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Title: Das Haus in der Sonne
Author: Larsson, Carl
Language: English
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Anmerkungen zur Transkription: Im Original gesperrt gedruckter Text
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Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originals wurden beibehalten.



[Illustration]

198. bis 249. Tausend. 1921.

[Illustration: =IDUNA=]



               CARL LARSSON

                 DAS HAUS
               IN DER SONNE

              [Illustration]

                   1921

         KARL ROBERT LANGEWIESCHE

  VERLAG / KÖNIGSTEIN IM TAUNUS & LEIPZIG



[Illustration]

Alle Rechte vorbehalten. Auch das der Übersetzung. Amerikanisches
„Copyright“ bei Albert Bonnier, Stockholm. Übersetzung der Texte von
Frau Ellen Grönland-Jungbeck. Druck der Graphischen Anstalt Schirmer &
Mahlau in Frankfurt a. M.

Die fünf großen, prachtvoll ausgestatteten Originalausgaben der
Larsson’schen Bilderwerke erschienen im Verlage =ALBERT BONNIER
IN STOCKHOLM=, teils in Folio-, teils in Querfolioformat. Von
einigen dieser Werke gab es Ausgaben mit deutschem Text im Verlag
Bruno Cassirer, Berlin, welche aber zur Zeit vergriffen sind. Die
schwedischen Originalausgaben dagegen sind erhältlich, jedoch natürlich
unter den heutigen Valutaverhältnissen für ~deutsche~ Käufer ziemlich
kostspielig. Deutsche Interessenten wollen sich durch ihren Buchhändler
vor der Bestellung beim schwedischen Verleger nach den jemaligen
Tagespreisen erkundigen. Es liegen in diesen Prachtausgaben vor:

=ETT HEM= („Ein Heim“). 24 farbige Bilder mit Text und
Textillustrationen. 1899. Inhalt deckt sich teilweise mit dem „Haus in
der Sonne“.

=LARSSONS= („Familie Larsson“). 32 farb. Bilder mit Text u.
Textillustrat. 1902. Inhalt ebenfalls teilw. identisch mit dem „Haus in
der Sonne“.

=SPADARFVET= („Bei uns auf dem Lande“). 24 farb. Bilder mit Text u.
Textillustrationen. 1906.

=ÅT SOLSIDEN= („Laßt Licht herein“). 32 farb. Bilder mit Text u.
Textillustrationen. 1910.

=ANDRAS BARN= („Anderer Leute Kinder“). 32 farb. Bilder mit Text u.
Textillustrationen. 1913.

Die große ~Original-Radierung~ Emil Ernst Heinsdorff’s: „=IN MEMORIAM
CARL LARSSON=“, nach welcher für dieses Buch die gegenstehende kleine
Zeichnung vom Künstler geschaffen wurde, ist im Verlage Karl Robert
Langewiesche, Königstein im Taunus erschienen. ~Platten~größe 31 : 45
cm. 25 Vorzugsdrucke auf van Geldern, numeriert 1-25, vom Künstler
handschriftlich signiert, in Schweden je 30 Kronen, in Dänemark und
Norwegen je 36 Kronen. Die weiteren Abzüge auf Bütten, vom Künstler
ebenfalls handschriftlich signiert, in Schweden je 15 Kronen, in
Dänemark und Norwegen je 18 Kronen.

[Illustration: in memoriam

=Carl Larsson=]



[Illustration]

E. E. L. U. E. E. H.

1908. 27. Oktober. 1909.



[Illustration]

Wer den Menschen zeigt, wie sie ein reines, schönes und heldenhaftes
Leben führen können inmitten aller Armseligkeit unserer Städte und
Dörfer; wer sie lehrt, ihr Brot zu essen und der Ruhe zu genießen und
mit Menschen umzugehen, ohne daß man sich nachher schämen muß, der wird
dem Menschenleben seinen Glanz wiedergeben, und sein Name wird in der
Geschichte wertgehalten werden.

                          Ralph Waldo Emerson

[Illustration]

[Illustration: =Brita und ich.=]

[Illustration: =Karin und Kersti.=]



[Illustration]

                                       _Sundborn, am Heiligabend 1898._

Gerade am Heiligabend, und gerade hier in Sundborn will ich diesen
Text zu den Bildern aus meinem lieben Heim in Dalekarlien beginnen.
Ich denke dadurch etwas Weihnachtsstimmung hereinzubekommen und Dich,
lieber Leser und Beschauer, in Deiner frohesten Stimmung anzutreffen.
Um es so wagen zu können, Dich für mich und das Meine zu interessieren.

Ich habe Dich ja so lieb! Du wirst bald merken, daß es gerade das
Interesse dafür, wie Du es hast, ist, welches mich veranlaßt, die
hier vorliegenden Bilder herausgeben zu lassen. Nimm es nun auf, wie
Du willst, jedenfalls, ich ~muß~ sie Dir zeigen. Sei mein Freund!
Dann wirst Du mich weniger anmaßend, und meine Betrachtungen weniger
sentimental finden.

Also! Wenn ich jetzt so bei Dir an Deine Stimmung appelliere, muß ich
gestehen, daß ich selbst ein klein wenig mißgestimmt bin, denn, bei
näherer Betrachtung sehe ich soeben, daß meine Kinder viel zu viel
„Julklapps“ bekommen. Damit werden sie verwöhnt und ~das~ ist nicht
gut. Ich erhielt während meiner ganzen Kindheit nur ein einziges
Weihnachtsgeschenk, das aber war mir zeitlebens von Nutzen, denn aus
ihm erwuchs in meinem kleinen, vertrockneten Herzen die Tugend der
Dankbarkeit:

Vater, Mutter und ich saßen eines Heiligabends in dem einzigen
Zimmer, welches wir besaßen, vor dem Kaminfeuer. Viel Armut war darin
zu finden, aber keine Mißgunst. Mutter betrachtete die sogenannten
„besseren“ Leute, als seien sie in der Tat so etwas wie höhere Wesen,
denen es ganz selbstverständlich gut gehen müsse, Vater dagegen fand
alles um sich herum so ausgezeichnet, wie es nicht besser hätte
sein können; und wäre er plötzlich -- na, sagen wir mal -- zum
Staatsminister ernannt worden, so würde ihn „diese kleine Veränderung“
weder erstaunt, noch sonderlich beglückt haben.

[Illustration: Die Mutter des Künstlers]

Weil uns so gänzlich alles Weihnachtliche fehlte, so fing der Vater,
wohl in der Absicht, uns dennoch etwas in Weihnachtsstimmung zu
versetzen, an, von seiner Heimat in Sörmland zu erzählen. Er erzählte,
wie ~wir~ im fünfzehnten Jahrhundert den Bauernhof „Hammarby“ gegen
„Klein-Löfhulta“ eingetauscht hatten: „Von der alten Fräulein Lillie“
sagte er so ruhig, als sei es gestern gewesen. Von wem er es selbst
wußte, weiß ich nicht. Er erzählte weiter, daß der See früher bis zu
der uralten Kirche reichte und meinte, das sei ihm auch ganz klar,
weil er einst, noch als kleiner Knabe, dort einen, in einen Stein
festgenieteten eisernen Ring gefunden habe, einen solchen, an dem
Schiffe festgekettet wurden, so daß ja als sicher anzunehmen sei, daß
unsere Vorfahren Wikinger gewesen wären.

(Diese anmutige, behende Art, seine Vorfahren anzudeuten, hat eine
gewisse Ähnlichkeit mit der grundlegenden Absicht dieses Buches. Auch
dieses soll dartun, wie beim schwedischen Bauern die Anhänglichkeit an
Heimat und Scholle zu tief wurzelt, als daß es möglich wäre, sie selbst
durch den neuesten amerikanischen Patentpflug auszuroden.)

Während er noch so halblaut plauderte, tat sich die Tür ein wenig auf,
um dann sofort wieder zuzuschlagen. Aber ich hatte doch gehört, daß
etwas hereingeworfen wurde, und meinen Augen war das Vorüberhuschen des
Rockes einer Dragoneruniform nicht entgangen.

Auf dem Fußboden lag ein kleines Paket mit der Aufschrift „Carl“ und
es enthielt ein Bonbon, ein stattliches Bonbon, ein königliches, mit
Fransen aus Seidenpapier und mit einem, in Spiralform darauf geklebten
Vers. Es war ein Begräbnis-Bonbon. Und deshalb war der Vers sehr
trostreich.

Seitdem steht der Name von Sergeant Erbsmann mit goldenen Lettern in
flammender Schrift auf der reinsten Seite meiner Erinnerungen.

       *       *       *       *       *

Und jetzt sitze ich selbst und verteile Weihnachtsgaben im eigenen
Nest. In diesem Nest, von dem ich erzählen will.

Zunächst etwas darüber, wie es mein wurde.

Vor einigen Jahren machten mein Schwiegervater und ich eine kleine
Reise nach Dalarna, um Siljan herum. Dann aber führte uns ein kleiner
Abstecher nach dem Heimatort meines Schwiegervaters, Sundborn, wo zwei
alte Schwestern von ihm in einem ihm gehörenden Häuschen wohnten.

Es war ein kleiner, häßlicher, unansehnlicher, auf einem Schlackenhügel
gelegener Bau. Man nannte ihn „Klein-Hyttenäs“, zum Unterschiede
von dem, dem Nachbarn gehörenden „großen“ Hyttenäs. -- Das bißchen
Erde, auf dem Kartoffeln gebaut wurden, war von anderswo hierher
gebracht worden, und nur eine Hand voll Lehm ermöglichte es einigen
Fliedersträuchern, den Duft und die Pracht Persiens über das Ganze
zu verbreiten. Das Hüttlein steht unweit derjenigen Stelle, wo der
Sundbornsbach eine Biegung macht, und wo er sich eine Kleinigkeit
erweitert. Ein schmaler, abschüssiger Fußpfad führt unmittelbar zum
Wasser, und dort liegt ein alter Nachen, um anzudeuten, daß hier
„der Hafen“ sei. Neun schlanke Birken hatten unaufgefordert in der
Schlacke Fuß, d. h. Wurzeln, gefaßt und sie machten in der Tat nicht
den Eindruck, als litten sie hier unter Langerweile. Auch den beiden
Alten konnte man keine Not ansehen. Zwei Muster von Ordnung. Und hatten
doch nicht mehr, als sie so gerade zum Leben brauchten. Im Hause war
alles sauber und nett. Die Möbel vom einfachsten Schlage, altmodisch
und haltbar, ein Erbstück ihrer Eltern, die auf einem Gut in der Nähe
gewohnt hatten.

[Illustration]

An dieser Stätte überfiel mich das herrliche Gefühl der
Abgeschiedenheit vom Lärm und Getriebe der großen Welt, so, wie ich es
nur einmal vorher empfunden hatte. Und das war in einem ~französischen~
Bauernhof gewesen.

Als mein Schwiegervater mir daher vorschlug, mir im selben Dorf ein
nicht zu großes Gut zu kaufen, lehnte ich mit absoluter Bestimmtheit
ab, und begründete das, indem ich ihm erklärte, daß sich nur etwas, was
diesem kleinen Idyll gleiche, für einen Künstler eignen würde.

Einige Jahre später starb die eine der Schwestern. Die andere mochte
nicht allein so einsam wohnen bleiben, und da erinnerte sich mein
Schwiegervater meiner damaligen Äußerung, und schenkte mir das Haus mit
allem, was darin war.

Dafür soll er bedankt sein! Es tut mir in der Seele leid, daß dieser
Ehrenmann starb, ehe er sehen konnte, wieviel Segen seine Gabe brachte.
Denn sie hat viel zu unserm Glück beigetragen. Dort ist gezimmert und
gemauert worden, jeden Sommer, soweit die Zeit und der Geldbeutel es
zuließen. Meine Arbeit floß so leicht, ich hätte fast gesagt im Takt
mit den Axtschlägen und dem Hämmern der Zimmerleute aus dem Dorf. Jedes
Brett, jeder Nagel, jeder Wochenlohn kostete mich einen kummervollen
Seufzer, aber ich dachte, kommt Zeit, kommt Rat. Das Haus ~mußte~ ich
so haben, genau so, wie ich haben ~wollte~, sonst hätte ich mich nie
darin wohl gefühlt, und daß meine Arbeit darunter hätte leiden müssen,
war mir klar.

Das Ergebnis dieser Umgestaltung meiner Hütte ist es, welches ich Euch
zeigen will. Euch, die Ihr zum Teil größere Landhäuser besitzen möget
als ich. Zum Teil vielleicht auch nur Luftschlösser. Es geschieht nicht
in eitler Absicht, zu zeigen, wie ich es habe, sondern weil ich meine,
hierbei so verständig zuwege gegangen zu sein, daß es, wie ich glaube,
als -- soll ich riskieren, es geradeaus zu sagen? -- ~Vorbild~ dienen
könnte -- (so, jetzt ist es raus!) für Viele, welche das Bedürfnis
haben, ihr Heim in netter Weise einzurichten.

Hier ist es, ein Haus, welches nicht viele Taler wert war, und dessen
Möbel noch wertloser waren. Die „Renovierung“ (klingt das nicht
großartig?) wurde durch geradezu lebensgefährliche Hiebe auf das
jährliche Einkommen -- welches mitunter so, manchmal aber auch anders
war -- bestritten.

Und jetzt ist die Hütte fertig -- glaube ich.

       *       *       *       *       *

Wenn Du dieses Hauses Schwelle betrittst, bist Du bei glücklichen
Menschen. Sonst ist nichts Merkwürdiges hier, außer der Hütte selbst.

Der liebe Gott hat mich in reichstem Maße mit den guten Gaben des
irdischen Lebens gesegnet. Meine Frau ist sicher einer von seinen
Engeln, der meinetwegen soweit irdisch wurde, als erforderlich ist,
um einem einfachen Haushalt vorzustehen und dafür zu sorgen, daß die
Kinder ordentlich und sauber sind.

Doch, wenn sie, Karin, in später Dämmerstunde in einer Ecke kauert, und
kaum ~mehr~ von ihr zu erkennen ist als die runden, träumenden Augen,
welche still, aber tiefernst zu mir herüberblicken, so voll von ewiger,
unveränderlicher Liebe, da ... da stürze ich zu ihren Füßen, berge
meinen häßlichen, kahlen Kopf in ihren Schoß und fühle, wie ich mit ihr
fortschwebe, still und sanft, in reine Luftschichten, in Gefilde, wo
nur Friede herrscht, wo das Grün im hellsten Schimmer steht, wo eine
Silberflut durch die herrlichste Landschaft flieht, wo die Luft nicht
durch die ~Sonne~ erwärmt und erleuchtet wird, sondern durch Gottes,
des Vaters strahlendes Lächeln.

[Illustration: Karin.]

Da wandern selige Geschöpfe in unschuldsvoller Nacktheit, schön und
rein, wie die Blumen. Bei diesem oder jenem glaube ich irgend etwas
wiederzufinden, irgend einen Zug, etwas, ich weiß nicht was, was ich
glaube gesehen zu haben bei ... Ist es nicht? ... Ja ... nein .:: wie
eigentümlich!

Die wunderbarsten Akkorde ertönen, die diese Gestalten bald zum
Lächeln, bald zum Weinen bringen. Mitten in dieser Glückseligkeit sehen
wir sie zu uns herabsinken und ihre Blicke fragen: „Woher? Daher? Wir
waren so grenzenlos unglücklich dort, wo nur Haß und Bosheit regieren!
Oder zehrende Langeweile! Und ihr, ihr lächelt das Lächeln der Seligen?“

Karin, deren Augen auch ~reden~ können, war gerade im Begriff, etwas zu
antworten, worüber ich mich sicher gefreut, und was mir geschmeichelt
hätte, als ein durchdringendes Heulen aus dem Jammertal uns rasch in
die gute Stube zurückrief. Es war Kersti, unser jüngstes Kind, die wild
schreiend hereingestürzt kam.

Da war irgend etwas, was sie haben ~wollte~. Ob es der Mond oder ein
Stück Zucker war, weiß ich nicht mehr, nur, daß Karin das Gör in
die Küche warf, „bis sie wieder lieb wäre“. Brita, die diese Strafe
grauenhaft fand, heulte. Und Lisbeth kam herein, Laute von sich gebend,
die nie enden zu wollen schienen. Bei Suzanne, die auch nur ein Mensch
ist, tropften schwere Tränen auf die Schürze herunter, Ulf schluchzt
nun ein für allemal ohne Grund und Ursache, und Pontus, der keine
richtigen Tränen herausbringt, schneidet Gesichter -- in einer höchst
unangenehmen Weise. Mitten in diesem ganzen Elend geht Lisbeth in die
Küche heraus, kommt mit Kersti an der Hand zurück, und führt sie mit
festem Schritt und den Blick streng und resolut auf uns gerichtet, zu
ihrem Platz am Eßtisch.

[Illustration]

Es war nämlich Abendbrotszeit. Niemand wagte, die Sache weiter zu
berühren -- denn Lisbeth ist ein Charakter. Nach kaum fünf Minuten
strahlt die ganze Familie in Glück, Friede und Einvernehmen. Kersti
fragt, ob Papa ein von ihr gedichtetes, schönes Lied hören will,
ähnlich wie sie immer zu dichten pflegt:

    „Und der Kuckuck er ruft,
    auf der Wiese so blau.“

Jetzt küßte ich Karin vor all den Gören. Mögen sie denken, was sie
wollen.

       *       *       *       *       *

Einst sagte ich in einem verzweifelten Augenblick meines Lebens zu mir
selbst: „Es muß doch spaßhaft sein, weiter zu leben, um zu sehen, wie
es später wird.“

Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen.

Als ich einst einem guten Freund, Kamerad und ehemaligen Schüler die
Bilder dieses Buches zeigte, sagte er: „Du hast das Rätsel des Lebens
gelöst!“ Das verstand ich nicht sogleich, aber einige Jahre später
schlug ich mir mit der Hand vor den Kopf und sagte: „Ja, das hab ich!“
Und zwar als ich mich verheiratete!

Wenn -- o, möge es so werden! -- die verheirateten Leute ein klein
wenig Freude an diesem Buche haben, so soll es andererseits den
Unverheirateten zum großen Nutzen dienen!

Junggeselle! Es gilt das Leben! Löse eine Fahrkarte nach Falun. Dort
wirst Du von Johann und meinem kleinen wohlgenährten „Braune“ abgeholt.
Nachher darfst Du ganz ungestört in meiner ländlichen Equipage
sitzen und Dich der schönen Landschaft von Dalarna erfreuen, die Du
durchfährst. Da die Fahrt wenigstens ein und eine viertel Stunde
dauert, hast Du Zeit genug. Du darfst Dich mit Johann unterhalten und
erfährst, daß Du „Sveden“ berührst, den Ort, wo Svedenborg geboren
wurde, und wo Linné seine Hochzeit mit Sara Morea feierte. Dann fährst
Du hinauf und herunter über ein paar langgestreckte Hügel, und wenn Du
ein praktischer Mann bist, so wirst Du Dich über die gut gepflegten
Wälder freuen oder darüber, wie gleichmäßig und schön der Hafer steht.
Bist Du aber eine gefühlvolle Seele, so luge hinein zwischen die
Baumstämme und erfrische Dein an Staub gewöhntes Auge, indem Du Dir den
mit weichem Moos bewachsenen Waldboden ansiehst, auf dem die kleinen
Elfen sich tummeln und tanzen zwischen dem Preißelbeerkraut und den
Waldblumen. (Dies aber geschieht erst spät am Tage.)

Dann kommst Du (vorbei am Krokfors -- dem Anwesen, auf dem die letzten
drei Generationen der Vorfahren meiner Frau lebten --) zum Bach
herunter, der Dir murmelnd zuruft: „Eile Dich doch, sie warten auf Dich
mit dem Essen.“

Endlich poltert der Wagen über die Brücke in das Kirchdorf Sundborn.

Unter Euch braust der Fluß, der die Holzflöße nach Korsnäs und Runn
herunterbringt.

Der Wagen holpert herein zwischen altem Gerümpel und dampfenden
Düngerhaufen, über des Nachbars Hof durch die kleine grüne
Gartenpforte, die Hühner, halb besinnungslos, aus ihrem Mittagsschlaf
aufschreckend.

Johann hält vor der Veranda, wo Kapo, der Ordnung halber, etwas knurrt,
aber Euch gleich den Rücken kehrt, um seinen Freund Braune zu begrüßen.
Dann machst Du es genau so, wie alle andern Leute, anstatt uns zu
umarmen, stehst Du und begaffst die Wandmalereien über dem Schrank,
worin die Feuerspritze verborgen ist, und mit mildem Gesichtsausdruck
liest Du den lieblichen Vers über der Haustüre:

    „Sei willkommen, Lieber Du,
    Bei Carl Larsson und seiner Fru!“

       *       *       *       *       *

Nun gehst Du in einen kleinen Vorplatz hinein, wo es Dir kaum möglich
sein wird, zwischen all den Kindersachen einen Haken ausfindig zu
machen, auf dem Dein Überzieher Platz hätte. Wirf ihn Helena zu, sie
wird ihn Dir irgendwo hinlegen, wo Du ihn nie wiederfindest.

Du wirfst einen Blick auf Dein angenehmes Gesicht im Spiegel,
„striegelst“ Dein Haar mit der Bürste, und entledigst Dich durch
Stampfen des äußerlichen Schmutzes dieser sündhaften Welt. Du wählst
eine der drei Türen. Natürlich die, die zum Eßzimmer führt. Du
machst sie auf und begegnest einem „Gottes Friede“, das an der Wand
geschrieben steht.

Durch die Glastüren des Schrankes siehst Du all das Tischgerät blinken
und strahlen. Auf dem Büfett stehen Reihen von Flaschen und Krügen, die
eine Auswahl Deiner Lieblingsgetränke enthalten. Karin kann dies nicht
leiden, aber ich finde immer, daß es so gediegen und solide aussieht.
Über dem Schrank hängen drei Teller, bemalt von Liljefors und Kreuger.

Jetzt ist der Tisch gedeckt, die Kinder stehen ungeduldig wartend
hinter den Stühlen und Dein Platz neben mir auf dem Sofa erwartet Dich.

Ulf betet salbungsvoll (wir glauben, daß er mal Prediger wird):

„Gott, gib jedem Kinde seine Nahrung, fleißigen Männern und Frauen
ebenfalls!“

Da Du ein sehr fleißiger Mensch bist, so ißt Du dementsprechend. Und
darüber freuen wir uns alle. Du genießest, was das Haus zu bieten
vermag, und obwohl dieses oder jenes anders ist, als Du es gewohnt
bist, läßt Du es Dir gut schmecken, und daran tust Du recht. Jeden
Sonntag essen wir zum Frühstück sogenannte „Flottmölja“, hier in
Dalarna ein allgemein bekanntes Gericht, bestehend aus in Milch
gekochtem „Knäckebröd“, gemengt mit einer Sauce aus Ziegenkäse und
Gott weiß, was die Köchin alles hineingetan hat. Als Fleisch ißt man
gebratenen Speck dazu oder ebensolchen grünen Hering.

Aber es kann auch sein, daß man Dich mit einem Essen anzuführen
versucht, welches auf italienische Manier zubereitet ist. Dieses
lernten die Frauen von der Signora Bellio, als sie sich mal einige
Wochen hier oben bei uns ausruhte. Und Du bekommst Zwiebeln zum
Hammelbraten auf französische Art. Du darfst Gesichter schneiden so
viel Du Lust hast, aber muckse Dich nicht! Bei uns ~sollst Du unser~
Essen haben. Damit basta! Ich war kürzlich bei einem sehr netten
jungverheirateten Ehepaar eingeladen; bei dem Abendessen hörte ich
jemand sagen: „Es ist keine Frage, daß die junge Frau gut kocht, wenn
sie bloß die verwünschte Muskatblüte weglassen möchte beim Spinat.“
Nein sie ~soll~ gerade dies Gewürz in ~ihrem~ Essen haben, ebenso
wie sie in allen andern Dingen ihren eigenen Geschmack haben sollen,
geradeso, wie ihr eigenes Wesen, so daß man auch merkt, daß man bei
~ihnen~ ist. Nur wenn das Essen nicht sauber oder nicht mit Sorgfalt
zubereitet ist, oder nicht mit einem freudigen Herzen dargeboten wird
--, dann darfst Du Dich beschweren.

Übrigens -- da von Essen und Trinken die Rede ist: -- fanden wir
da kürzlich ein altes Buch mit dem schönen Titel „Adelige Übungen,
viertes Heft, mit dazugehörigen Kupferstichen, gedruckt in dem Sal
der Königlichen Buchdruckerei. Niclas Wankyfs Druckerei. Anno 1690“.
Darin stehet zu lesen: „~Usus Globorum~, das heißt: Den Nutzen, den
man von den Globen in der Astronomie und der Geographie hat: Von
Skantz Oeconomia oder Wirtschafts- und Landwirtschaftsbuch: Ärztebuch,
Gartenbuch und zuletzt Kochbuch.“

Karin beabsichtigt, Dir nach einem Rezept des letzteren ein Gericht zu
kochen. Das Rezept ist folgendes:

„~Kraft-Brühe.~ Nimm 3 Rebhühner, 2 Kapaune, das Viertel eines Schafes,
eine Kalbskeule, schneide von allen das Fett ab, zerschlage die Knochen
der Vögel, lege alles zusammen in eine Zinn- oder Kupferflasche, ohne
irgendwelche Flüssigkeit, tue den Deckel fest darauf und verklebe ihn
mit Brotteig. Laß das Ganze in einem Kessel voll Wasser kochen, sieh
aber zu, daß der Deckel der Flasche nicht ins Wasser kommt. Wenn man
nicht alles verderben lassen will, nimm die Flasche heraus, wenn es 12
Stunden gekocht hat, siebe es durch ein Leinentuch und drücke den Saft
gut aus.“

Karin meint, daß es im ganzen einen Teller Suppe geben wird: aber wenn
Du diese Suppe erst verzehrt hast, denke ich, wirst Du heben können,
was Du willst, wenn es auch noch so schwer wäre. Sicherlich wirst Du
leise in das Tischgebet einstimmen:

    „~Gestärkt~ verlasse ich den Tisch,
    hab’ Dank, o guter Vater.“

[Illustration]

[Illustration: =Apfelblüte.=]

[Illustration: =18 Jahre!=]

[Illustration]

       *       *       *       *       *

Wenn die Kinder im Bett waren und die Dienstmädchen sich auf ihr
Kämmerchen neben der Waschküche verzogen hatten, pflegten Karin und
ich uns im Eßzimmer besonders wohl zu fühlen. Ich las ihr etwas vor,
während sie die Löcher und Risse flickte, die im Laufe des Tages in
den verschiedenen Kleidungsstücken der Gören entstanden waren. Jetzt,
seitdem ich ein gar zu unwohnliches Garderobenzimmer zu einer Art
Atelier umgemodelt habe, sitzen wir meistens dort. Es liegt in einer
Reihe mit den beiden Schlafzimmern, und von da aus kann Karin ihre
Kleinen hören, wenn sie aufwachen und eines beruhigenden Wortes, eines
Kusses oder einer Abreibung bedürfen, sofern ihnen zu heiß ist, um
einschlafen zu können.

An den sonnigen, regenfreien Tagen essen wir unter der großen Birke
hinter dem Wohnhaus. Weißt Du, diese Birke ist das schönste von allem!
Wenn dieser Baum nicht wäre, hätte die ganze Besitzung gar keinen Wert
für mich. Er gibt einen so herrlichen Schatten, und es ist dort gerade
so ein ganz klein wenig zugig, so viel, daß sich weder Mücken noch
Motten dort wohlfühlen.

Die Manieren sind dort noch ungezwungener, und die Kleinen mit den
bloßen Füßchen verzehren dicke Milch mit einem Eifer, der himmlisch
ist. Und wie sie sich unterhalten und herumtummeln! Wenn Karin jemand
klar machen will, wie wundernett es ist, sich mit der munteren Schar
abzugeben, pflegt sie mit leuchtenden Augen, voll Überzeugung zu sagen:
„Es macht viel, viel mehr Spaß, als ins Theater zu gehen!“

Als ich heute mit hausväterlicher Würde zwischen ihnen saß und so
erbaulich wie möglich versuchte, ihnen auseinanderzusetzen, daß es
Gottes Fügung war, daß der einfache Soldat Bernadotte aus Pau König
von Schweden und Norwegen wurde, und daß dies sicher auf einem Blatt
im Buche des Schicksals vorher bestimmt gewesen sei, sagte Lisbeth mit
einer unnachahmlichen Schulterbewegung: „König? Ah, man verheiratet
sich ganz einfach mit einer Prinzessin und die Sache ist fertig!“

Es ist ja gewiß recht dumm, aber man muß darüber lachen. Und so sind
sie immer. In der Schule fragte der Lehrer, was man unter „Schmarotzer“
verstehe -- nach meiner Ansicht nichts, was man den Kindern
beizubringen braucht! -- Keiner in der Klasse konnte diese Frage
beantworten, außer Pontus, der einen Finger hochhielt (das Schäfchen)
und sich dann äußerte: „Ja, das sind solche, die immer im Sommer zum
Besuch kommen, wenn man auf dem Lande wohnt“ ... Als mir dies erzählt
wurde, lachte ich wahrlich nicht.

Ein anderes Mal gab Lisbeth folgendes zum besten: „Ich hatte gestern
Namenstag und ~Pontus~ heute, wir sind beinahe Zwillinge.“

Also -- um auf meine Hütte zurückzukommen, können wir ja auch so tun,
als wäre draußen ein Platzregen und wir müßten in der „guten Stube“
Kaffee trinken.

Diese Stube ist der Tempel der Faulheit.

Hier auf dem Sofa hat vorhin ein Mann seine vor Faulheit gebrochenen
Glieder ausgestreckt und sowohl seinen Körper als seinen Geist in
wonnigem Nichtstun gedehnt; und dieser Mann schämt sich jetzt, hier
einem -- nehmen wir an -- ~großen~ Publikum solches zu beichten.

Es ist mir wahrlich, wenn die Gewissensbisse zuweilen sehr schlimm
sind, ein großer Trost, zu wissen, daß mein Hund ~noch~ fauler ist als
sein Herr.

Außer der Faulheit und der Treue teilt er mit mir noch eine
Eigenschaft, nämlich seine Vorliebe für Hühner. Er kann kein Huhn
sehen, ohne sofort hinter ihm herzulaufen, und trotz meiner energischen
Kommandorufe, welche meine ganze Willenskraft und meinen vollen Zorn in
sich vereinen, ist das Huhn mit einem Biß ins Jenseits befördert. So,
als hätte es nie existiert.

Ich versuche jedesmal, ihm die Untugend durch eine gehörige Tracht
Prügel auszutreiben. Aber es hilft nichts. Da sagte mir so ein Weiser,
wie sie uns mitunter auf unserm Lebenspfade begegnen, daß es nichts
leichteres gäbe, als dem abzuhelfen.

„Binde dem Hund das totgebissene Huhn um den Hals, und wenn es da
gehangen hat, bis es anfängt, übel zu riechen, da, glaube ich, hat der
Hund für alle Zeiten den Geschmack an Hühnern verloren.“

Kaum war der Rat erteilt und von mir angenommen, als ich die wilde Jagd
in Hauptmann Linderdahls Hühnerhof hörte. Es war ein außerordentlich
fettes, gesprenkeltes Huhn, welches sein Leben hatte hergeben müssen.
Ich befolgte den Rat des Weisen, und führte das arme Hundevieh so
ausgestattet an einer Kette durch das ganze Dorf. Hin und wieder gab
ich ihm einen kleinen Hieb, um ihm meine Absicht begreiflicher zu
machen.

Etwas so Jämmerliches sah die Welt noch nie. Die ganze Bevölkerung
war Zeuge dieser schandbaren Prozession. Das Huhn zwischen den
Vorderbeinen, mit eingezogenem Schwanz und düsterem Blick, so wurde der
Hund vorwärts getrieben. Das Jungenspack jubelte. Mein Herz krümmte
sich. Endlich, zu Hause angelangt, wurde er an die Kette gelegt.

Als ich nach einer Weile herauskam, um mich voller Grausamkeit in aller
Stille an seiner Schmach zu weiden ... war das Huhn bis auf den letzten
Rest verzehrt, und Kapo kam auf mich zu voller Dankbarkeit, mit dem
Schwanze wedelnd, um mir verständlich zu machen, wie ~ausgezeichnet~
ihm das Huhn geschmeckt habe.

Du reizender Kapo! Du verwöhnter Liebling der Familie!

[Illustration]

       *       *       *       *       *

Da Suzanne gerade im Salon ist bei ihren geliebten Blumen, nehme ich
die Gelegenheit wahr, eine oft an mich gerichtete Frage zu beantworten,
nämlich die, ob meine Kinder „Talente besitzen“. Gar keine! Sie sind,
Gott sei Dank, so wie die Leute im allgemeinen. Anfangs glaubte man,
daß Suzanne eine Künstlerin werden würde. Diese Meinung kam auf,
nachdem sie dieses und ähnliche Bilder vollbracht hatte:

[Illustration]

Seitdem haben alle die andern Kinder auch Figuren gezeichnet, und immer
sollten sie Papa und Mama vorstellen.

Als ich klein war, zeichnete ich nur Offiziere und Birnen, das war wohl
das, was mir am besten gefiel. Und mit diesem Fünkchen Talent habe ich
es allmählich soweit gebracht, daß ich richtige Bilder male, die mir
meine Freunde abkaufen.

       *       *       *       *       *

Bitte, sei so gut und tritt näher in mein Atelier! Wenn ich jemand da
hineinkomplimentiere, so geschieht das nur aus purer Höflichkeit und
mit dem geheimen Wunsch, daß Betreffender irgend einen Grund finden
möge, dieser Einladung ~nicht~ Folge zu leisten.

Denn es ist für beide Teile angenehmer, wenn ich bei der
Atelierbesichtigung nicht zugegen bin, damit die Leute ungestört und
nach Herzenslust darin kritisieren können. Sie dürfen meinetwegen
herzlich gern „finden“, so viel und was sie wollen.

Es ist unmöglich, allen zu gefallen. Wer ~den~ Versuch macht, der
gefällt keinem, schrieb mir mal der selige Professor Scholander.
Also, Du wirst mir eben so lieb sein, auch wenn Dir meine Kunst kein
Vergnügen bereitet, aber sei um alles in der Welt nicht ~bös~, weil ich
nicht ganz nach Deinem Geschmack malen kann; -- so etwas war auch schon
da. -- Denn dann finde ich, daß Du ein wenig dumm und sehr ungerecht
bist.

Zurzeit ist es kein Risiko, einen Blick hineinzuwerfen. Es steht
weiter nichts drin als eine alte Studie von Lisbeth und eine Skizze zu
einem der Wandgemälde für die Mädchenschule in Gotenburg. Es ist die
alte Anna, die dort als Modell für eine Hausfrau aus dem fünfzehnten
Jahrhundert sitzt.

Die Anna gehört nicht zu meinen Verehrerinnen, sie findet, daß ich sie
so alt „abmale“: und sie ist doch ~nur~ neunundsechzig Jahre alt (wie
sie sagt).

Ihr verdanke ich die Entdeckung, daß die Hütte ihr Gespenst hat.
Eigentlich muß man Kapo die Ehre dieser Entdeckung lassen. „Denn die
Tiere sehen, was unseren Blicken verborgen ist,“ so sagt wenigstens
Anna. Während der langen Wintermonate, die wir in Stockholm verbringen,
wird die Hütte von Anna und Kapo versorgt und bewacht. Eines Nachts
fuhr Kapo aus dem Schlaf, zitternd, bellend und winselnd, und das,
was die Alte da über den Fußboden schreiten sah --, ja, das war das
Gespenst der Hütte! Jetzt kennt und weiß es die ganze Gemeinde; und hat
seitdem um die Weihnachtszeit, während der wir stets in Sundborn sind,
irgend einer der Dorfbewohner etwas bei uns zu suchen, so benutzt er
sicherlich die kurze Zeit am Tage, wo es noch hell ist, um die Hütte
nicht nach Eintritt der Dunkelheit betreten zu müssen.

Ja, auch ich habe das Gespenst wohl bestimmt ~gehört~. Aber ~gesehen~
hab’ ich es nie.

Als ich meinen Kindern einmal erzählte, daß es aussehe wie eine alte
magere Frau, in einer Mütze mit langen Bändern unter dem Kinn -- uhh
-- mit, man weiß nicht was -- uuhh -- in ihrer gestreiften Schürze, da
schrieen sie mir alle, wie aus einem Munde entgegen: „Nein, so sieht
es ganz und ~gar nicht~ aus. ~Es ist ein schwarzer Mann mit glühenden
Augen!~“ Ich muß wirklich gestehen, daß ich mich furchtbar schämte
darüber, daß ich so wenig über das Aussehen meines eigenen Gespenstes
orientiert war! Meinetwegen darf es ja freilich aussehen wie es will;
ich sage nur, „Gott segne es, weil es so viel dazu beigetragen hat, die
Poesie der Hütte zu erhöhen“.

Aber, wir wollten uns ja im Atelier umsehen: Du siehst einen alten
gestützten Tisch, der einige Jahrhunderte hindurch wohl noch ausreichen
wird. Auf dem kolossalen, alten Lehnstuhl dort, der sicherlich
wenigstens zwei Jahrhunderte hinter sich hat, habe ich gesessen und
alle die Bilder gezeichnet für „Sehlstedts Lieder“ und Victor Rydbergs
„Singoalla“. Er leistet einem ordentlich Gesellschaft, denn er spricht
und räsonniert während der ganzen Zeit, die man dasitzt, vor sich hin.
Er hat die gleichen Eigenheiten und Manieren, wie die meisten Alten.

„Du warst ein Windhund und Durchgänger, Carl Larsson,“ sagt er, „glaube
nur, ich weiß schon Bescheid über Deine Vergangenheit. Du bist ein
ganz verwöhnter Schlingel, der immer gelobt wurde, statt etwas auf
die Finger zu bekommen. Und wie unverschämt Du ältere Leute wie mich
behandelst! Es geschieht Dir ganz recht, wenn Du jetzt getadelt wirst,
gerade, wenn Du ~versuchst~, etwas Ehrbares aus Dir zu machen. Und
jammerst Du auch etwas, so verringert das doch keineswegs Deine große
Schuld. Sei dankbar für die Schläge, Tunichtgut!“ ...

Ho, ho, ist das ein alter Nörgler. Mitunter wird er so unangenehm, daß
ich fortgehen muß. Dann wird er ganz still und verlegen. Im Grunde
genommen mag er mich wohl doch ganz gern leiden. Das habe ich gemerkt,
wenn ich zuweilen in einem Augenblicke tiefsten Mißmuts meinen Kopf an
seine eine Seitenlehne legte, denn da fühlte ich es so weich und sanft.
Und deutlich hörte ich ihn dann murmeln: „Weine Dich ruhig aus, mein
Junge, aber nimm Dich in acht, daß es niemand merkt!“

Vielleicht ist es unfein von mir, das Verhältnis zwischen dem alten
Lehnstuhl und mir der Öffentlichkeit preiszugeben. Aber nein, wieso!

Am Paneel läuft ein Wandfries entlang, der das Leben des Erlösers
darstellt. Es ist ein im vorigen Jahrhundert gemaltes Bauerngemälde
aus der Provinz Halland. Alle Personen außer Christus selbst, in
der damaligen Tracht jenes Landes. Es besitzt dieselbe ursprüngliche
Naivität und Grazie wie Giottos Fresken, aber für mich hat es ein weit
höheres Interesse.

Diese schwedischen Bauernmaler aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts
sind es, die mir, ich gestehe es offen ein, als Vorbild dienen. Denke
zum Beispiel an die alten Gemälde, die man in den Bauernhöfen hier
in Dalarna oder in Norrland findet. So ein tiefes, ernstes Gefühl,
gepaart mit einem so drastischen, gesunden Humor. Und welch’ nationales
Stilgefühl! Sie sind für mich ein weit kostbarerer Schatz, als es die
Erzgrube von Gellivara jemals für jemanden werden kann.

So, jetzt machen wir kehrt. Du wunderst Dich über die hohe Säule an
dem Sofa. Das ist mein Farbenschrank, richtig schlau eingerichtet,
mit Fächern und Namen der Farben versehen; obendrauf sitzt ein Mann,
nach meiner Zeichnung von Tischlermeister Bergström ausgesägt. Auf die
Schiebetür habe ich mein Teuerstes (~meine~ Karin) gemalt.

Seit einiger Zeit bin ich damit beschäftigt, mir einen richtigen,
großen Kasten von Atelier zu bauen, mit Nordlicht und viel Platz, damit
man sich ordentlich darin bewegen kann. Seitdem nun dieses seiner
ursprünglichen Bestimmung entzogen ist, nennt man das neue nur noch
~das~ Atelier. Das, in dem wir uns jetzt befinden, hat nach und nach
einen ganz anderen Charakter angenommen und ist der Arbeitssaal der
Kinder geworden. Die Jungens hobeln und hämmern, und Suzanne webt darin.

Hier pflegen wir den Weihnachtsheiligabend zu feiern. Und dann ist hier
echte Weihnachtsstimmung, mit den beiden Alten und all den Kindern und
den netten Dienerinnen und dem braven Johann. Und hier sitze ich wie
ein Patriarch und verteile alle „Julklapps“. Von allen für alle. Im
Kamin knistert und knastert das lange Klafterholz, und mitten im Saal
steht die schönste der Tannen, die wir am Morgen aus dem Walde geholt
haben.

Du herrliches Weihnachtsfest hier oben im hohen Norden. Wie rein und
heilig du bist!

[Illustration]

       *       *       *       *       *

[Illustration]

Übrigens bei dieser kleinen Vignette will ich Dich einen Augenblick
mit hinausnehmen auf den Hof. Da war, als wir hierher kamen, nicht
viel Grünes zu sehen. Aber ich schaffte die Schlacken hier und da
beiseite, kaufte gute Muttererde, womit ich die Gräben ausfüllte, und
setzte Pflänzlinge von Birken, Linden, Kastanien, Weiden, Weißdorn,
Berberitzen und anderen „dummen Ziersträuchern“, Erlen, Holunder,
Faulbaum, Espen, ja sogar Eichen, Apfelbäume, Jasmin, Rosen, Stachel-
und Johannisbeersträucher, eine kleine Fichte und eine kleine Kiefer.
Diese kleine Zeichnung stellt die zuletzt genannte dar, wie sie im
Winter aussieht, geschützt durch einige lange Klafterhölzer. Alle sind
gut gediehen, nur diese eine nicht. Sie steht jetzt im achten Jahr und
lebt ihr kleines, elendes Leben, aber sie ist mein liebstes Kind. Jeden
Morgen besuche ich sie zuerst, um zu sehen, ob sie nicht über Nacht
etwas gewachsen ist.

       *       *       *       *       *

Anna und die Köchin sind zwei Potentaten, denen es schwer wird, sich
unter einer Decke wohlzufühlen. Unter der Küchendecke nämlich.

Die Alte will im Winter dort in der Wärme wohnen, und wenn ihr Bett
herausgeschleppt wird und Emma hineinzieht, wird es ihr jedesmal von
neuem schwer. Darüber sind sie sich aber einig, daß die Küche der
einzige, noch „vernünftige Raum“ im Hause ist. Diese Küche ist nämlich
außerordentlich stillos, aber sauber und für ihre Zwecke einigermaßen
gemütlich geordnet. Eines Winters sollte während unserer Abwesenheit
etwas renoviert werden, da nahmen sie die Gelegenheit wahr, den alten,
aus gewaltigen Steinblöcken gemauerten Herd beiseite zu schaffen, um
statt dessen diesen lächerlich-jämmerlichen Eisenkasten hinzustellen,
geschmückt mit Ornamenten, schaurigen, gefühllosen Schnörkeln, und
(-- schöner Gedanke, woher bekamst du ihn, du Bosinders Mechanische
Werkstatt?) -- Thorwaldsens „Nacht!“

Diese Eisenblechbepanzerung statt des alten, gemauerten Herdmantels!
-- Zuerst, als ich diesen Vandalismus entdeckte, war ich alles andere,
als gut gelaunt. Um die heiligen Steine des Herdes zu retten, baute ich
aus ihnen zwischen zwei Kirschsträuchern im Garten eine Bank und einen
Tisch, wo wir im Sommer unsern Nachmittagskaffee zu trinken pflegen.

In der Küche seht ihr meine älteste und meine jüngste Tochter mit
Buttern beschäftigt. Denke mal an, wie gut für Suzanne, Kerstis sichere
und feste Unterstützung zu genießen! Willst Du wissen, wie das kleine
Kätzchen heißt? Es heißt Hans.

[Illustration]

[Illustration: =Das Frühstück der Siebenschläferin.=]

[Illustration: =In der Küche.=]

[Illustration: Lebende Bilder.]

       *       *       *       *       *

[Illustration]

Die entzückendsten Szenen aber spielen sich im Schlafzimmer der Kinder
ab. Karins Vergleich mit dem Theater war kein Zufall.

Über dieses Zimmer äußerte sich einst Tante Emmy, als ich (um mehr Luft
zu bekommen) das feine platte Dach herunter gehauen, ein Seitenfenster
zugebaut, kleine Fensterscheiben in der Vorderwand angebracht und die
fast neuen Tapeten mit einem weißen Anstrich versehen hatte, daß ~sie~
auf keinen Fall in einem solchen Gefängnisloch schlafen möchte.

Nein, Tantchen, wiederhole das nicht noch einmal!

Ihr seht doch, daß es auf dem Bilde ein Sonntagmorgen ist. Es heißt, es
~wurde~ ein solcher. Mein geliebtes Weib war soeben nach einer schweren
und ernsten Krankheit vom Tode errettet. Sie hatte die Kinder wieder
zu sich hereinbekommen; und da so alles wieder Glück und Freude war,
verbreitete dieser Glücksschein seinen goldenen Schimmer sowohl über
die Kinderschar wie über die Wände und die Decke.

Das leuchtet Euch doch gewiß ein.

[Illustration]

       *       *       *       *       *

Unter der Hütte hausen Ratten und eine Ameisengemeinde. In der
Dielenfüllung führen Bienen das Regiment. Ihren Ein- und Ausgang
bewerkstelligen sie dadurch, daß sie zwischen zwei Wandbalken hin- und
herlaufen.

Gleich nach unserer Übersiedelung nach hier hing ich drei Starenkästen
in die Bäume, und sehr bald war der in der großen Birke von einem
Starenpaare bevölkert. In zwei von den Kästen nisten zu unserer
Freude diese netten Vögel regelmäßig im Frühjahr. Den dritten hat
Sperlingspack erobert.

Wo aber die Fledermäuse hausen, die abends um unsere Hütte flattern,
weiß ich nicht.

Ich wußte nicht recht, wo ich diese Zeichnung hinbringen sollte,
aber mein Lieber, Du gestattest, daß ich sie hier einschiebe. Sie
stellt meine Frau dar, wie sie mir die Haare schneidet da draußen
auf dem Schlackenhügel, so im Spätherbst, wenn wir nach Stockholm
zurückzukehren gedenken und ich so aussehe, daß niemand in meiner
Gesellschaft die Eisenbahn benutzen kann.

[Illustration]

       *       *       *       *       *

Eben als ich dieses schrieb, zogen Donner und Blitz über das Dorf
Sundborn hin. Es war ein richtiger Platzregen, und das war ein Segen
nach der langen Dürre. Jetzt bestrahlt die Sonne mit ihrem weichen,
warmen Glanz das nasse Laub, welches sich so schön abhebt von der noch
grollenden schweren Gewitterwolke, die noch immer hinter dem Wättberg
steht.

Ich nehme Papier, Tintenfaß und Feder mit, um unter der großen Birke
fortzufahren.

Was möchtet Ihr nun wohl noch wissen?

       *       *       *       *       *

Alle Gedenktage werden bei uns in der gleichen Weise gefeiert.
Frühmorgens, spätestens um fünf Uhr, fängt es mit Pulverdampf und
Böllerschüssen an.

Die Jungens aus Bjus und des Müllers Svea spielen auf Gitarre und Geige
das Lied vom „Neck“, welches Anna Sundin, die im Dorf die schönste
Stimme hat, mit ihrem Gesang begleitet.

Einst wurde auch ich so gefeiert an einem Olofstag. Ich war ganz
unvorbereitet, denn wer in aller Welt konnte ahnen, daß jemandem
dieser, mein überzähliger Name bekannt sei, und daher hatte ich auch
meine Gefühle nicht in eine auf einen solchen Belagerungszustand
gerichtete Stimmung versetzt. Ich heulte, und es pochte in mir vor
Bewegung, als mir eins der Kinder einen von Mama gedichteten Vers
vortrug, worin die Rede davon war, wie edel, wie über alle menschlichen
Begriffe erhaben ich sei, o ... wir wollen lieber nicht davon reden.

       *       *       *       *       *

Es ist keine Kleinigkeit, etwas über Wände, Fenster und Decken zu
schreiben. Deshalb empfinde ich es als eine Erholung, mit Dir einen
Spaziergang durchs Dorf zu machen. Wir hätten ein Stück den Bach
herunter rudern können und zusehen, wenn die Kinder baden. Da ist eine
gute Badestelle. Der Platz heißt „das Lärmeiland“ und gehört mir jetzt
als Eigentum. Seit jener Zeit, in der ich frühmorgens die Jungens
direkt aus den Betten dort hinaus mitnahm (wir ruderten hinüber --
zuerst warf ich die Kinder, dann mich selbst in die Tiefe --) ist es
die allgemeine Badestelle für die ganze Gegend. Im Sommer krabbelt und
wimmelt es da drüben den ganzen Tag von nackten schönen Gestalten. Sie
machen sich ein Sprungbrett, und es klatscht und plumpst und spritzt
hoch auf; sie klettern hinauf in die Kähne, balancieren dort einen
Augenblick, fallen pardautz ins Wasser und kommen pustend, schreiend
und lachend wieder heraus.

Und meine beiden Nachen sind während des ganzen Tages verliehen,
verliehen nach Reih’ und Ordnung an die Jungens und an die Mädels.

[Illustration]

Am 15. August fängt das Krebsfischen an. Dann ist es, als sei neues
Leben in uns gekommen. Alle Netze und Angelruten sind bereit, und wenn
die Uhr Mitternacht schlägt, rudere ich hinaus, das Wetter mag sein
wie es will, und in tiefschwarzer Nacht versenke ich die Netze in das
~noch~ schwärzere Wasser, schlafe dann bis fünf Uhr, um welche Zeit
die größeren Kinder geweckt werden; und dann ziehen wir die Netze ein,
während die Sonne wie ein ~Eier~kuchen über den Schilfwipfeln aufsteigt.

[Illustration]



[Illustration]

                                          _~Sundborn~, im Sommer 1902._

                                Karin.


Streng genommen, wäre ich vor fünfzig Jahren geboren. Aber mein
eigentliches Dasein fing im Jahre 1882 an. Denn da trafen wir uns in
Frankreich, Grèz-par-Nemours: Karin und ich.

Singdudelidudelidudelidej!

Ein lang aufgeschossener Norweger und ich lebten ein glückliches
Kameradschaftsleben, als einzige Skandinavier zwischen den anderen
Ausländern, dort in der kleinen Künstlerkolonie, als wir von Madame
Laurent hörten, daß eine Schar Malerinnen zu uns herauskommen wollte.
„Dann laufen wir weg!“ sagte ich zu Lundh; aber ~er~ wollte sie sich
erst ansehen.

Wir gingen nach dem Bahnhof, um ihnen zu begegnen. Es waren zwei
„Fuhren“. Wir begrüßten sie, und sagten einige freundliche Worte. Als
wir auseinandergingen, sagte ich zu Lundh, daß es schade sei, daß
Fräulein Bergöö eine solche Kartoffelnase habe.

Bei mir zu Hause machte ich Versuche, die senkrechte Wand
hinaufzulaufen -- und ich ~tat~ es auch.

Da wurde mir klar, daß ich in Karin Bergöö verliebt war.

       *       *       *       *       *

Darauf folgte so viel. Der Sommer verging, mit ~wenig~ Malerei, aber
viel Esserei, Tanz und ... vielem, vielem noch.

Und dann kamen die Kostüm- und Maskenfeste. Auf einem solchen sollte
der lange Lundh der „Letzte der Mohikaner“ sein. Er hatte sich zwei
Pferdeschwänze gekauft und dachte, daß diese gemeinsam mit einer
Schwimmhose und roter Farbe die Erscheinung, wie man zu sagen pflegt,
„illusorisch“ machen würde. Ich sollte den Freundesdienst der Bemalung
übernehmen. Es war Pastellmalerei.

Während dieser Arbeit vertraute mir der eingebildete Mensch an, daß die
kleine Karin Bergöö ihn angesehen habe, mit Blicken ...

Ich war gerade mit seinem Rücken beschäftigt, so daß er ~meine Blicke~
nicht sehen konnte. Jetzt bemalte ich ihn nicht länger, sondern
wechselte die Technik und ~zeichnete~ mit Kreide. Ich wählte die
blauen, weil es die härtesten waren, und drückte sie erbarmungslos
hinein in seine zarte Haut, aber dieser Teufel ertrug die Martern wie
ein echter Indianer. Nun ja, wenn sein armer Leib auch litt, was war
seine Pein gegen die Qual meiner Seele!

Immerhin muß dies meinem Wesen etwas, ich weiß nicht was, verliehen
haben, wodurch die Sache ihrem Ziele näher gebracht wurde, denn gerade
bei diesem Maskenfest bekam ich eine Ahnung davon, ~wer~ der rechte war.

Lundh war es jedenfalls durchaus nicht.

Als Karin mir einige Tage später (auf ihre niedliche Art) einen Antrag
machte, gab ich ihr mein Jawort.

Und dann malten wir die „=mère Morot=“ zu gleicher Zeit.

Die Schuppen fielen mir von den Augen! Bis dahin hatte ich keine Form
in mein sogenanntes Talent hineinbekommen, aber jetzt schuf ich, wie
ich annehme, gleich ein kleines Meisterwerk.

Denn ich erhielt einen Preis für das Bild, ein Kaufangebot vom
französischen Staat und durch Vermittelung meiner Freunde Birger und
Pauli wurde es telegraphisch an Pontus Fürstenberg verkauft.

       *       *       *       *       *

Für das Geld kaufte ich mir eine Uhr, und für das, was übrig blieb,
fuhr ich nach Hause und verheiratete mich. -- --

Karin war schon seit vielen Monaten zu Hause, um die Handtücher zu
säumen. Und da wurden wir in den Kirchen aufgeboten -- und der Freier
kam nicht. Die Frist war fast verstrichen, und es wurde fraglich, ob
das Aufgebot nicht wiederholt werden müßte.

Aber endlich kam ich in gewaltigem Staat und herrlicher Pracht, mit
goldener Uhr, blauer Weste und ebensolchen Beinkleidern.

Mein Schwiegervater, ein Kaufmann, warf mich heraus, weil er glaubte,
ich sei ein Handlungsreisender, und diese Menschensorte war ihm
verhaßt; aber ich klammerte mich fest an den Türpfosten und sagte, wer
ich sei. Ungern ließ er mich verweilen.

Wenn ich jetzt das Bild dieses jungen einfältigen Mädchens betrachte,
ist es mir unbegreiflich, wie ich mich in so eine verlieben konnte.

Aber das kam wohl daher, daß ich damals selbst noch jung und dumm war.

Gewiß hatte sie schon zu jener Zeit ein wenig Lieblichkeit an sich,
und im übrigen wählt man seinen Lebenskameraden wohl immer „nach
Gefühl“. Aber, wenn ich diese Karin mit jener vergleiche, für die ich
jetzt noch, nach fast zwanzigjähriger Ehe schwärmen kann, daß ich fast
verrückt werde: Ja dann.

Von Jahr zu Jahr wird es hiermit schlimmer.

Die Altertumsforscher verwundern sich so, wenn sie finden, daß die
von den Männern am heißesten geliebten Frauen stets im Alter zwischen
vierzig und sechzig Jahren standen.

Ich verstehe das so gut. Karin ist jetzt dreiundvierzig Jahre alt, und
wenn sie sechzig wird, ist meine Liebe wahrscheinlich lästig.

Weil dann noch die Eifersucht hinzukommt.

       *       *       *       *       *

Es ist mir doch noch in dunkler Erinnerung, daß sie niedlich war. --

Und daß ich mein junges Weib im Brautstaat auf das Fleckchen Erde
hinstellte, wo ich mich zum ersten Male im Leben glücklich fühlte, und
wo sich die ersten grünen Sprossen an der bis dahin siechen Pflanze
meiner Künstlerbegabung zeigten, in Laurents Garten in Grèz-par-Nemours
Dep. Seine und Marne, das wird Euch sicher verständlich sein.

Dorthin begaben wir uns unmittelbar nach der Hochzeit. Dort, wo ich
meine Braut in meinem eignen Reich empfing, war es wie im Märchen.
Die alten Männer und Frauen standen die Dorfstraße entlang voller
Erwartung an ihren Gartenpforten, und die Pensionäre der beiden
Künstlerpensionate mit Bewohnern aus aller Herren Länder gaben ein
großes Fest. Essen mit Tanz, Bowlen und Toaste. Spada sang: „=Ah che
dolore, ah Mama mia= ...“ und „der Sarg“ (Coffin war sein englischer
Name) röchelte: „=John Browns body lays at mouldering in the grave= ...“

Aber in der Nacht klang unter unseren Fenstern das schwedische
Quartett: „Welche Blitze aus den Augen Brunhildens ...“ und auf mir
ruhten Karins dunkle ernste Kuhaugen ...

       *       *       *       *       *

Gott gab mir mein liebes Weib Karin. Und sie gab mir die kleine
Suzanne. -- Mein Leben war jetzt ebenso licht und freudig wie der
Haarschopf der Kleinen.

In einer Ecke des Ateliers stand versteckt das Randstück eines
kassierten Bildes, welches ich einst im Verdruß in Stücke geschnitten
und unter Freunde und Bekannte verteilt hatte. Aber ein Stück behielt
ich selbst. Als bitteres Andenken. Unter anderem war ein Rokokostuhl
darauf gemalt. Darauf kleckste ich das Bild des kleinen lachenden
Würgels, festgehalten von ihrer Mutter.

So setzte ich diesen lichten Punkt auf einen Hintergrund von Sorge, als
Ausdruck jubelnden Glückes!

[Illustration]

[Illustration]

[Illustration: =Im Schlafzimmer der kleinen Mädchen.=]

[Illustration: =Das neue Buch.=]

[Illustration: Im Atelier.]



[Illustration]

                            In Paranthese.


Es ist wieder einmal Schriftstellerwetter. Zum Malen taugt er nicht,
dieser Sommer 1902. Das heißt, es geht schon stark dem Spätherbst zu.

Es gießt, und die ganze Natur macht den Eindruck einer nassen
Kompresse. Dennoch finden wir es herrlich, über die Wiesen zu wandern,
weich auf dem schwankenden Moos, wenn es unter den Füßen schwipp,
schwapp sagt. Man geht der Nase nach, den Bach entlang, man schlürft
die neblige Luft, welche anscheinend die Lungen vom Staube rein wäscht,
in sich hinein. Und, denk einmal an, keine Mücken und Schnaken, man
kann sich ganz ungestört seines Lebens freuen.

Und keine Vereine und dergleichen Überflüssigkeiten, erfunden von
dem männlichen Teil der Bevölkerung, welcher all’ dieses als Ausrede
gebraucht, um sich in Kaffeehäusern und Gasthöfen festkneipen zu können.

Jetzt werde ich die Schuhe wechseln, in die Hütte hineinschlüpfen
und von mir und den Meinen schreiben! Wenn ich doch wenigstens,
wie ein richtiger Schriftsteller, zusammenlügen dürfte, soviel ich
Lust hätte. Aber hier bin ich beauftragt, Euch alle meine kleinen
Familieninterieurs auf die Nase zu hängen. Abgesehen von der verdammten
Mühe, bedenkt doch meine persönliche Schüchternheit ...

[Illustration]



[Illustration: Ulf zu Pferde.]

                            Ulf und Pontus.


In einer Oktobernacht, nachdem ich eine Stunde geschlafen hatte, wurd’
ich um eins geweckt, und Karin sagte mit einem leidenden Lächeln: „Mein
armer Junge, ich hätte es Dir so gern gegönnt, etwas zu schlafen, aber
Du wirst wohl Madame Chose holen müssen“.

In jener Zeit arbeitete ich am eifrigsten an meinem Triptychon,
hatte Modelle für das Gemälde von früh 8 Uhr bis nachmittags 5 Uhr,
und für die Skulpturen von 8 bis 12 Uhr abends, so daß ich wirklich
abgearbeitet war.

Aber dieses war doch ein Beweis dafür, was für eine tapfere Seele meine
Frau ist, und das wollte ich hier nicht unerwähnt lassen. Eine Stunde
später fand sich der Junge ein.

Als ich in dieser freien Republik und im sozialistischen 22. Revier
der Stadt Paris den Bengel Björn nennen wollte, wurde mir das mit der
Bemerkung, daß dieses kein Name sei, ganz einfach verweigert. (Daß
er Pontus heißen sollte, wurde mir erst einige Tage später klar!)
Sie verwiesen mich auf sechs starke Bände, die Namen der gesamten
Christenheit und aller Heiligen enthaltend, worin ich nach der Meinung
dieser Beamtenseelen „=tout ce que fairait votre bonheur=“ finden
würde. Idioten!

Ich nannte ihn vor Ärger auf der Stelle Robert, weil ich am selben
Morgen von jemanden diesen Namen mit der Bemerkung, daß er häßlich sei,
hatte nennen hören.

Jetzt aber steht er jedenfalls in dem schwedischen Kirchenbuch als
Pontus Robert eingetragen, während er in einigen Jahren aus den
französischen Geburtslisten aufgerufen werden wird als der „=Citoyen
Robert=“ geboren von ausländischen Eltern.

~Ulfs~ Name ~träumte~ ich. Obgleich damals statt seiner, seine
Schwester Suzanne ankam: ~Selbst~ kam er erst zwei Jahre später.

Ob diese Jungens irgendwelche militärische Veranlagung besitzen, wird
sich zeigen, wenn „jemand unseren Felsen zu nahe kommen sollte“.
Ich für meine Person hoffe, daß sie tapfer in und durch das Leben
wandern werden, um einmal, wenn der Zeitpunkt da ist, dem Tode mit
Ruhe ins Auge schauen zu können. Ich erinnere sie an die Worte unserer
heidnischen Vorfahren:

~Es gibt nur ein Unglück, und das ist die Schande.~

[Illustration: „Papa, ich esse Waffeln!“]



[Illustration]

Kersti ist das liebenswürdigste kleine Kind, welches es gibt.
Wenigstens kann man sich kein braveres denken. Sie ist immer vergnügt
und langweilt sich nie, ganz gleich, ob sie mit Kameraden oder
Geschwistern spielt oder ob sie allein ist. Vor einigen Jahren war sie
zart und durchsichtig. Wenn sie uns damals weggerafft wäre, hätten wir
das ganze natürlich gefunden und wir wären davon überzeugt gewesen,
daß sie bei der Jungfrau Maria als Hofdame einherginge. Denn ein
solch’ kleines Juwel zu entbehren hätte selbst das Himmelreich sich
nicht leisten können. Alles, was sie in die Hände bekommt, wird ein
Spielzeug. Und oft redet sie in Reimen und Versen.

[Illustration: Bei der Arbeit.]



[Illustration: Liebhabertheater.]

                            Brita und ich.


So, jetzt wurde ich der Kleinen habhaft und zufällig gerieten wir vor
den Spiegel. Welch’ ein Motiv! Ohne Brita erst los zu lassen, ordnete
ich eine Staffelei, langte mir ein Papier und ergriff eine Feder.

Und, ha, ha, ha, wie fand es Brita lustig -- die ersten fünf Minuten. --

Die übrige Zeit der Sitzung, welche acht Tage dauerte (das heißt,
nachts schliefen wir und da ließ ich das Gör los), schrie sie aus
Leibeskräften.

Denkt Euch, mit dieser kleinen Wildkatze, heulend, an den Haaren
ziehend, (ja!) und Fußtritte austeilend, und bei alledem mit Hand und
Auge sicher die Linien mit Feder und Tusche ziehen zu sollen. Ja, ja,
Ihr!

Und dann noch mein linker Arm, der geradezu wie gelähmt wurde! Dieses
war ein Rekord in seiner Art.

Wenigstens meiner eigenen, bescheidenen Meinung nach.

[Illustration]



                            Ferienaufgaben.


Das Bild hat wohl bald eine ~historische~ Bedeutung, denn ich bin
gewiß, daß unser jetziger Kultusminister, der frühere Rektor meiner
Jungens, diese Unsitte abschaffen wird.

Sieh diesen armen Jungen, Pontus, an, der hier sitzt und sich zu den
Vögeln hinauslehnt und dem der Fliederduft in die Nase zieht, ihm
zurufend: Komm hier heraus!

Als ich mich soeben Pontus gegenüber groß tat, daß ich in diesem
Buche so in verschmitzter Art für die Abschaffung der Ferienaufgaben
einträte, antwortete er trocken: „Einen Menschen einen halben Sommer
hindurch mit Modellsitzungen zu quälen, müßte auch gesetzlich verboten
werden!“

[Illustration: Ferienarbeiten.]

Jetzt ist er schon weit draußen auf dem Hof.

Es ist nicht der Mühe wert, mit solchen Schlingeln Mitleid zu fühlen!

[Illustration]

[Illustration]

[Illustration: =Erbsendöppen.=]

[Illustration: =Geburtstagsmorgen.=]

[Illustration: Puppentheater.]



[Illustration]

                              Apfelblüte.


Wenn man doch jetzt Dichter wäre. Dann könnte man sich der Sache
schnell entledigen. Sicher ist, daß ich in Prosa nicht mehr daraus zu
machen vermag, als was Ihr mit eigenen Augen auf dem Bilde seht.

Aber mein allerfeinster Instinkt läßt es mich ahnen, wie die Versfüße
im Takt mit Lisbeths kleinen Beinen und allen andern um den kleinen
Apfelbaum herumtanzen würden. Und wenn wir so eine Weile getanzt
hätten, würde sich die ganze Welt um uns im Kreise drehen! Heißa! Sie
könnte es nicht lassen!

[Illustration]



                  Das Frühstück der Siebenschläferin.


Aber wie sieht sie verweint und häßlich aus, meine kleine süße Kersti!
Ist es vielleicht, weil Esbjörn auf ihrem Hut Rad gefahren ist?

Oder aus demselben Grunde, wie die Katze, oder um ihre eigenen Worte
zu gebrauchen: „Pamphilos hat, seitdem Suzanne fortfuhr, so traurig
ausgesehen, sie ist gar nicht mehr vergnügt!“

Nein, mein Lieber, das ist nur deshalb, weil sie, wie die Überschrift
andeutet, in die für ihr empfindsames Ehrgefühl peinliche Lage geraten
ist, aus den auf dem Frühstückstisch befindlichen Resten sich ihre
Mahlzeit suchen und diese dann ganz allein verzehren zu müssen.

Und das genügt, um die Lebensfreude eines solchen kleinen Menschen zu
zerstören.

Und dann Du, Erwachsener! Warum glaubst Du wohl, daß Du mit saurer
Physiognomie umherläufst!

[Illustration]



[Illustration]

                             Gratulation.


    „Du wirst es Dir denken können, daß Karintag heut’ ist,
    Wir haben deshalb draußen die blau-gelbe Fahne gehißt“

und dann folgt ein langes, unbeschreiblich schönes, zärtliches
Namenstagsgedicht, dessen Schluß lautet:

    „Du wirst aus unseren so dargebrachten Gefühlen wohl hören,
    Wie hoch wir Dich als Gattin, Mutter und Herrin verehren.“

Sehr schön!

Der Dichter liegt übrigens lauschend im Nebenzimmer und hört
glückstrahlend zu, wie die Mädels deklamieren.

[Illustration]



                            Achtzehn Jahre.


Kürzlich ist Suzanne aus London, wo sie bei ihrer, mit einem Engländer
verheirateten Tante weilte, zurückgekehrt; und nun lebt sie mit vier
Geschwistern, welchen sie die Wirtschaft besorgt, in Falun.

Gerade jetzt kamen sie nach Hause -- es ist Sonnabend. Stolz auf die
uralte Mähre „Lisa“ geklettert, ritt ich ihnen entgegen. Ulf kam
per Rad und die andern von Braune gefahren. Denkt Euch, diese ganze
Kavalkade über Sundborns Brücke!

Suzanne legte sehr ordentlich ihr Wirtschaftsbuch vor. Die Buchführung
stimmte.

Ich glaube, sie haben sich meistens von Blaubeerensuppe und Eierkuchen
ernährt.

[Illustration: Suzanne und noch Jemand]



                               Genesung.


Ja, es gibt Ereignisse, bei denen unsere ganze Philosophie nicht
ausreicht.

[Illustration]

Ich philosophierte so, wie Dickens seinen Mark Tapley philosophieren
ließ: geradezu seine ganze Ehre daran zu setzen, froh und vergnügt zu
sein, mitten in niedrigster Selbstsucht allem Betrug und menschlicher
Jämmerlichkeit.

Ja, froh zu sein, ja! Das kann in recht verschiedener Weise geschehen.
Der, welcher gedankenlos grinsend durch das Leben geht, der ist es
nicht, den ich meine.

Nein, der, welcher es in klarer Winternacht unternimmt, in das Weltall
hinauszusteigen und dort einen Spaziergang macht -- einen ganz kleinen
-- um Gottes willen nicht zu weit, nicht weiter, als daß er sich
wieder zurückfindet! -- und hier und da auf der Milchstraße einen
Abstecher macht, und denen auf den Sternbildern freundlich zunickt und
nicht vom Entsetzen gepackt wird vor des Raumes und der Zeit ewigem
und unendlichem Fortgang, sondern der, welcher im starken Vertrauen
auf das Rechte und Gute, und auf eine sichere Allmacht es riskiert,
lächelnd, fest und ruhig, sich in allen versteckten Winkeln der Natur
umzuschauen, von dem meine ich, daß er der rechte sei. Mein froher
Mensch.

Ich selbst? Ach, ich bin ein armes, suchendes, zagendes Menschenkind,
aber ich besitze wenigstens so viel ~Verstand~, froh ~auszusehen~, auch
wenn mir das Herz in der Kehle steckt. Und schon das rechne ich mir zur
Ehre an.

Aber ....

Dann kommt das Totengerippe klappernd Deine Treppe hinauf. Du schlägst
die Tür ins Schloß und hältst zu. Näher und näher kommt es. Es faßt an
die Klinke und zieht, stärker und stärker; Du vermagst nicht länger
.... Die Spalte wird größer und größer, jetzt kannst Du ihm in seine
unergründlichen Augen schauen, die Dir alles und nichts sagen.

       *       *       *       *       *

Welch’ eine Welt! Deine Kräfte sind zu Ende. Du warst eben im Begriff,
Deinen Griff loszulassen, weil Deine Finger erstarren ...

Da geht er. So ganz ohne weiteres!

Sie ist gerettet! -- „Alle Gefahr vorüber!“ sagt der Arzt, und ich
finde ihn herrlich und mächtig, ich würde seine Knie umfassen,
dürfte ich meinen Gefühlen nachgeben. Aber das, was ich küsse, sind
ihre, meines geliebten, armen, kleinen, abgemagerten Weibes schmale
Fingerspitzen, die Ärmelspitzen und der von der Pflegerin geflochtene
Zopf, der sich so schwarz abhebt von dem weißen Bett.

Mit welcher bezaubernden Pracht schimmert einem das Leben wieder!

Und Du gehst auf den Zehenspitzen, und Du flüsterst, aber Du
fühlst, daß Du vor Glückseligkeit strahlst, und Du ziehst Dich
in die Einsamkeit zurück, setzt Dich hin und läßt es unbehindert
heruntertropfen in das Gesangbuch, an der Stelle, wo Du gestern lasest:

„Siehe, das Grab wird geöffnet und in dessen Tiefe verschwindet
Dein Freund. Er kehret nicht zu Dir zurück, aber bald wirft Du ihm
nachfolgen. Bald ruhen unsere erstarrten Glieder, und weder Sommerwind
noch Sonnenschein wird ihnen wieder Leben spenden.“

[Illustration]

[Illustration]

[Illustration: =Genesung.=]

[Illustration: =Das Weihnachtsmahl.=]

[Illustration: Karin und Lisbeth.]



                          Das Weihnachtsmahl.


Gute Gewissen und gute Mägen sind für den Weihnachtsabend so sehr
notwendig, um pro primo, alles gut schmecken zu lassen, und pro
secundo, damit der Magen alles vertragen kann.

All’ diese Herrlichkeit wird zunächst von den alten Männern und den
Gören in Augenschein genommen. Dann erscheinen Johann, Johanna und
Sanna, alle drei kerzengrade und mit feierlichem Ausdruck. Aber Johann
trägt seine Geige unter dem Arm, und Johanna hat einen ganz, ganz
kleinen Schelmenblick im Auge.

[Illustration: Weihnachtsmorgen.]

Wenn alles in der Küche fertig ist, kommen die drei Dienstmädchen,
Anna, Tilda und Martina herein, Nürnberger Puppen gleichend, so adrett
und aufgeputzt, frisch gestärkt und gebügelt, die gesunden, fröhlichen,
tüchtigen, ehrlichen Mädels! ... Na, und da, sieh mal an, da kommt der
kleine Bäckström mit seiner Alten. Sie strahlen wie ein paar Kerzen bei
der Weihnachtsmesse. Ja, die besitzen Liebe und Zufriedenheit! Zuletzt
kommt Tekla, eigensinnig am Schürzenzipfel kauend und schüchtern
lächelnd.

Jetzt sagt Karin: -- Bitte seid so gut! und Suzanne und Lisbeth reichen
das Brot herum. Bald darauf klirren Messer und Gabeln, die Männer
räuspern sich, aus irgend einer angenehmen Veranlassung, und Johanna
bringt die Mädchen zum Erröten und Lachen.

Nach einer Stunde ruht ein Schimmer von Zufriedenheit auf allen
Zügen, man hat das Bewußtsein, daß man seine Sache gut gemacht hat,
ohne Unordnung und Betrug. Und dann kommt der Kaffee mit Bretzeln und
Schürzkuchen. Und dann wird geknixt und treu drückt man sich die Hände.

Johann aber stimmt die Geige: Der Reigen geht durch die ganze Hütte, in
jeden Winkel hinein, hinauf und hinunter über alle Treppen, zuletzt im
Kreis um die alten Greise herum.

Die lächeln zufrieden und geehrt.



[Illustration]

[Illustration]

    Frosinchen geht einst mit zur Stadt
    Die sie noch kaum gesehen hat.
    Ein =A-B-C=-Buch kauft sie dort:
    Drin prangt ein Huhn, das immerfort
    Nur süßes Zuckerzeug tut legen.
    Frosinchen, stolz auf solchen Segen,
    Verläßt voll Wissensdurst den Laden!
    O weh! wie kam sie bald zu Schaden!

[Illustration]

    Zu Hause sagt das Mütterlein:
    „Nun wollen wir mal fleißig sein“.

[Illustration]

    „Zuerst da lernen wir geschwind
    Die fünf Vokale, liebes Kind!“

[Illustration]

    „Sodann, so merk’ Dir, dies ist „=b=“,
    Nach links gedreht wird es ein „=d=“.

[Illustration]

    „Na, sieh mal an, Du dummer Daus!
    Bei Dir das „=t=“ wie „=f=“ sieht aus!“

[Illustration]

    „Nein, nein, wie bist Du schrecklich dumm,
    Mir dreht das Herz im Leib sich um!“

[Illustration]

    „Ganz spielend lernt sonst eine Jede!
    Doch Du, mein Kind, bist mir ~zu~ blöde“!

[Illustration]

    Der Mutter Schelten kränkt Papa,
    ~Er~ übernimmt das Lehramt da.
    Indes Mama erzürnt entweichet,
    Frolinchens Backe sanft er streichet.

[Illustration]

    Und Kind und Vater still beglückt
    Man hier auf diesem Bild erblickt.

[Illustration]

    Doch balde folgt dem Glücke Pein,
    Denn die Gelehrsamkeit bleibt klein.

[Illustration]

    Verzweifelt fliegt das Buch zur Wand,
    Indes der Vater fortgerannt.
    -- -- -- --

[Illustration]

    Doch andern Morgens liegt im Buch
    Von süßem Zuckerzeug genug.
    Und Vater, Mutter sowie Kind
    Nun wieder froh und einig sind.

[Illustration: Sonnenblumen.]

[Illustration: =Das Blumenfenster.=]

[Illustration: =Das Angeln.=]

[Illustration: Großmutter und Enkelin.]



                                  Die
                           Muster-Erziehung.


[Illustration]

    Eufrosinchen, klein und putzig
    Die ist heute schrecklich schmutzig.

[Illustration]

    Doch als Mutter waschen will,
    Schreit sie sehr und hält nicht still.

[Illustration]

    Vatern macht das Schreien wild:
    Was er tut -- zeigt dieses Bild.
    Kaum sieht das der Galgenstrick,
    Lacht er laut und voller Glück.

[Illustration]

    Mutter wundert sich indessen,
    Daß der Schmerz so rasch vergessen.

[Illustration]

    Derweil Mädi mit Bedacht -- -- --
    ~Tut, was Vater vorgemacht~.

[Illustration]

    Dies gefällt der Mutter nicht:
    Furchtbar ist das Strafgericht.



                        „Wenn Du’s wagst -- --“

                                 oder

                    „Der Respekt geht über alles.“


[Illustration]

    „Du! mein Bild -- das ist noch naß!
    Lisbeth Göre, läßt Du das!“

[Illustration]

    Lisbeth läßt es gleich dabei
    -- kehrt den Rücken der Stafflei.

[Illustration]

    „-- Lisbeth, wage Dich nur dran,
    gleich holt Dich der Kuckuck dann!“

[Illustration]

    Lisbeth ihr Vorhaben läßt,
    aber -- die Idee sitzt fest.

[Illustration]

    „Lisbeth, rührst mein Bild Du an,
    Haue kriegst gewiß Du dann!“

[Illustration]

    Lisbeth, die vor Neugier bebt --
    ~Dennoch~ ihren Finger hebt.

[Illustration]

    Niemand ernst noch bleiben kann,
    Lisbeth tippt zuletzt doch dran.

[Illustration]

    Hieraus lebt: Zu jeder Frist
    ~Lisbeth ein Charakter ist~.

[Illustration]

[Illustration: =Unter der großen Birke.=]

[Illustration: =Die Schneeschuhe.=]

[Illustration: Die Weihnachtsgarbe der Vögel.]



Eine Scherzfrage lautet: „Welche Ähnlichkeit besteht zwischen Kronos
und Carl Larsson?“ Und wenn der Dumme, der so gefragt wird, dann
zunächst nur den Mund aufsperrt, dann bekommt er zur Antwort: „Daß
beide von ihren Kindern leben!“

Allerdings. Doch laßt mich jetzt, bevor ich diese Zeilen schließe, auch
noch ein paar ernste Worte hinzufügen. Daß diese Bilder mit Motiven aus
meinem Heim in die Welt verstreut werden, macht wenigstens mich selbst
froh. Es liegt darin etwas von dem „Hinausgehen und allen Völkern
predigen“. Worüber? Über das Glück des Fünfzigjährigen? Glück? Ganzes
Glück gibt es nicht! Der Schuh drückt stets irgendwo, und das ebenso
gut bei denen, die viele Schuhe besitzen als bei denen, welche gar
keine haben. Aber die Kinder -- und von ihnen handelt eigentlich dieses
Buch -- sind die Träger unserer Hoffnungen und unserer Sehnsucht.
Diese sind ebenso wie Du und ich tot geboren. Und doch: ihre rosigen
Wangen und dicken krummen Beinchen, ihr fröhliches Geplapper, ihre
bitteren Puppen- und Schularbeitssorgen, ihre verdrehte Ausdrucksweise,
ihr Appetit, all’, all’ dieses erregt unser Entzücken, wir lachen,
bis uns die Tränen an den von des Lebens Sorge durchfurchten Wangen
herunterrollen, und wir drücken sie fast tot, diese Kleinen und danken
Gott, daß er sie uns gab, denn wenn wir einst fort sind, dann -- zum
Kuckuck! -- sind diese noch da! Schließet sie, diese ~meine~ Kleinen,
in ~Eure~ Arme, Ihr seid es mir schuldig, denn Eure Kleinen sind mir
fast ebenso lieb, wie meine eigenen. ~Ihnen gehört das Himmelreich!
Sowohl Deinen wie meinen Kindern!~

                                                                  C. L.

[Illustration]



*** End of this LibraryBlog Digital Book "Das Haus in der Sonne" ***

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