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Title: Der alten Sehnsucht Lied: Erzählungen
Author: Herzog, Rudolf
Language: German
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LIED ***



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Der alten Sehnsucht Lied



_Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Nachfolger_

in Stuttgart und Berlin


_Rudolf Herzog_:

    Der Graf von Gleichen

    Ein Gegenwartsroman. 5. u. 6. Auflage

                                  Geheftet M. 3.50 In Leinenband M. 4.50

    Die vom Niederrhein

    Roman. 9.--11. Auflage.
                                  Geheftet M. 4.-- In Leinenband M. 5.--

    Das Lebenslied

    Roman. 9.--11. Auflage

                                  Geheftet M. 4.-- In Leinenband M. 5.--

    Die Wiskottens

    Roman. 19. u. 20. Auflage

                                  Geheftet M. 4.-- In Leinenband M. 5.--

    Der alten Sehnsucht Lied

    Erzählungen. 1.--4. Auflage

      _Inhalt_: Deutsch und Fremd -- Giuditta Africana -- Auf
      der Fahrt nach dem Glück -- Der Gruß des Lebens -- Zweiter
      Frühling -- Frühlingsabend

                                  Geheftet M. 2.50 In Leinenband M. 3.50

    Gedichte

                                  Geheftet M. 2.50 In Leinenband M. 3.50

    Die Condottieri

    Schauspiel in vier Akten

                                  Geheftet M. 2.-- In Leinenband M. 3.--



    Der alten Sehnsucht Lied

    Erzählungen

    von

    Rudolf Herzog

    Vierte Auflage

    [Illustration: MDCXL]

    Stuttgart und Berlin 1906

    J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger



Alle Rechte vorbehalten


Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart



Meinem lieben Vater Seiler



Inhalt


                                   Seite

    Deutsch und Fremd                  9

    Giuditta Africana                 37

    Auf der Fahrt nach dem Glück      75

    Der Gruß des Lebens              105

    Zweiter Frühling                 127

    Frühlingsabend                   159

[Illustration]



Deutsch und Fremd


Die frühe Dämmerung des Wintertages glitt über die weite Hochebene
und griff spielerisch nach den verblassenden Sonnenlichtern, die sich
langsam zurückzogen, sich noch einmal zusammenfanden und mit dem
Hauch des gemeinsamen Abschiedsgrußes den Himmel in melancholische,
rötlich-violette Töne spannten. Weißer leuchtete der gefrorene
Schnee auf den breiten Ackerstrichen, die geradlinig, zu Würfeln
zusammengezogen, dunkelgerändert sich am Horizont verloren.

Aus der schwarzen Masse des Tannenwäldchens, das die Felder
umschlossen, zog das leise Singen des Frostes. Ein Zweig knallte
dumpf in der Kälte. Und es war wie ein Aufhorchen in der meilenweiten
Einsamkeit ...

Am Ausgang des Wäldchens zeigten sich zwei Reiter. Ohne sich
verständigen zu müssen, hielten sie gleichzeitig ihre Tiere an, rückten
sich aufrecht und schauten in die weiße Herrlichkeit, die sich vor
ihnen aufgetan hatte. Wie ein Schleier zog sich ein feiner Dampf um die
Pferdeleiber bei der kurzen Rast.

»Gräfin ...«

»Sprachen Sie, Oberst --?«

»Sagen Sie nichts mehr von Italien. Kein Wort mehr. Unsere Heimat ist
die schönste.«

»Weil sie die stillste ist ...«

»Im Winter. Damit wir Muße haben, abzuschließen und -- neu zu
erschließen. Das allein hält jung. Ah dieser Winter. Den kann uns Ihr
gelobtes Italien nicht nachmachen. Nein, nein, nein, ich danke Gott,
daß Sie wieder hier sind.«

»Wieder?« lachte sie kopfschüttelnd. »Das sind doch schon zehn Jahre.«

»Ich weiß es, Gräfin.«

»Sie sagen das so lyrisch, Oberst. Sie haben doch mit dem Dienst nicht
etwa auch die Zeitrechnung quittiert?«

Er klopfte dem unruhig werdenden Braunen, vornübergeneigt, den
dampfenden Hals. »Nur zurückgeschraubt, liebe Freundin.«

»~En avant!~«

»Wie Sie befehlen.«

Aber sie ließen die Tiere im Schritt gehen. Seite an Seite ritten sie
über den knirschenden Schnee, und keiner sprach aus, was ihn bedrängte.
Dann fiel der Pfad allmählich ab. Eine halbe Stunde war verronnen.

»Gleich werden wir im Tal das Städtchen sehen.«

Da griff sie in den Zügel seines Pferdes.

»Oberst, lieber Freund, das halte ich nicht aus. So nicht.«

»Was nicht -- und -- weshalb nicht?« Die Pferde beschnupperten sich
müde.

»Also schnell. Weshalb haben Sie den Dienst quittiert, ein Mann, Mitte
der Vierzig? Weshalb haben Sie das Gut übernommen? Weshalb gerade
jetzt?«

»Weshalb ...?«

»Ja, weshalb!«

»Alles das wollte ich schon vor zehn Jahren.«

»Und heute -- wollen Sie mehr? Sie schütteln den Kopf? Also wirklich
nicht? Oberst, Freund, weshalb schütteln Sie _nun_ den Kopf nicht mehr?
Soll das heißen, daß Sie ja auch damals schon -- mit noch anderen
Wünschen kamen ...«

Er wandte ihr mit einer energischen Bewegung sein Gesicht zu. Trotz der
Dämmerung bemerkte sie, daß sich sein Haar an den Schläfen weiß gefärbt
hatte.

»Frau Ella, wenn Sie mir zu reden gestatten -- jetzt endlich ...«

»Vom Sattel aus?« Sie gab seinem Braunen einen ermunternden Schlag und
sprengte voraus. »Kommen Sie! Dazu sind wir zu alt. Die Jugend liegt
hinter uns.«

»Die Jugend!« stieß er zornig hervor und warf den Gaul an ihre Seite.
»Himmel, besteht denn das Leben nur aus dieser vergißmeinnichtblauen
Jugend? Müssen wir denn absolut in Tränen und Seufzern schwimmen, wenn
diese sentimentale Zeit --«

»Nicht schimpfen!«

»Soll ich mich etwa freuen, daß ich das zehn Jahre mit angesehen habe?«

»Was denn? Tränen und Seufzer? Von mir nicht!«

Frage und Antwort flogen hastig durch den aufgewirbelten Wind ... Ein
kurzer Galopp über ein ebenes Wegstück, eine scharfe Biegung an einer
buschbestandenen Stelle, und aus der Talmulde tief unter ihnen blitzten
und blinzelten rot und gelb die Lichter des Städtleins.

Noch einmal parierte die Reiterin ihr Pferd. Mit einer Handbewegung
umfaßte sie das Bild, mit einer ganz langsamen Bewegung der
behandschuhten Rechten. Aber sie sprach nicht. Im Tal schlug die
Kirchenuhr. Die Klänge schwangen sich in der Winterluft weit über Land.

»Der alte Pfarrer ist nun auch schon tot,« sagte der Oberst. »Das ist
schon eine Reihe von Jahren.«

»Als sein Sohn starb.«

»Ja, als Sie zurückkehrten. Ich hatte Urlaub genommen, um Sie auf der
gemeinsamen Heimatscholle zu begrüßen. Herr Gott, Gräfin, schlug mir
das Herz auf der Herreise.«

»Sie haben mir damals ein Versprechen gegeben. Die Frage, die Sie
hertrieb, nicht auszusprechen. Damit wir die alten Kindheitsfreunde
blieben.«

»Kindheitsfreunde? Ich war Zeit meines Lebens zehn Jahre älter als Sie,
das zählt in der Kindheit. Als ich Sie endlich gewahrte, waren Sie
Gräfin. Ich habe Unglück mit Ihnen.«

»Ich werde Sie vor weiterem Unglück bewahren.«

Er achtete nicht auf den Einwurf. »Als der Graf am allzuraschen Leben
starb, verschwanden Sie in der Freiheit. Als fahrender Ritter konnte
ich Ihnen nicht folgen. Auch respektierte ich das Trauerjahr. Aber Sie
kamen nicht wieder. Die Illusionskraft Italiens hielt Sie ganz und gar.
Und als Sie endlich kamen, hatten Sie auch die Illusionen für immer
hinter sich gelassen. Wenigstens sagten Sie damals so: für immer.«

»Bemitleiden Sie mich, Oberst.«

»Bemitleiden Sie mich etwa? Nein, dafür danke ich in unser beider
Namen. Trotz meiner fünfundvierzig Jahre --«

»Und trotz meiner fünfunddreißig?«

»-- sage ich mir: das Leben fängt dann an, wenn man es packt.«

Sie sann einen Augenblick noch vor sich hin. »Und Sie -- Sie haben alle
die Zeit so gedacht? Und darauf gewartet?«

»Ich habe darauf gewartet, daß Sie sprechen würden, nachdem Sie _mir_
das Sprechen verboten hatten. Und ich war fest überzeugt, daß Sie die
ungleiche Verteilung der Karten, die Sie vorgenommen hatten, aus sich
selbst heraus korrigieren würden. Dazu sind Sie ein zu stolzes und --
zu gerechtes Menschenkind.«

»Werden Sie den heutigen Abend auf Ihrem verschneiten Gutshof
zubringen, Oberst?«

»Wissen Sie mir Besseres vorzuschlagen?«

»Ob es Besseres ist, wenn ich Sie bitte, mit zu mir zu kommen? Ihrem
Braunen werden nach dem langen Marsch ein paar Stunden Stallruhe gut
tun.«

Er beugte sich aus dem Sattel, ergriff ihre Hand und drückte seinen
bereiften Schnurrbart auf den Handschuh.

»Mein Brauner dankt Ihnen, gnädige Frau.«

»Das nenn’ ich diplomatisch. Und nun querfeldein! Der Frost hat den
Schnee wie einen Parkettboden über die Ackerschollen gelegt. In fünf
Minuten sind wir daheim. Trab!«

»_Daheim?_ -- Trab!«

Und zum ersten Male lachten sie miteinander. Ganz jung und gesund.
Unter den Hufen der Pferde stäubte der Schnee, aus der Ferne tönte das
leise Singen des Frostes, die Mondscheibe gewann an Leuchtkraft, und
das tiefverschneite Land, Meilen hinaus auf dem Rücken des Berges, lag
wie ein Geheimnis. Vor ihnen bauten sich die Umrisse des Herrenhauses
auf. Das Licht des frühen Mondes schimmerte in der grünen Patina der
Turmdachkappe. Die mächtigen Schieferdächer des Hauptbaues reckten sich
kantig hoch. Das war stark und heimlich. In der Verborgenheit eine
Geborgenheit. Und Ackerland ringsum.

Ein Knecht lief ans Tor und nahm vor den Stallungen die Pferde ab.
Aber sie gingen beide mit hinein, bis die Tiere versorgt waren. Und
als ob es sich so von selbst verstände, ging die Gräfin weiter, von
Box zu Box, von den Wagenpferden zu den Ackergäulen, Futter und Stroh
prüfend, den Tieren den Hals klopfend. Mit einem eigentümlichen, frohen
Blick verfolgte der Oberst ihr ruhiges Tun. Dann schritten sie über den
gefegten Hof, an der strohumwundenen Brunnenpumpe vorbei, und betraten
das Herrenhaus.

»Sie müssen mich zwei Minuten entschuldigen, lieber Freund. Nur aus der
Fessel des Reitkleides heraus!«

»Und ich --? Darf ich in meinem winterlichen Reiterflaus ins Heiligtum?«

»Dort ist die Bibliothek. Nein, nein, ich will Sie nicht erschrecken!
Das Zimmer hat den gemütlichsten Kamin. Nur deshalb.«

Er war allein in dem Raum. Die Längswand war mit dichtgefüllten
Bücherregalen besetzt. Die Ecke zum Fenster schnitt ein geschnitzter
Schreibtisch ab. Darüber hing ein Ölbild: Das griechische Theater zu
Taormina. Die andere Wand füllte der weitbauchige Marmorkamin.

Der Oberst starrte auf die Bücherreihen, wandte sich zum Kamin, in
dem die Buchenkloben prasselten, wärmte sich gedankenvoll die Hände,
betrachtete eine Zeitlang aufmerksam das Gemälde über dem Schreibtisch
und fühlte sich endlich doch, gegen seinen Willen, zu den Bücherreihen
zurückgezogen. ›Diese Gelehrsamkeit!‹ dachte er staunend. ›Freilich, da
kann ich nicht mit.‹

»Ach, Unsinn,« sagte er plötzlich laut, »die Bücher tun’s nicht!«

»Die Bücher nicht?« -- Die Gräfin stand in der Tür. Sie trug ein loses,
weißes Wollkleid, das dicke, blonde Haar in einem griechischen Knoten.
»Schauen Sie mich nicht so verwundert an. Ich bin die Gutsherrin von
Schönhof. Also die Bücher tun’s nicht?«

»Nein, Gräfin, das Leben tut’s.«

»Das Leben, lieber Freund, steckt nirgends so schön wie in den Büchern.«

»Ja, wenn man achtzig ist -- und hat selbst ein Lebensbuch geschrieben
-- und Punktum darunter gesetzt. Sonst -- sonst ...«

»Nun? Sonst?«

»Sich das Leben, das eigene Leben, aus fremden Büchern borgen --
halten Sie es meinem Soldatenjargon zu gut, aber das käme mir wie
Drückebergerei vor. Ein Leben, sein eigenes, das muß man selber leben
und gestalten. Gräfin! Vorhin, als Sie durch den Stall gingen, wie
Ihnen da die Augen glänzten. Und vorher schon, als wir über das Land
ritten, das so warm unter der Schneedecke liegt! Sehen Sie, da waren
Sie: _Sie_! Alles andere ist ja nur ein fremdes Kostüm, das Ihnen nicht
sitzt, in das Sie trotzdem Ihre Jugend, Ihre Bestimmung hineinzwängen,
weil Sie sich vor Jahren einmal in den Maskenscherz verliebt haben.«

»Ja,« sagte sie, »ich hatte mich verliebt ... Und ob es ein
Maskenscherz war, sollen Sie mir später sagen.« Sie sah ihn offen an.
»Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig, weshalb ich Sie bat, Ihre
Werbung nicht vorzubringen. Vor zehn Jahren war alles noch zu frisch.
Ich selbst war wohl wieder im lieben Deutschland, aber meine Gedanken
-- nein, meine Gedanken nicht. Die irrten verstört in Sizilien.«

Sie saßen in den tiefen Juchtensesseln dicht vor dem Kamin, der Oberst
mit gefurchter Stirn, die Herrin des Hauses mit weitem, rückschauendem
Blick.

»Als der Graf, mein Gatte, seine Besitzungen in der Altmark erschöpft
hatte, zogen wir uns hierher, auf Gut Schönhof zurück, das mir meine
Eltern hinterlassen hatten. Nie in meiner Ehe war ich so froh, wie
an jenem Tage. Ich war von Haus aus ein schwerer Schlag, ein echtes
Gutskind, wie Sie sich vielleicht erinnern. Die Weltdame zu spielen,
habe ich nie gelernt. Das war der ewige Zorn meines Mannes. Und sonst
hatte ich auch nicht allzuviel gelernt. Was mir die Gouvernante und der
gute Pastor im Städtchen beibringen konnten, wenn der Stall und die
Felder mich freiließen. Der enge, kleine Horizont des Städtchens im
Tal zog auch den geistigen Horizont aus den höher liegenden Gutshöfen
in Mitleidenschaft. Wenigstens war das früher so. Kurz, ich war ein
dummes, derbes Landkind und _wollte_ nichts anderes sein.

Damals begann das ›allzu rasche‹ Leben des Grafen -- wie Sie sich
vorhin ausdrückten -- sich in seinen Folgen mit erschreckender
Deutlichkeit bemerkbar zu machen. Die Gicht zog ihn, der längst nicht
mehr der jüngste war, zusammen, und mit der Zunahme der Anfälle
steigerte sich sein Zorn auf alles, was um ihn her gesund war. Ich
wurde seine Gefangene, ich durfte das Zimmer nicht mehr verlassen.
Dumpf und stumpf hockte ich neben seinem Krankenstuhl -- denn er hatte
sich das Reden verbeten -- dumpf und stumpf, monatelang, ein Jahr
lang. Was in der Natur vor sich ging, mir blieb es verborgen. Blieb mir
doch fast verborgen, was auf dem Gute getrieben wurde. Aber ich will
Sie mit der Schilderung meines Martyriums nicht quälen. Wenn mir damals
jemand das Sterben versprochen hätte, ich hätte genickt.

Der Zustand meines Mannes verschlimmerte sich. Es war Vorfrühling, denn
die Mägde trugen Büsche von Birkenkätzchen in die Zimmer. Da wurde mir
ein gleichgültiger Besuch gemeldet, der Sohn des alten Pfarrers, mit
dem ich zusammen unterrichtet worden war. Georg, der Spätgeborene. Sie
werden sich seiner entsinnen.«

Der Oberst sah auf und blickte wieder in die tanzenden Funken des
Kamins.

»Er kam, um mich zu bitten, ihn bei seinem Vater zu entschuldigen.
Irgendwo solle er in den nächsten Tagen als Hauslehrer eintreten. Aber
er zöge es vor, den Geist der Enge mit dem der Weite zu vertauschen. --
Ganz interesselos stellte ich eine Frage: ›Wohin wollen Sie?‹

›Nach _Italien_!‹ --

Nie vorher und nie nachher habe ich das Wort in solcher Betonung
wiedergehört. Ich wurde aufmerksamer, ich sah ihn an. Und ich sah in
ein unbekümmertes, strahlendes Jünglingsgesicht. So unbekümmert, so
strahlend sein können! ... Da rief drinnen der Kranke nach mir.

›Und Ihr Vater weiß nichts von dem Plan?‹

›Er würde mich ja gar nicht verstehen. Eine Brotstelle im Stich lassen
um eines seelischen Triebes willen! Frau Gräfin, das versteht hier ja
überhaupt kein Mensch.‹ Und er lachte ganz glückselig.

›Was wollen Sie in Italien anfangen?‹

›Ein unsterbliches Werk schaffen. Oder besser: mein unsterbliches Werk.‹

Da rief der Kranke ungeduldig zum zweiten Male nach mir. Ich
verabschiedete hastig den Besuch und versprach ihm, dem alten
Pfarrherrn ein versöhnliches Wort zu sagen. Dann saß ich wieder in
meiner Gefangenschaft. Aber seltsam: plötzlich roch ich den feinen Duft
des Frühlings aus den Birkenkätzchen, sah ich durch die Gitterstäbe
hindurch in sonnenbeschienenes Land, spürte ich eine mir fremde,
uneingestandene Frühlingserwartung im Blut, und alles nur, weil ich den
Klang im Ohr trug, aus Lachen und dem Jubelruf ›Italien!‹ gemischt, und
ich wußte nicht: war es das Lachen, war es das Wort ...

Als die Frühlingsstürme über unsere Hochebene dahingebraust waren
und die Burschen Maibäume schnitten, zog man bei uns die Flagge auf
Halbmast. Wir kamen vom Grabe des Grafen, und mitten in die Tröstungen
des alten Pfarrers hinein fragte ich ihn nach seinem Sohn. Ja, es wären
Briefe da. Der Georg läge in Rom herum oder in der Campagna und stehle
dem Herrgott den Tag. Er nenne das zwar in seinem unverbesserlichen
Leichtsinn ›dem Herrgott den Tag abgewinnen!‹ Trotz des sorgenden,
zitternden Tones, es klang doch eine geheime Bewunderung für den
Spätling durch. Dem Herrgott den Tag abgewinnen! Ach, wer das auch
vermöchte ... Für sich selbst, für die eigene, mißhandelte, stumpf
gewordene Seele einen Tag gewinnen ...

Zum Herbst reiste ich nach Italien. Die Gutsgeschäfte übernahm unser
langjähriger Verwalter, mein alter Onkel kam hin und wieder zum
Inspizieren. In Florenz erkrankte meine Zofe an Heimweh. Ich mußte
sie auf kürzestem Wege zurücksenden. Ich selbst fuhr nach Rom, lief
einen, zwei Tage ziellos durch die Straßen, stand freudlos und noch
viel verständnisloser vor den Denkmälern des Altertums und fand mich am
Abend einsam, meine Zofe beneidend, ja in Tränen in meinem Hotelzimmer.
Am anderen Morgen verhandelte ich mit dem Fremdenführer des Hotels. Ich
versprach ihm für die Herbeischaffung von Georgs Adresse eine glänzende
Belohnung, erklärte ihm, daß er sie wohl bei deutschen Künstlern in
Erfahrung bringen könnte und blieb in ängstlicher Erwartung daheim.
War der Helfer nicht herbeizuschaffen, so gedachte ich mit dem
Abendexpreßzug heimzureisen.«

»Natürlich, der Halunke brachte die Adresse,« murmelte der Oberst
grimmig.

»Nein,« lächelte sie, »er brachte sie nicht. Zwei Stunden darauf stand
Georg selber vor mir.«

Der Oberst stieß mit dem Fuß einen vorwitzigen Buchenspan in den Kamin
zurück, erhob sich und tat ein paar Schritte ins Zimmer. »Verzeihen
Sie, die Lampe flackert.«

»Soll ich weiter erzählen?« fragte sie nach einer Weile.

Er wandte sich um. Männlich und straff stand er vor ihr.

»Darf ich mir eine Zwischenfrage erlauben, Gräfin?«

»Aber gewiß, lieber Freund.«

»Wird das, was folgt, keine -- verzeihen Sie -- keine reguläre
Liebesgeschichte?«

»Wollen Sie also weiter hören?«

Er nahm seinen Platz vor dem Kamin wieder ein. Aber in seinem Gesicht
war ein unruhiger Zug, den sie bemerkte und der ein sonderbares,
mädchenhaftes Gefühl in ihr wachrief. Eine feine Röte lief über ihre
Schläfen, als sie weitersprach.

»Er sah sonnenverbrannt und hager aus, der gute Georg, auch war sein
Anzug nicht ganz tadelsohne. Aber seine strahlenden Knabenaugen machten
alles wett. ›Frau Gräfin,‹ rief er, ›wahrhaftig, es gibt bei uns noch
mehr Leute, die sich aus der Stickluft von dannen machen? Und Sie!
Gerade Sie! Nun können wir einmal an der Quelle revidieren, was mein
alter Herr uns beim Unterricht alles zu sagen vergessen hat.‹

›Ich finde mich in Rom nicht zurecht. Wollen Sie mein Führer sein? Oder
besser: mein Lehrer?‹

›Lehrer?‹ wiederholte er. ›Lehren kann hier allein die Natur. Hier
sprechen die Steine. Haben Sie das bei Ihren Wanderungen noch nicht
vernommen?‹

›Ich bin schwerhörig geworden. Und ob ich überhaupt noch aufnahmefähig
bin -- ich zweifle fast daran.‹

›Frau Gräfin,‹ sagte er respektvoll, ›ich weiß. Aber Sie sind doch
immerhin erst fünfundzwanzig.‹

›Soll das ein Trost sein? Mit fünfundzwanzig schon so weit wie ich?‹

›Also Rom ist zunächst nichts für Sie,‹ fuhr er ruhig fort. ›Erst heißt
es: sich akklimatisieren, Land und Leute kennen lernen, die Sonne lieb
gewinnen, das blaue, sagenhafte Meer. Und später, wenn das Glück uns
wohl will, rücken wir in langsamen Tagemärschen gegen Rom vor.‹

›Wir? -- Wollen Sie denn mit mir reisen?‹

›Aber natürlich! Soeben haben Sie mich doch als Führer engagiert. Das
heißt -- halt -- Frau Gräfin, ich habe kein Geld.‹

Da war sie wieder, diese nie gekannte lachende Stimmung, der ich
entgegenreisen wollte.

›Das hat nicht Ihre Sorge zu sein,‹ erwiderte ich hastig, um nicht
schon wieder den Mut zu verlieren, ›ich nehme Sie ganz einfach zum
Reisemarschall.‹

›Topp, dann können wir zum Bahnhof.‹

›Aber -- brauchen Sie nicht erst nach Hause?‹ fragte ich erschreckt.
›Ihre Reisevorbereitungen treffen?‹

›Menschen, die mit dem Glück segeln, sind immer reisefertig. Was ich
brauche, erhalte ich überall.‹

Der Ton steckte an. Und der Mann, der ihn angeschlagen hatte, erschien
meinen Augen, die so lange ins trübe Dunkel geblickt hatten, wie ein
junger Sonnengott. Wir fuhren nach Neapel, wir fuhren im Wagen den
Golf entlang nach Sorrent, nach Amalfi. Er lehrte mich sehen, Farben,
Formen, Wunder über Wunder, und meine Seele erwachte zum Genießen.
Das war das größte Wunder. Und alles dankte ich ihm, der sorglos und
heiter an meiner Seite lachte und sprach, die Sagen des Altertums mit
der Natur in Verbindung brachte, geschichtliche Ereignisse einfließen
ließ, mich die Kunst lehrte, sich der Künste zu freuen, sich des
Lebens zu freuen, und der dennoch überall der sorgende, taktvolle
Reisemarschall blieb. So kamen wir nach Sizilien.

›Wenn es Ihnen recht ist, Frau Gräfin, schlagen wir in Taormina
auf längere Zeit unsere Zelte auf. Dort können Sie sich auf Rom
vorbereiten.‹

›Weshalb gerade dort?‹

›Entsinnen Sie sich, was ich Ihnen als das herrlichste an Rom rühmte?
Die _Steine_ reden. Geben Sie acht, im alten Theater zu Taormina werden
Sie es vernehmen.‹

›Wollen wir nicht Messina bewundern?‹

›Ach, Frau Gräfin, selbst das Meerungeheuer, die strudelköpfige Szylla,
hat vor Langeweile diese Stadt verlassen.‹

Ich sah ihn an, verwundert über sein Drängen. Aber als ich die freudige
Unruhe in seinen Augen bemerkte, trieb es auch mich. ›Kommen Sie,
kommen Sie,‹ sagte er nur, ›wer zum Throne gelangen will, darf sich im
Vorsaal nicht aufhalten.‹

Und am Abend standen wir hoch droben, an die Ringmauer des alten
Theaters von Taormina gelehnt und blickten, staunten hinein in die
erhabenste Schönheit Gottes. Phantastisch recken und strecken sich
Felsen und Vorgebirge in die blaue See, die brandend an ihnen frißt.
Blöcke schichten sich zu Bergen, und auf jeder Bergspitze ein
Städtchen, ein Kastell, immer eins das andere an malerischer Form
besiegend. Und immer weiter wanderte der Blick, die sagenhafte Küste
des Odysseus, des Griechen verschlingenden Polyphem entlang. Die rote
Abendsonne warf ihre Purpurgarben durch die geborstenen Mauern des
Theaters, ließ die Säulen der Bühne wie roten Marmor flammen, ließ
unter uns die Küste des alten Naxos zu neuem Reiz erschimmern wie
vor Jahrtausenden, als die ersten Griechenfüße von Neuland suchenden
Schiffen hier an Land sprangen. Die Sonne huldigte im Farbenrausch
dem Herrscher Siziliens, dem grünumgürteten schneebedeckten Ätna und
ließ in weiter, weiter Ferne, im letzten Sonnendunst, den Schatten der
gestürzten Königin Syrakus uns ahnen ...

In dieser Stunde der Offenbarung empfand ich, daß die Schönheit nie
wieder aus meinem Leben verschwinden dürfe, und ich sah mich nach
meinem Helfer um. --

Auf die oberste Sitzreihe des Theaters gekauert, starrte der junge
Freund auf die zertrümmerte, moosbewachsene Bühne, vor der wie ein
der Auferstehung harrender Reichtum Marmorblöcke, Säulenschäfte und
Kapitelle schlummerten. Seine Augen glühten. So mußten Künstleraugen
glühen.

›Was schaffen Sie, Georg?‹

›Ja, ich schaffe ...‹

›Was arbeiten Sie eigentlich, Georg? Ich habe Sie nie gefragt.‹

›Weshalb einen Ausdruck dafür suchen? Ob man in Stein, Farben oder
Worten dichtet -- die Schöpferfreude tut’s.‹

›Lassen Sie mich teilnehmen,‹ bat ich leise, und er rückte zur Seite.

›Sehen Sie,‹ sagte er und beschrieb mit der Hand einen Kreis über all
die leuchtende Herrlichkeit, ›hier ist Gottes Geschichtsbuch. Hier
liegen die Kulturen von Jahrtausenden in Schichten aufeinander. Wen
die Götter lieben, der darf ein Lied aus dem Buche singen, unzähligen
Liedern das Leben wiedergeben. Vorwärts!‹ rief er und klatschte in die
Hände. ›Den Vorhang hoch!‹

Er beugte sich vornüber, mit großen lachenden Augen und schlug
befehlshaberisch mit der Hand auf die Mauer. Und ich beugte mich mit
vor, erregt und lachend. ›So lassen Sie doch beginnen, Dichter!‹

›Schauen Sie hin! Der braune Kerl da ist ein Sikuler, ein Ureinwohner.
Er fegt die Bühne sauber für die Gäste, die ihn aus dem Hause werfen.
Hierher, armer, betrogener Bursche! Lagere dich zu den Füßen der
Dame. Scheu bietet er Ihnen einen blühenden Orangenzweig aus seinen
Wäldern, Frau Gräfin. Und jetzt! Hören Sie die feine Musik, die
Flötenbläserinnen? Von der See herauf wallt ein Zug festlich gewandeter
Griechen, über die Bühne schreitet der Chor, griechische Kultur in den
feierlich erhobenen Händen, die Schar der lorbeergeschmückten Künstler
inmitten. Götterbilder erheben sich, Tempel wölben sich über den
Bildern, Städte wachsen um die Tempelhallen. Und die Menschen wachsen
mit und ihre Gedanken wachsen über sie hinaus, schon greifen sie nach
dem Sitz der Götter, die Griechenknaben, da -- da -- Vernehmen Sie den
Schrei? Sehen Sie, wie der Chor angstverzerrt über die Bühne stiebt?
Die Götter haben den Arm gereckt. Karthager über euch! Weinend schleppt
sich ein Griechenflüchtling heran. Er nimmt den Lorbeerkranz vom
Haupt und legt ihn Euch zu Füßen, Herrin. Und auf der Bühne frißt der
erzene Moloch Karthagos das Griechentum, und in seinem feurigen Bauche
verschwinden Helden und Künstler ...‹

›Wer naht dort?‹

›Kennen Sie nicht den »Schritt der Legionen«? Rom ist’s, das gestern
hungrig war und heute. Es läßt die Völker sterben bis auf Nam’ und Art,
ob es sich kaiserlich, ob es sich päpstlich nannte. Ah, wie es sich
auf Aktschlüsse versteht! Es macht ganze Arbeit. Bildsäulen, Gold und
Edelgestein packt es in seinen Räubersack. Keine Blume zur Huldigung?
Verzeiht, Rom gibt nichts umsonst. Laßt den blutenden Karthager
zufrieden! Er will zu meiner Herrin! Da bringt er Ihnen eine Aloe, die
er aus der afrikanischen Heimat hierher verpflanzte. Wie sein letzter
Blutstropfen glüht ihre Blüte ...‹

Der Freund sprang auf und wies auf die See. ›Eine Zauberblume ist’s.
Sie zwingt von neuem afrikanisches Blut über das enge Meer, und die
Flut, die heranwogt, ist die Sarazenenflut. Hei, wie sie die Felsen,
wie sie die Bühne erklettern, die sehnigen, geschmeidigen Kerle.
Da wirft Ihnen der Führer eine Rose zu. Fangen Sie auf, schöne
Frau, diese moslemitische Bande versteht sich auf Frauenschönheit.
Neue Dekorationen schleppen sie herbei. Wo weiße Griechentempel, wo
semitische Götzen, wo römische Altäre standen, wölben sich die Kuppeln
der Moscheen in bunter Mosaik und Mohammed wird gewaltiger als die
Götter der Himmel. Noch einmal werden die Trümmer der Vergangenheit
in Trümmer geschlagen, auf den Trümmern neu aufgebaut, Sarazenennamen
verschlingen die Namen der Städte, das Halbmondbanner rauscht über
Sizilien.‹

›Weiter, weiter!‹ drängte ich und griff nach seiner Hand. Er preßte
sie, daß es schmerzte.

›Oho! Das Stück ist noch nicht zu Ende. Auf der Bühne drängen sie nach
vorn, weichen taumelnd zurück. Blonde, blauäugige Männer erscheinen in
der Kulisse. Sie stürmen vor, sie packen zu. Die Normannen sind da! Das
Theater hallt wider vom Kampfgeschrei. Vom Jauchzen der blonden Sieger.
Stille ringsum. Die Hohenstaufen reiten auf die Walstatt. Deutschlands
Kaiser streckt das Schwert über das blutgedüngte Sizilien ...‹

›Bringt er mir keine Blume mit? Sie haben mich verwöhnt.‹

›Er trägt eine vorn ins Panzerhemd genestelt. Die blaue Blume der
Romantik! Ich hole sie Ihnen. --‹

-- Wie es kam, lieber Freund?« sagte die Gräfin leise und berührte
des Hörers Hand, der in sich versunken am Kamine saß. »Wir waren in
Dichters Landen. Ein Prinz, so schien mir, hatte ein Gänsemädel
hineingeführt. Und der Prinz kniete vor mir, mit lachendem Gesicht, mit
Augen, in denen die Freude über meine Freude stand, und ich nahm dies
Antlitz in beide Hände ...«

»Still,« sagte der Oberst, »ich fragte nicht danach.«

Die Gräfin hatte sich zurückgelehnt. Sie hielt die Augen geschlossen.

»Eine Frau muß eine Erinnerung haben. Ich hatte bis dahin keine. Nimmt
es Sie wunder, daß da mein Herz aufsprang, staunend, hingerissen von
der Natur und dem ersten Menschen, der sie mir kündete? Daß ich selig
wie ein junges Mädchen war? ›Du ...‹ stammelte es vor mir, unter meinen
Händen hervor, auf denen ich seine Lippen spürte, und ich erwiderte
ihm, wie einen Dank: ›Morgen, morgen -- sollst du es wissen ...‹

Arm in Arm gingen wir durch den Abend heim, das ›morgen‹ erwartend. Die
Sonne kam, aber nicht der Freund. Er lag in seinem Zimmer, fiebernd.
Man holte einen italienischen Arzt herbei, ein Männchen aus der alten
Schule, das sich nicht zu helfen wußte. Mit Mühe schafften wir den
Erkrankten im Wagen zur Station. Wir saßen im reservierten Abteil, sein
Kopf hing matt auf meiner Schulter, und ich hielt seine fieberheißen
Hände. In einer Stunde waren wir in Messina, ein Wagen erwartete uns am
Bahnhof und brachte uns zum Hospital. Die Sonne ging unter ...

Ich saß Tag und Nacht an seinem Lager und ließ mich nicht verscheuchen.
›Er hat zu wenig an seinen Körper gedacht‹, sagte der Arzt, ›da
hilft auch Chinin nicht mehr.‹ Der Kranke phantasierte. Er schuf ein
Bühnenwerk und sprach Verse, die mich erschütterten. Dann fuhr er auf
und legte mir den Arm um den Hals. ›Soll ich es dir kaufen, das Theater
von Taormina?‹ -- ›Ich habe es ja schon in Besitz genommen‹, und ich
bettete ihn in die Kissen zurück. -- ›Und mich, mich nahmst du auch in
Besitz.‹ -- ›Werde gesund,‹ bat ich, ›es wird Großes aus dir werden.‹
Und er antwortete sinnend: ›Wenn die Götter mich lieben -- und ich früh
sterbe -- ein Dichter --! Ich weiß nicht, ob ich noch wünschen soll,
gesund zu werden ...‹ -- ›_Mein_ Dichter,‹ sagte ich und drängte die
Tränen zurück. -- ›Siehst du es,‹ meinte er, und in seinen Augen stand
ein Licht, ›das bin ich geworden. Dein Dichter. Könnte ich noch mehr
erreichen ...?‹

In der Frühe, als die Morgensonne kam, starb er in meinen Armen. Er
trug ein heimlich Diadem. Kein Mensch sah es als ich.«

Der Oberst erhob sich und trat ans Fenster. Er schob den Vorhang
beiseite und blickte lange in die mondhelle Winternacht, in die klare,
deutsche Landschaft.

»Frau Ella, nun möchte ich Ihnen auch ein Bild zeigen.«

Sie trat zu ihm, und ihr Blick flog über den stillen Gutshof, über die
stillen Felder.

»Hier wurzeln Sie, Frau Ella. Haben Ihnen das die zehn Jahre
pietätvoller Schwärmerei noch immer nicht gesagt?«

»Sie verstehen mich nicht, lieber Freund.«

»Ob ich Sie verstehe! Und Ihr Freund, der Dichter, hat Sie auch
verstanden.«

»Ich glaube es.«

»Nicht so. Sondern wie ich Sie verstehe. Die Todesstunde schärft die
Augen. Und als er sich mit seinen letzten Worten ›Ihren Dichter‹
nannte, fügte er in klarer Erkenntnis hinzu: ›Könnte ich noch mehr
erreichen?‹ Gräfin, deshalb wollte er nicht gesund werden.«

»Weshalb ...?«

»Weil er Ihres Wesens Kern kannte. Weil er wußte, daß bei Ihnen
nach der Stunde poesievollen Schwärmens, nach der sich einmal jede
Frauenseele sehnt, der Drang nach Betätigung, nach werktätiger Arbeit
wiederkehren würde; daß die fröhliche Bohèmewirtschaft, zu der allein
seine Natur veranlagt war, Sie trostloser gemacht haben würde, als
die Gefangenschaft zuvor. Sie haben einen zu sehr auf Ordnung und
Reinlichkeit gerichteten Sinn, liebe Gräfin. Der Farbenrausch des
Südens hatte ihn nur benommen. Das klingt nüchtern. Aber es paßt zu
unserer Landschaft. Und wir lieben diese Scholle in ihrer herben
Schönheit, und wir lieben den geradblickenden, gesunden Schlag ihrer
Menschen.«

»Oberst, Sie schätzen mich zu gering ein.«

»Nein, bei Gott nicht, und ich verehre Sie um Ihrer Treue willen nur
noch mehr. Aber es ist die Treue, wie man sie einem schönen Gedicht
aus der Mädchenzeit hält. Alle diese Bücher« -- er wies mit ruhigem
Lächeln auf die Bücherreihen -- »sollten Ihnen das Gedicht und die
Freude an dem Gedicht wiederbringen. Fanden Sie das Glück wirklich in
der abgeschiedenen Stille Ihrer Bücherei? Oder spürten Sie es im Sausen
und Brausen, wenn die deutsche Gutsherrin auf kräftigem Fuchs über
ihre Äcker galoppierte? Gräfin, betrügen Sie sich nicht ein ganzes,
köstliches Leben hindurch mit einer Episode des Lebens. Man schlüpft
nicht in ein Kleid, das einem nicht gehört. Man sprengt doch eines
Tages die Nähte. Hierher gehören Sie, zu Frauen und Männern unserer
Art. Ein Tröpfchen romantischen Blutes haben wir alle, und mich treibt
es jetzt dazu, Ihnen trotz des Schattens, den Sie gegen mich kämpfen
lassen, gerade in dieser Stunde auszusprechen: Ich liebe Sie _mehr_!
Und ich will Sie glücklicher machen, als die Erinnerungen. Ich biete
Ihnen kein Gedicht, ich biete Ihnen ein Leben.«

»Das bot er mir auch ...«

»Nein, er bot Ihnen seinen Tod, ich Ihnen das Leben!«

»Kennen Sie das wehmütige Sprichwort, Oberst: ›Wen die Götter lieben,
der stirbt jung‹?«

»So sollen die Götter mich mit ihrer Liebe ungeschoren lassen.«

»Nein, Oberst, Sie sind kein Dichter.«

»Gehört das zu den Forderungen, die Sie an Ihre Freunde stellen?«

»Sie verspotten mich.«

»Nur mich selber. Weil ich nur lernte, erst den Säbel, dann die
Pflugschar führen. Denken Sie, ich hielt das bis heute auch für
Poesie. Aber da ich Anwartschaft darauf habe, steinalt zu werden --
meine Vorfahren waren eine zähe Sorte und haben sich gewaltig ihres
Lebens gefreut -- so werden die Götter Taorminas wohl anders über meine
Poesie denken. Gute Nacht, Gräfin, ich hole mir meinen Gaul selber aus
dem Stall.«

Straff und aufrecht stand er vor ihr. Dann beugte er sich, küßte ihre
Hand und ging hinaus.

»So warten Sie doch. Ich begleite Sie in den Stall.«

»Es ist ein ganz gewöhnliches Pferd, Gräfin, ohne Flügel. Aber dafür
umso zuverlässiger.«

Von der Freitreppe aus sah sie, wie er sich in den Sattel schwang.
Roß und Reiter verwuchsen in eins. Ganz feine Flocken tanzten.
»Prachtvoll!« rief er zurück. »Das wird ein Ritt.« --

Als sie ins Haus zurückkehrte, blickte sie sich um. War es hier immer
so leer? Sie ging in die Bibliothek, nahm ein Buch und setzte sich vor
den Kamin. Nein, nicht lesen. Es war eine lebendige Stimme im Zimmer.

Sie stand auf und stellte sich ans Fenster. In der heimischen
Winternacht sollten die Erinnerungen südlicher Sonnenstunden um sie
sein. »Georg,« sagte sie vor sich hin, um seine Gestalt zu beschwören.
Aber sie kam nicht. Sie sah nicht seine Augen, hörte nicht sein Lachen.
Sie strengte sich an, das Dunkel zu durchdringen, zehn Jahre rastloser
Gutsarbeit zu verscheuchen. Er kam nicht. Und vor wenigen Augenblicken
noch hatte sie von ihm erzählt, erzählt, wie man ein Gedicht erzählt,
wie Mädchen erzählen. Nicht wie Frauen.

»Georg ...«

Und Stunden hindurch stand sie am Fenster und wartete auf ein
Gesicht, das nicht kommen wollte, das nicht kommen konnte, da die
schwärmerischen Mädchenaugen, die es einst erschaut, auch nicht mehr
waren ...

Fernhin ein Klang, wie ein Liedklang ...

       *       *       *       *       *

Glänzend weiß lagen die Felder in der Morgensonne. Der Gutsherrin, die
vom Tore aus Umschau hielt, fielen ein paar Worte ein vom gestrigen
Tage. »Unsere Heimat ist die schönste.« -- »Weil sie die stillste
ist ...« -- »Im Winter. Damit wir Muße haben, abzuschließen und -- neu
zu erschließen.«

Lohnte sich das wirklich noch? ›Das Leben fängt dann an, wenn man es
packt,‹ tönte es in ihrem Ohr. Ein Manneswort.

»Hallo, Friedrich, so früh? Ihrem Herrn geht es doch gut?«

Der Mann verhielt sein Pferd. »Der Herr Oberst haben die ganze Nacht
geschrieben,« sagte er bekümmert. »Kein Bett angerührt.«

»Geben Sie her, was Sie für mich haben.«

Sie nahm dem Alten den Brief aus der Hand, ließ ihn stehen und eilte
ins Haus. Ein Abschied? Nun zitterten gar die Hände. Dann riß sie das
Kuvert auf. Lesen mußte sie doch.

Als sie das Blatt sinken ließ, standen ihr die Augen voll Tränen. »Mein
Gott,« lachte sie, »mein Gott, wie fürchterlich! Ein -- Liebesgedicht.«
Und unter dem Gedichte stand in markigen Zügen: »Teuerste Gräfin, ist
das schön? Oder ist das scheußlich? Und doch habe ich es, bevor ich
das alles in diese vertrackten Worte zwang, wunderbar schön empfunden.
Muß man Strophen drechseln können, um ein Dichter zu sein? Kommen Sie
hinaus, auf die verschneiten Äcker. Dort liegt Gedicht an Gedicht. Und
wer Augen hat, sie zu sehen, dem gehören sie, der ist ihr Dichter!
Kommen Sie, Gräfin. Es ist ein Preiswettsingen. Ich stelle mich.«

Sie öffnete das Fenster, daß es klirrte.

»Johann, meinen Fuchs!«

Sie zog den Reitrock über und drückte den Hut auf die Flechten. Und
noch einmal las sie die stolpernden Verse. »Nein,« lachte sie, »dafür
lieben dich die Götter nicht. Aber die Menschen müssen dich lieben.«

Sie sprengte aus dem Tor und freute sich ihrer Kraft, mit der sie
den Gaul in den Zügeln hielt. Der Schnee stiebte unter den eiligen
Hufen. Fern an der Feldmark, die die Güter schied, gewahrte sie einen
Reiter, der Ausschau hielt. Da setzte sich sein Pferd auch schon in
langgestreckten Galopp. Und sie riß den Hut vom Kopf und winkte dem
Reiter entgegen ...



Giuditta Africana


Regungslos lag die See ... Und regungslos das halbverfallene
Städtchen, das hoch über ihr an der Felswand klebte, leeren Auges die
Vergangenheit suchend. Unbewohnt stand die Hälfte der kastenartigen
roten und weißen Häuser mit den abgeplatteten Dächern maurischer
Bauart. Von der Sonne verblaßt, vom Regen zerfressen war die einst
leuchtende Farbe. Die Geschlechter hatten sich nicht erneut zwischen
den kahler werdenden steinernen Wänden, deren Quadern aus dem
Felsenleib des einsam das Städtchen überragenden Sant’ Angelo gebrochen
waren. Waren sie ausgestorben, so verfiel der Besitz. Wer wollte sich
eine Last aufbürden! Sie hatten Platz genug in den eigenen Häusern, die
immer weniger werdenden Einwohner von Positano.

Nur die Gärten kannten das Sterben nicht. Über saftgrün wucherndem
Lorbeer und weißgesterntem wilden Myrtengebüsch hingen die Blüten des
Granatbaums wie dunkelglühende Blutstropfen. Ein Zweigegewirr mischte
sich träumerisch ein, niedergezogen von der Fülle reifender Zitronen,
goldgelber Orangen. In schwärzlichem Grün zwischen ihnen strotzende
Feigen und langgeschotet die Frucht des Brotbaums. Schon blühten die
Rosen aus, aber wie grelle Teppichfetzen zogen sich Geranienbehänge
über die lockeren Steine der Gartenmauern.

Tiefblau und regungslos, in gleichmütiger Schönheit, spannte sich
der Sommerhimmel über Verfall und Leben, tiefblau und regungslos,
in gleichmütiger Schönheit, lag die See. Nur in den verworrenen
Felsschluchten des Strandes und drüben, zwischen den kleinen Inseln,
die so schweigsam über das Meer lugten, seltsam grüne Flecke zeigend.
Als hätte sie eine ausbrechende Unterströmung zurückgelassen.

Auf der Terrasse des Gasthauses stand ich als einziger Gast und
blickte in die scheidende Sonne. Fern winkte in stolzem Linienschwung
die Silhouette Capris, näher heran, in violettem Duft, das Gestade
Sorrents, zu meinen Füßen, von der Abendglut purpurn geküßt, die
kleinen, schweigsamen Eilande. Der Sarazenenturm auf der mittleren der
Inseln schien in Flammen zu stehen.

Nicht ein Laut in der Luft. Totenstille. Aber ein Glühen in der Luft,
das das Blut fieberhaft erregte und matt niedersinken ließ.

Über die Terrasse kam schlurfenden Schritts der Wirt. Lässig hob er die
Arme über sich und pflückte Mispeln zur Abendmahlzeit.

»Schirokko, Herr.«

»Ich spür’ ihn. Wann wird er zu Ende sein?«

»Wenn der Regen fällt, Herr.«

»Und wann fällt der Regen?«

»In zwei, drei Monaten. Die Madonna sorgt.«

»Ihr haltet das aus?«

»O --« machte der Alte und hob die Achseln. »Man wird’s gewohnt. Und
dann: es ist viel afrikanisch Blut an der Küste. Das hält’s schon aus.«

»Afrikanisch Blut? Woher?«

Der Alte trat an die Brüstung. Mit ausgestrecktem Finger wies er auf
schattenhafte Punkte die felsige Küste entlang.

»Sehen Sie, Herr? Sarazenentürme! Wie der da vor uns, der in der
Abendsonne loht, da -- auf den Galli-Inseln.«

»Es ist lange her, daß hier die Sarazenen als Herren hausten. Wer wird
davon noch wissen?«

»Was macht die Zeit! In Positano wohnen Leute, die man heute noch die
›Afrikaner‹ nennt. Blut bleibt Blut. Das verläuft sich nicht.«

Er nahm sein Körbchen mit Mispeln auf, wischte sich noch einmal die
glühende Stirn und schlurfte von dannen. Plötzlich blieb er stehen.
Auch ich war aufgefahren. Beide horchten wir ...

Dann wandte sich der Alte um und deutete zur Höhe. Eine längst
verlassene Kapelle verfiel auf einem Felsvorsprung. Die Fensterhöhlen
starrten ohne Glas aufs Meer. Und durch die Fensterhöhlen drang eine
Stimme, die Fistelstimme eines alten Weibes, in den langgezogenen,
schluchzenden Tönen eines Kirchenliedes. Die Stimme wuchs an zu
leidenschaftlichem Anruf, zu sehnsüchtigem Schrei, und wieder erstarb
sie in lang ausklingendem wimmernden Laut. Totenstille wie vorher. Die
Stadt ohne Leben. Felsen und Meer schweigsam.

»Die verrückte Francesca,« lachte der Wirt.

»Weshalb ist sie verrückt?«

»Ja, Herr, weshalb? Die Madonna mag’s wissen. Es sind an die zwanzig
Jahr’ -- heut zählt die Francesca ihrer achtzig --, da kam das alte
Weib und wollt’ einen Mord auf dem Gewissen haben. Und hat keiner
Fliege was zuleide tun können. Sie war die Amme der schönen Giuditta
gewesen, der ›Giuditta Africana‹, die den Männern von Positano ins
Gesicht lachte, wenn sie ihr von Liebe sprachen, und die eines Tages
mit einem blassen Deutschen auf und davon war. Herr, ein Weib!
Sarazenenblut. Das verleugnet sich nicht. Sie können’s mir glauben,
Herr.«

»Und die Francesca?«

»Die Francesca, ich sagte es schon, war ihre Amme gewesen und
hatte auch nachher mit der Giuditta, die eine Waise war, zusammen
gehaust. Erst dort oben, in dem alten maurischen Palast. Nachher im
Sarazenenturm auf der Galli-Insel, weil die Giuditta keine Menschen
wollte. Es war aber der Deutsche, Herr. An einem glühenden Sommertag
-- der Schirokko drückte wie heute auf Mensch und Tier -- kam die alte
Francesca in ihrer Barke herübergerudert. Dort unten, an der ehemaligen
Marine, landete sie. Wie eine Wahnsinnige raste sie zum Pfarrer. Sie
habe gemordet, die Giuditta, den Deutschen, was weiß ich, und die
Leichen mit Steinen beschwert ins Wasser versenkt. Einen Brief trug sie
bei sich, den las der Pfarrer. Und in dem Brief schrieb die Giuditta,
daß sie mit ihrem Geliebten weit, weit nach Norden sei und nie
zurückkehre. Die Francesca aber schrie und tobte und klagte sich an,
und da der Pfarrer der Verrückten keine Absolution zu geben vermochte,
ist sie für immer aus der Kirche gelaufen. Wenn Schirokko ist, flüchtet
sie sich in die baufällige Kapelle und versucht Totenmessen zu singen.
Das klagt die ganze Nacht. Hören Sie! Jetzt! --«

»Und man hat nicht sofort nachgeforscht? Nicht nach Leichen gefischt?«

»Herr, die verrückte Alte! Da war doch der Brief. Und dann, Herr, es
war Schirokko. Da reißt sich keiner um unnütze Arbeit. Die Giuditta
hätt’ sich ins Fäustchen gelacht. Ein Weib, Herr!«

Und er schlurfte, selbstgewiß vor sich hinnickend, ins Haus.

Kreischend, wie der Schrei eines Falkenweibchens, das sein Junges
sucht, zog das Totenlied der alten Francesca über die stumpf
dahindämmernde Stadt, über die zerklüfteten Felsen und das schweigende
blaue Meer, das seitwärts der Inseln, dort, wo der Turm in der
Abendsonne zu brennen schien, in seltsamen kristallgrünen Flecken
schwamm.

Und schnell wie ein Vorhang senkte sich jäh die Nacht.

       *       *       *       *       *

Kaum, daß ich einem Menschen begegnet war den ganzen langen Tag.
Auf dem Sant’ Angelo wollt’ ich die Sonne sehen, wie sie fern aus
Kalabriens Gründen heraufkam, von Zacke zu Zacke sich schwang und
tief unten das Meer überschwemmte. Aber es war eine Erregung in mir,
der ich keinen Namen zu geben verstand. Waren es die gigantischen
Formationen, die bezwingenden Farben der süditalienischen Landschaft?
War’s die Schirokkoluft, oder war’s die Vergangenheit, die aus Trümmern
von Menschensiedlungen, aus Schluchten und Grüften groß und bannend die
Augen aufschlug?

Niederzwingen, das erregte Blut bezwingen! An den Felsen klebend, mit
Händen und Füßen das bröckelnde Gestein prüfend, tastend, kriechend,
kletternd geht es mit hart klopfendem Herzen und perlender Stirn von
Zacken zu Zacken, von Wand zu Wand. Starr blickt das Auge vorwärts auf
den Stein, steif streckt sich das Knie, kein Zittern darf hindurch.
Tiefer, tiefer hinab! Schon hör’ ich durch einen Steinkrater das
Gurgeln der See, die sich verfangen hat. Ein Felsblock schiebt sich
weit in das Wasser hinaus. Nun hab’ ich ihn! Ausgestreckt lieg’ ich
auf der durchlöcherten Platte, auf der grüne Eidechsen, hin und her
huschend, mit den Sonnenkringeln um die Wette spielen. Einsamkeit! --
Und in die Einsamkeit hineingesponnen, greifbar fast aus dem Wasser
zu mir auftauchend, dunkel und geheimnisvoll die Galli-Inseln. Der
Sarazenenturm schaut herüber. Wir starren uns an ...

Aber am Abend, schrill die lastende Stille der Versunkenheit
durchschneidend, wieder das sehnsüchtige Geschrei der verrückten
Francesca. --

Und der nächste Tag wie dieser. -- --

Da bin ich hinaufgestiegen durch den dunkelvioletten Abend zu der
verlassenen Kapelle, und die Erregung lief mit. In wildem Gebüsch
bluteten Granatzweige. Ich schnitt sie ab und trug sie in der Hand. Wie
die kühlen Blütenblätter beruhigten ...

Die Totenmesse der Alten war beim leisen Wimmern angelangt. Durch
das zusammengebrochene Portal sah ich den kauernden Körper. Die
vorgestreckten Arme hielten eine schwere Kerze, deren Licht grell ein
Gnadenbild beschien, halb von der schmutzigen Wand heruntergeblättert.

Noch einen tiefen Atemzug, und ich schritt hinein und sah mich nicht um
nach dem aufschreckenden Weib und ging geradenwegs bis zu der Stelle,
an der vor dem Freskobilde der Maria der Altar gestanden haben mochte.
Es war Phantasterei, ich empfand es. Und doch mußte ich sprechen,
als ob ich mit den lauten Worten ihrer ledig werden würde. Und die
blühenden Granatzweige auf die Altarstelle legend, sagte ich laut in
der Sprache des Volkes: »Zum Gedächtnis Giudittas und meines deutschen
Bruders, die auf dem Meeresgrunde schlafen.«

Die Worte liefen an den Wänden und verhallten. Und dann brach ein
Schrei hinterher, wie ich ihn nie vernommen, nicht vordem und nicht
nachdem: Staunen, Glückseligkeit, Erlösung. Die Achtzigjährige war an
mich herangekrochen und umklammerte meinen Arm.

»Sein Bruder seid Ihr? Herr, Herr, und Ihr glaubt es?«

»Sag es mir, Francesca.«

»Daß sie auf dem Meeresgrunde liegen? Daß sie tot und nicht geflohen
sind?«

»Ich glaube es, Francesca, und nun sollst du ihnen Ruhe geben.«

»Ich habe sie gemordet. Ich bin nicht verrückt, wie der Pater sagt
und der Bürgermeister und die Leute. Ich habe alles gewußt und nichts
verhindert. Darum habe ich sie gemordet.«

»Du warst die Dienerin. Du mußtest gehorchen.«

»Ich -- war -- die Dienerin. Heilige Mutter, bitte für mich und meine
süße Herrin, die in die Irre ging,« murmelten die welken Lippen.

»Du brauchst nicht mehr zu singen, Francesca. Deiner Herrin ist wohl.«

Verständnislos sahen mich die müden, entzündeten Augen an.

»Kennst du die Bibel, Francesca? In ihr steht ein Wort des Heilandes:
›Wer viel geliebt, dem wird viel vergeben werden!‹ Du kannst dich
darauf verlassen.«

»Wißt Ihr denn,« flüsterte die Alte mit stockendem Atem, »wie sie
starben? Wißt Ihr von der Giuditta Africana?«

»Du sollst erzählen, Francesca, damit ich alles weiß.«

Die Kerze, welche die Alte an eine Stufe gelehnt hatte, knisterte. Ihr
Licht spielte in den Granatblüten, die wie Blutstropfen in den Zweigen
hingen. Die Greisin sah hin. Ihre Augen weiteten sich.

»Da -- da -- da! -- Blut --«

»Sieh genauer hin, Francesca. Die Blutstropfen haben sich in Blumen
verwandelt. Für jede Schuld gibt es eine Verzeihung.«

»Es sind -- Blumen,« sagte die Alte.

»Nun mußt du Ruhe geben. Dir -- und den Toten.«

Scheu ging der Blick der Alten zu den Granatzweigen. Dann hing er an
dem abgeblätterten Madonnenbild. Und jedes Wort, stockend oft, oft
jagend, sprach sie zu dem Bilde. »Gnadenmutter, sie konnte nicht mehr
selber kommen. Es gebrach ihr an Zeit, Mutter Maria, so glaub es mir.
Ich weiß es und ich schwör’s. Aber sie war nicht ohne Beichte! Da sie
dich nicht mehr sprechen konnte, schrieb sie dir. O, sie hatte es
erlernt. Neige dich zu mir, Madonna, und nimm es in Gnaden an.«

Aus einer Fuge im Stein nahm sie ein paar verknitterte Blätter und hob
sie empor. Dann sanken ihre Arme müde.

»Gib sie mir, Francesca. Ich werde es der Madonna sagen.«

Und ich las. Ungeschickte Worte, die wie das Gestammel eines Kindes
klangen und die verzweifelnde Leidenschaft, die grimmige Seelennot
eines Weibes in sich bargen. Worte, in einer Stunde niedergeschrieben,
die das erste, jähe Erwachen bedeutet haben mochte. Angstrufe,
herrisches Aufbäumen -- mit seltsam weichen Erinnerungen gemischt, die
wie aufblitzende Sterne gegen das Dunkel der Seele anzukämpfen suchten.
Der Brief eines Wildlings an die ferne Madonna ...

Wo das Gewebe sich wirrte, befragte ich die murmelnde Alte. Und immer
lebendiger hob sich das Bild und fügte sich in den Rahmen. Von der
Kerze tropfte das Wachs. Als der Docht erlosch, schwebten durch die
leeren Fensterhöhlen die ersten feinen Schleier des jungen Tages.

       *       *       *       *       *

In dem rotgestrichenen Hause, das man Palazzo nannte, weil es aus
Steinquadern errichtet war, lebte die junge Giuditta, die man die
›Afrikanerin‹ nannte, wie man Vater und Großvater, soweit das
Gedächtnis der Positaner reichte, mit dem Beinamen die ›Afrikaner‹
bedacht hatte. Ob einer der Voreltern Giudittas, die von Vater auf Sohn
das Mittelmeer befahren hatten, einst eine Frau der afrikanischen Küste
mit heimgebracht, ob vor Jahrhunderten, als afrikanische Piraten die
italienischen Gewässer beherrschten und ihre Raubnester von Sizilien
bis Ligurien an die Felsen klebten, ein Sarazene das Geschlecht
zurückgelassen, keiner wußte Genaues zu sagen. Nur Giuditta wußte es.
Ihre Amme Francesca hatte, als die Mutter jung am Fieber zu Grunde
gegangen und der Vater zwischen den Riffen bei Tetuan gescheitert
und ertrunken war, das eigenwillige Kind mit alten Sagen zur Ruhe
gebracht. Und die kleine Elternlose kannte ihre Macht über die Amme und
Pflegerin, die mit schwärmerischer Verehrung an dem jungen, schönen
Geschöpfe hing, das so schnell zu befehlen verstand.

»Erzähle mir, daß ich eine Prinzessin bin. Was in der Schule neben mir
sitzt, sind Lümmel, und ich will nichts mit ihnen zu tun haben.«

»Mein Prinzeßchen hat recht. Es sind schmutzige Rangen, und es gab
einmal eine Zeit, da sie flugs die Mützen herunterrissen, wenn sie nur
dies Haus von weitem sahen.«

»Aber mein Vater war ein Seemann.«

»Was tut’s? Seine Vorfahren waren Könige der See. Sie kamen aus dem
Lande der Mittagsonne und hatten Feuer im Blut. Herren waren sie, und
die Positaner ihre Diener, die ihnen die Schuhe küßten.«

»Ich habe auch Feuer im Blut,« murmelte das Kind, und dann preßte es
die Lippen aufeinander.

»Die Positaner,« fuhr die Amme fort, um dem schönen Eigensinn zu
schmeicheln, »waren Sklavenseelen, die sich von Päpsten und Fürsten
Gesetze geben ließen. Deine Vorfahren aber waren freie Häuptlinge und
gaben sich selbst Gesetze nach ihrem Willen.«

»Das will ich auch.«

»Sie wählten sich nur Königinnen zur Frau.«

»Und ich will einen König! Hörst du, Francesca? Und wenn ich auf meinem
Schlosse sitze, sollst nur du meine Hofdame sein.«

»O du süße Seele! Und was werden die Leute von Positano sagen?«

»Laß sie schimpfen.«

Und die Leute von Positano schimpften. Denn stolz und herrisch schritt
die kleine Giuditta durch die Reihen ihrer Altersgenossen, ohne
einen Blick nach rechts und links, und nur wenn ein alter Fischer,
überrascht von der seltenen Schönheit des Kindes, unwillkürlich nach
der Mütze fuhr, fand sie ein Lächeln, dessen Zauber die Menschen in
Banden schlug. Zuletzt ließ man sie gewähren, da sie mit ihrer alten
Dienerin wenig aus dem Hause ging, es sei denn in ihren Limonen- und
Olivengarten, von dessen Ertrag sie lebten. Nur wenn die Aveglocke
erklungen war und bald darauf kaum ein Mensch noch in dem stumpfen
Städtchen wachte, huschten Herrin und Dienerin an den Strand der
ehemaligen Hafenbucht und blickten lange hinüber nach den märchenhaften
Inselgebilden mit dem trotzigen Rundturm. Und wieder, im Flüsterton,
mußte die Amme erzählen, und ihr bißchen Hirn entzündete sich an den
glänzenden Augen des heranwachsenden Mädchens, das, die Hände um die
Knie geschlungen, in den Steinen neben ihr saß, bis sie die Wahrheit
ihrer Erzählungen hätte beschwören können.

Wenn der Schirokko aus Südosten kam, saßen sie die ganze Nacht. Dann
fieberte das Blut Giudittas, daß sie meinte, wilde Piratenschiffe auf
der leuchtenden See zu erblicken. Todmüde kehrten sie in der Frühe
heim. Und wenn der Septembersturm durch den Golf fuhr, daß die Wellen
brausend über den Strand glitten und gierig in den Schluchten an der
Felswand fraßen, wenn die See fernhin auf der Höhe in weißen Kappen
sprang und tanzte, daß die Boote, die heimwärts arbeiteten, in tollem
Wechsel aufgesogen und ausgespieen wurden, saßen sie nicht minder in
Wind und Wetter, und Giudittas Mund grüßte durch Rauschen und Brausen
hindurch jauchzend den Starken, der Boot und See zu zwingen verstand,
und hatte ein verächtliches Zucken für den Feigen und Ungeschickten.
Dann glaubten die Kühnen, es mit ihrer Liebe wagen zu können, aber wenn
sie ihr unter die Augen traten und ihre wohlgesetzte Rede begannen,
lachte sie ihnen ins Gesicht: »Nimm dich in acht, daß ich dich nicht
verbrenne!« und wandte den Rücken.

»Sie hat im Schirokko gesessen,« sagten die Klugen Positanos
bedeutungsvoll, und die noch Klügeren sagten nur: »Giuditta Africana«
und machten dazu eine Gebärde.

Über zwanzig war Giuditta alt geworden, und wenn die Frauen der
Südküste in diesen Jahren hastig alterten und verblühten, ihre
Schönheit wurde wie zum Trotz gewaltiger und leuchtender. Groß war sie
gewachsen, schlank und voll. Auf dem mattglänzenden Halse, den rote
Korallen schmückten, trug sie den schmalen Kopf mit dem dunkeln, im
Nacken schwer verknoteten Haar, auf beiden Seiten von einer einzelnen
tiefroten Koralle gehalten. Wenn sie die langen Wimpern hob, sah man in
ihren Augen ein stolzes geheimes Feuer. Aber selten nur flammte es nach
außen. Es war, als ob es nach innen gerichtet sei. Längst schon wagten
die Burschen Positanos nicht mehr, sie mit Liebesgedanken zu verfolgen,
wenn sie, weißgekleidet, mit schnellem leichten Schritt durch die
Gassen kam. Die Altersgenossen waren früh verheiratet, der Nachwuchs
gestattete sich nur scheue Bewunderung. Man hielt sie für gelehrt, da
sie zu Hause Bücher las und das Schreiben erlernt hatte.

Und eines Abends spät kam die große Überraschung.

An einem Septemberabend war’s. Die Aveglocke war verklungen, und die
Bewohner Positanos hatten ihre Häuser geschlossen. Giuditta saß allein
zwischen den Felsen am Strand, denn die Alte plagte sich daheim mit
einer Erkältung. »Sturm«, sagten ihre Lippen, aber sie selbst blieb
regungslos. Sie blickte auf die See, die in der Ferne zu tänzeln
begann. Sie sah es deutlich an den huschenden weißen Lichtern, die
immer schneller wiederkehrten. Dann kam es näher, und die erste Dünung
zog, bei flauem Winde noch, über die glatte Meeresfläche der Bucht. Für
Sekunden Ruhe. Dem Winde war der Atem ausgegangen. Und plötzlich --
hui -- pfiff es aus Nordwest, daß die Felswand Echo gab, und nur des
Signals gewärtig, warf das blaue Meer Farbe und Zahmheit ab, wandelte
sich zu tiefem Schwarz und giftigem Grün und erfüllte sein Becken mit
heiserem Grollen.

Aus der Richtung der Galli-Inseln arbeitete sich ein Boot heran. Es
mußte weiter herkommen, vielleicht von Capri, denn die kleinen Inseln
waren um diese Zeit unbewohnt. Auch hätte man dort den heraufziehenden
Sturm bemerken müssen. Mit ungestümer Kraft legten sich die beiden
Ruderer in die Riemen. Das Segel war eingezogen, wohl zur rechten
Zeit. Und aufrecht an dem dünnen Mast stand ein Mann, ein Fremder der
Tracht nach. Giuditta hatte es mit scharfem Blick erkannt.

Sie war aufgesprungen und ließ ihr weißes Tuch flattern. Schon kämpfte
die Dunkelheit das letzte Dämmer nieder.

»Hier -- her!« schrie sie durch die hohle Hand. »Hier! -- Hier! --
Hier! ...«

Einen Augenblick standen die vier Ruder wagrecht über dem Bootsrand.
Dann schoß das Boot mit einer jähen Wendung auf den einstmaligen
Hafenplatz zu. Der Fremde an der Maststange hatte wohl einen Befehl
erteilt.

Giuditta kannte die seichte Stelle zum Landen. Ausladend genug, um
vor den gierigen Klippen zu bewahren. Auf flüchtigen Füßen sprang sie
hin. Der Wind riß ihr das Kopftuch in den Nacken. Sie ließ es. Wie aus
Stein gehauen, weit vornübergebeugt, jede Sehne gespannt, stand sie und
erwartete das Boot.

Da kam es heran, von wütenden Wellen verfolgt. Mit letzter Kraft hieben
die Ruder, weit vorgreifend, in Ufersand und -gestein. Und Giuditta
packte mit klammernden Fäusten die Spitze des Kahns.

Was war das? Fast hätte sie losgelassen, und noch war der Fremde im
Boot.

Ein Lachen schlug an ihr Ohr, ein Lachen, so sündhaft übermütig, wie
sie es nie für möglich gehalten. Und dann eine Stimme, in schlechtem
Italienisch: »Druff, druff! Heilig Kreuz, ist die Attacke schon zu
End’?« Ein Husten, und die Stimme brach ab.

Der Fremde stand neben ihr, groß, hager, mit hellem, wehendem
Schnurrbart in dem eingefallenen Gesicht, in dem die jungen,
blaublitzenden Augen einen seltsamen Kontrast schufen. Erst dehnte er
die Arme und Beine, um die steif gewordenen Gelenke geschmeidiger zu
machen, dann trat er näher und klopfte dem Mädchen unbefangen die Wange.

»Gut gemacht, gut gemacht -- ah, Pardon!«

Ein flammender Blick hatte ihn getroffen. Eine Sekunde nur. Und
Giuditta wandte gleichmütig den Rücken und stieg den Steinpfad hinan.

»Stillgestanden!«

Unwillkürlich hielt sie den Schritt an. Da war er bei ihr, den Hut in
der Hand.

»Verzeihung, mein Fräulein,« sagte er ernsthaft. Und sie sah ihm in
die Augen und sah, daß die Augen lachten. »Ich habe Ihnen zu danken,
daß Sie mich von der Verantwortung für diese beiden wackeren Capreser
Familienväter entbunden haben. Machen Sie das Maß voll und weisen Sie
uns eine Herberge. Das scheint hier ja ein gottverlassenes Nest zu
sein.«

»Und für sich -- danken Sie nicht?«

»Später,« sagte er kurz, »erst die Herberge.«

Die Fischer hatten ihr Boot auf den Strand gezogen, es angepflockt und
traten mit dem Gepäck heran. Da ging sie stumm vorauf. Nur der Fremde
blieb neben ihr und plauderte. Der Nachmittagsdampfer von Capri nach
Sorrent war ihm vor der Nase auf und davon gegangen. Kein Unglück
weiter. Die Capreser Barkenführer wollen auch leben. So konnte er
statt Sorrent gleich Positano erreichen. Man hatte es ihm empfohlen
wegen des weichen und warmen Winterklimas. »Ich seh’ danach aus, was?«
Da streifte sie schnell seine elastische Figur. »Unterwegs ging der
Tanz los. Ein Kontertanz. Wechselt die Damen! Herrgott, war das schön!
Und lustig obenein. Das Blut wurde aufgerüttelt -- es war nämlich
seit einem halben Jahr eingeschlafen -- und man spürte den alten Adam
wieder! Gekreuzt hin und her, aus dem Kurs geschlagen, wieder hinein,
das knallende Segel beigeholt und dann mit Muck und Spuck in die Ruder!
Ihre Landsleute, mein Fräulein, alle Achtung, hielten sich tapfer. Nur
lachen wollten die Kerle nicht, wenn’s mit Heidi nach unten und mit
Hallo nach oben ging. Na ja, ist auch kein Vergleich. Mein sogenanntes
Leben --«. Er pfiff durch die Zähne.

Die Herberge war dunkel und verschlossen. Kein Mensch zeigte sich auf
das starke Klopfen.

»Ob es erlaubt ist, die Tür einzuschlagen? Ich bin in den Landessitten
noch unbewandert.«

»Kommen Sie,« sagte Giuditta.

Sie bog von der Straße ab zu dem einsamen steinernen Haus, in dessen
rotem Anstrich der Regen fahle Striemen zog. Auf der Diele entzündete
sie eine bereitstehende Kerze. Dann öffnete sie eine Tür zu einem
leeren Gemach.

»Hier können die beiden Männer schlafen. Decken habe ich nicht. Ihr
müßt euch schon die Jacken über die Ohren ziehen.«

Bereitwillig streckten sich die beiden auf den Fußboden. Sie schliefen
fast im Stehen.

Giuditta ging die Treppe hinauf, und der Fremde folgte. Vor einer Tür
zögerte sie. Dann drückte sie entschlossen die Klinke nieder.

»Hier!«

Der Gast schaute sich verwundert um.

»Entschuldigung, das scheint mir -- Ihr eignes Stübchen zu sein. Da muß
ich protestieren.«

»Hier ist _mein_ Haus!« sagte sie herrisch. »Gute Nacht.«

Er lachte in sich hinein. Und plötzlich, bevor sie die Tür schließen
konnte, stand er neben ihr.

»Ich versprach Ihnen meinen Dank --«

Nichts hörte sie mehr. Nur seinen Mund fühlte sie auf ihren Lippen.
Bevor sie schreien, bevor sie aufatmen konnte, war die Tür im Schloß.
Und als sie mit wildem Herzschlag weiterschritt, krampfhaft suchend,
was auf der Stelle tun, kam ihr nur immer der eine Gedanke: ›Gut, daß
er nicht gemerkt hat, daß ich nur dies eine Zimmer habe. Dies und die
Kammer der alten Francesca. Und daß ich nun wie eine Magd auf dem
Fußboden schlafen muß ...‹

Aber sie schlief nicht. Sie horchte nur immer hinüber nach ihrem
Zimmer, mit finsterem Gesicht. Und dann ertappte sie sich, wie sie
lachte.

»Pirat, der! -- Wenn ich ein Mann wär’!« --

Die Capresen hatten schon in aller Morgenfrühe das Haus verlassen. Der
Lohn war ihnen vorherbezahlt samt Trinkgeld. Da hielt sie nichts, ohne
Addio heimzusegeln.

Giuditta wartete vergebens, daß ihr Gast sich erheben möchte. Sie hatte
der alten Francesca Bescheid gegeben, und die Alte war spornstreichs
aus den Federn geschlüpft.

»Weshalb hast du mich nicht geweckt? Madonna, welch ein ungezogener
Engel! Und die eigne Kammer? Was? Mein Prinzeßchen hat im Saal
geschlafen? Auf der blanken Diele? Warte, ich treibe den Unhold hinaus.«

»Höre, Francesca, ich glaube, er ist krank. Er muß sich bei dem
Unwetter erkältet haben.«

»So soll er sich eine Kutsche nehmen, bis er die Eisenbahn hat, und
nach Neapel reisen. Hier ist keine Herberge.«

»Nein,« sagte Giuditta, »hier ist _mein_ Haus.«

Da duckte sich die Alte und haschte nach ihrer Herrin Händen.

»Nicht böse sein, Herzchen, nicht böse sein. Wir wissen doch, was wir
Gästen schuldig sind. Wir waren Könige.«

»Siehst du nun,« sagte Giuditta, und ihre Augen gingen ins Weite.

Drüben aus der Kammer drang ein Geräusch, ein Husten. Und die beiden
Frauen standen vor der Tür und horchten ... Noch einmal erscholl der
Husten, trockener, quälender. Da gab Giuditta der Amme ein Zeichen,
und die Alte pochte leise an die Tür.

»Ruhe, Johann!« schnarrte es drinnen in deutscher Sprache.

Da nickte Giuditta zum zweiten Male mit dem Kopfe, und die alte
Francesca schlüpfte lautlos in das Zimmer. Wenige Minuten, und sie
kehrte zurück.

»Komm in die Küche, mein Seelchen, wir wollen Kräuter kochen.«

»Was ist es?«

»Es sitzt auf der Brust. Wenn du das Ohr auf sein Herz legst, hörst du
eifernde Stimmen.«

Drinnen erschollen die fremden Laute. Kommandoworte -- Lachen -- ein
Fluch. Giuditta beugte sich vor, mit blassem Gesicht. »Wie er befehlen
kann!«

Die Alte rüttelte sie am Arm. »Was willst du noch hier?«

»Ich möchte die eifernden Stimmen hören. Wenn man das Ohr auf sein Herz
legt, sagst du?«

»So verträume die Hilfe. Ich gehe jetzt.«

Da ging sie mit und war tätiger als die Alte. Aber mit
halbgeschlossenen, nach innen gerichteten Augen. Das Feuer loderte auf
dem Herd, das Wasser im Kupferkessel brodelte, stechend zog der Dampf
der aufgebrühten Kräuter durch das Haus. Die Amme hinter sich, betrat
Giuditta das Zimmer des Kranken. Der lag mit aufgerissenen, unruhig
suchenden Augen, die nichts erkannten. Schweiß perlte auf seiner Stirn,
noch eingefallener erschien das Gesicht.

»Guten Morgen,« sagte Giuditta, und dann nahm sie, als keine Antwort
erfolgte, ihr Tüchlein aus dem Busen und wischte die Stirn des Kranken
trocken. »Still,« sagte sie wieder, und legte ihm die kühlende Hand
fest auf die Augen. Dann brachte sie den freien Arm unter seinen Kopf
und hob ihn sacht empor. »Trinken -- jetzt!« Die alte Francesca hielt
ihm die Tasse an die Lippen. Er trank. Und behutsam bettete sie ihn
zurück in die Kissen ihres Mädchenbettes.

Die Alte winkte ihr, und sie trat mit ihr an die Tür.

»Sein Puls fliegt, mein Täubchen. Er wird uns unter den Händen
davongehen.«

»Nein! Er soll leben! Ich will es!«

»Die Madonna mög’ helfen. Ich will neue Medizinen kochen.«

Giuditta war mit ihrem fiebernden Gast allein. Sie stand aufrecht am
Kopfende des Bettes und sah ihn an. Er war in Schlummer gefallen. ›Wenn
ich ihn rette, gehört er mir,‹ ging es ihr durch den Kopf. Oder -- ›ich
kann ihn nicht sterben lassen, weil er mich geküßt hat.‹ Der Kranke
lachte im Schlaf. Sie zog die Brauen zusammen. ›Was in ihm vorgehen
mag ...?‹ Ganz blaß wurde ihr Gesicht. Ein Beben ging durch ihre Hände.
Und plötzlich beugte sie sich nieder, hob das Leintuch von der Brust
des Kranken und legte ihr Ohr auf die Stelle ...

Langsam richtete sie sich auf, ein wenig nur, ihr Gesicht dicht über
dem Schlummernden. Dann schloß sie fest die Augen und legte, leise
tastend, die Hände weich um seine Wangen. Und mit festgeschlossenen
Augen beugte sie sich vor und küßte ihn.

»Gut gemacht,« lallte der Fremde, »gut gemacht.« Und er hob die Arme
und streichelte schwerfällig ihr Haar.

Dieselben Worte, die er ihr zugerufen hatte, als er aus dem Kahne
sprang. Dieselbe Bewegung fast. Heute ließ sie Worte und Berührung über
sich ergehen. Sie lächelte.

Und eine Woche ging hin. Giuditta war nicht aus dem Zimmer gewichen.
Wenn der Schlaf sie übermannte oder die alte Amme sie zur Ruhe zwang,
genügte ihr ein notdürftig Lager in einer Ecke der Kammer. Beim
leisesten Geräusch, das der Kranke verursachte, sprang sie auf. »Es
geht nicht ohne mich.« Tag für Tag legte sie ihr Ohr auf seine Brust
und ihre Hände um seine Wangen. Minutenlang. Aber geküßt hatte sie ihn
nicht wieder.

Eines Morgens schlug er ruhig die Augen auf. Aufmerksam betrachtete er
seine Umgebung und besonders prüfend seine Pflegerin.

»Wie heißen Sie?«

»Giuditta.«

»Was tun Sie hier?«

»Ich bin in meinem Hause.«

»Pardon. War ich krank?«

Sie nickte.

»Demnach habe ich Ihnen wohl zu danken? Na, dann komm mal her, mein
Mädchen.«

Sie verschränkte die Arme über der Brust und lächelte, wie man ein Kind
belächelt.

Er hielt den Blick aus, wurde rot, dehnte sich und sagte:
»Donnerwetter, ist das eine gemütliche Klappe.«

Gleich darauf war er wieder eingeschlafen.

Mit über der Brust verschränkten Armen stand sie noch, als die alte
Francesca eintrat.

»Ist er aufgewacht?« flüsterte sie.

»Er ist gerettet.«

Die Alte wollte verschwinden. »Ich will eine Fleischbrühe richten.«

»Höre, Francesca.« Und die dunkeln Augen groß und fest auf ihre alte
Dienerin richtend, sagte sie, jedes ihrer Worte ruhig betonend: »Er --
gehört -- mir!«

Das hatte die Alte nie im Leben vergessen. -- --

       *       *       *       *       *

»Also meinen Namen wollen Sie wissen? Warum? Das zerstört nur das
Märchen.«

»Aber ich muß Sie doch nennen, anrufen können.«

»Das leuchtet mir ein. Ich bin der arme Heinrich.«

»Hein--rich? Das ist schwer. Wie würde man bei uns sagen?«

»Enrico, meine verehrte Giuditta.«

»Weshalb nennen Sie sich den ›armen Enrico‹?«

»Weil vor fast tausend Jahren ein Namensvetter von mir, der auch in
seiner Jugend so fröhlich gewesen war, daß sein leiblicher Mensch
einen Knacks bekam, wie ich dieselbe Straße zog. Gen Salerno, jenseits
der Bucht. Dort sprach ein berühmter Arzt zu ihm: ›Wenn sich ein reines
Mägdlein dir zum Opfer bringt, wirst du ewig leben.‹ Das ist die
Historie vom armen Heinrich.«

»Fand er solch ein Mädchen?«

»Mein Namensvetter war schlauer als ich. Er hatte es sich gleich
mitgebracht.«

»Armer Enrico,« spöttelte sie.

»Meinen Sie -- mich? Hierher! Hiergeblieben! Na, warten Sie, wenn ich
erst auf die Beine komme.«

Wieder ging draußen ein Sturm. Er pfiff über das Meer und verfing sich
wütend brüllend in den Felsen.

Sie saßen sich am Tisch gegenüber, die Lampe zwischen sich. Seit
wenigen Tagen war er auf.

»Bei solchem Unwetter landete ich,« sagte der Genesende.

»Das taten meine Vorfahren auch, wenn sie als Sieger kamen.«

»Werd’s mir merken.« Er schaute sie unter der Lampenglocke an.
»Übrigens -- Ihre Vorfahren?«

»Waren die Herren Positanos. Die alte Francesca weiß es, und ich weiß
es. Man nennt mich daher noch ›Giuditta Africana‹.«

»Aha -- Piratenblut. Damit kann ich auch aufwarten.«

»Erzählen Sie, Herr Enrico.« Sie rückte den Stuhl näher an den Tisch
und stützte das Kinn in die Hände.

»Was denn? Einen Schuß Banditenblut haben wir alle in den Adern. Das
ist wie Heimweh. Na, und ich? Ich fand auf unserm Schloß --«

»Schloß --?«

»Keine Angst. Es bricht bald zusammen. Unter der Last der Hypotheken
nämlich. Also auf diesem unserm Schloß an der Ostsee, hoch droben im
Norden, las ich in alten Urkunden, daß meine Vorfahren gar wacker
als Piraten zur See gefahren waren, wie der Blitz bald hier, bald
dort einschlagend. Es war eine erlauchte Gesellschaft. Die Blüte
des Adels, selbst Herzöge und Fürsten darunter. Man nannte sie die
›Vitalienbrüder‹. Nachher wurde eine Banditenbande daraus, welche die
Küsten von Freund und Feind brandschatzte und nur den eigenen Magen
kannte. Hoho, mein Fräulein, aufzuwarten! Ich habe die Ehre!«

Die Arme aufgestützt, den Kopf in den Händen, saß sie und sah ihm auf
die Lippen.

»Das ist wie ein verwandtes Blut,« sagte sie langsam.

»Richtig. Normannen und Sarazenen, wer kennt sich da aus! Sizilien und
die ganze italienische Küste -- überall Spuren gemeinsamer Tätigkeit.
Normannen und Sarazenen. Sarazenen und Normannen.«

»Und Sie, Herr Enrico -- sind Sie ein Seeheld?«

»Ich bin der arme Heinrich, der ein Mädchen sucht.«

»Antworten Sie ernsthaft.«

Da schlug er auf den Tisch.

»Nichts bin ich, nichts, nichts!« Und seine Augen blickten grimmig auf
die geballte Faust. Giuditta rührte sich nicht in ihrer Stellung. »O
ja,« lachte er auf, »einst, als ich die Welt erobern wollte, da saß ich
auf meinem Rotschimmel, und hinter mir zog meine Schwadron. Dragoner,
Mecklenburger Jungens. Der Trompeter bläst. Das Signal: Galopp! Und
heisa heidi über die Brachäcker, daß uns die Erdklumpen um die Ohren
sausen! Herrgott, hab’ ich in den Sturm hineingeschrien wie so ein
alter Erobererkönig. Hat sich was! Eines Tages stach es mich beim
Schreien in die Brust. Zu fröhlich gelebt, sagten die Ärzte. Als ob man
anders leben könnte! Resultat: Dienst quittiert, auf nach dem Süden.
Schluß: der arme Heinrich.«

Er brütete finster vor sich hin. Dann hob er den Kopf und begegnete dem
Blick des Mädchens.

»Was haben Sie sich da aufgelesen, Giuditta! Strandgut --«

»Der Strand gehört mir.«

»Und was Sie finden?«

»Behalt’ ich.«

»Scherze nicht. Du bist zu schön dazu.«

»Ich behalt’ es.«

Er stand auf, rasch, elastisch. Und sie wie er. Dicht voreinander
standen sie und maßen sich. Blaß, mit glühenden Augen. Und langsam
rötete sich bei beiden die Stirn, weil einer des andern zitterndes
Lächeln sah. Da umschlangen sie sich und ließen sich nicht aus den
Armen. --

Die Leute von Positano zischelten, wenn die beiden vorübergingen. Aber
der deutsche Herr hatte eine so absonderliche Art, um sich zu blicken.
Da ließen sie es. »Giuditta Africana,« sagten sie achselzuckend.

Aber Giuditta mochte die Menschen nicht, wenn sie sie auch übersah.
So groß und gewaltig wuchs sie in ihrer Liebe, daß es in ihr nach
der Einsamkeit der Großen verlangte. Und ihr Blick schweifte wieder
und wieder zu den einsamen Galli-Inseln und heftete sich an den
Sarazenenturm.

Es kam kein Winter in diesem Jahr. Im Dezember reiften die Orangen in
den Gärten. Im Januar begann das Rosenblühen. Blau spannte sich der
Himmel über das blaue Meer. Und die warme Luft war voll von Düften.

Giuditta stand in ihrem weißen Kleide, Korallen um den mattglänzenden
Hals und zu beiden Seiten des schweren dunklen Haares. In ihren Augen
war die Freude.

»Sag dem Haus ein Addio, Enrico. Wir beziehen unsere Sommervilla!«

»Willst du mich entführen? Gleich ist es Nacht.«

»Fürchtest du dich?«

»Mit dir in die Hölle oder ins Paradies.« Und er legte die Arme um
ihren Leib und küßte sie, als sei es das erste Mal.

»Ins Paradies! Komm!« Und endlich entwand sie sich seiner
Unersättlichkeit.

Er ging mit ihr, durch die menschenleeren Gassen, an den verfallenen
Häusern vorbei. Immer weiter hinunter, bis sie an den verlassenen Hafen
kamen. Er fragte nicht. Er hielt nur ihren Arm in den seinen gepreßt.
An einer beladenen Barke trafen sie die alte Francesca. Die grüßte
das schöne Paar tief wie ein Königspaar. Der Himmel war übersät mit
silbernen Sternen.

Wortlos nahmen sie, ein jedes auf einer Bootsbank, Platz. Dann griffen
die Ruderblätter tief ein.

Und als nach heißer Fahrt die Inselküste vor ihnen aus dem Meer sich
hob und die Mauern des Sarazenenturmes aus dem Dunkel sich lösten, ließ
Giuditta ihre Ruder über dem Wasser schwingen, lehnte sich zurück und
begann ein Lied. Zum ersten Male, daß sie sang. Eine wilde, ergreifende
Melodie. Die zog auf breiten Schwingen über das Wasser, umflatterte
den harrenden Turm und legte sich über den Strand, auf den das Boot
auffuhr. Es war wie ein großes, wunderbares Geheimnis.

Sie schritten über den Strand und betraten den Turm. Zwischen den
Mauern, über dem Schutt, war ein Nest hergerichtet. Notdürftig zwar,
aber genügend, um Schutz zu gewähren. Ein alter bunter Teppich deckte
den Boden. Durch die fensterlose Turmluke, die wie der Eingang durch
eine Wolldecke zu sperren war, schwebte die weiche, laue Nachtluft und
der Sternenschein. Unaufhörlich sang das Meer.

»Nimm Besitz, Enrico. Das ist unser Reich. Dort in der Holzhütte
schläft unser Hofstaat, Francesca. Wir brauchen das Dach nur zur Nacht.
Am Tage haben wir den Sonnenhimmel zu Häupten und zu Füßen die blühende
Insel. Sprich ein Wort, ob du zufrieden bist.«

»Ja, nur ein Wort: -- Giuditta!«

Und sie in seinen Armen: »Mein Enrico ... Mir gehörst du!«

Früh mit der Sonne durchstreiften sie ihr Reich. Oft eng
aneinandergeschmiegt, oft wie ausgelassene Kinder sich jagend und
haschend. Auf jedem Punkte, der neue Aussicht bot, hielten sie an und
schrien auf vor Entzücken. Mit jedem Baum, jedem Strauch, mit der
ganzen Blütenwildnis umher machten sie feierlich Bekanntschaft. Auf
einer Steinplatte, die sich über das Meer hinausreckte, lagerten sie
eng verschlungen, den Blick auf die hochgeschwungene Silhouette Capris
gerichtet, oder südwärts, in der Richtung, in der sie Salerno wußten.

»Dorthin mußte der arme Heinrich, Giuditta. Ich konnte mir den Weg
sparen. Hoho! Ich bin gesund!«

»Ruhig, ich bin dein Arzt!«

»Mein Mädchen bist du! Aber her nur mit deiner Medizin.« Und sie
jubelten über die See.

Alle zwei, drei Tage, wenn es Abend wurde, kam ein Boot zu ihnen
herüber und brachte Trinkwasser und die wenige Ware, deren sie
benötigten. Die alte Francesca schwatzte mit dem Mann, nachdem sie ihm
für die Fahrt eine Silberlira gezahlt. »Es ist ein ›Afrikaner‹,« sagte
Giuditta, »aus der Sippe der Francesca. Er tut es gern.«

Während die Alte in den Morgenstunden das Hauswesen besorgte, sprang
das junge Paar von geschützter Stelle in die See, schwamm spielerisch
hinaus oder rund um die kleine Insel. Nachher lagen sie in der Sonne.
Wurde es heißer, so suchten sie den Schatten der Bäume oder die runden
Höhlen, die das Meer in den Fels gewaschen. Von hier aus warfen sie die
Angel, meist aber träumten sie Schulter an Schulter, glücklich, daß
sie ihr Beisammensein fühlten, und merkten nicht, wenn ein Fisch an
den Köder ging. Und in dem seligen Nichtstun erstarkte der Mann, seine
Brust war gesundet, und zuweilen schon blitzte es wie Tatendrang aus
seinen Augen. Giuditta aber dachte an nichts als an die Stunde, die um
sie war.

»Du gehörst mir, Enrico.«

»Du hast mir das Leben doppelt geschenkt, mit dem Glück die Gesundung.«

»Wenn ich mein Ohr auf deine Brust lege, höre ich nichts mehr von
eifernden Stimmen.«

»Tust du das?«

»Jede Nacht.«

Und immer schöner wurde der Frühling, und immer stärker entfaltete
sich das Leben. Wenn sie auf der überragenden Steinplatte saßen und
über das Meer blickten, sahen sie die Dampfer, die den Strom der
Fremden nach Messina und Palermo führten, die großen Segler, die von
der afrikanischen Küste nach Neapel und Livorno strebten. Oft war die
Ferne erfüllt von kleinen Booten, welche die Frühjahrsgäste Capris bis
nach Sorrent spazieren fuhren. Und die Fischerflottillen aller kleinen
Küstenstädte der Runde standen am Horizont wie lange schwarze Striche,
umglitzert von der Sonne, die sich in den weißen und roten Segeln fing.
Heimlich dehnte der Deutsche die Arme. Die Kraft wurde überschüssig.
Einmal sie wieder erproben, einmal nur ...

Neben ihm, die Hände unter dem Haarknoten verschränkt, lag Giuditta,
mit großen Augen in die Sonne blickend. Er sah das ruhige Atmen des
schlanken, frauenhaften Körpers. Er sah das stille Lächeln des Glücks
um ihren Mund. Und er ließ die sich dehnenden Arme leise sinken.

»Höre, Giuditta,« begann er an einem Abend, während die alte Francesca
mit dem ihr verwandten Fischer aus Positano am Landungsplatze
plauderte, »wer bestreitet denn eigentlich den Haushalt?«

Sie sah ihn überrascht an.

»Das ist Frauensorge. Nimm fürlieb.«

»Oho! So schüttelst du mich nicht ab. Du willst doch nicht, daß ich
mich vor dir schäme?«

Sie sah ihm noch immer in die Augen wie in einem jähen Schreck.

»Was dein ist und was mein ist, darin weiß ich keinen Unterschied.
Wo bliebe da die Liebe, die eins ist? Wenn es dich jedoch beruhigt,
Enrico: ich habe ein kleines Vermögen, und wir brauchen fast nichts.«

Er war nicht darauf zurückgekommen. Er wollte sie nicht kränken. Aber
umso stärker spürte er die eigene, neugeborene Kraft, die sich nicht
betätigen konnte. Und als der Frühling weiter und weiter schritt, dem
Sommer entgegen, wurde er ganz still.

Der Schirokko meldete sich. Der legte sich ihm ins Blut wie Blei.
Stundenlang konnte er, ohne zu sprechen, auf der Felsplatte liegen und
nach Norden schauen.

»Was ist dir, Enrico?« fragte sie angstvoll, und doch bemüht, die Angst
in der Stimme zu bändigen.

»Ich hatte ein Gesicht.«

»Erzähle doch ...«

»Jetzt schneiden sie daheim das Korn. Dann folgt die Kartoffelernte.
Wie schnell die Zeit da sein wird.«

»Was plagst du dich um Korn- und Kartoffelernte? Du bist doch kein
Landmann.«

»Nein, aber Offizier bin ich -- nein, nein: war ich. Ich seh’ die
Stoppelfelder und den Brachacker. Die Schwadronen ziehen aus mit
klingendem Spiel. Es geht ins Manöver. Ach was -- ich bin ja doch nicht
dabei.«

»Du gehörst mir, Enrico,« sagte sie mit zitternder Stimme.

Er nickte. --

Seit Wochen lag der Schirokko wie ein glühender Hauch über Land und
Meer. Der Deutsche sprach nicht mehr. Er sah an Giuditta vorbei. Und
sie wußte, daß er unablässig grübelte. Längst hatte sie begonnen, jeden
Zug in seinem Gesicht zu belauschen. Da trat sie vor ihn hin.

»Du küssest mich nicht mehr, Enrico. Du sehnst dich heim.«

»Ich muß -- fort!« stieß er hervor.

»Mit mir --?«

»Ich will wieder Dienste nehmen. Bei meinem alten Regiment. Ich bin
gesund und lungere herum.«

»Willst du -- mit mir -- fort?«

»Giuditta -- ich komme wieder.«

Sie stand blaß und aufrecht. Ihr Blick umfaßte seine ganze Gestalt.
Glühend lastete der Schirokko über den beiden Menschen.

»Morgen abend,« sagte sie, »kommt der Verwandte der Francesca. Er kann
dich nach Positano rudern oder nach Sorrent. Es ist besser, unser Boot
bleibt hier. Bist du es zufrieden?«

»Giuditta!« schrie er. Alle Mattigkeit war von ihm abgefallen. Er
schlang die Arme um die Willenlose und preßte sie an sich, als wollte
er sie erdrücken. Er überschüttete sie mit Zärtlichkeiten.

»Dieser Tag und die Nacht gehören mir,« sagte sie leise.

Den Kopf in ihrem Schoß gebettet, lag er lang ausgestreckt, haschte
nach ihren Händen, die er küßte, und sang deutsche Lieder über das
Meer. Sie sah auf ihn hinab mit demselben steten, starren Blick. Als es
Abend wurde, erhob sie sich.

»Bleibe. Ich will Francesca sagen, daß sie uns nicht umsonst erwartet.
Die Nacht ist so warm. Wir wollen sie im Freien verbringen.«

Sie ging zum Turm zurück und kramte in ihren Sachen. Die alte Amme
schaute ins Gelaß.

»Giuditta --!« rief sie erschreckt.

»Du schweigst! Ich bin die Herrin!«

»Giuditta --,« wimmerte die Alte und hob die Hände.

Die aber setzte sich nieder und schrieb mühsam ein paar Zeilen auf ein
Blatt Papier, das sie verschloß.

»Morgen in der Frühe fährst du hinüber nach Positano und übergibst das
dem Pfarrer. Kein Wort! Es muß sein. Enrico ist schwer krank.«

Und plötzlich nahm sie die Alte fest in die Arme und küßte sie wieder
und wieder. »Schwöre mir bei allen Heiligen, schwöre mir, daß du tust,
wie ich will. Du wendest dich nicht nach mir um. Und morgen in der
Frühe ruderst du hinüber. Bei meiner Liebe, die ich dir entziehen
würde.«

Die Alte machte das Zeichen des Kreuzes. »Ich bin deine Dienerin,«
flüsterte sie stumpf. »O Madonna, Madonna ...«

»Ich schrieb auch ihr. Gestern nacht. Nimm.«

Und Giuditta lag auf der die See überragenden Felsplatte neben
dem Geliebten. Wie ein Sturm waren seine Zärtlichkeiten über sie
dahingebraust. Nun schlief er in ihrem Arm.

Sie richtete sich auf und legte ihr Ohr auf seine Brust. Dann drückte
sie die Lippen auf die Stelle.

»Was tust du?« fragte er und öffnete schlaftrunken die Augen.

»Ich küsse dein Herz.«

Und er hob die Arme zu ihrem Halse und entschlummerte aufs neue.

Giuditta saß unbeweglich. Ihr Auge grüßte den blauen, sternenbesäten
Himmel und das blaue, schweigende Meer. Es grüßte die Küste und die
schattenhaften Türme, die Zeichen alter Sarazenenherrlichkeit. Die Hand
senkte sich in ihr Kleid und tastete nach dem Herzen des Schläfers.
Dann beugte sie sich rasch vor, preßte die Lippen auf den Mund des
Geliebten und stieß ihr Stilett tief in sein Herz.

Der Mann gab keinen Laut. Im Todesschlaf lächelnd lag er vor ihr.

»Giuditta Africana,« flüsterte sie. Und sie erhob sich und ging leisen,
schnellen Schrittes den Felspfad zur anderen Seite hinab, wo ihre Barke
auf dem Strande lag. Leise löste sie die lange Kette, legte sie, um das
Klirren zu hindern, um die Schultern und stieg wieder hinan. Vor dem
Toten kniete sie nieder.

»Du gehörst mir! Wir bleiben zusammen.«

Schwere Steine befestigte sie an der Kette. Sie schlang sie fest um den
Toten und sich und verhakte sie. Da vernahm sie das Heranhasten der
alten Francesca.

Sie umklammerte das blasse Haupt des Geliebten. »Komm,« sagte sie, »wir
sind Könige --«

Mit aller Kraft hielt sie die Füße gegen die Steinplatte gestemmt. Es
klirrte und klang. Dann war die Steinplatte leer. Unten seufzte das
Meer auf wie unter einer allzuschweren Last, die es nicht zu halten
vermochte. Die alte Dienerin, die sich mit wildverstörten Augen über
den Felssturz beugte, sah nur noch die seltsam grünen Flecke des
Meeres, die im Mondlicht stille, weite Ringe zogen ...

       *       *       *       *       *

Ich hatte die Achtzigjährige in der verfallenden Kapelle
zurückgelassen. Als ich nach heißer Wanderung zurückkehrte, lag die
Alte noch auf demselben Platz. Friedlich schlief sie. Und sie erwachte
nicht mehr, als ich sie rüttelte.

Die Leute von Positano sträubten sich gegen das Begräbnis der
Verrückten, die seit zwanzig Jahren wie eine Heidin gehaust hatte und
nicht einmal zur Osterbeichte gekommen war. Da fragte ich nach ihrem
Verwandten und fand einen alten Fischer. In der Nacht haben wir den
leichten Körper ins Boot getragen.

»Schirokko,« sagte der Alte und wischte sich die glühende Stirn.
Und ich dachte, als wir hinausruderten zu den Galli-Inseln, und der
Sarazenenturm aus dem Dunkel stieg, an das schöne, einsame Weib, das
›Feuer im Blut‹ hatte von ihren Vorfahren her.

Dort, wo die grünen Flecke im blauen Wasser leuchten, haben wir die
Leiche der alten Dienerin versenkt. Dort ruht sie auf dem Grunde zur
Seite ihrer angebeteten Herrin, Giuditta Africana.



Auf der Fahrt nach dem Glück


Der Straße von Gibraltar zu steuerte ein Schiff. Rosenrote Streifen
liefen über das Meer, leise zitternd, als ob die gewaltigen Wasser
den Atem anhielten vor der Schönheit der untergehenden Sonne. Schon
dunkelte es über der Küste Afrikas. Nur die weißen Häuser Tangers
leuchteten aus den mit tiefen Schatten erfüllten Gebirgsfalten des
kahlen Atlas. Spaniens Felsenküste rückte näher und näher. Im Norden
wuchs, immer deutlicher erkennbar, das Löwenhaupt Gibraltar.

Lautlos fast durchschnitt der mächtige Schiffsrumpf die Wasser. Aus den
glitzernden Wellen, die er aufwarf, hob sich ein Kopf, ein zweiter.
Ein Delphinenpaar schnellte sich in graziösem Bogen von Welle zu
Welle. Hinter ihm drein ein anderes. Und nun, links und rechts, vor-
und rückwärts Hunderte von silbrigen Leibern, in weiten, elastischen
Sprüngen sich folgend und überholend, wie eine Koppel schlanker
Windhunde an den schäumenden Flanken des Jagdrosses dahinsausend. -- --

Unbeachtet glitt das blitzende Spiel durch die Stille. Der Ruf der
Schiffstrompete hatte eine Stunde früher als sonst zum Diner geladen.
Auf dem Promenadendeck arbeiteten hastig die Elektrotechniker,
überspannten den breiten Gang mit schwankem Segeldach und schufen einen
Sternenhimmel aus bunten Beleuchtungskörpern. Alles klar zum Ball an
Bord, waren die Säulen des Herkules passiert! Irgend einem hohen Herrn
zu Ehren, dem mit der technischen Leistungsfähigkeit nicht minder die
Eleganz der Lebensführung eines deutschen Ostasiendampfers verdeutlicht
werden sollte.

Oben auf dem Sonnendeck lehnte ein Reisender. Sein Blick ging über das
Meer und haftete an dem geheimnisvollen Gebirgszug, der fern an der
marokkanischen Küste mehr und mehr zurückblieb. »Der Atlas -- --« sagte
er gedankenlos vor sich hin. Aber das Wort umflatterte ihn, als trüge
es den Hauch einer Erinnerung in sich, so daß er, aufmerksamer werdend,
die Gedanken spornte und endlich mit einer zähen Angestrengtheit, die
ihm bald ein Lächeln entlockte, hinter dem Worte hersann. Und dann
verflog das Lächeln, und er hatte die Erinnerung. Eine Strophe, eine
Heinesche Strophe -- -- Fort, fort mit ihr! Er zwang den Blick, daß er
sich dem buntglitzernden Wasser zukehrte. Aber das Spiel der Delphine
bemerkte er nicht. Das Auge suchte aufs neue den Bann des Bergrückens
auf, der nach der Sage der Alten das Himmelsgewölbe trug, und immer
wieder krochen die Verse in sein Gehirn und klammerten sich darin fest:

    »Ich unglücksel’ger Atlas! eine Welt,
    Die ganze Welt der Schmerzen muß ich tragen,
    Ich trage Unerträgliches, und brechen
    Will mir das Herz im Leibe.«

Seine Augen weiteten sich, als müßten sie eine unaufhörliche Kette von
Bildern ertragen. Über sein von der Seeluft gebräuntes Gesicht ging ein
nervöses Zucken.

Was denn nur? Was denn nur? dachte er. Du hast es ja gewollt! --
»O ...« machte er ironisch, denn ihm war eingefallen, daß die Heinesche
Strophe ebenso sprach.

    »Du hast es ja gewollt --
    Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich,
    Oder unendlich elend, stolzes Herz,
    Und jetzo bist du elend.«

Er wandte sich kurz ab.

Über ihm war ein Rauschen und Flattern. Großbritanniens Flagge
wehte vom Mast, grüßend stieg die deutsche auf und nieder, über die
Toppen hißte das Schiff paradierend den Wimpelschmuck der Nationen.
Und von der Reede Gibraltars erwiderten englische Kriegsschiffe die
Höflichkeitsbezeigungen mit kurzem Flaggengruß.

Die Passagiere waren an Deck geeilt. Lachend und lärmend um die
Schiffskapelle geschart, die mit aller Kraft »~God save the king~«
ertönen ließ, winkten sie mit den Tüchern den drohenden Felsbatterien
zu, bis der Dampfer in stolzer Fahrt einen Streifen freien Mittelmeers
zwischen sich und die gewalttätige Europaspitze gebracht hatte und das
Dunkel der hereinbrechenden Nacht das Land verschlang. Und plötzlich
durchbrach ein Blitzen die Dunkelheit, feurige Blumen strahlten,
lockten und flammten, süße Walzerklänge schmeichelten sich wiegend
über Deck -- »Rosen aus dem Süden« ...

Eine Stunde schon jauchzte die Musik durch das Schiff. Der Mann auf
dem Sonnendeck horchte. Leichte Schritte kamen die Treppe herauf,
schwerere hinterdrein. Dann stand im Licht der einsamen elektrischen
Lampe eine überschlanke Erscheinung in schleppender, meergrüner Seide,
mit einem feinen blassen Köpfchen, das brünette Haar nach Knabenart
kurz geschnitten. Neben ihr der Kapitän, mit der Zuvorkommenheit des
aufmerksamen Gastgebers. Sie sprachen Englisch.

»So, Miß Turnbull, hier können Sie Luft schöpfen. Das ist ein ganzes
Reservoir.«

»Danke, Kapitän. Und nun kehren Sie zu Ihren Pflichten zurück. Es war
sehr schön.«

»Fallen Sie mir nicht über Bord, Miß Turnbull, und lassen Sie
sich nicht vom Wassermann stehlen. Auf Wiedersehen! Hallo, ist da
jemand -- --?«

»Jawohl!«

»Ah, sieh da. Das trifft sich. Sie unterhalten wohl Miß Turnbull. Darf
ich vorstellen? Herr Wilhelmi, Doktor oder Professor, das weiß ich
wirklich nicht.«

»Nehmen Sie an: beides.«

»Auf Wiedersehen, meine Herrschaften. Versäumen Sie nicht den ganzen
Ball!«

Sie lehnten schweigend an der Brüstung. Bis dem Manne das Schweigen
peinlich wurde.

»Verzeihen Sie, Miß Turnbull, aber ich spreche nicht gern Englisch.«

»Und ich nicht gern Deutsch.«

Wieder eine längere Pause. Dann suchte der Mann heimlich den
Gesichtsausdruck der Reisegefährtin, die bewegungslos auf ihrem
Aussichtsposten verharrte.

»Mein Fräulein ...«

»Mein Herr ...«

»Ich hoffe, Sie haben mich vorhin nicht mißverstanden. Ich würde das
sehr bedauern. Meine Worte sollten keine Unhöflichkeit enthalten.«

»Oh -- ich würde das von einem Gentleman auch nicht erwartet haben.«

»Ich danke Ihnen. Aber mein Englisch ist tatsächlich derart, daß es
Ihnen keine Freude bereiten würde.«

»Mein Deutsch ist von gleicher Beschaffenheit.«

»Nicht doch! Ich verstehe Sie ohne Mühe.«

»Aber wir brauchen ja gar nicht zu sprechen. Das Meer besorgt die
Konversation für uns.«

»Schön. Da naht eine Welle. Ein bißchen demütig. Sehen Sie sie? Das ist
meine Frage.«

»Und dort eine andere. Sie macht einen Knix. Sehen Sie? -- Das ist
meine Antwort.«

»Aha, ich verstehe. Das soll heißen: In Gnaden aufgenommen.«

Sie lachte und schüttelte den Kopf.

»O nein. Das soll heißen: Bemühen Sie sich nicht.«

»Zur Strafe wird die kokette Welle von der eben noch demütigen
plötzlich verschlungen.«

»Möglich. Aber ich bin nicht kokett. Ich habe durchaus keinen Grund
dazu.«

»Mit anderen Worten: Ich komme nicht in Betracht. Ob ich anwesend bin
oder nicht.«

»Sie sind böse über den Scherz, Herr Wilhelmi ...«

»Gewiß nicht. Ich finde mich eben mit meinem Schicksal ab.«

»Nun kokettieren _Sie_. Nun wollen Sie eine Schmeichelei hören.«

»Ich ...? Ach du lieber Gott! Mache ich wirklich einen so schlechten
Eindruck?«

»Sie sind bitter, Herr Wilhelmi. Das paßt nicht zu der schönen Nacht.«

»Die schönen Nächte sind für die glücklichen Träumer. Sie haben das
Leben vor sich.«

»Und Sie? Machen Sie sich nicht älter, als Sie sind.«

»Ich habe es hinter mir. Es kommt nicht auf die Jahre, nur auf die
Erlebnisse an.«

»Erlebnisse bleiben keinem erspart. Damit müssen wir uns abfinden.«

»Ja, mit den ehrenhaften.«

Sie sah ihn erschrocken an. Dann sagte sie, während ihre feinen
Nasenflügel bebten: »Kann man denn anders handeln?«

»Nein. Aber man kann passiv in Mitleidenschaft gezogen werden. Zum
Beispiel: wenn man Schmutz anfaßt.«

Sie richtete ihren Blick fest auf ihn.

»Dafür gibt es Wasser.«

»Wasser allein tut’s nicht immer.«

»Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe,« murmelte sie, und eine
rasche Blutwelle ging ihr durch die Wangen. »Ich wollte keine häßlichen
Erinnerungen in Ihnen erwecken. Verzeihen Sie.«

»Gute Nacht!« sagte er freundlich und verbeugte sich.

»Gute Nacht!« Einer schnellen, weiblichen Empfindung folgend, streckte
sie ihm die Hand hin. »Morgen wollen wir heiterer plaudern.«

Er drückte seine Lippen auf ihre Hand ...

Vom Promenadendeck tönte die Musik. Dazwischen das Scharren und
Schleifen tanzender Füße. Champagnerpfropfen knallten, ein ungestümes
Lachen scholl herauf. Und wieder Musik ...

Die beiden standen und sahen sich an. Um sie her das dunkle Meer,
vom Mond mit glitzernden Maschen überspannt. Zur Linken tauchte
geheimnisvoll die schneebedeckte Kette der Sierra Nevada auf. Ein
Signalfeuer blitzte auf und verschwand.

Da nickten sie sich zu wie alte Bekannte und gingen. --

In der Frühe des Morgens saß Wilhelmi an seinem Lieblingsplatz
auf Sonnendeck. Er sah nach der spanischen Küste hinüber und den
Schneebergen. Aber er sah nicht ihre gigantische Schönheit, er wollte
nur einen Ruhepunkt für seinen Blick. Der trug an einem Bilde, und er
dachte nicht daran, es zu tauschen. Eine knabenhaft schlanke Gestalt
mit einem ernsten, blassen Köpfchen stand vor ihm und reichte ihm die
Hand. Das ist eine feste, treue Hand, dachte er. Eine Frauenhand ist
nicht wie die andere. Manche kühlen wie ein Segen, andere brennen wie
ein Fluch ...

Da floh die Heiterkeit der Morgenstimmung von seinen Zügen. Er starrte
auf die himmelanragende Küste, und er fand sie abwehrend, unwirtlich
und öde.

»Guten Morgen,« hört er eine Stimme neben sich. Er wandte hastig den
Kopf.

»Was ist das für ein bitterböses Gesicht! Ich dachte, heute wollten Sie
heiter sein?«

»Nun bin ich es.«

»Das ist gut. Also bin ich noch etwas nütze auf der Erde.«

Er war aufgesprungen und hielt ihre Hand. Das einfache weiße
Leinenkleid ließ die Gestalt elastisch wie eine junge Birke erscheinen.
Auf dem kurzen brünetten Haar trug sie ein weißes Jockeimützchen.

»Sie sind wie ein frischer Morgengruß,« sagte er.

»Aber ein Gruß erfordert eine Antwort.«

»Die habe ich Ihnen schon gegeben. Mit meiner Freude.«

»Dann beanspruche ich den Gruß den ganzen Tag.«

Er nötigte sie in den langgestreckten Stuhl und wollte einen zweiten
herbeiholen.

»Wissen Sie was, Herr Wilhelmi? Unsere Mitpassagiere schlafen ihren
Tanzrausch aus. Wollen wir hier oben frühstücken?«

»Ah -- ich besorge den Tee.«

»Nein, das ist Frauengeschäft.«

»Sie sollen sich nicht von der Stelle rühren.«

»Und Sie noch weniger! Ein Mann mit einem Präsentierbrett!«

»Es wäre nicht das erstemal.«

»Dann muß es das letzte -- gewesen sein.«

»Sonderbar,« sagte er, »ich hatte mir die englischen Damen ganz anders
vorgestellt.«

»Ach, das kommt nicht auf die Nation an. Und im übrigen -- ich glaube,
ich habe gar keine Nation.«

»Sie sind doch Engländerin?«

»Von den Eltern her. In England selbst war ich immer nur wenige Monate.
Mein Vater wurde als Diplomat bald hierin, bald dorthin versetzt.
Augenblicklich lebt er in Japan. Dort war ich auch zuletzt.«

»Aber Sie sind in Southampton an Bord gekommen. Sie befinden sich also
auf der Rückreise?«

»Nein,« sagte sie, »ich bin überflüssig geworden. Mein Vater hat
sich zum zweitenmal vermählt. Eine Dame meines Alters. Da habe ich
stillschweigend das Feld geräumt.«

»O -- war das notwendig ...«

»Ich muß immer etwas zu sorgen haben,« gab sie mit einem leisen Lächeln
zurück.

»Und auch in England fanden Sie nicht den richtigen Boden?«

»Man lebt nicht ungestraft sein ganzes Leben im Süden. Ich konnte das
heimatliche Klima nicht mehr vertragen und wurde krank. Wie Sie mich
hier sehen, bin ich eine Rekonvaleszentin.«

»So,« sagte er, »dann werden Sie sich von nun an auch als solche
behandeln lassen. Trotz Ihrer Antipathie gegen Männer mit
Präsentierbrettern. Keine Widerrede!«

»Rufen Sie doch den Steward,« bat ihre Stimme hinter ihm her, und er
hörte ein stilles, wohliges Lachen aus dem Klang. --

Den ganzen Vormittag saßen sie beieinander. Oft rann eine halbe Stunde
hin, ohne daß sie sprachen. Nur das Meer rauschte leise zu ihnen
empor. Dann beugten sie sich über die Brüstung und lauschten. Wenn sie
sprachen, geschah es, daß einer die Sprache des anderen versuchte. Wie
in zarter Rücksichtnahme.

»Sie behandeln mich wie eine Kranke. Ich bin ganz gesund.«

»Sie sollen es werden. Und deshalb sollen Sie sich nicht anstrengen.«

»Weil ich Deutsch spreche? Macht es Ihnen keine Freude?«

»Halten Sie mich nicht für undankbar. Ich bin im Leben nie verwöhnt
worden. Daran liegt es.«

»Wollen Sie mir nicht erzählen? Ich möchte Ihnen helfen.«

»Nein,« sagte er, »ich kann mir nur allein helfen. Ich hätte es schon
früher tun sollen.«

Dann verstummten sie. --

Nach dem Diner trafen sie sich wie auf Verabredung am alten Platze.

»Sie sehen müde aus, Miß Turnbull. Still! Sie sollen mich gar nicht
bemerken.«

»Die Menschen waren so laut heute abend,« gab sie wie zur
Entschuldigung zurück. »Kann man sich nicht verstehen ohne vieles
Sprechen?«

»Ja, das kann man. Und wir werden auf der Stelle den Beweis antreten.
So, nun strecken Sie sich gemütlich in Ihrem Tropenstuhl aus. Ich werde
eine Decke um Ihre Füße hüllen. Und jetzt: kein Wort!«

»Nur eins ... Sie sagten vorhin, Sie seien nie im Leben verwöhnt
worden. Ich bin’s! Heute!«

Sie schloß schnell die Augen und rührte sich nicht. Wenige Minuten
darauf war sie eingeschlummert.

Er saß aufgerichtet neben ihr. Wie eine Schildwache. Seine Augen wurden
nicht müde, sie anzusehen. Als müßte er hinter den geschlossenen Lidern
die offenen Augen ihrer Seele erblicken. Und er sah sie, und es begann
eine stille Zwiesprache.

»O du, wie kann ich dich verwöhnt haben ... Das sagtest du nur, um mir
wohlzutun.«

»Ja, ich möchte dir wohltun.«

»Und bist selbst der Erholung bedürftig.«

»O -- ich! Mich macht die Sonne gesund. Du aber hast eine arme, kranke
Seele.«

»Eine Frau hat sie krank gemacht.«

»Nein, das war keine Frau. Frauen sind Heilbringerinnen.«

»Es gibt Frauen, die uns vergiften, gleichgültige, untreue ...«

»Nenne sie nicht mit dem Ehrennamen ›Frau‹. Du mußt uns keinen Schimpf
antun.«

»Weshalb -- weshalb bist du so gütig zu mir -- --«

»Das kannst du keine Frau fragen. Sie weiß keine Antwort.« --

Er beugte sich über sie mit angehaltenem Atem. Wie friedlich sie lag,
den schlanken Körper gestreckt, den brünetten Knabenkopf ein wenig zur
Seite geneigt, und in dem stillen Gesicht feine Zeichen ... War es
wirklich erst seit gestern, daß er diese Frau kannte? Erst seit heute,
daß er diese Zeichen zu deuten wußte? -- --

Der Matrose hoch oben im Ausguck gab das Stundenzeichen. Da erwachte
Miß Turnbull. Sie regte sich nicht. Nur die Augen schlug sie auf.
Verloren hing ihr Blick an seiner Hand, mit der er die Lehne ihres
Stuhles umspannt hielt.

»Haben Sie Schönes geträumt?« fragte er.

»Geträumt -- --? Haben wir uns denn nicht unterhalten?«

»Ja -- im Traum.«

»Das ist seltsam. Mir war, als erzählten Sie mir. Aus Ihrem Leben. Und
dann brach es ab.«

Ihr Blick war noch immer auf seine Hand geheftet, die am Ringfinger
einen schmalen, goldenen Reifen trug. Sein Blick folgte dem ihren.
Und tief atmend, ohne sich Rechenschaft zu geben, sagte er: »Ich will
weiter erzählen.«

Es war ganz still an Deck. Die Passagiere, ermüdet von den Strapazen
der Ballnacht, hatten frühzeitig ihre Kabinen aufgesucht. Nur der
Schritt des diensttuenden Offiziers scholl in schwerem Gleichmaß
von der Kommandobrücke. In der Ferne signalisierte ein Schiff und
verschwand in der Nacht.

»... Ich war gewarnt. Aber was wußte ich von der Frau! Nicht mehr
als von meiner Mutter. Und das genügte mir. Denn ich war stolz auf
meine Mutter. Als ich Hanna zum erstenmal sah, nahm sie keine Notiz
von mir. Ich war noch Student, im letzten Semester, und sie hatte
ohne mich Tänzer genug. Damals hieß es, sie würde einen Hauptmann
heiraten, und ich beneidete den Mann, denn sie hatte etwas an sich, das
verwirrte und fesselte. Zwei Jahre später -- ich war Dozent geworden
-- verlautete, ihre Hochzeit mit einem Diplomaten stünde bevor. Ich
weiß, daß ich damals einen heftigen Schmerz verspürte und eine ebenso
heftige Freude, als ich wenige Wochen darauf vernahm, die Verlobung
sei in letzter Minute zurückgegangen. Und wieder hörte ich lange Zeit
nichts von ihr. Bis mein erstes Geschichtswerk herauskam, das meinen
Namen bekannt machte und mir die Professur eintrug. Ich war der jüngste
Professor. Da öffneten sich manche Türen, an denen ich früher nur
scheu vorübergegangen war. Und bei einer Abendgesellschaft traf ich
Hanna -- --

Sie begrüßte mich, als ob sie sich meiner noch entsinne. Das
schmeichelte mir, obwohl ich genau wußte, daß ich ihr persönlich nie
vorgestellt worden war. Sie begann sofort über mein Buch zu sprechen
und die glänzende Laufbahn, die sich mir damit eröffnet hätte. Bei
Tisch war sie meine Dame. Sie hatte ihren besonderen Tag. Obwohl sie
mit mir gleichaltrig war, überstrahlte sie die jüngste der Damen.
Oder mir war nur so, und meine Augen sahen alles nur in dem Lichte, in
dem sie es gesehen haben wollte. Nie habe ich solchen Bann gespürt.
Das tat, sie behandelte mich wie einen Vertrauten. Wenn sie mich etwas
fragte, geschah es schnell und leise, als wäre ihr Wort nur für mich
berechnet. Wollte sie mich auf etwas aufmerksam machen, so winkte sie
mir mit den Augen und dirigierte lächelnd meinen Blick. Dazu der Ton
der vornehmen Welt, die schillernde Art, mit Gedanken zu spielen oder
an sich gleichgültige Dinge wie Gedanken einzukleiden. Ich hatte nie
Frauen dieser Sphäre gekannt. Ich war wie berauscht.

Anderen Tags erhielt ich den Besuch eines älteren Kollegen, den ich
hochschätzte. Er sagte mir, daß er wegen eines selten gewordenen
Buches käme, und sprach -- von Hanna. Ich ging mit Freuden auf die
Unterhaltung ein und dann mit Zorn. Wie konnte ein Mensch wagen, diese
Frau zu verdächtigen? Wo waren die Beweise? Daß sie zweimal verlobt
gewesen sei? Das sprach nur gegen die Männer. Daß sie kokettiere? Ach
Gott, das sagt man den Frauen nach, die beweglicheren Geistes sind
als andere. Wir aber sollten uns schämen, derartig müßiges Gerede
weiterzugeben.

›Die Scham,‹ sagte der alte Kollege, ›äußert sich bei manchem Manne
früher, bei manchem Manne später. Bei mancher Frau gar nicht.‹ Damit
ging er und grüßte mich ernst.

Ich blieb in wildester Erregung zurück. Das Blut brauste mir bis in
die Ohren. Und dann nahm ich meinen Hut und rannte durch die Straßen
und ohne weiteres zu ihr, zu Hanna. Sie stand vor mir, mit der leichten
Röte der Spannung auf den Wangen. Und ich sprudelte heraus, was ich
gehört, was man mir zugetragen hatte, und ich sah das Rot auf ihren
Wangen aufsteigen und hielt es für das Rot der Scham und forderte, als
sei ich an ihrer Statt der Beleidigte gewesen, Antwort. Ganz fest sah
sie mich an, und sie las in meinen Augen die Antwort, die ich hören
wollte ...«

Der Erzähler machte eine Pause.

»Eine halbe Stunde darauf waren wir verlobt.«

Die Zuhörerin fuhr auf. Dann ließ sie sich leise in ihre alte Stellung
zurücksinken.

Er aber sah an ihrem blassen Gesicht vorbei auf das nachtdunkle Meer,
das das Schiff in unaufhaltsamer Eile lautlos fast durchschnitt.

»Wenige Monate darauf waren wir verheiratet. Kaum einen anderen
Menschen habe ich in dieser Zeit zu Gesicht bekommen als Hanna. Sie
behauptete, auf jeden eifersüchtig zu sein, der sich mir nahen wollte.
Und diese Eifersucht machte mich glücklich. Wo wir Männer mit dem
Herzen lieben, sind wir Kinder.

Jetzt sind es drei Jahre, daß ich verheiratet bin, fuhr Professor
Wilhelmi fort. Die fürchterlichsten Jahre meines Lebens. Nein, nein,
lassen Sie mich zu Ende erzählen. Es ist gleich so weit, und es hätte
schon eher so weit sein können. Aber ich war eben ein Kind. Aus dem
Kind wurde ein Diener. Diese Art Avancement befremdete mich zunächst
in keiner Weise. Dann erst fiel mir auf, daß sie einseitig war. Aus
meinem Elternhause wußte ich, daß sich zwischen Vater und Mutter ein
Sport entwickelt hatte, sich gegenseitig zu bedienen. Bei uns blieb
die Beschäftigung mir allein zugedacht. Aus der ernstesten Arbeit
wurde ich herausgerissen, um Aufträge zu empfangen, und alle zielten
auf Geselligkeit und den Aufwand hierzu. Das Interesse an meinen
historischen Forschungen, das sie mir in den Tagen unserer Brautzeit
so sehr entgegengetragen, daß ich leicht auf alle Kollegen Verzicht
leisten konnte, war mit dem Tage der Hochzeit verschwunden. Und doch
sollte ich arbeiten, mußte ich arbeiten, um die immer höher steigenden
Ausgaben zu decken. Da war es kein Wunder, daß ich ihr nicht in alle
Gesellschaften, zu Waldpartien, zu Eisfesten und was weiß ich, folgen
konnte. ›Wir haben einen berühmten Namen‹, pflegte Hanna zu sagen. ›Ich
sorge dafür, daß er nicht in Vergessenheit gerät, während du in deinem
Gelehrtenstübchen über deinen unsterblichen Werken hockst.‹ Ich ließ
sie gehen, wohin sie wollte, denn ich gewann dadurch die Ruhe, die ich
brauchte, um durch Arbeit Geld zu schaffen. In diesen Tagen aber packte
mich ein neuer Neid. Der Neid auf den Schuster unten im Hof, der nach
Feierabend sein lachend sich sträubendes Weib auf den Schoß nahm.

Und dann -- nach drei Jahren fast -- erhielt ich zum zweiten Male
den Besuch meines alten Kollegen, zu dem ich die Hochschätzung
wiedergefunden hatte. Er nannte mir einen Namen. Und dann nahm er
mich fest in den Arm. ›Sie haben Hoffnungen zu erfüllen,‹ sagte er,
›wissenschaftliche Hoffnungen. Sie sind mir zu schade, daß Sie so
untergehen. Sonst wäre ich wahrhaftig nicht wiedergekommen.‹ Da habe
ich mich zusammengerissen.

Als Hanna von einer Ausfahrt heimkam, ging ich ruhig und gefaßt in
ihr Zimmer. Ihre glitzernden Augen sahen mich an, während ich sprach.
Aber sie lasen nicht mehr die Antwort aus meinen Augen, die Antwort,
die ihr am bequemsten gewesen wäre, wie damals bei unserer Verlobung.
Und plötzlich waren die Rollen gegen damals vertauscht. Die Worte
überstürzten sich auf ihren Lippen, sie leugnete, sie schwor, sie fand
Worte voll Schimpf und Hohn. Nie sah ich je einen Menschen in solcher
Ekstase des Häßlichen. Da wußte ich: wahr oder unwahr! -- dies Bild
wirst du nie im Leben mehr vergessen.

In der Nacht kam sie zu mir, kalt und überlegen. ›Du quälst dich
umsonst, mein Lieber, aus einem unschuldigen Flirt eine Haupt- und
Staatsaktion zu konstruieren. Ich könnte deinen verehrten Herrn
Kollegen vor Gericht fordern, wenn mir an einem Skandal läge. Ich habe
Zeugen, er nicht.‹

›Ich werde deinen Hauptzeugen morgen von Angesicht zu Angesicht sehen.‹

›Ach -- du denkst wohl gar an eine Herausforderung? Du wirst gegen
Windmühlen fechten.‹

›Das wird sich finden. Hast du sonst noch einen Wunsch?‹

›Den, mich nicht lächerlich gemacht zu sehen. Der Assessor, dessen
Namen du vorhin genannt hast, wird dir sein Ehrenwort geben, daß er
mich nicht mit der Spitze des Fingers berührt hat.‹

›Woher weißt du das?‹

›Weil es die Wahrheit ist! Nur, weil du mich stets allein in die
Gesellschaften entließest, durfte sich der Klatsch an mich wagen. Du
trägst die Schuld, du allein!‹

Alles in mir schrie auf gegen diese gehässige Umkehrung der Dinge. Es
zuckte mir wie ein Krampf in den Fingern. -- Aber da sah ich eine Frau
vor mir. Die anerzogene Ritterlichkeit siegte.

›Reise,‹ sagte ich, ›so können wir nicht mehr miteinander leben. Zeige
mir, daß ich im Unrecht bin. Ich will es uns beiden wünschen.‹

›Du kommst mir zuvor,‹ entgegnete sie. ›Ich werde morgen abreisen und
irgendwo an der Riviera diese Attacke auf meine Nerven kurieren. Bis du
selber zu mir kommst.‹«

Er stand auf und blickte in die Stille der Nacht. Kein Laut um sie her.
Nur der schwere Schritt des diensttuenden Offiziers über ihnen.

»Nun bin ich auf dem Wege,« sagte er dann ...

Ein Schatten fiel über ihn hin. Jetzt wird sie sich still entfernen,
dachte er. Aber er spürte eine Hand in der seinen.

»Ich wünsche Ihnen -- von Herzen -- Glück auf den Weg ...«

»Was für ein Glück? Sie wissen ja nicht, um was es sich für mich
handelt. Ich bin auf dem Wege, mir meine Ruhe wiederzuholen. Mehr habe
ich nicht zu verlangen.«

»Sie wollen Ihre Ruhe -- von der Frau verlangen, von der Sie mir
sprachen?«

»Ja, das will ich. Ich will wieder arbeiten können, wieder Hoffnungen
haben dürfen. Denn das ist alles hin. Alle Frische, alle Zuversicht.
Meine Gedanken laufen im Kreis, und sie ist der Mittelpunkt. O, staunen
Sie nicht. So jämmerlich bin ich, bei aller meiner Naivität den Frauen
gegenüber, doch nicht geworden, daß ich mich mit aller Gewalt an das
Schürzenband anklammere, das einmal mein war. Nein, ich will nur
wissen, daß es nicht mehr mein ist! Ich will das ehrliche Bewußtsein
haben, mich keiner unritterlichen Handlung schuldig bekennen zu müssen,
vor allem nicht der gegenüber, die dieses Bewußtsein, das unter
Gleichwertigen als Stärke gilt, als meine Schwäche auffaßt und damit
rechnet. Und dann -- dann will ich wieder frei aufatmen und von neuem
beginnen.«

»Wie wollen Sie das von der Frau verlangen ...«

»Es sind jetzt drei Monate,« sagte er leise, »daß sie an der Riviera
weilt. Zweimal erhielt ich eine Korrespondenzkarte als Quittung für die
übersandten Monatsbeträge. Das drittemal nicht. Ich hätte sofort durch
Deutschland und die Schweiz reisen können und wäre schneller am Platz
gewesen. Aber die Meerfahrt klärt uns ab und vertieft unsere Gedanken.
Darum gab ich mir selbst, als letzte Frist, diese Bedenkzeit auf,
diese Zeit des Bedenkens. Mehr kann ein Mensch nicht an sich selber
tun.«

»Nein, mein Freund.«

»Ich werde kommen und sehen. Finde ich, was ich erwarte, daß sie mit
der Elastizität ihrer Natur in diesen Dingen über das Vergangene zur
Tagesordnung übergegangen ist und unbekümmert um den schwerfälligen
Narren im Norden die schöne, leichtlebige Dame weiterspielt, so werde
ich ihr, selbst _gegen_ ihren Willen, die Freiheit zu allen ihren
Abenteuern verschaffen. -- Miß Turnbull, das ist ein altes Lied. Nur
für den, der plötzlich zum Mitsingen kommandiert wurde, erhält es mit
einem Mal den Reiz der Neuheit. Als ob es nie im Leben zuvor erklungen
wäre. Verzeihen Sie, aber die alltäglichsten Schmerzen kommen dem
Betroffenen immer als unerhörte und nie dagewesene vor. Menschliche
Eitelkeit, Miß Turnbull. Als Historiker sollte ich eine größere
Weltanschauung haben -- ich habe auch bei der Philosophie eine Anleihe
zu machen versucht --; aber wir setzen uns schneller über ein ganzes
Schlachtfeld voll Leichen hinweg als über einen einzigen Mord.«

Sie faßte seine Hand. »Ich sage nur nochmals: Glück auf den Weg! Jedes
weitere Wort wäre leer. Glück auf den Weg!«

Er spürte den festen Druck ihrer Hand, und es tat ihm wohl, daß sie
keine mitleidsvollen Worte suchte. Da stand ein Mensch, der hatte den
Glauben an seinen Weg.

»Liebe Freundin ...«, sagte er, als sie schieden.

Das Schiff fuhr dicht unter Land, die französische Riviera entlang,
und weiter, immer weiter an der in goldener Morgensonne erstrahlenden
italienischen Schwesterriviera vorbei. Staunend und stumm standen die
Passagiere vor der Gottesherrlichkeit der Natur. Dort, nur dort konnte
das Menschenglück zu Hause sein ...

Um zehn Uhr tauchten die Bergterrassen Genuas auf, wie ein schneeweißer
Traum aus blauem Meer. Der Lotsendampfer brauste heran. Eine alte
verwitterte Gestalt übernahm neben dem Kapitän das Kommando. Langsam
und majestätisch fuhr das Schiff in den Hafen Frederico Guilelmo.

»Leben Sie wohl, Miß Turnbull. Ich sagte am liebsten: Auf Wiedersehen.«

»So sagen Sie es.«

»Wohin werden Sie sich wenden?«

»Zum Lago di Como. Ich werde auf Wochen in Bellagio Quartier nehmen, in
der Villa Serbelloni.«

»Gott mit Ihnen!«

»Und mit Ihnen.«

Sie waren auf das Gespräch der Nacht nicht mehr zurückgekommen.

       *       *       *       *       *

Es war eine Woche später, als Wilhelmi mit dem Dampfer von Como in
Bellagio landete. Er hatte von der Herrlichkeit des Sees nichts
bemerkt. Er war erschöpft von Seefahrten.

Er ließ sein Gepäck ins Hotel Genazzini bringen und stieg den
Treppenweg hinauf, der zur Villa Serbelloni führt. In der kleinen
Holzschnitzerei am Wege erstand er seine Einlaßkarte. Diese vornehmen
Parks schützten sich gegen unberufene Fremde. Sie wollten abgeschiedene
Stätten der Ruhe bleiben.

Beim Pförtner erkundigte er sich nach Miß Turnbull und ließ sich hoch
hinauf in den dichten Park weisen, der in Duft und Blüten schwamm.
Die einsame Bank, hoch oben über dem Felssturz zum See, sei ihr
Lieblingsplätzchen. Dort traf er sie. Er dachte an Feuerbachs Bild
der Iphigenie, die, weißgewandet, vom Felsen aus sehnsüchtig über die
Wasser blickt ...

»Da bin ich wieder, liebe Freundin.«

Sie machte eine jähe Bewegung. Dann sah sie die tiefen Schatten unter
seinen Augen und hielt ihre Freude zurück.

»Ich habe Sie erwartet. Jetzt müssen Sie ruhen. Blicken Sie um sich.
Ist das nicht alles die Ruhe?«

Er ließ sich neben ihr auf die Bank nieder, nahm seinen Hut ab und
strich sich mechanisch über die Stirn. Da berührte sie leise seine
Hand. »Lieber Freund ...«

»Ja, ja, ja -- hier ist die Ruhe.«

»Wissen Sie noch, was ich Ihnen einstmals erzählte? Daß ich in die Welt
gegangen sei, weil ich daheim nichts mehr zu sorgen fand? Ich muß immer
eine liebe Sorge haben, lieber Freund.«

Er blickte sie an, unbeweglich, ohne ein Wort zu erwidern.

»Ich glaube -- ich habe sie gefunden.«

Wie wohl das tat -- diese Ruhe ... Als Knabe war er einmal aufgewacht,
nach langem, schwerem Fieber. Da saß die Mutter an seinem Bett, und
ihre kühle Hand lag auf seiner Stirn. Es war so still um ihn her, daß
er die Fliegen summen hörte, die sich im weit geöffneten Fenster in der
Sonne badeten. Aus dem Garten zog der Duft einer Sommerrose herein.
Und durch sein Blut zog die Gesundung ... Damals hatte er der Mutter
seine wilden Fieberträume erzählt. Und ihre kühle Hand hatte sie alle
von seiner Stirn weggenommen. Daran dachte er jetzt, und er begann zu
sprechen.

»Ich war in Nizza -- und man wies mich nach Mentone. Ich war in Mentone
-- und man wies mich nach Nervi. Und von dort nach Como. So bin ich zu
Ihnen gekommen. Auf der Fahrt nach dem Glück.«

»Die Ruhe -- --« sagte sie, und ihr Blick ging über den See zu den
stillen Bergen.

»Ja, die Ruhe! Jetzt _will_ ich sie haben! Weshalb ich allein nicht?
Nur, weil diese Frau es nicht will? Mag sie ihre Marionetten am Drahte
ziehen. Ich scheide aus dem Spiel aus.«

»Sie sollten jetzt hier bleiben.«

»Ja, das will ich.«

»Wir werden den Lario befahren und durch die stillen Gärten wandern.
Die Azalien sind wie eine rote und weiße Flut, und die Blüten der
Magnolienbäume brechen auf. Oft ist es, als ob die Berge ringsum ein
Zaubereiland behüteten. Man möchte wie Kinder sein und sich Märchen
erzählen. Man kann ja gar nicht anders.«

»_Das_ können ...«

»Sie müssen nicht zweifeln. Wenn Sie es wieder gelernt haben, werden
Sie nicht wissen, daß Sie es je verlernt hatten. Das ist das Schönste
im Leben. Es gibt Wunden -- und es gibt Heilkräuter. Kommen Sie!«

Er bot ihr den Arm, und sie gingen durch den waldigen Park, der wie
ein stillatmendes Schweigen war. Und am Nachmittag, als die Sonne im
Westen stand, nahmen sie ein Boot und fuhren in den Leccoarm und zum
Park der Villa Giulia, dessen schwere Blütentrauben über die Mauer
bis ins Wasser hingen, als könnten sie sich nicht satt sehen an der
eigenen Schönheit. Und am nächsten Vormittag trug sie das Boot hinüber
nach Cadenabbia, und sie besuchten den Wunderpark der Villa Carlotta,
die die Königin des Lario heißt und in köstlich kühler Kamelienpracht
schwelgt. Und wieder am Nachmittag wanderten sie die schattenspendende
Platanenallee entlang, die von Bellagio aus in den Zedern- und
Agavenpark der Villa Melzi führt. Gärten um sie her. Und jeder Schritt
war ein Ausruhen.

Sie sah, wie er auflebte in diesem Gottesfrieden. Und sie sprach mit
ihm von den Blumen, Sträuchern und Bäumen, die sie in Urwaldspracht
kannte von ihren Reisen im Süden und im fernen Osten. Indien grüßte
herüber und das märchenhafte Japan. Und dann begann er von der
Geschichte der Länder zu reden, die sich aus ihrem Boden entwickelt.

»In acht Tagen,« sagte er, »geht mein Urlaub zu Ende. Aber ich komme
wieder, zum Herbst. Werde ich Sie dann noch finden?«

»Ich werde Sie hier begrüßen.«

Als die Woche zu Ende war, bat er sie, in der Frühe mit ihm
hinüberzufahren nach Varenna. Dort, im Rücken des Städtchens, das
seine ragenden Zypressen bis hart an den See vorschiebt, hebt sich
eine steile Bergkuppe. Auf ihr ein trotziger Turm, von zersplittertem
Mauerwerk umkränzt.

»Soll ich den Namen des Kastells erfragen?«

»Nein, es ist so geheimnisvoller. Man kann alte Sagen hineindichten,
aus grauen Zeiten, da noch die große Sonne auf große Menschen schien
und ein Graf hier hauste wie ein König des Sees.«

»Die Schulkinder werden uns Lügen strafen.«

»Ich aber behaupte es. Es wird ein Heckenritter gewesen sein. Denn wie
ein Wall, wie eine Hochwacht ist der Berg, und von der festen Burg war
ein beherrschender Blick über den Como- und den Leccoarm und über die
vereinigten Wasser des Lario, von den Dörfern und Städten, von den
Weingärten und Olivenhügeln bis zu der drohenden Kette der Schneeberge.
Nichts auf dem See konnte geschehen, ohne daß der Graf es wußte und
wollte. Und er nahm von den Tonnen Weins, die auf dem See verladen
wurden, die besten und trank sie aus und von den Frauen des Sees die
schönsten. Und auch sie sprachen, wenn er sie heimwärts ließ: Du hast
mich ausgetrunken wie einen Becher Weins. -- Es war einmal. Die Zeiten
und ihre Sitten haben sich gewandelt ...«

Sie drangen in den letzten Hohlweg, der zum Gipfel führte, und sie
lächelten über ein Liebespaar, das, wie eine Illustration ihres
Gesprächs, eng umschlungen ihnen entgegenkam.

»Ein italienischer Offizier. Wohl aus Como --«

Und ein Ruf hüben -- ein Schrei drüben!

Vor dem Paare stand Wilhelmi. Der Offizier verstand seine Bewegung
falsch und riß an seinem Säbel. Da beugte sich Wilhelmi weit vor, und
mit furchtbarem Hieb seines Stockes schlug er über die bewaffnete Hand,
daß der Säbel auf die Steine klirrte.

Wie eine Wildkatze hatte sich die Frau an die Brust des Verwundeten
geworfen und deckte ihn.

Und noch immer weit vornübergebeugt und auf die Gruppe starrend, sagte
Wilhelmi: »Frei!«

Dann wandte er sich nach seiner totblassen Begleiterin um und bot ihr
den Arm.

»Ich habe um Entschuldigung zu bitten, Miß Turnbull. Kehren wir nach
Bellagio zurück.«

Sie gingen. Und er spürte die Schläge ihres Herzens gegen seinen Arm
stürmen. Dann hatten sie die Wegbiegung hinter sich.

»Ich muß Sie schwer geängstigt haben, liebe Freundin. Verzeihen Sie
mir. Ich glaube, der ~genius loci~, der Geist des Heckenritters mußte
in mich gefahren sein.«

Er versuchte zu scherzen.

Da löste sie sich von seinem Arm, hob ihre Hände und zog seinen Kopf zu
sich. Hastig, fiebernd.

-- -- -- Und ihre Tränen strömten über sein Gesicht ... -- -- --

Am anderen Morgen wartete sie hoch oben im Park der Villa Serbelloni
vergebens auf ihn, daß er käme. Als es Mittag wurde, eilte sie hinunter
ins Hotel Genazzini. »Der Herr,« beschied sie der Torhüter, »habe noch
gestern abend spät Besuch erhalten. Heute morgen in der Frühe sei er
mit den Herren fortgegangen. Die Rechnung sei bezahlt. Aber wegen
seines Gepäcks habe der Herr noch nichts bestimmt. Er müsse also noch
einmal zurückkommen.«

Und er kam.

Als die brennende Mittagsglut die Menschen in den Häusern hielt, hinter
geschlossenen Läden die heißen Stunden zu verschlafen, kam er auf
einem Maultierkarren. Durch die Brust geschossen. Ein Karabiniere trug
ihn mit Hilfe des Friedhofwärters in die kleine Totenkapelle. Kein
Neugieriger war zugegen. Nur die englische Dame, die seit Mittag in
brennender Glut den Weg auf und ab gegangen war.

An sie auch lautete der Brief des Toten.

»Wenn ich falle, so sollst Du wissen, daß ich auf der Fahrt nach dem
Glück gefallen bin. Ich liebe Dich.«

       *       *       *       *       *

Sommer und Winter wechseln, Sonne und Sturm. Die Blumen in dem
ruhevollen Park und die Scharen der Menschen, die die Gestade des Lario
besuchen. Nur eine englische Dame bleibt Sommer und Winter, jahraus,
jahrein. Der mädchenhaft schlanke Wuchs ist ihr geblieben und das junge
Gesicht mit den feinen Zeichen. Durch das kurze brünette Haar ziehen
sich Silberfädchen.

»Die Natur hat es ihr angetan,« sagen mit Stolz die Barkenführer, und
die Fremden nicken, überwältigt von dem Zauber der Landschaft.

Und wissen nicht, daß sie den stillen Schläfer, der am Berge ruht, zu
trösten hat, jahraus, jahrein ... --



Der Gruß des Lebens


Dicht neben dem Schloßpark lag das kleine weiße Haus im Zopfstil des
Rokoko. Von der Anlage aus, die nur in den Nachmittagsstunden von den
bequem gewordenen Residenzlern aufgesucht wurde, sah man über die mehr
als hundertjährige, mannshohe Taxushecke hinweg zwischen den üppigen
Platanen die geschweiften, von Muschel- und Schneckenornamenten schier
erdrückten Fenster blinken, während die Fenster der Rückseite den
Einblick in eine Lichtung des fürstlichen Parkes gestatteten wie in ein
der Sehnsucht so nahes, der Wirklichkeit verschlossenes Märchenland.
Als der Hof von Versailles für Europa die Losung verschwiegener
Üppigkeit ausgab, war der Park über Nacht entstanden, aus altem,
gepflegtem Forst heraus, und dem Schloß erreichbar, vom Park und vom
Spazierweg aus zu betreten, hatte der lebens- und liebeslustige Erbauer
ein Schmuckkästchen aufführen lassen für ein entzückendes Dämchen mit
hochtupiertem, schneeweiß gepudertem Haar, getuschten Augenbrauen,
Schönheitspflästerchen neben dem Grübchen der Wange und inmitten der
feingeschwungenen Buchtung der kokett aus indiskretem Seidenleibchen
lugenden kleinen Büste. Und in dem zierlichen, über dem Erdgeschoß nur
ein Stockwerk aufweisenden Häuschen war mehr Leben, Lieben und Lachen
gewesen als in dem großen Schlosse. Aber weit über ein Jahrhundert war
es her, selbst um die Gespensterstunde spukte kaum noch ein Echo, und
im Parkwinkel hatte brünstig umarmender Efeu längst die Goldlettern von
dem Stein geküßt, der den Namen der kleinen Sünderin trug, welche selig
unter ihm schlief.

Die Tugend war in der kleinen Residenz eingezogen und mit der Tugend
die schadenfreudige Nachrede. Vom Schlosse her wehte ein strenger Wind.
Man ging in hochgeschlossenen Kleidern und strickte daheim Leibchen für
die Missionen, häkelte wohl auch einmal, um den Sinn für das Schöne zu
bekunden, an einem kunstreichen Sofaschoner, der vor leichtfertiger
Liebe warnt und den Segen der Häuslichkeit preist. Dreimal auf einem
Ballabend hatte im vorletzten Winter die junge Frau Hofrat mit dem
Hauptmann der Leibkompanie getanzt. Das bildete noch immer das
Tagesgespräch. Und die junge Frau Hofrat lachte auf der Straße nur noch
mit rotgeweinten Augen ...

Am stärksten aber hatte das kleine, weiße Rokokohaus am Parkrand den
Wechsel der Zeiten erfahren. Es war dem Konservator der fürstlichen
Sammlungen als Dienstwohnung überwiesen worden, einem ältlichen,
sorgfältig rasierten Herrn mit hochgeknoteter schwarzer Krawatte und
langem, peinlich gebürstetem Gehrock. Er hieß Herr Direktor, Herr
Direktor Hubertus, aber von seinem weidmännischen Namenspatron hatte
er nur ein Jagdfieber ererbt, das sich auf verstaubte, vergilbte
Beute erstreckte. Einer alten Handschrift, mehr noch eines seltenen
Kupferstichs wegen vergaß er sich selbst und seine Umwelt, das der
Freude erbaute weiße Rokokohaus, durch das eine junge Frau wie im Traum
einherschritt, wenn sie nicht stumm am Fenster saß, die Blicke ziellos
und zwecklos auf die Spazierwege der Anlage gerichtet oder durch den
Parkeinschnitt auf das heimliche Treiben des Hofhalts. Vor fünf Jahren
hatte er sie geheiratet, die Tochter eines Studienfreundes, der sich
über den drohenden Bankerott eines allzu lustigen Lebens durch eine zu
hoch bemessene Portion Digitalis hinweggeholfen hatte. »Herzschlag«,
hatte der alte Hausarzt der vor Schreck erstarrten Tochter gegenüber
mitleidsvoll geäußert. Dem Freunde des Verstorbenen aber, der aus der
Residenz angereist gekommen war, mußte er die Art dieses Herzschlages
doch etwas näher erklären. Es handelte sich um rasche Hilfe für die von
allen Mitteln entblößte hinterbliebene Tochter.

Damals gerade war dem emsigen Konservator der fürstlichen Sammlungen
die neue Dienstwohnung angewiesen worden. Das Haus hatte Platz für zwei
und drei. Es lag still und abseits genug, um einem Kindesschmerz Muße
zu gewähren, das Gedächtnis eines teuren Toten zu pflegen. Direktor
Hubertus war daran, den Vorschlag einer einstweiligen Übersiedelung
zu machen, als ihm die Tugend der Stadt und die leicht entzündbare
üble Nachrede einfiel. Er rieb sich das Kinn und sah das schlanke
Geschöpf mit den großen, fragenden Augen mit Bedauern an. Und während
er sie so betrachtete und ihm bei der Kürze der Zeit, über die er
verfügte, kein anderer Vorschlag geläufig werden wollte, fiel ihm bei
einer müden Wendung, die sie machte, die Ähnlichkeit ihres Profils mit
einer köstlich geschnittenen Gemme auf, seinem Lieblingsstück in der
fürstlichen Sammlung. Dieser Vergleich ließ ihn nicht mehr los. Mit
der Miene des Kunstkenners studierte er die edle Linie des Kopfes,
die reingeprägten Züge ihres Gesichtes. Es war der Sammler, der ihn
drängte, den Vorschlag einer einstweiligen Übersiedelung in den einer
dauernden umzuwandeln. Besaß das Kabinett seines Herrn den Stein,
so konnte er in der Stille des Hauses sein Auge an der lebendigen
Form weiden. Und nicht die scharfäugigste Tugend vermochte einen
entstellenden Flecken nachzuweisen.

»Mein Fräulein, Ihr Sachwalter wird Ihnen gesagt haben, wie -- leider
-- die Dinge hier liegen.«

»Ich werde mich als Gesellschafterin vermieten müssen.«

»Dazu -- meine Jahre erlauben mir wohl, davon zu sprechen -- dazu
dürften Sie zu hübsch sein. Und um traurige Erfahrungen zu machen, dazu
ist Ihre Jugend nicht da und mir das Andenken meines Freundes zu wert.
Wie alt sind Sie jetzt, mein Fräulein?«

»Zwanzig Jahre,« sagte sie ohne Anteilnahme.

»Hm -- ich zähle fünfzig. Das ist ein beträchtlicher Unterschied. Aber
ich bin allein, lebe in wohlgeordneten Verhältnissen in einem angenehm
liegenden Hause, nehme eine angesehene, pensionsberechtigte Stellung
ein und pflege mich wenig um laute Geselligkeit zu kümmern. Wollen Sie
sich das einmal überlegen?«

»Was hilft mir das?« meinte sie und schloß die Augen.

»Mein Fräulein, gestern erst ist Ihr Herr Vater beerdigt worden. Da
ziemt es sich wohl nicht, angesichts des frischen Grabes vom Leben
zu reden. Und doch -- die Umstände entscheiden. Ihnen ist die Heimat
genommen worden und die Möglichkeit, sich eine neue zu gründen. Ich
biete Ihnen eine neue. Nicht aus leidenschaftlicher Übereilung heraus
-- Leidenschaft wäre heute nicht am Platz --, sondern einer starken
Sympathie wegen, die Sie mir einflößen. Meine Studien und mein auf das
Sinnende gerichtete Temperament gestatten mir nicht, Ihnen übermäßig
lästig zu fallen. Es wird eine wohltemperierte Freundlichkeit und
Behaglichkeit zwischen uns walten. Keiner wird den anderen in seiner
stillen Beschaulichkeit stören.«

»Sie wollen mich -- heiraten?«

»Erscheint es Ihnen nicht lockender, im Hause eines Ihnen väterlich
zugetanen Freundes frei als Gattin zu schalten, statt in fremden
Häusern sich unter Launen zu demütigen, immer das Bündel in der Hand?«

»Bleibt mir denn nichts? Gar nichts?«

»Ich glaube, mein liebes Kind, nicht einmal das Bündel, von dem ich
sprach.«

»Hat denn wirklich Vater nichts für mich hinterlassen?«

»Liebes Kind, es sind hohe Schulden vorhanden. Aber ich will sie
übernehmen.«

Ein heftiges Weinen überkam sie.

»Und mich dazu!«

»Und Sie dazu. Stellen Sie sich das nicht so unmöglich vor. Das, was
die Jugend bieten könnte, werden wir in gesammelter Form in der Kunst
genießen. Wir werden am Abend beieinandersitzen, die Kunstblätter
werden von Hand zu Hand gehen, wie die Schatzgräber werden wir
bei jedem neuen Funde erstrahlen, während draußen in der rauhen,
wilden Welt die Menschen mit finsteren Gesichtern an den Schönheiten
vorüberrennen. Und das reine Gedächtnis an den Vater bewahren Sie als
Ihren höchsten Schatz.«

Sie stand am Fenster und blickte in den rotglühenden Sonnenball, der
sich fern über den Dächern senkte.

»Ich habe ihn so lieb gehabt, den schönen, fröhlichen Vater ... Und
selbst seinen Leichtsinn hab’ ich lieben müssen ...«

»Darum sorgen Sie dafür, daß jetzt nicht schmutzige Hände an ihm
herumzerren.«

Sie blickte starr in die rotglühende Sonne, bis der letzte Streifen
geschwunden war. Dann wandte sie sich um.

»Wann -- dachten Sie -- daß ich zu Ihnen -- übersiedeln sollte?«

»Die Umstände entschuldigen, daß wir von dem Trauerjahr absehen. Sie
sollen sich so bald als möglich in Sicherheit fühlen.«

»In zwei, in drei Monaten --?«

»Ich werde alles vorbereiten.« Er erhob sich, und sein sinnender Blick
hing lächelnd an ihrem klaren Profil. »Seien Sie so frohen Mutes, als
es Ihnen diese Zeit erlaubt. Ich werde mich jetzt zu den Gläubigern
Ihres Vaters begeben und die Schuld auf mich übertragen lassen. Leben
Sie wohl.« --

Um ein Vierteljahr später zog die junge Frau Maria in das kleine,
weiße Rokokohaus, das unter den von alten Zeiten raunenden Platanen
hinter der hohen Taxushecke träumte. Und bald träumte die junge Herrin
mit ... Wenn der Konservator der fürstlichen Sammlungen im Amte weilte
oder daheim über Mappen alter Kupferstiche saß, die nach Alter rochen
wie die Wäscheschränke des Hauses nach Lavendel, horchte sie auf das
Wispern zwischen Taxus und Platanen, das von Leben, Lieben, Lachen
erzählte, von kleinen Menschensünden und großen Menschenfreuden zu den
Zeiten des entzückenden Rokokodämchens, das seine Jugend mehr liebte
als seine Tugend. Dann wurden ihre Augen weit, einer fremden Sehnsucht
voll, und sie ließ den Abendwind, der aus dem verschwiegenen Schloßpark
kam, um Hals und Wangen schmeicheln.

»Du wirst dich noch erkälten, Maria. Bitte, schließ das Fenster.
Und sieh einmal her. Wer, glaubst du ist der Autor dieser höchst
originellen Serie von Kupfern ...?«

Sie schloß das Fenster und setzte sich zu ihm an den Tisch. Zu
antworten brauchte sie nicht. Der eifrige Sammler hatte bereits die
Lupe wieder eingeklemmt, um nach wegweisenden Merkmalen zu fahnden, die
ihm den Namen des Kupferstechers verraten könnten. Der Abend ging hin.

Und Woche auf Woche, Monat auf Monat schloß sich an. Sorgfältig
rasiert, im peinlich gebürsteten Rock wandelte der fürstliche
Konservator in sein Amt, wandelte heim, warf einen frohen Blick auf das
edelgeschnittene Profil der Gattin, dem der Schnitt der fürstlichen
Gemme nicht standhalten konnte, und vergrub sich in seine Forschungen.
Und draußen juchheite der Frühling in den Bäumen, kamen des Sommers
Düfte in Strömen aus dem Schloßpark geflossen, färbte sich das Laub
purpurn im Auskosten letzter Wonne und fiel braun in den Schnee, der
geheimnisvoll die Decke breitete, damit sich neue Seligkeit zu neuen
Kräften sammle.

Frau Maria schritt durch das Haus. Nur an den Fenstern zögernd. Wie der
Gefangene, der immer wieder nach dem Stückchen blauen Himmel blickt.
Tag für Tag schritt sie durch das Haus, ruhelos, vom Keller zum Söller,
von Gedanken umsponnen wie von einem unsichtbaren Hofstaat. In der
Einsamkeit wurde ihr Blut heißer und lauter, ihr Gesicht blasser und
stiller. Mit Menschen kam sie kaum zusammen. Der Herr Konservator war
ein Einsiedler gewesen Zeit seines Lebens, die späte Ehe sollte ihm
seine Gewohnheiten nicht stören. Die Selbstsucht des Alters war in ihm.
Die Vorstellung, daß die Jugend neben ihm, weil sie nun doch einmal an
seiner Seite einherschritt, nicht mit seinen Augen sehen, nicht mit
seinen Gefühlen empfinden, nicht seine Liebhabereien und Abneigungen
teilen sollte, lag ganz abseits seiner Begriffswelt. Weil er sich
wohl und warm fühlte, glaubte er dasselbe von seiner jungen Genossin.
Da sein Alter nichts entbehrte, wähnte er ihre Jugend in heiterer
Zufriedenheit. Nur so verstand er ihren Blick, der schweifend ins Blaue
ging oder starr auf einen nahen Punkt gerichtet blieb.

»Freue dich, Maria, heute abend -- heute abend bring’ ich dir ein
seltenes Blatt.«

Und sie nickte und dachte, während sie ruhelos durch das Haus schritt,
an den fürstlichen Erbauer, und ob er der die Arme öffnenden Frau auch
Raritäten aus seinen vergilbten und verstaubten Sammlungen gebracht
oder den Pulsschlag des Lebens ...

Einmal nur, einmal nur einen Gruß erhalten aus dem Liebesjauchzen
der Welt! Wie ein Geschenk würde sie ihn bewahren, ihn mit warmen
Händen umhüllen wie ein heimliches Licht, wenn auf der Tischplatte die
schwarzen Bilder raschelten, und das Haus mit seinem Glanz erfüllen,
wäre sie allein und -- nicht mehr allein.

Und die Jahre reihten sich aneinander.

Die Stimme des Lebens, die eilig durch die Hauptstraße der Stadt zum
Schlosse fuhr und eilig zurück, fand den Weg nicht zu dem vergessenen
Häuschen des Rokoko. So angstvoll die Jugend in Frau Maria auch
aufhorchte, immer war es nur das eigene Blut, dessen wehes Weinen sie
vernahm. Es kam keine Antwort von draußen.

Die Zeiten des Rokoko waren dahin. Die Tugend schlurfte auf lautlosen
Socken von Haus zu Haus und äugte durch die Schlüssellöcher. Und die
unkundige Frau Hofrat, die vor Jahren einen Ballabend lang einen
Verehrer von der Leibkompanie gehabt hatte, lächelte noch immer mit
rotgeweinten Augen.

Da wurde Frau Maria so müde, daß ihr das Wispern des Taxus und der
Platanen, das Duften des Schloßparks Schmerzen bereitete. Und ihr
Wunsch an das Leben wurde immer kleiner, scheuer und bescheidener, der
Dornröschenschlaf gewann immer leichtere Arbeit.

»Rate, Maria, was ich dir heute bringe?«

»Einen Kupfer,« sagte sie, »wenn es hoch kommt: eine Radierung.«

»Das wäre mir auch lieber. Die Arbeit wächst und wächst, und jede Art
Ferien sind mir ein Greuel.«

»Willst du Ferien machen?« fragte sie, und ihr Atem ging auf einmal
schneller.

»Einen kostbaren Abend lang. Es ließ sich nicht umgehen. Die höhere
Beamtenschaft vereinigt sich Dienstag mit ihren Damen zu einem
Festessen, zu Ehren eines Dienstjubiläums des Fürsten. Liebste, es
wird dir gerade wie mir schwer fallen, unser Tuskulum zu verlassen.
Aber es muß sein.«

Sie trug Sorge um ihre Toilette. Die Zeit war knapp. Aber er beruhigte
sie. »Das einfachste Kleid wird das schönste sein. Ein Sammler hütet
seine Schätze.«

Aber eine geheime Mädchenunruhe ließ sich doch nicht bannen. Jeden
Tag, wenn sie allein war, stand sie vor ihrem Kleiderschrank, prüfte,
verwarf, entschied sich und begann zu ändern und zu verschönern. Der
Spiegel lachte sie an, und sie lachte den Spiegel an. »Ein Sammler
hütet seine Schätze,« klang es in ihrem Ohr. »Für wen? Wofür ...?« Sie
schloß die Augen. An dem Kleide änderte sie nicht mehr. -- --

Der Tischnachbar, der ihr bestimmt war, hatte im letzten Augenblick
wegen eines Podagraanfalles absagen müssen. Aber der Frau Hofrat war
unerwartet der Besuch ihres Bruders zugefallen, und ihr Gatte hatte ihm
eine Einladung verschafft. So wurde der leere Platz neben Frau Maria
besetzt. Es kam fast wie eine Verwunderung über sie, daß sie nicht auch
hier allein blieb.

»Gnädige Frau, ich meine, Sie wiederzuerkennen. Habe ich den Vorzug mit
der Tochter des Geographen Professor Neuhoff?«

»Er war mein Vater.«

»Und ich, gnädige Frau, war sein Schüler. Ich habe Ihrem Herrn Vater
vieles zu danken. Vor allen Dingen die Begeisterung.«

»Die -- Begeisterung?«

»Wundert Sie das? Und Sie sind seine Tochter?«

»Ich habe es in der Zurückgezogenheit dieser Stadt fast vergessen.«

»Sie scherzen, gnädige Frau. So etwas vergißt sich nicht. Ich habe ja
nicht einmal vergessen, daß ich sein Schüler war. Und ich habe ihn
weidlich bestohlen. Ja, ja, schauen Sie nur so erschreckt. Bestohlen um
seine frohe Lebensanschauung, seine Begeisterung und nicht zuletzt um
den Drang, die Welt zu durchqueren, Länder und Meere zu durchforschen
wie er. Ach, Sie hätten ihn im Kolleg und auf Spaziergängen schwärmen
hören sollen.«

»Sie wollen eine Forschungsreise unternehmen?«

»Ich habe mich auf drei Jahre einer Expedition durch Zentralasien
verpflichtet. Eine ebenso lange Reise durch Afrika liegt hinter mir.
Morgen um diese Zeit führt mich der Schnellzug nach Genua. Dort geht’s
zu Schiff.«

»Sie Glücklicher« -- --

»Und Sie, gnädige Frau? Treibt es Sie nicht auch zuweilen, als müßten
Sie auf Forschungsfahrten hinaus?«

»Ich streife täglich durch mein Haus, vom Keller bis zum Söller.«

Er sah sie an. »Da ist nicht das Leben.«

»Nein, da ist es nicht.«

Sie spielte stumm mit den Brotkügelchen auf der damastenen Tischdecke,
und er drehte den Fuß seines Weinrömers hin und her. Dann suchte er
ihren Blick. Der ruhte auf einem ältlichen, glattrasierten Herrn in
altmodischem Frack.

»Ihr Herr Gemahl?« fragte er und beugte sich kaum merkbar zu ihr.

»Mein Gatte, Direktor Hubertus, Konservator der fürstlichen Sammlungen.«

»Ah -- --.« Er lehnte sich zurück und schwieg. Nur seine hellen Augen
gingen von ihr zu ihm, von ihm zu ihr. Und er hörte ihr tiefes, langes
Atemholen.

»Wollen Sie mir nicht etwas vom -- Leben erzählen, Herr Doktor Bracht?
Ich werde eine aufmerksame Zuhörerin sein.«

Er trank hastig sein Weinglas aus.

»Vom Leben? Das läßt sich nicht erzählen. Das muß man selber erleben.«

»Es kommt nicht hierher. Wenigstens nicht bis an mein abseits gelegenes
Haus. Ich glaube -- es fürchtet sich vor den vielen toten Kupferstichen
meines Mannes.«

Es sollte scherzhaft klingen, aber es hatte einen zitternden Unterton.

»Damit, freilich, verträgt sich das Leben nicht. Es gibt Herzblut, und
es verlangt Herzblut.«

»O, wenn es nur darauf allein ankäme« -- --

Er sah, wie ihr das Blut unter der Haut emporstieg und ihr langsam Hals
und Wangen rötete. Welch eine seltsame Frau! ...

»Sie sind mir Schadenersatz schuldig, Herr Doktor. Sie haben meinen
Vater bestohlen, und nun müssen Sie mir von den aufgelaufenen Zinsen
zurückgeben.«

Da begann er zu erzählen. Von den Wundern des Mittelmeeres und seinen
Gestaden, von dem sonnendurchglühten Leben des Südens, von der Pracht
der Welt und der Freude der Menschen. Und wie jede Gefahr, selbst die
nervenzerrüttenden Strapazen im mittelafrikanischen Hochgebirge, immer
wieder zur Freude würde, weil man seine Kraft gespürt hätte, ach, diese
herrliche Kraft!

Sie saß ganz still und trank ihm die Worte vom Munde.

»Ich glaube, Sie wären ein prachtvoller Kamerad, gnädige Frau. Jung und
gesund und nicht klein zu kriegen.«

»Ich bin sehr klein geworden.«

»Aber Sie würden wachsen, in der Sonne, in dem frischen Seewind, hoch
oben auf dem freien Gebirgskamm. Dort lohnt sich das Alleinsein, hier
unten nicht.«

»Ja, ich würde wachsen,« sagte sie ganz ruhig. »Ich danke Ihnen, Herr
Doktor.«

Die Tafel wurde aufgehoben. Aber Robert Bracht blieb an Frau Marias
Seite.

»Wissen Sie auch, daß das auffällt, Herr Doktor? Ihre Frau Schwester
hat an einem Ballabend dreimal mit einem Hauptmann getanzt. Davon geht
hier heute noch die Sage.«

»Ich weiß. Und sie weint sich heute noch die Augen deshalb rot. Als wir
uns zum Feste rüsteten, hat sie es mir wieder klagen müssen. Würden
Sie sich deshalb auch die Augen rot geweint haben?«

»Ich? O nein. Ich würde in dieser Trostlosigkeit dankbarer sein. Selbst
für eine kurze Erinnerung.«

Nun sah er sie mit offenem Staunen an. Ihre Schönheit hatte
etwas Schmerzendes. Das rief den Mann in ihm auf, den Ritter der
Hilfsbedürftigen und Bedrängten.

»Gnädige Frau, ich war der Schüler Ihres Herrn Vaters, in der
Wissenschaft und in der Lebenskunst. Gestatten Sie mir, daß ich die
tiefe Freundschaft, die ich für ihn empfand, und die durch seinen Tod
vakant geworden ist, Ihnen, seiner Tochter, zur Verfügung stelle?«

Seine hellen Augen blitzten sie an. Unwillkürlich reckte sie ihren
schlanken Körper, als ginge ein Lebensstrom hindurch. Dann nahm sie
seine Hand. »Ich will es Ihnen gedenken, wenn Sie draußen, in der
Wildnis sind.«

»Und ich will aus meiner Wildnis heraus an Sie in _Ihrer_ Einöde
denken. Das wird uns beiden gut tun.«

»Ja,« sagte sie und gab seinen Händedruck zurück. -- --

Hatte sie ein Erlebnis gehabt? War doch der Gruß des Lebens zu ihr
geflattert, und sie hielt ihn in bebenden Händen? Sie sann im Dunkel
ihres Schlafzimmers vor sich hin, mit ganz feinfühligen, feinhörigen
Sinnen. Draußen raunten die Platanen und wisperte der Taxus. Von dem
ausgelassenen Fürstenliebchen? Von der stillen Maria, die zum ersten
Male in ihrer Schlafkammer leise gelacht? --

Sie hatte einen Freund, an den sie denken durfte. Sie war nicht mehr
allein. Den Altersgeruch der Kupferstiche würde sein frischer Odem aus
der Ferne wegwehen. -- --

»Das Bankett, meine liebe Maria, ist mir nicht günstig bekommen. Auch
du siehst nicht aus wie sonst. Doch nicht Fieber?«

Sie lächelte, daß er ihre Jugend für Fieber nahm.

Als er, wie alltäglich, sein Amtszimmer in den fürstlichen Sammlungen
aufgesucht hatte, wanderte sie, wie alltäglich, durchs Haus. Und
dennoch nicht wie sonst. Ihre Füße schritten leichter, ihre Augen
blickten lebendiger, und wenn sie an einem Fenster in Gedanken
versunken stehen blieb, hatten ihre Gedanken ein Ziel. Den Freund!

Noch wenige Stunden, und er würde sich reisefertig machen. Jetzt dachte
er her. Das war wie ein Gruß. -- --

Und in ihren Ohren klang es wieder: »Frau Maria --«

Sie wandte sich um. Wurden ihre Träume körperlich? »Herr Doktor -- --
gerade dachte ich an Sie.«

»Und daß ich es auch tat, sehen Sie daran, daß ich vor Ihnen stehe.«

»Ich soll diese Rosen haben, diesen wundervollen Strauß?« Sie vergrub
ihr Gesicht in den Kelchen. »Ich kann Ihnen gar nicht danken,«
murmelte sie in die Blätter, »ich bin nicht daran gewöhnt.«

»So unglücklich sind Sie, Frau Maria?«

»Jetzt nicht mehr« ...

»Weshalb mußten Sie diese Heirat eingehen?«

»Um nicht zu verkommen.«

»Ich bin mit hundert Mark in der Tasche aus dem Elternhaus gegangen und
nicht verkommen,« stieß er zornig hervor. »Hatten Sie denn überhaupt
keinen Mut?«

»Ich meine, ich habe ihn gezeigt,« sagte sie ohne Auflehnung, und sein
Zorn tat ihr wohl.

»Eine gute Versorgung eintauschen, ist das ein Mut? Was wollen da
später die Klagen!«

»Ich habe den guten Namen meines Vaters, Ihres Freundes, eingetauscht.«

»Vergebung,« stammelte er betroffen. »Das habe ich nicht gewußt.«

»Sie sehen also, der Handel hat seine Früchte getragen. Kein Mensch,
der nicht heute noch das Andenken meines Vaters ehrt. Meines
schönen, fröhlichen Vaters ... Und ich habe mich zur Buße in eine
Raritätensammlung begeben.«

»Frau Maria -- können Sie sich -- nicht frei machen?«

»Den Käufer um seinen Preis betrügen? Lieber Freund, er hat im guten
Glauben gehandelt. Soll ich kleiner denken?«

»Frau Maria, ich habe die ganze Nacht, den ganzen Morgen an Sie
gedacht.«

»Und ich -- an Sie.«

»Maria, spotten Sie nicht?«

»Soll ich Sie dasselbe fragen?«

»Maria« -- er streckt die Hände nach ihr -- »welch ein Zauber geht von
dir aus!« -- --

»Und welch ein Zauber von dir!«

»Ich werde die Sehnsucht nicht mehr los werden.«

»Und ich nicht mehr das Glück. Da bin ich reicher.«

Er hielt sie in seinen Armen, ganz fest, als müßte er sie sich in
dieser einen Umarmung zu eigen machen. Er küßte ihre Lippen, ihr Haar,
und die Linien ihres Körpers streichelnd, sagte er nur: »So schön bist
du -- so schön bist du.« -- --

Da stiegen ihr die Tränen in die Augen und hingen wie strahlende Perlen
an ihren dunklen Wimpern.

»Geh jetzt, Liebster. Nun hat mich das Leben geküßt und gesegnet. Nun
wird mir alles leicht.«

»Auch das, mich aufzugeben?«

»Ich dich aufgeben? Wo ich jetzt immer bei dir sein werde? Nun kannst
du mich ja gar nicht mehr verlassen, und ich dich nicht. Während du
die Welt durchquerst und im rauschenden Leben stehst, sitze ich hier
in meinem kleinen, weißen Rokokohaus und träume von meinem fahrenden
Ritter, der mir Welt und Leben hereinholt. Ich brauche dich nur zu
rufen, ganz unhörbar, und du bist bei mir, und meine Kammer ist voll
Sonne und frischem Lebensduft. Und wenn ich mich um dich ängstige,
mache ich mich in Gedanken auf und nehme teil an deinen Gefahren und
deinen Siegen. Und an deiner Freude, die nun die meine ist.«

»Ich werde lange fortbleiben« ...

»Was tut das? Es gibt für mich keine Zeit mehr.«

»Und wenn ich dich noch immer unfrei wiederfinde?«

Sie schüttelte den Kopf. »Selbst wenn _du_ unfrei würdest, ich würde es
gar nicht bedenken. Ich würde trotzdem Tag und Nacht mit dir wandern,
mit meiner Liebe und mit meiner Sorge. Und mein Haus würde immer voll
von dir sein.«

Er preßte sie an sich und küßte sie auf Lippen und Haar.

»O du Träumerin, du wirst meine Sehnsucht nach der Stille sein.«

Und sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn wieder.
»Ich habe dich ja so lieb. Ich habe in dir ja das Leben so
lieb.« ... -- -- --

Und Herbst kam und Winter. Und wieder der Frühling, wieder der Sommer.
Frau Maria merkte es nicht. Sie merkte nicht die Dumpfheit der kleinen
Residenz und nicht die Einsamkeit des kleinen, weißen Hauses. Sie
merkte nicht die Langeweile der Kunstblattbetrachtungen und nicht den
Altersduft, der aus den Blättern stieg, die dem emsig forschenden
Gatten das Leben bedeuteten. Mit leuchtenden Augen ging sie umher,
mit horchenden Ohren blieb sie stehen, sie lachte, sie sang, mit
geschäftiger Seele von früh bis spät. Sie war nicht in der Einsamkeit,
sie war in der brausenden Welt, die seiner seligen Kraft bewußt werden
läßt den, der sie überwindet. Denn ihre Seele schwang sich hoch über
Stadt und Land und tauschte mit dem Leben Grüße. Mit dem Leben, von dem
sie geküßt worden war und in dem einen berauschenden Kuß stark gemacht,
es zu ertragen. -- -- --



Zweiter Frühling


Über den Ponte Vecchio von Florenz schritt an einem glühenden
Junimorgen ein junger blonder Mann in grauem Touristenanzug, den
weichen, breitkrempigen Filzhut weit in den Nacken geschoben.
Die Szenerien am Arnoufer mußten ihm bereits bekannt sein, denn
er wandte die Augen weder rechts noch links, hielt die Hände in
den Taschen seines Jacketts vergraben und pfiff beim Gehen leise
vor sich hin. Er bog in die Via dei Guicciardini ein und strebte,
wie selbstverständlich, die Anhöhe hinan, auf der im Schmucke des
Boboligartens der Palazzo Pitti seine mächtige Fassade streckt. Hier
wartete er, die Uhr in der Hand, bis die Glocken aus der Stadt die
zehnte Morgenstunde herüberriefen und der Palast seine Pforten den
Besuchern der Galerie öffnete, stieg alsbald die Stufen bis zum zweiten
Stockwerk empor, durchschritt ohne Aufenthalt den Saal der Ilias, nur
einen liebevollen Blick mit dem Meisterwerk Giorgiones, dem Konzert des
Augustinermönches, tauschend, und gelangte in den Saal des Saturnus.

Noch war er der einzige Gast in dem prunkenden Bau, den die Eifersucht
auf die Medici errichtete. Der tägliche Schwarm der Italienreisenden
überschwemmte noch nicht die Säle, und die störenden Bemerkungen
der Philister drängten sich um diese Stunde nicht in die Andacht des
Wissenden und Lernenden.

Vom Saal des Saturnus wandte sich der junge Mann gleich der linken Wand
zu, blieb vor einem Gemälde stehen und nahm den Hut vom Kopf. Raffaels
Madonna della Sedia schaute ihn aus großen glückstrunkenen Mutteraugen
an -- --.

»Ja,« dachte er, und es war eine große selbstlose Freude in ihm,
»so sieht das Glück aus ... Eine glückliche Mutter! Kann es etwas
Glückseligeres geben?«

Er setzte sich auf ein Polster, drückte den Hut zwischen die Kniee und
blieb im Ansehen versunken.

Aus dem anstoßenden Saal kam ein leichter Schritt. Ärgerlich wollte
der einsame Beschauer die Brauen runzeln. Aber schon flog ein Lächeln
des Erkennens um seinen Mund, und er ließ sich nicht stören. Doch nach
einigen Minuten konnte er nicht anders, als heimlich den Kopf zur Seite
zu wenden. Nur, um sich zu vergewissern, ob sie es auch wirklich war,
die sich seit den acht Tagen, die er nun in Florenz weilte, mit ihm in
den stillen Kultus des Madonnenbildes teilte. Nein, er hatte sich auch
heute nicht getäuscht. Einen kleinen bemalten Fächer in den Händen,
stand sie seitwärts von dem Bilde, auf das sie den Blick mit einem
eigentümlichen Ausdruck sinnend geheftet hielt.

Der junge Mann beobachtete sie jetzt schärfer. Sein Interesse an der
Dame, die seiner Schätzung nach Ende der Zwanziger stehen mochte, war
schon seit Tagen geweckt, ja, wenn er sich genauer Rechenschaft ablegen
wollte, seit der Morgenstunde, in der er sie zum ersten Male vor dieser
Bilderperle angetroffen hatte und ihm die Schönheit ihres dunkelbraunen
Haares, der braunen Augen, die so ungewöhnlich groß aus dem feinen
Antlitz leuchteten, aufgefallen war. Die Formen ihres Körpers, die
das seltsame Gemisch von frauenhafter Anmut und der leichten Grazie
des Mädchens zeigten, waren von einem duftigen Kleide aus weißem
Spitzenstoff umhüllt, der schmale Fuß erwies sich elegant beschuht, die
Hände bedeckten fein durchbrochene Handschuhe aus Seidengewebe, die
sich bis zur Mitte des schön gerundeten Armes hinaufzogen. Im Gürtel
der zarten, biegsamen Taille staken ein paar dunkelrote Rosen.

Die Dame schien den Blick zu empfinden. Sie tat ein paar Schritte, um
aus der Sehlinie ihres einsamen Gesellschafters zu kommen und maß ihn
dabei kühlen Auges. Aber der Ausdruck echtester, staunender Bewunderung
auf dem offenen Gesicht des jungen Mannes machte sie stutzen, eine
leise Röte huschte über ihr Gesicht, sie lächelte fast ein wenig und
verließ bald darauf den Saal, da von draußen die Stimmen neuer Besucher
ertönten. Auch der junge Tourist hatte sich erhoben und war, ohne es
eigentlich zu wollen, der Dame gefolgt. In schicklicher Entfernung von
ihr schritt er dahin und bewunderte die elegante Figur und die sichere
Grazie des Ganges. Der Weg führte am Ufer des Arno entlang, dann rechts
ab und hinauf zum Piazzale Michelangelo, dem wunderbaren Aussichtspunkt
auf Florenz. Neben dem bronzenen David des Meisters nahm sie auf einer
Bank Platz und ließ die Augen über das ferne Häusermeer schweifen, bis
sie einen Punkt gefunden hatten, an dem sie hafteten. Und wieder sah
der junge Lauscher, der nicht weit von ihr hinter einer breitastigen
Platane stand, denselben eigentümlichen, sinnenden Ausdruck des
Blickes, mit dem sie Raffaels gemaltes Mutterglück betrachtet hatte,
und doch war etwas Neues, Fremdartiges darin, eine Sehnsucht -- --.

Wem mochte Blick und Gefühl gelten? Den Klostermauern drüben im Osten
der Stadt, die wie ein grauer Fleck inmitten glänzender Paläste
lagen? Dazu stimmte nicht Gewand und Haltung. Oder den Palästen
selbst, den blühenden Gärten, die heiteres Leben verkündeten? Dazu
wieder lag zu viel stille Traurigkeit in dem Blick. Und doch war es
Sehnsucht, ein Verlangen, mit dem sie rang. Hier oben auf den Höhen,
zu denen sie emporgestiegen war, lagen die stillen Wonnen des Sommers
ausgebreitet, und unten in der Stadt, die sie verlassen hatte, pulste
das frühlingsfrische Leben des ewig jungen Florenz.

Wohl eine Stunde war vergangen. Droben vom Kirchlein San Miniato klang
eine Mittagsglocke. Noch einen langen Blick warf die Dame auf das
Panorama zu ihren Füßen, und langsam ging sie den Weg zurück, dem Arno
zu, über die Brücke in die innere Stadt bis zum Dom, wo sie in einem
Privathotel verschwand. »~Maison Nardini~,« las der junge Mann. Und in
einer Stimmung, die er nicht begriff, die aber sein ganzes Innere mit
sonderbaren Bildern und Wünschen erfüllte, umschritt er den Domplatz,
kehrte zu dem Hotel zurück und riß sich endlich mit Gewalt los, um
sich nach der Post zu begeben und nach Briefen für den Baumeister
Karl Erkelenz zu fragen. Er fand Nachrichten vor aus der deutschen
Universitätsstadt, an deren Hochschule er eine Assistentenstellung
bekleidete, las sie teilnahmslos durch und befand sich plötzlich wieder
vor dem Hotel Nardini. Kurz entschlossen trat er ein, erkundigte
sich bei dem Wirt nach einem Zimmer, und schon am Nachmittag trug
ein Dienstmann das geringe Gepäck aus seinem bisherigen Hotel in die
Pension Nardini. Über sein Tun war er sich nicht im geringsten klar,
aber er betrieb die Übersiedlung so schnell, um nicht Zeit zu finden,
erst darüber nachzudenken. Er wußte nur eins: er handelte im Banne
dieser großen, braunen, sehnsüchtigen Augen.

Die elektrische Klingel rief zum Siebenuhrdiner. Erkelenz hatte seine
grauen Touristenkleider mit einem schwarzen Anzug vertauscht und saß
bereits auf dem Platz, den ihm der Aufwärter angewiesen hatte. Nur
wenige Gäste waren anwesend. Die meisten der Hotelbewohner hatten
die Schönheit des Tages zu weiteren Ausflügen benutzt, von denen sie
noch nicht zurückgekehrt waren. Die ~minestra~ war als Vorspeise
herumgereicht worden, der Aufwärter tauschte klappernd die Teller,
und noch immer wollte sie nicht erscheinen, um derentwillen der junge
Baumeister Pensionär des Signor Nardini geworden war. Er begann
nachgerade unruhig zu werden und sich im stillen Vorwürfe über sein
übereiltes Tun zu machen. Wer bürgte denn dafür, daß die Dame in diesem
Hotel wirklich Wohnung genommen hatte? Konnte sie heute mittag nicht
zu einem kurzen Besuch hier eingetreten sein? Vielleicht gar, um bei
Bekannten einen Abschiedsbesuch zu machen. Wahrhaftig, damit wäre das
lange, stille Verweilen bei der Davidstatue in Einklang zu bringen
gewesen, das einem Abschiednehmen so ähnlich sah. Es war ein kindischer
Streich, ohne jeden Anhaltspunkt mit Sack und Pack hierher zu ziehen,
und Erkelenz fühlte, wie ihm die gute Stimmung abhanden kam. Er war
doch, weiß Gott, nach Florenz gekommen, um sich über alte Baudenkmäler
und nicht über junge Frauen zu unterrichten. Über junge Frauen! Er
hatte Zeit seines Lebens noch nichts von ihnen gewußt, und seine
Kameraden hatten ihn weidlich wegen seiner Weiberscheu gehänselt.

Da öffnete sich die Tür. Und errötend bis unter die Haarwurzeln
machte der Baumeister der Dame, die sich ihm gegenüber niederließ,
eine ungeschickte Verbeugung. Sie war es, die er erwartet hatte. In
demselben weißen duftigen Kleide.

Erkelenz wagte kaum von seinem Teller aufzusehen. Der große, erstaunte
Blick, mit dem sie seinen Gruß erwidert hatte, hatte ihn in eine
knabenhafte Verwirrung versetzt.

Um ihn herum wurde in vielen Zungen parliert. Nur sein schönes
Gegenüber beteiligte sich nicht an der Unterhaltung und spielte
schweigend mit den Blumen auf der Tafeldecke.

Dieses Schweigen wurde dem jungen Baumeister von Minute zu Minute
peinlicher. Bei seiner geringen Weltkenntnis glaubte er einen stummen
Verweis für seine Anwesenheit darin zu erblicken. Aber das Auge der
Dame ruhte so unbefangen und freundlich auf ihm, daß sein frischer
Jugendmut mit einem Schlage zurückkehrte.

»Befehlen Sie diese Früchte?« fragte er bescheiden und bot ihr die
Schale.

Sie nickte dankend und begann eine Orange abzuschälen. Er sah ihr
aufmerksam zu, wie sie die goldgelbe Frucht zwischen den feinen
Fingerspitzen drehte. Da traf ihn ihr lächelnder Blick, und er wurde
rot wie ein ertappter Sünder.

»Darf ich Ihre Freundlichkeit erwidern?«

Die Stimme klang so weich und angenehm, und er beeilte sich, eins der
Orangestückchen, die sie ihm auf ihrem Glastellerchen bot, anzunehmen.

»Gnädige Frau,« sagte er stockend, »ich habe wohl die Ehre, eine
Landsmännin zu begrüßen? Gestatten Sie mir: mein Name ist Erkelenz.«

»Sie haben recht geraten,« erwiderte sie, seine Namensnennung mit einer
Kopfneigung entgegennehmend. »Ich befinde mich nur vorübergehend in
Florenz.«

»Und wird es Ihnen nicht schwer werden, diese herrliche Stätte wieder
zu verlassen? Ich,« fuhr er mit jugendlicher Begeisterung fort, »bin
wie berauscht von den Wundern der Stadt. Diese verschwenderische
Fülle von Baudenkmälern, von Palästen und Kirchen, von meisterlichen
Bildhauerwerken und Gemälden! Ich meine oft, ich könnte mich nicht mehr
losreißen.«

»Sie sind Maler?« fragte sie und sah mit Vergnügen auf sein glühendes
Gesicht.

»Nein, gnädige Frau, ich bin Baumeister. Aber gerade der Baumeister
soll ja Sinn für _alles_ Schöne haben, denn er soll alles Schöne in der
Architektur, der Plastik und der Malerei zu einem harmonischen Ganzen
verbinden. Der Baumeister ist der berufene Vermittler in der Kunst.«

»Wenn er selbst ein Künstler ist.«

»Das muß er sein, oder er ist kein Baumeister, sondern ein
Bauhandlanger. Der Meister darf von der Form den Inhalt nicht trennen.«

»Sie nehmen trotz Ihrer Jugend Ihren Beruf sehr ernst. Sie müssen einen
trefflichen Lehrer gehabt haben.«

»Meine Mutter, gnädige Frau.«

Er sagte die wenigen Worte mit so tiefem Gefühl, daß es sie durchzuckte.

»Ihre Frau Mutter,« meinte sie leise, »muß sehr glücklich sein.«

Er schwieg einen kurzen Augenblick, als wenn er sich besänne. Dann
begann er offenherzig: »Im Palazzo Pitti hängt ein Bild, das schönste,
das ist meine Mutter.«

»Sie meinen die Madonna della Sedia?«

»Ja, das Raffaelsche Wunderwerk. Der Meister muß es in Gedanken an
seine Mutter gemalt haben, wenn er auch ein fremdes Modell benutzte.
Liegt nicht ein ganzer Himmel in ihrem Auge? Nicht ein Himmel, den
sie für sich begehrt. Nein, sie selbst ist nach echter Mutterart
voll lächelnder Zufriedenheit still untergetaucht, um in ihrem Kinde
glückselig aufzuerstehen zu einem zweiten Leben. In ihrem Kinde, für
das sie die Welt und den Himmel beansprucht. Sie bringt in ihrem Sinn
damit kein Opfer, nein, sie ersehnt darin ihr höchstes Glück. Das ist
eben das Wunder. Und so ist meine Mutter.«

Die schöne Frau spielte gedankenvoll mit der Schale der Orange.

»Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Mutter,« bat sie.

»O, gnädige Frau,« versicherte er fröhlich, »in ihrem Leben ist nicht
viel Bemerkenswertes. Sie ist eine einfache Frau, die mich nach dem
frühen Tode meines Vaters mit Verleugnung aller eigenen Wünsche erzogen
hat. Das Beste kann man ja nicht erzählen, ich meine ihre Liebe. Aber
sie wird auch hierin keine Ausnahme unter den Müttern bilden. Ich
wenigstens vermag mir eine Mutter gar nicht anders mehr vorzustellen.«

»Es wird schwül im Zimmer,« warf sie plötzlich ein. »Unsere
Tischnachbarn haben sich schon ins Freie gerettet. Ich werde ihrem
Beispiel folgen. Auf Wiedersehen, mein Herr.«

Auch Erkelenz erhob sich schnell und machte seinem Gegenüber eine tiefe
Verbeugung.

»Würde die Bitte nicht unbescheiden sein,« brachte er zögernd hervor --

»Wollen Sie mich auf meinem Spaziergang begleiten?« Sie hatte ihm den
Wunsch abgelesen und kam seiner Verwirrung schnell zu Hilfe. »Ich gehe
nach den Cascinen, dem Prater. Wenn es Ihnen also Vergnügen macht --
ich hole nur meinen Hut.«

Nach wenigen Minuten war sie zurück. Und als er neben ihrer Anmut
einherschritt und der Ton ihrer Stimme um ihn war, fühlte er sich in
eine Stimmung eingesponnen, die wie ein Beglücktsein war und wie eine
Unruhe zur selben Zeit.

»Nehmen wir bis zum Parkeingang einen Wagen?« fragte er. »Die Dämmerung
könnte zu schnell hereinbrechen.«

»Wenn Sie mir gestatten, Sie einzuladen?«

»Aber, gnädige Frau,« protestierte er, »wie wäre das möglich?«

»Unbesorgt,« lachte sie mit einem Anflug von Schelmerei. »Sie vergeben
sich nichts. Ich bin die ältere.«

»O, gnädige Frau, was sagen Sie da? Die ältere? Nein, nein, damit
überrumpeln Sie mich nicht.«

»Und Sie selbst gaben mir von Anfang an den Titel ›Frau‹, ohne mich zu
kennen.«

»Das war der Respekt vor Ihrer lieblichen Würde.«

»Nicht schmeicheln,« entgegnete sie ruhig, »das kleidet Sie nicht.«

Er konnte heute des Rotwerdens nicht Herr werden, und sie sah es mit
heimlichem Gefallen.

»Gnädige Frau,« stotterte er, »ich schmeichle nicht. Wie kann man dort
schmeicheln, wo es der Gegenstand gar nicht bedarf. Aber etwas schön
finden, was in seiner Natur schön ist, das kann nicht beleidigen,
weil es wahr ist. Und die Wahrheit darf ich sagen und Sie dürfen sie
anhören.«

»Wenn ich Sie noch weiter sprechen ließe, würden Sie mich zu einer
Aphrodite stempeln.«

»Ja,« sagte er ehrlich.

Nun war es an ihr, eine heiße Welle zu empfinden, die vom Herzen in die
Wangen drang. Sie wandte sich schnell zur Seite, rief einen Kutscher
heran, der sich längst schon durch lebhafte Gebärden bemerkbar zu
machen versuchte, und stieg in den Wagen.

»Nehmen Sie Platz, Herr Baumeister, ich bin und bleibe doch die ältere.«

Der Wagen rollte den Cascinen zu. Erkelenz hatte sich auf dem
rückwärtigen Polsterbänkchen niedergelassen und schaute, die Hände
zwischen den Knieen gefaltet, stumm zu ihr auf, die in den Fond gelehnt
ihren Gedanken nachzuhängen schien.

»Ist es nicht wunderbar,« begann sie plötzlich, »daß wir wie alte,
gute Freunde durch Florenz fahren, und kennen uns doch erst seit einer
Stunde?«

»Wenn es ein Wunder ist,« erwiderte er leise, als wollte er die
Stimmung nicht zerreißen, »so ist es ein schönes Wunder, für das ich
nach Dank suche.«

Sie sah ihn einen Moment voll an und die langen Wimpern zitterten ein
wenig.

»Auch sind Sie mir nicht so ganz unbekannt,« gestand er. »Ich kenne Sie
schon lange. Von der Madonna della Sedia her.«

»Seit acht Tagen,« nickte sie. »Ich sah Sie täglich dort.«

»Sie waren so gütig, mich zu bemerken?« rief er. Und unbekümmert darum,
daß sie in einem offenen Wagen fuhren, beugte er sich rasch vor und
küßte ihre Hand.

Sekundenlang schloß sie die Augen. Dann, mit einem Blick voll
liebevoller Nachsicht, sagte sie nur: »Sie großes, törichtes Kind.«

Bei ihm aber, der gefürchtet hatte, gescholten zu werden, war der Bann
gebrochen. Er begann zu schwatzen und zu lachen, erzählte tausenderlei
Dinge von seiner Heimat, seiner Mutter, seinen Universitätsjahren und
den tollen Studentenstreichen, seiner Assistentenstellung, die er
sich gleichzeitig mit dem großen Preis für die beste Examensarbeit
errungen hatte, der ihm jetzt die Italienreise ermöglichte, und seinen
Aussichten, in ein paar Jahren eine Professur zu erlangen, falls er
nicht doch noch die Praxis vorzöge. Und mit einem Male verstummte er,
sann vor sich hin und lachte wieder.

»Weshalb lachen Sie?« fragte sie und betrachtete sein jugendfrisches
Gesicht mit steigendem Wohlgefallen.

»O --« machte er überrascht.

»War es etwas Schönes, so müssen Sie die Wahrheit sagen.«

Er wurde verlegen und stammelte: »Ich -- ich -- nein, es ist zu
närrisch.«

»Haben Sie kein Vertrauen zu mir?«

»Alles, alles!« beteuerte er hastig, »und ich will’s auch gestehen,
selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mich auslachen.«

»Das werde ich gewiß nicht tun.«

»Nun. Können Sie sich denken, daß mich sowohl meine früheren
Kommilitonen wie auch meine jetzigen Kollegen für -- seien Sie mir
nicht böse, wenn ich mich drastisch ausdrücke -- für weiberscheu
halten? Und da fiel mir ein: wenn sie mich jetzt sähen, jetzt in diesem
Augenblick -- ah, wie sie mich trotz ihrer großen Frauenkenntnis
beneiden würden.«

Sie hatte den Fächer hochgehalten, als ob die Abendsonne sie belästige.
Aber hinter dem bemalten Stückchen Seide verbarg sie ein stilles
Lächeln. Als sie den Fächer sinken ließ, sah er ihre Augen in heiterer
Güte auf sich gerichtet.

»Daß Sie Ihr Herz nicht verzettelt haben,« sagte sie warm, »das ehrt
Sie nur. Dafür verdienen Sie einmal recht glücklich zu werden. Man
soll seine heiligsten Gefühle nie verzetteln.«

Sie nahten sich dem Eingang der Cascinen.

»Hier wollen wir aussteigen. Ist es Ihnen recht, durch den Park zu
promenieren?« fragte sie. »Aber Sie wissen noch immer nicht meinen
Namen. Verzeihen Sie mir.«

Sie nahm ein Täschchen aus ihrem Gürtel und reichte ihm eine kleine
Elfenbeinkarte.

»Frau v. Stein« las er und verneigte sich dankend.

Sie hatte den Kutscher, wie sie es gewünscht, selbst abgelohnt, und
nun wanderten sie langsam, in vollen Zügen die Luft des abendstillen
Parkes genießend, unter den hohen Baumgruppen einher. Das Gespräch,
das sie zuerst fortzusetzen versucht hatten, war ins Stocken gekommen,
sie gingen nebeneinander her, wie es langjährige, treue Bekannte
oder Liebende tun, wie Menschen, die, ohne die Sprache zu Hilfe zu
nehmen, doch im regsten Gedankenaustausch bleiben und sich wortlos
Red’ und Antwort stehen. Von Zeit zu Zeit ließ der junge Baumeister
einen heimlichen Blick über die Gestalt seiner Dame gleiten, oder
die schöne Frau belauschte hinter dem Fächer hervor die Züge seines
Gesichtes, in dem die Männlichkeit erwachte. Eine Weile schon waren
sie fortgeschritten, als er unvermittelt fragte: »Sie werden doch noch
länger in Florenz bleiben?«

»Ich weiß es nicht.«

»Aber Sie reisen doch zu Ihrem Vergnügen?«

»Es muß wohl so sein.«

»Es muß so sein? Ist es denn ein geteiltes Vergnügen?«

»Ich hole meine Tochter ab.«

»Wen?« fragte er ganz überrascht. »Ihr Töchterchen? Haben Sie es mit
der Wärterin vorauf geschickt?«

Sie lächelte. Ein glücklicher und doch schwermütiger Zug spielte um
ihren Mund.

»Mein Töchterchen, wie Sie es nennen, ist längst von der Wärterin
entwöhnt. Sie schickt sich gerade an, in die Welt einzutreten, und
denkt im Winter ihren ersten Ball zu tanzen.«

»Also Ihre Stieftochter, gnädige Frau?«

»Nein, nein, meine wirkliche Tochter. Ich werde doch mein einziges Kind
nicht verleugnen.«

Erkelenz blieb stehen. Dann schüttelte er den Kopf.

»Sie wollen mich zum besten haben, gnädige Frau. Sie, eine junge Dame
im ersten Frühling --«

»Der erste ist vorüber ... Er war so kurz und frostig, daß er den Namen
nicht verdiente,« fuhr sie fort und sann hinter den Worten her. Dann
schrak sie auf und zwang sich zum Scherz.

»Und doch ist es so. Ich bin eine alte Frau.«

»Eine alte Frau in den Zwanzigern,« lachte er.

»Fehlgeschossen! Ich bin bedeutend älter.«

»Bedeutend?« spottete er vergnügt. »Bekommt man im Alter so schöne,
junge Augen und so prachtvolles, braunes Haar? Dann möchte ich auch alt
werden.«

»Eine alte Frau muß einem jungen Wildfang diese lose Rede wohl
nachsehen. Meine Tochter wird morgen siebzehn Jahre alt. Mit denselben
Jahren habe ich bereits geheiratet. Heute zähle ich fünfunddreißig
Jahre.«

»Aber das ist ja unmöglich!«

»Weshalb finden Sie es unmöglich?«

»Weil -- weil -- -- Aber Sie sind ja noch so jung und so wunderbar
schön!«

Sie standen neben einer Bank, über der sich eine mächtige Ulme
emporreckte. Weg und Wald lag im tiefen Abenddämmer. Von der Mitte des
Parks her, wo die Cafés sich befinden, kamen wehmütige Orgelklänge
herübergezittert. »~O dolce Napoli~,« spielte die Orgel.

Frau v. Stein war bei dem unvermittelten Ausruf des jungen Baumeisters
blasser geworden. In dem Dunkel, das sich ausbreitete, glänzten ihre
Augen übernatürlich groß. Sie tastete mit der Hand nach der Lehne der
Bank und ließ sich nieder. Und als sie eine Weile wie freudig lauschend
geradeaus gestarrt hatte, fuhr sie sich mit dem Handrücken über die
Augen und sagte tief aufatmend: »Welch ein Unsinn.«

Karl Erkelenz wußte nicht, was erwidern. Ihm war zu Mute, als begänne
ein Märchen sich anzuspinnen, dessen Fäden ihm noch unsichtbar seien.
Am liebsten hätte er sich zu ihren Füßen in das Gras gesetzt und
hinausgeträumt in die Welt.

»Zürnen Sie mir wegen meiner Aufrichtigkeit?« fragte er schüchtern.

Die unschuldige Zaghaftigkeit, so unmittelbar hinter dem jugendlichen
Sturm und Drang seines Wesens, berührte sie tief. Es lag etwas in
seiner Stimme -- war es die Ehrerbietung oder die Anbetung oder beides
zugleich -- was ihr unendlich wohl tat. »Lieber Freund,« sagte sie und
reichte ihm die Hand, »welche Frau würde zürnen, weil man sie jung und
schön findet. Ich bitte Sie, geben Sie mir Ihren Arm. Es wird dunkel,
und wir dürfen uns nicht verirren.«

Sie schritten den Weg zurück, den sie gekommen waren, und er geleitete
sie mit einer Vorsicht und Ritterlichkeit über Unebenheiten und
Baumwurzeln, die den Weg kreuzten, als führe er eine Prinzessin. Er
fühlte das pulsende Leben ihres Armes durch die dünne Spitzenhülle in
seinen Körper eindringen. Das verwirrte ihn. Und sie horchte immerfort
auf den Schlag ihres Herzens, das heute doppelt laut schlug, und dachte
unaufhörlich: »Ob er es vernimmt, wie das törichte Ding in meiner Brust
dummes Zeug schwatzt? Ich müßte mich schämen vor dem lieben Jungen.«

Als sie aus dem Park heraustraten, ging sie schnellen Schrittes auf
einen Wagen zu.

»Ich werde allein nach Hause fahren. Nein, nein, ohne Widerrede.
Genießen Sie den Abend noch, und wenn Sie mögen und Ihre Zeit es Ihnen
erlaubt, so holen Sie mich morgen frühzeitig ab, zu einem Ausflug nach
Fiesole.«

Er hob sie in den Wagen und küßte ihr die Hand, mit der sie sich auf
die seine gestützt hatte. Und er nahm ihre andere Hand und küßte auch
diese. Sie schloß die Augen und lehnte sich zurück. »Es ist wie im
Frühling,« sagte er, um nur irgend etwas zu sagen.

Sie nickte, mit geschlossenen Augen lächelnd.

Dann fuhr der Wagen schnell davon, und der junge Baumeister folgte ihm
langsam, Schritt vor Schritt, und grübelte und lachte, weil er die
Gegenwart der schönen Frau noch immer empfand wie eine Wohltat. Und
diese Frau wollte alt sein? Er wurde fast übermütig bei dem Gedanken.

Frau v. Stein verbrachte eine unruhige Nacht. Sie lag in den Kissen,
mit überwachten Augen, und immer wieder kehrte das Bild des jungen
Landsmannes zurück, der sein Herz noch nicht vertan hatte. Ein Recht
darauf gewinnen, es sich zu eigen machen und den Dank dafür suchen! Den
Dank für den erneuten Frühling. War sie nicht jung und schön? Hatte er
es nicht gesagt? Gesagt? Hinausgesungen fast in den Park! Er, der mit
den Augen des unschuldigen Knaben und des kühnen Mannes sah. Und eine
Sehnsucht hatte sie, eine Sehnsucht nach Liebe --

Sie breitete die Arme weit aus. Und plötzlich kreuzte sie sie über die
Brust und ließ den erglühten Kopf auf die Schulter sinken.

Einen Tag noch, und die frommen Schwestern zu Florenz würden ihr die
Tochter wiedergeben. -- -- Neue Sonne! -- Sonne aber, die ihr das
Abendrot zeigte ... »Ada,« murmelte sie, und es klang wie ein Weinen.

Die Augen glühten in die Dunkelheit hinaus, daß sie einen Schmerz
empfand, und die Gedanken wirbelten durcheinander. Tochter und Mutter.
Das Recht der Jugend. Recht oder Unrecht: _träumen_ und wäre es nur
einen Frühlingstag lang. Wie kurz er ist. -- --

Als Erkelenz am anderen Morgen im Frühstückszimmer saß und in den
neuesten Journalen blätterte, wunderte er sich, daß Frau v. Stein so
lange auf sich warten ließ, denn die Uhr schlug neun. Doch jetzt hörte
er ihren Schritt. Aber sie kam die Treppe herauf! Sollte sie schon
ausgewesen sein?

Frisch und blühend wie ein junges Mädchen trat sie ein, streckte ihm
die Hand hin und entschuldigte ihr Säumen.

»Ich war baden,« sagte sie, »der Sommermorgen lockte zu gewaltig. Nun
können wir auch sofort aufbrechen, wenn es Ihnen paßt.«

Sie löffelte eine Tasse Schokolade aus, und sie machten sich auf den
Weg. Ein tiefblauer Himmel spannte sich über sie, und kein Lüftchen
ging. Er hatte sich ihres Plaids bemächtigt und bot ihr, als sie aus
der Stadt heraus waren und der Aufstieg begann, den Arm, den sie zuerst
ablehnte, dann aber, als der Weg steiler wurde, nahm. Sie hing sich
fest ein, bewegte in der Rechten lebhaft den kleinen Sonnenschirm
und plauderte so lustig und angeregt, daß ihr Begleiter bald
angesteckt wurde und es wieder beiden war, als kennten sie sich seit
Kindheitszeiten und hätten sich nichts zu verschweigen. Immer schöner
wurde der Tag, und sie blieben wahllos stehen und schauten in den Äther
hinauf, um dem Flug eines Falken zu folgen, der im Sonnenglanz seine
Kreise zog, oder zur Stadt hinab, die von den grünen Hügeln umgeben wie
eine herrlich gefaßte Perle dalag. Dann lehnte sie sich fest an seine
Schulter, und er empfand die Berührung als etwas Selbstverständliches.
Nachdem sie in San Domenico einen kleinen Aufenthalt genommen hatten,
folgten sie dem Bergpfad nach Fiesole, und in dem grünen Hohlweg bückte
sie sich nach Blumen, haschte nach den bunten Schmetterlingen, die
vor ihnen aufgaukelten, und plötzlich hob sie mit heller Stimme ein
Liedchen zu singen an.

»Wie gut Ihnen das steht,« sagte er treuherzig. »Sie glauben nicht, wie
wohl ich mich bei Ihnen fühle. Ich habe Glück, das müssen Sie sagen.«

»Weil Sie mich so ausgelassen sehen? Ich vollziehe eine Feier.«

»Eine Feier? Ah, wie romantisch, hier auf altem etruskischen Boden, das
Paradies des Arnotales zu Füßen, Sonne und Wonne um sich her. Und was
für eine Feier?«

»Meinen Abschied von der Jugend.«

»Gnädige Frau,« grollte er, »so dürfen Sie nicht sprechen.«

»Kommen Sie, kommen Sie, junger Freund, wir wollen uns den Feiertag
nicht mit Sentimentalitäten verderben. Ach, ist das schön, ist das
schön!«

Sie beschrieb mit ihrem Sonnenschirm einen großen Kreis durch die Luft,
sog, die Lider halb gesenkt, den würzigen Duft der Zypressen ein und
wandte sich dann hastig, um den Aufstieg fortzusetzen. Ohne eine Spur
von Müdigkeit zu zeigen, leicht und graziös schritt sie vor ihm her,
und sein Auge haftete mit naivem Entzücken auf dem winzigen Fuß.

In Fiesole besichtigten sie die ehrwürdige Kathedrale und begaben
sich weiter zu den Überresten des antiken Theaters und der Arena, den
uralten Thermen und zu der Ringmauer aus etruskischer Zeit. Hier war
ein lieblicher Platz, um in das frische Mugnonetal hinab seine Träume
spazieren zu führen, und sie machten ausgiebigen Gebrauch davon.

Die Mittagszeit war vorüber. Sie hatten in einer einfachen Trattoria
ihr Mahl eingenommen, einige Gläser roten Landweins getrunken und
wiederum neue Aussichtspunkte aufgesucht, in der Nähe des Klosters, das
sich die Söhne des heiligen Franz mit feinem Sinn für Erdenschönheiten
hoch oben an der Stelle der alten Akropolis von Fiesole aufgebaut.
Über Frau v. Stein kam eine erregte Stimmung. Sie sang, scherzte
und neckte sich mit ihrem Begleiter, um gleich darauf in tiefe
Niedergeschlagenheit zu versinken, aus der sie sich wieder mit einem
plötzlichen Scherzwort oder einem Tasten nach Erkelenz’ Arm herausriß.

»Was ist Ihnen nur, gnädige Frau?« fragte er besorgt.

»Lassen Sie mir doch mein Vergnügen,« rief sie, »Sie sehen ja, daß ich
mich freue.«

»Ich kann Ihre rätselhaften Worte vom Abschiednehmen nicht aus dem Kopf
bekommen,« entgegnete er.

»Nicht daran denken, lieber Freund, nicht daran denken. Ich möcht’s ja
selbst nicht glauben.«

Sie gingen den Weg nach San Domenico zurück, und sie blieb nahe an
seiner Seite, als ob ihr etwas Furcht bereite.

»Erzählen Sie mir, was Sie drückt,« bat er. »Ich sehe doch, daß Sie
leiden.«

»Woran ich leide?« fragte sie sinnend. »Sie würden es nicht verstehen,
wenn ich es Ihnen auch sagen wollte.«

»Versuchen Sie es,« drängte er voll Teilnahme.

»Nun gut. Sie mögen es wissen. Ich leide unter dem, was ich nicht
besessen habe, an dem Mangel schöner Erinnerungen, an dem Mangel alles
vergessen machender Liebesstunden, wie jedes Weib sie begehrt, die
wir nötig haben, wenn wir eine gute Mutter werden wollen, ich -- Sie
blicken mich betroffen an? Sie denken, sie ist doch vermählt gewesen!
Ja, das war ich, aber daß ich früh Witwe wurde, war der schönere Teil
meiner Ehe. Mit siebzehn Jahren, die Welt verlangend, an einen Mann
gekettet, für den das Leben keine süßen Geheimnisse mehr hatte; sich
mit der Neige einer Liebe begnügen müssen, wo das jugendlachende Herz
aus dem Vollen schöpfen wollte. Ach, nur ein einziges Mal es können!«

»Aber Sie haben ein Kind,« sagte er leise und drückte unbewußt ihren
Arm.

»Ein Kind --?« wiederholte sie. »Ich war ja selbst noch ein Kind, das
eben erst seine Puppe in die Ecke gestellt hatte. Ich hatte mich ja
selbst noch zu erziehen, wie sollte ich da ein Kind erziehen. Bei einer
Reise durch Italien sah ich meine Ohnmacht ein, und ich gab es den
frommen Schwestern in Florenz zur Erziehung. Dort wird es wenigstens
nicht gelernt haben, den Mann hassen, der die Mutter um den Frühling
betrog.«

Sie hatte hastig gesprochen und lehnte sich nun erschöpft an ihn.

»O gnädige Frau,« sagte er bewegt, »Sie haben noch einen zweiten
Frühling vor sich.«

Da schlug sie die Augen mit so weher Frage zu ihm auf, daß er in seinem
Innersten erschüttert sich zu ihr niederbeugte, um sie auf die Stirn
zu küssen, wie man ein krankes Kind küßt. Sie sah, was er tun wollte,
und drängte, ausweichend, den Kopf gegen seinen Arm. Und bei der jähen
Bewegung zuckte sie zusammen, stieß einen Schrei aus und sank an ihm
nieder.

»Was ist Ihnen?«

»Ich habe -- die Baumwurzel übersehen. Das Fußgelenk -- schmerzt.«

Sie hatte Kindertränen in den Augen.

Er wußte nicht aus noch ein. Und da er sie auf dem Rasen sitzen sah,
kniete er vor sie hin. Ganz still und verängstigt.

»Liebe, gnädige Frau -- --« Und er stützte ihre Schulter.

»So ist’s gut ...«

Er regte sich nicht. Um sie her war der leuchtende Abend. Glühwürmchen
tanzten in der Luft wie ein unübersehbar Heer von Sternen, das eine
Johannisnacht lang überselig zur Erde nieder durfte. Morgen war
es vorbei. Morgen waren die tanzenden Lichtlein in Busch und Hag
erloschen, und die Sterne kreisten wieder in den vorgeschriebenen
Bahnen. Heute -- war es noch Frühling.

Ihr Kopf lag noch in seinem Arm. Keiner wußte, wie lange. Als sie ihn
aufrichtete, war ihm, als hätten ihre Lippen sein Herz gestreift.

»Jetzt kann ich gehen. In Domenico finden wir einen Wagen.«

Da hob er sie behutsam auf und führte sie wortlos die Chaussee entlang
bis zum nächsten Gasthaus. Hier beorderte er ein Gefährt, und eine
halbe Stunde später rollten sie auf Florenz zu. Sie lag schweigend
in die Ecke gedrückt und hielt seine Hand. Der Wagen fuhr über das
Pflaster der Stadt. Da seufzte sie tief auf, schaute sich verwundert um
und ließ wie eine Erwachende seine Hand los.

»Ada wird angekommen sein. Es ist Abend.«

»Ihr Fräulein Tochter?« fragte er verwundert. »Erwarten Sie sie heute?«

»Ja,« erwiderte sie mit seltsamer Betonung, »mein Fräulein Tochter.
Wollen Sie mich in meinen Salon begleiten? Wir feiern heute ihr
Geburtstagsfest.«

Der Wagen hielt vor der Pension Nardini, und ehe Erkelenz eine
Antwort geben konnte, war sie allein ausgestiegen und die Treppe
hinaufgegangen. Er zahlte den Kutscher, wartete noch eine kleine Weile
ab und folgte ihr. Am Schlüsselbrett las er die Nummer ihrer Zimmer,
durchschritt den Korridor und klopfte. Als eine helle Mädchenstimme
»herein« rief, klinkte er auf und trat ein.

Auf einem Sessel inmitten des Zimmers saß Frau v. Stein, Wangen und
Wimpern zeigten feuchte Spuren, und ihre Hände lagen auf den braunen
Locken eines vor ihr knieenden Mädchens.

»Treten Sie nur näher, lieber Freund,« sagte sie mit vibrierender
Stimme. »Meine Tochter Ada, Herr Baumeister Erkelenz.«

Das junge Mädchen war aufgesprungen, fixierte ihn einen Moment und
erwiderte gravitätisch seine Verbeugung. Erkelenz hielt den Atem an,
als er sie dicht vor sich sah. Aber das war ja -- gewiß, dieselbe
graziöse Figur, dasselbe schmale Köpfchen mit den großen braunen Augen
und der Fülle braunen Haares -- das war ja Frau v. Stein, Zug um Zug
war sie es, das konnte nicht Mutter und Tochter, es mußten Schwestern
sein.

»~Buona sera, Signore~,« knickste sie. »Weshalb haben Sie mir meine
Mama so lange zurückgehalten?«

»Wie Sie Ihrer Mutter gleichen,« erwiderte er nur.

»Wenn das wahr ist, so sind wir gute Freunde,« lachte sie. »Ein
besseres Kompliment konnten Sie mir nicht machen, als daß ich meiner
schönen Mama ähnlich sei. Ah,« rief sie ausgelassen, »ich bin so stolz
auf meine schöne Mama, so stolz!« Und damit warf sie sich stürmisch
an die Brust der Mutter und küßte sie unbekümmert um den Zuschauer wie
eine Geliebte.

»Aber, Ada,« wehrte Frau v. Stein errötend, »was soll der Herr
Baumeister denken?«

»Was er will, Mama, was er will!« und sie schloß ihr den Mund mit
Küssen. »Ich habe ja meine schöne Mama so lange nicht gehabt. Ist
sie nicht schön, Herr Baumeister? Und so lieb, so lieb. Ich werde
zeitlebens eine alte Jungfer bleiben, denn meine junge Mama wird mich
bei allen Bewerbern in den Schatten stellen.«

»Höre auf, du Unband!« rief Frau v. Stein und erhob sich schnell.
»Lernt man das im Kloster?«

»Ach, Mama, im Kloster -- --. Da hatte ich nur immer eine Sehnsucht,
eine Sehnsucht -- --.«

Frau v. Stein zog das wilde, blühende Mädchen an sich.

»Wahrhaftig,« sagte sie leise, »sie gleicht mir. Auch darin. Aber ihre
Sehnsucht soll gestillt werden. So wahr mir Gott helfe, in einem wollen
wir uns unterscheiden.«

Das Abendessen wurde heute in dem kleinen Salon serviert. Es war ein
angeregtes Mahl, und das Mündchen der jungen Dame wurde nicht müde, zu
fragen und zu plaudern. Als das Auge der Mutter den jungen Baumeister
streifte, bemerkte sie, daß er das sonnige Geschöpf noch immer wie eine
Erscheinung anstarrte. Da stand sie leise auf und trat ans Fenster.

»Aber was hast du mit dem Fuß, Mama?«

»Ihre Frau Mutter hat einen kleinen Schreck in den Bergen bestanden,«
erwiderte Erkelenz.

Doch schon war Ada neben der Mutter niedergekniet und streichelte den
Fuß.

»Du hast ihn vertreten?«

»Es ist nichts, Kind.«

»Und du gehst noch hier herum? Schnell zu Bett, hörst du, du mußt dich
sofort niederlegen.«

»Aber Kind, es ist ja ohne jede Bedeutung. Der Schreck war das
schlimmste. Herr Erkelenz war mein Ritter.«

»Daß Sie das nicht wieder tun,« stieß sie zornig hervor. »Ich dulde es
nicht!«

»Ada, Ada!«

»Nein, ich dulde es nicht!« und sie stampfte nachdrücklich mit dem Fuß
auf.

Der junge Baumeister stand vor der kleinen, zürnenden Eifersucht wie
ein gescholtener Schulknabe mit gesenktem Kopf.

»Ich verspreche, es nicht wieder zu tun, mein Fräulein. Aber in diesem
Falle --«

»Ach was,« zürnte sie, »Sie hätten _mich_ rufen sollen.« Dann lachte
sie über ihre eigene Dummheit und hielt ihm die Hand hin. »Weil Sie
sich so ritterlich betragen haben.«

Er küßte ihr gehorsam die Fingerspitzen.

»Und jetzt müssen Sie uns verlassen. Ich werde eine Kompresse machen.
Morgen ist auch noch ein Tag.«

Er gehorchte auf der Stelle, wünschte den Damen eine gute Nacht und zog
sich zurück.

Droben aber im kleinen Salon hielt Frau v. Stein das Gesichtchen ihrer
Tochter, das dem ihren so ähnlich war, zwischen beide Hände gepreßt und
schaute lange in die jungen Augen hinein. Am dunkelblauen Firmament
glänzte ein Stern auf, dann wurden es viele, und mit einem Male
leuchtete der ganze Himmel. Sie aber sah nur immer ihr reines, schönes,
fröhliches Kind, um das sie sich so wenig gesorgt hatte und von dem sie
sich trotzdem geliebt wußte bis zur kindischen Eifersucht. Als ob ein
Alb von ihr gewichen sei, so frei und glücklich schaute sie auf die
Unschuld in ihren Armen, und während sie ihr die Locken aus der Stirne
strich, murmelte sie: »Mein zweiter Frühling. -- Sollte ich ihn nun
doch gefunden haben -- --?«

       *       *       *       *       *

Frau v. Stein hatte für den Aufenthalt in Florenz noch eine Woche
zugegeben. Ada jagte in den Museen umher, die ihr während ihres
Klosterlebens fremd geblieben waren, und konnte nicht genug bekommen
von den Werken der unsterblichen Meister. Erkelenz war ihr getreuer
Begleiter, auch dann, wenn Frau v. Stein zu Hause zu bleiben wünschte.

»Mit Ihrer Frau Mama ist eine große Veränderung vor sich gegangen,«
sagte er eines Tages.

»Inwiefern?« inquirierte sie sofort. »Ist sie nicht mehr so lieb und
schön?«

»Sie ist es noch mehr geworden,« schloß er.

Das war sie zufrieden, und sie spielten trotz der Heiligkeit des Ortes
in einer alten Kirche Verstecken. Nur die Galerie im Palazzo Pitti
durften sie nicht besichtigen. »Wir holen es nach,« hatte Frau v. Stein
auf eine verwunderte Frage erwidert, »wenn wir von Rom zurückkommen.
Wir müssen uns Zeit gönnen.«

Am Tage vor der Abreise stand Ada vor der Mutter. Das Wort wollte ihr
nicht recht aus der Kehle.

»Darf er mitreisen?« stieß sie endlich hervor.

»Wer?« lächelte die Mutter wehmütig.

Sie wies mit der Hand nach der Tür. »Er steht draußen.«

»So ruf’ ihn, mein Kind.«

»Mama, Mama!«

Sie fühlte den jungen, lebenswarmen Körper ihres Kindes an ihrer Brust,
den Tränenstrom ihres Kindes auf ihren Wangen und die heißen Küsse auf
ihrem Munde.

»Ich wußte es, Ada, und sieh, ich freue mich ja so unaussprechlich mit
dir. Er ist gut und unschuldig wie du. Aber so rufe ihn doch herein.
Oder wollt ihr mich nun als überflüssig fortschicken?«

»Nie, nie, Mama,« sprudelte es unter Lachen und Weinen hervor. »Eher
sterb’ ich, bevor ich dich verlasse.« Und nun war sie an der Türe und
zog den jungen, feuerroten Baumeister herein und wiederholte: »Nie,
nie! Du mußt es ihr auch schwören, Karl, daß du sie nie verlassen
wirst, oder ich kann dich nicht lieb haben.«

Die schöne Frau zog ihre beiden Kinder an sich.

»Ich weiß, ihr werdet _euch_ nie verlassen, und deshalb auch mich
nicht.« -- -- --

Am Nachmittage ging Frau v. Stein allein die Straße entlang über den
Ponte Vecchio und die Anhöhe zum Palazzo Pitti hinauf. Sie suchte
den Saal des Saturnus auf und stand lange, die Hände gefaltet, vor
dem Bilde der Madonna della Sedia, die, ihr Kind an der Brust, aus
glückestrunkenen Mutteraugen selbstvergessen in die Ferne träumt.

»Gottesmutter,« sagte sie leise, »eine Mutter kommt dir danken. Jetzt
verstehe ich dich. Des Weibes zweiter Frühling ist das Kind -- -- --.«



Frühlingsabend


»Das ist ein Frühlingsabend ...«

»Guten Abend, Eichner. Ich hoffte kaum noch, daß mein Briefchen dich
erreicht hätte.«

»Ja, lieber Junge, an Frühlingsabenden soll man die Menschen in Ruhe
lassen. Da hat man genug an der eigenen Unruhe. Laß die Balkontür auf,
Harnisch. Bitte. Die Luft lügt, aber sie lügt nur einmal so schön.«

»Was lügt sie denn, du unruhiger Gast?«

»Spürst du das nicht selber? Das gaukelt im Blut und streichelt unsere
geheimsten Wünsche heraus und beschwatzt uns, als finge wirklich das
Leben noch einmal von vorne an.«

»Das tut’s ja auch. Das Leben erneuert sich mit unserer Erkenntnis.«

»Ich traf gestern ein junges Mädchen, Harnisch. Sie trug keine Krone,
aber einen neuen Frühjahrshut, und sie wußte, daß der ihr besser stand.
Heute abend wollten wir uns im Stadtpark wiedersehen. Ich warne dich
also.«

Harnisch nötigte den Freund in einen Sessel. »Und was hättest du
gewonnen?« fragte er lächelnd.

»Ein Stück Leben statt deiner Philosophie. Eine lebendige Lüge
meinetwegen, aber immerhin etwas Lebendiges.«

»Eine Wahrheit, die langsam die Augen aufschlägt und sich auf
sich besinnt, würde mir besser gefallen als deine schnellfertige
Frühlingsgaukelei. Willst du ein Glas Wein? Wir werden später zu Tisch
gehen.«

»Erwartest du Gäste? Du bist heute von einer so feierlichen Heiterkeit.«

»Schau hin. Zwei Gedecke. Dazu lade ich dir zuliebe alte Träume ein.«

Der Gast wandte sich um. Er blickte durch das stille Arbeitszimmer,
dessen Wände dunkelgerahmte Nachbildungen italienischer Meister
schmückten, in das erleuchtete Speisezimmer. Weißer Damast lag auf
der Tafel, grüne Römer hoben sich auf schlanken Stengeln neben dem
blitzenden Porzellan, ein silberner Korb war mit Veilchen gefüllt und
eine Kristallschale mit gelben Orangen.

»Daß du so viel Sinn dafür hast, Harnisch. Ich beneide dich darum.«

»Jeder muß zusehen, daß er sich die Stunden zum Feste macht. Dann
gleiten wir trotz allem in die Harmonie.«

»Trotz allem? Wenn ich als Junggeselle so sprechen wollte! Du aber --
das harmonischeste Leben von der Welt, Ruhe zum Schaffen und doch eine
Frau --«

»Die mich nicht stört, weil sie nicht anwesend ist.«

»Wundervoll! Junggeselle und Ehemann in eins. Das wäre die Erfüllung
meiner Träume. Harnisch, du bist ein glücklicher Mensch, und deine
Frau ist es nicht minder. Du hast dein Gelehrtenheim, und sie hat
ihre Kunst. Sie lebt in der Welt und du in deinen Büchern. Das ist ein
Ausgleich, der jung halten muß, den ich bewundernd anstaune.«

»Aus der Ferne.«

»Wahrhaftig, du bist ein undankbarer Pedant. In der beständigen Nähe
ist eine Frau wie die andere. So aber kannst du Götterbilder in deine
ferne Künstlerin hineinträumen, und die Glorie schwebt noch um ihr
Haupt, wenn sie dich heimlich wie die Muse besucht und heimlich wieder
in Wolken schwindet. Nur durch die Phantasie leben wir.«

»Wenn unser Herz nichts anderes einzusetzen hat. Aber willst du nicht
wissen, weshalb ich dich herbat?«

»Deine Frau kommt?«

»In zwei Tagen erst. Sie hat morgen noch in der Schlußvorstellung zu
singen. Die Elsa im Lohengrin. Dann reist sie auf kurze Zeit her und
dann wieder zum Rollenstudium zu ihrem Meister nach Frankfurt. Nein,
die Freude kann ich dir nicht machen. Du mußt schon fürlieb nehmen mit
dem, was von mir kommt.« Er ging zum Schreibtisch und nahm ein Buch
auf. »Hier, Eichner, sie ist heute erschienen. Meine Geschichte des
Theaters.«

»Ah -- --! Ich wußte gar nicht, daß du sie zu Ende geführt hast. Meinen
Glückwunsch.«

Harnisch strich sich das Haar aus der Stirn. Er blickte durch die
Balkontür in den Frühlingsabend. »Ja,« sagte er, »das wußtest du nicht.
Und ich selber wußte nicht, daß ich sie zu Ende führen würde. Es ist
mir sauer genug gefallen.«

»Scherz! Keinem Menschen lag das Material wie dir.«

»Aber die Feder wollte nicht mehr. Schau nicht so verwundert auf,
es ist so, ich mußte mich quälen.« Er schob seinen Stuhl neben die
Balkontür und setzte sich, die Hände auf den Knien. »Das war ein
großer, schöner Augenblick, Freund, als ich vor vier Jahren den Plan
zu dem Werk faßte. Ich war jung verheiratet. Meine Frau kam aus einem
alten Geheimratshause, in dem nie viel von Kunst gesprochen worden
war. Ich ließ sie teilnehmen, ich führte sie in die neue Welt ein, wir
saßen in unserem Zimmer wie in einem gewaltigen Zuschauerraum, und
Bilder auf Bilder zogen an uns vorbei und berauschten uns. So lehrte
ich meine Frau _meine_ Kunst: die Kunst des Genießens. Wie haben wir
genossen ...!«

»Deine Frau war ein modernes Wesen.«

»Ja, das war sie. Aber ich sehe das Wort anders an als du. Der Drang
nach Betätigung erwachte in ihr wie in so vielen unserer Frauen, die
den Ehrgeiz über die Freude stellen. Die Beispiele wirkten suggestiv.
Mehr sein als bloß Genießender: Ausübender sein! Geschmack wird mit
Talent verwechselt und alle Welt will »Ausübender« heißen. Denn schon
der Wille gibt heute Relief. Die Gemeinde der Kunstgenießer gilt für
rückständig und doch steht ein ganzer Kunstgenießer höher als all dies
halbe Künstlertum. Nun, Helene wollte es nicht anders. Der Geist der
Zeit hatte sie erfaßt.«

»Sei dankbarer, Harnisch. Der Geist der Zeit hat der Welt eine
Künstlerin gegeben.«

»Und der Welt eine glückliche Frau genommen. Denn daß Helene glücklich
ist, glücklicher als damals, als sie nur mir und mit mir lebte, das
glaube ich nie und nimmer. Dazu hatte sie zu sehr den Frieden und
die Heiterkeit der Kunst_betrachtung_ kennen gelernt, der Kunst als
Feiertagsheiligung, nicht der Kunst als Alltag.«

»Hat sie geklagt? Bedauert sie?«

»Sie hat mir vor kurzem einen neuen Vertrag an ein größeres Theater
eingesandt, den sie unterschrieben hatte. Bedarf es einer anderen
Antwort?«

»Was willst du mehr? Sie steigt.«

»Ja, sie steigt. Heute ist sie Achtundzwanzig. Der neue Kontrakt ist
auf drei Jahre normiert. Dann steigt sie weiter, und einmal vielleicht
bis an unsere Hofbühne. Nehmen wir an, daß sie das wirklich erreicht,
obwohl Hunderte um dasselbe Ziel Jugend und Kraft vertun. Und dann?
Selbst wenn die Kraft bleibt? Die Jugend -- nein, ihre Jugend ist nicht
ausgeschöpft worden, ist versandet, ist dahin. Die Jugend einer Frau.
Wenn sie zurückschaut, grüßen sie nicht Menschen, die ihr lieb und
vertraut geworden sind, es grüßen sie nur Figuren, Rollen. Und ihre
Seele, die ein eigenes Werk sein könnte, horcht auf die Stichworte
anderer Werke.«

»Lieber Freund, dafür habt ihr den Stolz aufeinander.«

»Die Sehnsucht haben wir. Ich wenigstens. Nicht einen Heller geb’ ich
für den Stolz, wenn ich Abends hier am Tische sitze. Die Arbeit liegt
aufgeschlagen vor mir, und die Gedanken schweifen auf eigene Faust. Und
ich renne hinter ihnen her und trage sie mir mühsam wieder zusammen,
und wenn ich sie in der Hand halte, spreize ich selber die Finger und
lasse sie wieder hinausschlüpfen ... Zu der Frau, die ich liebe. Nicht
zu ihrer Kunst. Und es wird Nacht, und die Arbeit liegt wie sie lag.«

Eichner lehnte sich zurück. »Sollte es da nicht ein einfaches Mittel
geben?«

»Hinziehen, wo sie gerade lebt? Ich kann meine Vorlesungen nicht im
Stiche lassen. Ich bin auf die Einnahmen angewiesen.«

»Du hattest doch ein kleines Privatvermögen? Das wird doch ein paar
Jahre langen.«

»Die kleine Summe ist bereits geopfert. Zwei Jahre Studium für Helene,
ihre Bühnenausstattung, ihr Unterhalt wegen ihres jetzigen Engagements
-- denn ihre Anfängerinnengage reichte kaum für Taschentücher. Die
tausend Mark, die mir heute der Verleger sandte, bilden erst wieder den
neuen Grundstock. Und wenn auch die Geldfrage nicht wäre, es ginge doch
nicht. Wäre ich bei ihr, ich empfände ja noch viel unerträglicher, daß
sie keine freie Frau mehr ist, daß sie für jede Stunde des Tages und
des Abends ihre Vorschriften bekommt, daß ein Fremder dieser Frau,
meiner Frau, Befehle erteilt, die hier im Hause und unter vornehm
gesinnten Menschen fröhlich geschaltet und gewaltet hat. Siehst du:
Einmal saß ich in der Loge und sah sie in einer Rolle. Neben mir
unterhielten sich ein paar Herren über ihren Gesang. Dabei blieben sie
nicht lange. Sie gingen die körperlichen Vorzüge der Sängerin durch,
und ich konnte die Lobpreiser nicht ins Gesicht schlagen.«

»Ja, das freilich -- --!«

»Seit der Zeit quält mich meine Sehnsucht noch viel mehr. O nein, nicht
weil ich Eifersucht verspüre. Weil ich einen schöneren Rahmen für sie
wünsche -- und für mich wünsche. Denn auch meine Jugend geht vorüber,
und die Welt zahlt mir nichts dafür. Ich behalt’ die Lücke für immer.«

Es wurde dunkel draußen. Die laue Frühlingsnacht schmeichelte sich ins
Zimmer und legte sich um Kopf und Herz. »Sie sind schwer zu ertragen,
diese Frühlingsabende,« sagte Harnisch leise, »wenn man weiß, daß sie
uns lügen.«

»Sie werden jedem Menschen dasselbe sagen, Harnisch. Das ist eine
Beruhigung. Und nun wollen wir auf dein Werk anstoßen. Muß man sich
betrügen, so täusche uns jetzt der Wein in eine andere Welt hinein.«

Harnisch erhob sich. »Nimm’s nicht übel, Freund, aber als ich vor
Jahren die erste Zeile zu dem Werk niederschrieb, hatte ich mir den
heutigen Abend anders gedacht.«

»Ich hatte mir auch den heutigen Abend anders gedacht. Ein
breitrandiger Frühlingshut gibt zuweilen Schatten für zwei, und ein
trauernder Liebhaber bietet mir kein Entgelt für --«

»Herein!«

»Herr Doktor, die gnädige Frau ist angekommen.«

»Wer ist ...?«

»Ich, Georg. Darf man zu dir hinein?«

»Helene -- --!« Der Klang zitterte im Zimmer nach, als wäre es der
schwingende Klang einer Saite. Und der Mann ging dem Klang nach, mit
ausgestreckten Händen. »Helene! Heute schon?«

Sie legte ihre Hände in die seinen, folgte ihm ins Zimmer und nickte
dem Gast, den sie erkannte, zu. Sie wollte sprechen, aber es kam nur
ein tiefer Atemzug, und sie drückte die Hände, die sie hielt, so fest,
als hätte sie sich einen Besitz erobert.

»Helene! Heute schon?«

Nun sprach sie. Hastig, erregt. Und ihre Augen hingen erwartungsvoll an
den seinen. »Ein Kollege ist erkrankt, der den Lohengrin singt. Deshalb
mußte der Spielplan geändert werden. Und ich -- konnte zwei Tage früher
reisen.«

»Du hast es dir gewünscht -- schneller heimzukommen?«

»Das habe ich mir auch während der Studienzeit oft gewünscht. Aber
diesmal komme ich noch mit einem besonderen Wunsch.«

»Meine gnädige Frau,« bat der Gast, »gestatten Sie mir, daß ich mich
verabschiede und dafür morgen zu feierlicher Begrüßung erscheine.«

Sie ließ den Blick durch das Arbeitszimmer und durch die geöffnete Tür
in das Speisezimmer schweifen. So sehr im Anschauen versunken, daß
Eichner sein Urlaubsgesuch wiederholen mußte.

»Aber ich sehe doch zwei Gedecke, Herr Doktor. Ich werde Sie doch nicht
hungrig und durstig von dannen jagen.«

»Wenn es so wäre, gnädige Frau, ich hätte es nicht anders verdient.
Georg hat mich verführt, einer Absprache untreu zu werden. Es ist
zwar nur eine ganz, ganz kleine Absprache, aber der liebe Gott --
Verzeihung, der Gott des Frühlings -- läßt sich nicht spotten. Noch
geht der Schaden auszubessern. Ich laufe also. Auf Wiedersehen!«

Die Gatten waren allein. Und wieder wanderten die Blicke der Frau die
Wände des Arbeitszimmers entlang, liebkosten die Nachbildungen der
alten Meister, huschten ins Speisezimmer, über Damast, Silber und
Kristall, und blieben an dem Veilchenopfer hängen. »Wie schön du es
hast -- --«

»Es ist von dir her alles so geblieben, Helene.«

Sie schüttelte den Kopf. »Kann man sich selbst so fremd werden? _Ich_
habe das früher einmal so angeordnet? _Ich_ war einmal so?«

»Helene, du wolltest mir einen Wunsch sagen ...«

Da schlang sie mit einer scheuen, wilden Mädchenbewegung den Arm um
seinen Hals. »Bei dir bleiben, Georg, bei dir bleiben.« Er stand mit
geschlossenen Augen und empfand nichts als ihren Wunsch. Ihre Hände
glitten über seine Schultern, lagen still und glitten nieder. »Georg,
es war schon lange in mir. Ich sträubte mich nur dagegen. Aber als
ich hörte: heute schon, heute kann ich heimreisen, und ich nun im
Schnellzug saß und die Felder flogen nicht geschwind genug vorüber und
ich vor Freude krausen Unsinn trieb -- Herrgott, der Gedanke, das ist
ja nur für kurze Wochen, ließ mich blaß werden und zittern vor Angst.
Georg, hilf mir. Ich kann -- das neue Engagement -- nicht antreten.«

»Wie sonderbar das ist,« sagte er und lächelte in sich hinein. Im
Schreibtisch steckte der Schlüssel. Er zog die Schublade heraus und
entnahm ihr ein Kuvert. »Wie sonderbar das ist. Als wir vor Jahren
mein Werk planten, hat es dich in den Bann und fortgezogen. Und heute
liefert mir das fertige Werk die Mittel, den Bann zu lösen. Es zahlt
für sich selbst die Konventionalstrafe. Hier, Helene.«

Sie hatte in atemloser Spannung sein Tun verfolgt. Sie regte sich nicht
von ihrem Platz.

»Wieder bei dir sein, Georg? Hier in meiner Wohnung? Frau sein -- Ich
sein -- wieder ruhig atmen? Das willst du? Das soll ich?«

Einen Augenblick lehnte er am Schreibtisch und sah sie an. Dann trat er
auf sie zu, legte den Arm um sie und zog sie fest an sich. Und jeder
lauschte erstaunt auf den schnellen Herzschlag des anderen ...

»Ob _ich_ will, Helene? Ich habe ja nicht mehr arbeiten können, so sehr
hast du mir gefehlt.«

»Und ich? Ich habe _nur_ noch arbeiten können, nur noch arbeiten und
gar nicht mehr leben. So sehr hast _du_ mir gefehlt.«

»Weshalb schlossest du denn den neuen Vertrag? Jeder Tag wäre uns
gewonnen gewesen.«

»Ach, Georg, du mußt nicht lachen, wenn ich es dir sage. Ich wollte
nicht kommen, weil es mich -- unweiblich dünkte.«

»Unweiblich?«

»Was wir Frauen heute unweiblich nennen. Dem Gefühl nachgehen, statt
dem Beruf. Weiblich oder unweiblich, Georg, ich mußte dem Gefühl
nachgehen, selbst auf die Gefahr hin, rettungslos für die Sache der
Frauen verloren zu sein. Ich mache wieder die Sache des Mannes zu der
meinigen. Meines Mannes.«

Er strich ihr übers Haar, um Zeit zu gewinnen, sich zu sammeln. »Wir
wollen uns in die Augen schauen, Helene. Ich danke dir für diese
Stunde. Aber wirst du sie nicht bereuen? Ein zweites Mal könnt’ ich
dich nicht loslassen.«

»Du hättest mich schon das erste Mal nicht loslassen sollen. Und
wenn ich darunter gelitten hätte. Ich hätte es bei dir verwinden
gelernt. Ich weiß, du wolltest mir meine Begeisterung nicht rauben,
du wolltest mich nicht traurig sehen und den Gedanken nicht in mir
aufkommen lassen, als gäbe es etwas auf der Welt, was ich versäumt
hätte. Ein persönliches und geistiges Gehobenwerden, Triumphe der
Kunst, die mehr noch sind, als Kunstgenießen. Ach, Georg, dazu muß
man geboren werden, dazu muß man sich schulen, bevor man die andere
Sonnenseite des Lebens kennt. Ich hatte sie schon zu sehr kennen
gelernt. Durch dich. Und daher glaubte ich, alle Kunstverkünder müßten
so groß und rein und heiter sein. Nein, nein, nein, ich bin geheilt
von dem Irrtum, der durch die Welt geht. Ja, wenn ich auf der Bühne
stand und sang, wenn ich fühlte, wie das Publikum mir an den Lippen
hing und dann der Beifall losbrach! Das waren Minuten des Rausches,
dem wohl keiner gleichkommt. Aber für die wenigen Minuten des Rausches
Stunden, Tage, Wochen der Ernüchterung. Schon wenn ich in die Kulisse
zurücktrat und der Vorhang sich senkte und die Menschen das Haus
verließen, um gesellig und fröhlich zu sein, und ich mit einem Schlage
vergessen war und allein -- du, dann schon hätte ich den Triumph
wieder herausgegeben. Und nachts lag ich wach in den Kissen und sehnte
mich nach dir, nach meinem Heim, nach reiner Luft und rein klingendem
Lachen. Am anderen Tage noch einmal ein Munterwerden. Wenn die
Zeitungen kamen, die Kritiken. Obwohl man alles im voraus wußte. Der
eine der beiden Kritiker hatte in dieser Saison eine Oper beim Direktor
liegen, und der andere hatte die seine in dieser Saison zurückverlangt.
Voriges Jahr war es umgekehrt. Also dasselbe. Und wenn ich gelesen
hatte, schämte ich mich, und ich hatte ein Lob und einen Tadel und
keinen Menschen, dem ich mich hätte an den Hals werfen können, daß er
als Mensch zu mir redete. Und wieder auf die Proben gehetzt, wieder
in die Garderoben, und wieder müde, bis in die Seele frierend, nach
Hause geschlichen. Wie oft -- täglich fast -- schaute ich rückwärts und
blickte in dein Zimmer, in dem wir wie glückliche Kinder Kunst genossen
in der Schönheit, die wir ihr gaben, und durch dein Zimmer dort ins
Speisezimmer, in dem in dem Korbe die Blumen standen und in einer
Kristallschale die Früchte. Wie feig man wird. Feig vor dem Bekenntnis:
ich bin in der Irre gelaufen. Und unterdes saß das Glück daheim, wo es
immer saß, und wartete zusammen mit dem Frieden des Hauses geduldig.«

Sein Arm lag um ihre schlanke Hüfte.

»Nun warst du in der Welt, Helene. Jetzt kennst du ihre Rätsel. Und das
ist dein größter Erfolg.«

»Wie schön es hier ist,« sagte sie, »wie still ...«

»Es ist ein Frühlingsabend, Helene.«

»Ein Frühlingsabend ... Aber noch ist es keiner der letzten. Morgen
wird Frühling sein und noch viele, viele Tage. Ich bin noch nicht zu
spät gekommen.«

Sie standen in der Balkontür. Ein feiner Duft kam durch die Nacht
von frühen Kastanienblüten. Abendstille ... Sie horchten hinaus, und
es rief keine Stimme. Und sie schlossen sich enger aneinander an und
horchten in sich hinein und erhorchten ein leises, feines Musizieren,
das anschwoll und sie erfüllte und ihnen seltsame, stammelnde Worte auf
die Lippen trug, die nur sie verstanden. -- -- --

[Illustration]



Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Nachfolger Stuttgart und
Berlin


Geh. = Geheftet, Lnbd. = Leinenband, Ledbd. = Lederband, Hlbfrzbd. =
Halbfranzband

    _Andreas-Salomé, Lou_, Fenitschka. Eine Ausschweifung.
          Zwei Erzählungen
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Ma. Ein Porträt. 3. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Menschenkinder. Novellensamml.
          2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Ruth. Erzählung. 4. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Aus fremder Seele. 2. Auflage
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Im Zwischenland. Fünf Geschichten.
          2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Anzengruber, Ludwig_, Letzte Dorfgänge
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Wolken und Sunn’schein. 3.--5. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    _Arminius, W._, Der Weg zur Erkenntnis.
          Roman
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Yorks Offiziere. Historischer Roman
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Auerbach, Berthold_, Barfüßele.
          38. u. 39. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Auf der Höhe. Roman. Volksausg.
          4 Bde.
                                          Geh. M. 4.--, 2 Lnbde. M. 6.--
    --„-- Joseph im Schnee. Eine Erzählung.
          9. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Das Landhaus am Rhein. 5 Bände
                                          Geh. M. 3.60, 2 Lnbde. M. 6.--
    --„-- Waldfried. Vaterländische Familiengeschichte.
          3 Bände
                                          Geh. M. 2.40, 2 Lnbde. M. 4.80
    _Baumbach, Rudolf_, Erzählungen und Märchen.
          15. u. 16. Tausend
                           Lnbd. M. 3.--, Ledbd. mit Goldschnitt M. 5.--
    --„-- Es war einmal. Märchen.
          14. Tausend
                                           Lnbd. M. 3.80, Ledbd. M. 5.80
    --„-- Aus der Jugendzeit. 8. Tausend
                                           Lnbd. M. 6.20, Ledbd. M. 8.--
    --„-- Neue Märchen. 7. Tausend
                                           Lnbd. M. 4.--, Ledbd. M. 6.--
    --„-- Sommermärchen. 36. u. 37. Tausend
                                           Lnbd. M. 4.20, Ledbd. M. 6.--
    _Bertsch, Hugo_, Bilderbogen aus meinem Leben.
          1.--3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Bob, der Sonderling. 4. Aufl.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Die Geschwister.
          Mit Vorwort von Adolf Wilbrandt.
          10. u. 11. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    _Bobertag, Bianca_, Moderne Jugend.
          Roman in drei Büchern
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Böhlau, Helene_, Salin Kaliske.
          Novell. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Boy-Ed, Ida_, Die säende Hand.
         Rom. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Um Helena. Roman. 2. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Die Lampe der Psyche. Roman.
          2. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Die große Stimme. Novellen.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    _Bülow, Frieda v._, Kara.
          Rom. in drei Büchern
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Burckhard, Max_, Simon Thums.
          Roman. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Busse, Carl_, Die Schüler von Polajewo.
          Novell.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Träume. Mit Illustr. v. Kunz Meyer
                                             Geh. M. 2.60, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Im polnischen Wind. Ostmärk. Gesch.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Dove, Alfred_, Caracosa.
          Roman. 2 Bde. 2. Aufl.
                                       Geh. M. 7.--, in 2 Lnbdn. M. 9.--
    _Ebner-Eschenbach, Marie v._, Božena.
          Erzählung. 7. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Erzählungen. 5. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Margarete. 6. Auflage
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Moriz v., ~Hypnosis perennis~.
          Ein Wunder des heiligen Sebastian.
          Zwei Wiener Geschichten
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    _Eckstein, Ernst_, Nero.
          Roman. 7. Auflage
                                             Geh. M. 5.--, Lnbd. M. 6.--
    _El-Correï_, Am stillen Ufer.
          Roman vom Gardasee
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Ertl, Emil_, Miß Grant und andere Novellen
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Liebesmärchen. 2. Auflage
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Mistral. Novellen
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Fontane, Theodor_, Ellernklipp.
          3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Grete Minde. 5. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Quitt. Roman. 3. u. 4. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Vor dem Sturm.
          Roman. 7. u. 8. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Unwiederbringlich. Roman.
          5. u. 6. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Franzos_, K. E., Der Gott d. alten Doktors.
          2. Aufl.
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Die Juden von Barnow. Geschichten.
          7. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Judith Trachtenberg.
          Erzählung. 5. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Ein Kampf ums Recht.
          Roman. 5. Aufl. 2 Bände
                                        Geh. M. 6.--, in 1 Lnbd. M. 7.50
    --„-- Leib Weihnachtskuchen u. sein Kind.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Ungeschickte Leute. Geschichten.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Junge Liebe. Novellen.
          4. Aufl. Min.-Ausg.
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Mann und Weib. Novellen.
          2. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Der kleine Martin. Erzählung.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 1.--, Lnbd. M. 2.--
    --„-- Moschko von Parma.
          Erzählung. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Neue Novellen. 2. Auflage
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Tragische Novellen. 2. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Der Pojaz. Eine Gesch. a. d. Osten.
          4. u. 5. Aufl.
                                             Geh. M. 4.50, Lnbd. M. 5.50
    --„-- Der Präsident. Erzählung.
          4. Auflage
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Die Reise nach dem Schicksal.
          Erzähl. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Die Schatten. Erzählung. 2. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Der Wahrheitsucher.
          Roman. 2 Bde. 3. Aufl.
                                       Geh. M. 6.--, in 2 Lnbdn. M. 8.--
    _Fulda, L._, Lebensfragmente.
          Novellen. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    _Gleichen-Rußwurm, A. v._, Vergeltung.
          Roman
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Grasberger, Hans_, Auf heimatl. Boden.
          Erzähl.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.20
    --„-- Allerlei Deutsames.
          Bilder und Geschichten
                                             Geh. M. 1.--, Lnbd. M. 1.70
    --„-- Aus der ewigen Stadt. Novellen
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.20
    _Grimm, Herman_, Unüberwindliche Mächte.
          Roman. 3. Auflage. 2 Bände.
                                      Geh. M. 8.--, in 2 Lnbdn. M. 10.--
    --„-- Novellen. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Grisebach, Eduard_, Kin-ku-ki-kuan.
          Chinesisches Novellenbuch
                                                           Lnbd. M. 4.--
    --„-- Chinesische Novellen.
          Die seltsame Geliebte. -- Das Juwelenkästchen
                                                        Geheftet M. 3.60
    --„-- Die treulose Witwe. Eine chinesische Novelle
                                                        Geheftet M. 1.--
    _Haushofer, Max_, Geschichten zwischen
          Diesseits und Jenseits.
          (Ein moderner Totentanz)
                                         Geh. M. 5.--, Hlbfrzbd. M. 7.--
    --„-- Planetenfeuer. Ein Zukunftsroman
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Heer, J. C._, Felix Notvest.
          Roman. 10. u. 11. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Joggeli. Die Geschichte einer Jugend.
          10. und 11. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Der König d. Bernina.
          Roman. 26.--30. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- An heiligen Wassern.
          Roman. 25.--30. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Der Wetterwart.
          Roman. 19.--23. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Heilborn, Ernst_, Kleefeld. Roman
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    _Herzog, Rudolf_, Der Graf von Gleichen.
          Ein Gegenwartsroman.
          5. u. 6. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Der alten Sehnsucht Lied.
          Erzählungen. 1.--4. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Das Lebenslied.
          Roman. 9.--11. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Die vom Niederrhein.
          Roman. 9.--11. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Die Wiskottens.
          Roman. 19. u. 20. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Heyse, Paul_, L’Arrabbiata.
          Novelle. 11. Auflage
                                                           Lnbd. M. 2.40
    --„-- L’Arrabbiata und andere Novellen.
          9. Aufl.
                                             Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60
    --„-- Buch der Freundschaft.
          Novellen. 7. Aufl.
                                             Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60
    --„-- Crone Stäudlin. Roman. 4. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- In der Geisterstunde. 4. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Über allen Gipfeln.
          Roman. 10. Aufl.
                                             Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60
    --„-- Kinder der Welt.
          Roman. 22. Aufl. 2 Bde.
                                       Geh. M. 7.20, in 2 Lnbdn. M. 9.20
    --„-- Neue Märchen. 4. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Marthas Briefe an Maria.
          2. Auflage
                                             Geh. M. 1.--, Lnbd. M. 2.--
    --„-- Melusine und andere Novellen.
          5. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Merlin. Roman in sieben Büchern.
          5. Aufl.
                                             Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60
    --„-- Ninon und andere Novellen.
          4. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Novellen. Auswahl fürs Haus.
          3 Bände. 10. u. 11. Auflage
                                      Geh. M. 7.50, in 3 Lnbdn. M. 10.--
    --„-- Novellen vom Gardasee.
          5. Auflage
                                             Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Meraner Novellen. 10. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Neue Novellen. Min.-Ausg.
          6. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Im Paradiese.
          Roman. 13. Aufl. 2 Bde.
                                       Geh. M. 7.20, in 2 Lnbdn. M. 9.20
    --„-- Das Rätsel des Lebens.
          4. Auflage
                                             Geh. M. 5.--, Lnbd. M. 6.--
    --„-- Der Roman der Stiftsdame.
          12. Auflage
                                             Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60
    --„-- Der Sohn seines Vaters u. and. Nov.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Moralische Unmöglichkeiten und
          andere Novellen. 3. Auflage
                                             Geh. M. 4.50, Lnbd. M. 5.50
    --„-- Victoria regia u. a. Novellen.
          1.--4. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Aus den Vorbergen. Vier Novellen.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 5.--, Lnbd. M. 6.--
    --„-- Weihnachtsgeschichten. 4. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Unvergeßbare Worte u. a. Novellen.
          5. Aufl.
                                             Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60
    _Hillern, Wihelmine v._, Der Gewaltigste.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- ’s Reis am Weg. 3. Auflage
                                             Geh. M. 1.50, Lnbd. M. 2.50
    --„-- Ein Sklave der Freiheit.
          3. Auflage
                                             Geh. M. 5.--, Lnbd. M. 6.--
    --„-- Ein alter Streit.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Hobrecht, Max_, Von der Ostgrenze.
          Drei Nov.
                                             Geh. M. 5.--, Lnbd. M. 6.--
    _Höcker, Paul Oskar_, Väterchen.
          Roman
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Hofe, Ernst v._, Sehnsucht.
          Roman
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Hoffmann, Hans_, Bozener Märchen
                                                        Tuchband M. 4.20
    --„-- Ostseemärchen. 2. Auflage
                                                      Leinenband M. 4.--
    _Holm, Adolf_, Holsteinische Gewächse.
          Aufgezogen und zur Schau gestellt
          (in Wort und Bild)
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Köst und Kinnerbeer. Und sowat mehr.
          Zwei Erzählungen aus dem
          holsteinischen Landleben
                                                      Leinenband M. 2.40
    _Hopfen, Hans_, Der letzte Hieb.
          4. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    _Huch, Ricarda_, Erinnerungen von
          Ludolf Ursleu dem Jüngeren.
          Roman. 7. u. 8. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Junghans, Sophie_, Schwertlilie.
          Roman
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Justus, Th._, Am Küstensaum.
          Erzählungen
                                             Geh. M. 1.50, Lnbd. M. 2.--
    --„-- Aus vergangenen Tagen.
          Erzählungen
                                             Geh. M. 1.50, Lnbd. M. 2.--
    _Kaiser, Isabelle_, Seine Majestät!
          Novellen
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Wenn die Sonne untergeht.
          Nov. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    _Keller, Gottfried_, Der grüne Heinrich.
          Roman. 3 Bände. 41.--45. Aufl.
                         Geh. M. 9.-- Lnbd. M. 11.40, Hlbfrzbd. M. 15.--
    --„-- Die Leute von Seldwyla.
          2 Bde. 44.--48. Aufl.
                         Geh. M. 6.--, Lnbd. M. 7.60, Hlbfrzbd. M. 10.--
    --„-- Martin Salander.
          Roman. 29.--33. Auflage
                          Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 3.80, Hlbfrzbd. M. 5.--
    --„-- Züricher Novellen.
          43.--47. Auflage
                          Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 3.80, Hlbfrzbd. M. 5.--
    --„-- Das Sinngedicht. Novellen.
          Sieben Legenden. 35.--39. Auflage
                          Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 3.80, Hlbfrzbd. M. 5.--
    --„-- Sieben Legenden.
          Miniatur-Ausg. 6. Auflage
                                                           Lnbd. M. 3.--
    --„-- Romeo und Julia auf dem Dorfe. Erzählung.
          5. Auflage. Miniatur-Ausgabe
                                             Geh. M. 2.30, Lnbd. M. 3.--
    _Kirchbach, W._, Miniaturen.
          Fünf Novellen
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Kossak, Marg._, Krone des Lebens.
          Nord. Nov.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Kurz, Isolde_, Florentiner Novellen.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Frutti di Mare. Zwei Erzählungen
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Genesung. Sein Todfeind.
          Gedankenschuld. Drei Erzählungen
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Italienische Erzählungen
                                                           Lnbd. M. 5.50
    --„-- Phantasieen und Märchen
                                                           Lnbd. M. 3.--
    --„-- Unsere Carlotta. Erzählung
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    _Laistner, Ludwig_, Novellen aus alter Zeit
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Langmann, Philipp_, Realistische Erzählungen
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Leben und Musik. Roman
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Ein junger Mann von 1895
          u. and. Novellen
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    --„-- Verflogene Rufe. Novellen
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    Lazarillo von Tormes.
          Der erste Schelmenroman.
          Herausgegeben von W. Lauser
                                             Geh. M. 1.--, Lnbd. M. 2.--
    _Lindau, Paul_, Arme Mädchen.
          Roman. 9. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Spitzen. Roman. 8. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Der Zug nach dem Westen.
          Roman. 10. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Mauthner, Fritz_, Hypatia.
          Roman. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Aus dem Märchenbuch der Wahrheit.
          Fabeln und Gedichte in Prosa.
          2. Auflage von »_Lügenohr_«
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Meyer-Förster, Wilh._, Eldena.
          Roman. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Meyerhof-Hildeck, Leonie_, Das Ewig-Lebendige.
          Roman. 2. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Töchter der Zeit. Münchner Roman
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Muellenbach, E._ (E. Lenbach), Abseits.
          Erzählg.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Aphrodite und andere Novellen
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Vom heißen Stein. Roman
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Olfers, Marie von_, Neue Novellen
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Die Vernunftheirat und andere Novellen
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Pantenius, Th. H._, Kurländ.
          Geschichten. 2. Taus.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Petri, Julius_, Pater peccavi!
          Roman
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Prel, Karl du_, Das Kreuz am Ferner.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 5.--, Lnbd. M. 6.--
    _Proelß, Joh._, Bilderstürmer!
          Roman. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Raberti, Rubert_, Immaculata.
          Roman aus d. röm. Leben d. Gegenw.
          2 Bände
                                      Geh. M. 8.--, in 2 Lnbdn. M. 10.--
    _Redwitz, Oskar von_, Haus Wartenberg.
          Roman. 7. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Hymen. Ein Roman. 6. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Riehl, W. H._, Aus der Ecke.
          Novellen. 4. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Am Feierabend. Sechs Novellen.
          4. Aufl.
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Geschichten aus alter Zeit.
          1. Reihe. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Geschichten aus alter Zeit.
          2. Reihe. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Lebensrätsel. Fünf Novellen.
          4. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Ein ganzer Mann.
          Roman. 4. Auflage
                                             Geh. M. 6.--, Lnbd. M. 7.--
    --„-- Kulturgeschichtliche Novellen.
          5. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Neues Novellenbuch.
          3. Aufl. (6. Abdr.)
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Roquette, Otto_, Das Buchstabierbuch der
          Leidenschaft. Roman. 2 Bände
                                        Geh. M. 4.--, in 1 Lnbd. M. 5.--
    _Saitschick, R._, Aus der Tiefe.
          Ein Lebensbuch
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    _Seidel, Heinrich_, Heimatgeschichten.
          Gesamtausgabe. 1. Reihe
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Heimatgeschichten.
          Gesamtausgabe. 2. Reihe
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Leberecht Hühnchen.
          Gesamtausgabe
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Phantasiestücke.
          Gesamtausgabe
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Reinhard Flemmings Abenteuer
          zu Wasser und zu Lande.
          7. u. 8. Tausend
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Dasselbe. Zweiter und dritter Band.
          1.--4. Tausend
                                       Geh. je M. 3.--, Lnbd. je M. 4.--
    --„-- Von Perlin nach Berlin.
          Aus meinem Leben.
          Gesamtausgabe
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Vorstadtgeschichten.
          Gesamtausg. 1. Reihe
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Vorstadtgeschichten.
          Gesamtausg. 2. Reihe
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Wintermärchen.
          2 Bände. 4. Tausend.
                                       Geh. je M. 3.--, Lnbd. je M. 4.--
    _Skowronnek, R._, Der Bruchhof.
          Roman. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Stegemann, Hermann_, Der Gebieter.
          Roman
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Stille Wasser. Roman
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Stratz, Rudolph_, Alt-Heidelberg, du Feine ...
          Roman einer Studentin.
          7. u. 8. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Buch der Liebe.
          Sechs Novellen. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Der du von dem Himmel bist.
          Roman. 1.--5. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Die ewige Burg. Roman.
          5. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Du bist die Ruh’.
          Roman. 5. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Gib mir die Hand.
          Roman. 6.--9. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Ich harr’ des Glücks.
          Novellen. 4. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Die törichte Jungfrau.
          Roman. 5. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Der arme Konrad.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Montblanc.
          Roman. 5. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Der weiße Tod.
          Roman aus der Gletscherwelt.
          10.--12. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Es war ein Traum.
          Berliner Novellen.
          4. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Die letzte Wahl.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    _Sudermann, Hermann_, Es war.
          Roman. 40. Auflage
                          Geh. M. 5.--, Lnbd. M. 6.--, Hlbfrzbd. M. 6.50
    --„-- Frau Sorge.
          Roman. 88.--93. Auflage
                          Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50, Hlbfrzbd. M. 5.--
    --„-- Geschwister.
          Zwei Novellen. 27.--29. Auflage
                          Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50, Hlbfrzbd. M. 5.--
    --„-- Jolanthes Hochzeit.
          Erzählung. 27. Auflage
                          Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--, Hlbfrzbd. M. 3.50
    --„-- Der Katzensteg.
          Roman. 50. Aufl. Jubiläumsausgabe.
          Mit Porträt
                                           Geh. M. 4.--, Pergbd. M. 5.80
    --„-- Dasselbe.
          61.--63. Aufl.
                          Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50, Hlbfrzbd. M. 5.--
    --„-- Im Zwielicht.
          Zwanglose Geschichten.
          31. u. 32. Aufl.
                          Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--, Hlbfrzbd. M. 3.50
    _Sydow, Klara von_, Der Ausweg.
          Erzählung
                                             Geh. M. 2.--, Lnbd. M. 3.--
    _Telmann, Konrad_, Trinacria
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Trojan, Johannes_, Das Wustrower
          Königsschießen und
          andere Humoresken
                                             Geh. M. 1.--, Lnbd. M. 1.50
    _Voß, Richard_, Römische Dorfgeschichten.
          4. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Widmann, J. V._, Touristennovellen
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Wilbrandt, Adolf_, Adams Söhne.
          Roman
                                                           Lnbd. M. 7.--
    --„-- Das lebende Bild u. a. Geschichten.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Der Dornenweg.
          Roman. 4. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Erika. Das Kind.
          Erzählungen. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Familie Roland.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Fesseln.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Feuerblumen.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Franz.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Die glückliche Frau.
          Roman. 4. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Fridolins heimliche Ehe.
          4. Auflage
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Schleichendes Gift.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Hermann Ifinger.
          Roman. 6. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Hildegard Mahlmann.
          Roman. 3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Irma. Roman.
          3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Ein Mecklenburger.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Meister Amor.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Novellen
                                                        Geheftet M. 3.--
    --„-- Die Osterinsel.
          Roman. 4. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Die Rothenburger.
          Roman. 7. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Der Sänger.
          Roman. 4. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Die Schwestern.
          Roman. 1.--3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Vater Robinson.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Vater und Sohn u. and. Geschichten.
          2. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Villa Maria.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Große Zeiten u. and. Geschichten.
          3. Aufl.
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    _Wildenbruch, E. v._, Schwester-Seele.
     Roman. 14. u. 15. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    _Worms, C._, Aus roter Dämmerung.
          Baltische Skizzen
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    --„-- Du bist mein. Zeitroman
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Erdkinder.
          Roman. 3. Auflage
                                             Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50
    --„-- Die Stillen im Lande.
          Drei Erz. a. d. Winkel
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--
    --„-- Thoms friert.
          Roman. 2. Auflage
                                             Geh. M. 4.--, Lnbd. M. 5.--
    --„-- Überschwemmung.
          Eine balt. Gesch. 2. Aufl.
                                             Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50
    _Zimmermann, M. G._, Tante Eulalia’s Romfahrt
                                             Geh. M. 3.--, Lnbd. M. 4.--



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