Stand des Geschäftes_ und gleich
_englisch_.

Auf einliegenden Brief von Klein, den ich sorgsam aufzuheben bitte, habe
ich diplomatisch geantwortet. Von London sei kaum Korrespondenz möglich.
Die Fabrikarbeiter sollten sich _exklusiv_ unter sich halten und nicht
mit Spießbürgern oder Knoten in Köln, Düsseldorf usw. in Verbindung
treten. Wenn sie einmal im Jahre einen herzuschicken wünschten, guten
Rats holen, so hätten wir nichts dagegen.

----------

   [1] Konzessionierten Wirte.

   [2] Brief von einem einheimischen Korrespondenten.

   [3] Ausländischer Korrespondent.

   [4] Ausgleiten der Feder.


                                  248

                              28 Deanstreet, Soho, 17. September 1853.

_Dear Frederic!_

Du wirst verdammt schweigsam.

Da ich gestern _your article_[1] erwartete, hatte ich mir die neuesten
Nachrichten als Kopf zusammengestellt, und da der Brief nicht kam, ging
eine Korrespondenz flöten.

In den mit heute beginnenden vierzehn Tagen muß ich durchaus Deine
Mitarbeit in Anspruch nehmen. _Pieper_ geht auch endlich heute für
vierzehn Tage oder drei Wochen – zwar nicht ins Kloster, wohl aber ins
deutsche Hospital, eine Art sanitäres Gefängnis .... Da nun ohnehin
durch meine Laufereien zu dem elenden Spielmann drei bis vier Artikel
ausgefallen sind, so muß ich jetzt jeden Dienstag und Freitag schreiben,
damit der nächstzuziehende Wechsel nicht gar zu schmal ausfällt. Es sind
Aussichten vorhanden, daß Freiligrath mir einen regulär diskontierenden
Handelsfreund verschafft.

Wenn Du einiges dazwischen machst, schicke ich das andere an Dich zur
Durchsicht, wo Du dann nur die neuesten Nachrichten, die Du etwa im
Débats oder sonst über Turkey siehst, oder wenn telegraphische Depeschen
von besonderer Wichtigkeit, zu oder vorsetzen mußt und dann das Zeug
nach Liverpool expedieren.

Für Dienstag erwarte ich einen Artikel von Dir.

Es wäre wichtig, etwas über die Stellung der Armeen usw. zu sagen. In
den englischen Zeitungen steht viel Unsinn, zum Beispiel Omer Pascha
solle über die Danube [Donau] gehen usw.

Zwei Artikel über die Handelskrise habe ich schon abgeschickt, einen am
Freitag vor acht Tagen über die Bank of England, ihren Discount und das
Wirken des Peelacts oder sein Wirken wollen viel mehr, einen am letzten
Dienstag über die Getreidepreise, Zeichen _of overproduction_[2] usw. Es
wäre wichtig, etwas Näheres über die _manufacturing districts_[3] zu
haben.

Einliegend noch einiges von dem „Tribunemann“, und „_über_“ ihn von dem
Editor der Tribune. Er scheint übrigens, _after all_,[4] kein Russe,
sondern _a German_[5] zu sein.

Durch das Aufheben der Annoncensteuer hat Jones jetzt 3 Pfund 3
Schilling wöchentlich Annoncen – das _Paper is arriving to the paying
point_.[6] Dann wird auch für Pieper eine Ressource erstehen.

Schreibe mir auch über die Fahrten Lupi, der, wie ich später hörte, erst
vergangenen Sonnabend von hier abgeschoben ist.

_Fare Well._

                                                            Dein K. M.

Anliegend noch ein Ausschnitt aus der braven New-England-Zeitung.

----------

   [1] Einen Artikel von Dir.

   [2] Von Überproduktion.

   [3] Fabrikdistrikte.

   [4] Nach alledem.

   [5] Ein Deutscher.

   [6] [Das] Blatt nähert sich dem Punkt, wo es sich zahlt.


                                  249

                                       Manchester, 19. September 1853.

Lieber Marx!

Was mich bisher am Arbeiten und am Schreiben verhinderte, war die
Gegenwart des „alten Herrn“ [W. Wolff], der einstweilen bei mir
kampiert. Auf seinem _screwsteamer_[1] war kein Platz zu bekommen, auch
war Borchardt sehr dafür, daß er erst hier versuchen sollte, Stunden zu
bekommen, dazu hatte er noch Aussichten in Liverpool. Genug, er will
sein Glück hier probieren, und ich mag ihn nicht merken lassen, wie die
Tribune-Korrespondenzen manchmal entstehen, nachdem er sich in London so
läppisch gegen Dich benommen hat. Es bieten sich hier einige Aussichten,
und nachdem Borchardt und ich gestern mit ihm darüber gekohlt, ist er
heute in Bewegung gesetzt worden, um sich umzusehen, so daß ich den
Abend für mich haben werde und Dir also einen Artikel über den Stand des
Geschäfts hier herum zusammenfabrizieren kann, der per zweite Post
abgeht. Der russische folgt sobald wie möglich – ich halte den
Verfasser für einen Ostseedeutschen oder halben Polacken, der Kerl hat
offenbar viel Material, man muß also vorsichtig sein, aber er ist doch
sehr gut zu fassen. Oder sollte es gar der in der Deutschen Londoner
Zeitung an Nesselrode geschrieben habende Loewe sein?

Die Reform kommt mir sehr unregelmäßig zu, hast Du was von Cluß gehört?

Notabene. Da Lupus, wie ich heute aus Deinem Briefe sehe, sogar ohne
allen Abschied fortgelaufen ist, so bekommt er natürlich nichts davon zu
sehen, was Du mir schickst – _il reste parfaitement en dehors de
tout_.[2] – – –

Indessen, wir wollen sehen, ob eine verbesserte Position, wenn sie sich
hier finden läßt, den alten Herrn nicht bald wieder herumbringt, und
dann muß er auch gegen Dich Abbitte tun.

Ich gehe jetzt nach Hause, um zu arbeiten.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Schraubendampfer.

   [2] Es wird ihm keinerlei Einblick gegeben.


                                  250

                                                   29. September 1853.

Lieber Marx!

Inliegend der Artikel über die türkischen Armeen. Wenn Du mir schreibst,
was Du morgen über die Streiks in Lancashire und über den _state of
trade_[1] hinschickst, so werde ich daran anknüpfen können und bis
Dienstag Dir einen ferneren Report über diese Sachen machen. Hier geben
sich die Manufakturers und Merchants alle Mühe, sich gegenseitig
vorzureden, die Geschichte sei nicht so schlimm, und der Guardian tut
sein Bestes, aber es ist _all sham and humbug_.[2] Seit voriger Woche
sind ordinäre Garne 1/4 Pence bis 3/8 Pence pro Pfund herunter, bei 9
Pence also 3 bis 4-1/2 Prozent, bei 8 Pence 3 bis 6 Prozent, bei 7 Pence
4 bis 7 Prozent Fall im Werte. Cotton ist zirka ein Achtel gefallen in
derselben Zeit. Die Stocks häufen sich, der _demand_[3] auch im _home
trade_[4] nimmt ab. Nach Australien ist so fürchterlich überspekuliert,
daß 80 000 Barrels amerikanisches Mehl von dort zur Fracht von 8
Schilling pro Barrel _hierher_ weitergeschickt werden. Der australische
_crash_[5] wird wohl in vier Wochen in der Blüte sein. Die „guten
Nachrichten“ von Ostindien beschränken sich darauf, daß das Steigen der
Preise dort und das Fallen der Preise hier zusammenaddiert immer noch
einen Verlust lassen auf Exporte dahin. Nichts floriert, als der Trade
mit Amerika und die Kornspekulation. In Upbridge sind schon 80 Schilling
pro Quarter für prima Qualität Weizen bezahlt worden. _Corn looking up,
yarn looking down_,[6] und die türkische Suppe _in the fairest possible
way of boring our merchants all winter over_.[7]

_Manufactured Goods_[8] fallen auch mit Glanz, und bei denen sind die
Stocks noch viel fataler als beim Garn. Die Resolution der Fabrikanten,
zu stoppen, schlägt ihnen also zwei Fliegen auf einmal: 1. Sie
entwaffnet die Arbeiter; 2. sie verringert die Produktion. Die Prestoner
erhalten gewiß ein allgemeines Dankvotum, wo nicht Entschädigung. In
Ashton, Stalybridge und Glossop denken die Fabrikanten auch an Stoppen,
hier auch einige. Indes hat das seinen Haken, da es bloß denen von
Vorteil ist, die nicht stoppen, und den Stoppenden bloß Schaden bringt.

Lupus hat Aussicht, eine Korrespondentenstelle zu bekommen, wenn man
Borchardt trauen darf. Der alte Herr studiert Russisch und dergleichen
und schwärmt nach wie vor für die türkische Frage, wobei ich ihn gern
lasse.

Grüße Deine Frau und Kinder.

                                                            Dein F. E.

----------

   [1] Stand des Geschäftsganges.

   [2] Alles Mache und Schwindel.

   [3] Nachfrage.

   [4] Heimisches Geschäft.

   [5] Krach.

   [6] Getreide sieht [strebt] in die Höhe, Garn in die Tiefe.

   [7] Im denkbar schönsten Gange, unsere Kaufleute den ganzen Winter
   über zu peinigen.

   [8] [Fertig-]Fabrikate.


                                  251

                            28 Deanstreet, London, 30. September 1853.

Lieber Frederic!

Die Kriegsgeschichte famos. Ich selbst hatte bedeutende _misgivings_[1]
über das westliche Vorrücken der _Russian forces_,[2] wagte aber
natürlich nicht, _to trust to my judging_[3] in solchen Sachen. Ich habe
eine große Reihe Streikartikel schon gebracht, in Intervallen, seit den
sechs Monaten, wo die Sache dauert. Jetzt allerdings ein neuer _turn_[4]
eingetreten. In dem Artikel, worin ich Deine _strike generalities_[5]
benutzte, habe ich eine Menge _Namen_ von _strikes localities_[6]
genannt, auch die Preston- und Wigangeschichte. Über Manchester konnte
ich keine Details auftreiben. Die _Preston manoeuvre_[7] habe ich
dargestellt (sehr kurz notabene) 1. als Versuch der Fabrikanten, ihren
_Rückzug_ vom Überproduzieren durch die Arbeiter zu _decken_, die sie
gezwungen durch ihre Forderungen, die _mills_[8] zu schließen; 2. als
Versuch _to starve the operatives into submission_.[9]

Du siehst, daß ich mit meiner _history of strikes_[10] nur bis
vergangenen Dienstag gehe und ohne Manchester zu berühren.

Die Notizen über Garne und Cottonpreise, womöglich auch über die Preise
von _goods_[11] könntest Du vielleicht noch etwas ausdehnen, so daß es
wenigstens einen Paragraphen in einem Briefe gibt.

Ich muß natürlich in jedem Briefe, außer dem nützlichen Thema, Schritt
vor Schritt den russischen Noten und den englischen _Foreign Policy_[12]
(und brav! ist sie) folgen, da die _Esel_ in New York dies für die
Hauptsache halten und, _after all_,[13] nichts leichter zu behandeln ist
als diese _high_[14] Politik.

Bis nächsten Dienstag über _acht Tage_ werde ich einen Artikel über die
_Oriental Church_[15] fertig haben und bis _nächsten Freitag über acht
Tage_ den ersten von drei Artikeln über Dänemark, wo die verschiedenen
Ständeversammlungen wieder nächsten Monat auf die Bühne treten. Wenn
irgend ein militärisches _movement_[16] sich erfüllt, so verlasse ich
mich auf sofortige Instruktion aus dem Kriegsministerium zu Manchester,
und ebenso in bezug auf _cottons_[17] und _yarns_,[18] worüber die
Berichte in den hiesigen Zeitungen miserabel.

Vor allem will ich die Kerls totschreiben, da der Moment günstig ist,
und wenn ich von Dir gleichzeitig Zufuhr erhalte, so kann ich die
Themata über längere Zeiträume verteilen. Es kommt hinzu, daß ich ohne
meinen Sekretär etwas ängstlich mit dem Englischen bin.

_Keinen_ Gruß an Lupus.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Befürchtungen.

   [2] Russischen Truppen.

   [3] Meinem Urteil zu trauen.

   [4] Wendung.

   [5] Allgemeine Bemerkungen über die Streiks.

   [6] Streikorte.

   [7] Manöver in Preston.

   [8] Fabriken.

   [9] Die Arbeiter bis zur Unterwerfung auszuhungern.

   [10] Geschichte der Streiks.

   [11] Stückwaren.

   [12] Auswärtige Politik.

   [13] Schließlich.

   [14] Hohe.

   [15] Orientalische Kirche.

   [16] Bewegung.

   [17] Baumwolle.

   [18] Garne.


                                  252

                                                      8. Oktober 1853.

Lieber Engels!

Schon seit zehn Tagen kein Sou mehr im Haus. Daß Spielmann mich betrogen
hat, davon habe ich jetzt die Beweise in der Hand, aber _à quoi bon_?[1]
Die New Yorker Firma hat nämlich auf mein Verlangen den Wechsel nebst
einem Schreiben mir zurückgeschickt, woraus hervorgeht, daß sie schon am
22. _Juli_ gezahlt, während ich das Geld erst Ende September erhielt.
Ich habe nun wieder 24 Pfund Sterling zu ziehen. Seit Piepers
Einkerkerung habe ich sechs Artikel eingeschickt, darunter einen
fulminanten _acte d’accusation_[2] gegen Palmerston, worin ich seine
Karriere von 1808 bis 1833 verfolge. Die Fortsetzung werde ich
schwerlich bis Dienstag liefern können, da viele _blue-books_ und
Hansard [Parlamentsdebatten] nachzuschlagen und Freitag und heute mit
Geldlaufereien zum Teufel gegangen sind. Den Freitagsartikel habe ich in
der Nacht geschrieben, dann von 7 Uhr morgens bis 11 Uhr meiner Frau
diktiert, und dann mich auf die Beine nach der City gemacht. Freiligrath
verspricht – und wird alles dafür ins Werk setzen, als eigenes
_Endossement_[3] seinerseits usw. –, mir den Wechsel bei Bischofsheim
zu diskontieren, kann die Sache aber vor acht bis zehn Tagen nicht
bewerkstelligen.

Von den vielen Annehmlichkeiten, die ich seit Jahren hier durchmache,
sind mir die größten regelmäßig durch sogenannte Parteifreunde ...
bereitet worden. Heute erzählt mir Freiligrath, daß Franz Joseph Daniels
in London sei und mit dem roten Wolff bei ihm war. Zu mir, erklärte er,
nicht zu gehen, weil ich seinen Bruder durch X. zur Haft gebracht habe,
die sonst nicht stattgefunden hätte. X. kam im Februar 1852 zuerst zu
mir und Daniels wurde im Mai 1851 eingesperrt! Also sehr
_retrospective_[4] Wirkung. Dieser ganz infame Klatsch (der Lohn für
meine Bemühungen und Zeitverluste und sonstigen angenehmen Resultate,
durch den Prozeß verursacht) wird natürlich begierig ergriffen, um die
eigene Jämmerlichkeit mir gegenüber und das feige Zurückziehen zu
decken. Veranlaßt aber ist die Lumperei rein durch das hier und dorthin
kolportierte Knurren der Herren, die sich die bequeme Portion von der
Sache vorbehielten, den Kaviar, – sonst aber sehr willig waren, mir die
Arbeit zu überlassen.

Wenn ich bequem, [oder] wenigstens sorgenlos lebte, würde ich natürlich
pfeifen auf diese Gemeinheiten. Aber den bürgerlichen Dreck jahrelang
noch mit diesem und ähnlichem Dreck gewürzt zu bekommen, _c’est un peu
fort_.[5] Ich habe bei der nächsten Gelegenheit vor, _öffentlich_ zu
erklären, daß ich _mit keiner Partei etwas_ zu tun habe. Unter dem
Parteivorwand bin ich nicht länger geneigt, mich insultieren zu lassen
von jedem Biedermann der Partei.

Du siehst, wie nötig es ist, meine Broschüre nach Deutschland zu
bringen. Da du es nicht kannst, schicke mir die Adresse von Strohn, mit
dem ich mich über die Sache benehmen will.

Einliegend Brief von Cluß. In seinem Aufsatz gegen die Neu-England
Zeitung hat er, wie ich glaube, passend allerlei Passagen aus meinen
Briefen über Carey usw. zusammengestellt.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] „Zu welchem Zweck?“

   [2] Anklageschrift.

   [3] Girounterschrift.

   [4] Rückwärts gerichtet.

   [5] Das ist ziemlich stark.


                                  253

                                                     12. Oktober 1853.

Lieber Engels!

2 Pfund erhalten. Sie kamen um so gelegener, als Oxford, Freiligraths
Prinzipal, noch nicht von seiner Reise zurückgekehrt ist.

Was die Tribune angeht, so werde ich bis Freitag Artikel 2 über
Palmerston fertig haben. Artikel 3 und _ultimus_,[1] der die Periode von
1848 bis 1853 umfaßt, erheischt so viele _blue-books_ und
Parlamentsdebatten, daß ich, Sonntag _falling out as far as the British
Museum is concerned_,[2] ihn unmöglich bis Dienstag liefern kann. Es
wäre mir also vom höchsten Nutzen, auch für Zeitgewinn, wenn ich für
Dienstag durch dich _supplirt_[3] würde. Aber was? Ich weiß es
wahrhaftig nicht. Vielleicht Tagespolitik, wo ich bloß das Allerneueste
hinzusetze. Vielleicht, wenn Du den Gegenstand so weit verfolgt hast,
Einfluß der bestehenden Krise auf _doing away with the Bonaparte
regime_.[4] Ich glaube, daß es hohe Zeit ist, die Aufmerksamkeit auf
Frankreich zu lenken, wo die Katastrophe doch _eclatiren_[5] wird.

Der Getreideausfall und der Weinausfall. Durch den wohlfeilen Brotpreis
Paris anlockend die Arbeiter aus ganz Frankreich und so das
Revolutionsheer rekrutierend, während diese neu Einwandernden die
ohnehin sinkenden _wages_[6] der Pariser drücken. Brotaufstände in
Elsaß-Lothringen, Champagne. Knurren der Bauern über die Bevorzugung von
Paris, der Arbeiter über die kostspieligen Huldigungen an die Armee, der
Bourgeois über die gewaltsame Einmischung in die ökonomischen Gesetze
zugunsten der Arbeiter. Fallende Nachfrage vor allem nach Luxusartikeln.
Beginnendes _closing_[7] von _workshops_.[8] Im Gegensatz zu der ganzen
Misere die _lavish expenditure_[9] und Börsenschwindeleien der Familie
Bonaparte. _Hollowness_[10] des ganzen Kreditsystems, in reines
kolossales Schwindelinstitut verwandelt unter Leitung des
Lumpenproletarierkaisers und des Juden Fould. Börse, Bank, Eisenbahnen,
Hypothekenbanken und was der Schwindelinstitute mehr sind. Das Regime
Louis Philipp in den letzten Tagen reproduziert, aber kombiniert mit
allen Schweinereien und nichts von den _redeeming features_[11] des
_Empire_[12] und der Restauration.

_Pressure_[13] der Regierung auf die Bank. Steuerexekutor rigoröser
eintreibend auf dem Lande. Budget. Alle städtischen Administrationen,
weil der Prosperität unter die Arme gegriffen werden sollte, scheußlich
verschuldet. Dann der Einfluß der oriental[ischen] Frage auf die
_funds_,[14] und gefährliche Exploitation der Schwankungen der Papiere
durch den Hof selbst. Demoralisation der Armee. Es wäre noch besonders
hervorzuheben, wie die Manifeste, Ausrufe usw. der Gesinnungsmänner
Ledru, L. Blanc und vor allem Foulon (?) nicht die Laus _gemoved_[15]
haben, wie aber die soziale und ökonomische Krise die ganze Schmiere in
Bewegung bringt usw. Ich weiß natürlich nicht, ob Dir das Thema zusagt.
Jedenfalls laß mich wissen, ob ich bis Dienstag _articulum_ zu erwarten
habe oder nicht, da ich mich danach richten muß.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Der letzte.

   [2] [Da Sonntag] ausfällt, soweit das Britische Museum in Betracht
   kommt.

   [3] Ergänzt.

   [4] Beseitigung des Regime Bonaparte.

   [5] Ausbrechen.

   [6] Löhne.

   [7] Schließen.

   [8] Werkstätten.

   [9] Verschwenderische Ausgaben.

   [10] Hohlheit.

   [11] Ausgleich bietende Seiten.

   [12] [Das erste] Kaiserreich.

   [13] Druck.

   [14] Staatspapiere.

   [15] In Bewegung gesetzt.


                                  254

                                28 Deanstreet, Soho, 28. Oktober 1853.

_Dear Frederic!_

_Mes remerciements pour les deux articles._[1] Ich fürchte, Du bist
etwas zu sehr von Herrn Schmitt für Rußlands militärische Leistungen
eingenommen. Zunächst, was den Feldzug von 1828 bis 1829 betrifft, war
er miserabel nach dem Urteil der meisten _contemporains_,[2] unter
anderem beziehe ich mich auf den Adjutanten des _Duke of_[3] Wellington
an letzteren, veröffentlicht im Portfolio. Die Festungen wurden mehr
noch gekauft als gestürmt. Überhaupt spielte die _bribery_[4] eine
Hauptrolle. Nachdem er den Balkan passiert, war Diebitsch nicht sicher,
ob er komme um zu siegen oder elendiglich gefangen und abgeschnitten zu
werden. Was ihn rettete, war wieder _bribery_[4] eines der
kommandierenden Paschas und die _utter dissolution_[5] der türkischen
Armee. Rußland fing den Krieg an, nachdem die Flotte bei Navarin
vernichtet, die alte Organisation der türkischen Armee durch Mahmud
vernichtet und noch keine neue geschaffen war. Die Umstände sind jetzt
jedenfalls andere.

Das Débats der letzten zwei Wochen hat Artikel über die Feldzüge von
1828 bis 1829 veröffentlicht, die ich indes nicht gelesen. Über das
weitere Material werde ich auf der Bibliothek nachsehen.

Ich schicke Dir die Fortsetzung des Palmerston. Jones hat um die weitere
Fortsetzung mir geschrieben. Ich habe ihm noch den einen Artikel
geschickt, aber mit der Bemerkung, daß er nichts mehr bekäme, wenn die
Sauerei mit den Druckfehlern (diesmal kraß und sinnentstellend) nicht
aufhört. Das Manuskript war sehr schön geschrieben.

Einliegend Heinzens Hochtaten.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Meinen Dank für die zwei Artikel.

   [2] Zeitgenossen.

   [3] Herzog von.

   [4] Bestechung.

   [5] Völlige Auflösung.


                                  255

                                28 Deanstreet, Soho, 2. November 1853.

Lieber Engels!

Du mußt mir bis übermorgen, wenn auch nur ein oder zwei Seiten (im Falle
Du keine Zeit hast) schreiben über die _crossing der Danube_[1] von
seiten der Türken und ihr Nehmen von Kalafat. Ich habe die Nachricht
gestern als _very doubtful_[2] gegeben. Sie scheint sich aber zu
bestätigen, und jedenfalls weißt Du aus den morgigen Zeitungen, wie es
mit der Sache steht. Ich kann nun weder schreiben darüber, noch als
„gesunder Menschenverstand“ darüber sprechen, seitdem die
wissenschaftliche Beurteilung einmal angefangen ist. Nach den
Nachrichten der französischen Blätter hätte _Schamyl_ die Russen
bedeutend geklopft, bedroht selbst Tiflis, und hätte General Woronzoff
an seine Regierung geschrieben, daß er Georgien, sobald es von zwei
Seiten bedroht werde, nicht halten könne ohne bedeutende Verstärkungen.

Die Tribune macht in der letzten Zeit bedeutenden Gebrauch von der
Annexationspolitik. Erstens ist Dein erster militärischer Artikel als
Leader annexiert worden, und zweitens mein Palmerston, dessen
Fortsetzungen nun von vornherein annexiert [sind]. Kurios, wie es Dir
erscheinen mag, ich bin durch das genaue Nachgehen in die Fußstapfen des
noblen _Viscount_[3] seit zwanzig Jahren auf denselben Schluß gekommen,
wie Monomane Urquhart, daß Palmerston seit mehreren Dezennien an Rußland
verkauft ist. Sobald Du die Fortsetzungen meines Artikels (speziell die
Sache über den syro-türkischen Konflikt) gelesen hast, erwarte ich Deine
Ansicht über die Sache. Es ist mir lieb, daß ich durch den Zufall dazu
gekommen bin, die auswärtige Politik – die diplomatische – seit
zwanzig Jahren mir in der Nähe anzusehen. Wir hatten diesen Punkt zu
sehr vernachlässigt, und man muß wissen, mit wem man es zu tun hat.

Die ganze Diplomatie reproduziert im großen Stieber und Ko.

Der New Yorker Enquirer, redigiert von General Webb – (ich habe den
Artikel nicht selbst gelesen) – hat auf den Dir geschuldeten Leader der
Tribune einen Angriff gemacht. Die Sache sei wissenschaftlich richtig,
aber ein Türkenkrieg werde nach anderen Prinzipien geführt. Die Türken
würden unter allen Umständen drauf losgehen usw.

Wie steht’s mit dem Fabrik-Pro–le–ta–ri–at?

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Überschreiten der Donau.

   [2] Sehr zweifelhaft.

   [3] [Adelstitel Palmerstons.]


                                  256

                              28 Deanstreet, Soho, 6. November [1853].

Lieber Engels!

Einliegend Schimpferei des großen Karl Heinzen in seinem Herold des
Westens über mich und Kommunismus.

Zugleich Brief von Cluß. Du ersiehst daraus, daß Willichs Brandrakete
mit der nächsten Post anlangen wird. Das Schlimme ist, daß die Kerls
ihre Schmiererei durch ganz Deutschland kolportieren werden, während
mein Pamphlet ruhig in Manchester und London schläft – und daß sie in
Heinzen wieder ein breitmäuliges Echo besitzen, während einige Monate
früher – außer der Kriminalzeitung – kein Organ dem W[eydemeyer] zu
Gebote stand. Wenn der Mist kommt, schicke ich ihn Dir sofort, damit Du
mir schreibst, was Deiner Ansicht nach zu tun.

Du ersiehst aus Cluß’ Brief, wie es mit der Reform steht. Fordere den
„alten Mann“ und Dronke auf, für sie zu schreiben. Sie haben ja _waste
time_[1] die Menge. Ob es gut ist, wenn wir zwei direkt schreiben, weiß
ich nicht. W.s Brief _horriblement_[2] fad, trotz allen Haschens nach
„Jeist“.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Verwüstbare [überflüssige] Zeit.

   [2] Grauenhaft.


                                  257

                       28 Deanstreet, Soho, London, 21. November 1853.

Lieber Engels!

Einliegend 2 Pfund Sterling Postanweisung für Lupus, die ich von Cluß
für ihn erhalten habe. Notabene auf eine Aufforderung meinerseits.

Zugleich Willichs höchst traurige Schmiererei.

_Du_ und _Dronke_ müßt mir auf die auf mich bezüglichen Stellen _bis
Freitag_ spätestens _Erklärungen_ zuschicken, die in meine _general
answer_[1] aufgenommen werden – in der Form von Erklärungen. Wir müssen
ebenso schlagfertig in unserer Antwort erscheinen, als der edle Willich
seinerseits gezögert hat. Halte Dich nur sehr humoristisch in Deiner
Erklärung. Danke für den Türkenartikel. Als der letzte eintraf, hatte
ich schon die Nachricht von dem Rückzug der Türken und habe die Sache
dem angemessen gedreht. Schreibe einmal, denn auf keinen meiner Briefe
antwortest Du seit vier Wochen, sondern schreibst nur sechs Zeilen.

                                                            Dein K. M.

Willst Du nicht Weihnachten herkommen und _bei mir_ absteigen? Ich habe
jetzt ein kleines Zimmer für Dich.

----------

   [1] Allgemeine Antwort.


                                  258

                               28 Deanstreet, Soho, 23. November 1853.

Lieber Engels!

So sehr Deine Zeit auch in Anspruch genommen, muß ich Dich doch bitten,
mir _für Freitag_ wenigstens – (mehr ist nicht nötig) – zwei Seiten
(Deiner gewöhnlichen) zu schicken in Englisch, damit nicht noch Zeit nur
für das Übersetzen verloren geht. Mir scheint der Feldzug für den Winter
beendet, und jedenfalls ist seine erste Periode abgeschlossen und daher
mit einigen allgemeinen Zügen abzumachen. Also auf zwei Seiten
wenigstens verlaß ich mich.

                                                            Dein K. M.


                                  259

                        28 Deanstreet, Soho, London, 2. Dezember 1853.

Lieber Frederic!

_Mes remerciements pour le beautiful article!_[1] Herr Dana wird seinen
Ruf als Feldmarschall in Amerika gründen.

Daß Du herkommst, um wieder hauptsächlich bei den Philistern zu hausen,
gefällt mir keineswegs.

Ich habe meine Erwiderung Dienstag abgeschickt: „_Der Ritter vom
edelmütigen Bewußtsein._“ Er wird sich wundern. Dein Brief und andere
Briefe von Steffen, Mieskowsky (nebst Zeugnis von Kossuth) usw. als
interessante Bestandteile, natürlich mit Eurer Unterschrift, in das
Ganze aufgenommen.

Jones wird vom Economist attackiert und bekommt Ruf.

Apropos. Dienstag Polenmeeting. Mazzini und Kossuth kamen nicht.
Blödsinniges Geschwätz von Worzel. Ruge und Ledru zeigten sich des
Umgangs würdig. Meine Frau war da. Ebenso auf dem Meeting, das Montag
gehalten wurde, von den Polen demokratischen Schlags. Harney war als
Präsident angezeigt. Furchtbare Revolte der gegenwärtigen [anwesenden]
fünfzig oder sechzig englischen Arbeiter. Zischen, „_Traitor_“,[2]
„_Drybone_“[3] [wie er den Chartismus genannt], Renegat. Furchtbare
Keilerei. Harney wagte nicht, den _Chair_[4] zu besteigen, wurde
schrecklich zerzaust, gekeilt, beschimpft, und kam trotz mehrmaligen
Versuchs nicht zum Sprechen. Die dummen Polen verstanden natürlich die
Sache nicht und sehen in dem Ganzen „Reaktion“.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Meinen Dank für den herrlichen Artikel.

   [2] Verräter.

   [3] Fleischloser.

   [4] [Präsidenten-]Stuhl.


                                  260

                                  [Undatiert. Etwa 12. Dezember 1853.]

Lieber Engels!

Aus der telegraphischen Depesche, die ich heute morgen von Dir erhalte,
kann ich natürlich nicht ersehen:

1. Ob Dir von New York aus Cluß’ usw. Antworten und die auf Willich
bezüglichen Nummern der Reform zugegangen. Das Gegenteil wäre möglich,
da Herr Lupus in einem abgeschmackten Briefe an Cluß seine Untätigkeit
durch Gepolter gegen Weydemeyer zu decken sucht.

2. Hat Dronke die bezüglichen Nummern der Kriminalzeitung
zurückgeschickt? Ich habe Steffen in Chester beauftragt, sie sich von
Dir einschicken zu lassen, da ich das einzige hier befindliche Exemplar
nicht missen kann. Als ich – diesmal _durch Dich_ veranlaßt – in
meinem letzten Briefe auf die kuriose Geschichte von der Erklärung des
„bekannten Herrn Dr. Dronke“ zu sprechen kam, schwante mir, daß das
nächste Resultat sein würde, daß ich keinen Privatbrief von Dir erhalten
würde bis nach einer Periode (von ein bis zwei Wochen), wo Gras über die
Sache gewachsen. Wenigstens ist das die Methode, die Du, seit Ankunft
von Lupus in Manchester, seltsam konsequent in allen mich persönlich und
die beiden Herren betreffenden Angelegenheiten beobachtet hast. Es ist
also besser, um unseren Briefwechsel nicht rein auf Telegraphie zu
reduzieren, künftig von beiden Seiten alle Anspielungen auf Deine
dortigen Freunde und Schützlinge wegzulassen.

Salut

                                                            Dein K. M.


                                  261

                                                    14. Dezember 1853.

Lieber Frederic!

Du weißt, daß jeder momentan seine Nücken hat und _nihil humani_[1] usw.
Von „Konspirieren“ und solchem Unsinn war natürlich nie die Rede. _Some
jealousy_[2] bist Du gewohnt, und _au fond_[3] ärgert mich nur, daß wir
jetzt nicht zusammen sein und zusammen arbeiten und lachen können,
während die „Schützlinge“ Dich bequem in der Nähe haben.

Einliegend die eine Kopie [Abzug] des „Ritters“. Die andere ist heute
oder gestern in Washington eingetroffen. Ich habe die Sache dem Cluß
zugeschickt, damit keine Kollision zwischen den zwei Erklärungen
stattfinde, und damit er streicht, was schon einmal da war. In der
fortgeschickten Kopie sind noch einige kleine stilistische Änderungen
gemacht.

_Quant à_[4] Palmerston, so könnte ich bloß auf eine „deutsche“ Schrift
eingehen, wenn ich sicher wäre, daß ein Buchhändler später die Arbeit
nähme. Deutsches Manuskript habe ich nämlich nicht, da ich von
vornherein, seit ich selbst die Sache englisch schreiben muß, den Dreck
immer gleich im Original angelsachse. Für die Tribune denke ich zu
schließen mit den _treaties of_[5] 1840 und 1841, wofür ich sehr dicke
_blue-books_ zur Verfügung hatte, _besides_[6] dem Hansard und dem
Moniteur. Die Umtriebe Palmerstons in _Greece_,[7] Afghanistan, Persien
und Serbien als minder wichtig beiseite gelassen. Allerdings bliebe nun
noch die Revolutionsepoche, wofür wieder die _blue-books_ – obgleich
bedeutend verstümmelt – bedeutendes Material liefern, auch über unseren
„vaterländischen“ Krieg usw. in Schleswig-Holstein.

Was Deinen Bonaparte als Artilleriehauptmann und Schriftsteller
betrifft, so fände ich es besser, wenn Du in Deinem Namen solchen
Aufsatz zuschicktest entweder der 1. Daily News, 2. Examiner oder 3. der
Westminster Review. Das erste wäre vielleicht das beste. Du könntest
durch einen solchen Artikel plötzlich – _par coup d’état_[8] – Dich so
in der Londoner Presse stellen, daß Du sie „pressen“ kannst und Dir
zugleich die Chance eröffnest, Dein Buch über den ungarischen Feldzug
englisch, in London, erscheinen zu lassen, was jedenfalls einträglicher
und effektvoller wäre als in _poor_[9] Leipzig.

Die Tribune renommiert natürlich gehörig mit Deinen Artikeln, als deren
Verfasser wohl _poor_[9] Dana gilt. Da sie gleichzeitig den P[almerston]
sich angeeignet, so ist seit acht Wochen Marx-Engels die eigentliche
„Redaktion“, der _editorial staff_[10] der Tribune.

Es ist mir lieb, wenn Du neben den größeren Ausführungen, welche sie als
Leader sich aneignen, und die ja doch nur bei gewissen bedeutenderen
_events_[11] oder Abschnitten, wie der Anfang, dann die Schlacht bei
Oltenitza usw. möglich sind, – (wenn es Dir Deine Zeit erlaubt) – in
den unbedeutenderen Zwischenräumen die _facta_[12] nur immer kurz, zum
Beispiel ein bis zwei Seiten anglisiert. Ich habe mit dieser kleinen
Schmiere viel mehr Schwierigkeiten, auch sprachlich, als mit profunden
(!) Entwicklungen, und besonders mit Material, womit ich durch englische
Lektüre seit Jahren in _englischem_ Verhältnis. Natürlich brauche ich
dies bloß, wenn die großen _événements_[11] fehlen. Die Hauptsache ist
die Ängstlichkeit meines kritischen Bewußtseins in Sachen, worin ich
mich nicht _à la hauteur_[13] fühle. Mein Konkurrent schreibt sehr
einfach die _facts_[12] (oder vielmehr was die Londoner Presse für
_facts_[12] ausgibt) ab.

Was hältst Du von dem _einliegenden_ Vorschlag meines Schwagers Juta,
monatlich für den Zuid-African (Kapstadt) zu schreiben? So schlecht Juta
französisch stilisiert, ein so braver und verständiger Kerl ist er.
Hätten wir – Du und ich – zur rechten Zeit in London das _englische_
Korrespondenzgeschäft angefangen, so säßest Du nicht in Manchester,
Kontorgequält, und ich nicht Schuldengequält. Ich glaube übrigens, daß,
wenn Du jetzt militärische Artikel an die Londoner Presse schickst, Du
in ein paar Wochen eine fixe Stellung erhalten kannst, die Dir soviel
abwirft wie das Manchestergeschäft, und mehr freie Zeit läßt. Die
_demand for military writers_[14] ist jetzt größer als die Zufuhr.

Es wäre selbst die Frage, ob die Times selbst nicht sehr glücklich wäre,
einen _military collaborator_[15] zu angeln, da sie in diesem Punkt
miserabel beschlagen ist. Es gälte einen Versuch. Man steht jetzt
natürlich auf dem Punkt, wo man jede englische Zeitung als bloßes
Magazin betrachtet, und es ist Wurst, in welchem dieser Magazine man
seine Artikel ausstellt, _supposé_,[16] daß sie nicht _adulteriert_[17]
werden.

                                                            Dein K. M.

----------

   [1] Nichts Menschliches [ist mir fremd].

   [2] Etliche Eifersucht.

   [3] Im Grunde.

   [4] Hinsichtlich.

   [5] Verträge von.

   [6] Außer, neben.

   [7] Griechenland.

   [8] Durch Staatsstreich.

   [9] Arm, dürftig.

   [10] Redaktionsstab.

   [11] Ereignisse.

   [12] Tatsachen.

   [13] Auf der Höhe.

   [14] Nachfrage nach Militärschriftstellern.

   [15] Militärischer Mitarbeiter.

   [16] Vorausgesetzt.

   [17] Gefälscht.


                     Anmerkungen zur Transkription

Die Beiträge der Herausgeber wie z. B. das Vorwort befinden sich in der
Druckvorlage auf Seiten mit römischen Seitennummern. Diese
Seitennumerierung beginnt wieder mit I in jedem Abschnitt. Deshalb wurde
hier den jeweiligen römischen Seitennummern die Nummer des Abschnitts
ebenfalls in römischen Zahlen vorrangestellt. Die Seiten des
Briefwechsels sind arabisch durchnumeriert und daher nicht betroffen.

Die „Berichtigungen zum ersten Band“ (S. I.VIII) wurden in den Text
eingearbeitet.

Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere
Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 94]:
   ... ganz an die Bourgeois gerichtet, um sie zu rassurieren. Kein
       Wunder, ...
   ... ganz an die Bourgeois gerichtet, um sie zu reassurieren. Kein
       Wunder, ...

   [S. II.VIII]:
   ... Notlage zurückzuführen, in der das Londoner Exil sie sieht.
       Die Bezeichnung ...
   ... Notlage zurückführen, in der das Londoner Exil sie sieht. Die
       Bezeichnung ...

   [S. 218]:
   ... innerhalb der vorgeschriebenen Fristen eingereiht, dann je
       nach der Wichtigkeit ...
   ... innerhalb der vorgeschriebenen Fristen eingereicht, dann je
       nach der Wichtigkeit ...




*** End of this LibraryBlog Digital Book "Der Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx 1844 bis 1883, Erster Band" ***

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