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Title: 21 Jahre in Indien.: Dritter Theil: Sumatra.
Author: Breitenstein, Heinrich
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "21 Jahre in Indien.: Dritter Theil: Sumatra." ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1902 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht
  mehr gebräuchliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
  unverändert.

  Im Text werden Passagen aus mehreren Fremdsprachen eingebracht, z. B.
  Niederländisch, Französisch oder Latein. Diese wurden unkorrigiert
  übernommen. Eigen- und Ortsnamen erhalten oft verschiedene
  Schreibweisen, mitunter auch innerhalb eines Absatzes. Dies wurde
  nicht korrigiert, sofern beide Schreibweisen im Text mehr als einmal
  vorkommen.

  Die im Abschnitt ‚Corrigenda‘ aufgeführte Korrektur wurde bereits in
  den Text eingearbeitet.

  Umlaute in Großbuchstaben (Ä, Ö, Ü) werden als deren Umschreibung
  (Ae, Oe, Ue) wiedergegeben.

  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

        kursiv:   _Unterstriche_
        fett:     =Gleichheitszeichen=
        gesperrt: +Pluszeichen+

  Das Caret-Symbol (^) steht für ein nachfolgendes hochgestelltes
  Zeichen.

  ####################################################################



[Illustration: Dr. H. Breitenstein.]



                          21 Jahre in Indien.

                Aus dem Tagebuche eines Militärarztes.


                        Dritter Theil: Sumatra.


                                  Von

                         Dr. H. Breitenstein.

                  Mit 1 Titelbild und 26 Abbildungen.


                               Leipzig.
                   Th. Grieben’s Verlag (L. Fernau).
                                 1902.



Vorrede.


Wie der erste Theil dieses Buches fand auch der zweite Theil (unter
dem Namen »Java«) eine sehr freundliche Aufnahme; aus Deutschland,
Oesterreich, Bosnien, Holland, England und Russland kamen mir günstige
Recensionen meines Buches zu. In +Indien+ selbst wird es jedoch, wie
ich höre, wenig gekauft und wenig gelesen -- »+weil ich zu viel in
diesem Buche gelobt habe+«.

Als vor ungefähr einem Jahre auf dem holländischen Markte ein Buch
erschien, welches alles tadelte, was auf Java lebt und sich regt,
welches in den schärfsten Worten den Europäer auf Java als den Auswurf
der Menschheit bezeichnete und schilderte, der nur einen Gott habe --
+das Geld+, der nur eine Tugend kenne -- +das Geld+, und der darum
cynisch, roh, ordinär, gemüths-, geist- und herzlos sei, nur einen
Genuss kenne und suche -- den +Besitz des Geldes+ --, dieses Buch wurde
in Indien viel gelesen und stark gekauft.

Vielleicht wird sich der dritte und letzte Theil meines Werkes auch in
Indien, d. h. auf den Inseln des indischen Archipels, eines grossen
Leserkreises erfreuen; ich habe darin nämlich leider Weniges zu loben,
desto mehr zu tadeln.

Viele Worte des Lobes finde ich für den Boden Sumatras, seinen
Reichthum u. s. w., dagegen nur wenige für die Europäer auf dieser
meerumsäumten Insel.

Ihre Politik ist bis jetzt die eines kleinlichen, engherzigen und
geizigen Spiessbürgers gewesen. Ihre neuen Goldminen sind von einem
unpraktischen Bergrechte geschützt, welches dem Wucher, der Spiellust
und selbst dem Schwindel Thür und Thor öffnet.

Im Westen der grossen Wasserscheide jagt der Büttel der holländischen
Regierung den armen, bedauernswerthen (?) malaiischen Bauer zu
Robottdiensten in die Caffeegärten, weil die holländische Regierung 24
fl. an jedem Pikol Caffee verdienen will.

Im Osten dieser Insel verzehrt das Sumpffieber den chinesischen Kuli,
weil der holländische Pflanzer mit seinem Deckblatte den Havanatabak
vom Weltmarkte verdrängen will.

Im Herzen Sumatras hausen noch Menschenfresser! und im Norden dieser
Insel sind noch zahlreiche Völkerstämme, von welchen die Holländer kaum
mehr als den Namen kennen.

Zwischen den himmelanstrebenden Gipfeln der Bergriesen Ophir, Telaman
u. s. w. wohnen in ganzer Sittenreinheit die Epigonen der »Padri«,
welche in ihrem siegreichen Zuge gehemmt wurden von den Holländern im
Bunde mit Menschenfressern des Tobahsees!

Kurzsichtige Minister haben die schönste Perle der Krone Hollands
in schmutziges, altes und verrostetes Eisen gefasst und dem Volke
die Phrase zugerufen: Java ist die Königsinsel unseres grossen
Kaiserreiches »Insulinde«; Gott gab ihr grosse Schutzmauern, die da
heissen: Sumatra, Borneo und die Molukken. Java ist die Quelle unseres
Reichthums, Java ist der Sitz unserer Macht und darum wollen wir +nur+
Java hegen und pflegen.

Sumatra, Borneo und die Molukken sind aber keine dürre, leblose und
unfruchtbare Mauer; sie haben einen fetten und humusreichen Boden;
die Flora und Fauna ist hier wie dort üppig; Millionen Menschen rufen
hier wie dort um Schutz für ihr Leben, für ihre Büffel und für ihre
Töchter gegen ihre eigenen Fürsten, welche als Despoten des Landes Mark
aussaugen.

Wohlan! Holland! raffe dich auf! Hebe auch die Schätze der Insel
Sumatra und schaffe +allen+ seinen Bewohnern ein menschenwürdiges
Dasein!


=Du sollst, denn du kannst!=

       *       *       *       *       *

Dieser Kassandraruf zieht wie ein rother Faden durch diesen dritten
Theil meines Werkes: »21 Jahre in Indien«, obwohl ich mich bemüht
habe, den ursprünglichen Charakter des Buches beizubehalten, d. h. zu
erzählen, was ich auf der Insel Sumatra erlebt, zu beschreiben, was ich
gesehen, und zu schildern -- was ich dort gelitten habe.

Um einem oft geäusserten Wunsche der Kritik gerecht zu werden, habe
ich in diesem dritten Theile meines Buches die Tropenfauna und Flora
sowie die Ethnographie eines malaiischen Volksstammes nach den
Mittheilungen bekannter Fachleute besprochen und in einem Anhange
einige Tropenkrankheiten beschrieben. In einem zweiten Anhange brachte
ich einige malaiische Melodien, in europäische Noten gesetzt -- eine
Arbeit, welche mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden war
und von dem bekannten Recensenten Otto Knaap (Amsterdam) für mich in
liebenswürdiger Bereitwilligkeit gemacht wurde.

Das Milieu meiner Mittheilungen sind Land und Leute des meerumspülten
Sumatra, welches ich nicht nur in »Wort«, sondern auch in »Bild«
vorführen will.

Ungefähr 400 Photographien standen mir zu diesem Zweck zur Verfügung,
welche theilweise meiner Sammlung und theilweise Freunden meines Werkes
angehören. Aus naheliegenden Ursachen musste ich mich auf die Wahl
einer kleinen Anzahl beschränken, und so hoffe ich, dass die gewählten
26 Illustrationen hinreichen werden, den Text, wenn auch nicht zu
vervollständigen, so doch zu ergänzen.

Gern schliesse ich mit einem Wort des Dankes an die Verlagsfirma +Th.
Grieben’s Verlag+ in Leipzig, welche dieses Buch mit künstlerisch
ausgestatteten Bildern versehen hat, und an jene Herren, welche mir
ihre Sammlung von Photographien zur Verfügung gestellt haben, und zwar:

  für Fig. 3 dem Herrn Geh. Rath Dr. Max +Bartels+ in Berlin;

   „   „   4 u. 23 dem Herrn Oberingenieur +Yzerman+ in Amsterdam;

   „   „  22, 24 u. 25 dem Herrn Oberingenieur +Delprat+ in Java;

   „   „   2 u. 5 dem Herrn Regierungsrath F. +Heger+, Vorstand des
              ethnographischen Museums in Wien;

   „   „   1 dem Herrn Dr. +Schmelz+ in Leiden;

   „   „   6, 7, 8, 9, 10 u. 11 dem Herrn Dr. Axel +Preyer+, z. Z.
              in Cairo.

  Figuren 12, 13, 14, 15, 16, 17, 21, 26 und Titelbild sind meiner
              Sammlung entnommen.

  +Karlsbad+, im Wonnemonat 1902.

                                  =Dr. H. Breitenstein.=



Inhaltsverzeichniss.


                                                                   Seite

  Vorwort                                                            III

  =1. Capitel.=   Abstammung des Namens Sumatra -- Ausbruch
                  des Vulcans Krakatau -- Sumatra von Java
                  getrennt -- In Telók Betóng -- Malaiische
                  Küche -- Manila-Cigarren -- Ein arabischer Don
                  Juan -- Eine Allee aus lebendem Bambus -- Eine
                  unzufriedene Europäerin -- Cholera auf einem
                  Dampfer -- Ein den weiblichen Bedienten
                  gefährlicher Affe -- In’s Innere der Provinz
                  -- Verdächtige Impfung -- 500 „Mulis“ -- Ein
                  liebenswürdiger Affe -- Seequallen ein
                  Leckerbissen -- Ein einträgliches Geschäft
                  -- Kröpfe                                            1

  =2. Capitel.=   Deutsche Soldaten -- Ein Mörder (?) -- Im
                  Werbedepot -- Ein Eremit -- Elektrische
                  Diagnosen -- Ein Erdbeben -- Schutzbrillen --
                  Sandalen -- Punka -- Eine Menagerie --
                  Chemisch reines Trinkwasser in den Lianen --
                  Mein Name wird ominös -- Telegraph und
                  Elephant -- Der Arzt in den Colonien -- Eine
                  wohlthätige Fee -- Meine Abreise von Telók
                  Betóng -- Grösse von Sumatra                        25

  =3. Capitel.=   Provinz Palembang -- Fauna von Sumatra -- Ein
                  Orang-Utan-Riese -- Farbenpracht der Fische --
                  Gold auf Sumatra -- Urbewohner des Landes --
                  Die Hauptstadt Palembang -- Schwimmende Häuser      50

  =4. Capitel.=   Rheumatismus -- Singapore -- Spitäler in
                  Singapore -- Ein arabischer Geldwechsler --
                  Chinesische Kaufleute -- Die Provinz Riauw und
                  Vasallenstaaten -- Matriarchat -- Menangkabauer
                  -- Nieskrampf                                       62

  =5. Capitel.=   Die Provinz „Ostküste von Sumatra“ --
                  Zinninseln -- Ein misslungener Freihafen -- Ein
                  englischer Abenteurer -- Petroleum auf Sumatra
                  -- Menschenfresser -- Die Hauptstadt Medan --
                  Im Urwalde -- Entwaldung -- Die Commandeuse --
                  Ein schlechter Garnisonsplatz -- Ein Vorurtheil
                  -- Eine Faciesbildung -- Hospitalbrand --
                  Amok-Laufen -- Krebsfälle                           72

  =6. Capitel.=   Flora von Mittel-Sumatra                           103

  =7. Capitel.=   Nach Atjeh -- Eine neue Kohlenstation -- Uléë
                  Lhöë -- Die Strandpalme -- In Kuta-radja --
                  Auch eine Frauenfrage -- Eine Tropenkrankheit      111

  =8. Capitel.=   Eine sogenannte Friedensgarnison --
                  Campierpfähle -- Ein Deserteur (?) -- Ein
                  freigebiger Compagniecommandant -- Eine Kirmes
                  -- Ein Klewang-Anfall -- Im Kugelregen --
                  Geringschätzung der Militärärzte -- Chinesen
                  in Atjeh -- Kleider und Schmuck der Atjeer --
                  Musikinstrumente der Atjeer -- Atjeische
                  Prüderie                                           138

  =9. Capitel.=   Der heilige Krieg -- Habsüchtige Priester
                  (= Ulamas) -- Abstammung der Atjeer --
                  Abstammung der Niasser von einem Hunde --
                  Schwanzmenschen -- Die Kunst bei den Atjeern
                  -- Die Dichtkunst der Atjeer -- Derwische --
                  Abschied von Lambaro -- Mit meiner Frau im
                  Kugelregen -- Ein heikler Auftrag --
                  „Gross-Atjeh“                                      159

  =10. Capitel.=  Auf einem alten Dampfer -- Die Insel Nias
                  -- Niasser -- Niasser und Dajaker -- Ein
                  gefährliches Landen -- Oel glättet die
                  stürmischen Wogen -- Schmutzige Fiaker -- Ein
                  Haudegen -- Die Engländer in Padang --
                  Vortheile eines hölzernen Hauses -- Padang ist
                  ein grosser Garten -- Malaiische Silberarbeiten
                  -- Das Zodiakallicht -- „Der Culturzwang“ --
                  „Das Gouvernement der Westküste Sumatras“ --
                  Der Padrikrieg                                     173

  =Schluss.=      Wieder auf dem alten Dampfer -- Die Residentie
                  Benkulen -- Katholische Missionäre -- Schluss      196

  =Anhang.=       Knöchelfieber -- Die Lâtahkrankheit --
                  Indische Spruw -- Tropenhygiene                    199

  =II. Anhang.=   Malaiische Musik                                   212

  =Sach- und Namen-Register.=                                        220



Corrigenda.


Seite 163, Zeile 13 von oben statt „atavistische Schwänze“ nur zu
lesen: „Schwänze“.

Es haben nämlich +Bartels+, +Schäfer+, +Virchow+, +Breitenstein+ u.
s. w. diese fraglichen Gebilde +nur+ für Monstra oder krankhafte
Neubildungen erklärt und sie nicht wie +Haeckel+, +Alsberg+,
+Wiedersheim+ und andere philosophirende Naturforscher zu
+atavistischen+ Beweisen des thierischen Ursprunges des Menschen
erhoben.

Beinahe alle bisher beschriebenen Fälle von „Schwänzen bei Menschen“
sind übrigens -- keine Schwänze stricte dictu.



Verzeichniss der Abbildungen.


                                                        Seite des Textes

  Aussenblatt[1]: Ein Atjeer.

  Titelblatt: Photographie des Verfassers.

  Fig.  1: Eine Muli                                                  19
  (Tochter eines Häuptlings in der Provinz Lampong.)

  Fig.  2: Ein Haus und eine Reis-Scheuer aus dem Padangschen
              Oberlande                                               42

  Fig.  3: Ein Mädchen aus dem unabhängigen Korintji                  57

  Fig.  4: An den Ufern des Musistromes (= Fluss Palembang)           58

  Fig.  5: Ein Mädchen aus Semang (Malacca)                           69

  Fig.  6: Endstation Stabat der schmalspurigen Eisenbahn in Deli     76

  Fig.  7: Ein Engpass im Gebiete der Battaker                        77

  Fig.  8: Ein battakscher Kampong                                    77

  Fig.  9: Ein Tiger in der Falle                                     80

  Fig. 10: Roden des Urwaldes                                         81

  Fig. 11: Ein Bach im Urwalde                                       103

  Fig. 12: Uléë Lhöë, Hafen von Atjeh                                114

  Fig. 13: Pfarrhaus in Kuta-radja                                   117

  Fig. 14: Eine Gerichtsverhandlung in Kuta-radja                    122

  Fig. 15: Die neue Moschee in Kuta-radja                            123

  Fig. 16: Meine Wohnung in Lambaro                              140 147

  Fig. 17: Im hohen Schilderhaus                                     142

  Fig. 18: Ein atjeeisches Ehepaar                                   153

  Fig. 19: Atjeer, welche einen Drachen fliegen lassen wollen        157

  Fig. 20: Ein Haröbab-Orchester                                 157 166

  Fig. 21: Ein atjeeischer Pflug                                 114 160

  Fig. 22: Niasser auf dem Marsche                                   176

  Fig. 23: Ein Kampong auf und an den Ufern eines Flusses            181

  Fig. 24: Ein Gruppe in Pedir gefangener malaiischer Frauen         184

  Fig. 25: Bewohner der Pageh-Inseln                                 196

  Fig. 26: Angklung, ein malaiisches Musikinstrument                 219


[Illustration: Fig. 1. Eine Muli.

Tochter eines Häuptlings in der Provinz Lampong.

(Vide Seite 19.)]



1. Capitel.

  Abstammung des Namens Sumatra -- Ausbruch des Vulcans Krakatau --
  Sumatra von Java getrennt -- In Telók Betóng -- Malaiische Küche --
  Manila-Cigarren -- Ein arabischer Don Juan -- Eine Allee aus lebendem
  Bambus -- Eine unzufriedene Europäerin -- Cholera auf einem Dampfer
  -- Ein den weiblichen Bedienten gefährlicher Affe -- In’s Innere der
  Provinz - Verdächtige Impfung -- 500 „Mulis“ -- Ein liebenswürdiger
  Affe -- Seequallen ein Leckerbissen -- Ein einträgliches Geschäft --
  Kröpfe.


Den 4. April 1882 wurde ich von Batavia, wo ich mich als Oberarzt der
holländisch-indischen Armee in Garnison befand, nach Telók (= Golf)
Betóng, der Hauptstadt der »Residentie« (= Provinz) »Lampong’sche
Distrikten« im Süden der Insel Sumatra[2] transferirt; am 15. April
trat ich meine Reise mit einem Dampfer der damaligen »indischen
Dampfschifffahrts-Gesellschaft« Morgens um 6 Uhr an und fuhr zwischen
den »Tausend Inseln« hinaus in die Javasee, um schon in wenigen Stunden
die Sundastrasse und die Insel Sumatra vor mir zu sehen, welche (nach
Salomon Müller) bereits im Jahr 860 den chinesischen Seeleuten unter
dem Namen Fantsoêr bekannt gewesen sein soll.

Die Sundastrasse, jener schmale Seeweg, welcher Sumatra von Java
trennt und zugleich die beiden verbindet, ist nicht viel älter als
der Wasserweg zwischen Java und Madura und als der zwischen Java
und Bali. Die javanischen Ueberlieferungen verlegen die Abtrennung
dieser drei Inseln in’s 13. Jahrhundert, und geologische Verhältnisse
+scheinen+ diese sagenhafte Theilung des »Landes« (Tanah M.) Java
in vier Inseln zu bestätigen.

Schon drei Jahre vor dem fürchterlichen Ausbruch des Krakatau
constatirte der Ingenieur Verbeek in der Tiefe der Sundastrasse einen
grossen Spalt in der Nähe dieser Insel, und als im Jahre 1883 aus den
Tiefen dieser schmalen Strasse 18 km^3 Asche bis zu einer Höhe von
15000 Meter geschleudert wurden, so dass man in Spanien und in Holland
den Regen damit gemischt fand und die feinsten Theile selbst den ganzen
Aequator umkreisten, da entrollte sich vor unserm Auge ein Stück der
Geschichte des Werdens und des Bildens der Erde.

Jene Reihe von Vulcanen, welche im grossen Bogen von Kamtschatka aus
über Japan, die Philippinen, Molukken und kleinen Sundainseln, Java,
Sumatra bis an den Meerbusen von Bengalen (Barren-Inseln, 303 Meter
hoch) den Süden Asiens umkreisen, sie sind die grossen Poren, aus
welchen die gefesselten feurigen Massen des Erd-Innern sich bald mit
mächtiger Gewalt, bald ruhig und gelassen auf die Oberfläche der Erde
wälzen und hier zerstören und dort wieder aufbauen.

In den Tagen vom 26. bis 28. August 1883 erbebte die Strasse von Sunda
von der Wuth des Vulcanes Krakatau; doch nur die kleine Insel, der
»Polnische Hut«, verschwand von der Oberfläche der Erde; die Insel
Krakatau verlor ⅔ ihrer Grösse (von 33½ auf 10½ ☐km); aber die
»Verlassene Insel«, welche früher 3.7 ☐km gross war, hatte im Jahre
1883 eine Höhe von 11.8 ☐km und die »Lange Insel« hat von 2.9 ☐km bis
3.2 ☐km zugenommen.[3]

Geologisch ist gewiss obige Sage verbürgt, dass in früheren
Jahrhunderten Java mit Sumatra durch eine Brücke verbunden war, wenn
auch mancher Zoologe daran zweifeln möchte; die Fauna dieser Insel
stimmt ja mehr mit jener von Borneo als mit der von Java überein; der
Orang-Utan z. B. kommt nicht auf Java, aber auf Borneo und Sumatra vor,
und auch die Flora[4] zeigt grössere Aehnlichkeit mit der Vegetation
von Malacca (Vide »Quer durch Sumatra« von Yzermann) als mit jener von
Java. Die geologischen Verhältnisse sind jedoch, ich möchte sagen, von
erdrückender Beweiskraft, dass Java und Sumatra in früheren Zeiten ein
zusammenhängendes Ganzes gebildet haben. Die Botaniker und Zoologen
werden übrigens allein aus der geographischen Verbreitung der Pflanzen
und Thiere nicht leicht auf die Zusammengehörigkeit einzelner Inseln
sich eine Schlussfolgerung erlauben, weil es zahlreiche Factoren gibt,
welche auf diese Frage Einfluss nehmen. Wie oft haben z. B. ja Wind und
Wasser einzelne Thier- und Pflanzenformen in weit abgelegene Theile der
Erde geführt?

Die Sundastrasse ist in ihrem nördlichen Anfange nicht breit. Die
Entfernung der Schweinsecke (Varkenshoek) von dem Hafenplatz Anjer
auf Java beträgt nicht mehr als 27 km, während die Ausfahrt in den
indischen Ocean ungefähr 100 km breit ist. Die Südküste Sumatras hat
die Form eines schief liegenden M, und die zwei Meerbusen führen die
Namen Lampongsbai (die östliche) und Semangka oder Kaisersbai (die
westliche).

Ich habe die Küste der Lampongsbai vor dem Ausbruch des Krakatau
und fünf Jahre nach dieser gewaltigen Eruption gesehen, ohne bei
+oberflächlicher+ Beobachtung einen Unterschied in der Configuration
der Küste constatiren zu können. Das Erd- und Seebeben, sowie die
ungeheueren Lavamassen haben dabei beinahe die ganze Südküste Sumatras
heimgesucht. Während nur einzelne Theile der östlichen Küste der
Semangkabai und die Mitte der Westküste der Lampongsbai von den
verheerenden Elementen verschont blieben, ist der übrige Theil oft bis
auf eine Entfernung von 4-5 km eine Beute der stürmischen Elemente
geworden. Aber bei näherem Zusehen findet man zahlreiche Ueberbleibsel
jener traurigen Zeit. Als ich im Jahre 1888 Telók Betóng für einige
Stunden besuchte, da merkte ich freilich die grosse Veränderung, welche
im Jahre 1883 das Erd- und Seebeben veranlasst hatte; 3 km entfernt von
der Küste lag z. B. am Ufer des kleinen Lampongflusses das Wrack des
»Berouw«, jenes Dampfers der »indischen Gouvernementsmarine«, welcher
am 27. August 1883 von den rasenden Elementen in’s Innere des Landes
geschleudert wurde und dort liegen blieb. Der Kapitän hatte sich vor
dieser Zeit an’s Land geflüchtet und -- kam ums Leben. Der »erste
Officier«, welcher an Bord geblieben war und alle Luken und Fenster
geschlossen hatte, kroch unversehrt aus dem Schiffe, welches von den
zurückströmenden Wellen nicht mitgeführt wurde.

Ein einförmiges, geradezu langweiliges Bild bot diese Stadt, als ich
sie 1882 zum ersten Male betrat. In einer Entfernung von ungefähr 1000
Meter blieb der Dampfer stehen und ein Schiffsboot brachte mich an’s
Ufer, welches ausschliesslich aus Riffkorallen bestand.

Bei der Ebbe konnte ich späterhin mich sehr oft an dem schönen
formenreichen Bilde erfreuen, welches der von den hellen Strahlen
der Tropensonne erleuchtete Meeresgrund dem Beobachter darbot.
Die Labyrinthkoralle (Maeandrina), die Schwammkoralle (Madrepora
verrucosa), die Lochkoralle (Porites furcatus), die Orgelkoralle
(Tubepora musica) und die Astraea pallida erhielt ich in so grossen
Stücken, dass ich bei der Transferirung im September desselben Jahres
drei grosse Kisten gefüllt mit diesen Korallen mitnehmen konnte. Auch
zahlreiche Seeigel und Seesterne erhielt ich damals, deren innern
Mantel ich noch heute besitze und den jeder Naturfreund ob seines
zierlichen Baues bewundern muss (z. B. Echinus esculentus).

Am Ufer stand die Stadt mit 2825 Seelen, und zwei kleine Strassen
führten dahin. Die südliche bestand nur aus chinesischen Häusern und
Toko’s und mündete in die grosse Hauptstrasse, welche zur rechten Hand
an einen Hügel grenzte. Auf diesem stand das Gebäude des Residenten und
das Fort. Die chinesische Strasse hatte jenseits des grossen Weges eine
Fortsetzung, in welcher das Haus meines Amtsvorgängers und ein Hôtel
standen.

Da der Dampfer nur einige Stunden vor Anker liegen sollte, um dann
die Reise nach Padang (Westküste) und Atjeh (Nordküste) fortzusetzen
und Dr. L., den ich ablösen sollte, in diesen wenigen Stunden nicht
den Dienst übergeben, seine Koffer und Kisten einpacken und Auction
von seinen Möbeln halten konnte, so musste Dr. L. auf die Ankunft des
nächsten Dampfers warten und zwar jenes, welcher die Rückreise von
Padang via Telók Betóng nehmen sollte. Ich blieb vorläufig im Hôtel
wohnen, und nach der Auction seiner Möbel miethete ich sein Haus von
dem Eigenthümer um 40 Fl. monatlich.

Es war ein hölzernes Haus, welches auf einem ziemlich grossen
Grundstücke stand. Es folgte dem allgemein in Indien üblichen Typus.
Eine vordere und eine hintere Veranda fassten zwei Zimmer zwischen
sich, wovon das eine mein Bureau wurde und das andere zum Schlafen
diente; einige Meter davon entfernt standen die Bedientenzimmer, Küche,
Badezimmer, Abort, Stall und Wagenremise und zwar aus Bambus-Matten.

Wenn in früheren Jahren nur wenig Luxus in der Einrichtung eines
Wohnhauses getrieben wurde, so war die Küche geradezu unglaublich
primitiv eingerichtet. In allem und jedem verrieth sie die Gewohnheiten
der +eingeborenen+ Küchenprinzessinnen und trug nur in der Höhe des
Herdes den Gewohnheiten einer europäischen Hausfrau Rechnung. Die
+malaiische+ Küche ist in der Regel ein kahler Raum, umgeben mit
Bambus-Matten, auf welchem ein Dach ohne Plafond ruht. Durch den Rauch
des Holzes, welcher bei der Dachventilation hinausströmt, sind die
Wände schwarz gefärbt. Auf dem Boden stehen zerstreut einige Dapur,
das sind aus Lehm gebrannte Formen, auf welche Pfannen oder Töpfe
gestellt und mit Holz erwärmt werden. Hockend bearbeitet auf dem Boden
die Köchin die Speisen. In europäischen Küchen befindet sich jedoch
auf einen Meter hohen Mauern ein Dapur im Grossen mit vier bis fünf
Oeffnungen, auf welche die Töpfe und Pfannen gestellt und mit Holzfeuer
erwärmt werden.

Der Totaleindruck einer solchen Küche ist sehr ungünstig. Die
durch Rauch schwarzgefärbten Bambus-Wände harmoniren mit der
schmutzig-weissen Farbe der Dapurs und mit dem Schmutz und Abfällen,
welche sich rings um das Wasserreservoir aufhäufen, das sich in jeder
Küche befindet. Ich darf aber nicht das ordinäre Tischchen vergessen,
auf welchem die zahlreichen Schüsselchen der »Rysttafel« zubereitet
werden. Auf diesem liegen zahlreiche Kochlöffel, geschnitzt aus der
trockenen Schale der Cocosnuss, viele Futterschwingen in verschiedenen
Grössen zur Aufnahme von den diversen Gemüsesorten, einige kleine
Töpfchen für Pfeffer, Gewürznelken, Muskatnüsse, Salz u. s. w. und ein
kleiner Mörser aus Stein, in welchem diese gestampft oder zerrieben
werden. Zur Bereitung des Reises findet man überall den Kukusan und
Lumpang mit dem Tumbug. In diesem wird der Gâbah, d. i. der Reis, mit
seiner braunen Schale so lange gestampft, bis er zum Bras, d. h. Reis
ohne Schale (= Dedág), geworden ist. Der Dedág wird gerne den Pferden,
Kühen und dem Geflügel in’s Futter gemengt; sobald auch der Tumbug zum
ersten Male in den Lumpang fällt, eilen alle Hühner, Enten und Gänse
herbei, um den herausfallenden Dedág aufzupicken. Der Kukusan ist
ein aus Bambus oder Rottang geflochtener Kegel, in welchem der Bras
eingedämpft (nicht gekocht) wird. In einem grossen Topf, welcher die
bekannte Form eines Papierkorbes hat, wird nämlich das Wasser gekocht,
und dann wird der Kukusan mit dem Reis den Dämpfen des siedenden
Wassers ausgesetzt, welche durch die Lücken des Kegels dringen. Der
Reis ist jedoch vorher in einem gewöhnlichen Topfe in Wasser so weit
gekocht worden, dass die Körner halb weich geworden sind.

Die Dapurs wurden immer mit Holz gefeuert, es sei denn, dass die Köchin
Speisen verfertigen wollte, welche von allen Seiten, wie in unseren
Röhren, erwärmt werden mussten. In diesem Falle nahm sie eine Pfanne,
welche mit einer etwas kleineren Pfanne zugedeckt wurde. Auf den Deckel
wurde glühende Holzkohle gelegt, welche mit dem Fächer glühend gehalten
wurde, der zu den unentbehrlichsten Instrumenten einer malaiischen
Köchin gehört. Der Kochlöffel in der rechten und der Fächer in der
linken Hand sind ja die Insignien, welche im ganzen indischen Archipel
das Amt einer Kókki (M. = Köchin) verkünden.

Ich kam nur selten in die Küche; hier war die Domäne meiner
Haushälterin, welche eine Christin von der Insel Ambon war. Nur kurze
Zeit habe ich diese eingeborene Frau in meinen Diensten halten können,
weil sie trotz des christlichen Glaubens um kein Haar besser als alle
ihre mohamedanischen Colleginnen war.

Eines Tages nämlich theilte mir der Kutscher mit, dass während meiner
Abwesenheit ein +arabischer+ junger Mann im ganzen Hause den Herrn
spiele.

Einige Tage vorher hatte mir ein junger Araber spitzige Manila-Cigarren
zum Kaufe angeboten. Dies war mir damals aufgefallen, weil diese
Cigarren in Telók Betóng überhaupt nicht verkauft wurden und ich mir
von Batavia eine Kiste mit 500 Stück hatte kommen lassen.

Zu jener Zeit waren diese Cigarren wirklich ein sehr gutes aromatisches
Kraut; die kegelförmigen, an beiden Enden abgeschnittenen Cigarren
wurden beinahe ausschliesslich von den Europäern geraucht; sie kosteten
6 Ct. = 10 Pf. Seit dieser Zeit hat aus drei Ursachen der Import dieser
Cigarren bedeutend abgenommen. Zunächst entstand in Semarang (Java)
eine Fabrik von diesen Cigarren. Ein Herr Glaser liess aus Manila 60
Mädchen kommen und fabricirte von javanischem Tabak seine Cigarren in
derselben Form. Die Qualität der in Europa käuflichen Manila-Cigarren
ist thatsächlich zurückgegangen, weil, wie mir von mehreren Fabrikanten
mitgetheilt wurde, auch das Tabakblatt von Manila schlechter geworden
sei. Nebstdem hat der Import von Cigarren von Holland durch die
Einführung der Postpackete ungeheuere Ausdehnung genommen. Ich selbst
habe in den letzten zehn Jahren von holländischen Cigarrenfabrikanten
regelmässig in Postpacketen meine Cigarren bezogen; Zoll und Fracht
erhöhten den Preis der Cigarre nur um 1 Ct.

Als mir der Kutscher mittheilte, dass ein junger +Araber+ in meiner
Abwesenheit sich ganz ungenirt in meinem Hause bewege, da trat ein
fürchterlicher (?) Argwohn in mir auf. Sollte meine Haushälterin sich
nicht nur einen Geliebten halten, welcher zur gewissen Stunde des Tages
in meinem Hause die Rolle des Hausherrn spiele, nicht nur +meine+
Cigarren rauche, sondern sie auch stehle und die Frechheit habe, mir
dieselben Cigarren zum Kaufe anzubieten? Als ich nach Hause kam, liess
ich mir zunächst den Vorrath an Cigarren von meiner Haushälterin in’s
Schlafzimmer bringen, um wenn möglich aus der Zahl derselben eine
Bestätigung oder eine Entkräftigung dieses Argwohnes zu erhalten. Die
Rechnung stimmte nicht.

Ich ging nach der Küche, und da sass auf dem Boden derselbe junge
Araber, seine Rysttafel zu gebrauchen, welcher mir die »Punt-Manila«
vor einigen Wochen zum Kaufe angeboten hatte! Der arabische Don Juan
wollte sich zunächst als den Verwandten meiner Haushälterin ausgeben;
ich gab ihm jedoch keine Antwort und zeigte ihm den Ausgang des
Gartens, und zwei Stunden später nahm meine Haushälterin denselben Weg.
Wohlweislich unterliess ich es, die Polizei davon zu verständigen, weil
-- wer den Schaden hat, hat auch den Spott. Thatsächlich hatte diese
ganze Affaire einen starken Beigeschmack des Komischen.

Ich glaube nicht, dass auf ganz Java eine provinziale Hauptstadt
existirt, welche ein so kleines europäisches Publikum beherbergte
als Telók Betóng. Ein Resident, ein militärischer Kommandant im
Range eines Hauptmanns mit zwei Leutnants, ein Secretär, welcher
gleichzeitig die Agenda eines Notars führte, zwei Postbeamte, ein
Architekt und meine Wenigkeit waren nicht nur die Notablen des
Ortes, sondern auch die einzigen Europäer. Damals besass die ganze
Provinz keine einzige europäische Unternehmung[5]; der Pfeffer war
der einzige Export-Artikel, und hin und wieder kam Herr X. von der
grossen gleichnamigen Exportfirma auf Batavia zu uns, um den Ankauf der
Pfefferernte zu besorgen. Nicht einmal eine europäische Schule befand
sich in der ganzen Provinz. Der Detailhandel war in den Händen der
Chinesen, welche nicht aus Amoy stammen, von wo der grosse Strom der
Auswanderer nach Java geht. Sie hatten nämlich chinesische Frauen bei
sich, welche keine andere Sprache als die chinesische verstanden und
die wohlbekannten verkrüppelten Füsse zeigten. (Aus Amoy ist nämlich
das Auswandern der Frauen verboten und dieses die Ursache, dass man
auf Java nur halbchinesische Frauen sieht und die Frauen auf Sumatra
den Typus der echten Chinesen zeigen.)

[Illustration: Fig. 2. Ein Haus und eine Reis-Scheuer aus dem
Padangschen Oberlande.

(Vide Seite 42.)]

Natürlich befanden sich im Innern der Insel noch einige europäische
Beamte.[6] Diese konnten jedoch wegen der grossen Entfernung und der
mangelhaften Verkehrswege nur selten nach der Hauptstadt kommen.

Eine Ausnahme hiervon machte der Controleur von Tanjong Karang, welches
Dorf 4½ km von der Hauptstadt entfernt war. Der Weg dahin war im
Jahre 1882 in so schlechtem Zustande, dass es Ueberwindung kostete, den
Controleur N. und seine Frau zu besuchen. Man ging in der Regel mit
einem dos-à-dos dahin, weil kein anderer Wagen in der ganzen Hauptstadt
und in der ganzen Provinz sich befand, d. h. bis auf jenen Mylord,
welchen ich von Batavia mitgebracht hatte.

Nachdem ich allen Europäern in Telók Betóng meine Antrittsvisite
gemacht hatte, musste ich natürlich auch nach Tanjong Karang fahren.

Hier sah ich zum ersten und auch zum letzten Male eine Allee aus
lebendem Bambus. Natürlich hatte ich früher und später nur zu oft
Gelegenheit, Bambus im Urwalde zu sehen, umgeben von Kräutern,
Sträuchern und kleinen Bäumen; aber hier stand das Haus des Controleurs
am Ende einer gut erhaltenen und gut gepflegten Strasse, welche nur von
Bambusgruppen eingesäumt war. Sie, d. h. die Bambusgruppen, standen
so nahe bei einander, dass die ganze Allee von ihrem Laub überdeckt
war und einen herrlichen schattenreichen Spielplatz für die Kinder des
Controleurs bildete.

Um ½6 Uhr Abends war ich von Telók Betóng abgefahren, und als
ich das Haus des Gastherrn betrat, war die Sonne bereits hinter
dem Horizont in die Tiefen des Weltalls getaucht. Ich wurde in der
»Binnengallery« des Hauses empfangen und hinter mir wurde sofort die
Thüre geschlossen. Aber auch die Fenster dieses Saales waren nicht
geöffnet und blieben geschlossen, selbst als es bereits dunkel geworden
war, weil -- sich zwei Siamangs (Hylobates Syndactylus) im Hause frei
bewegten und die offenen Fenster zu ihren Spaziergängen in’s Freie
benutzen hätten können! Telók Betóng liegt 5° 20′ s. B., hat also eine
reine Tropentemperatur, und trotzdem liess der Herr X. den ganzen Tag
und den ganzen Abend sein Haus geschlossen, um seinen Affen die Flucht
in’s Freie unmöglich zu machen! Es waren wohlerzogene Hausgenossen,
welche uns im Gespräche nicht störten. Beide waren bereits erwachsen
(ungefähr 90 cm hoch) und beunruhigten mich in keiner Weise, weil ich
einige Jahre vorher die grauen Gibbons (Hylobates concolor) besass und
wusste, wie anhängliche und unschuldige Thiere die jungen Gibbons sind.

Ihre Zutraulichkeit kann natürlich manchmal auch lästig werden. Eines
Tages hatte der Herr X. den Secretär der Residentie zu Gaste. Einer
der beiden Siamangs griff mit seinen Händen in den Teller des Gastes,
um sich ein Stückchen Fleisch anzueignen. Der Herr Y. fand diesen
unappetitlichen Eingriff in seine Rechte geradezu unschicklich und
gab dem Affen einen Schlag auf seine diebische Hand. Die Hausfrau war
darüber so entrüstet, dass sie vom Tische aufstand, den Affen zu sich
rief und ihn zur Beruhigung küsste!

Mir ging es noch schlechter als dem Herrn Y.

Während dieses Besuches kamen auch die Kinder des Herrn X. zu mir, und
bei einem derselben fiel mir ein rother Rand der untern Augenlider
auf. Ich glaubte den Gastherrn darauf aufmerksam machen zu müssen.
Erschrocken bat er mich, die Augen näher zu untersuchen. Wegen der
spärlichen Beleuchtung schob ich meine Diagnose für den nächsten Morgen
auf, und als ich um 11 Uhr bei ihm erschien, fand ich eine granulöse
Augenentzündung. Bei der Besprechung der Vorsichtsmassregeln, welche
gegen die Uebertragung auf die Augen seines Brüderchens genommen werden
sollten, erwähnte ich entre autre auch der frischen Luft, welche
im Hause herrschen müsse, und dass zu allen Stunden des Tages und
Abends, in welchen die Sonne nicht direct die Vorgallerie bescheine,
Thüren und Fenster offen stehen müssten, d. h. in unserm Falle, da
diese nach Norden lag, schon eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang.
»Dies geschieht doch immer,« erwiderte hierauf Frau X. Als ich darauf
lächelnd bemerkte, mit Ausnahme von gestern, wo ich bei geschlossenen
Thüren und Fenstern empfangen wurde, rief sie erzürnt aus: »Dies ist
eine Lüge!« Ohne natürlich darauf nur ein einziges Wort zu erwidern,
stand ich auf und fuhr nach Telók Betóng zurück. Den andern Tag kam
der Herr X. mit seinem Söhnchen nach der Hauptstadt mit der Bitte,
das Auge seines Söhnchens in Behandlung zu nehmen, und versprach mir,
alle meine hygienischen Massregeln genau zu befolgen. Ich theilte ihm
aber mit, dass ich niemals mehr sein Haus betreten werde, und als er
mit Thränen in den Augen an meine Humanität appellirte, blieb ich
unerschütterlich, weil es doch nur eine Geldfrage war. Herr X. konnte
ja sein Söhnchen mit seiner Mutter nach Batavia schicken, wo er selbst
das Bene haben könne, von einem Specialisten sein Söhnchen behandeln zu
lassen.

Ich glaubte unerbittlich bleiben zu müssen, weil Frau X. überhaupt eine
hohe Kunst besass, sich unangenehm zu machen. Sie hatte vor ihrer Reise
nach Indien eine allzuhohe Auffassung von der Stellung ihres Mannes.
Die Eingeborenen trugen aus Gewohnheit und aus Politik diesem Factor
Rechnung. Diese Dame forderte dasselbe devote Entgegenkommen aber auch
von den europäischen Mitbewohnern von Telók Betóng.

Im Allgemeinen ist der Holländer in Indien sehr ceremoniell, und
gewiss haben (vor meiner Ankunft in Telók Betóng) die Officiere und
die übrigen Beamten auch dieser Dame gegenüber der Etiquette Genüge
geleistet. Als diese aber als »Europäerin« wenigstens dieselbe »hormat«
(= Ehrenbezeigung) forderte, als der Frau des Residenten gegeben wurde,
welche +nur+ eine Nonna (= Halbeuropäerin) sei, wurde ein Misston in
das Zusammenleben dieser kleinen europäischen Gemeinde gebracht und
diese Dame -- begann alles »Indische« zu verurtheilen. Alles war in
ihren Augen schlecht und gemein. Das »indische« Essen, die »indische«
Toilette, die »indischen« Officiere und die »indischen« Aerzte,
die »indischen« Früchte und die »indischen« Frauen u. s. w. Solche
Aeusserungen brachten sie natürlich noch mehr in den Gegensatz zu ihren
Colleginnen, und zuletzt stand sie ganz isolirt. Offenbar war der oben
erwähnte scharfe Ausdruck »Lüge« nur der Ausbruch einer erbitterten
Stimmung.

Dieser Fall steht nicht vereinzelt da. Wie der Herr X. vor seiner
Heirat ein verführerisches Bild von seiner Stellung in Indien seiner
Braut mit mehr oder weniger Recht entwarf und seine Frau sich
enttäuscht sah, als sie in’s Innere einer Insel sich versetzt sah, wo
ihr das gesellschaftliche Leben gar nichts bot, so geht es vielen
andern. Die Enttäuschung verleitet diese Menschen zu ungerechtem
Urtheil über indische Zustände.

Der Herr B. Veth, wenn ich nicht irre, der Sohn jenes Professors Veth,
welcher ein dickleibiges Buch über Java geschrieben hat, voll Liebe
und Entzücken für das reizende Java, hat vor einigen Monaten seine
Eindrücke über das Leben in niederländisch Indien veröffentlicht.
Beinahe möchte man aus diesem Buche das Echo aller jener verunglückten
Existenzen hören, welche in Indien ihre Ideale und Erwartungen nicht
realisirt sahen. Es ist aber so wenig objectiv gehalten und übertreibt
die Schattenseiten des Lebens in den Tropen in so hohem Maasse, dass er
überhaupt nichts Gutes aus dem Leben in N. Indien mitzutheilen weiss.
Nach 12jährigem Aufenthalt auf den Inseln des indischen Archipels
kehrte er nach Holland zurück und ergötzte sich beim Landen in Genua an
dem +Lachen+ eines Matrosen, das in Indien überhaupt der Europäer nicht
kenne?!! Wie ein dicker rother Leitfaden zieht durch das ganze Buch die
Mittheilung von dem +ekelhaften+ gemüth-, sitten- und geistlosen Leben
der Europäer, ohne auch nur ein einziges Mal Beweise dafür zu bringen.

       *       *       *       *       *

Am 15. Juni erschien im Hafen von Telók Betóng der Dampfer der
indischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft mit der gelben Flagge auf der
Spitze des Hauptmastes. Die Hafenwacht verständigte davon sofort den
»Hafenmeister«, und dieser wiederum schickte einen officiellen Bericht
an den Resident und liess mich dieses durch ein »Leitje« wissen, um
die etwaigen Befehle des Resident sofort ausführen zu können. Es war
4 Uhr Nachmittags, und sofort nahm ich mein Bad und kleidete mich an.
Nach den herrschenden Quarantainevorschriften -- die gelbe Flagge
annoncirte nämlich die Anwesenheit von ansteckenden Krankheitsfällen
auf dem Schiffe -- darf niemand das ankommende Schiff betreten oder
verlassen, bevor der Quarantaine-Doctor auf das Schiff gegangen ist
und mit dem Schiffskapitän die nothwendigen Maassregeln besprochen
und genommen hat. Kaum hatte sich der Anker des Schiffes in den Grund
gebohrt, so bestieg ich das Deck und sah auf seinem vorderen Theil
einen sterbenden Mann, der nach den Mittheilungen des Kapitäns und
eines an Bord sich befindenden Militärarztes an Cholera gelitten hatte.
Ob dies die richtige Diagnose gewesen sei, war in dem gegebenen Falle
ohne Bedeutung. Es war kein Passagier für Telók Betóng an Bord; die
Postsäcke und die Waaren, welche ausgeladen werden sollten, waren
mit den Entleerungen der Patienten nicht in Berührung gekommen; ich
schlug also vor, die Waaren auf das Land bringen zu lassen, niemandem
zu gestatten, das Schiff zu betreten und das Schiff sofort seinen Weg
fortsetzen zu lassen. Wie ich später hörte, waren bis zur Ankunft in
Atjeh (Norden Sumatras) im ganzen vier Cholera-Fälle vorgekommen.

Im Juni des Jahres 1882 herrschte die Cholera auf Batavia nicht mehr
epidemisch. Sporadische Fälle kommen zu jeder Zeit und überall auf Java
vor.

Früher machte man sich diesbezüglich die Diagnose sehr leicht und
behauptete einfach: Die sporadischen Cholerafälle sind keine Cholera
gewesen; es hat eben eine Verwechslung stattgefunden mit einer
Vergiftung von Arsenik oder mit jener perniciösen Form der Malaria,
welche unter dem Namen »febris perniciosa Cholerica« beinahe dasselbe
Krankheitsbild als die Cholera asiatica zeigt. Es giebt isolirt
stehende Fälle von Cholera, gerade wie ich vereinzelte Fälle von Pocken
beobachtet habe, und gerade wie in letzter Zeit vereinzelte Fälle
von Pest in Europa vorgekommen sind. Dass diese vereinzelten Fälle
kein epidemisches Auftreten veranlassten, ist bis jetzt ebensowenig
einwandsfrei erklärt worden, als warum in Europa zeitweilig die Cholera
kein Schlachtopfer fordert.

Mit dem unglücklichen Patienten, welcher sterbend auf dem Deck
lag, habe ich mich nicht beschäftigt, weil ein Militärarzt an Bord
war und die indische Dampfschifffahrts-Gesellschaft den Arzt immer
reichlich honorirte, wenn er, auf der Reise begriffen, den Matrosen
ärztliche Hülfe leistete[7], und desto mehr glaubte ich mich jedoch
mit diesem jungen Oberarzt beschäftigen zu müssen, der offenbar zum
ersten Male in seinem Leben einem Cholerafalle gegenüberstand und
ein Opfer der Choleraphobie[8] geworden war. Durch Cognac glaubte er
seinen aufgeregten Zustand, seine Praecordialangst und seine Furcht
bemeistern zu können. Rathlos lief er auf dem Deck auf und ab und
frug mich wiederholt, was er doch in diesem Falle zu thun habe. Was
die Schiffshygiene betreffe, konnte ich ihm unter den gegebenen
Verhältnissen nichts Besseres anrathen, als die Desinfection des
Schiffes dem Kapitän zu überlassen, der ein erfahrener Mann und
nebstdem auch diesbezüglich mit Instructionen und Arzneien versehen
sei; wenn jedoch seine ärztliche Hülfe verlangt werde, könne und möge
er sie den Patienten leisten, ohne zu fürchten, selbst ein Opfer der
Cholera zu werden. Er könne ja jede Berührung mit den Excrementen
vermeiden, und wenn durch Zufall dies doch geschehen würde, schütze ihn
die sofortige Reinigung vor einer Infection. Was den prophylaktischen
Gebrauch des Cognacs betreffe, müsse ich ihm aus der Erfahrung
mittheilen, dass nur kleine Dosen, z. B. 20-30 Gramm einen Werth
hätten, weil sie die Peristaltik des Magens anregen, dass jedoch
grosse Dosen, welche er bereits genommen zu haben scheine, schädlich
seien, weil sie die Acidität des Magens abstumpfen. Nun, mit diesem
wohlgemeinten Rath ging es mir schlecht. »Ich bin ein Holländer,«
erwiderte er hierauf, »und ich trinke wie viel ich will, und ich lasse
mir von niemand etwas vorschreiben.« Ich versicherte ihn, dass ich
keinesfalls beabsichtigte, ihn in seiner persönlichen Freiheit zu
beschränken, und verliess das Schiff. Wie mir einige Wochen später der
Schiffskapitän mittheilte, hatte dieser Arzt, der jetzt nicht mehr
unter den Lebenden weilt, sofort nach meiner Abfahrt von dem Schiffe
den Schiffskapitän gebeten, ihn durch sein Boot an’s Land bringen zu
lassen, weil er mich zum Duelle fordern müsste.

       *       *       *       *       *

Erst in der Mitte des Monates Juli bekam ich Gelegenheit, auch das
Innere des Landes kennen zu lernen, und ich machte um so lieber davon
Gebrauch, als ich bis nun nicht weiter als bis Tanjong Karang, d. i.
5 km hinter der Hauptstadt, gekommen war. Der Resident sollte eine
Inspectionsreise nach dem nördlichen Grenzbezirk Tulang Bavang mit
der Hauptstadt Menggala machen und lud mich ein mitzugehen, weil noch
niemals der dortige Vaccinateur controlirt wurde. Er würde mir zu
diesem Zwecke den im Hafen liegenden Gouvernementsdampfer »Berouw«
zur Verfügung stellen. Er selbst wolle und müsse den Landweg nehmen,
um gleichzeitig sich von dem Zustande der Wege und der zwischen der
Residenzhauptstadt und Menggala gelegenen Bezirke überzeugen zu können.
Natürlich musste zunächst der Landescommandirende, welcher den Rang
eines Hauptmannes bekleidete, um die Erlaubniss angegangen werden, und
dieser wiederum gab die Zustimmung für den Fall, als ich selbst den
allgemeinen Gesundheitszustand der Truppen für günstig erklären könne
und nach menschlicher Berechnung kein dringendes ärztliches Eingreifen
in den nächsten Tagen meine Anwesenheit unerlässlich mache.

Wenn auch die gesetzlichen Bestimmungen für einen solchen Fall gesorgt
haben und bestimmen, dass der Platzcommandant im Verhinderungsfalle des
Garnisondoctors den täglichen Krankenrapport halten solle, und wenn
auch im Marodenzimmer[9] sich nur drei Patienten mit Hautkrankheiten
befanden, so verliess ich doch nur mit einiger Unruhe für einige
Tage meinen Standplatz. Ich besass nämlich damals einen kleinen
Siamang, welcher bereits domesticirt war und sich mit meinem Bedienten
bereits befreundet hatte; nebstdem hatte ich kurz vorher einen
Lampongaffen[10]! erhalten, welcher gelernt hatte, die Cocosnüsse
von dem hohen Palmenbaume auf Verlangen herunterzuwerfen. Dies war
eines der grössten Exemplare mit grossen Schlagzähnen. Wenn er seine
Unzufriedenheit durch Aufheben der Oberlippe zeigte, flösste er
geradezu Schreck und Furcht ein. Er hatte um den Bauch einen Riemen
und war mit diesem durch einen Strick an einer Stange befestigt, auf
welcher eine Kiste seinen Käfig bildete. Hin und wieder geschah es,
dass er sich der Fesseln zu entledigen wusste. Dann eilte er jedesmal
nach der Küche und bedrohte die weiblichen Bedienten. Jedesmal war es
mir gelungen, sie rechtzeitig vor seinen scharfen Zähnen zu schützen.
Wenn sie auch immer einen fürchterlichen Lärm schlugen, sobald der
Affe in der Küche erschien und zwar geradezu mit einem drohenden
Gesichtsausdrucke, so deuteten sie den Angriff in ganz anderer
Weise als ich. Sie liessen mich glauben, dass dieser Angriff ihren
körperlichen Reizen gelte -- es war ein Männchen -- und dass sie sich
nur aus diesem Grunde durch Schreien und Lärmen ihn vom Leibe halten
wollten. Dies wollte mir niemals einleuchten, und darum fürchtete ich,
dass in meiner Abwesenheit dieser wilde Kumpan ein Unglück anrichten
könnte.

Eine grössere Beunruhigung verursachte mir natürlich der Gedanke an
die Möglichkeit, dass in meiner Abwesenheit entweder die Cholera
ausbreche oder jemand sich den Fuss breche u. s. w. Sehr bald hatte
Hauptmann X. meine diesbezüglichen Befürchtungen entkräftet und zwar
mit den richtigen Grundsätzen, dass man im praktischen Leben nicht
mit allen »möglichen« Fällen rechnen dürfe, sondern dass man nur die
»wahrscheinlichen« Ereignisse im Auge halten müsse.

Die »Residentie« (= Provinz) Lampong hat zwei grosse Strassen und
zahlreiche Pfade; die eine grosse Strasse geht beinahe in einer geraden
Linie von der Hauptstadt bis nach Menggala, dem Ziele unserer Reise,
und ist ungefähr 120 km lang. Bis zum Gunung Sugi, also ungefähr 55 km
lang, geht dieser Weg über Berg und Thal und zieht sich in dem zweiten
Theil auf der Ebene dahin. Diesen Weg nahm der Resident und zwar in
einem dos-à-dos, welcher von einem und stellenweise von zwei Pferden
gezogen wurde. In seiner Begleitung befand sich der Architekt und ein
Polizeidiener.

Ich selbst erhielt in einem officiellen Brief das Ersuchen des
Residenten, im Vaccine-Distrikte Menggala die Impfresultate des
dortigen Vaccinateurs aufzunehmen und zu diesem Zwecke mit dem
Regierungsdampfer »Berouw« am 14. Juli mich dahin zu begeben. Der
Controleur des Bezirks habe bereits Befehl erhalten, mir bei der
Inspection jedwede Hülfe zu leisten, d. h. zu sorgen, dass mir eine
grosse Zahl von Eingeimpften vorgeführt werde und zwar so viel als
möglich aus der jüngsten Zeit. Schönes Wetter begleitete uns auf
der Fahrt längst der westlichen Küste der Halbinsel vor Katimbang,
welche ein Jahr später so fürchterlich durch den Ausbruch des
Krakatau gelitten hatte.[11] Bald bekamen wir die Spitze des Radja
Basa (1341 Meter hoch) zu Gesicht, zogen bei der Schweinsecke und
zwischen den Zutpheninseln hinaus in die Javasee. (Auch die Ostküste
dieser Halbinsel wurde von dem wüthenden Elemente des Krakatau schwer
heimgesucht; bis zur Nähe der Nordinsel wurde die Küste rasirt.) Wenn
wir auch im Hintergrunde die Gebirge der Westküste vor uns vorbeiziehen
sahen, so war doch die ganze Küste vom Vorgebirge Tua = Schweinsecke
bis zur Mündung[12] des Menggalastromes flach und zum grössten Theil
sumpfig. Die Sumpfvegetation begleitete uns bis an’s Ziel der Fahrt.
Den folgenden Vormittag kurz vor 12 Uhr, also nach einer Fahrt von
29½ Stunden, liessen wir in Menggala den Anker fallen. Sofort begab
ich mich zum Controleur X., welcher mir Gastfreundschaft anbot. Auf der
Reise hatte ich gehört, dass der Schiffskapitän von dem »Berouw« und
der Controleur nicht gut aufeinander zu sprechen wären. Dieses Factum
nahm keinen Einfluss auf meinen Entschluss, von dem gastfreundlichen
Anerbieten keinen Gebrauch zu machen. Einerseits war ich auf dem
Schiffe gut geborgen, wofür übrigens der Schiffskapitän der Regierung
7 fl. pro Tag in Rechnung brachte, anderseits hatten, wie mir der Herr
X. selbst mittheilte, schon zahlreiche Gäste sich bei ihm eingefunden,
und ich zögerte also, mehr als nöthig zu incommodiren. Das gespannte
Verhältniss zwischen diesen zwei Herren sollte sich bald auch in
publico zeigen. Zunächst erfuhren wir, dass der Resident noch nicht
angekommen sei und dass bei dem Wedono ungefähr 500 Mädchen versammelt
seien, welche späterhin das Fest der »Mulis« aufführen sollten;
unterdessen könnte ich die Arbeit der Vaccinateurs controliren.

[Illustration: Fig. 3. Ein Mädchen aus dem unabhängigen Korintji.

(Vide Seite 57.)]

Die Wohnung des Controleurs war 1 km von der des Wedono entfernt. Ich
ging also in Begleitung zweier Schiffsofficiere auf den Marsch. Der
Vaccinateur erwartete mich mit seinen Rapporten in der »Pendoppo«
des Häuptlings. Sein jeweiliger Standplatz wird von dem Residenten
im Einvernehmen mit dem »Inspector des civilärztlichen Dienstes« in
Batavia geregelt. Der Resident jeder Provinz lässt nämlich von seiner
Provinz eine Impfungskarte anlegen, welche so eingerichtet ist, dass
der Vaccinateur jeden Tag der Woche in einem andern Kampong sich
aufhält. Die rings um dieses Centrum gelegenen Dörfer schicken ihre
neu zu impfenden Kinder dahin und der Vaccinateur wählt aus den in der
vorigen Woche mit gutem Erfolg eingeimpften Kindern 2-3 Kinder aus,
welche gegen eine Vergütung der Reisekosten u. s. w. im benachbarten
Centrum abgeimpft werden. Wie ich schon im Theile »Borneo« Seite 189
mittheilte, ist im Allgemeinen der Vaccinateur oder, wie er malaiisch
officiell genannt wird, der »Mantri Djadjar« the right man on the right
place; die Unkosten der Vaccination sind nicht hoch und der Segen der
Vaccination hat bis nun nicht nur ganz Java, sondern auch einen grossen
Theil Sumatras von der Geissel schwerer Blatternepidemien befreit.

Mit den Rapporten in der Hand besichtigte ich zunächst alle kleinen
Kinder, welche vor 8 und vor 14 Tagen zum ersten Male eingeimpft
waren. Beinahe kein einziger Fall befriedigte mich; ich sah nur
grössere oder kleinere Geschwüre, welche ich unter andern Umständen
geradezu für specifisch hätte halten müssen; selbst jene Impfstiche,
welche erst 8 Tage alt waren, waren weder Knötchen noch Bläschen, wie
ich es nach der Dauer der Impfung erwartete. Hierauf kamen die 500
Mulis = die Töchter der Häuptlinge zur Inspection; jede hatte 2-3
Narben auf der äusseren Seite jedes Oberarmes. Die Narben waren aber so
gross und stark strahlenförmig, dass sie mich zur Frage zwangen, ob sie
wohl noch wüssten, wie lange es gedauert hatte, bevor die Impfpusteln
geheilt waren; nur einige dieser Mädchen wussten es noch, weil sie erst
im reiferen Alter zum ersten Male eingeimpft waren. »Einige Wochen« und
»einige Monate« waren die stereotypen Antworten. Diese lange Dauer der
Heilung correspondirte mit den Geschwüren, welche ich bei der jüngsten
Impfung gesehen hatte, und ich beschloss, wenn auch nicht auf ganz
wissenschaftlicher Basis, radicale Abhülfe zu schaffen. Unterdessen
war nämlich der Resident angekommen. Ich ging in die Pendoppo, um
ihn zu begrüssen und ihm von dem Ergebniss meiner Inspection Bericht
zu erstatten. Das Programm der weiteren Festlichkeiten sollte und
konnte keine Störung erfahren; ich selbst sollte ja den folgenden Tag
wieder nach Telók Betóng zurückkehren; ich hatte also weder Zeit noch
Gelegenheit, mich mit dieser Sache an diesem Tage noch zu beschäftigen,
um eine richtige Diagnose dieser Geschwüre aussprechen zu können.

Als aber der Resident mich frug, welche Vorschläge ich einreichen
würde, wenn nach einer kunstgerechten Untersuchung die +ungünstigste+
Diagnose dieser Geschwüre gestellt werden müsste, gab ich 3 Punkte
an. 1. Sollte die weitere Abimpfung von Kindern vorläufig eingestellt
werden. 2. Sollte sofort um Zusendung neuen Vaccinestoffes von Batavia
ersucht werden. 3. Sollte der Vaccinateur die Zwischenzeit in der
Hauptstadt sich aufhalten und unter meiner Aufsicht die Vaccination
der Kinder vornehmen, um auch die Anforderungen der Reinlichkeit und
Antisepsis kennen zu lernen. Zu meiner Ueberraschung erklärte der
Resident meine Vorschläge für angenommen und ertheilte sofort die
diesbezüglichen Befehle. Einige Tage später berichtete ich hierüber an
den Sanitätschef in Batavia, welcher mir den Dank der Regierung für
meine energischen Maassregeln aussprach.

Während meiner Unterredung mit dem Residenten, an der natürlich sich
auch der Controleur betheiligt hatte, waren vor der Pendoppo die 500
Mulis mit ihren Vätern angetreten, um uns nach dem Festplatze zu
begleiten, welcher sich bei dem Hause des Controleurs befand. Den Zug
eröffneten die Häuptlinge; sie waren ohne Schuhe, trugen weisse Hosen,
hatten um die Hüfte einen kurzen Sarong geschlungen, ihr Oberkörper
war mit einem kurzen Sammtröckchen bekleidet, welches zahlreiche aus
Gold gestickte Blumen hatte, und ihr Kopfhaar war nach malaiischer
Sitte in ein ebenso kostbares Kopftuch eingewickelt. Die Mulis waren
wie indische Bajaderen reichlich geschmückt, und wie mir ein arabischer
Priester mittheilte, betrug der Preis des Schmuckes oft 2000 fl.
Der Rand des Sarongs war von den meisten mit Ryksdaaldern benäht (à
2,50 fl. = 4¼ Mark) und der Salindang von einzelnen hatte am vordern
Rande eine Reihe von Goldstücken im Werthe von je 10 fl. = 16½ Mark.
Die Nägel ihrer Hand staken in langen spitz zulaufenden Köchern aus
Silber; über die Brüste schlang sich ein goldener Gürtel und auf dem
Kopfe trugen sie eine mit Goldblech belegte Krone (Fig. 1). Es machte
auf mich einen eigenthümlichen Eindruck, hinter einer Schaar von
kleinen (1,15 Meter hohen) braunen Mädchen zu schreiten, welche durch
ihre entblössten braunen Schultern und Rücken, ich weiss nicht mehr
durch welche Ideenverbindung es geschah, an eine Heerde fetter Schafe
erinnerte.

Als wir auf dem Festschauplatze ankamen, spielte sich eine jener
kleinlichen Reibereien ab, welche ceteris paribus in allen Colonien der
Welt mit der Anwesenheit junger Beamten verbunden sind. An und für sich
sind es ja keine staatenbewegenden Ereignisse oder Principienfragen,
welche das Aufeinanderstossen der verschiedenen Würdenträger
veranlassen; sie schaffen aber Zwist und Verbitterung, deren Folgen
manchmal selbst »politische Fehler« genannt werden müssten. Doch ad rem.

Der Boden war mit Matten bedeckt und zwei Faulenzerstühle und zwei
gewöhnliche Sessel waren für die »Autoritäten« reservirt. Der Resident
bot mir den Sitz zu seiner Rechten an. Leider habe ich den tiefen (?)
Grund dieser Selbstverleugnung des Residenten nicht verstanden und
mich dadurch der seltenen Gelegenheit beraubt, das ganze Fest der
Mulis sehen zu können. Nachdem ich mehr, als es sich thatsächlich
vertheidigen liess, gegen diese unverdiente Ehre protestirte, setzte
sich endlich der Resident nieder, und ich nahm zu seiner linken Seite
Platz. Hierauf erschien die angesehenste Muli mit einem Päckchen
Cigaretten in der Hand und einer brennenden im Munde. Während sie
eine Cigarette an der letzteren anzündete, offerirte sie diese dem
Residenten, ging bei mir vorbei und offerirte dem Controleur von
Menggala und seinem Gaste, seinem Collegen von Seputi, ebenfalls eine
brennende Cigarette. Als eine zweite und eine dritte Muli dasselbe
wiederholten, bestand in mir kein Zweifel, dass dieser Vorgang
programmgemäss sich abspielte und dass der Resident aus diesem Grunde
mir den Ehrenplatz angewiesen hatte. Diese Ehrenbezeigung sollte nur
den Beamten als den Vertretern der Regierung erwiesen werden. Ich
frug also den Controleur, ob auf seine Anordnung die Mulis an mir
vorbeigingen, ohne auch mir eine Cigarette anzubieten; ja, rief er
stolz aus, denn diese Hormat (= Ehrenbezeigung) kann doch nicht auch
einem Maschinisten geboten werden. (Der Schiffscapitän stand mit
seinen Officieren hinter uns.) Diese Bestätigung meiner Vermuthung,
dass nur den Beamten von den Eingeborenen »Hormat« geleistet werden
sollte, entrüstete mich so, dass ich aufstand und dem Residenten
mittheilte, dass Kopfschmerzen mich verhinderten, weiter an dem Feste
theilzunehmen, und den hinter mir stehenden Schiffscapitän ersuchte,
mit mir auf das Schiff zurückzukehren. Ich war damals 32 Jahre alt,
also zu jung, um mit Gleichmuth eine absichtliche Zurücksetzung
gegenüber einem jungen Mann von 22 bis 23 Jahren aufzunehmen; ich war
aber auch schon zu alt, um die Ursache dieser Zurücksetzung in mir zu
suchen, und heute drängt sich die Frage in mir auf, ob denn der modus
vivendi der jungen Beamten gar so tadelnswerth sei. Den Eingeborenen
gegenüber sind sie die Vertreter der Regierung, dies wird niemand
bezweifeln; dass sich in der Brust eines 22- bis 25jährigen jungen
Mannes das Selbstvertrauen unter dem Einflusse der Verhältnisse zu
einer Ueberhebung steigere, möge man ihnen ruhig gewähren. Diese
Beamten haben ja, wenn sie nicht verheirathet sind, im Innern des
Landes eine isolirte und auch an vielen Gefahren exponirte Stellung.
Für viele Jahre sind sie den Wohlthaten eines civilisirten und
gesellschaftlichen Lebens entrückt. Die eingeborenen Häuptlinge, mit
denen sie verkehren, üben aus Gewohnheit und vielleicht noch mehr
aus Opportunitätsrücksichten die grösstmögliche Schmeichelei und
Unterwürfigkeit diesen Beamten gegenüber. Dies ist eine Entschädigung
für die Entbehrungen, denen diese jungen Männer ausgesetzt sind. (Wie
oft haben sie monatelang kein Stückchen Brot gesehen?) Ich kann ja aus
eigener Erfahrung bestätigen, dass sie späterhin diesen Grössenwahn
ablegen, und mit sehr viel Vergnügen erinnere ich mich noch heute der
zahlreichen angenehmen, liebenswürdigen Männer, welche sich in den
höheren Regionen der indischen Beamtenwelt befinden. Ich habe z. B.
1½ Jahr später im Innern Sumatras um 11 Uhr meine Antrittsvisite bei
dem Controleur gemacht, welcher zufällig die Häuptlinge seines Bezirkes
um sich versammelt hatte. Ich war damals schon Regimentsarzt, also im
Range viel höher als er; ich war vielleicht um 12 Jahre älter, und doch
erhob er sich nicht von seinem Sessel, als ich eintrat, drehte nicht
einmal den Kopf um, sondern lud mich mit einer seitlichen Bewegung der
Hand ein, mich zu setzen. Späterhin lernte ich ihn als einen gebildeten
und thatsächlich höflichen Mann kennen. Eines Tages glaubte ich, ihn
bei einem Gläschen Wein über diesen eigenthümlichen Empfang in ruhiger
Weise interpelliren zu müssen. Ja, sagte er, dies ist richtig; aber
ich war »im Dienste«. Nun, alte Männer können auch unangenehme Seiten
haben; lassen wir den jungen Leuten den Stolz als schönes Vorrecht
ihrer Jugend!

Noch heute bedauere ich es, dass ich durch diesen Zwischenfall der
seltenen Gelegenheit mich selbst beraubt habe, einem solchen Feste
der Eingeborenen Sumatras bis zu seinem Ende beiwohnen zu können.
Abends machte ich mit den Officieren des »Berouws« eine Visite bei dem
Schreiber des Controleurs, welcher der zweite und letzte Europäer des
Ortes war, betheiligte mich an dem Souper, welches der Controleur zu
Ehren seiner Gäste gab, und den nächsten Tag verliessen wir zu Schiff
Menggala, während der Resident wiederum über Land seine Rückreise
antrat. Circa 11 Uhr des zweiten Tages kamen wir in Telók Betóng an.
Am Ufer stand mein Bedienter mit dem kleinen Siamang auf dem Arm.
Ein lauter Freudenschrei, U--U, durchdrang die Lüfte, als der kleine
Affe mich auf dem Schiffe erblickte; er sprang auf den Boden und lief
unruhig auf dem Ufer auf und ab und hielt seine langen Arme über seinem
Kopfe beinahe in einem Halbkreis gebogen.

Mit einem Kahn musste ich mich an’s Ufer bringen lassen, weil damals
noch keine Pier bestand. Kaum hatte ich dieses betreten, so stiess mein
kleiner Hausfreund wieder einen Freudenschrei aus, sprang auf meinen
Arm und legte seinen Kopf gegen meine Wange.

Zu Hause angekommen, fand ich einen Araber auf mich warten, welcher
mir einen kleinen Elephanten, einen jungen männlichen Siamang und
einige Seeigel und Seesterne zum Kaufe anbot. Für den Elephanten
verlangte er 50 fl. Dieser Betrag war nicht zu hoch; ich konnte mich
aber nicht entschliessen, den kleinen Elephanten zu kaufen, weil ich
wusste, in kurzer Zeit diese Garnison verlassen und nach Batavia gehen
zu müssen, wo ich zur Erlangung des höhern Ranges ein Examen ablegen
sollte. Der Transport eines solchen kleinen Hausthieres ist immer mit
Schwierigkeiten verbunden. Da ich mit aller Wahrscheinlichkeit nach
dem Examen von Batavia wieder nach irgend einem anderen Theile des
indischen Archipels transferirt werden würde, hätte der kleine Elephant
mir sehr grosse Auslagen durch die Transportkosten verursacht. Der
Araber theilte mir nebstdem mit, dass er mit Reis und Gras gefüttert
werden müsse. In Batavia muss nicht nur der Reis, sondern auch das Gras
gekauft werden; ein kleiner Elephant hat einen sehr regen und grossen
Appetit; ich hätte also täglich für sein Futter ungefähr 1 fl. bezahlen
müssen, während ein paar Pferde nur um 30 Ct. täglich an Reis und Gras
verzehren.

Ich kaufte von dem Araber also nur für meinen kleinen Hausfreund
seinen Kameraden, die Seeigel, Seesterne und eine grosse Zahl von
Muscheln. Auch hatte er in einer Petroleumbüchse (von 18 Liter) in
Seewasser zahlreiche Quallen, welche, wie er mir erzählte, von den
Küstenbewohnern gegessen würden, von dessen Richtigkeit ich mich
einige Tage später überzeugen konnte. Austern sind ja auch für den
europäischen Gaumen eine Leckerei; warum sollten diese Quallen den
Lampongern nicht behagen?

       *       *       *       *       *

Meine Reise in’s Innere dieser Provinz hatte keinen grossen Erfolg.
Die Zeit war zu kurz, um in das Leben, die Sitten und Gebräuche der
einheimischen Bevölkerung einen richtigen Einblick zu bekommen, und
thatsächlich sind meine Aufzeichnungen, welche ich damals machte,
nichts mehr als Aphorismen, welche ich den Mittheilungen der Häuptlinge
verdanke und welche von dem Controleur bestätigt wurden.

Die Lampongsche Sprache ist ein Dialekt, welcher mehr mit der
sundanesischen als mit der eigentlichen malaiischen Sprache Mitten
Sumatras verwandt zu sein scheint; ich war dieses Dialektes
nicht mächtig und sprach mit den Häuptlingen den sogenannten
Kasernen-malaiischen Jargon, mit welchem man ja auf allen Inseln des
indischen Archipels in der Regel auskommt.

Es überraschte mich zu hören, dass sie ein Alphabet besitzen (eine
Abart des Sanskrit), und dass nicht nur die Häuptlinge, sondern auch
der grösste Theil der Bevölkerung lesen und schreiben können; aber noch
mehr Verwunderung zeigten die Häuptlinge, als sie von mir hörten, dass
es europäische Völker gäbe, unter welchen sich 30 bis 40% Analphabeten
befänden. Zum Schreiben benutzten sie früher Lontarblätter, Bambus und
Bast; gegenwärtig sind natürlich Papier und Stahlfeder allgemein im
Gebrauch.

Ihre literarischen Producte bestehen in Klageliedern (hiwang), in
grossen Erzählungen (sarambay), in Liebesliedern (wajak) und in
Märchen, während einige Zwerghirscherzählungen nur mündlich sich
fortpflanzen.

Ihre Häuser stehen auf Pfählen, sind mit pittoresken Figuren in Holz
geschnitten oder gemalt versehen und bestehen bei dem »kleinen Mann«
aus Bambusmatten und bei den Häuptlingen aus Brettern.

Ich glaube nicht, dass irgend ein Volk in Europa einen so zahlreichen
Adel besitzt, als er in dieser Provinz Sumatras gefunden wird. Schon im
15. Jahrhundert sollen die Lamponger Unterthanen des Sultans von Bantam
(West-Java) gewesen sein, und seit dieser Zeit haben ihre Fürsten aus
der Eitelkeit der Lamponger ein einträgliches Geschäft gemacht; als
im Jahre 1752 die »Lampongschen Distrikte« die Lehnsherrschaft der
»indischen Compagnie« anerkannten, im Jahr 1808 unter Daendels dem
Sultan von Bantam abgenommen wurden und erst im Jahre 1856 durch einen
Sieg über die Häuptlinge Hadji Wacha, Wak Mas und Raden Inten in den
ruhigen Besitz des holländischen Staates kamen, kannte kein Lamponger
ein grösseres Glück, als ein Pangkat (= Rang oder Titel) zu besitzen,
den er um theueres Geld von dem Sultan und mit kostbaren Festmählern
erstehen konnte. Solche adelige Titel waren: Pangeran, Radèn, Dalem,
Temanggung, Sutan, Ngabéhi Mas für Männer und Anggin, Mas Inten, Owoq,
Dalem Ratu für verheirathete Frauen.

Zu den adeligen Insignien gehören die Papadun, die Sesako und die
Lawang Kori. Die Papadun ist ein hölzerner, mit Gold und Silber
beschlagener Divan, und die Sesako eine Rückenlehne aus demselben
Material. Die Lawang Kori ist eine Ehrenpforte bei dem Hause, welche
häufig und zwar bei allen festlichen Gelegenheiten benützt wird,
während die beiden andern nur bei dem Festmahle gebraucht werden,
welches zu Ehren der Erhebung in den Adelstand[13] gegeben wird.
Originell ist die Titi Kaki djalma. Viele Frauen bemühen sich nämlich,
das Recht zu erhalten, mit den Füssen auf den Rücken eines Mannes sich
zu stützen, wenn sie auf einen Tragestuhl in die Sesat (= Gemeindehaus)
getragen werden und dort aussteigen. Andere »Stiftsdamen« dürfen
kupferne oder silberne Krüge, Schüsseln, welche auf einer Matte stehen,
bei ihren festlichen Gängen auf dem Boden vor sich ziehen lassen.
Natürlich sind die Farbe und der Schmuck des Pajung (Sonnenschirm),
welcher über ihrem Haupte getragen wird, ebenso deutliche Zeichen ihres
Adels als bei den Häuptlingen auf Java.

Auf diese kleine ethnographische Skizze beschränkt sich mein Wissen von
den Sitten und Gebräuchen der Lamponger.

Warum ich damals nur wenige Kröpfe gesehen habe, obwohl oft behauptet
wird, dass in dieser Gegend und in dem benachbarten Palembang 16-80%
(?!) der Bevölkerung diese Geschwulst am Halse besitzen sollen, ist mir
nicht bekannt. Sollte gerade in diesem Districte die unterste Grenze
dieser statistischen Behauptung sich befinden?

[Illustration: Fig. 4. An den Ufern des Musistromes (= Fluss Palembang).

(Vide Seite 58.)]



2. Capitel.

  Deutsche Soldaten -- Ein Mörder (?) -- Im Werbedepot -- Ein Eremit --
  Elektrische Diagnosen -- Ein Erdbeben -- Schutzbrillen -- Sandalen --
  Punka -- Eine Menagerie -- Chemisch reines Trinkwasser in den Lianen
  -- Mein Name wird ominös -- Telegraph und Elephant -- Der Arzt in den
  Colonien -- Eine wohlthätige Fee -- Meine Abreise von Telók Betóng --
  Grösse von Sumatra.


Die holländisch-indische Armee war vielleicht ein Jahrzehnt lang
geradezu eine Fremdenlegion zu nennen. Das »fremde Element« war oft
so stark vertreten, dass z. B. die Schweizer allein in Semarang
eine Meuterei in Scene setzen konnten, welche 24 Stunden lang die
ganze Stadt in Furcht und Sorge versetzte. Ich selbst hatte wirklich
interessante Begegnungen mit deutschen und österreichischen Soldaten,
Unterofficieren und Officieren.[14] Auch in Telók Betóng befand sich
ein Sergeant in Garnison, der durch seine allgemeine Bildung hoch über
das Niveau seiner Kameraden hervorragte. Ich nahm keinen Anstand, ihn
bei mir zu empfangen und mit ihm zu verkehren, obwohl ich zwei Jahre
vorher (und auch späterhin) wirklich unangenehme Erfahrungen mit den
»Landsleuten« gemacht hatte. (Meine Naturalisirung zum Holländer war
jedoch durch diese unangenehmen Erfahrungen weder beeinflusst noch
bedingt.)

Vor 25 bis 30 Jahren strömten zahlreiche junge Leute nach Harderwyk,
dem Werbedepot der colonialen Armee, und viele von ihnen fanden
nicht nur eine gesicherte Existenz, sondern kamen nach Verlassen des
militärischen Dienstes auch zu Wohlstand und selbst zu Reichthum.
In der holländischen Armee erfreuten sich die deutschen Soldaten
einer besonderen Werthschätzung, und ausnahmslos hörte ich von allen
holländischen Officieren, die ich darüber interpellirte, diese als
die besten Elemente der Armee bezeichnen; ich verstehe also nicht,
wie Carthaus ein so düsteres Bild von dem Leben eines deutschen
Soldaten in dieser Armee entwerfen konnte. (Vide: »Aus dem Reiche von
Insulinde« von Dr. Emil Carthaus, VII. Capitel.) Ja noch mehr. Ich
hatte Gelegenheit, einen Corporal zu sprechen, welcher s. Z. in der
Fremdenlegion von Frankreich und zwar in Tonkin gedient hatte. Die
Behandlung durch die Officiere und die ganze Verpflegung, deren sich
der »Fremde« in der holländischen Armee erfreue, könne nicht einmal
mit der in der französischen Armee verglichen werden, sagte mir dieser
Corporal. Unter den Holländern fühle er sich heimisch und führe ein
sorgloses Leben, während er in Tonkin oft den Tag verflucht habe, an
welchem er sich in die Fremdenlegion Frankreichs aufnehmen liess.

Diese kurzen Mittheilungen über die »Fremden« in der holländischen
Armee mögen die Einleitung zu dem folgenden Capitel sein, ohne dass
ich nur andeutungsweise verrathen will, wie viel davon Wahrheit und
wie viel davon Dichtung sei. Das Thatsächliche ist dem +Lebenslaufe
mehrerer+ Collegen entnommen.

Auf dem Wege zwischen Telók Betóng und Tanjong Karang stand ein
Haus, welches sich in vieler Hinsicht von dem gewöhnlichen Typus der
indischen Wohnung unterschied; es wurde von einem hochbetagten Greise
bewohnt, von welchem die seltsamsten Dinge erzählt wurden. In seiner
Jugend soll er als Mediciner in Deutschland die tollsten Streiche
ausgeführt haben; auf dem Mensurboden war er geradezu gefürchtet. Eines
Tages fiel sein Gegner, am linken Arme verletzt, zu Boden, und in
seiner Wuth sah unser jetziger Eremit nicht das an dem Arme strömende
Blut. Er stiess dem Verwundeten den Stahl in’s Herz und mit einem
Aufschrei der Entrüstung schleuderte ihn sein eigener Secundant in
die Ecke des Saales. Während der anwesende Arzt ohne Erfolg sich mit
dem unglücklichen Gegner beschäftigte, traten die vier Secundanten
sofort zu einer Berathung zusammen. Der »Mörder« stand unterdessen
regungslos an der Mauer angelehnt. Nach wenigen Minuten erschien jeder
der vier Secundanten vor ihm, spuckte vor ihm aus, und zuletzt kam der
behandelnde Arzt, führte ihn zu der Leiche seines Gegners und zeigte
ihm die Wunde am linken Arm. »Sie Schuft« waren die einzigen Worte,
welche er sprach, und spuckte ebenfalls vor ihm aus. Sofort ging Dr. X.
nach Haus, packte seinen Koffer ein und verliess die Universitätsstadt
L. Ohne Aufenthalt reiste er bis Harderwyk, um sich dort als gemeiner
Soldat in die indische Armee einreihen zu lassen.

Ein junger Mann, der damals mit dem Postwagen nach Harderwyk kam und
nach dem Werbedepot frug, war zwar keine auffallende Erscheinung,
aber eine herrliche Beute für die damals in Hülle und Fülle lauernden
Werber, vulgo Hyänen genannt. Vor einer Taverne hielt der Wagen still
und unser Aesculapius fiel natürlich sofort in das Netz eines solchen
»Blutsaugers«. Ein ausgedienter Corporal trug ihm den Koffer in die
mit Rauch und Qualm gefüllte Schankstube und bot sich als Führer in
Harderwyk an. Dr. X. liess für sich und seinen Cicerone ein Gläschen
Schnaps geben und erfuhr von dem Wirthe, dass sein Führer 6 Jahre
in Indien gedient habe und daher alle möglichen Auskünfte über das
Leben in den Tropen geben könne. Unaufgefordert theilte er auch mit,
dass er Documente, wie Heimathschein, Reisepass oder Taufschein, in
hinreichender Menge in Vorrath habe:

»Auf der Rückreise nach Europa sterben an Bord einzelne Soldaten,
um die kein Hahn kräht; seine Kameraden nehmen ihm dann die Briefe,
etwaiges Geld und die Documente ab. Sind es ehrliche Menschen, senden
sie das Geld und die Briefe an die ihnen etwa bekannte Adresse.
Heimathscheine u. s. w. der Verstorbenen kaufe ich ihnen ab. Es kommen
häufig junge Leute nach Harderwyk ohne irgend ein Document, weil sie
in aller Eile ihre Heimath verlassen haben; besonders von unseren
deutschen Brüdern müssen viele junge Leute flüchten, weil sie zu viel
Ehrenschulden hatten, oder weil sie einen andern Studenten im Duell
getödtet haben, oder weil sie von einem ihrer kleinen Fürsten mit zu
wenig Respect gesprochen haben; diese Leute haben dadurch Ursache,
so bald als möglich Europa zu verlassen; ihre »Papiere« haben sie
vergessen mitzunehmen; ohne »Papiere« werden sie beim Werbedepot
nicht einmal zugelassen. Also bin +ich+ nur in der Lage, ihnen aus
ihrer Verlegenheit zu helfen und verkaufe ihnen irgend einen der
Heimathscheine, welche ich stets in Vorrath habe; darauf ist alles
echt; die Unterschrift des Bürgermeisters ist echt, der Stempel des
Gemeindeamtes ist echt; Alles ist echt. Hier gegenüber steht ein
Wirthshaus, welches ebenfalls solche »Papiere« verkauft. Darauf ist
Alles falsch: der Stempel, die Unterschriften des Bürgermeisters und
des Notars, welcher die Unterschrift legalisirte. Was ist die Folge?
Wenn ein Soldat Unterofficier geworden ist und er beabsichtigt,
Officier zu werden, so werden auf Grund seines Heimathscheines
Erkundigungen eingezogen und dann ist er blamirt. Seine Heimath kennt
in der Regel nicht einmal den Namen.«

Bei diesen Worten des Gastwirthes zog ein schmerzhaftes Lächeln um die
Lippen unseres Flüchtlings, der plötzlich seinen Koffer ergriff, ihn
öffnete und daraus einen Heimathschein nahm und den Wirth ersuchte,
diesen gegen einen andern einzutauschen; er sei selbst bereit, 10 Fl.
darauf zu zahlen. Das Geschäft wurde geschlossen, und unter dem Namen
Johann Schmidt, Bäckergeselle aus Berlin, meldete er sich den andern
Tag beim Werbedepot an. Obwohl damals die Assentirung der Recruten in
Harderwyk sehr oberflächlich geschah, fiel der »Bäckergesell« Johann
Schmidt durch seinen zarten Körperbau und durch seine wohlgepflegten
Hände auf, so dass der anwesende Oberarzt sich über diesen »feinen«
Bäckergesellen lustig machte. »Nun,« rief Johann Schmidt unvorsichtig
aus, »ich bin kein homo quadratus, aber Sie, Herr College, sind es ja
auch nicht; Sie brauchen also mich nicht zur Zielscheibe Ihrer Witze zu
machen.«

Der Oberarzt gab darauf keine Antwort und erklärte ihn »geeignet für
den Dienst in den Tropen«. Johann Schmidt, so wollen wir ihn auch
weiterhin nennen, ging missmuthig zurück in die Taverne und malte sich
alle schrecklichen Folgen seiner unvorsichtigen Aeusserung aus; er
sah sich bereits wegen Fälschung seines Heimathscheines gerichtlich
verfolgt, bestraft und in seine Heimath abgeschoben, wo er wegen feigen
Mordes an einem wehrlosen, zu Boden gesunkenen Verwundeten justificirt
werden sollte. Trübsinnig sass er auf der hölzernen Bank der Taverne
und wies alle aufmunternden Worte seiner Schicksalsgenossen ab;
Nachmittags sollten sie beeidet werden und ihr Handgeld bekommen; sie
hatten also unbeschränkten Credit und seine neuen Kameraden machten
davon ausgiebig Gebrauch; anstatt des Schnapses füllten französischer
Rothwein und weisse Rheinweine die schmutzigen Gläser; die kleinen
stinkenden Tabakspfeifchen wurden weggeworfen und Cigarren von nicht
besserer Qualität, aber um das Dreifache überzahlt, angezündet. Junge
und alte, hässliche und hübsche Mädchen mischten sich unter die
halbbetrunkenen Recruten, und ihre Zoten waren das Echo der Flüche und
Verwünschungen, mit welchen die »Colonialen« ihrer Vergangenheit und
ihrer Heimath gedachten.

Plötzlich erschien an der Thüre ein Corporal und rief mit lauter
Stimme: »Wo ist Johann Schmidt, Bäckergeselle aus Berlin?« Als keine
Antwort erfolgte und der Corporal sich schon entfernen wollte,
brachte ihn der Wirth zu unserm neuen Recruten Johann Schmidt,
welcher vertieft in seine Träumereien nicht wusste, dass er nun für
immer und ewig Johann Schmidt aus Berlin sei und bleiben werde. Von
dem Corporal aufgefordert, zum Oberarzt X. zu kommen, begab er sich
dahin. Zu seiner grössten Ueberraschung wurde er von seinem Collegen
mit theilnahmsvollen Worten empfangen und selbst eingeladen, mit
ihm ein Gläschen Bitter zu trinken. Nachdem er bei der Assentirung
sein Incognito unwillkürlich gelüftet hatte, zögerte er jetzt keinen
Augenblick, die volle Wahrheit zu erzählen. Da der Oberarzt die
Gewissheit gewann, dass er thatsächlich bereits Medicinae Doctor
geworden war und selbst bedeutendes medicinisches Wissen verrieth,
gewann das Mitleid Oberhand, und er beschloss, diesen jungen Mann zu
retten. Er liess sich von Dr. X. den Namen und die Adresse des Arztes
mittheilen, welcher bei dem unglücklichen Duell Hülfe geleistet hatte,
und ersuchte den Recruten, 14 Tage ruhig und anständig in Harderwyk
zu leben; es würde wahrscheinlich noch einige Wochen dauern, bis er
sich einschiffen werde können, und während dieser Zeit werde er doch
als Recrut in Harderwyk militärische Dienste leisten müssen, resp.
abgerichtet werden. Während der nächsten drei Wochen wurde er nur in
dienstlichen Angelegenheiten hin und wieder zum Oberarzt gesendet,
welcher ihn stets mit Herablassung, aber ohne jedes andere Zeichen
von Wohlwollen empfing; schon hatte er von seinem Sergeanten die
Nachricht erhalten, dass die ganze Compagnie in einigen Tagen sich
auf einem grossen Dreimaster einschiffen werde, und hatte bereits die
Abschiedsbriefe an seine noch lebenden Eltern geschrieben, als er eines
Tages den Befehl erhielt, unter Geleite von vier Mann nach Utrecht
zu gehen. Sofort nach seiner Ankunft wurde er zum Platzcommandant
beschieden, welcher ihm mittheilte, dass der Oberarzt in Harderwyk sich
seiner in jeder Hinsicht angenommen habe; alle seine Mittheilungen über
sein Vorleben wären für richtig gefunden worden, und die holländische
Regierung sei bereit, ihn unter gewissen Bedingungen als Militärarzt in
Dienst zu nehmen; vor allem anderen müsse er jedoch den Herrn Johann
Schmidt fragen, ob er beschwören könne und wolle, dass er thatsächlich
nichts von der Wunde seines Duellgegners gewusst habe, und dass er
nicht mit Ueberlegung dem zu Boden gesunkenen Feind das Schwert in
die Brust gestossen habe. Als er sich dazu bereit erklärte, wurde er
vor eine viergliedrige ärztliche Commission gebracht, vor welcher er
diesen Eid ablegte, und da »sein Diplom als Doctor der Medicin in
Verlust gerathen war«, stellten sie einige medicinische Fragen an
ihn, welche ihnen die Ueberzeugung verschaffen sollten, dass keine
Personenverwechslung stattgefunden habe. Nach sechs Wochen schiffte
er sich als »Officier van Gezondheid« 3. Kl. mit einem Dreimaster
ein und kam nach einer Reise von 105 Tagen glücklich in Batavia an.
Mit Fleiss und Eifer widmete er sich seinem Berufe; besonders das
»nervöse« Leben in den Tropen reizte seine Forschungssucht. Trotz der
mangelhaften Technik der damaligen Zeit versäumte er keine Gelegenheit,
von verstorbenen Soldaten oder Sträflingen (dwangarbeiders) einige
Stücke von Nerven der Schenkel oder Arme sich herauszuschneiden und mit
seinem primitiven Mikroskope zu untersuchen; wenn bei den zahlreichen
Expeditionen, an welchen er theilnehmen musste, den verwundeten
Soldaten ein Arm oder ein Finger oder der Fuss amputirt werden musste,
fand er trotz aller schwerer Arbeit immer noch Zeit, von der amputirten
Extremität alle grösseren Nerven heraus zu präpariren und sie in
Weingeist oder Aether zu bewahren, um durch Zupfpräparate die groben
Veränderungen in den Nerven zu studiren; bald aber genügte ihm dieses
nicht mehr, und er verlegte sich auf das Studium der functionellen
Störungen der Nerven in den Tropen. Diese erforderten grössere Apparate
und -- lebendes Material. Soweit jene in den grossen Spitälern von Java
vorräthig waren, wie z. B. eine grosse elektrische Batterie, sah er
davon ab, sie aus Europa kommen zu lassen, weil sie bei seinen häufigen
Transferirungen nur ein Lastposten gewesen wären; doch im Jahre 186.
nahm er seinen Abschied, zog sich in die Einöde des Innern Sumatras
zurück, baute sich nach eigenen Plänen ein Haus und schaffte sich
alle Apparate an, welche zur Untersuchung der Functionen der Nerven
unentbehrlich waren.

Der Abschied aus dem Militärverbande geschah unter so eigenthümlichen
Verhältnissen, wie er mir erzählte, dass ich es nicht unterlassen kann,
sie mitzutheilen. Er befand sich im grossen Militärspitale zu S. und
erhielt eines Tages den Befehl, in Vertretung des Garnison-Doctors
entre autre auch das Militär-Gefängniss zu besuchen; in der letzten
Zelle lag ein zum Tode verurtheilter Mörder. Dieser litt an
Dysenterie. Bevor er die Zelle verliess, ersuchte ihn der Patient, ihm
mehr zu essen zu geben, als er bis jetzt erhielt. Dr. Schmidt wollte
zunächst seinen Stuhlgang inspiciren, der vor der Thüre in einem
grossen Topf sich befand, um darauf seine diesbezügliche Entscheidung
zu basiren. Der Patient schien dies nicht verstanden zu haben, sprang
aus dem Bette und wollte dem Doctor zu Leibe; die Krankenwärter
sprangen dazwischen, und unbehindert konnte er die Zelle verlassen. Als
er dieses seinem Chef mittheilte, liess dieser ihm die Wahl, officiell
darüber an den Platzcommandanten zu berichten oder zu schweigen; in
dem einen Falle würde der Verurtheilte gewiss nicht begnadigt werden,
während in dem zweiten Falle dies sehr wahrscheinlich sei, weil der
damalige Gouverneur-General nur sehr selten das Todesurtheil eines
europäischen Verbrechers bestätigte. Gleichzeitig nahm der Chef den
Kopfzettel des Patienten zur Hand und las, ohne etwas zu ahnen, den
ursprünglichen eigenen Namen des Dr. J. Schmidt vor. Wie vom Blitz
getroffen, stürzte er zu Boden. Nachdem er sich erholt hatte, nahm er
aus Gesundheitsrücksichten den Abschied aus dem Dienst und beschloss,
die letzten Jahre seines Lebens zurückgezogen von allem Verkehr
mit den Menschen nur für die Wissenschaft zu leben. Niemals gab er
sich die Mühe -- seine Eltern waren ja bereits gestorben --, seinen
heimathlichen Behörden von dem Tausche seines Heimathscheines und von
der Personenverwechselung mit dem Mörder Aufklärung zu geben.

Ohne ihn von meiner Ankunft verständigt zu haben, überschritt ich
den kleinen (0,4 Meter hohen) Zaun, welcher den Garten von dem
Wege trennte. Ein gewaltiger Trompetenstoss eines alten Elephanten
begrüsste uns, ohne dass wir ihn sahen, und ein junger näherte sich
uns neugierig; er war noch keine 1½ Meter hoch und blieb in einiger
Entfernung vor uns stehen. Gleichzeitig sahen wir aus einem Hause
im Hintergrund einen alten Mann ein Fernglas auf uns richten und
einen malaiischen Diener auf uns zukommen, der zunächst den kleinen
Elephanten mit einem Stock nach hinten trieb und uns hierauf um unsere
Namen und um den Zweck unseres Besuches frug. Auf dem »Leitje« (=
Schiefertafel[15]) schrieb ich, dass ich als College und Landsmann bei
seinem Hause nicht vorbeifahren könne, ohne mich ihm vorgestellt zu
haben. Sofort erschien ein alter Mann, den ich wenigstens 80 Jahre alt
schätzte; sein Rücken war gekrümmt, ein weisser kurz geschnittener Bart
und dichtes weisses Haar zierten seinen Kopf; weiche Züge verriethen
einen sanften milden Charakter; gekleidet war er in chinesische
Toilette, d. h. er hatte eine dunkle leinene Pluderhose (Nachthose)
und eine weisse Kabaja an; seine Füsse trugen keine Schuhe, sondern
braune Sandalen, welche mit einem breiten gestickten Riemen von dem
Rücken des Fusses getragen wurden. Eine indische Katze[16] folgte
ihm in einiger Entfernung. In etwas gebrochenem Deutsch frug er mich
um mein Begehren, da er nicht voraussetzen könne, dass ein so junger
Arzt, als ich sei, nur durch Neugierde getrieben ihn aufzusuchen
käme; was die Landsmannschaft beträfe, habe er gar keine Ursache,
sich noch als Deutschen auszugeben, weil er seit vielen Jahren nicht
nur jede Verbindung mit seiner Heimath abgebrochen habe, sondern auch
bis auf gewisse medicinische Fragen jedes Interesse dafür verloren
habe. Als ich ihm jedoch mittheilte, dass ich in Telók Betóng von
seinen Forschungen gehört habe, dass mich die moderne Lehre von dem
Entstehen der Krankheit nicht ganz befriedige, und dass ich deshalb
nicht aus Neugierde, sondern im Verlangen, etwas zu lernen, zu ihm
käme, da zuckte ein Freudenstrahl durch seine Augen. »Was,« rief er
aus und zog mich beim Arme in sein Haus, ohne meinen Begleiter nur
eines Wortes oder eines Blickes zu würdigen, »Was! Sie junger Arzt
schwören nicht auf die Unfehlbarkeit der Bacteriologie!? Nun kommen
Sie herein zu mir! Vorgestern bin ich aus dem dos-à-dos gefallen; wie
Sie sehen, ist das Gelenk meiner rechten Hand geschwollen; ich bitte
Sie, untersuchen Sie mich und sagen Sie mir, ob das Köpfchen einer
der beiden Knochen oder vielleicht beide gebrochen seien? Doch nein!
ich will Ihnen sofort meine Untersuchungsmethode zeigen. Hier steht
eine elektrische Batterie; ich steche nun zwei feine Nadeln in meinen
gesunden Arm und verbinde sie mit 24 Elementen; wie Sie sehen, bekomme
ich jetzt eine Ablenkung der Magnetnadel auf dem Widerstandsmesser bis
zu 250; dasselbe geschieht, wenn ich auf meinem kranken Arm oberhalb
der verletzten Stelle die Nadeln einsteche. Wenn ich aber -- achten
Sie jetzt gut auf die Grösse des Widerstandes -- die eine Nadel
in den geschwollenen Theil einführe, zeigt der Widerstandsmesser
350°. Natürlich werden Sie mir einwenden, dass dieses eine Folge des
Ergusses in das Gewebe sei; Sie irren sich aber darin sehr stark;
durchfeuchtete Gewebe sind bessere Leiter der Elektricität als trockene
und -- mein Kutscher Kromo war mit mir aus dem Wagen gestürzt und hat
sich das linke Schienbein gebrochen; die Schwellung ist bei ihm bereits
geschwunden und die Fractur des Schienbeines lässt sich noch heute sehr
leicht und bequem constatiren. Ich bitte Sie, Herr College! untersuchen
Sie gefälligst jetzt diesen Patienten in der von mir angegebenen
Weise, und Sie werden beinahe denselben Unterschied als bei mir in
der Widerstandsgrösse finden. Hab ich nun nicht das Recht, in dieser
Abweichung der Magnetnadel ein unfehlbares diagnostisches Verfahren
zu sehen? Vor einigen Wochen litt mein malaiischer Nachbar an einer
rechtsseitigen Lungenentzündung; am 9. Tag wich das Fieber, das Husten
wurde schwächer u. s. w. Am 12. Tag stieg die Temperatur wieder auf
39,5°, er klagte wieder über heftige Schmerzen, er begann zu deliriren
u. s. w.«

[Illustration: Fig. 5. Ein Mädchen aus Semang (Malacca).

(Vide Seite 69.)]

»Ich bin ein alter Mann; ich höre nicht mehr gut; ich konnte ihn
also nicht auscultiren; überhaupt war ich niemals in der modernen
Untersuchungsmethode der Lungen bewandert; ich musste mir meine
Diagnose auf anderen Erscheinungen aufbauen; diesmal griff ich zu
meiner elektrischen Nadel und constatirte, dass der obere Lappen der
linken Lunge angegriffen war. Die Vergrösserung der Leber, des Herzens
und der Milz constatire ich leichter als die grössten Professoren in
Europa. Die Veränderungen der Muskeln und Nerven, wie sie besonders in
der Beri-Beri auffallend zu Tage treten, werden durch meine Nadeln so
leicht nachgewiesen, dass ich selbst die leichtesten Formen und die
ersten Anfänge dieser Krankheit diagnosticiren kann; und Sie, Herr
College!« Ohne meine Antwort abzuwarten, führte er mich zu allen seinen
Apparaten, welche vor 18 Jahren thatsächlich die modernsten genannt
werden mussten. Nebstdem war ein Tisch mit zahlreichen medicinischen
Wochenschriften in der deutschen, holländischen und französischen
Sprache bedeckt, und sein Bücherschrank[17] zeigte eine grosse Auswahl
der diesbezüglichen Werke. Hierauf führte er mich in die Veranda, wo
sich ein Apparat zur Bestimmung der elektrischen Spannung in der Luft
befand; der Galvanometer befand sich in einer graduirten Röhre und
bestand aus einer kleinen Scheibe von der Grösse einer 10 Cent-Münze
und ruhte auf einer feinen stählernen Feder. »Sehen Sie,« rief mir Dr.
Schmidt zu, »das ist mein Haustyrann. Steht die Scheibe auf 1, dann ist
die elektrische Spannung in der Luft gering; dann ziehe ich seidene
Unterwäsche an und esse schwere Kost, z. B. die »Rysttafel«; bei einem
Stande von 2 nehme ich wollene Leibwäsche und esse gemischte Kost, und
bei dem höchsten Stande der elektrischen Spannung (No. 3) nehme ich
nur Fleischspeisen. Dieser Apparat ist ein strenger Tyrann; denn er
schreibt mir auch vor, was und wieviel ich trinken darf, wann ich zu
Fuss oder zu Pferd spazieren oder ob ich mich von meinem Elephanten
in einem Wagen ziehen lassen solle. Die geringste Uebertretung seiner
Befehle wird sofort bestraft. Eine Erkältung der Lungen, eine Diarrhoe,
ja selbst ein Fieberanfall sind die Strafen, mit welchen er jede
Ausserachtlassung seiner Befehle ahndet. Selbst meine Bedienten und
alle Eingeborenen meiner Umgebung unterwerfen sich seinen Anordnungen.
Die weissen Nachbarn und alle Europäer in Telók Betóng lachen natürlich
über meine elektrischen Schrullen, wie sie es nennen, und schwören auf
die Fahne der Bacteriologie; wir hatten selbst einen Beamten in der
Nähe, der nur gekochtes Wasser trank, seine Kinder, seine Teller und
seine Fussböden mit gekochtem Wasser reinigte, und selbst die Pisang,
die Mangga und die Durian in gekochtem Wasser abwaschen liess, bevor
sie seine Kinder in die Hände nehmen mochten; die Folgen blieben
aber nicht aus; die ganze Familie sieht wie Leichen aus; schauen sie
jedoch mich, meine Diener und selbst alle Eingeborenen an, welche zu
jeder Zeit die jeweilige Spannung der Elektricität berücksichtigen und
-- kein einziger ist krank, kein einziger leidet jemals an Fieber,
Beri-Beri, indischem Spruw oder Dysenterie.«

Seine Mittheilungen waren von so zahlreichen Angaben über Ampères,
Watts und Widerstandsgrössen begleitet, eine so grosse Reihe von
Gelehrten auf dem Gebiete der Elektrophysiologie wurde dabei erwähnt,
dass ich sie weder mir merken noch bei meiner Ankunft in Telók
Betóng in meinem Tagebuche aufnehmen konnte. Viele Einwände gegen
seine Theorien konnte ich nicht machen. Einerseits beherrschte ich
dieses Thema kaum oberflächlich, weil mein diesbezügliches Wissen aus
meiner Studienzeit schon lange als Ballast über Bord geworfen war,
und zweitens erwartete Dr. Schmidt offenbar keine Widerlegung; seine
Mittheilungen stürmten ja wie ein Bergstrom auf mich ein und liessen
mich gar nicht zu Worte kommen; offenbar hatte er das Bedürfniss,
dieses Thema nach allen Seiten zu besprechen, obwohl ich durch kein
einziges Wort ein Verständniss dafür verrieth.

Eben wollte ich von ihm eine Aufklärung über die Construction seines
mir unbekannten Elektrometers erbitten, als der alte Elephant eine
heftige Unruhe zeigte, die Pferde im Stalle laut wieherten, aus
dem nahen Urwalde klagende Laute des Schweinsaffen (Cercopithecus
nemestrinus), des Siamangs (Hylobates syndactylus) und das Brüllen
eines Tigers zu unseren Ohren drangen, Hunde, Gänse, Hühner, Ziegen
und Schweine unruhig um das Haus liefen und der kleine Elephant
selbst sich auf die Treppe der Veranda flüchtete. Unwillkürlich oder
instinctmässig warfen wir einen Blick auf den Galvanometer; sein
Schwimmer flog mit ungeheurer Geschwindigkeit auf und ab. »Wir bekommen
Erdbeben,« rief Dr. Schmidt und zog seine Uhr heraus. Nach ungefähr 1
Minute fühlten wir das Haus schwanken, und gleichzeitig erscholl neben
uns das Klingeln einer elektrischen Glocke. Ein Seismometer d. h. ein
Erdbebenmesser war mit Drähten mit einem elektrischen Glockenapparate
verbunden, welcher sich ebenfalls in seinem Arbeitszimmer befand.
Wir eilten dahin, um die Richtung des Erdbebens und seine Intensität
aufzunehmen. Auf einer kleinen gemauerten Säule stand der Apparat.
An einem feinen Seidendraht hing ein kleines metallenes Kügelchen,
welches bei unserer Ankunft wie ein Pendel hin und her schwankte;
hin und wieder traf es einen der 16 Stifte, welche sich am Rande der
Scheibe befanden; in demselben Augenblicke war der Contact mit der
elektrischen Glocke hergestellt und das Läuten begann. Die 16 Stifte
lagen in der Richtung der Striche einer 16 theiligen Windrose; da
das Kügelchen des Pendels stets 2 Stifte traf, welche SWS und NON
entsprachen, so constatirten wir dadurch, dass das Erdbeben in der
Richtung von Java über Sumatra seinen Weg genommen hatte. Zwischen
dem ersten Auftreten der elektrischen Erscheinungen und dem ersten
Signal des Seismometers war 1 Minute verstrichen; dieses deutete auf
eine kleine Entfernung der Ursprungsquelle des Erdbebens. Dr. Schmidt
dachte an einen feuerspeienden Berg in der Sundastrasse, obzwar, wie
ihm (und mir) bekannt war, schon seit dem Jahre 1680 keine vulcanische
Eruption in dieser Strasse stattgefunden hatte; ich für meine Person
enthielt mich jeder Ansicht, weil mir die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der Erdbeben nicht bekannt war und ich noch weniger wusste, wie die
verschiedenen Medien, Wasser, alluvialer Boden und tertiäre Schichten
diesbezüglich sich verhalten. Das Erdbeben hatte nur einige Secunden
gedauert; im Ganzen hatte ich nur zwei Stösse verspürt, und das Pendel
des Seismometers kam bald zur Ruhe.

Mein Begleiter hatte sich unterdessen mit dem kleinen Elephanten
unterhalten und den Garten besichtigt, welcher das Haus umgab. Während
Dr. Schmidt in’s Haus ging, um die Zeit, Richtung und Intensität
des Erdbebens zu notiren, machten mich meine Freunde auf den
eigenthümlichen Stil des Hauses und der Nebengebäude aufmerksam und
verurtheilten alles, was sie sahen, weil es nicht den herrschenden
Anschauungen entsprach. Ich konnte mich nur theilweise diesem
strengen Urtheile anschliessen und behielt mir vor, mein Endurtheil
auszusprechen, bis ich von Dr. Schmidt Aufklärungen über alles und
jedes erhalten hätte. Leider geschah, was ich befürchtete. Dr. Schmidt
motivirte sein ganzes Thun und Lassen mit dem wechselnden Widerstand
der Stoffe gegen die Erd- und Luft-Elektricität, und wiederum ergoss
sich ein Strom von Ziffern und Namen über mich. Da viele seiner
Erklärungen einen wissenschaftlichen Kern hatten, d. h. den allgemein
giltigen Anschauungen der Hygiene entsprachen, so mögen sie hier ihren
Platz finden, ohne dass ich natürlich +seine+ Motivirung heute noch
mittheilen könnte oder wollte. Zunächst trugen alle seine Bedienten,
wie er selbst, rauchgraue Brillen und Sandalen. Jene sollten sie nur
im Freien gebrauchen und zwar wenn es nicht regnete. Jedermann ist
es bekannt, wie während der trockenen Zeit (bei einer Temperatur von
ungefähr 37-40 ° C.) die heisse Luft in solche Schwingungen versetzt
wird, dass man sie selbst sehen kann. Die Brechung des Lichtes ist
eine ungeheuere und reizt geradezu das Auge (die Retina). Der Gebrauch
einer solchen Brille ist also gewiss anzuempfehlen, wenn sie nicht
gleichfalls für schwaches Licht z. B. im Hause oder im schattenreichen
Garten gebraucht wird. Ich selbst hatte stets eine solche bei mir, wenn
ich in der Mittagsstunde zu meinen Patienten fahren musste.

Was die Sandalen betrifft, darüber sind die Acten noch nicht
geschlossen. Der Eingeborene geht am bequemsten blossfüssig; selbst
als Soldat oder als Kuli, welcher 30-40 Kilo 20-30 Paal (= 30-45 km)
weit tragen muss, wird er gewöhnlich ohne Schuhe oder ohne Sandalen
marschiren; gewöhnlich sind die Landstrassen, die Wege der Stadt
und des Dorfes ungepflastert und bestehen aus einer Lehm- oder
Humusschicht, welche mit Sand oder kleinem Gerölle gemischt ist.
Thatsächlich ist das Gehen ohne jede Bedeckung der Sohlen in Indien
geradezu ein Genuss. Wer daran zweifelt, möge z. B. um 12 Uhr bei
einer europäischen Schule stehen; die Jugend stürmt natürlich wie
überall lebenslustig aus dem Schulhause; sobald der Lehrer oder die
Lehrerin aus dem Gesichtskreise verschwunden ist, werden von allen
Kindern Schuhe und Strümpfe ausgezogen, und blossfüssig eilen sie
nach Hause oder balgen sich auf der Wiese. Selbst erwachsene Männer
und Frauen werden hin und wieder im Hause oder im Garten +vergessen+
die Pantoffeln zu gebrauchen. Die Haut der Fusssohlen wird durch das
Gehen ohne Schuhe so derb, dass sie durch stumpfe Steinchen oder durch
die rauhe Oberfläche des Pflasters nicht verletzt wird; Glasscherben,
Nägel oder spitze Steine verletzen natürlich den Fuss des Eingeborenen
ebenso gut als die Sohle des »Orang baru«, welcher seit seiner ersten
Jugend niemals blossfüssig gegangen ist. Die Haut des Eingeborenen
wird aber nicht nur derber, sondern verwandelt sich oft auch in eine
Schwiele; ich sah sehr oft bei Recruten eine Form derselben, deren
Entstehungsweise mir noch heute dunkel ist. Der ganze Ballen und die
ganze Ferse war mit einer Schwiele bedeckt, welche durch zahlreiche
kleine, bis stecknadelkopfgrosse Grübchen das Aussehen eines Siebes
erhielt; der Recrut hatte keine Schmerzen und wurde dadurch nicht im
Geringsten im Marschiren beeinflusst. Das Reglement für die Assentirung
spricht nur von »unheilbarer Schwielenbildung in solchem Grade,
dass dadurch das Marschiren erschwert wird«, und in § 322 von malum
perforans pedis = durchbohrende Fussgeschwüre, als Ursachen, um einen
Recruten zurückzuweisen; aber dennoch nahm ich solche Recruten nicht
an, weil sie einmal angenommen und im Besitze des Handgeldes sich wegen
dieses Uebels sehr leicht krank melden können. Relativ ungünstiger
ist eine partielle Schwielenbildung der Sohle; in der Regel entstehen
durch begrenzte Schwielen in der Umgebung Risse oder Rhagaden in der
Haut, welche schmerzhaft sind und selbst das Gehen auf der hölzernen
Flur erschweren. Auch dieses Uebel beobachtete ich häufig bei den
eingeborenen Soldaten, und s. Z. ersuchte die Regierung in Europa
(!?) die ärztliche Facultät um das Gutachten, ob auch diesen Soldaten
Schuhe verabfolgt werden sollten. Auf Grund des Gutachtens, welches vom
Generalstabsarzte i. P. Dr. van Gelder abgegeben wurde, blieb es beim
Alten, d. h. die eingeborenen[18] Soldaten erhalten keine Schuhe, es
sei denn, dass ein militärärztliches Zeugniss das Tragen von Schuhen
(mit Strümpfen) zur Heilung von krankhaften Zuständen der Fusssohle für
den betreffenden Patienten nothwendig erkläre.

Ob nun Dr. Schmidt mit Recht oder mit Unrecht seine Diener veranlasste,
Sandalen zu tragen, muss ich unerörtert lassen, weil ich zu untersuchen
vergass, ob sie Rhagaden oder Geschwüre an der Fusssohle hatten.
Natürlich sind Sandalen in den Tropen weniger unangenehm als Schuhe,
veranlassen keine Schweissfüsse, missformen nicht die Gestalt der
Füsse[19] und sind auch billiger. Noch muss ich mittheilen, dass einige
angesehene Malaien im Bade hölzerne Sandalen gebrauchen. Das sind
hölzerne Sohlen mit grossen Hacken und haben in der Nähe der Spitze
einen Knauf, welcher zwischen der ersten und zweiten Zehe getragen wird.

Bekanntlich umgeben die indischen Feinde ihre kleinen Forts mit
eigenthümlichen Chicanen. Das Terrain ist mit Gras oder Gesträuch
bedeckt, und dazwischen befinden sich hölzerne Nägel, welche 10-20 cm
aus dem Boden hervorragen. Sie sind scharf zugespitzt und durchbohren
manchmal selbst eine dicke Schuhsohle. Noch öfter ist in dem Gesträuche
Stachelbambus (Bambu duri) verborgen, welcher nur die blossen Füsse
bedroht, während die mit Schuhen bekleideten Soldaten ungefährdet
darüber schreiten können. Ich muss annehmen, dass Generalstabsarzt
Dr. van Gelder auch mit diesem Factor rechnete, als er sein Gutachten
abgab, dass die eingeborenen Soldaten kein (?!) Bedürfniss für Schuhe
haben sollten! --

Eine Interpellation über die eigenthümliche Bauart seines Hauses
schien Dr. Schmidt erwartet zu haben, denn sofort brachte er ein
Bündel Zeitschriften, Broschüren und eigene Aufsätze herbei, um
seine Behauptungen von dem bedeutenden Unterschiede im elektrischen
Widerstande zu unterstützen, welche die einzelnen Baustoffe zeigen
sollten.

Das Gebäude, in welchem wir uns bis jetzt befanden, war nur sein
Arbeitszimmer und war entsprechend seinen elektrischen Untersuchungen
frei von Eisen und anderen metallenen Ornamenten u. s. w. Es bestand
beinahe ganz aus Bambus. Selbst die Flur der Veranda und des grossen
Saales (von 4×7 m) bestand aus gespaltenem Bambus und war mit Matten
bedeckt, welche aus gespaltenem Rottang geflochten waren. Meine
Frage, ob durch dieses Material sein Laboratorium nicht leide,
beantwortete er mit der Gegenfrage: ob ich für +seine+ Arbeiten ein
besseres Arbeitszimmer construiren könnte. Durch die Spalten und
Lücken der Matten bestehe ein ewiger Luftstrom, so dass nicht nur
jeder Unterschied in der elektrischen Spannung der Luft, sondern auch
in der Temperatur derselben entfalle. Dadurch sei es allerdings zur
Mittagszeit im Laboratorium ebenso warm als in der Veranda; er sei
aber ein alter Mann, dem die hohe Temperatur kein unangenehmes Gefühl
verursache, und er bleibe von jenen Fehlern in der Beobachtung der
elektrischen Spannung verschont, welche alle Berechnungen zeigen,
wenn sie mit diesem Factor nicht rechnen. Wenn bei herrschender
Windstille die Luft im Zimmer stagnire, lasse er die »Punka« von
einem Kuli in Bewegung setzen, welche über seinem Schreibtisch sich
befinde, und zwar nur eine halbe Stunde, während er sich gleichzeitig
in der Veranda aufhalte. Dieser Luftstrom werde mit Recht »Zugluft«
genannt; sie verursache ihm geradezu Reissen im Kopfe, das dann noch
einige Stunden anhalte. Der Rheumatismus der Muskeln und Gelenke
entstehe auch nur durch die verschiedene elektrische Spannung in den
einzelnen Luftschichten, und wenn in Europa einmal diese Wahrheit in
die grosse Menge der gelehrten Aerzte Eingang gefunden haben werde,
könnte ein günstiger Erfolg in der Prophylaxe und in der Behandlung
des Rheumatismus nicht ausbleiben. Natürlich leidet nicht Jedermann
durch die Unterschiede der elektrischen Spannung in den verschiedenen
Luftschichten; denn, um nur ein Beispiel anzuführen, der 20jährige
Jüngling habe einen viel grösseren Widerstandscoefficienten in den
Muskeln und Säften des Körpers als der 80jährige Greis, und darum werde
ein junger Mann die Luftbewegung oder den Zug, welcher durch die
Punka veranlasst wird, sogar angenehm finden. Dies ist die Ursache,
welche mich veranlassen würde, eine Punka für jedes Privathaus,
jede Caserne, jede Kirche, ja selbst für gewisse Säle in Spitälern
anzuempfehlen, d. h. wenn sie ebenfalls aus Bambus gebaut sind.
Steinerne Gebäude bedürfen dessen nicht; wenn diese so gebaut sind,
+dass die Feuchtigkeit des Bodens nicht in die Mauern zieht+, wenn
für hinreichende Ventilation gesorgt ist, können um 11 Uhr Fenster
und Thüren geschlossen werden. Die durch die diversen Oeffnungen
einströmende warme Luft ist leichter als die im Hause befindliche kühle
Luft, und steigt in die Höhe. Natürlich muss sich in einem solchen
steinernen Gebäude eine hinreichend grosse Dachventilation befinden, so
dass dieser warme Luftstrom, welcher gleichzeitig die Verunreinigungen,
durch die Ausathmungen und Ausdünstungen der Menschen und Thiere
bedingt, mit sich führt, unbehindert hinausströmen kann. Andererseits
muss das Hineinströmen des Regens unmöglich gemacht werden, wofür die
Ingenieure zahlreiche Vorrichtungen kennen.

Nach diesen weitläufigen Erörterungen auf dem Gebiete der Hygiene und
der elektrischen Untersuchungsmethoden fasste mich Dr. Schmidt bei
dem Arme und führte mich nach der Rückseite des Laboratoriums. Dort
zeigte er mir die Wohnungen seiner Bedienten, den Stall mit seinem
grossen Elephanten, einen Käfig für alle Sorten Affen der Insel Sumatra
und sein Vogelhaus. Ich sah grosse und kleine Exemplare des Kees
(Cercopithecus kynomolgus), des Schweinsaffen (Inuus nemestrinus), des
Siamang (Hylobates syndactylus) und des Orang-Utan (Pythecus satyrus);
es befanden sich darunter hübsche Exemplare von dem grauen Wau Wau
(Hylobates leuciscus), von dem Gibbon mit weissen Händen (H. Lar) und
von dem H. variegatus, und er besass paarweise 6 Sorten von Simpeis (=
Semnopithecus) und zwar den S. obscurus, den S. albocinereus, den S.
ferrugineus, den S. femoralis, den S. pruinorus und den S. Thomasi. In
dem Vogelhause befanden sich zahlreiche Sorten Hühner, 2 Sorten Enten,
Gänse, Fasanen (Euplocamus sumatrensis), Pelicane, Marabus, Perlhühner
und 4 Sorten Tauben. Auch 2 Pfauen schritten stolz in dem für sie durch
ein Drahtgehege abgeschlossenen Raume auf und ab. Neben dieser Volière
stand ein grosser Käfig mit einem kleinen Königstiger und in einem
kleinen Käfig befand sich eine Zibethkatze (Viverra tangalunga).
Nur kurze Zeit hielt ich mich bei dieser kleinen Menagerie auf und
äusserte mein Bedauern, meine Begleiter nicht länger auf mich warten
lassen zu dürfen. Lächelnd wies er mit erhobenem Arm nach einem Haine,
welcher sich hinter der Menagerie befand, und rief aus: »Die Herren
sind wohl versorgt und aufgehoben. Sie können ganz beruhigt sein, Herr
Doctor! Hinter diesem kleinen Walde, welcher mir das reinste und beste
Trinkwasser liefert, steht meine Burg, und Ihre Begleiter sitzen schon
seit einer halben Stunde bei einem Gläschen Bitter und trinken dazu ein
Glas frisches, kühles, krystallhelles Wasser, welches ich den Lianen
entnehme, die sich von Baum zu Baum dieses kleinen Waldes schlingen. In
meiner Burg befindet sich zwar ein Ziehbrunnen; sein Wasser entspricht
aber kaum den bescheidensten Anforderungen an ein gutes Trinkwasser,
auch wenn es durch einen Filtrirstein[20] aus Grissée gegangen ist.
Die Natur in den Tropen sammelt in ihrem Reichthum diesen kostbaren
Schatz, das chemisch reine Wasser in den Lianen in so grosser Menge,
dass ich in diesem kleinen künstlich angelegten Urwalde täglich mein
Verlangen nach diesem köstlichen Nass für mich und meine Angehörigen in
jeder Hinsicht befriedigen kann. Nebstdem besitze ich, wie Sie sofort
sehen werden, eine kleine Maschine, welche die Temperatur des Wassers
auf 10 ° C. herabsetzen kann, und auf diese Weise bleibe ich von allen
Krankheiten verschont, welche ein unreines und ungesundes Trinkwasser
in der Regel entstehen lässt.«

[Illustration: Fig. 6. Endstation Stabat der schmalspurigen Eisenbahn
in Deli.

(Vide Seite 76.)]

In dem Haine befand sich ein Pfad von ungefähr ½ Paal Länge, den wir
darauf betraten, und nach einigen Krümmungen sah ich im Hintergrunde
ein kleines Plateau mit einer Burg, welche von einem Wassergraben
umgeben war; ein sumatranischer Hund[21] (Canis sumatranis) begleitete
uns, der, wie die Gladakker auf Java, nur halbgezähmt war; eine
Wachtel (Turnix pugnax) flog von Baum zu Baum, ohne dass wir den in
Europa bekannten Schlag hörten, und am Ende des Pfades befand sich
ein Wassergraben, welcher mehr als 5 Meter breit war. Die »Burg« war
ein grosses hölzernes Gebäude mit starken Palissaden umgeben; an den
vier Ecken befanden sich 10 Meter hohe Thürme, welche je eine Kanone
trugen. Uns gegenüber befand sich ein grosses Thor, das, wie ich
später hörte, auf elektrischem Wege sich öffnete, sobald ein Knopf
auf dem letzten Baume des Pfades gedrückt wurde, und gleichzeitig
senkte sich eine Zugbrücke über den Wassergraben. Das Innere der
Burg entsprach im Ganzen und Grossen einem malaiischen Kampong, und
die einzelnen Häuser hatten den Baustyl der »Padang’sche Oberländer«
(Fig. 2). In der Veranda des ersten Hauses sassen meine Begleiter
und unter ihnen ein 14jähriges schönes europäisches Mädchen und ein
Fräulein, welches mir als die Gouvernante der Nichte des Dr. Schmidt
vorgestellt wurde. Sie war eine Engländerin, welche beim Nennen meines
Namens mit einem Aufschrei zusammenstürzte. Es gelang uns beiden, sie
bald wieder zur Besinnung zu bringen, und als das nervöse Schluchzen
und Weinen nachgelassen hatte, theilte sie uns die Ursache dieses
unerwarteten Anfalles mit. In London hatte sie als die Tochter eines
angesehenen Kaufmanns eine glückliche Jugend verlebt und in ihrem
23. Jahre sich mit einem Herrn Breitenstein verlobt, welcher am Tage
ihrer Hochzeit wegen Betrugs, Diebstahls und Bigamie verhaftet wurde.
Um diese Schmach zu vergessen und der Schande zu entfliehen, welche
dieser Scandal auf den Namen ihrer unbescholtenen und ehrenwerthen
Eltern geworfen hatte, war sie aus der Heimath geflüchtet und hatte in
dieser Einöde Sumatras den heissgeliebten Mann zu vergessen gesucht.
Schon Wochen und Monate lang hatte sich ihr Geist mit diesem Namen
nicht mehr beschäftigt, und so geschah es, dass beim Nennen meines
Namens die traurige Vergangenheit mit ungeschwächter Kraft in ihrem
Geiste auftauchte und sie zu erdrücken drohte. Es gelang mir bald,
den ungünstigen Eindruck, welchen mein Name veranlasst hatte, zu
verscheuchen und in einem gemüthlichen Gespräche die englische Dame
wieder ihre Vergangenheit vergessen zu lassen. Dabei zeigte »die
Nichte« des Hausherrn eine solche Vielseitigkeit des Wissens, dass wir
unserer Verwunderung Worte leihen mussten. Sie sprach die deutsche,
holländische, französische und englische Sprache ebenso geläufig als
die malaiische und lampongsche Sprache, las den Virgil und die Iliade
im Urtexte und widmete sich unter Leitung ihres »Onkels« dem Studium
der höhern Mathematik und Geometrie. Ein lebhaftes Interesse gewann ich
für dieses junge Geschöpf, welches sich fern von allen Genüssen der
modernen Civilisation dem Studium solcher abstracten Wissenschaften
widmete, obwohl sie kaum den Kinderjahren entwachsen war, und bat
meinen alten Collegen, mir etwas mehr über den Bildungsgang dieses
»Wunderkindes« und auch über die etwaige erbliche Disposition ihres
Geistes mitzutheilen. Leider berührte ich offenbar damit einen wunden
Punkt in seinem Leben. Ohne zu antworten, stand er auf, murmelte die
Worte: »Also auch neugierig« und entfernte sich. Einige Minuten später
erschien sein Bedienter mit dem Leitje, auf welchem Dr. Schmidt mir
mittheilte, dass er wegen heftiger Kopfschmerzen sich zu Bett hätte
legen müssen und dass er mir und meinen Reisegenossen eine »gute Reise«
wünsche.

Wir verliessen also »die Burg« und kehrten auf demselben Wege, den wir
gekommen waren, zur Hauptstrasse zurück, um unsere Reise nach Tanjong
Karang zu Pferd fortzusetzen.

       *       *       *       *       *

Den 7. September 1882 wurde wieder meine Transferirung beschlossen, um
mich im grossen Militärspitale zu Batavia zu dem Examen vorbereiten
zu lassen, welches mir das Avancement zum Regimentsarzt ermöglichen
sollte. Ein paar Tage später erschien diese Transferirung in den
Zeitungen, und mein Freund, der österreichische Consul O. Mayer,
verständigte mich sofort davon telegraphisch.

Damals ging der Telegraph durch die Sundastrasse nach Telók Betóng
und von dort bis nach Padang auf der Westküste der Insel Sumatra; die
nördliche Provinz Atjeh und die bedeutenden Plantagen auf der Ostküste
Sumatras bedienten sich im Bedarfsfalle des englischen Kabels, welches
von der Insel Pénang via Singapore nach Batavia ging. Der Postdirector
zu Telók Betóng hat mir die Schwierigkeiten geschildert, welche mit
dem Legen des Telegraphen durch den Urwald Sumatras verbunden waren,
so dass ich es begreiflich fand, dass der Telegraph damals nicht auch
nach dem Osten der Insel gezogen wurde. Einerseits hätten zahlreiche
»unabhängige Länder« durchzogen werden müssen, und anderseits die
Arbeiten im Urwalde und besonders die etwaigen unvermeidlichen
Reparaturen in den »unabhängigen Ländern« und in den Urwäldern so einen
Aufwand von Geld, Menschenleben und Zeit gekostet, dass die Regierung
davor zurückschrecken musste. Selbst die Arbeiten in den unterworfenen
Ländern und in den gelichteten Urwäldern gingen nur langsam von
statten durch die Angriffe der -- Elephanten. Diese Thiere benützten
nämlich die eisernen Telegraphenstangen zum Hautkratzen, wenn es sie
juckte. Es wurden soviel Telegraphenstangen von ihnen umgeworfen, dass
man die Isolatoren zuletzt auf lebenden Bäumen anbringen musste. Ob
sich die diesbezüglichen Verhältnisse heute schon gebessert haben, ist
mir nicht bekannt.

Als ich mit dem Dampfer vom 15. October officiell von meiner
Transferirung verständigt wurde, musste ich die Frage beantworten, ob
ich von der gesetzlichen Begünstigung Gebrauch machen wolle, einen
Monat einem Militärspital zur Dienstleistung zugetheilt zu werden,
um ein hinreichendes Material zur Uebung und Vorbereitung zum Examen
benützen zu können. Es geschah nämlich damals nur zu oft, dass junge
Militärärzte direct von der Schule und sofort nach dem letzten
Rigorosum nach Indien gingen und nach kurzem Dienste in irgend einem
grossen Spitale nach den Aussenbesitzungen geschickt wurden und zwar
in kleinere Forts von 50 bis 100 Mann. Wenn sie einige Jahre hindurch
täglich oft nicht mehr als 2 bis 3 Patienten zu behandeln hatten,
kamen sie aus der Uebung der üblichen Untersuchungsmethode wegen
Mangels an passendem Material, und wenn sie dann nach 6 bis 8 Jahren
mangelhafter Praxis zum Examen zugelassen worden wären, hätte ein
Misserfolg unmöglich ausbleiben können. Diese Verhältnisse veranlassten
mich auch, im II. Bande, Seite 52, das Bedauern auszudrücken, dass
diese Examina abgeschafft wurden; sie waren und würden es heute
noch sein, ein Sporn oder ein moralischer Zwang, das auf der Schule
erworbene theoretische medicinische Wissen in der Praxis zu pflegen und
weiter auszubilden. Ich weiss es, dass seit der letzten Organisation
der medicinischen Studien in Holland wirklich gut unterrichtete und
ausgebildete Mediciner in die Praxis eintreten; aber ich weiss es
auch aus eigener Erfahrung, dass die Schulweisheit sehr bald über
Bord geworfen wird, wenn die Praxis nicht das Material, den Sporn
zur Fortsetzung der Studien giebt. Wenn man z. B. Monate oder Jahre
lang keinen Fall von Lungenkrankheiten zur Behandlung bekommt, dann
verliert man auch die Sicherheit in der Untersuchung der Lunge durch
Percussion und Auscultation, und in der medicinischen Wissenschaft
gilt in erster Reihe das Sprichwort: »Stillstehen heisst Zurückgehen«.
Ja noch mehr. Wenn die jungen Aerzte in den Colonien von Zeit zu Zeit
in die grossen Spitäler zur Dienstleistung eingetheilt werden, dann
unterhalten sie nicht nur ihr auf der Schule erworbenes theoretisches
Wissen, sondern werden auch ärztlich so vielseitig gebildet -- als es
ihre Collegen in Europa gewiss nicht sind. Der Colonial-Arzt ist ja
durch die herrschenden Verhältnisse gezwungen, sich in allen Zweigen
des ärztlichen Wissens zu bethätigen, und jene Einseitigkeit, welche
oft die europäischen Specialisten zeigen, ist eben in den Colonien
nicht denkbar. Wie oft wird in Europa von den bedeutendsten Männern der
medicinischen Wissenschaft geklagt, dass durch die Specialisten das
einheitliche Ziel der Therapie, den kranken Menschen und nicht irgend
eine Krankheit zu behandeln, ausser Acht gelassen wird? Ich darf und
kann auch nicht den Specialisten die raison d’être ableugnen; aber
für die Colonien sind in allen Fächern praktisch ausgebildete Aerzte
in erster Reihe eine Nothwendigkeit und dieses ist nur zu erreichen,
wenn dafür gesorgt wird, dass die jungen Aerzte so viel, als eben
möglich ist, in grossen Spitälern ihre Arbeit erhalten, und kleineren
Garnisonen, welche auch keine grössere Civilpraxis bieten, der Arzt
nicht länger als höchstens ein Jahr zugetheilt bleibe.

Ich hatte in Telók Betóng nur ein kleines Material während der 5
Monate, welche ich in dieser Garnison zugebracht habe. Ausser zwei
Entbindungen, bei welchen ich assistirte, hatte ich keine anderen
Fälle, als einige unbedeutende Malaria-, Darm- und venerische
Krankheiten während dieser 5 Monate in Behandlung gehabt, und darum
zögerte ich keinen Augenblick, von oben erwähnter Begünstigung Gebrauch
zu machen, und bat den Sanitätschef, mich einen Monat lang in einem
grossen Spital zu meinem Examen vorbereiten zu dürfen.

Ich kann nicht umhin, das originelle Honorar für meine gynäkologische
Hilfe zu erwähnen, welches mir eine der erwähnten Damen damals
bezahlte. Es war eine junge Dame, welche ihr erstes Kind bekam. Als
der kleine Weltbürger durch einen Schrei seinen Eintritt in diese
schöne Welt verkündete, fühlte ich einen Kuss auf der Stirne. Der
Mann der jungen Frau stand zur andern Seite des Bettes; ich frug also
die junge Frau, ob sie sich mit dem Kusse nicht in der Adresse geirrt
habe? »Nein,« erwiderte sie und drückte mir warm die Hand, während
sie ihren Mann zärtlich anblickte; »dieser Kuss der Dankbarkeit galt
sicher Ihnen, denn Sie haben mich rasch und sicher von den schweren
Geburtsnöthen befreit.« Leider wurde diese dankbare Seele ein Jahr
später von der Cholera dahingerafft.

Einer andern Dame, welche ich damals in Behandlung hatte, möchte ich
gerne an dieser Stelle ein Denkmal der Dankbarkeit setzen. Es ist die
Frau des damaligen Residenten Altheer. Sie ist eine Dame von seltener
Herzensgüte, welche nur ein Ziel, nur eine Lebensaufgabe kannte --
Gutes zu thun, und wirklich schnöden Undank erntete. Ich meine nicht
die zahlreichen kleinen Aufmerksamkeiten, mit welchen sie mich, den
ledigen Mann, in meiner Hauswirthschaft überhäufte. Keine Torte wurde
in ihrer Küche bereitet, ohne dass auch mir ein Stück gesandt wurde;
die ersten Ananas, Rambutan, Mangistan, Manggafrüchte ihres grossen
Gartens kamen nicht nur auf ihren Tisch, sondern wurden auch mir
gesandt. Als ich meine Haushälterin verabschiedete, weil sie nicht
nur ihrem Liebhaber auf meine Kosten volle Verpflegung gab, sondern
mir auch meine Cigarren durch ihren Liebhaber zum zweiten Male zum
Kaufe anbieten liess, war es wiederum diese brave Dame, welche mir so
lange täglich eine ganze »Rysttafel« schickte, bis ich wieder meine
eigene Menage führen konnte. Von mir hat allerdings Frau Altheer keinen
Undank erfahren; ich bewahre noch heute eine dankbare Erinnerung
an die zahlreichen Beweise ihres guten Herzens. Als aber ein Jahr
später beim Ausbruch des Krakatau die wüthende See ihre haushohen
Wellen über die Stadt Telók Betóng stürzte, flüchteten alle Bewohner
hinauf auf den Hügel, auf welchem das Haus des Residenten und das
Fort standen. Europäer, Chinesen und Eingeborene fanden ein Asyl bei
dem Residenten, und die Herzensgüte seiner Frau feierte Orgien von
Wohlthun und Hülfeleistung. Schwere Rauch- und Aschenwolken hingen
über dem Hügel, aus denen beinahe ununterbrochen feuerglühende Blitze
die dichte unheilschwangere Luft durchzuckten. Zwei lange Tage war
ihr Haus von klagenden und weinenden Kindern und Frauen der Europäer
und einigen Chinesen bewohnt, während in den Gärten und in allen
Nebengebäuden die Eingeborenen ihr lautes Gebet um Erbarmen zum Himmel
sandten. Wie ein schützender Engel eilte sie von Zimmer zu Zimmer,
vom Garten in’s Haus, vom Haus in den Stall und brachte den hungrigen
Männern, Frauen und Kindern Essen und Trinken aus ihrer Vorrathskammer,
ohne zu bedenken, dass sie selbst morgen nichts mehr zu essen haben
würde. Als die Wuth der schäumenden, brausenden und stürmenden See
gebrochen war, als der Krakatau in seinem Ergusse der brennenden
Feuermasse sich erschöpft hatte und die lebenspendende Sonne ihre
hellen Strahlen wieder über Telók Betóng ausbreitete, fassten diese
Unglücklichen wieder neue Lebenslust und stiegen hinab in die Stadt,
um nach ihrem Vorrath an Reis und Mehl, Hühnern, Kühen und Ziegen zu
suchen; alles war verschwunden; die wüthenden Elemente hatten die
Stadt rasirt; alles war verschwunden in dem unersättlichen Abgrund des
grossen Meeres. Weinend und klagend kehrten sie zurück in ihr Asyl,
und der gute Engel des Hauses fand für jeden ein tröstendes Wort,
einen Teller Reis oder ein paar Erdäpfel oder ein Stück Fleisch aus
Conserven, und das letzte Huhn wurde geschlachtet, um einer jungen
Wöchnerin eine kräftige Suppe geben zu können. Den dritten Tag gelang
es einem Dampfer, trotz der ungeheueren Masse von schwimmender Lava
und Schlamm, von 20 bis 40 Meter!! Tiefe, von Batavia aus dem schwer
heimgesuchten Telók Betóng Hülfe zu bringen. Der Resident Altheer
nahm die mitgebrachten Lebensmittel in Empfang und vertheilte sie
unter die Aermsten der Armen gratis. Die vermögenden Chinesen und
Europäer liess er jedoch den gewöhnlichen Marktpreis bezahlen, um den
Erlös wiederum dem kleinen Mann, dem armen Bauer, dem kleinen Beamten
zukommen zu lassen. Dies gefiel jedoch keineswegs dem langzöpfigen
Mongolen; er wollte auch für sein Leiden eine Entschädigung haben, und
als ein zweiter Dampfer, welcher ebenfalls Lebensmittel angebracht
hatte, nach Batavia zurückkehrte, gingen zwei Chinesen mit, um bei
der Regierung ihre Klage über den Resident Altheer und seine Frau
einzureichen, dass diese beiden die unglücklichen, armen, ihres
Vermögens beraubten Chinesen zwangen, des Hungertodes zu sterben,
weil sie die Lebensmittel nicht bezahlen konnten. Von Augenzeugen
wurde mitgetheilt, dass einer dieser armen?? Chinesen am Schiffe eine
Tausend-Gulden-Banknote wechseln liess. Auf diese Anklage ging ein
Sturm der Entrüstung durch die Zeitungen und eine Commission, wozu der
Adjutant des Gouverneur-General, Leutnant zur See X., gehörte, ging
nach Telók Betóng und hörte von den dortigen Chinesen dieselben Klagen.
Der Resident Altheer -- wurde pensionirt. Keiner der europäischen
Zeugen hatte nämlich gesehen, dass irgend ein Chinese Geld besessen
haben sollte!! Ehre diesem Mann und seiner Frau!

Ende September kam mein Nachfolger[22] an, und da ich vorher davon
telegraphisch verständigt worden war, konnte ich rechtzeitig alle
Maassregeln nehmen, um sofort nach seiner Ankunft Auction halten
zu können und von der Gastfreundschaft Gebrauch machen, welche der
militärische Commandant mir anbot. Die Hoffnungen, welche ich auf
meinen Nachfolger baute, eine »gute Auction« halten zu können, wurden
nur theilweise erfüllt. Er brachte sich nämlich die grossen Möbel,
als Tisch und Kasten, mit und sah davon ab, meine Equipage und Pferde
zu erstehen, weil Telók Betóng zu klein sei, um sich diesen Luxus zu
gestatten. Für die Pferde fand sich ein Käufer; aber der Wagen blieb
unverkauft. Meine Equipage war in gutem Zustande; der Transport nach
Batavia hätte aber 40 fl. gekostet; ich konnte mit einer gewissen
Sicherheit wissen, dass ich nach meinem Examen nicht in Batavia bleiben
würde, weil die dortigen Regimentsärzte sich einer gewissen Stabilität
erfreuten; sie waren nämlich an der »Doctor-Djawa Schule«[23] als
Docenten angestellt, und es war aus pädagogischen Ursachen ein häufiger
Wechsel derselben nicht erwünscht. Doch der Resident half mir aus
meiner Verlegenheit: Er legte mir nahe, meine Equipage zu verloosen. Zu
diesem Zwecke sollte ich an ihn ein diesbezügliches Gesuch einreichen
und 6 pCt. der Totalsumme als Verloosungsgebühr erlegen. So geschah es
auch, und eine Stunde vor Ankunft des Dampfers aus Padang geschah im
Club die Verloosung; ein Chinese erstand meinen Wagen.

[Illustration: Fig. 7. Ein Engpass im Gebiete des Battaker.

(Vide Seite 77.)]

Nur fünf Monate war ich in dieser kleinen Garnisonstadt, und mit
Vergnügen erinnere ich mich noch heute an die gemüthlichen und
geselligen Stunden, die ich dort verbracht habe. Der militärische
Commandant und seine Frau, der Resident und seine Frau und die meisten
übrigen Familien hatten »indisches Blut« in sich, und doch waren sie
Ehrenmänner, tüchtige Männer, brave Männer, und ihre Frauen waren
liebenswürdige, herzensgute und schöne Damen.

       *       *       *       *       *

Die »Lampongsche Distrikten« war die erste Residentie Sumatras,[24]
welche ich aus Autopsie kennen gelernt habe; aus naheliegenden Gründen
will ich in meinen weiteren Mittheilungen die chronologische Reihe
verlassen und mich mehr an die Topographie der Insel halten.

An diese Provinz grenzt im Norden die »Residentie Palembang«, welche
durch ihre neuen Goldbergwerke in der Gegenwart viel die holländischen
Capitalisten beschäftigt.



3. Capitel.

  Provinz Palembang -- Fauna von Sumatra -- Ein Orang-Utan-Riese --
  Farbenpracht der Fische -- Gold auf Sumatra -- Urbewohner des Landes
  -- Die Hauptstadt Palembang -- Schwimmende Häuser.


Die Provinz Palembang kann geologisch und klimatologisch als
ein Paradigma des Tropenlebens angesehen werden; während ihre
östliche Küste reines angespültes Land ist, das zur Zeit der Fluth
mit Salzwasser bedeckt ist, so dass dieser Bezirk Banju assin =
Salzwasser genannt wird, sind seine Grenzen im Westen die Berge des
Barisangebirges mit italienischem Klima. Hier der Sumpf mit seinen
fieberbringenden Miasmen, dort das Gebirge mit seinem sanften milden
Klima und mit seinem azurblauen Himmel.

Im Allgemeinen ist ja die »Natur« auch auf dieser Insel keine
liebevolle Lebensgefährtin des eingewanderten oder dort geborenen
Europäers; sie ist eine strenge Herrin, welche ihre Uebermacht den
winzigen unbedeutenden Unterthan immer und immer, täglich und stündlich
fühlen lässt. Die Majestät der Tropennatur drückt nieder; sie erhebt
nicht, weil das Massige, das Ungeheure oft zum Schreckenerregenden wird.

Hier im Sumpfe strömt der Fluss Musi, an dessen Ufer, mehr als 90 km
von der Küste entfernt, die Hauptstadt Palembang liegt, welche gewiss
zur Zeit ihrer Gründung nur wenige Schritte vom Ufer entfernt war.
Hier hausen -- um an dieser Stelle nur von der Fauna zu sprechen --
die Krokodile und auf den Nipahpalmen Tausende und abermal Tausende
Mosquitos; dort auf den sumpfigen Reisfeldern nisten Tausende und
Tausende Walang sangit, welche durch ihren intensiven Gestank beinahe
ebensoviel berüchtigt sind als durch die Verheerung, welche sie an
der reifen Frucht bewerkstelligen. Aber auch tausende Leuchtkäfer
schweben nach der Ernte des Reises über dem zeitlich trockenen
Felde und feiern ihre Hochzeit im zierlich schwebenden Tanze, und
ein reizend beleuchtetes Bild fällt und steigt ununterbrochen beim
hellen Funkeln der Sterne auf dem Tropenhimmel. Im Gebirge zieht in
grossen Herden der Elephant und im Urwald der Orang-Utan und der
wilde Büffel; das Rhinozeros und der feige mörderische Tiger bergen
sich in dem hohen Grase der Alang-Alangfelder. In welchen Mengen und
Schaaren stellen sich die kriechenden, fliegenden und springenden
Insecten ein? Zahlreicher als die erwähnten Walang sangit, Mosquitos
und Leuchtkäfer erscheinen die Termiten, die schwarzen und die rothen
Ameisen in unseren Wohnungen. Wohl selten sieht man in Europa so
grosse Schwärme der Eintagsfliegen durch die Luft ziehen, und wenn die
»Larongs« ihre Hochzeit in den Lüften feiern, lässt sich ihre Zahl
kaum annäherungsweise beziffern. In der Regel ziehen diese fliegenden
Termiten nach dem Regen in einer warmen Tropennacht durch die Luft
und umschwärmen jede Lampe; zu Hunderten führen sie ihren Hexentanz
um die Lampe herum auf, bis jede einzelne entweder ihre Flügel oder
ihren Kopf an dem heissen Lampenglase verbrannt hat. Man stellt unter
der Lampe ein weisses Lavoir mit Wasser auf, und in wenigen Minuten
ist die Oberfläche des Wassers mit einer 3-4 cm hohen Schicht dieser
Leichen bedeckt. Wird dieses nicht gethan, versehen den Gräberdienst
die Ameisen, Eidechsen und Frösche. Freilich ist die Zahl der letzteren
nicht so gross, um diese Haufen von Larongs zu verzehren -- die Flügel
bleiben unbenutzt; aber auch die grosse Zahl der Ameisen ist nicht
hinreichend, um in einer Nacht den Tisch oder den Boden unter der Lampe
von diesen Leichen zu befreien.

Wie viel Sorge und Arbeit schafft die Ameise übrigens der Hausfrau,
welche ihre Speisevorräthe vor dem diebischen Ueberfalle dieser kleinen
Insecten schützen will; wenn nur einen einzigen Tag oder nur eine
einzige Nacht die Zuckerschale oder die Fleischschüssel nicht durch
einen Wasserwall beschützt wird, ist sie nach 24 Stunden mit einer
Schicht von Ameisen bedeckt, und von dem Rande der Schüssel bis zum
Boden zieht sich ein doppelter Heereszug von Ameisen, welche die Beute
zu ihrem Neste tragen, oder von welchem sie ausziehen, um die leicht
erbeutete Nahrung zu holen.

Auch von den Termiten ist es bekannt, dass sie in ungeheurer Zahl sich
ansiedeln und alles Organische bedrohen; hölzerne Schiffe wie Kästen
oder auch Möbel wurden nur zu oft eine Beute dieser vielfressenden
Horde. Wie oft stand ich voll Bewunderung vor 2-3 Meter hohen Hügeln,
welche in ihrem Innern das Labyrinth eines Termitenhauses bargen, wenn
ich die Grösse dieses Thieres berücksichtigte; es ist ja nicht grösser
als 1-2 cm.

Wie gross ist die Verheerung, welche die kleinsten Lebewesen, die Pilze
und die Bacterien in den Tropen anrichten, und wie gross ist die Zahl
der Opfer ihrer zerstörenden Thätigkeit! Auch hierunter leidet die
sparsame Hausfrau; wenn sie z. B. keinen Eisschrank hat, kann sie das
ganze Jahr hindurch keine einzige Fleischspeise länger als zwei Tage
bewahren!

Wenn wir zu den Wirbelthieren zurückkehren, so erwähnt, um mit den
Vögeln zu beginnen, Salvadori allein 179 Arten und zwar nur aus
Mittel-Sumatra. Darunter sind vielleicht nicht an Zahl, jedoch an
Bedeutung für den Haushalt in erster Reihe zu nennen: die Hühner.
Sie sind in ganz Sumatra stark verbreitet; jeder Europäer und jeder
Eingeborene hält sich eine grössere oder kleinere Zahl Hühner, welche
2-3 mal des Jahres 12-14 Eier legen. Die Zahl der Sorten ist jedoch
nicht gross.[25] Auch von den Enten sind im Allgemeinen nur zwei
Sorten auf dieser Insel zu finden: die Bergente und die Manilaente.
Die »Bebek« werden am liebsten wegen ihrer Eier gezogen, welche als
sogenannte »gesalzene Eier« kaum jemals auf einer »Rysttafel«[26]
fehlen. Einige Vögel kommen nur in grossen Schwärmen vor; dazu
gehört z. B. der Reisdieb und der Spatz, welcher im Anfange des 19.
Jahrhunderts von dem Autokraten Daendels auf Java eingeführt wurde. Ein
interessanter Vogel ist der Beo, dessen ich schon in Band I erwähnt
habe. Seine Sprache ist viel deutlicher als die des Papagei und als die
des Burung Kaléng, welcher ebenfalls in den Wohnungen der Eingeborenen
gern gehalten wird. Die Zahl der Singvögel ist jedoch auf Sumatra sehr
klein; sie pfeifen und rufen sehr laut; so z. B. kann man den Piet van
Vliet oder den Kuckuk oft auf hunderte von Metern weit hören; aber den
Gesang einer Nachtigall oder Lerche wird man kaum jemals auf allen
Inseln des indischen Archipels hören. Noch muss ich von dem Pfau
mittheilen, dass man -- Eingeborene und Europäer -- ihn in eine gewisse
Verbindung mit dem Tiger bringt. Wo ein Pfau sich aufhält, befindet
sich auch der Tiger; er soll sich von den Entleerungen des Tigers
nähren; ich war nicht in der Lage, die etwaige Richtigkeit dieser
Mittheilungen constatiren zu können.

Von den übrigen Wirbelthieren sind für die Insel Sumatra der Elephant,
der Siamang und theilweise auch der Orang-Utan charakteristisch. Wie
nämlich schon wiederholt von mir mitgetheilt wurde, befindet sich der
Elephant und der Siamang (Hylobates syndactylus) nur auf Sumatra,
während der Orang auch auf Borneo gefunden wird. Im vorigen Jahr
erhielt ich von einem meiner Karlsbader Patienten die Haut eines Orang,
welchen er in der Provinz Deli (Sumatra) geschossen hatte. Die Leiche
liess er hierauf mit den Händen des Orang an eine Stange befestigen
und die Stange so hoch halten, dass die eingeschlagenen Füsse den
Boden berührten. Der Jäger war ein grosser Mann (178 cm gross), und
liess sich zusammen mit dem Orang photographiren. Mein Patient reicht
mit seinem Kopfhaar bis zur Schulter des Affen!! Ich besitze noch
heute diese Photographie (die Haut und der Schädel dieses Orang ist im
Besitze des Wiener Museums), und auf Grund dieser Photographie kann
ich mir ein Urtheil erlauben. Ich habe während meines 3½jährigen
Aufenthaltes auf Borneo mehr als 20 Leichen von Orang-Utans unter
den Händen gehabt; keine war grösser als 150 cm; ich muss entweder
also annehmen, dass der eben beschriebene Orang von Sumatra
ausnahmsweise so gross, also unter den Orangs ein Riese war, oder
dass im Allgemeinen die Insel Sumatra eine grössere Sorte als Borneo
beherberge. Andererseits aber ist diese Frage schwer zu beantworten,
weil, wenigstens nach meiner Erfahrung, die Zahl dieser Affen in
Sumatra viel kleiner als in Borneo zu sein scheint. Warum jedoch nur
die Insel Sumatra Elephanten besitzt, während die Insel Java, welche
wahrscheinlich noch in historischen Zeiten mit ihr zusammenhing, diese
Bewohner nicht kennt, und warum die Insel Borneo den Orang besitzt,
obwohl sie räumlich viel weiter von Sumatra als Java entfernt ist,
werden vielleicht die Geologen und die Paläontologen zu beantworten
wissen.

Auch das Reich der Fische ist auf Sumatra sehr gross. Schon vor vielen
Jahrzehnten theilte Dr. Bleeker mit, dass 380 Sorten Fische auf den
Inseln des indischen Archipels gegessen werden. Dazu gehören auch die
Haifische, deren Fleisch die Chinesen trocknen, räuchern, und deren
Flossen, in der Sonne getrocknet, in keiner chinesischen Suppe fehlen;
obwohl diese Fische die hohe See bewohnen, schwimmen sie oft genug die
grossen Flüsse landeinwärts, so z. B. der Hundhai (Scyllium maculatum),
der Hammerfisch (Zygaena malleus) und der Riesenhaifisch (Carcharyas
macrorhynchus), welcher oft länger als 6 m wird. Wie gross die Zahl
der Fische speciell auf dieser Insel sei, weiss ich nicht; aber ich
erinnere mich sehr gut, dass der Fischmarkt durch den Formenreichthum
und durch die Farbenpracht der ausgestellten Fische immer meine
Aufmerksamkeit erregte. Der Kugelfisch (Tetrodon), dessen Halshaut
getrocknet den Resonanzkasten der indischen Violine (rebáb) bedeckt,
der Roche, Sterlett, das Seepferd, welches als Aphrodisiacum gebraucht
wird, der Riemenfisch, der Schlammbeisser, die Makrele, der Haifisch,
der Karpfen (gurámi), der fliegende Fisch, sie alle geben wirklich ein
reiches Bild der verschiedensten Formen, welche Fische haben können,
und was die Farbe betrifft, so glaube ich, dass die Fische Sumatras an
Farbenpracht[27] mit der seiner Orchideen wetteifern können. Ich will
sofort bemerken, dass ich die Prachtfische Sumatras gewöhnlich nur an
den Strandplätzen sah, und dass es nicht nur möglich, sondern auch sehr
wahrscheinlich ist, dass sie meistens in der See ihre Heimath besassen;
aber ebensogut ist es möglich, dass ein Theil dieser farbenreichen
Fische auch Flussfische waren.

So reich das von mir beobachtete Terrain der Fauna an interessanten
Erscheinungen ist, und so ungern ich dieses Thema verlasse, so
nothwendig ist es, befugten Männern die ausführliche Bearbeitung der
Fauna Sumatras[28] zu überlassen, weil ich doch nur Lückenhaftes
bieten kann, und weil auch in diesem III. Theile meines Werkes nur die
Causerie und nicht die trockene Form irgend einer Wissenschaft zur
Geltung kommen soll.

       *       *       *       *       *

Finder, Gründer, Schinder, Rinder habe das neue Gesetz des Bergbaues
geschaffen, theilte mir einer meiner Karlsbader Patienten mit; es wird
nämlich erzählt, dass von 5 Millionen Gulden, welche die Goldminen
auf Celebes bis nun gekostet haben, 3 Millionen in die Taschen der
Gründer geflossen seien; im Ganzen sollen die Syndicate der diversen
Goldminen von N.-Indien 18 Millionen verdient haben, und wie viel haben
davon erhalten -- die Rinder -- nein, ich wollte sagen die Actionäre?
Sollte die holländische Regierung nicht bald, ja sehr bald ein Gesetz
schaffen, welches Jedermann verbietet, Actien von einem Unternehmen
auf den Markt zu bringen, welches noch nicht im Betriebe ist und noch
keinen Beweis von Lebensfähigkeit gegeben hat?

In Palembang ist sehr viel Gold, wenn auch Carthaus behauptet, dass die
Eingeborenen kaum 15 Ct. (= 25 Pfennig) per Tag durch die Goldwäscherei
verdienen. Das mächtige Urgebirge der Insel Sumatra hat, wie die
übrigen Inseln des malaiischen Archipels, wie dieser Arzt in seinem
Buche »Aus dem Reiche von Insulinde« mittheilt, Granite, Syenite
und Phyllite zum Kern. Während der Tertiärperiode hob sich und noch
heute hebt sich das ganze Gebiet durch den Vulcanismus, welcher sich
von Kamtschatka bis zum Meerbusen von Bengalen durch eine Reihe von
thätigen und erloschenen Feuerbergen und durch colossale Anhäufungen
von vulcanischen Materialien äussert und ungeheuere andesitische Massen
auf die Erdoberfläche schleudert. Im Bereiche des Urgebirges trat auch
Gold auf, welches schon seit Jahrhunderten von den Eingeborenen in
primitiver Weise gesammelt wird. Es ist darum auch kein Zufall, dass
die ganze Industrie von der Provinz Palembang (Palembangsche Möbel und
Holzschnitzereien), die Sarong von Atjeh und die Kleider der Häuptlinge
in dieser Provinz so reichlichen Goldschmuck zeigen.

Carthaus behauptet, dass die Augite und Hornblenden Sumatras nicht arm
an Silber und Gold seien; dass aber die vorhandene Menge gerade wie die
des Bleis, Quecksilbers und Eisens zu »ungünstig gelegen sei, um zu
erfolgreichem Bergbaubetriebe Hoffnung zu geben«. Eine schöne Zukunft
verspricht er jedoch der Gewinnung des Zinnes und der Kohlen, welche
Prognose sich heute schon bewahrheitet hat.

Dennoch möchte ich bezweifeln, ob denn ein europäisches Unternehmen[29]
auf solider Basis nicht z. B. in dem nördlichen Districte der
Residentie Palembang zum Segen des Landes die Schätze des Bodens und
zwar in erster Reihe das Gold heben könnte.

Dieser District -- Djambi genannt -- steht unter dem Sultan von
Djambi, und de facto hat die holländische Regierung nicht nur an der
Peripherie, sondern selbst auch in der Hauptstadt des Sultanats nur
geringen Einfluss. Noch vor wenigen Jahren fand ein Ueberfall in der
nächsten Nähe des Forts statt, dem ein Infanterieofficier und ein
Militärarzt zum Opfer fielen; und doch sind es beinahe schon 300
Jahre, seitdem in Djambi die erste Factory (im Jahre 1616) und in
Muára Kómpeh (im Jahre 1707) zum ersten Male eine europäische Garnison
errichtet wurde. Beide liegen im Alluvium ungefähr 90 km und 45 km von
der Mündung des Djambiflusses entfernt, welcher in seinem Oberlaufe
Harifluss (= Batang Hari) heisst und mit drei mächtigen Armen in die
Berhalastrasse sich ergiesst.

Vom Cap Bon, dem östlichsten Punkt der Küste, bis zum Pik von Indrapura
(3690 m hoch) an der Westgrenze des Sultanats beträgt die Luftlinie 360
km, und vom Berge Bempatasan im Norden bis zum entferntesten Punkte
der Südgrenze ungefähr 200 km. Diese Provinz hat die höchste[30]
Bergspitze Sumatras, die grössten Ströme und die grössten Landstrassen
dieser Insel.

[Illustration: Fig. 8. Ein Battak’scher Kampong.

(Vide Seite 77.)]

Unter den zahlreichen Bergspitzen des Barisangebirges[31] ragt im
westlichen Theile Palembangs und zwar in dem Sultanat Djambi der Berg
Korintji oder der Berg Indrapura als zweithöchster Berg von Sumatra
mit seiner 3690 m hohen Spitze als Grenzmauer zwischen dieser Provinz
und der Residentie »Padangsche Oberländer« hoch in die Lüfte, ohne
dass man immer unterscheiden kann, ob die umgebenden Wolken Dämpfe
aus dem Innern eines Vulcanes oder Gebilde der feuchten Luft seien.
(Aehnliche Zweifel hatte ich ja auch in den Jahren 1891-1896, als ich
zu Magelang auf Java am Fusse des Vulcans Merapi in Garnison war. Von
ihm wusste ich, dass er ein feuerspeiender Berg war; dennoch geschah
es sehr oft, dass Wolkenmassen seinen Scheitel umgaben, ohne dass ich
bestimmt behaupten konnte, dass nur Feuchtigkeit der Luft die Quelle
dieser Wolkenbildung war.) Die übrigen zahlreichen Bergspitzen, so hoch
oder so klein sie sein mögen, anzuführen, würde das Ziel dieses Buches
überschreiten. Auch die Namen der übrigen Flüsse mitzutheilen -- ausser
jenen bereits genannten Djambi- und Musistrom -- hätte keinen Zweck.

Die erwähnte grosse Landstrasse beginnt bei der Hauptstadt Palembang
und zieht in südwestlicher Richtung nach Muara Enim; hier theilt sich
die Strasse in zwei Zweige, wovon der nördliche über Tebing-Tinggi und
Kepahiang quer durch die Residentie Benkulen bis an die gleichnamige
Hauptstadt an der Küste des Indischen Oceans sich zieht; sie dürfte
ungefähr 350 km lang sein. Der südliche Ast strebt der Grenze der
Residentie »Lampongsche Districte« zu, zieht durch die »Pasumahländer«
und geht noch auf Palembangs Gebiet in einen kleinen Fussweg über und
ist ungefähr 102 km lang.

Die Hauptstadt Palembang ist eine sehr interessante Stadt; der
Ethnograph, der Tourist wie der Künstler finden dort ein pittoreskes
Bild, welches sie selten auf ihren Reisen in andern Colonien oder in
Hafenplätzen sehen können; es ist eine echte malaiische Handelsstadt
mit zahlreichen »Râkits« (= Flösse, auf welchen Häuser stehen). Ich
selbst habe dieselben, wenn auch nicht in so grosser Zahl, nur noch
in Bandjermasing beobachten können. Dort sind allerdings dieselben
Bedingungen vorhanden, welche den Gebrauch dieser schwimmenden Häuser
rechtfertigen.

Hier wie dort ist ein junges angespültes Land, welches bei der Fluth
des Meeres täglich unter Wasser gesetzt wird. (Ich sah in Bandjermasing
ein neues Haus auf diesem weichen Boden bauen; die Piloten gingen wie
durch Wachs in die Tiefen des Grundes.) Hier wie dort ist der Boden für
den Ackerbau gänzlich untauglich, und hier wie dort sind die Bewohner
ausschliesslich Handelsleute.

Solche Verhältnisse erklären hinreichend den Gebrauch solcher leicht
transportablen Wohnhäuser. (Fig. 4.)

Die Stadt Palembang liegt an beiden Ufern des Musi; das linke
Ufer heisst in der Volkssprache pinggir ilir = das niedere Ufer,
im Gegensatze zum pinggir ulu = hohes Ufer, welches thatsächlich
einen Weg besitzt, welcher so ziemlich parallel mit dem Ufer von
einem Ende der Stadt bis zum andern verläuft. Hier befinden sich
zahlreiche chinesische Tokos (= Geschäftshäuser) und die Agentur der
»Handelmaatschappy«. Das östliche Ende der Strasse wird durch eine
Ziegelfabrik abgeschlossen. Unter den Gebäuden dieses Theiles der
Stadt verdient vielleicht der chinesische Tempel Erwähnung. Das linke
Ufer, welches in gleicher Weise wie das rechte von vielen kleinen
Canälen oder Flüsschen unterbrochen wird, hat auf dem Lande zahlreiche
europäische Wohnungen: Das Haus des Residenten, die Caserne mit
»Officiershäusern«, den Bazar, den Kirchhof, malaiische Moschee,
zahlreiche Kampongs und am östlichen Ende die alten Sultansgräber.

An beiden Ufern liegen zahlreiche Râkits: Auf einem Flosse aus grossen
Baumstämmen, welche mit Rottang untereinander verbunden sind, steht
eine aus Matten bestehende Wohnung. Das Floss ist mit dicken Rottangen
an Pflöcken festgebunden, welche je zwei für ein Râkit auf dem Lande
sich befinden. Der Stand des Wassers ist aber ein variabler; die Taue
müssen daher je nach der Höhe des Wasserstandes kürzer oder länger
angezogen werden. In beiden Fällen werden die Bewohner des Râkit durch
ein eigenthümliches Knarren des Flosses darauf aufmerksam gemacht.
Besonders beim Sinken des Wasserspiegels ist ein rasches Eingreifen
dringend nöthig. Werden in diesem Falle nicht sofort die Taue
gelöst, so sitzt das Floss an der Böschung fest, und da dieses keine
horizontale Fläche ist, sondern in der Regel einen Winkel von 40-50°
mit dem Horizont einschliesst, so verliert das »Haus« seinen verticalen
Stand, und oft genug geschieht es in einem solchen Falle, dass das
Haus einstürzt. Der entgegengesetzte Fall ist weniger gefährlich. Wird
das Steigen des Wassers von den Bewohnern nicht wahrgenommen, so wird
es nur seine Stabilität verlieren, und wenn die Eigenthümer zufällig
abwesend sind, werden sich die Nachbarn beeilen, die Taue anzuziehen,
um nicht der Gefahr ausgesetzt zu werden, ihre eigene Wohnstätte von
dem frei beweglichen Nachbarhause unsanfte Berührungen erdulden zu
lassen.

Die Bäume des Flosses sind in den seltensten Fällen mit Brettern
bedeckt; gewöhnlich bildete die Flur des Hauses ein Netzwerk aus
dünnen Stöcken oder Matten aus Bambus oder aus Rottang; in dem einen
Falle sieht man also das Wasser durch die Maschen des Netzwerkes
durchschimmern, und der Europäer, welcher zum ersten Male ein solches
Haus betritt, fühlt sich in doppelter Weise darin unangenehm.
Einerseits fühlt er die Wellenbewegungen des Wassers und andrerseits
geht er unsicher auf den runden Stöcken des Bodens.

Unwillkürlich drängt sich uns die Frage auf, wie der hygienische Werth
solcher Wohnungen zu beurtheilen sei. Wenn wir von theoretischen
Erwägungen absehen und allein die Thatsachen sprechen lassen wollen, so
ist die Hygiene in diesen schwimmenden Häusern gewiss nicht schlechter
als in jenen, welche in der nächsten Umgebung einen trockenen und
festen Untergrund haben. Die Eingeborenen, welche in solchen Häusern
wohnen, erfreuen sich im Allgemeinen einer bessern Gesundheit, sie
leiden weniger an Fieber und an Krankheiten der Därme, als ihre
Nachbarn auf dem Lande. Aber die Zahl der von mir beobachteten Fälle
ist zu klein, um mir auf Grund dieser Thatsachen ein Urtheil zu
erlauben. Von theoretischen Standpunkten ausgehend, glaube ich ihnen
jedoch einen gewissen hygienischen Werth zusprechen zu müssen. Auf
Sumatra ist die Luft feucht, selbst sehr feucht; die Ausdünstungen des
Wassers, welche durch die Flur des Hauses in die Schlafräume dringen,
spielen eine untergeordnete Rolle; sie haben ja weder Zeit noch
Gelegenheit, in den Wohnräumen sich dauernd aufzuhalten und Schimmel
entstehen zu lassen. Wenn auch nämlich Sumatra keine ausgesprochenen
Monsune hat, so besteht doch ein täglicher Wechsel in der Windrichtung.
(Der Seewind ist warm, und der von den Gipfeln des Centralgebirges
Abends und während der Nacht hinabsteigende Luftstrom setzt die
Temperatur oft um 10 ° C. herab.) Der Wind dringt durch die Lücken
der geflochtenen Wände des Hauses und führt alle schädlichen Stoffe
der Luft nach aussen. Thatsächlich habe ich niemals in einem solchen
schwimmenden Hause irgendwo Schimmel gesehen.

Auch die Temperatur ist in solchen Häusern angenehmer als in jenen,
welche aus Holz oder Steinen gebaut auf dem festen Lande stehen, d. h.
so lange ein Luftstrom die Wohnräume durchzieht. Wenn aber, was häufig
in den Nachmittagsstunden der regenfreien Tage geschieht, kein Wind
oder kein Zephyrwehen die vom Wasserspiegel reflectirte heisse Luft
stagniren lässt, so dass man auf dem benachbarten Ufer die Wellen
der erhitzten Luft mit freien Augen sehen und ich möchte sagen, mit
den Händen greifen kann, dann allerdings wird auch der Aufenthalt
in einem solchen Hause zu einer Höllenqual. Durch den grossen
Feuchtigkeitsgehalt der Luft verdampft der Schweiss auf dem Körper
langsamer als in der trockenen Luft, und wenn man nach Landessitte um
zwei Uhr sein Mittagsschläfchen gehalten hat, erwacht man um vier Uhr
in Schweiss gebadet, und müde schleppt man sich zu der Oeffnung in der
Flur, um mit dem warmen Wasser des Flusses den Schweiss von dem Körper
abzuspülen.

Auch die Abfälle der Küche, der Kehricht und die Entleerungen der
Menschen gehen auf diesem kurzen Wege in den Strom, und die Bewohner
sorgen dafür, dass der Unrath nicht in den Zwischenräumen der Râkits
stagnire; die zahlreichen Fische unterstützen sehr gern diese
hygienischen Maassregeln der Eingeborenen, und nicht selten sieht man
durch die Maschen des Netzwerkes einen Kampf der Fische um diese etwas
fraglichen Leckerbissen.

Diese primitiven Häuser bieten also den +Eingeborenen+ unter den
herrschenden Verhältnissen, vom hygienischen Standpunkte beurtheilt,
gewiss zweckmässige Wohnstätten.

       *       *       *       *       *

In der nächsten Provinz, welche im Süden an diese »Residentie«[32]
grenzt und »Riauw und Vasallenstaaten« heisst, habe ich mich nur einige
Stunden und zwar in der Hauptstadt Riauw aufgehalten.



4. Capitel.

Rheumatismus -- Singapore -- Spitäler in Singapore -- Ein arabischer
Geldwechsler -- Chinesische Kaufleute -- Die Provinz Riauw und
Vasallenstaaten -- Matriarchat -- Menangkabauer -- Nieskrampf.


Ende März 1883 wurde ich von der Artillerie-Schiessstätte in
Batu-Djadjar[33] auf Java abberufen und kehrte nach Batavia, meinem
Standplatze, zurück. Mein altes Leiden, ein Gelenkrheumatismus,
hatte sich kurz vor meiner Abreise eingestellt; ich konnte manchmal
nicht gehen, manchmal nur mit gebogenem Knie, und manchmal war ich
stundenlang frei von Schmerzen, und dabei zeigten die davon befallenen
Gelenke kein objectives Symptom, d. h. sie waren nicht geschwollen.

Im Allgemeinen habe ich in Indien durch diese chronische Krankheit eher
mehr denn weniger als jetzt in Europa gelitten; meine Erfahrungen in
den Tropen stimmen mit jenen anderer Aerzte in Europa überein; wenn
ich auch z. B. auf den warmen, selbst heissen Strandplätzen, wie z. B.
auf der Nordküste von Sumatra, auf Java u. s. w. Fälle von chronischem
Rheumatismus zur Behandlung bekam, so waren es doch nur Ausnahmefälle.
Im Gebirge oder vielmehr in höher gelegenen Theilen des Landes häuften
sich nicht nur die Anfälle bei mir selbst, sondern ich bekam auch
viel mehr Fälle zur Behandlung als in warmen Garnisonen, wie Ngawi,
Tjilatjap u. s. w.

Auf bacteriologischer Basis lässt sich diese allgemein bekannte
Thatsache -- auch in Europa sind ja die Sommermonate und die
südlichen warmen Orte die günstigsten Bedingungen für diese Patienten
-- leichter als auf meteorologischer erklären. Im letzteren Falle
werden die Temperaturschwankungen, der jeweilige Feuchtigkeitsgehalt
der Luft, die Richtung des herrschenden Windes und die jeweilige
Elektricitätsmenge beschuldigt, diese Krankheit oder ihre zeitweiligen
Anfälle zu veranlassen. Hohe Temperatur allein, sowie hohe Feuchtigkeit
der Luft oder beide zusammen können kein absolutes Präservativ für
oder vielmehr gegen den Gelenkrheumatismus sein; denn dann müsste
in den Tropen diese Krankheit unbekannt sein; selbst im Gebirge ist
ja die Durchschnittstemperatur z. B. in Magelang auf Java, welches
384 m hoch liegt, noch immer 20 ° C.; dennoch hatte ich während
meines 5jährigen Aufenthaltes in dieser Garnison zahlreiche Anfälle,
und ich sah selbst acute Fälle dort auftreten. Die Richtung der
herrschenden Winde muss natürlich ganz ausser Betracht bleiben; sie
ist ja nur die Folge zahlreicher Factoren, Temperatur, Luftströmung
u. s. w., welche an und für sich sehr wahrscheinlich die biologischen
Processe der Menschen und Thiere beeinflussen. Die Schwankungen der
Elektricität sind leider viel zu wenig bekannt, d. h. so weit sie
die biologischen Processe des Menschen beeinflussen. Wenn wir aber
in kleinsten Organismen, in Bacterien die Entstehungsursache dieser
Krankheit suchen, wie es schon vor mehreren Jahren Salisbury, Guttmann,
Pocock, Schäfer u. s. w. thaten, dann werden wir leichter zum Ziel
gelangen, wir werden wenigstens das variable Bild dieser Krankheit
erklären können; denn auch in Indien sind die Exacerbationen an jene
Zeiten des Jahres geknüpft, in welchen die Bacterien jeglicher Sorte
am üppigsten gedeihen; es ist die Zeit der Kenteringe, in welcher
alle Bedingungen zur starken Entwicklung der schädlichen Bacterien
gegeben sind: Feuchtigkeit, hohe Temperatur und passender Nährboden.
In den ausgesprochen trockenen Zeiten, in welchen Wochen lang kein
Tropfen Regen fällt, und während jener wenigen Wochen, in welchen es
ununterbrochen regnet, diese sind in den Tropen die gesündesten Zeiten,
und auch ich blieb, wie die übrigen Rheumatici, von den Attacken meines
chronischen Leidens befreit. Vielleicht wird es bald gelingen, den
Krankheitserreger des Gelenkrheumatismus zu entdecken.

Ich blieb also im Spital und nahm jeden Tag in der frühen Morgenstunde
ein warmes Bad. Ende Mai sollte das 10. Bataillon nach Atjeh (Sumatra)
gehen, und der Spitalschef, welcher zugleich Landessanitätschef war,
frug mich, ob ich es nicht wagen wollte, die Truppen zu begleiten, um
durch eine Seereise mich von dem 5wöchentlichen Aufenthalte im Spitale
zu erholen. Ich nahm gern seinen Vorschlag an, weil der Aufenthalt
im Spitale mich thatsächlich langweilte. Der Marsch vom Spitale in
Weltevreden nach der Station war für mich mit keiner Ueberanstrengung
verbunden, und weiterhin konnte ich voraussichtlich an Bord des
Schiffes der nöthigen Ruhe mich hingeben. Via Singapore ging die Reise
nach Atjeh.

Im Ganzen habe ich mich fünfmal in dieser Hauptstadt der Straits
Settlements aufgehalten.

In zwei Tagen hatten wir damals Singapore erreicht, und schon nach
wenigen Stunden setzten wir unsere Reise fort; ich sah damals nur
den Hafen und das Hôtel de l’Europe, welches am Ufer vielleicht 20
Meter hoch über den Spiegel der See sich erhob. Auf der Rückreise von
Atjeh kam ich den 13. Juni (1883) mit einem Dampfer der indischen
Dampfschifffahrtsgesellschaft wiederum nach der »Löwenstadt«,
und da wir zwei Tage uns dort aufhalten sollten, ersuchte ich
den holländischen General-Consul um eine Empfehlungskarte an die
Spitalsleiter des Frauenspitales. Eine Stunde später erhielt ich von
seinem »Hoofd-Assistent« einen ausführlichen Brief und die nöthigen
Einführungskarten. Wie mir dieser Herr mittheilte, befanden sich
damals drei grosse Spitäler zu Singapore: Das General-Hospital unter
der Direction des Dr. Simon, das Pauper-Hospital oder Tan Tock
Seng’s unter Dr. Bentley und das Lock-Hospital, in welchem der Chef
des civilärztlichen Dienstes Dr. Rowell nur (venerische) Frauen
behandelte. Da alle drei Aerzte ihre ärztlichen Visiten zwischen 7½–8
Uhr Morgens in dem Spitale machten, so konnte ich wegen der kurzen
Zeit nur eines unter der Leitung des Spitalchefs besehen; nun hatte
jeder dieser drei Herren einen Stellvertreter, welcher unter dem Namen
Apothecary eine mir und im Allgemeinen den deutschen und holländischen
Anschauungen fremde Stellung einnahm. Ich würde ihn am besten mit einem
Krankenoberwärter vergleichen, welcher einiges medicinische Wissen
besitzt; er ist ein Heilgehülfe und behandelt die Patienten, während
die genannten Aerzte eigentlich nur Conciliarpraxis in diesen Spitälern
üben. Dieses erklärt auch die hohen Honorare, welche diese drei Aerzte
in der Privatpraxis sich bezahlen lassen; eine gewöhnliche Visite wird
mit 1 £ bezahlt, während im benachbarten Batavia und Deli das Standard
1 Dollar oder Ryksdaalder = 2,50 fl. ist.

Aus naheliegenden Ursachen sah ich davon ab, von den übrigen zwei
Apothecaries mir die Spitalsräume zeigen zu lassen, und verfügte mich
um 7 Uhr in das Spital des Dr. Rowell.

[Illustration: Fig. 9. Ein Tiger in der Falle.

(Vide Seite 80.)]

Ich war der englischen Sprache nicht mächtig, und Dr. R. sprach das
Französische in einem mir beinahe unverständlichen Dialekte; ich hatte
zwar als Dolmetsch einen Reisegenossen mitgenommen, aber unwillkürlich
verfielen wir Beide auf den Gebrauch der malaiischen Sprache, und ohne
Dolmetsch flottete das Gespräch sehr gut.

Das Spital machte in jeder Hinsicht einen günstigen Eindruck. Es
bestand nur aus glatten, ungefärbten Holzwänden und hatte eine sehr
gute Ventilation; die Patientinnen schliefen auf hölzernen Pritschen
und hatten ein ledernes Kopfkissen, welches mit Kapok gefüllt war.
Der Zwischenraum zwischen je zwei solchen Pritschen war 1½ Yard
= 1,4 m gross. Die Reinlichkeit liess nichts zu wünschen übrig, und
die Luft der Säle war ganz frisch und ohne jeden Gestank. Damals
behandelte Dr. R. seine Patienten mit subcutanen Einspritzungen mit
Sublimat; ich frug ihn, wie lange die secundären Symptome bei dieser
Behandlung auf sich warten liessen, und mit wirklich beneidenswerthem
Sanguinismus antwortete er: »Diese kommen überhaupt bei uns nicht
vor!« Ich fühlte keinen Beruf in mir, bei dieser Gelegenheit mich in
eine wissenschaftliche Debatte einzulassen, und als übrigens noch der
Apothecary diesen Erfolg ihrer Therapie bestätigte, gratulirte ich den
beiden Herren zu ihrem therapeutischen Triumph und verabschiedete mich
von ihnen.

Mein dritter Aufenthalt in Singapore dauerte nur wenige Stunden, welche
jedoch hinreichten, mir ein kleines Abenteuer zu verschaffen. Den 22.
Juni brachte mich ein kleiner Dampfer von Batavia nach Singapore,
von wo ich am 25. in der Frühe meine Reise nach »Polonia« fortsetzen
sollte. Als ich Abends (den 24.) in den Hafen einlief, sah ich einen
österreichischen Dampfer dort liegen, und bald hatte ich mit dem
Schiffscapitän und mit dem Schiffsdoctor Bekanntschaft gemacht. Dieser
war ein gebürtiger Dalmatiner und war der englischen Sprache sehr gut
mächtig. Wie alle Fremden gingen wir Beide in’s Hôtel de l’Europe und
liessen uns ein Glas mit Eis abgekühltes Bier geben. Hier ist das
Rendezvous nicht nur aller Reisenden, sondern auch der jeunesse dorée
von Singapore. Man erwarte jedoch nicht grosse Säle mit Eleganz und
Luxus ausgestattet. Die kleinste Provinzialstadt Europas hat einen
schöneren Billardsaal als dieses Hôtel I. Ranges in Singapore. Einen
herrlichen Anblick bietet aber die Veranda durch die Aussicht auf
die See. Es war ein kühler Abend, die Temperatur war auf 72 ° F. =
22 ° C.[34] gesunken, der Tropenhimmel glänzte in seiner ganzen Pracht
und Herrlichkeit, und vor uns lag nur wenige Schritte entfernt der
Hafen, in welchem Hunderte von Lampen im Innern zahlreicher Schiffe
auf- und abwogten, von dem sanften Wellenschlag der See geschaukelt.

In die Veranda kamen chinesische und klingalesische Hausirer, und vor
derselben gingen zwei arabische Geldwechsler auf und ab, welche ihre
silbernen Dollars von einer Hand in die andere fallen liessen. Da ich
in meiner neuen Garnison dieselben voraussichtlich benöthigen würde,
entschloss ich mich, eine holländische 100 fl.-Banknote einzuwechseln,
und nach langem Feilschen bot er mir 44 Dollars dafür an. Er kam zu
mir in die Veranda und zählte sie mir vor. Befriedigt nickte ich mit
dem Kopfe, als er den 44. niederlegte, und mit dem malaiischen Worte
sudah (= es ist gut) entliess ich ihn, ohne zu bemerken, dass ich ihm
eine Banknote von 200 fl. und nicht von 100 fl. gegeben hatte. Mit
einem gleichgiltigen tabéh-tuwan (= Gegrüsst Herr!) ging er weg. Um
9 Uhr ging ich zum Schiffe zurück und entdeckte sehr bald, dass mir
100 fl. fehlten, und sofort erinnerte ich mich auch, auf welche Weise
dieses Manco entstanden war, und eilte mit meinem österreichischen
Collegen auf die Polizei. Ein englischer Polizeiagent ging trotz
der späten Abendstunde mit uns in’s Hôtel, wo die Kellner zwar sich
erinnerten, mich mit einem arabischen Geldwechsler in Unterhandlung
gesehen zu haben, Niemand kannte jedoch seinen Namen oder seinen
Wohnort. Zufällig hörte jedoch ein klingalesischer Hausirer, um was
es sich handle, und rief plötzlich: »Ich habe es auch gesehen und mir
fiel auf, dass dieser Araber keinen kleinen Finger auf der linken Hand
hatte.« Dieses Signalement war dem Polizeiagenten bekannt, und als wir
in die Wohnung dieses Arabers traten, sass er auf seiner Matte und
hatte vor sich 44 Dollars liegen. Lächelnd behauptete er, gewusst zu
haben, dass ich den Irrthum bemerken und die 44 Dollars holen kommen
würde. Der Polizeiagent hatte eine ganz andere Ansicht und zwar, dass
er darauf gerechnet hatte, dass ich abreisen würde, ohne den Irrthum zu
entdecken; wir Beide aber waren froh, dass er den lapsus manus nicht
leugnete. Der Araber verlangte sogar zur Belohnung seiner Ehrlichkeit
einen Dollar. Dem Polizeiagenten entlohnte ich seine gestörte Nachtruhe.

Im Jahre 1897 sah ich zum letzten Male die »Löwenstadt«; vom 17. bis
zum 20. April mussten wir auf die Ankunft des »Ernest Simon« warten,
welcher von China kommen und uns zur Reise nach Marseille aufnehmen
sollte.

Die Stadt liegt auf der gleichnamigen Insel, welche 555 ☐km gross ist.

Den 18. April fuhr ich mit einer kleinen Gesellschaft längs des Berges
Timah (170 m hoch) in einem bequemen Wagen nach der Nordküste der
Insel, und wir liessen uns von einem chinesischen Kahnführer über den
Canal fahren, welcher an dieser Stelle ungefähr 3 km breit ist. Wir
waren in Asien, und zwar im Reiche des Fürsten von Djohor. Den Luxus,
welchen dieser Fürst in Europa zu entwickeln gewöhnt ist, zeigte
keineswegs sein Palast. Ein reicher holländischer Patricier hat mehr
Luxus und Comfort in seinem Hause als dieser Fürst in seinem Schlosse.
Der Regent in Bandong[35], und ich will nicht von dem Gegenfürsten in
Solo[35] (Java) sprechen, entwickeln viel mehr Luxus in ihren Wohnungen,
als ich in Djohor sah. Hierauf ging ich in den englischen Club, wo ich
mich durch einen der anwesenden Officiere introduciren liess und ein
herrliches Beefsteak mit einem Glas Bier bekam.

Den 19. besuchte ich in Singapore den botanischen Garten und die
Wasserreservoirs. Der erstere verdient weder diesen Namen noch den
eines Thiergarten. Ein paar Schlangen, Affen, Papageien verriethen
höchstens den guten Willen, wie z. B. der Thiergarten in Batavia.
Aber schön war das Wasserreservoir neben dem Sophienhügel. Vor
dem Hôtel zog sich die Esplanade mit dem Raffles-Denkmal und dem
Cricket-Club längs der Küste dahin, welche im Westen von der Mündung
des Singaporflusses begrenzt wurden. Am rechten Ufer befand sich der
Landungsplatz und das chinesische Viertel. Natürlich wurde ich von den
chinesischen Kaufleuten überfallen, obwohl ich durch den Gebrauch der
malaiischen Sprache den Globetrotter verleugnete. Wenn man den Muth
hat, den dritten Theil von dem verlangten Preise zu bieten, kann man in
Singapore Vieles um einen Preis erhalten, welcher in Europa ungläubiges
Kopfschütteln erregen würde. Ich kaufte z. B. damals zum Gebrauche auf
dem Schiffe zwei longues chaises um 3,75 fl. = 6½ Mark das Stück,
welche ich noch heute besitze. Sie sind schöner und solider als jene,
welche ich im Jahre 1886 zu demselben Zwecke in Rotterdam um 13 fl. =
21½ Mark per Stück bezahlt habe.

Der Totaleindruck der Stadt Singapore ist ein sehr günstiger: Eine
Hafenstadt mit starkem Handel in den Händen eines europäischen Volkes,
welches auch dort in den Tropen den heimathlichen Sport und die
nationale Energie nicht verleugnet.

Die Insel Singapore liegt -- ohne dazu gerechnet zu werden -- im Riouw
und Linggaarchipel und ist ungefähr 45 km von der Insel Bintang oder
Riouw entfernt, nach welcher die dritte »Residentie« auf der Ostküste
von Sumatra benannt ist.

Die Provinz »Riouw en onderhoorigheden«[36] = Riouw und Vasallenstaaten
zerfällt in zwei Theile; der östliche Theil umfasst den Archipel und
die Inseln im chinesischen Meere bis 4° 45′ N. B., wozu die Watas
(= hl. Esprit) oder die Tambelan, die Anambas, die Seeräuber (oder
Serasan), die Duperre und die Natuna-Inselgruppen gehören; die Insel (=
Pulu) Laut liegt beinahe schon am 5° N. B. Der westliche Theil »Lingga«
mit den drei Districten Mandah, Indragiri und Réteh liegt auf der Insel
Sumatra und wird im Westen von der Residentie »Padang’sches Hochland«
begrenzt, oder, besser ausgedrückt, von unabhängigen Stämmen, welche
zwischen dieser Provinz und dem holländischen Gebiete der Ostküste ihre
staatliche Freiheit bis zum heutigen Tage sich erhalten haben.

Diese »unabhängigen Stämme« sind mit den im Norden und Süden
wohnenden Nachbarn die spärlichen Reste jenes grossen und mächtigen
malaiisch-islamischen Reiches Menangkabau, welches im Mittelalter
nicht nur ganz Mittel-Sumatra besass, sondern auch Singapore und
Malacca im 12. Jahrhundert gründete und seine Sprache von hieraus
bis Ceylon einerseits und bis an die äussersten Inseln des indischen
Archipels allen Küstenbewohnern gab, so dass die malaiische Sprache von
Madagascar bis Neu-Guinea auf den Küsten aller Inseln dieselbe führende
Rolle wie die französische Sprache in Europa hat.

Diese Ueberbleibsel des grossen Reiches von Menangkabau haben nach
dem Falle dieses Colosses in verschiedener Weise eine neue staatliche
Organisation erhalten[37] und ihre Häuptlinge führen heute diverse
Namen und auch diversen Rang. Sie alle haben aber heute Communalbesitz
und üben die Hadat Kamanakan, d. h. die Erbfolge in weiblicher Linie
aus: Das Haupt der Familie ist der Mama, der Bruder der Mutter, welcher
in allen Rechten und Pflichten der Vater seiner Neffen und Nichten
ist; in der Erbfolge werden jene Familienmitglieder berücksichtigt,
welche nur in weiblicher Linie verwandt sind. Von der Mutter also erben
die Kinder, und wenn diese nicht vorhanden sind, sind ihre Erben nur
+ihre+ Brüder und Schwestern resp. deren Kinder. Als Vormund der Kinder
tritt nach dem Tode der Mutter nicht der leibliche Vater, sondern der
Mama auf. Stirbt der Mann, so treten nicht seine Kinder, sondern seine
Geschwister resp. deren Kinder die Erbschaft an.

Dies ist das Princip des Kamanaken = Matriarchat, welches noch bei
zahlreichen malaiischen Stämmen des Padangschen Oberlandes (z. B. in
Agam, Tanah Datar, in den 50 Kota’s u. s. w.) und auch von den Orang
Semang (Fig. 5) auf Malacca geübt wird, welches im 13. Jahrhundert von
den Menangkabauern bevölkert wurde.

Diese, d. h. die heutigen Menangkabauern Sumatras pflanzen Ladangs
(= trockene Reisfelder), Tabak, Kaffee, Zuckerrohr, Catechu, Indigo
(Marsdenia tinctoria oder Indigoferasorten), Kapok (= Pflanzendune),
Mais, Obi (= Baumknollen), Palmen und andere Fruchtbäume; sie treiben
Handel mit den Producten des Urwaldes, Getáh, Sago, Wachs, Holz, rothe
Erde; sie backen Töpfe und besitzen einige Goldschmiede. Im Ganzen und
Grossen sind die »unabhängigen Länder« an der Westgrenze der Provinz
»Riouw und Vasallenstaaten« ein armes Volk. Genug häufig ziehen sie
in die benachbarten holländischen Besitzungen, um als Kuli ihr Brod
zu verdienen, oder nehmen gegen Bezahlung die Robottdienste auf sich,
welche der reiche Nachbar, zu stolz, sie in Persona zu leisten, gerne
einem andern überlässt. Trotz ihrer Armuth haben sie sich eine relativ
hohe Sittenreinheit aus jener Zeit erhalten, in welcher (im Anfange
des 19. Jahrhunderts), wie wir später sehen werden, die »Padri« ihrer
neuen mohamedanischen Lehre vom Padangschen Oberlande aus mit Feuer
und Schwert in die benachbarten Stämme Eingang zu verschaffen und sie
über ganz Mittel-Sumatra zu verbreiten suchten. Ihr Gebiet ist reines
Hochland und fällt sanft in das Gebiet ab, welches die Residentie
»Riouw und Vasallenstaaten« bildet.

Die Hauptstadt dieser Provinz liegt auf der Insel Bintang oder Riouw
und zeigt in jeder Hinsicht den Typus einer kleinen Hauptstadt,
und wenn wir von der Topographie der Stadt absehen, könnte man sie
ein zweites Telók Betóng nennen. Die Zahl der Beamten und Soldaten
war in beiden Städten dieselbe; höchstens lebten in Riouw mehr
Europäer, welche in dem intensiven Schifffahrtsverkehr in diesem Hafen
Beschäftigung und Broderwerb fanden.

Ich selbst hatte Gelegenheit, mich einige Stunden in dieser Hafenstadt
aufzuhalten und zwar am 25. Februar 1884, als ich aus der Garnison
Seruway desertirte, d. h. mich Krankheits halber evacuirte, bevor
mein Nachfolger angelangt war. Ich musste auf die Fortsetzung der
Reise des Dampfers nach Batavia warten, weil eine grosse Schiffsladung
ausgeladen werden musste. Ich ging auf das Land, besuchte den dortigen
Platzcommandanten und den »Eerstaanwezenden Officier van Gezondheid«
Dr. X. und kehrte dann in’s Hôtel zurück, um das Signal des Dampfers
nicht zu überhören. Es dauerte aber noch zwei Stunden, bis die schrille
Dampfpfeife mich wieder an Bord rief. Unterdessen that ich nichts
anderes als -- niesen.

Dies ist eine echte Tropenkrankheit, welche nur die Veteranen im
Tropenleben überfällt und von der die Orang baru (= Neulinge) verschont
bleiben. Sie besteht nur in einem Nieskrampf (Ptarmus = Stermutatio
convulsiva), welcher in den Tropen einen heftigen Schnupfen einleitet
und viel häufiger als in Europa den Eingewanderten befällt, welcher
schon viele Jahre den nervenschwächenden Einfluss des Tropenklimas
erfahren hat.[38]



5. Capitel.

Die Provinz „Ostküste von Sumatra“ -- Zinninseln -- Ein misslungener
Freihafen -- Ein englischer Abenteurer -- Petroleum auf Sumatra --
Menschenfresser -- Die Hauptstadt Medan -- Im Urwalde -- Entwaldung --
Die Commandeuse -- Ein schlechter Garnisonsplatz -- Ein Vorurtheil --
Eine Faciesbildung -- Hospitalbrand -- Amok-Laufen -- Krebsfälle.


Während meiner 21jährigen Dienstzeit in der holländisch-indischen Armee
wurde ich 20 Mal transferirt und machte im Ganzen 20 grössere oder
kleinere Seereisen und bin 6 Mal in der Strasse von Malacca gefahren.

Das erste Mal begleitete ich im Mai 1883 das 10. Bataillon nach Atjeh,
blieb nur einige Tage in der Hauptstadt Kuta radja und kehrte längs der
Ostküste von Sumatra, also zum zweiten Male in der Strasse von Malacca
nach Java zurück.

Den 22. Juni 1883 musste ich wiederum, also zum dritten Male, in
dieser Strasse eine Fahrt machen, weil ich bei meiner Ankunft in
Batavia den Befehl erhielt, sofort nach »Polonia«[39] zu gehen, wo der
Sitz der militärischen Behörden der vierten Provinz, der »Ostküste
Sumatras« sich befand, in welcher ich mich 8½ Monate aufhielt.
Traurige Tage, Wochen und Monate habe ich, wie wir sofort sehen werden,
in dieser Provinz verlebt, und als ich auf meiner Rückreise nach
Batavia im Februar des Jahres 1884 zum vierten Male den Weg durch die
Malaccastrasse nahm, hielt mich nur die Hoffnung auf ein baldiges Ende
meines körperlichen und seelischen Leidens am Leben.

[Illustration: Fig. 10. Roden des Urwaldes.

(Vide Seite 81.)]

Zum fünften Male sah ich diese Meeresstrasse im Jahre 1896, als die
holländische Regierung den Abfall ihres Bundesgenossen Tuku Umar
durch einen grossen Feldzug in sein Gebiet in Atjeh bestrafen
musste. Zu diesem Zwecke liess sie vier Bataillone Infanterie,
Cavallerie, Artillerie und Genietruppen von der Insel Java zur
Ergänzung ihrer Truppenmacht nach Atjeh kommen. Da die einzelnen
Truppenkörper reglementär keine Militärärzte besitzen, welche nur den
»Garnisonsplätzen« zugetheilt werden, mussten diese Truppen von Aerzten
»begleitet« werden, welche aus andern Garnisonsorten genommen wurden.
Ich selbst bekam den Befehl, »das 6. Infanteriebataillon« von Magelang,
wo ich mich in Garnison befand, nach Semarang zu »bringen«. Hier wurde
ich jenem Schiffe zugetheilt, welches die »Artillerie«, die »Genie«
und die »Maulesel« nach Atjeh transportiren sollte. Der Stand der
Militärärzte in der Garnison »Atjeh und Vasallenstaaten« war bei meiner
Ankunft complet; ich wurde also nicht zurückgehalten, sondern bekam den
Befehl, mit erster Gelegenheit nach meiner Garnison zurückzukehren.
Diesmal ging die Reise nach Java längs der Westküste Sumatras.

Die sechste Fahrt in der Malaccastrasse schloss, wie wir früher sahen,
meine Carrière in der holländisch-indischen Armee.

       *       *       *       *       *

Als ich im Juni 1883 nach Polonia transferirt wurde, benutzte ich
einen Dampfer der damaligen indischen Dampfschifffahrt-Gesellschaft,
welche nach Riouw, Singapore und nach der Ostküste Sumatras jeden Monat
sechs Dampfer sandte. Den 22. Juni schiffte ich mich in Batavia ein,
und bei schönem Wetter und bei ruhiger See nahmen wir den Curs nach
N. W. Die Fahrt ging zwischen den beiden zinnreichen Inseln Banka[40]
und Billiton, liess die Gruppe der Lingga-Insel zur Backbordseite
liegen, und wir dampften dann direct nach Riouw und Singapore.
Hierauf bestiegen wir einen kleinen Dampfer, welcher einen geregelten
Verkehr zwischen Riouw und den Hafenplätzen auf der Ostküste Sumatras
unterhielt. Von Riouw ging die Fahrt zwischen den Inseln Padang und
Bengkalis, und wir sahen die Tebing-Tinggi-, Rangsang- und Merbouw
und die übrigen kleinen Inseln auf der Backbordseite in weiter Ferne
liegen. Vor der Hauptstadt der »Residentie« fiel der Anker in die Tiefe
der »Brouwerstrasse«, welche die drei erstgenannten Inseln von dem
Festlande scheidet. Ich wusste damals nicht, dass der Plan bestand, in
Bengkalis einen Concurrenzhafen des Welthafens Singapore zu schaffen;
ich schenkte also diesem Theil der Stadt keine Aufmerksamkeit, und ich
weiss nur aus den spätern Mittheilungen der Tagesjournale, dass zur
Ausführung dieses stolzen Planes nichts geschehen ist, d. h. keine
modernen Lagerhäuser, Werften und Docks gebaut wurden, sondern man
sich begnügt hatte, Bengkalis zu einem Freihafen zu erklären und im
übrigen der Zukunft ihre allmähliche Entwicklung zu einem Welthafen
überliess. Der Welthandel kennt diesen Freihafen kaum dem Namen nach
und die »Sparsamkeit hat wieder die Weisheit betrogen« (holländisches
Sprichwort). Das Princip: »10×10 Gulden lieber auszugeben, als 100 Fl.
auf einmal« hat wieder Schiffbruch gelitten. Auch die Stadt selbst
zeigte nur wenig den Stempel einer Residenzstadt; im Ganzen lag eine
Compagnie Soldaten in Garnison.

Der Militärarzt, den ich während meines zweistündigen Aufenthaltes
aufsuchte, war ein Däne und bewohnte mit Frau und Kind ein kleines
hübsches hölzernes Haus. Da er mir mittheilte, dass ausser dem Gebäude
des Residenten und einer Tapiocafabrik[41] Bengkalis überhaupt keine
Sehenswürdigkeiten besitze, so machte ich gern von seiner Einladung
Gebrauch, bei einem Glase abgekühlten Apollinariswasser in seinem Hause
die Abreise des Dampfers abzuwarten.

Von seinem Hause aus sah man in weiter Ferne (± 4 km) die Küste
Sumatras, welche ein sanft aufsteigendes Ufer hatte, das aber doch noch
so niedrig war, dass es zur Zeit der Fluth ganz mit Wasser bedeckt
war. Tiefer ins Innere des Landes erstrecken sich zahlreiche Sümpfe;
zahlreiche Seen und zwei grosse Ströme durchziehen von Westen nach
Osten diesen südlichen Theil der Provinz, welche noch einen eigenen
Sultan besitzt und den Namen Siak führt. Die zwei Ströme, welche
dem Centralgebirge Sumatras entspringen, heissen der Kampar, dessen
Quellengebiet zum Theil in der »Residentie Riouw« und zum Theil im
Padangschen Hochlande liegt, und der Fluss Siak, dessen südlicher
Quellenarm am Berge Suligi (536 Meter hoch) und dessen nördlicher
Quellenarm an der Grenze der unabhängigen Battakländer entspringen.

Das gegenwärtige Sultanat von Siak[42] stand im 14. und 15. Jahrhundert
unter dem Radja von Gasip, welches an dem gleichnamigen Nebenflusse des
Siakstromes zu jener Zeit ein mächtiger Staat gewesen sein soll. Es
kam durch Verrath eines gewissen Pandan in die Gewalt der Atjeers und
von diesen unter die Botmässigkeit von Djohor, und erst im Jahre 1717
wurde das Sultanat Siak von Radja Ketjil gegründet. Die zahlreichen
Thronstreitigkeiten, welche hierauf entstanden, nahmen erst im Jahre
1858 ein Ende, als Wilson, ein englischer Abenteurer, dem Tongku
Ismail versprach, die aufständischen Stämme zu unterwerfen. Aber auch
zwischen diesen Beiden kam es bald zum Streite, und der eingeborene
Häuptling wandte sich an die holländische Regierung, welche Wilson
aus Siak vertrieb, während mit einem Contract das Sultanat Siak ein
Vasallenstaat Hollands wurde. Ismail blieb nur bis zum Jahre 1864
Sultan, in welchem Jahre er wegen Wahnsinns abgesetzt wurde. Sein
jüngster Bruder Tongko Sjarif Kasim wurde Sultan und sein ältester
Bruder Tongku Putra Mangkubumi Reichsverweser des Landes. Den 23. Juni
1884 trat der Sultan die nördlichen Besitzungen seines Reiches: Deli,
Serdang, Tamiang, Assahan u. s. w. an den holländischen Staat ab und
zwar gegen eine jährliche Subvention von 40000 Fl. Die Bezahlung einer
Schuld von 50000 Fl. wurde ihm nebstdem erlassen.

Die Bevölkerung dieses Sultanats theilt sich in zwei Theile; die Einen
nennen sich die directen Unterthanen des Sultans von Siak; es sind die
ehemaligen Menangkabauer, welche in den vier Sukus (= Bezirken) Tanah
datar, Kampar u. s. w. einer bedeutenden Autonomie sich erfreuten,
während die Bewohner der nördlichen Districte Tanah putih, Bangka und
Kubu und die der Inseln Rupat bis Pengailan nur ungern den Sultan von
Siak als ihren Herrn anerkennen. Das staatsrechtliche Verhältniss
dieser einzelnen Staaten zum Sultan ist so verwickelt, dass es eine
unerschöpfliche Quelle von Streitigkeiten ist und bleibt. Auch das
Verhältniss zur indischen Regierung (die Insel Bengkalis ist schon
seit 25 Jahren in vollem Eigenthum Hollands, ebenso theilweise die
Insel Rupat) ist jetzt in ein Stadium der Veränderung gekommen, dessen
Beendigung mir noch nicht bekannt ist.

       *       *       *       *       *

Nur zwei Stunden blieb ich in Bengkalis. Die Dampfpfeife rief mich bald
aufs Schiff; an der Insel Rupat, welche durch die gleichnamige Strasse
von Sumatras Küste ungefähr 5 km weit geschieden ist, zogen wir vorbei,
landeten wieder nur für ungefähr zwei Stunden bei der Mündung des
Assahan, wo ein Kahn für die gleichnamige Stadt die Briefe holte und
brachte.

Auch dieser District der Residentie »Ostküste von Sumatra« besteht
zur Hälfte aus angespültem und sumpfigem Lande. Von hier aus
liegt die ganze Küste dieser Provinz grösstentheils im Diluvium.
Endlich erreichte ich das Ziel meiner Reise, Labuan Deli, welches
bereits damals durch eine Eisenbahn (Fig. 6) mit der Hauptstadt des
gleichnamigen Bezirkes Medan verbunden war. Seitdem sind bedeutende
Veränderungen vorgefallen. Diese Stadt wurde zur Hauptstadt der ganzen
Provinz »Ostküste von Sumatra« ernannt, welche schon im Jahre 1897 von
103 km Eisenbahnen durchzogen wurde (Bengkalis wurde als Freihafen
und als zukünftiger Welthafen aufgelassen); Belawan wurde an Stelle
von Labuan Deli der bedeutendste Hafen dieser »Residentie«, von dem
jährlich tausende und tausende Ballen Tabaks nach Europa und tausende
und tausende Büchsen mit Petroleum[43] nach Java, China und Japan
versandt werden.

Von den vier Bezirken, in welche der District Deli eingetheilt wird,
Serdang, Deli, Langkat und Tamiang, ist der bedeutendste Deli; aber
auch in Langkat bestehen seit ungefähr zehn Jahren Plantagen, und nur
Tamiang hat sich kaum über die ersten Anfänge einer systematischen
und rationellen Plantagenwirthschaft erhoben. Bis nun hat der
»Delitabak« allein aus dem gleichnamigen District eine blühende Provinz
gemacht und die »Deli Maatschappy« hat ihren Gründern und Actionären
Millionen und Millionen bereits als Dividenden bezahlt, während die
Tabaksunternehmungen in dem Bezirke Tamiang noch nicht mit Gewinn
arbeiten. Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass die ganze Provinz,
von Assahan angefangen, Diluvialland ist, welches im Westen vom
Hochgebirge begrenzt wird; der Sebajak mit 2172 Meter, der Baros mit
1950 Meter, der Tenaro mit 1850, der Semilir mit 1813, der Temangu
mit 1816, der Seraga mit 1490 und der Dolok (= Berg) mit 1440 Meter
Höhe sind die bedeutendsten Bergspitzen, auf welchen zahlreiche aber
unbedeutende Flüsse entspringen und ihren Lauf nach Osten nehmen und
welche mit ihren reizenden Gebirgspanoramen (Fig. 7) das Gebiet der
»unabhängigen Battaker« begrenzen.

Ich glaube mich hier jeder Mittheilung über die Gebräuche und Sitten
dieser nicht ganz primitiven Menschen -- sie besitzen ja ein eigenes
und selbständiges Alphabet --, welche fälschlich für die Urbewohner
Sumatras gehalten werden, mit Recht enthalten zu müssen. Es hat ja
in jüngster Zeit ein Oesterreicher und zwar Freiherr Joachim von
Brenner ein interessantes und lehrreiches Bild von seinen Reisen durch
die Battakländer (Fig. 8) beinahe in erschöpfender Weise entworfen.
Freilich ist das Capitel über seine Gefangennahme in Lontong am Tobasee
und über die Gefahr, geschlachtet und von den Battakern verzehrt zu
werden, interessant und romantisch geschrieben, aber eine erhitzte
Phantasie +scheint+ dabei Pathenstelle versehen zu haben. Wie mir
nämlich ein Resident dieser Provinz voriges Jahr mitgetheilt hat,
befinden sich die Anthropophagen +gegenwärtig nur+ im Gebiete der
Pak-Pak, welche ungefähr 50 km vom Tobasee entfernt wohnen. (Auch
Frau Ida Pfeiffer, welche im Jahre 1852 die südlichen Battakländer
durchzogen hat, wurde von einer unbegründeten Furcht beherrscht, wenn
sie entre autre mittheilt, dass sie es nur ihrem zähen Fleische als
alte Frau verdankt hätte, von den Eingeborenen nicht verspeist worden
zu sein.)

Die Battaker sind ja schon seit Anfang des vorigen Jahrhunderts von
zwei mächtigen civilisatorischen Nachbarn in ihrer ursprünglichen
rohen Sitte -- der Menschenfresserei -- beeinflusst. In den Jahren
1820 bis 1830 ist die mohamedanische Secte der Padri bis an’s Ufer des
Tobasees vorgedrungen, während im Osten die holländische Regierung ihre
civilisatorischen Arbeiten bis tief in’s Innere des Landes ausgebreitet
hat und noch ausbreitet. Wenn wir also von jenen wenigen Battakstämmen
absehen, welche im Nordosten unter dem Namen der Pak-Pak die alte Sitte
der Anthropophagie noch heute üben, so steht der übrige Theil auf einer
ziemlich hohen Stufe der Civilisation, und gerade das Buch des Herrn
J. von Brenner bringt uns davon hunderte und hunderte Beweise.

Bei meiner Ankunft in Labuan Deli erfuhr ich eine grosse Enttäuschung.
Kaum hatte der Anker sich in den Grund des Meeresbodens gebohrt,
erschien der Adjutant des Landescommandanten an Bord und theilte
mir mit, dass ich nicht in Medan, der Hauptstadt des Bezirkes
Deli, stationirt, sondern zum »Eerstaanwezend« Officier in dem
Bezirke Tamiang ernannt worden sei; ja noch mehr, der in diesem
Bezirke momentan anwesende Militärarzt müsse so bald als möglich
seinen Standplatz Seruway verlassen, weil er sich mit den übrigen
Officieren nicht vertrage. Daher sei es nothwendig, dass ich sofort
meine Reise fortsetze, und dass die üblichen Vorstellungen bei
dem Landessanitätschef und bei dem Landescommandirenden u. s. w.
meinerseits aufgeschoben werden.

Zu meinem grössten Bedauern habe ich dadurch die Gelegenheit verloren,
die interessanteste Stadt »der Residentie Ostküste von Sumatra« zu
sehen und mit jenen zahlreichen interessanten Eingeborenen in Contact
zu kommen, welche von der Peripherie der Provinz bei verschiedenen
Anlässen nach Medan gehen, um mit den Vertretern der diversen Tabak-
und Petroleum-Unternehmungen in geschäftlichen Verkehr zu treten. Ich
tröstete mich mit dem Gedanken, in dem Bezirke Tamiang vielleicht mit
einzelnen Bewohnern der Gaju- oder Alasländer in Berührung zu kommen,
welche das Innere von Gross-Atjeh bewohnen und selbst bis heute noch
wenig bekannt sind, oder dass ich Ruinen der alten Modjopahit finden
würde, oder dass ich an dieser Grenze der menschlichen Civilisation ein
reiches Feld zu zoologischen Studien würde beobachten können; nichts
ist in Erfüllung gegangen; die traurigsten Tage meines Lebens habe ich
dort, an der Grenze des Atjeischen Reiches, verlebt.

Der Adjutant Wiersma verliess mich nach der Mittheilung dieser
Hiobspost, der Schiffscapitän hatte unterdessen die Postsäcke an’s Land
bringen lassen, und ¼ Stunde später erschien der Major P., um sich
mit seinem Adjutanten ebenfalls zur Reise nach Seruway einzuschiffen.

Dieser Major war einer jener wenigen Officiere, welche trotz ihrer
Tapferkeit und ihres persönlichen Muthes nicht nur Bonhommes sind,
sondern dies auch in all ihrem Thun und Lassen zeigen. Ich habe ja
viele Officiere in der holländisch-indischen Armee gekannt, welche mit
ihren militärischen Tugenden eine hohe Bildung des Geistes und des
+Herzens+ vereinigten; sie glaubten jedoch, diese ja nicht zeigen zu
dürfen, um so viel als möglich durch Strenge, ja selbst durch Härte
den Untergebenen imponiren zu können. Major P. hatte den Muth, die
wohlthuende Güte seines Herzens immer und jedem zu zeigen. Ich habe
auch im Jahre 1891 direct unter ihm gedient; er war unterdessen Colonel
geworden; sein Wunsch war für alle Officiere und für alle Soldaten mehr
als ein Befehl, und niemals wurde ein Officier von ihm bestraft; eine
Unterlassungssünde der jungen Leutnants wurde mit academischer Ruhe dem
Missethäter (?) auseinandergesetzt und dieser Mann verliess »belehrt«
den Rapport. Aber auch der Soldat, welcher sich grobe Verstösse gegen
die Disciplin zu Schulden hatte kommen lassen, ging beschämt und
gebessert vom Rapporte weg und war überzeugt, für sein Vergehen als ein
abschreckendes Beispiel seiner Kameraden gestraft worden zu sein.

Als das Schiff Labuan Deli verliess, theilte mir Major P. mit,
dass er nach Seruway gehe, um die Streitigkeiten zweier Officiere
zu schlichten, und zeigte mir die darüber geführte Correspondenz.
Nachdem ich sie gelesen hatte, konnte ich mich nicht enthalten, dem
Major P. sie mit den Worten Heine’s zurückzugeben: Es will mir schier
bedünken -- dass sie beide thäten stinken. Es war das alte Lied:
Die Einförmigkeit des Lebens von wenigen Menschen, welche auf einem
engen Raume beisammen leben müssen, machte die Fehler jedes Einzelnen
in hohem Grade fühlbar. Wenn auch ich, der ich im Grunde meines
Herzens nichts so als den Frieden liebte, späterhin in Streitigkeiten
verwickelt wurde, wie leicht musste es mit Dr. X. geschehen, der leicht
erregbar war und neben seinem Chef wohnen musste, dessen Frau geradezu
die Langeweile des täglichen Lebens durch Kampf und Streit zu tödten
suchte.

Der Dampfer brachte uns zunächst in den Aroëbusen, wo sich eine
Holzunternehmung befand, welche von 25 Mann mit dem Commando eines
Lieutenants beschützt wurde. (Hier in Pangkalan Siatas war die
Endstation der Route, welche die Orte der Ostküste Sumatras miteinander
verbindet.) Der Eigenthümer der Unternehmung war verheirathet und
ebenso Lieutenant X., dessen Frau s. Z. eine Claviervirtuosin gewesen
war. Er hatte sie in Batavia kennen gelernt und geheirathet. Nach der
Hochzeit soll er an die Regierung ein Gesuch eingereicht haben -- so
erzählt wenigstens die böse Fama -- mit der Bitte, dass seine Frau
auch weiterhin Unterricht im Clavierspiele möge geben, weil einerseits
es Schade wäre, dass ein solches künstlerisches Talent durch Mangel
an Uebung für die Mitwelt verloren gehe und verkümmern sollte, und
anderseits der ehrliche und redliche Gelderwerb auch die Frau eines
Officieres nicht schände. Die Regierung gab ihm sofort die Erlaubniss;
wenige Tage später jedoch las er in den Zeitungen seine Transferirung
nach Pankalan Siatas. Diese erinnert mich an einen analogen Fall,
welchen ich im Haag erlebt habe und der ebenfalls die holländische
Regierungsweise charakterisirt. Im Jahre 1876 wollten im Haag die
Socialisten im Abgeordnetenhause in corpore erscheinen, um dort
demonstrativ ein Misstrauensvotum gegen die Abgeordneten abzugeben. Die
Regierung wurde davon rechtzeitig in Kenntniss gesetzt. Die Polizei und
die Truppen wurden zwar consignirt, aber sie waren nirgends zu sehen.
Unbehindert zogen die tausende Socialisten vor das Abgeordnetenhaus,
und unbehindert kamen die vordersten Reihen vor die Thüren der Galerien
des Hauses; aber -- Waisenmädchen nahmen alle Plätze ein.

Lieutenant X. lebte im besten Einvernehmen mit der Familie des
Pflanzers; es fehlte ja -- der Dritte oder besser gesagt -- die Dritte.

Man muss sich das Leben auf einem so abgelegenen Platze
vergegenwärtigen, um diese Menschen zu bewundern. Am rechten Ufer
des Salahadjiflusses lag zunächst das Haus des Officiers und hinter
diesem die Caserne der 25 Mann. Beide waren von einer 3 Meter hohen
Palissade eingeschlossen. Zehn Schritte davon entfernt lag das Haus
des Pflanzers, welches ebenfalls mit einer Palissade umgeben war. Um
6 Uhr Abends wurden die Thore geschlossen und einige Bediente, mit
Gewehren bewaffnet, wurden auf Bastions zur Wache aufgestellt. Herr X.
machte jede Nacht zweimal die Runde, um sich von der Wachsamkeit dieser
seiner Wachleute zu überzeugen; denn die benachbarten Atjeers bedrohten
täglich und stündlich ihr Leben und ihr Hab und Gut; diese hatten ja
noch vor kurzer Zeit einen exponirten Posten von 7 Mann, welche unter
dem Commando eines Feldwebels standen, in der Nacht bei Bukit (= Hügel
oder Berg) Kramat überfallen und getödtet, d. h. ungefähr 6 km entfernt.

Wie viel Kämpfe, Sorge und Wachsamkeit erforderte die See zu ihren
Füssen und der Urwald hinter ihrem Rücken. Das stürmische Element
und das Krokodil auf der einen Seite und der Tiger (Fig. 9) und der
Leguan und der Orang-Utan und die Schlangen auf der andern Seite
(Elephanten kommen in diesem Bezirk nicht vor). (Von einem Rhinozeros
wusste mir der Herr X. nichts zu erzählen.) Trotz dieser unheimlichen
Nachbarschaft hatte er an dem linken Ufer der Bisitan-Bucht, welche
sich von der Aroëbucht nach Süden abzweigt, eine Holzsägerei
errichtet und sie mit transportablen Schienen mit seiner Wohnung
verbunden. Auf kleinen Lowris besorgte er den Transport der Bretter und
Schindeln, mit welchen er einen ausgebreiteten Handel trieb.

[Illustration: Fig. 11. Ein Bach im Urwalde.

(Vide Seite 103.)]

Es war ein fröhlicher Zug, als wir alle drei Officiere, der
Schiffscapitän und die zwei Familien auf Sesseln in den Lowris sassen
und von Kulis nach der Werkstätte gestossen wurden. Der Weg ging
nämlich über wellenförmiges Terrain, und die Kulis hatten beinahe die
Hälfte des Weges mehr Mühe, dem zu raschen Fahren der Lowris Einhalt zu
bieten, als sie sich bemühen mussten, über die kleinen Hügel bergauf
diese zu stossen. Abgesehen von zwei Sägemaschinen und einer Halle mit
fertigen Brettern und Schindeln war hier nichts anderes zu sehen, als
der Typus einer Entwaldung; für den Nachwuchs wurde nicht gesorgt, weil
der Pflanzer mit sehr viel Recht voraussetzte, dass weder er noch seine
Kinder die Früchte dieser Arbeit an diesem Orte jemals ernten würden.

Dieser Raubbau ist übrigens auch bei den Eingeborenen im Schwange;
vielleicht sind sie sich dessen bewusst, dass nach +vielen+ Decennien
die Natur der Tropen in ihrem, ich möchte sagen, unerschöpflichen
Reichthum allein für den Nachwuchs in vielen Fällen sorgt. Die
Hauptnahrung ist auch bei den Bewohnern des äquatorialen Sumatra
der Reis; sie pflanzen diesen jedoch weder in künstlichen noch in
natürlichen Sumpfboden, sondern auf »Ladangs« = trockene Reisfelder und
zwar in ganz gleicher Weise, als es die Dajaker auf Borneo thun.[44]
Die grossen Bäume werden einige Meter über dem Boden (auf einer Leiter)
gefällt, weil ihr Umfang dort viel kleiner als in der Nähe der Wurzel
ist, und alles wird dann in Brand gesetzt; die Lianen, Sträucher
und kleinen Bäume verbrennen mehr oder weniger vollständig, während
die gefällten Waldriesen in der Regel nur ihre Aeste und ihr Laub
verlieren. (Fig. 10.) Gewaltige Baumstämme von 20-40 Meter Länge und 1
Meter Durchschnitt bleiben unbenutzt jahrelang liegen, bis die Ameisen,
Todtengräber, Rüsselkäfer und der Schimmel ihre Maulwurfsarbeit
beendigt haben; der durch Feuer von den lebenden Pflanzen befreite
Boden wird mit dem Patjol (= Hacke) aufgerissen, und es werden Reis
oder Cassave, Bataten oder Zucker, Ananas, Pisang, Labu, Tabak oder
Kaffee, Lombok (= Paprika), Indigo und einige Fruchtbäume gepflanzt.

Wenn ausschliesslich oder wenigstens hauptsächlich Reis in diesen
Ladangs gepflanzt wird, erschöpft sich selbst der humusreiche Boden der
Insel Sumatra, und nach der dritten bis fünften Ernte befriedigt das
Erträgniss des Bodens nicht mehr den Eingeborenen. Er verlässt einfach
dieses Feld und sucht sich in der Nähe einen geeigneten Platz für
einen neuen Ladang. Das alte Reisfeld bekommt ein neues Kleid und zwar
(anfänglich) ein ganz anderes Pflanzenkleid, als es jemals besessen
hat. Alang-alang (Imperata Königii), Glagah (Saccharum spontaneum, eine
Graminea, deren Saft die Eingeborenen bei Augenentzündung gebrauchen),
kleine Farrensträuche und Melastoma polyantha bedecken nach wenigen
Monaten den Boden. Bald kommen selbst einige Bäume, und nach zehn
Jahren sieht man schon einen kleinen Wald von (z. B.) Commersonia
platyphylla u. s. w. Nach zwanzig bis dreissig Jahren hat sich bereits
ein Wald von dreissig bis vierzig Sorten kleiner Bäume und Gesträuche
entwickelt, worunter selbst einige des alten Urwaldes auftreten; die
Stämme werden schlank, und die Kronen werden dichter, und Rottangpalmen
verbinden sie zu einem Netze, welches ein dem jungfräulichen Urwalde
ähnliches Bild schafft. Diese Entstehungsgeschichte des secundären
Urwaldes bringt uns S. H. Koorders in dem Werke »Quer durch Sumatra«
von J. W. Yzermann. Der Förster und der Botanicus beherrscht dieses
Thema so ausführlich, dass ich den Fachmann, dem die zahlreichen
Details Interesse einflössen mögen, nach dem Originalwerk verweisen
muss.[45]

Hier in der Holzsägerei des Herrn X. war das Bild des verwüsteten
Urwaldes, wie es oben angedeutet wurde, nur theilweise zu sehen und
zwar, soweit der Aufseher mit seinen Kulis und seinen Arbeitern einen
Ladang zu ihrem Privatgebrauch angelegt hatte.

Unser Schiff hatte Eis mitgebracht, und bald sassen wir bei einem
Picknick, bei dem durch Eis gekühltes Bier und Brandy-Soda die
Hauptrolle spielten.

Vor Anbruch der Nacht gingen wir zu Fuss zurück -- die schräg
auffallenden Sonnenstrahlen verlieren ja schon um 5½ Uhr einen Theil
ihrer versengenden Wärme -- und kamen vor Eintritt der Finsterniss
in Pangkalan Siatas an; ich und der Schiffscapitän blieben weiter
die Gäste des Lieutenants X., und der Major P. mit seinem Adjutanten
nahmen bei Herrn Z. das Abendmahl ein. Nach demselben kamen wir alle
beim Pflanzer zu einer Whistparthie zusammen. Den andern Morgen fuhr
der Küstendampfer zurück, mich holte die Dampfbarcasse ab, welche der
Pflanzer dem Controlor zu Seruway für seine zeitweiligen Reisen zur
Verfügung stellte, und die zwei übrigen Officiere gingen unter dem
Schutze einer kleinen militärischen Patrouille den Landweg zu Fuss
dahin. Zwei Stunden lang schaukelte mich die kleine Barcasse auf den
etwas unruhigen Wogen der Malaccastrasse, bis ich endlich bei dem
Cap (Tandjong) Tamiang[46] in den gleichnamigen Fluss hineinfuhr.
Sumpfvegetation bedeckte seine Ufer, welche bei der Ebbe des Meeres
oft zehn Meter die Fläche des Wassers überragte. Dieses war grau
und schmutzig von der Masse des vegetabilischen Gemenges; nur wenig
Treibholz hinderte uns in der langsamen Fahrt stromaufwärts, und gegen
vier Uhr hielten wir vor dem Fort Seruway an; beinahe gleichzeitig mit
uns erschienen die beiden andern Officiere, welche auf ihrem Marsch
einen geeigneten Platz für einen Neubau des Forts ausgesucht hatten.
Major P. und sein Adjutant begaben sich sofort zu dem Commandanten
des Forts, um die zahlreichen casus belli (?) dieses Officiers mit
meinem Collegen zu untersuchen, und ich stellte mich der kampflustigen
Commandeuse und den übrigen europäischen Bewohnern des Forts vor. Auch
die Frau meines Collegen gehörte zu jenen indischen Damen, obgleich
ganz reines europäisches Blut in ihren Adern strömte, welche in der
Geltung ihrer Person und der Stellung ihres Mannes eine Lebensfrage
sehen und ihren ganzen Einfluss auf ihren Mann zur Erreichung dieses
Zieles aufwenden. Dadurch entstanden jene kleinlichen Reibereien,
welche nicht nur meinem Vorgänger, sondern auch mir den Aufenthalt in
diesem Fort verbitterten und, wie wir sofort sehen werden, meinem
Collegen viele Monate lang die Qualen einer Untersuchung vor dem
Kriegsgerichte verschafften.

Nietzsche hat zwar im Jahre 1883 sein Aufsehen erregendes Werk »Also
sprach Zarathustra« herausgegeben; aber bis nach Seruway, ins Innere
der Ostküste Sumatras, hatte es damals seinen Weg noch nicht gefunden.
Dieselben Erfahrungen und Beobachtungen mögen ihn zu dem Ausspruch
veranlasst haben: »Du gehst zu Frauen, vergiss die Peitsche nicht«,
welche ich damals sah und erlebt habe. Auch dieser Satz in seinem
berühmten Werke hat, und zwar nur durch die Form mit vielem Rechte,
vielfach Anstoss erregt. Der Grundgedanke dieses Satzes enthält
jedoch eine goldene Wahrheit, welche den wahren männlichen Charakter
bedingt. Der wahrhaft männliche Charakter soll und muss jeden Einfluss
kleinlicher und kindischer Lebensanschauungen zurückweisen, auch wenn
er vom Liebsten, das er besitzt, von seinem Weibe oder von seinen
Kindern, geübt wird. (Ich füge »die Kinder« hinzu, weil ich oft genug
sah, dass Männer eben so stark unter dem Pantoffel ihrer Frau -- als
ihrer Tochter oder ihrer Kinder im Allgemeinen stehen und standen.)
Weder Lieutenant X. noch mein College haben sich diesem Einflusse
zu entziehen gewusst und erlitten dadurch viel Leid und Kummer. Der
Eine weilt nicht mehr unter den Lebenden; der Andere ist von dem
Menschenstrome einer europäischen Residenzstadt aufgenommen worden; ich
kann also ihre weiteren Erlebnisse mittheilen, ohne fürchten zu müssen,
ihren Namen durch meine Erzählung der Oeffentlichkeit preisgegeben zu
sehen.

Lieutenant Y. wurde wenige Wochen vor meiner Ankunft auf Vorschlag
des Dr. X. wegen eines Gehirnleidens nach Medan evacuirt. Da er
wegen dieser Krankheit die Reise nur unter geübter Aufsicht antreten
mochte, begleitete ihn mein späterer Nachbar, der Officiersaspirant
Z. Diese Vorsicht war dringend geboten, und thatsächlich hatte dieser
Begleiter sehr viele Mühe, den Lieutenant Y. lebend nach Pangkalan
Sitas zu bringen; er wollte sich nämlich in’s Wasser stürzen, als er
die weite See zu Gesicht bekam. +In seinem Wahnsinn+ erzählte er auch
bei Tisch der Frau seines Gastherrn zu Pangkalan Sitas, dass Dr. X.
in Seruway ihn habe ermorden wollen. In Medan hatte er sich von dem
Malariafieber bald erholt, welches die Ursache seines Gehirnleidens
gewesen war, und besuchte auch den nächsten Empfangsabend des
Landescommandirenden, Majors P.; hier sah er Dr. X. und seine Frau.
Sofort ging er auf Frau Dr. X. zu, um sie zu begrüssen und sich nach
ihrem Befinden zu erkundigen. Diese Dame nahm die angebotene Hand
nicht an, gab ihm keine Antwort und streckte ostentativ ihre Hände
nach rückwärts. Da er sich keiner Schuld bewusst fühlte (was er s. Z.
in seinem Delirium gesprochen hatte, wusste er auch nicht), suchte er
ihren Mann auf, um Aufklärung für dieses beleidigende Vorgehen seiner
Frau zu erhalten. »Sie ist in ihrem Rechte«, war die kurze Antwort.
Um zu dieser ungelegenen Zeit und auf diesem Orte des Vergnügens kein
unliebsames Aufsehen zu erregen, machte Lieutenant Y. dem Gespräche
sofort ein Ende und schickte ihm den nächsten Tag seine Zeugen. Dr.
X. nahm keines seiner Worte zurück, gab auch keine Erklärung dafür,
warum er das beleidigende Benehmen seiner Frau gut heisse, und
weigerte sich aus principiellen Ursachen, ein Duell anzunehmen. Diese
Affaire nahm den unvermeidlichen weiteren Verlauf. Major P. bestrafte
Dr. X. wegen seines, eines Officiers unwürdigen Benehmens mit vier
Tagen Arrest; dieser reclamirte, und der Armeecommandant bestätigte
die Strafe und gab noch vier Tage Arrest, weil er durch seine
leichtsinnige Reclamation Mangel an Ehrfurcht vor seinem Vorgesetzten
gezeigt habe. Dr. X. liess auch diese Strafe nicht auf sich ruhen und
suchte nun den Ausspruch eines Kriegsgerichtes nach. Glücklicherweise
hat ihn dieses freigesprochen, weil im andern Falle mit der Strafe
noch ein grosser geldlicher Verlust verbunden gewesen wäre. Der
»Krygsraad« tagte nämlich in Atjeh, wo sich zu dieser Zeit Dr. X. in
Garnison befand. Die Zeugen mussten persönlich ihre Aussagen vor dem
Kriegsgericht abgeben und daher, so weit sie sich nicht ebenfalls in
dieser Garnison befanden, dahin reisen. Nach ungefährer Berechnung
wären die Gesammtunkosten ungefähr 1000 Fl. gewesen; Dr. X. wurde von
dem Kriegsgericht freigesprochen, weil es sich der Anschauungsweise
des Sanitätschefs angeschlossen hatte, welcher folgenden Standpunkt
in seiner diesbezüglichen Erklärung abgegeben hatte: Lieutenant Y.
habe in zweifacher Weise die ganze Affaire +provocirt+ und sei darum
der Hauptschuldige in dieser Angelegenheit. Zunächst habe jeder Mann
abzuwarten, ob ihm eine fremde Dame überhaupt die Hand reichen will.
Dann aber sei Lieutenant Y. besonders unvorsichtig gewesen, weil er
Frau Dr. X. zuerst die Hand angeboten hatte, obzwar er gewusst hatte,
dass ihr Mann vor nicht langer Zeit in Unfrieden mit ihm gelebt habe.

Es kann hier nicht weiter meine Aufgabe sein, mit dem Freispruche des
Kriegsgerichtes mich zu beschäftigen; aber ich glaube darauf hinweisen
zu müssen, weil Dr. X. nur durch theilnahmsvolle Intervention seiner
Collegen von den Folgen seiner unüberlegten Handlungsweise befreit
blieb.

»Du gehst zu Frauen, vergiss die Peitsche nicht.« In noch unwürdigerer
Weise liess sich Lieutenant B. durch seine Frau beeinflussen, welcher
oder welche der Commandant des Forts Seruway zu meiner Zeit war.

Das Fort bestand aus hölzernen Gebäuden und hölzernen Palissaden. Die
Nordseite wurde von einem hölzernen Hause eingenommen, in welchem
die zwei Officiere und obengenannter Aspirantofficier wohnten. Ich
bewohnte den westlichen Theil, welcher gegenüber dem Marodenhause lag.
Die Wohnung trug den Typus aller indischen Häuser, wie ich sie im II.
Theile »Java«[47] beschrieb. An die westliche Wand schloss sich ein
Theil des Hofraumes mit einer Bretterwand als Gehege an.

Eines Tages lag ich um 3 Uhr in der vorderen Veranda in einem
Faulenzerstuhle zu ruhen, weil mich die Wärme im Schlafzimmer
verhinderte, mein gewöhnliches Mittagsschläfchen im Bette zu halten.
Da sah ich plötzlich einen eingeborenen Soldaten und einen Sträfling,
beide mit einem Knüttel gewaffnet, in den Hofraum sich schleichen.
Ich rief sie zu mir und frug sie, was dies bedeute. »Njonjah tuwan
Commandant suruh« = Die Frau des militärischen Commandanten habe den
Auftrag gegeben. »Suruh apa?« = Was hat sie befohlen? »Die Katze zu
tödten« war die Antwort dieser Bösewichter. (?) Ich befahl ihnen
natürlich sofort, mein Haus zu verlassen, und ging den andern Morgen
auf das Platz-Bureau, den Lieutenant X. davon zu verständigen.
Natürlich (!) war ihm davon nichts bekannt, und ich versicherte ihn,
dass dies eine angenehme Aufklärung für mich sei, weil ich natürlich
(??) nicht glauben konnte, dass mit seinem Wissen ein Soldat bewaffnet
auf das erf (H. = Grundstück) eines Officiers eindringen werde. Abends
ging ich zu seiner Frau eine Abschiedsvisite machen, weil ich den
andern Morgen eine Inspectionsreise nach Pangkalan Siatas unternehmen
sollte; bei dieser Gelegenheit erfuhr ich den Grund ihres Hasses gegen
meine Katze. Diese bevorzugte besonders gerne ihren Milchtopf und ihre
Küchlein. Ich bat diese Dame also, ihren Milchtopf zuzudecken, weil ich
die Katze nicht entbehren wolle und auch nicht wegen der zahlreichen
Ratten entbehren könne. Ich bekam aber nur die bedeutungsvollen
Worte zur Antwort: »Ich werde mir schon zu helfen wissen.« Im ersten
Augenblicke dachte ich daran, dass diese Antwort eine friedfertige
Bedeutung hätte. Vorsichtshalber befahl ich jedoch meinem Bedienten,
während meiner Abwesenheit meine Katze in einen Bambus-Käfig
abzuschliessen. Bei meiner Rückkehr war die Katze verschwunden. Dieser
Erfolg ihrer autokratischen Gelüste befriedigte sie jedoch nicht.
»Kromo«[48] und »Wongso«[48] der Truppen sollten sehen, dass ihr Mann
im Fort das höchste Wesen sei, obwohl ich als Regimentsarzt höher im
Rang sei und nur aus dieser Ursache ein höheres Gehalt als ihr Mann
bezöge. Als ich dieses Gespräch zu hören bekam, hielt ich mich aus
naheliegenden Ursachen »indisch taub«[49] (dieses Gespräch war ja an
die Adresse einer Soldatenfrau und nicht +direct+ an mich gerichtet),
und es gelang ihr nicht, mich zu einer Gegenäusserung zu verlocken.

Den andern Morgen kam ein eingeborener Soldat, welcher eine ansteckende
Hautkrankheit hatte, auf den Krankenrapport. Ueblicherweise schrieb
ich in das betreffende Register neben seinen Namen: Ziekenzaal (=
Marodenzimmer). Nach dem Reglement musste dieser Patient sofort in
die Caserne gebracht werden, wo er (oder bei acuter Erkrankung ein
Kamerad in seiner Gegenwart) seine Kleider und Wäsche in seinen Koffer
einzupacken und diesen nebst Waffe in die dazu bestimmte Wachstube
(= Rustkamer H.) im Beisein seines Feldwebels zur Aufbewahrung zu
geben und sich dann +sofort+ in das Marodenzimmer zu begeben hatte.
Diesmal geschah nichts von allem diesen. Es war 11 Uhr geworden,
und noch immer konnte mir der Krankenwärter nicht mittheilen, dass
dieser Patient angekommen sei; ich liess den Krankenwärter bei dem
Schreiber des Platzcommandanten sich informiren und erfuhr, dass dieser
keinen diesbezüglichen Befehl geben wolle, weil ich ihn nicht direct
darum +ersucht+ hatte. Da dies im Widerspruch mit den Vorschriften
des »Garnisondienstes« war, schrieb ich ihm officiell einen Brief
mit der einfachen Mittheilung, dass ich einen Soldaten, welcher an
einer ansteckenden Hautkrankheit leide, angewiesen habe, in’s Spital
zu gehen, dass dieses nicht geschehen sei und dass ich glaube, den
militärischen Commandanten für die Folgen dieser Ausserachtlassung
verantwortlich zu machen und nebstdem den Landescommandirenden in
Kenntniss zu setzen, dass ich in der Ausübung meines Dienstes nicht der
üblichen Unterstützung mich erfreuen könne.

Vier Jahre später sollte der ungezügelte dämonische Einfluss dieser
Frau auf ihren braven, etwas willensschwachen Mann traurige Folgen
haben. Ich wurde im Jahre 1887 nach L. transferirt und hatte unter
anderen Obliegenheiten auch die Verpflichtung, jede Woche zwei Mal
nach L. zu gehen, wo Lieutenant X. der Commandant des Forts war.
Bei meinem ersten Besuche sah ich Frau X. im Hofraume im Gespräche
mit einem anderen Lieutenant stehen. Die 40 Mann, welche zu meinem
Schutze mitgegangen waren, hatten vor dem Fort ihre Waffen abgelegt,
der Hornist des Forts gab das Zeichen: »Der Doctor ist da«, und bevor
die Patienten sich meldeten, ging ich in das Fort, und als ich Frau
X. erblickte, eilte ich auf sie zu, um sie herzlich zu begrüssen.
Alle grossen und kleinen Zwistigkeiten, welche ich vier Jahre vorher
mit dieser Dame hatte, waren ja vergessen; auch diese Dame zeigte nur
die Freude des ersten Wiedersehens, und ich -- klopfte ihr mit den
Händen auf die Schulter mit den Worten: »Ja, ja, was sind Sie, Frau
Lieutenant, seit dieser Zeit stark geworden.« Ich unterhielt mich
noch kurze Zeit mit ihr über unsern Aufenthalt in Seruway; auch ihr
Mann nahm daran Antheil, und bald kam mir »der Sergeant der Wache«
mittheilen, dass die Patienten sich eingestellt hätten. Ich nahm von
Beiden herzlichen Abschied, versprach, ihnen so bald als möglich meine
Frau vorzustellen, hielt meine Krankenrapporte und ging nach Hause. Wie
war ich jedoch den anderen Tag überrascht, mit der Post einen Brief
von Lieutenant X. zu erhalten, in dem er mich beschuldigte, seine Frau
coram publico »gemein« behandelt zu haben; durch zwei Officiere wurde
diese Sache zwar beigelegt, aber das Verhältniss zwischen uns Beiden
blieb ein gespanntes; so oft ich ex officio in das Fort kam, verkehrten
wir nicht mehr und in der Regel kehrte ich zurück, ohne Lieutenant X.
oder seine Frau gesprochen zu haben. Sehr oft fiel mir aber auf, dass
das Aussehen des Herrn X. viel zu wünschen übrig lasse; eines Tages
glaubte ich officiell den Landescommandirenden davon in Kenntniss
setzen zu müssen, und als mich dieser aufforderte, es schriftlich
zu thun, schrieb ich, dass mir bei meiner Inspectionsreise nach L. das
schlechte Aussehen des Commandanten des Forts aufgefallen war, und dass
im Interesse des Dienstes und noch mehr +im eigenen Interesse+ dieser
Officier sich unter ärztliche Behandlung stellen sollte. Oberst C.
schickte eine Abschrift dieses Briefes nach L. zur Information.

[Illustration: Fig. 12. Uléë Lhöë, Hafen von Atjeh.

(Vide Seite 114.)]

Ende jeden Jahres wird in Atjeh von den diversen Forts eine Liste der
anwesenden Officiere angelegt mit der Angabe, ob sie in Atjeh länger
als sie verpflichtet[50] seien, bleiben wollten.

Als Antwort auf meinen Brief gab Lieutenant X. von sich an: Wünscht
zu bleiben. Acht Tage später musste er in das Spital zu Kuta radja
aufgenommen werden und war drei Tage später eine Leiche. Wie mir
später mitgetheilt wurde, war es seine Frau, welche ihn bewogen hatte,
meine Warnung als den Einfluss +persönlicher Eifersucht+ auf ihr
angenehmes und einträgliches Leben als Fortcommandant aufzufassen.

       *       *       *       *       *

Das gesellschaftliche Leben eines Officiers oder eines Militärarztes
in der holländisch-indischen Armee ist sehr reich an Abwechslung. Bald
ist er in einer Garnison, welche alle Genüsse und Vortheile einer
europäischen Stadt bietet, bald sitzt er allein oder nur mit ein
oder zwei Officieren in einem kleinen Fort fern von allen Vorzügen
der Civilisation und nebstdem umgeben von allen Schrecknissen des
Tropenlebens.

So erging es mir in Seruway. Im Ganzen bestand der Kreis, in welchem
ich mich bewegte, aus einem jungen Controleur, einem Lieutenant mit
seiner Frau, einem Officiersstellvertreter und einem Bürger, dem
Agenten der Firma Hüttenbach, welche die Lieferantin des Forts war.

Das Fort selbst lag mitten im Sumpfe am rechten Ufer des Tamiangflusses
und war von 2½ m hohen Palissaden umgeben; der Raum zwischen den
Palissaden und der Caserne und dem Officiersgebäude war nicht nur der
Rendezvousplatz von uns fünf Europäern, sondern auch der einzige Weg,
auf dem man spazieren gehen konnte. Die Wohnung des Controleurs war an
der Nordseite des Forts fünfzehn Meter entfernt. Das Officiersgebäude
stand mitten auf dem Platze und hatte hölzerne Wände; ich bewohnte die
westliche Ecke, welche gegenüber dem Marodenzimmer lag und zwar nicht
weiter als zehn Schritt.

Ich hatte einen Bedienten, dessen Frau gleichzeitig Köchin war; da sich
in der Nähe kein Kampong befand, konnte sie beinahe niemals frisches
Grünzeug erhalten, und nur hin und wieder war es möglich, einige Stücke
Lombok (= Paprika) oder Fisolen von einigen Soldatenfrauen zu erstehen,
welche mit Erlaubniss des Militär-Commandanten ausserhalb des Forts
einige kleine Gemüsebeete angelegt hatten. Die übrigen Lebensmittel
erhielten wir von dem Lieferanten der Garnison. Zu meinem Vergnügen
hielt ich ausserhalb des Forts einen Hühnerstall, worin sich beinahe
immer sechzig Legehühner befanden. Im Durchschnitt bekam ich täglich
zwanzig Eier, welche ich theilweise à 2 Ct. = 3½ Pfennig meinem
Bedienten überliess, der mich darum ersuchte, um im Fort einen kleinen
Eierhandel zu treiben. Der Garnisonlieferant lieferte nämlich nur
gesalzene Enteneier, welche in ganz Indien sehr gern gegessen werden.
Die frischen Hühnereier haben natürlich auch ihre Freunde; ich weiss
jedoch heute noch nicht, an wen »Sidin« diese Eier und wie hoch er
sie verkauft hat. Frische Kuhmilch war in dem Fort ganz unbekannt,
und ich bezog von dem Agenten der Firma Hüttenbach meistens nur die
Schweizerische condensirte Kuhmilch, welche mich mehr befriedigte, als
die »flüssige Milch«, welche damals in Mode kam. Auch später hat die
Schweizerische condensirte Kuhmilch mir solch’ vortreffliche Dienste
bei meinen Patienten geleistet, dass ich sie heute noch als Ersatz der
Muttermilch in erster Reihe verordne.

Das Klima Seruways war trotz seiner relativ grossen Entfernung von der
Küste ein wahres »Strandklima«. Nirgends eine schattenspendende Allee;
den ganzen Tag sandte die Sonne ihre versengenden Strahlen auf uns
nieder; nur selten erfrischte der Seewind die mit Miasmen und heissem
Staub geschwängerte Luft; und wenn in der Regenzeit täglich viele
Stunden lang das Wasser vom Himmel in Strömen stürzte, dann konnten wir
nicht einmal unser Haus verlassen. Die Temperatur schwankte je nach der
Tageszeit und nach der Art des Monsuns von 22 ° C. bis 37 ° C. und der
Feuchtigkeitsgehalt der Luft zwischen 700-800 pro m.

Noch andere Factoren kamen hinzu, um diesen Garnisonort zu dem
unangenehmsten zu machen, den ich während meiner zwanzigjährigen
Dienstzeit hatte. Ich wurde krank, hatte als Arzt wenig zu thun und
hatte keinen Verkehr mit den Eingeborenen, so dass ich auch weder
auf ethnographischem noch auf zoologischem Gebiete mich beschäftigen
konnte. Ich hielt es in dieser Garnison nur wenige Monate aus und --
+lief+ endlich am 24. Februar 1884 davon.

Bevor ich jedoch die eigentliche Ursache dieser Desertion erzähle,
will ich einige Intermezzi mittheilen, welche als Lichtpunkte dieses
öde, elende und langweilige Leben wenigstens einigermaassen erhellten
oder, besser gesagt, einige Abwechslung in das monotone tägliche Leben
brachten.[51]

Dahin muss ich meine monatlichen Fahrten nach Pankalan Siatas und
einige interessante chirurgische Fälle rechnen, die ich in Behandlung
bekam.

Die Streitigkeiten mit meiner liebenswürdigen Nachbarin und meine
körperlichen Leiden haben allerdings meine Gemüthsstimmung so sehr
verbittert, dass ich aus dieser Zeit nur den Totaleindruck einer
miserablen und traurigen Existenz bewahrt habe.

In der Regel brachten meine monatlichen Reisen nach Pankalan Siatas mir
eine willkommene Abwechslung in der Gesellschaft. Wenn man täglich nur
vier Menschen sieht und spricht, tritt das Verlangen, andere Menschen
zu sehen, andere Stimmen zu hören und andere Anschauungen austauschen
zu können, fühlbar auf. Es mag in Europa Landherren oder Beamte geben,
welche in kleinen Städten, Dörfern u. s. w. in ähnlichen Verhältnissen
leben; aber diese Uebelstände machen sich in Indien fühlbarer, weil man
keine Möglichkeit kennt, sie zu verändern.

Zwei Mal hatte ich auf diesen Fahrten eine kleine Abwechslung. Das
erste Mal begleitete mich ein Geistlicher, welcher acht Tage vorher
nach Seruway gekommen war, um den katholischen Soldaten für einige Tage
religiösen Zuspruch zu gewähren, etwaige neugeborene Soldatenkinder
zu taufen und Gelegenheit zur Beichte zu geben. »Pastor« X. fuhr mit
mir nach Pankalan Siatas, von wo er mit dem nächsten Dampfer seinen
zeitlichen Standplatz Medan aufsuchen wollte.

Wir waren kaum drei Kilometer hinter Seruway, als die Schraube mit
einem einem Kanonenschusse ähnlichen Knall brach. Unwillkürlich
entschlüpfte mir das in Indien übliche Scherzwort: »Nun ja, wir haben
einen Pfarrer an Bord, also müssen wir ein Unglück bekommen«, und
dieser brave Mann bekam eine Röthe wie ein Backfischchen. Als ich ihn
versicherte, dass ich dieses Sprichwort nicht als Vorwurf gebraucht
habe, theilte er mir mit, dass ihm diese Legende bekannt sei, dass sein
Erröthen mehr die Erschütterung der kleinen Dampfbarcasse als meinen
Scherz zur Ursache habe und dass er mir gewiss nicht zürne. --

Der Bruch der Schraube hatte weiter keine unangenehmen Folgen. Wir
fuhren ja stromabwärts; die Strömung des Flusses -- zur Zeit der
Ebbe des Meeres -- brachte uns vorwärts; das Steuerruder war intact,
wir konnten also trotz der zahlreichen Krümmungen des Tamiangstromes
ungefährdet allen Ecken und vorspringenden Ufertheilen ausweichen, und
als wir die Mündung des Stromes erreichten, war die Reserveschraube
eingesetzt.

Die beiderseitigen Ufer boten nach keiner Richtung etwas Sehenswerthes.
Der Wasserstand war niedrig, die hohen Ufer waren mit undurchdringbarem
Gebüsch bedeckt, aus welchem die Nipahpalmen, die Brutstätte der
Mosquitos, hervorragten, und gegen das Ende des Stromes verflachten
sich die Ufer allmählich so weit, bis sie das Niveau des Meeres
erreicht hatten.[52] Dennoch besitzt das linke Ufer ein geologisches
Curiosum, auf welches mich der Steuermann der Barcasse aufmerksam
machte, und zwar gerade gegenüber dem Haupteingange des Forts.

Bei meiner Ankunft in Seruway borgte ich mir einen Kahn aus und fuhr
mit vier Sträflingen dahin, welche Hacke und Schaufeln mitnahmen. Ich
fand, wie mir jener mitgetheilt hat, einen kleinen Hügel, welcher aus
kleinen Muschelschalen, etwa von der Grösse eines halben Pfennigs,
bestand. Der Boden rings um diesen kleinen Hügel bestand aus Lehm
mit Humus gemischt. Mir ist bekannt, dass der Kiel von Dampfern und
Schiffen sehr oft Gebilde des Meeres bis tief in’s Innere des Landes
verschleppen könne; aber dieser ganz isolirte Haufen von tausenden und
tausenden kleiner Muscheln, mitten im Alluvialboden und noch dazu vier
bis fünf Stunden von der Küste entfernt, war nicht nur mir ein Räthsel,
sondern war auch von jeher den Eingeborenen eine unverständliche
Erscheinung. W. Splieth beschreibt uns im Archiv für Anthropologie von
Schleswig-Holstein im Jahre 1888 (?) solche Muschelhaufen oder, wie er
sie nennt, solche Kjokkenmodding als wichtige Documente der Steinzeit.
Leider hatte ich damals keine Ahnung von der Bedeutung dieser
»Faciesbildung« für die Paläontologie und unterliess es darum, sie auf
Ueberreste von Thieren oder Menschen oder Geräthen zu untersuchen.
Vielleicht genügt diese Mittheilung, jemand Andern, welcher sich in
dieser Gegend aufhält, zur Untersuchung dieser »Facies« anzuregen.

Das zweite Abenteuer, welches ich bei dieser Fahrt auf der
Dampfbarcasse erlebte, lief ebenfalls gut ab, hatte aber eine kleine
Expedition zur Folge.

Schon durch einige Wochen kamen bei dem Controleur Berichte ein, dass
die Atjeer beabsichtigen, die »Ostküste von Sumatra« zu überfallen
und selbst die Hauptstadt Medan anzugreifen; zu diesem Zwecke
sollten zunächst einige atjeische Aufwiegler in dem Bezirke Langkat
die Eingeborenen zum Kampfe gegen die Holländer aufreizen und die
benachbarten Stämme der Batakker zum Einfallen in die Tabakplantagen
veranlassen. Da schon einen Monat lang diese Spionenberichte einliefen,
ohne dass thatsächlich irgend etwas geschah, glaubte ich im Januar
1884 meine gewöhnliche Inspectionsreise nach Pankalan Siatas machen
zu können, umsomehr als der Controleur keine Ursache hatte, mich
davon zurück zu halten. Kaum hatte ich jedoch ein paar hundert Meter
zurückgelegt, als wir fünf Atjeer mit Gewehren bewaffnet am linken
Ufer mit uns gleichen Schritt halten sahen. Sofort liess ich umkehren,
und als ich im Fort ankam, erfuhr ich, dass der Controleur von der
Anwesenheit dieser Feinde bereits Nachricht erhalten habe, und dass der
Officierstellvertreter sofort mit zehn Mann ausrücken müsse, um sich
dieser Aufwiegler -- todt oder lebend -- zu bemächtigen. Durch meine
Zurückkehr sei dieser nun in der angenehmen Lage, mit der Dampfbarcasse
die kleine Expedition ausführen zu können, während er im andern
Falle ein gewöhnliches Boot hätte benützen müssen. Einer von diesen
fünf Feinden wurde getödtet, die andern vier gefangen und nach Medan
gesendet.[53]

Meine Inspectionsreisen haben in den Plantagen selbst nichts Besonderes
oder Interessantes aufzuweisen. Bei meiner Ankunft untersuchte ich die
fünfundzwanzig Mann auf geheime Hautkrankheiten und nahm dann bei dem
Militär-Commandanten oder bei dem Pflanzer mein Mittagsmahl ein. Die
beiden Herren erfreuten sich mit ihren Frauen und ihren Kindern einer
besonders guten Gesundheit, so dass ich nur einmal und zwar bei meiner
Abreise aus dieser Provinz Anlass hatte, auch mit ihnen ärztlich mich
zu beschäftigen.

Auch im Marodenzimmer in Seruway hatte ich im Allgemeinen wenig schwere
Krankheitsfälle in Behandlung. Die für die Topographie des Ortes
unvermeidlichen Fälle von Wechselfieber, einige kleine Verwundungen
und einige Hautkrankheiten[54] -- das sind alle Krankheiten, welche
ich von Seiten der Compagnie in Behandlung bekam. Die ersten Wochen
meines Aufenthaltes brachten mir jedoch viele Sorgen mit der Behandlung
kleiner Wunden. Das Marodenzimmer bestand nämlich aus Matten von
gespaltenem Bambus. Darin lagen zwei Patienten mit kleinen Wunden,
welche plötzlich eines Tages ein sehr übles Aussehen bekamen; es war
Hospitalbrand hinzugetreten (Gangraena nosocomialis). Ich erfuhr von
dem Krankenwärter, dass einige Wochen vor meiner Ankunft ein Patient an
Spitalbrand in diesem Zimmer gestorben war. Ich liess sofort das Zimmer
räumen, diese zwei Patienten in den »Cholerasaal« bringen, welcher sich
ausserhalb des Forts befand und noch niemals gebraucht worden war,
und sandte an den militärischen Commandanten einen wohl motivirten
Vorschlag, dieses Marodenzimmer niederreissen und verbrennen zu
lassen. Das Verlassen dieses Marodenzimmers und eine energische
Behandlung reichte hin, das Fortschreiten des Brandes bei diesen
zwei Patienten aufzuhalten, und so blieben sie nicht nur dem Leben
erhalten, sondern ich war auch nicht bemüssigt, grössere Körpertheile
zu entfernen.

Auch ein atjeischer Patient meldete sich an; er hatte Elephantiasis,
und ich erfreute mich eines sehr schönen Resultates; er war beinahe
ganz geheilt, als ihn eines Tages ein eigenthümlicher Zufall
veranlasste, um sofortigen Abschied aus der Spitalbehandlung zu bitten.
Der militärische Commandant liess nämlich eines Tages exercitii
causa Alarm blasen. Die Soldaten eilten zu den ihnen angewiesenen
Schiessöffnungen und feuerten mit blinden Patronen. Mein atjeischer
Patient glaubte hierin ein Vorspiel für einen Ernstfall zu sehen,
vertraute der Zukunft nicht und liess sich um keinen Preis im Spitale
zurückhalten. Bei seiner Aufnahme war nicht nur der ganze linke
Unterschenkel zu einer beinahe brettharten dicken Säule erstarrt,
sondern auch das Fussgelenk und das Knie waren durch die starre Haut
unbeweglich geworden. Bei seinem übereilten Abschied waren Fuss und
Kniegelenke beweglich geworden, und der Unterschenkel hatte beinahe
normale Form. Allerdings war die Haut desselben noch theilweise
infiltrirt.

Am 17. Januar hatte ungefähr eine Stunde vom Fort entfernt ein
»Amok«-Fall stattgefunden. Der Rasende hatte vier Menschen verwundet,
bevor es gelang, ihn unschädlich zu machen; ein Atjeer und ein Chinese
wurden getödtet; ein zweiter Eingeborener erhielt fünf Wunden und das
vierte Schlachtopfer nur einen Stich am linken Vorderarm. Diesen einen
Unglücklichen sandte mir der Controleur zur ärztlichen Behandlung und
zwar in Begleitung der Frau des »Amokläufers«. Ich hatte darum ersucht,
um mich so gründlich als möglich mit dieser Frage beschäftigen zu
können. Da die Eingeborenen der Suggestion ausserordentlich leicht
zugänglich sind, so bemühte ich mich, jeden »Hineinexaminirens«
mich zu enthalten und sorgte auch dafür, dass der Dolmetsch auf die
Antworten dieses Atjeers keinen Einfluss nahm. Schon die erste Frage,
die ich stellte, brachte eine befriedigende Antwort. Ich liess mir
einfach mittheilen, was der Bösewicht (?) kurz vor dem »Amoklaufen«
gethan hatte. »Nichts,« erhielt ich zur Antwort, »denn er hatte ja
das Fieber; sein Körper war heiss und er delirirte (bitjâra gîla),
plötzlich sprang er auf, ergriff den Dolch (rêuntjong) und schwang ihn
nach allen Seiten und stiess ihn in die Brust des Nachbarn, welcher
nur geholfen hatte, dem Kranken die abkühlende Salbe auf die Stirne zu
reiben. Ich lief auf die Strasse um Hülfe zu rufen; unterdessen war er
hinter mir nachgelaufen und verwundete noch drei Männer, welche auf
meinen Hülferuf herbeigeeilt waren.«

So oft und so nachdrücklich ich mich erkundigte, ob diese Schlachtopfer
in irgend einer Weise als persönliche Feinde direct oder indirect
Anlass zu einer erbitterten oder gehässigen Stimmung gegeben hätten
oder vielleicht vor längerer Zeit seinen Hass oder Neid oder Missgunst
oder Eifersucht erregt hätten, die der Mörder nur zeitweilig nicht
gezeigt habe -- auch diesem wurde auf das Bestimmteste widersprochen.

Es war also der typische Fall des »Amoklaufens«,[55] bei welchem der
Rasende ohne Unterschied der Person, des Geschlechtes und des Alters
jeden Menschen verwundet, der ihm entgegentritt. Dieser Fall bestreitet
jedoch alle bisherigen Theorien, welche über die malaiische Sitte des
Amoklaufens aufgestellt wurden. Dieser Mann rauchte kein Opium, er war
von keinem religiösen Wahnsinn ergriffen, er wollte sich nicht auf
diese ungewöhnliche Weise das Leben nehmen, um trotz des Verbotes des
Selbstmordes der Freuden des Himmels theilhaft zu werden; es war ein
Kranker, welcher im Fieber delirirte.

       *       *       *       *       *

Auch einen Krebsfall bekam ich zur Behandlung; es war ein Mann,
welcher am rechten Oberschenkel eine Geschwulst von der Grösse einer
Faust hatte; die Schmerzhaftigkeit der Geschwulst, das rasche Wachsen
derselben, das schlechte Aussehen des Patienten liessen mich an einen
Krebs denken, ohne dass ich mir darüber Gewissheit verschaffen konnte;
der Patient verweigerte nämlich jeden chirurgischen Eingriff.

[Illustration: Fig. 13. Pfarrhaus in Kuta-radja.

(Vide Seite 117).]

Wenn in letzter Zeit Professor Löffler in Greifswald eine neue Therapie
der Krebskranken auf eine Thatsache gründen will, welche ihm von
einem Arzt auf Borneo mitgetheilt wurde, dass nämlich in den Tropen
Krebsfälle selten oder gar nicht vorkommen sollten, dann muss ich
seiner Theorie den Boden entreissen. Diese Thatsache ist unrichtig.
In den Tropen kommen Krebsfälle ebenso häufig oder ebenso selten
als in Europa vor. Ich kann diese Behauptung natürlich unmöglich
durch »grosse Ziffern« beweisen; wenn aber der einzelne Arzt, wie ich
z. B., schon von zehn Fällen zu berichten weiss,[56] ohne dass ich
mein statistisches Material durchforscht habe, dann darf ich mir diese
Behauptung erlauben. Wie viele Krebsfälle haben dann die hunderte und
tausende übrigen Aerzte gesehen? Wie viel Krebsfälle kamen in den
tausend und tausenden Quadratmeilen der Insel vor, welche ich nicht
gesehen habe. Wie viel tausend und tausende Krebskranke sind ihren
Leiden erlegen, ohne dass ein europäischer Arzt sie gesehen, ich will
nicht sagen obducirt hat? Unter den erwähnten zehn Fällen sind vier,
welche ich dem Jahresberichte 1895 der indischen Armee entnommen habe;
die übrigen habe ich entweder selbst gesehen oder selbst behandelt.

1. Im Jahre 1884 litt Regimentsarzt Dr. A. an Magenkrebs und ging nach
Wien, um von Billroth sich operiren zu lassen.

2. Im Jahre 1891 starb mein Chef, ein Oberstabsarzt, an einem
Lippenkrebs.

3. Den 13. April 1892 operirte ich im Militärspitale zu Ngawi einen
Javanen, welcher einen Krebs im rechten Augapfel hatte.

4.? behandelte ich einen europäischen Soldaten, welcher einen
Nierentumor hatte; bei der Section war die ganze rechte Niere zu einem
Krebstumor umgewandelt und nur ein schmaler Saum der Rindensubstanz von
ungefähr 2 mm Breite war erhalten.

5. Den 23. October 1893 kam ein ambonesischer Soldat -- aus den
Molukken -- in meine Behandlung, der, so unglaublich es auch zu sein
scheint, seinen Dienst bis zu diesem Tage als Soldat verrichtet hat,
obzwar er in der Bauchhöhle einen grossen Tumor hatte. Der Apotheker
Wetselaar war so freundlich, ihn in vivo zu photographiren; die
Photographie ist noch in meinem Besitze; man sieht in der Magengrube
eine Geschwulst hoch über das Niveau der Umgebung hervorragen.
Seine Frau theilte mir die Vermuthung mit, dass er das Opfer einer
eifersüchtigen Nebenbuhlerin, d. h. vergiftet worden sei. Dadurch wurde
mir die Gelegenheit geboten, eine Section vornehmen zu können, als er
5 Wochen später seiner Krankheit erlag.

In der holländisch-indischen Armee, welche zur Hälfte aus
mohamedanischen Soldaten besteht, darf nämlich -- abgesehen von
gerichtlichen Fällen -- an eingeborenen Soldaten aus religiösen Motiven
keine Section gehalten werden, es sei denn, dass von der Familie
oder von seinen Kameraden »ausdrücklich dazu Erlaubniss gegeben
wird«. Ich liess also nach dem Tode dieses Patienten seine Frau
kommen und theilte ihr mit, dass ich für meine Person nicht glaube,
dass ihr Mann durch eine Vergiftung gestorben sei, dass ich aber die
+wahre+ Todesursache nur dann angeben könnte, wenn ich wenigstens
die Bauchhöhle öffnen und auf diese Weise den Bauchinhalt untersuchen
könnte. Sofort ersuchte sie mich, dies zu thun, und die Autopsie
bestätigte die Diagnose in vivo: Scirrhus-Krebs des Netzes.

6. Den am 16. Januar 1884 in Seruway beobachteten Fall kann ich
ebenfalls als Carcinoma anführen -- er ist ja in meiner Notiz als
»Epitheliom der Glutaei« genannt --, obzwar ich ihn nicht operiren
durfte. Die klinischen Erscheinungen, wie ich sie oben mitgetheilt
habe, rechtfertigen ja die Wahrscheinlichkeits-Diagnose: Krebs.

Ich muss es wiederholen, dass diese Zahl der Krebskranken, welche ich
hier mittheile, nicht gross ist; ich habe aber mein statistisches
Material nicht zu Rathe gezogen; vielleicht würde ich noch einige
Fälle finden; aber dessen ungeachtet fühle ich mich zur Behauptung
berechtigt, dass in den Tropen, also in ausgesprochenen Malarialändern,
der Krebs vorkomme und dass Professor Löffler in seiner Therapie dieser
unglücklichen Patienten von einer falschen Prämisse ausgeht.[57]

       *       *       *       *       *

Sehr Weniges hat während meines Aufenthaltes in Seruway meinen Geist
beschäftigt; der Verkehr mit den übrigen fünf Europäern beschränkte
sich auf wenige Minuten des Tages und, als ich krank wurde, nur auf
wenige Augenblicke in der Woche; die Eingeborenen bekam ich aus
mir heute noch unbekannter Ursache niemals zu Gesicht; von den
Unterofficieren war keiner so gebildet, dass ich den besonders in
kleinen Forts unvermeidlichen Abstand zwischen Unterofficier und
Hauptmann (diesem Rang war ich »assimilirt«) ausser Acht lassen konnte;
mein Bedienter war der Typus eines stillen, wortkargen und gelassenen
Malaien; seine Frau, welche das Amt einer Köchin versah, war eine sehr
schöne Frau, welche aus naheliegenden Ursachen alle Befehle nur durch
den Mund ihres Mannes erhielt; die Praxis im Marodenzimmer beschäftigte
mich täglich im Durchschnitt nicht mehr als eine viertel Stunde; also
Bücher, Bücher und wiederum Bücher mussten mir Ersatz für Alles bieten,
was die menschliche Civilisation zur Befriedigung des Geistes, des
Herzens und des Gemüthes seit Jahrhunderten geschaffen hat.

Ich wurde auch krank. Mein Rheumatismus stellte sich in heftigem Grade
ein; ich konnte nur mit Mühe den Weg zum Marodenhaus zurücklegen, der
nicht länger als 15 Schritt war. Ich bekam auch ein Recidiv eines
schmerzhaften Ohrenleidens (Otitis media), welches im Jahre 1877 auf
Borneo mich überfallen hatte und seit dieser Zeit hin und wieder mir
rasende Schmerzen verursachte. Aber noch eine dritte Krankheit trat
gleichzeitig mit diesen zwei schmerzhaften Erkrankungen auf. Ich bekam
Blutungen aus der Blase! Ohne häusliche Pflege und ohne ärztliche Hülfe
eines Collegen lag ich der Verzweiflung nahe und wartete auf meinen
Nachfolger, um den ich bei dem ersten Anfall des Ohrenleidens nach
Batavia geschrieben hatte. Den 23. Februar konnte dieser eintreffen.
Es waren traurige Tage; durch Morphium wollte ich die Schmerzen nicht
stillen, weil ich den Morphinismus fürchtete, welcher in den meisten
Fällen durch chronische langdauernde Krankheiten veranlasst wird; zum
Genever oder zur Weinflasche als Betäubungsmittel hatte ich niemals
meine Zuflucht genommen, weil ich den Alcoholismus als Schreckgespenst
im Hintergrunde sah; nur Eines hielt mich in diesen traurigen Tagen
aufrecht: Am 23. Februar kommt ein College, welcher mich durch locale
Behandlung radical von meinem Ohrenleiden und von meiner Blasenblutung
befreien wird.

Der 23. Februar kam, die Post kam, aber mein Nachfolger kam nicht;
und es kam ein Privatschreiben des Landessanitätschefs von Medan, in
welchem er mir mittheilte, dass ein officieller Brief von Batavia von
ihm Aufklärung verlange, was denn dem Regimentsarzte Dr. Breitenstein
fehle, dass er sofortige Ablösung verlange, und dass das Vermuthen
nahe liege, dass dieser nur darum um Ablösung ersucht habe, weil es ihm
in diesem »abgelegenen Posten« nicht mehr gefalle. Dr. X. ersuchte mich
also, ihm die nähern Details meiner Krankheit mittheilen zu wollen.

Es war der traurigste Tag meines Lebens: von Schmerzen in den
beiden Kniegelenken und im linken Ohr gepeinigt, bedroht durch die
Blutungen aus der Blase und jeder Aussicht beraubt, vor vier Wochen
ärztliche Hülfe erlangen zu können. Psychisch und physisch das Opfer
der traurigsten Verhältnisse griff ich in derselben Nacht -- zum
Revolver. Doch die Lebenslust behielt die Oberhand -- ich sollte ja
in wenigen Wochen erst 36 Jahre alt werden. Ich warf den Revolver in
die Ecke des Zimmers, schleppte mich zum Schreibtische und schrieb
ein Telegramm an den Sanitätschef in Batavia und einen Brief an den
»Militär-Commandanten zu Seruway«. In dem Telegramme theilte ich
einfach mit, dass ich wegen Krankheit mit der nächsten Gelegenheit
Seruway verlasse, und in dem Briefe an meinen Nachbar bat ich, die
Dampfbarcasse, welche die Post gebracht hatte, einige Stunden auf mich
warten zu lassen, weil ich sofortige Hülfe für mein Leiden unerlässlich
erachte und mich evacuiren müsse, und verständigte ihn davon, dass
gleichzeitig ein Telegramm nach Batavia geschickt werde, mit der Bitte,
sofort einen Nachfolger zu senden.

Früh um 6 Uhr bat ich den Agenten des Garnisonlieferanten, meine Möbel
in Commission zu nehmen, liess meinen Bedienten die Koffer packen und
um 10 Uhr sass ich in der Dampfbarcasse, die mich nach Pankalan Siatas
brachte, und Abends um 8 Uhr bestieg ich den Dampfer der »indischen
Dampfschifffahrtsgesellschaft«, welcher zwischen der »Ostküste
Sumatras«[58] und Batavia einen 14tägigen Verkehr unterhielt. In Riouw,
der damaligen Residenzstadt der Provinz »Riouw und Vasallenstaaten«,
traf ich Dr. X., der vielleicht (?) schon vor Erhalt meines
Telegramms[59] angewiesen war, mich abzulösen.

Der Herr Gideonse besorgte mir den Verkauf meiner Möbel, welcher
nicht mehr als fl. 295.25 erzielte, während zwei Monate später die
Auction des Militär-Commandanten fl. 1900 aufbrachte. Es ist ja eine
alte Erfahrung, dass die Freundschaft mit den Verwaltungsbeamten in
den holländischen Colonien buchstäblich viel Geld werth ist. Wie
ich schon früher[60] mittheilte, bedingt die flottende europäische
Bevölkerung die Existenz eines Auctionsamtes, in welchem von der
Regierung entre autre der Verkauf der Einrichtungen der transferirten
Beamten und Officiere besorgt wird. Die Versteigerung wird gerne von
den Eingeborenen besucht, welche sich auf bequeme und billige Weise
mit europäischen Möbeln und Schmuckgegenständen versehen und zugleich
»ein Andenken an ihre europäischen Freunde« für ihr gutes Geld
verschaffen können; es liegt im Charakter des Eingeborenen, in erster
Reihe in allen Männern von Einfluss »ihre Freunde« zu suchen und dem
neu auftretenden Würdenträger zu zeigen, wie hoch und wie theuer sie
das Andenken an »ihren Freund« zu erwerben bereit sind. So erklärt es
sich, dass alle Beamten und Officiere, welche mit den Eingeborenen
bei Lieferungen und Arbeiten für die Regierung in Verkehr stehen,
trotz zahlreicher Transferirungen keinen geldlichen Schaden erleiden,
während die dii minorum gentium »drei Transferirungen für einen Brand«
erklären. Auch die guten Freunde der Verwaltungsbeamten participiren an
diesen Vortheilen, weil die Eingeborenen und auch die Chinesen schon
aus der Art und Weise, wie eine Auction von den Verwaltungsbeamten
poussirt wird, einen Maassstab für die Bedeutung und Einfluss des
abtretenden »Freundes des Beamten« sich schaffen. Ich wiederhole
aber gerne, was ich schon im zweiten Bande mitgetheilt habe: Das
Auctionsamt in Indien entspricht geradezu einem dringenden Bedürfnisse
der herrschenden Verhältnisse, und die damit verbundenen Missbräuche
vermindern sich von Jahr zu Jahr.

Ende Februar kam ich in Batavia an und wurde vom Sanitätschef etwas
unfreundlich empfangen, weil ich mich einer bessern Gesundheit
erfreute, als er erwartet hatte. Die Blutungen hatten aufgehört, die
Attaque des Rheumatismus war abgelaufen und die Otitis hatte sich
so weit gebessert, dass die Schmerzen mir nicht mehr die Nachtruhe
raubten. Ich wurde zur weiteren Behandlung im Spitale aufgenommen, und
erst am 3. Mai konnte ich einen 2jährigen Urlaub nach Europa antreten,
wo ich radicale Heilung meiner Krankheiten suchen und finden sollte.

Den 20. Mai 1886 heirathete ich in Rotterdam die Tochter eines
Buchdruckers und trat sofort die Rückreise nach Indien an; die
Hochzeitsreise führte mich nach Wien, wo ich zwei Wochen bei meiner
Familie mich aufhielt, und schiffte mich den 19. Juni in Marseille
ein. Den 20. Juli kamen wir wohlbehalten in Batavia an, und schon den
25. Juli las ich in der Zeitung, dass ich nach Atjeh in Nord-Sumatra
gehen müsste, wo seit 1873 ein Guerillakrieg mit abwechselndem
Kriegsglücke für beide Seiten geführt wurde. Am 30. Juli schiffte ich
mich mit meiner Frau auf der »Tambora« ein, nachdem mir telegraphisch
vom Gouverneur von Atjeh die Erlaubniss mitgetheilt wurde, meine Frau
mitzunehmen.

Im folgenden Capitel werde ich mich mit meinen Erlebnissen unter
diesem freiheitsliebenden Volke und theilweise auch mit ihren Sitten
und Gebräuchen beschäftigen. Aber ich kann nicht umhin, hier an dieser
Stelle ein kleines Bild von der Flora der Insel Sumatra zu geben und
zwar darum an dieser Stelle, weil die Flora des mittleren Sumatra,
d. h. gerade der Provinzen, welche im obigen Capitel besprochen wurden,
von einem Fachmanne ausführlich beschrieben wurde. In dem Reisebuche
des Ingenieurs Yzermann (y = ei und z = s) entwirft der Förster
Koorders, welcher späterhin mit Hülfe eines holländischen Botanikers
seine Sammlungen classificirt hat, ein geradezu erschöpfendes Bild von
der Pflanzenwelt, welche er im Gefolge dieses Ingenieurs gesehen und
bewundert hat. Dieses Buch ist in holländischer Sprache geschrieben und
darum der deutschen Gelehrtenwelt nicht allgemein bekannt; ich glaube
also nur eine nützliche Arbeit zu leisten, wenn ich im Auszuge die
Mittheilungen des Herrn Koorders an dieser Stelle wiederhole.



6. Capitel.

Flora von Mittel-Sumatra.


Den 13. Februar 1891 begann von Padang Pandjang jene grosse Expedition,
welche von dem Oberingenieur Yzermann unternommen wurde, um für
die Kohlen des Ombilienfeldes im Westen von Sumatra einen Landweg
nach der Ostküste zu suchen und zu finden, d. h. zu suchen, ob eine
Eisenbahn die West- mit der Ostküste Sumatras verbinden könnte. Dieses
Unternehmen wurde in einem schönen Buche mit dem Namen: »Dwars door
Sumatra« = Quer durch Sumatra, beschrieben. Zu den Mitarbeitern dieses
Buches gehörte auch der Förster S. H. Koorders, welcher nicht nur das
jeweilige Nutzholz in den durchzogenen Landstrichen aufnahm, sondern
auch so viel als möglich Pflanzen sammelte. Dr. J. G. Boerlage (oe =
u), Conservator in Leiden, hat dieser Sammlung die wissenschaftliche
Weihe gegeben. Aber auch dem wildromantischen Reize eines Marsches
durch den Urwald (Fig. 11) hat der Herr Koorders beredte Worte
verliehen. Da ich ein Laie in der Botanik bin, kann ich unmöglich
meine Eindrücke von einem Urwalde in den Tropen in wissenschaftlichen
Formen wiedergeben, ich bin also gezwungen, aus anderer Quelle zu
schöpfen. Ich glaube nicht, dass die Flora Sumatras jemals besser und
ausführlicher beschrieben wurde, als es der Herr Koorders in seiner
»Lossen schetsen der vegetatie van Equatoriaal Sumatra« gethan hat. Ich
selbst habe den Urwald Sumatras in der südlichen Provinz »Lampong«, an
der Grenze des atjeischen Reiches, sowie im Herzen Borneos gesehen;
die Waldriesen von ungefähr 40 Meter Höhe, das undurchdringliche
Gestrüpp und die Lianen, welche kreuz und quer die mächtigen Baumstämme
verbanden, die kühle und feuchte Luft, die mächtige Humusschicht des
Bodens, welche mit Laub bedeckt war, und die majestätische Ruhe, welche
nur hin und wieder durch den Klageruf eines Affen gestört wurde,
haben einen mächtigen Eindruck auf mich gemacht, dessen Zauber ich
mich heute noch nicht entziehen kann; stets fehlte mir das botanische
Wissen, um auch ein wissenschaftliches Bild dieses wildromantischen
Bildes entwerfen zu können. Möge also der Herr Koorders sein
fachmännisches Wissen über den Urwald Sumatras hier mittheilen.

Diese Expedition ging von Padang Pandjang 0° 30′ s. B. von der
Westküste Sumatras aus und endigte in 46 Tagen an der Ostküste bei
Siak 0° 50′ n. B. Der Aequator wurde am 12. März überschritten; sie
durchschritten also einen Gürtel von ungefähr 1½ Grad, und da der
Weg über Berg und Thal zog, bis er bei Siak die Meeresküste erreichte,
entrollte er unserem Auge das liebliche Bild der Flora in der
Tertiärformation im Diluvium und im Alluvium.

[Illustration: Fig. 14. Eine Gerichtsverhandlung in Kuta-radja.

(Vide Seite 122.)]

Zwischen Mokko-Mokko und Lubuk Ambatjang hat der Fluss Kwantan sein
Bett tief in die Erde graben müssen, welche dort aus Kalk und Schiefer
besteht. Bis 100 Meter hoch erhebt sich das Ufer über der Fläche des
Stromes, und bei Mokko-Mokko schliessen beinahe senkrechte Kalkfelsen
die breiten Ufer ab.[61] Natürlich sieht man auch Stellen, wo das Bett
des Flusses weniger steil aufsteigt, und da kann sich das Auge an dem
üppigen Pflanzenwuchs ergötzen, welcher die Ufer umgiebt. Dann sieht
man den schönsten Urwald wie in einem Amphitheater aufgebaut. Die
säulenförmigen glatten Stämme von 40-50 Meter hohen Dipterocarpaceen
mit kleinen Kronen stehen neben 15-25 Meter hohen knorrigen, niedrig
und reich verzweigten Kasehbäumen (Pometia tomentosa T. und B.),
und an diese grenzen wieder andere Waldriesen, wie z. B. der Ampalo
(Dillenia Sumatrana Miq.), die Rengas (Gluta Renghas L.) und die Sungke
(Peronema canescens Jack). Dazwischen schlingen sich die Rottangs
mit scharfen Dornen und Lianen in mancherlei Form mit goldgelben und
scharlachrothen Blumenstauden. Sie schlingen sich von Baum zu Baum bis
zu den höchsten Spitzen und hängen dann als schöngefärbte Guirlanden
von den Zweigen herab. Eine solche Landschaft, vom Sonnenlicht
beschienen, zeigt die Farbenpracht einer tropischen Vegetation in ihrem
ganzen Reichthum. Das +Grün+ in allen Nuancen ist vorherrschend.
Dunkelgrün, beinahe schwarz scheint das dichte Laubgewölbe der hohen
Simaung-Bäume (Pangium edule Reinw.); ein helleres Grün findet man
in der breiten vollen Krone der Sungke-Bäume, während das blassgrüne
Laub von Melochia Indica Hock oder von zwei Mallotussorten (Mallotus
cochinchinensis Lour. und Mallotus floribundus Müll. Arg.) an dem
Saume des Waldes gesehen wird. Das +Gelbe+ ist stark vertreten.
Schon von Weitem sieht man die zahlreichen grossen goldgelben Blumen
von Wormia excelsa Jack und Dillenia Sumatrana Miq. und die ebenso
schön gefärbten Blumenbündel von dem Djuwarbaum (Cassia florida Vahl).
Noch mehr wird unsere Aufmerksamkeit gefesselt von einer während der
Blüthezeit entblätterten Sterculia, welche wie ein riesengrosser gelber
Blumenstrauss von dem grünen Hintergrunde der Bäume absticht, während
eine hier häufig vorkommende Liane mit zahlreichen gelben Blumen
geschmückt ist. +Orangengelb+ ist die Farbe der Blüthen eines
kleinen Baumes aus der Familie der Rubiaceen, wahrscheinlich einer
Pavetta. +Scharlachrothe+ Blumenguirlanden von einer Liane hängen
zwischen den Bäumen herab und werden abgewechselt von den zahlreichen
+rothvioletten+ aufrechtstehenden Blumenbündeln der Sterculiacea
Kleinhovia hospita L. Ein +Dunkelpurpur+ bedeckt die Spitzen
der Kasehbäume und ebenso die von einer Eugenia, welche jetzt mit
jungem Laub bedeckt sind. Die +dunkelbraune+ Farbe, welche die
hohen Spitzen der Timbalun-Bäume zeigen, verdanken sie jedoch weder
dem Laube noch den Blüthen, sondern den geflügelten Früchten, womit
sie jetzt bedeckt sind. Diese Farbe sieht man auch an den Flügeln der
Dipterocarpussorten, deren Früchte man als grosse Schmetterlinge hin
und wieder hinunterschweben sieht. +Graubraun+ ist die Unterseite
der Blätter von Durio Zibethinus L. von Pterospermum diversifolium Bl.
und von Pterospermum suberifolium Willd. +Schneeweiss+ sind die
Blumenbündel der Pometia tomentosa T. und B. und der Peronema canescens
Jack.

Auffallend ist die Höhe der Bäume, die manchmal 40 bis 60 Meter
beträgt, während der glatte Stamm erst auf einer Höhe von 30 Metern
Zweige abgiebt. Dazu gehören: Alstonia scholaris Br., Sterculia
spectabilis Miq., Neesia altissima Bl., Dipterocarpus littoralis Bl.,
Dipterocarpus appendiculatus Scheff., Paroshorea lucida Kurz, Pangium
edule Reinw., Pterospermum suberifolium Bl., Parkia intermedia Hassk.,
Sloetia Sideoxylon Teysm. et Bum, Artocarpus Blumei Tréc, Cedrela
serrulata Miq. Isolirt stehen colossale Exemplare von Ficussorten,
welche ihr gigantisches Aussehen nicht der Höhe, sondern dem
Umfange[62] verdanken. Man findet aber auch kurze, dünne, säulenförmige
Stämme und zwar bei den Baumfarren (Alsophila) und bei der Palme Arenga
obtusifolia Marl. Dünne Stämme, welche nur einige Mal gabelförmig
verzweigen, haben Arthrophyllum diversifolium Bl., Oroxylon indicum
Bl. und Pandanus furcata Roxb. Knorrige krumme Stämme, welche sich
in unregelmässig gekrümmten Zweigen und zwar in der Nähe des Bodens
verzweigen, zeigt Dillenia Sumatrana Miq. Am Ufer des Flusses stehen
natürlich noch zahlreiche Gesträuche mit dünnen krummen Zweigen aus der
Familie Aglaia, Meliaceae und Myrtaceae.

Auch die Form der Blätter ist reich an Abwechslung. Rund- oder
herzförmig sind die Blätter der Kleinhovia hospita L., Mallotus
cochinchinensis Lour., Mallotus floribundus Mull.-Arg. und Homalanthus
populifolius. Grosse, längliche, gelappte oder flossenartig zertheilte
Blätter hat Artacarpus Blumei Trec.; Macaranga hypoleuca Mull.
und Pangium edule Reinw.; ein bis zwei Meter lange flossenartige
Blätter haben Peronema canescens, Pometia tomentosa, Arthrophyllum
diversifolium, Oroxylon indicum, Cedrela serrulata Miq., Canarium
hispidum, Canarium rostriferum u. s. w. Einen sehr eigenthümlichen
Typus zeigen die Blätter der Federpalme Arenga obtusifolia, welche über
sechs Meter lang werden, und ebenso charakteristisch sind die Blätter
der Pandanussorte von drei bis sechs Metern, welche an den Rändern
scharfe Dornen haben und wie eine Spirale um den Stamm geordnet sind.

Von dem Urwald selbst ist der Herr Koorders wenig oder gar nicht
entzückt. Wenn der Waldsaum am Ufer (des Kwantan) durch die
Farbenpracht der Blumen, durch die pittoresken Formen der Blätter und
Stämme und durch die oft gigantische Höhe der Bäume jeden Touristen
entzücken, so zeigt der Urwald selbst, welchen ich sah und zwar sowohl
auf Sumatra als auf Borneo, ein anderes, aber darum nicht weniger
interessantes Bild. Die majestätische Ruhe für das Ohr und für das
Auge ist das Charakteristische des Urwaldes stricte dictu d. h. in
seinem Innern. Am Waldessaum breiten die Waldriesen ihre Gipfel zu
mächtigen Kronen aus; im Innern des Urwaldes stehen sie aneinander
gedrungen und formen in einer Höhe von 30 bis 40 Meter ein Gewölbe,
durch welches kein Sonnenstrahl dringt; die Bäume selbst sind kaum
ein Meter dick und verzweigen sich schon auf eine Höhe von 20 bis 25
Meter. Nur wenige Lianen ziehen von Stamm zu Stamm, und nur mit Mühe
schreitet man zwischen diesen vorwärts. Aber keine Sträucher bedecken
den Boden. Nur schmutzig gelbe oder licht braune Blätter sind die
oberste Hülle der Humusschicht. In diesem Urwalde zwischen den beiden
Strömen Kwantan und Kampar sah der Herr Koorders nur das grüne Laubdach
und graue Baumstämme; keine Orchideen, nur wenig oder gar kein Moos,
nur wenige Blumen (z. B. Pavettasorten), und auf dem Boden nur einige
Farrenkräuter (z. B. die Lindsaea mit blaugrünem Laube).

Auf seiner weiteren Reise, welche von Lubuk Ambatjang nordöstlich
durch die beinahe ganz unbekannten Gebiete der »unabhängigen Stämme«
sich zog, änderte sich bald das Bild der Flora. Auf dem lehmigen Pfade
nach Logei, welcher mit Sand durchmengt war, standen zwei bis vier
Meter hohe Gleichenias Nepenthes und Lycopodium cernuum Bl.; an sie
grenzten Sträucher und kleine Bäume von zehn bis zwanzig Meter Höhe,
wie z. B. Eurya acuminata DC., Adinandra dumosa Jack, Vitex pubescens
Vahl, Rhodamnia trinervia Bl., Quercus sp., Adenanthera pavonia L.,
Commersonia platyphylla Andr., Lagerstroemia speciosa Pers., Alpinia
und Schlingpflanzen (Lycopodium). Hinter dem Walde war Schilfrohr mit
einigen jungen Bäumen der Peronema canescens und Macaranga trichocarpa,
und ein hoher Kasehbaum verkündigte die Nähe von Wasser; am jenseitigen
Ufer des Batang-ajer stand ein ungefähr sechs Meter hohes, krummes
Bäumchen aus dem Geschlechte der Carallia Roxb. und einige stattliche
Exemplare der Eurya acuminata, Mallotus cochinchinensis, Adinandra,
Wormia excelsa, Macaranga trichocarpa, Pterospermum suberifolium,
Glochidion sp., Rhodamnia trinervia Bl. und Eugenia sp. schlossen
dieses botanische Panorama.

Bei Logei selbst nämlich war eine beinahe baumlose Fläche von einigen
Kilometer Länge und einem halben Kilometer Breite. Der Boden war mit
Kieselsand und mit faustgrossen Stücken von Milchquarz bedeckt. In
der Mitte zog ein kleines krystallhelles Bächlein, an dessen Ufer
die Eriocaulon sexangulare zahlreich vorkam; hin und wieder sah
man einige drei bis zehn Meter hohe Bäumchen aus der mit Gras und
Kräutern bedeckten Oberfläche hervorragen; z. B. Scleria Sumatrana
Retz (Cyperngras), Eriachne gracilis Duper., Hedyotis hispida Retz,
Nepenthes Korhalsiana Miq., Rhodomyrtus tomentosa und Archytaea Vahlii
Coisy (mit rosenrothen Blüthen und dunkelgrünen glänzenden Blättern,
welche purpurnen Rand und Hautnerven haben). Diese Archytaea hatten wie
die Vitex pubescens Vahl und Commersonia platyphylla an dieser Stelle
nur eine Höhe von ein bis zwei Metern. Auf dem dürren Boden dieser
Ebene sah der Herr Koorders auch einige Exemplare der Fagraea fragrans
(eine Loganiacea) und Greenia Jackiana Wight (Rubiacea), Calophyllum
Inophyllum L. und Tetramerista glabra Miq. Am Ende dieser Ebene standen
wieder Vertreter der wahren Waldvegetation. Evodia Roxburghiana Benth,
Symplocos ferrugineus Roxb., Glochidion superbum Baill., Aporosa
microcalyx Hasik, Mallotus cochinchinensis, Galearia aristifera,
Myristica iteophylla, Carallia lanceaefolia, Sideroxylon ferrugineum,
Rhodamnia cinerea, Angelesia splendens, Diemenia racemosa, Adinandra
dumosa und Eurya acuminata begrenzten diese Ebene, welche durch ihren
kahlen Anblick und durch ihre schwache Vegetation dem Botaniker wie dem
Touristen nur wenig Abwechslung bot.

Ein neues Bild zeigten die Ufer des Sigati, eines Nebenflusses des
Kamparflusses. Wasser bedeckte die Ufer bis tief in den Wald hinein
und gewaltige Rhizophoren verriethen den Sumpfboden. Calophyllum
rhizophorum, Dillenia eximia, Elaeocarpus tomentosus, Fagraea racemosa
und Kibenia tuberculata kamen hier bei einer Meereshöhe von 20-30 Meter
vor, während z. B. die zwei letzten auf Java erst in einer Höhe von
800 Meter gefunden werden. Am meisten fiel jedoch die grosse Zahl der
Tristania Sumatrana auf, deren Rinde stets in grossen Stücken von dem
Baume sich löst, und die eigenthümlichen Vitexsorten, welche fünf-
bis siebenzählige Blätter mit breitgeflügeltem Stengel haben. Von den
spärlich vertretenen Lianensorten war allein die Flagellaria indica
erwähnenswerth.

Wenn auch dieser kleine Fluss in seinem ganzen Laufe niedrige Ufer
hatte, so dass sein ganzes Flussgebiet zahlreichen Ueberströmungen
ausgesetzt war, so zeigt doch der Unterlauf einen andern Charakter der
Flora als der Oberlauf. In der Nähe der Mündung (in den Kampar) hatten
die Bäume niedere Aeste, krumme Stämme mit zahlreichen Schmarotzern
(Loranthussorten und einigen Orchideen) und ihre runden Kronen
berührten beinahe die spiegelnde Fläche des Wassers. Dazu gehörten
Grewia subcordola, Barringtonia spicata, Pithecolobium lobatum,
Elaeocarpus paniculatus, Vitex pteropoda, Gluta Renghas, Pternandra
capitellata, Eugenia sp., Homalium sp., Artocarpus Termisalalia sp.
und Evonymus sp. Zwischen diesen Bäumen zogen zahlreiche Lianen, von
denen besonders der Rottang durch seine Dicke auffiel; natürlich war
auch der Boden mit zahlreichen Sträuchern bedeckt, worunter eine
Ardisiasorte durch ihre zierlichen Blumenbündel besonders auffiel.
Aber auch die Grewia omphacarpa mit ihren goldgelben Blumen und ihren
kleinen orangerothen Früchten, die Vitex pubescens Vahl mit ihren
grossen violetten Blumensträussen, die Barringtonia mit ihren langen
Trauben von rothen und purpurnen Blüthen; die Evonymus mit ihren
zahlreichen grünen Früchten und die Pithecolobium mit ihren braunen und
grünen Schoten ergötzten das Auge des Wanderers.

Auch die unverfälschte Sumpfvegetation beschreibt uns der Herr Koorders
ziemlich ausführlich. Vom 20.-22. März befand sich die Expedition in
dem Sumpf am linken Ufer des Kamparflusses (0° 15′ N. B. und 101°
40′ O. L.). Ein Stock von sechs Meter Länge erreicht hier noch nicht
festen Boden. Auch hier stand ein hochstämmiger Wald; zur Fixirung in
den weichen Boden hatten sie jedoch zwei bis vier hohe Luftwurzeln,
starke Wurzelleisten, aufrechtstehende Athmungswurzeln, Schlingwurzeln
und endlich ein grosses Netz von Haarwurzeln. (Alle diese Wurzelarten
erleichtern übrigens die Aufnahme des Sauerstoffes, welcher im
sumpfigen Boden im freien Zustand nicht vorkommt.) Calophylla,
Eugeniae, Chisocheta, Pandani, Canarii und Myristicae hatten an diesen
Stellen solche Luftwurzeln. Nebstdem fielen auf: Zwei bis drei Meter
hohe Baumfarren, riesige Pandanisorten und eine Zalacca mit sehr
sauren Früchten. Am 26. März befanden sich unsere kühnen Pioniere der
Civilisation im Sumpfe bei Pankalan Dulei. Ein ganz anderes Bild zeigte
hier die Vegetation. Die Form der Rhizoforen trat in den Hintergrund;
die Bäume hatten jedoch ein dicht anliegendes Netz von schlingförmigen
Luftwurzeln, zwischen deren Lücke sich das abgefallene Laub aufhäufte,
sie waren niedriger (höchstens bis 15 Meter), hatten krumme Stämme und
dichte Kronen. Im 7. Capitel bespricht der Herr Koorders den Ackerbau
im äquatorialen Sumatra. Natürlich widmet er dem Reise, welcher in
den Tropen die Hauptnahrung der auf niedriger Stufe der Civilisation
stehenden Eingeborenen ist, die grösste Aufmerksamkeit. Wie auf
Borneo[63] kennen die Sumatraner nur den trockenen Reisbau Cassave,
Bataten (B. edulis), Zuckerrohr, Ananas, Pisang, Gurken, Labu, Tabak,
Kaffee, Lombok, Terong (Solanum melongena), Hülsenfrüchte, Indigo (Mais
sah der Herr K. in diesem Theile Sumatras nicht). Artocarpus, Nangka,
Kapok (= Pflanzendune), Pinang, Kemiri (= Aleurites triloba), Cocosnuss
und andere Fruchtbäume werden in diesem Landstriche häufig gebaut.

Nebstdem führt der Herr Koorders viele Pflanzen an, welche in Java
vorkommen und von ihm auf Sumatra nicht gesehen wurden, und umgekehrt
auf Java viele Familien und sehr viele Species vermisste, welche er
auf Sumatra gesehen hatte; noch auffallender war es, dass in Sumatra
viele Pflanzenfamilien in der Ebene gedeihen, welche auf Java erst auf
einer Höhe von 8-900 Meter vorkommen, während auf der Halbinsel Malacca
dieselben pflanzengeographischen Verhältnisse herrschen.

Wenn der Herr Koorders diesen diesbezüglichen Unterschied zwischen Java
und Sumatra betont und wenn anderseits auch die Fauna dieser beiden
Inseln solche Lücken in dem einheitlichen Bilde der Tropenwelt zeigt,
so haben wir dennoch keine Ursache zu zweifeln an der Richtigkeit
der Tradition, dass Java und Sumatra in historischer Zeit ein
zusammenhängendes Ganzes gewesen sein solle. Seitdem mit mehr oder
weniger Recht die Entstehung der Sorten von einem einzigen Paare nicht
mehr angenommen wird, darf die geographische Verbreitung der Flora und
Fauna +allein+ nicht mehr als Basis zur Beurtheilung solcher Fragen
herangezogen werden.



7. Capitel.

Nach Atjeh -- Eine neue Kohlenstation -- Uléë Lhöë -- Die Strandpalme
-- In Kuta radja -- Auch eine Frauenfrage -- Eine Tropenkrankheit.


Dreimal habe ich die Reise von Batavia nach Atjeh[64] unternommen; das
erste Mal (im Jahre 1883) und das letzte Mal (1896) war mein Aufenthalt
im Norden Sumatras nur auf einige Tage beschränkt, weil ich nur ein
Bataillon Soldaten dahin »gebracht« hatte; das zweite Mal jedoch blieb
ich zwei volle Jahre in dieser durch den Krieg und durch die Beri-Beri
(früher Malaria) seit Jahrzehnten heimgesuchten, heute +beinahe+
bereits unterworfenen Provinz von Nord-Sumatra.

Gewöhnlich ging den 3., 15. und 22. eines jeden Monats damals ein
Dampfer von Batavia via Telók Betóng längs der Westküste der Insel
nach Atjeh. Wenn sich jedoch das Material oder die Passagiere zu stark
angehäuft hatten, welche auf diesen Dampfer warteten, stellte die
indische Dampfschifffahrtsgesellschaft einen Extradampfer. Als ich
im Juli des Jahres 1886 nach Atjeh transferirt wurde, bekam auch ich
den Befehl, mit einer solchen Specialgelegenheit zu reisen und zwar
mit der »Tambora« unter dem Commando des Schiffscapitäns Hoffmann.
Die Regierung zahlte damals für uns Beide, d. h. für mich und meine
Frau. 600 fl. = 1000 Mark; nebstdem erhielt ich allein 3 fl. per Tag
für meinen Aufenthalt auf dem Schiffe und Ersatz der Reisespesen der
Eisenbahn Weltevreden-Batavia und Uléë-Lhöë-Kuta radja per 39,19 fl. =
65,30 Mark. Die Tarife der gegenwärtigen »Paketvaartmaatschappy« sind
mir nicht bekannt, werden aber wahrscheinlich nicht viel niedriger
sein. Ich war sechs Tage zu Schiff; die Gesellschaft rechnete also
50 fl. damals per Tag und Kopf für Transport und Verpflegung. Das war
ein ganz netter Preis, der durch die zahlreichen Transferirungen der
damaligen Zeit der Gesellschaft hohe Dividende sicherte.

Ich war damals so zu sagen noch auf meiner Hochzeitsreise, und dennoch
drohte mir die Gefahr, für 1½ Jahr von meiner Frau geschieden zu
werden. Jede Officiersfrau muss nämlich vor ihrer Verheirathung einen
Revers unterschreiben, in dem sie sich verpflichtet, bei etwaigen
Expeditionen ihrem Manne nicht »in das Lager zu folgen«. In Atjeh
bestand aber nur (??) de facto Kriegszustand; de nomine war Atjeh eine
eroberte Provinz im Friedenszustande, den nur »böswillige Marodeure«
hin und wieder stören wollten. Täglich, wie wir später sehen werden,
rückten zahlreiche Patrouillen von 40 bis 50 Mann aus, um diese
»Banden« aufzusuchen und unschädlich zu machen; häufig mussten zu
diesem Zwecke ganze Bataillone das +eroberte+ Gebiet durchsuchen und
kamen bald mit drei bis vier Verwundeten oder Todten, bald wieder mit
Verlust von zwanzig bis dreissig Mann nach Hause; die Hauptstadt war
mit Stacheldraht umgeben, welchen grosse Schildwachen beschützten;
die Clubabende, welche Sonnabend Abends gehalten wurden, und die
Aufführungen des Officiertheatervereines waren nur möglich, wenn eine
Patrouille von zehn Mann für die Sicherheit sorgte; es war also Frieden
(??), aber -- nicht alle Officiersfrauen durften bei ihren Männern in
der Garnisonstadt Kuta radja verweilen. Jeder Officier, welcher nach
Atjeh transferirt wurde, musste also vorher von dem commandirenden
General (Gouverneur von Atjeh) Erlaubniss erhalten, seine Frau
mitnehmen zu dürfen. Diese wurde ertheilt je nach der Zahl der
disponiblen Wohnungen für verheirathete Officiere. In einzelnen Fällen
war auch das Armeecommando in der Lage, diese Erlaubniss zu geben
und zwar mit dem Vorbehalt der späteren Zustimmung des Gouverneurs
von Atjeh. In diesem Falle verkehrte ich. Sobald ich das Ziel meiner
Transferirung erfuhr, ersuchte ich den Sanitätschef, für mich die
Erlaubniss einzuholen, meine Frau mitnehmen zu dürfen; ich erhielt sie;
so hat auch meine Frau zwei Jahre im feindlichen Lande verlebt, reich
an interessanten, aber auch gefährlichen Episoden, die heute zu ihrer
schönsten Rückerinnerung gehören und sie zu der stolzen Behauptung
veranlassen, dass sie mehr Kriegserlebnisse hinter sich habe, als
der älteste General der ganzen (natürlich nicht der indischen)
holländischen Armee.

[Illustration: Fig. 15. Die neue Moschee in Kuta-radja.

(Vide Seite 123.)]

Die Fahrt ging durch die »Sundastrasse«, welche ein liebliches und
schönes Bild den Reisenden bietet. Wir liessen alle Inseln zur Rechten
und durchschnitten mit Leichtigkeit die dünne Bimssteinschicht,
welche seit dem Ausbruch des Krakatau (26. bis 27. August 1883) die
See bedeckte. Bei dem Tandjong Sleman = Cap flache Ecke begann der
Curs längs der Westküste Sumatras, und weit ins Land hinein (3 km)
erstreckte sich die Zone, welche von den wüthenden Elementen jener
Tage verwüstet worden war. Während der ganzen Reise sahen wir diese
Küste und liessen die Inseln Enganon, Nassau, Mentawei, Batu (= Stein),
Mansalar und Nias zu unserer Linken. Die Städte Kroë und Benkulen,
bei welchen die Dampfer der gewöhnlichen Touren anlegen, bekamen
wir nicht zu Gesicht; in Padang, der Hauptstadt des Gouverneurs der
Westküste Sumatras, liessen wir zum ersten Male den Anker fallen, und
zwei Tage später erreichten wir bei dem »Königspunkte« die Nordküste
von Sumatra. Die »Surattepassage« ist ein gefährlicher Weg; zahlreiche
Inseln versperren die Einfahrt in diese Strasse; die Inseln Bras (=
Reis) und Nassi (= gekochter Reis) sind die bedeutendsten und grössten
derselben. Auf der Reisinsel befindet sich ein Leuchtthurm und eine
kleine Garnison. Die grösste aller dieser Inseln ist jedoch Pulu (=
Insel) Wè, welche gegenwärtig eine Kohlenstation geworden ist und mit
Vorliebe von den Franzosen und Russen bei ihren Fahrten nach Ostasien
zur Ergänzung ihres Kohlenvorrathes benutzt wird. Wird es ein zweites
Singapore werden?[65]

Wenn auch die Einfahrt in diese Strasse wegen der Nähe der Küste und
der zahlreichen Inseln die ganze Vorsicht des Steuermannes erfordert,
so ist dennoch die Fahrt in der »Malakkenpassage« eine angenehme
und schöne. Endlich fuhren wir in den Hafen von Uléë Lhöë, und Arm
in Arm stand ich mit meiner Frau auf dem Deck und wir Beide liessen
unsere Blicke über das flache Ufer schweifen, dessen Hintergrund
vom waldbedeckten Goldberge (1726 Meter hoch) zu unserer Linken und
von der lieblichen Bergschlucht zu unserer Rechten begrenzt wurde,
welche sich, von sanft absteigenden Hügeln begrenzt, bis zur Küste
hinzog. Feindliche Kugeln, Fieber, Cholera und Beri-Beri waren die
Gespenster, welche über dem Horizont unserer jungen Ehe ihr graues
Haupt erhoben. Das Panorama, welches zu unseren Füssen lag, war ja
auch ein düsteres, unfreundliches Bild und zeigte nur zu unserer
Rechten durch die sanft absteigenden Hügel mit dem Thale von Lepong
eine angenehmere und frischere Abwechslung zu dem monotonen, echt
tropischen Strande der Hafenstadt Uléë Lhöë. Vor uns lag ein ungefähr
hundert Meter langer Pier; dahinter mattgrünes, von Staub bedecktes
Laub, aus welchem die schmutzigbraunen Häuser der Eingeborenen mit
nicht weniger schmutzigen Atapdächern sich erhoben (Fig. 12). Hin und
wieder störte das eintönige Bild eine schlanke dünne Palme, welche mit
ihren zerrissenen, herabhängenden Blättern geradezu eine Travestie zu
jenem überschwänglich beschriebenen Bilde gaben, welches die Touristen
gewöhnlich von den Palmen in ihren Reisebriefen entrollen. Ich habe die
gewöhnliche Palme (Cocos nucifera) im Urwalde gesehen, ich wandelte
in schön gepflegten und gereinigten Palmengärten, und immer und immer
gab ich mir Mühe, das »Schöne und Reizende« der Palme zu suchen und zu
sehen. Es soll ungefähr tausend »Palmensorten« geben; darunter sind
natürlich einige Species, welche mit mehr oder weniger Recht jedes
Künstlerauge befriedigen oder entzücken; ich spreche aber nur von der
Cocos- oder Strandpalme, welche unter dem Namen »Klapperbaum« auf den
Inseln des indischen Archipels eine so häufige Erscheinung ist, dass
sie als Prototyp der Palmensorten dieser Inseln gelten kann. Diese
Palme kann ich unmöglich schön nennen. (Vide Fig. 21.) Es ist ein
ungefähr 30 cm dicker Stamm, welcher eine Höhe von 30 bis 40 Metern
erreicht; in seiner ganzen Länge ist er ast- und blätterfrei, besitzt
nur Ringe, welche von den abgefallenen Blättern stammen, und nur an
der Spitze des Baumes befinden sich die jeweiligen zerfetzten und
zerrissenen Palmenblätter, zwischen welchen die bis zu Mannskopf-Grösse
entwickelten Früchte herabhängen -- und manchmal selbst gefährlich
werden. Ich selbst sollte dieses im Jahre 1881 erfahren. Ich stand mit
dem Controleur von Malimping unter einem »Klapperbaum« im Gespräche,
als eine überreife Frucht herabfiel und kaum einen Centimeter entfernt
von meinem Kopfe zu Boden fiel. Vor zwei Jahren wurde das Söhnchen
meines Collegen, des jetzigen Stabsarztes X., von einer solchen mit
grosser Wucht herabstürzenden Cocosnuss getödtet! Anderseits ist
allerdings der Nutzen eines solchen Baumes ein so vielseitiger und
ein so grosser, dass er in dem Leben der Eingeborenen eine grosse
Rolle spielt und die Dichter geradezu zu überschwänglichen Hymnen
begeistert. Während meines Aufenthaltes in Magelang (Java) hatte ich
einen Kutscher, welcher ein ebenso frommer Mohamedaner, als ein treuer
Bedienter war. Seine Frau bekam ein Kindchen, und an demselben Tage
bat er mich um die Erlaubniss, in dem Garten, welcher mein Haus umgab,
eine »Klapper« pflanzen zu dürfen und diesem symbolischen Acte durch
meine Gegenwart die Weihe zu geben. Mich überraschte diese Einladung,
weil ich noch niemals gehört hatte, dass ein Malaie auf fremdem Grund
und Boden dieses gethan hatte, und ich frug ihn also um Aufklärung für
diesen aussergewöhnlichen Vorgang.

»Barangkâli,« erwiderte der Kutscher, »Tuwan Allah kassih.« »Vielleicht
giebt es Gott der Herr, dass auch mein Sohn so alt wie dieser Baum
wird; und wenn in zehn oder zwanzig Jahren dieser Baum viele Früchte
trägt, wird mein Sohn auch so brav und so nützlich wie dieser Baum
sein, und ich werde ihm dann erzählen, dass Sie, Herr Doctor! die
Saat dem Boden anvertraut haben und dass Sie, Herr Doctor, stets gut
gegen seinen Vater gewesen sind. Auch bitte ich Sie, zum Slametan (=
Feste) zu kommen, welches ich zu Ehren dieses neugeborenen Kindes geben
werde.« Ich versprach ihm, dies zu thun, natürlich mit dem üblichen
Vorbehalte, durch ein Geldgeschenk mich davon loszukaufen. Er schickte
mir auf einem grossen Tablet die Einladung zu dem Feste. Darauf lagen
eine Cocosnuss, zehn Hühnereier, ein Kolben Pisang, zwanzig Mangistan
und ein Huhn. Ich gab dem Ueberbringer einen Ryksdaalder (= 4¼ Mark)
und meine Glückwünsche, ohne meinen Kutscher durch meine persönliche
Anwesenheit bei dem Feste in Verlegenheit zu bringen.

Ueber den vielseitigen Nutzen dieses Baumes will ich kein Wort
verlieren, weil dieser im Allgemeinen bereits hinreichend bekannt ist;
ich glaube aber, bevor ich den Faden meiner Erzählung wieder aufnehme,
die Rolle andeuten zu müssen, welche dieser Baum im Arzneischatze der
Malaien spielt. Aus dem Blüthensafte wird Sagower, Tuwakwein und Legèn
bereitet, welche mit Lontar-Zucker gemischt gegen Urin-Erkrankungen
gegeben werden; die jungen getrockneten Früchte werden innerlich gegen
Diarrhoe und äusserlich gegen die Krätze verwendet; die Cocosmilch
ist ein Diureticum und der Saft der unreifen Frucht ein Antilueticum
und wird auch bei Lungenkrankheiten angewendet; auch der Ausbruch
der Masern soll durch das Trinken von Cocosmilch befördert werden.
Selbstverständlich wird das aus der Nuss gewonnene Oel in der Pflege
der Haut, der Haare und in der Behandlung zahlreicher Hautkrankheiten
häufig gebraucht.

       *       *       *       *       *

Kaum war der Anker gefallen, sah ich einen Kahn mit der
Gouvernementsfahne am Steuerruder befestigt sich dem Schiffe nähern,
und bald stieg auf der Falltreppe Lieutenant X. auf’s Schiff, um mir
mitzutheilen, dass ich in der Hauptstadt = Kuta radja = Königsstadt
dem grossen Militärspital zugetheilt, und dass mir eine Wohnung in
der Vorstadt Pantej Perak angewiesen sei, welche zwar nicht ganz den
Ansprüchen einer Officierswohnung gerecht werde, aber für ein junges
Ehepaar, wie er lächelnd hinzufügte, mehr als genug Raum biete;
übrigens würde ich für den Mangel an Comfort, welchen die Wohnung
gewiss biete, weil sie ganz aus Bambus bestehe, durch den Erhalt von
Quartiergeld von 70 fl. = 116 Mark monatlich entschädigt werden.

Meine Frau hatte allerdings in diesem Augenblick keine Ahnung, in
welchen Räumlichkeiten sie ihre Flitterwochen zubringen sollte. -- Auf
sein Anrathen beeilten wir uns, unser Gepäck in seinen Kahn bringen
zu lassen, um mit dem nächsten Zug nach der Hauptstadt fahren zu
können, weil wir im andern Falle bis in die späte Nachmittagsstunde
warten müssten. Vielleicht zwanzig Treppen führten auf den Brückenkopf
des Pier, und kaum hatten wir ihn bestiegen, so bemächtigten sich
einige chinesische Kulis lärmend unsers Gepäckes und liefen damit zum
Stationsgebäude. (Für grössere Waarentransporte geht allerdings vom
Stationsgebäude ein Zweig der Eisenbahn bis gegen das Ende des Pier.)

Zu unserer Rechten stand das »Kampement« mit seinen Officierswohnungen,
und links zog sich der Seestrand mit seinen Clubgebäuden und einigen
europäischen »Tokos« 1 km weit nach Osten. Von dem westlichen Ende des
Kampement hatte man eine schöne Aussicht auf den Hafen und über den
Sumpf hin auf ein kleines Fort, welches von dieser Seite Uléë-Lhöë
beschützen sollte, anderseits mit seinen Kanonen auch das westliche
Ende der »Ceinturebahn« bestrich, welche rings um die Königsstadt zog,
von sechs Forts in einem Abstand von je 1000 Metern beschützt wurde und
bei Pakan Krung Tjut wieder das sumpfige Ufer der See erreichte.

Schon bei dieser ersten Fahrt im feindlichen Lande sollte uns ein
kleiner Schrecken nicht erspart bleiben, der glücklicher Weise nur
ein blinder Schuss war. Während unser Wagen mit einer Geschwindigkeit
von 15 km durch die Sümpfe von Uléë-Lhöë fuhr, öffnete ein Herr
plötzlich die Thüre und rief: »Ein Stoss, Acht geben!« Alle Anwesenden
verstanden jedoch »ein Schuss«, und mit Blitzeseile waren alle Damen
+unter+ den Bänken. Der gepanzerte Waggon hatte nämlich nur zwei Bänke.
Gleich darauf erfolgte thatsächlich ein Zusammenstossen mit einem vom
Stationsgebäude abgesandten Rangirzug.

Nach einer viertel Stunde erreichten wir die Hauptstadt.[66] Ein
niedriges unansehnliches Stationsgebäude empfing uns, wir gingen bei
dem schönen Clubgebäude vorbei und kamen auf einen Damm, welcher
am rechten Ufer des Atjehflusses lag. Eine Brücke führte auf das
jenseitige Ufer und zwar nach Pantej Perak. Der erste Weg in dieser
Vorstadt war eine hübsche Allee, welche auf ihrer rechten Seite
eine Reihe schöner hölzerner Officierswohnungen mit Dächern aus
galvanisirtem Eisen hatte; zur linken Seite standen das Pfarrhaus (Fig.
13) und eine Reihe alter verfaulter Wohnungen aus Bambus, von denen
eine unser »Heim« werden sollte. Eine Wachstube schloss sich daran an,
und zehn Schritte davon entfernt war schon das Gehege aus Stacheldraht,
welches die ganze Hauptstadt vor einem unerwarteten Ueberfalle der
Atjeer beschützte.

Während wir wehmüthigen Blickes unser »Haus« besichtigten, ertönten
hinter uns auf dem Wege, welcher nach dem grossen Militärspitale und
nach dem Kampong Kuta Alam führte, die dumpfen Klänge einer Trommel,
welche mit einem schwarzen Tuch bedeckt war. Ein eingeborener Sergeant
war der Beri-Beri erlegen, und die Hälfte seiner Compagnie begleitete
ihn zu seiner ewigen Ruhestätte. Da wir unser Hôtel aufsuchen mussten,
wo unterdessen unser Gepäck unter Begleitung unserer Bedienten
angelangt sein konnte, folgten wir dem Trauerzuge, nachdem ich -- ich
war ja in Uniform -- dem Sarge den militärischen Gruss gegeben hatte.
Wir gingen zurück über die schöne eiserne Brücke und hatten vis-à-vis
dem Clubgebäude das Hôtel »Kugelmann« und zwar auf dem Wege nach Gedáh.
Der Leichenzug ging hinter dem Stationsgebäude nach dem Kirchhof,
welcher in der Nähe des Kunstberges auf dem Terrain des ehemaligen
Kampongs Petjut lag.

Im Hôtel fanden wir vorläufig unser Unterkommen, und wir hatten
genug Gelegenheit, für die Einrichtung »des Hauses« zu sorgen. Das
Hôtel hatte nämlich »einen Toko« = »einen Kaufladen« für +alle+
täglichen Bedürfnisse, und an dieses schloss sich eine Reihe von
»Häusern«, in denen sich noch andere europäische Geschäfte befanden,
so dass thatsächlich die ganze Einrichtung der neuen Wohnung aus dem
Vorrath dieser Geschäfte gedeckt werden konnte. Da wir ja doch das
Meiste mitgebracht hatten (selbst ein eisernes Bett mit Mosquito-Netz),
so beschränkten sich unsere Einkäufe auf Möbel und Küchengeschirr.

So manche stillen Thränen sind aus den Augen meiner Frau, wie
sie späterhin mittheilte, geflossen, als sie zum ersten Male das
Innere dieses »Hauses« betrat und nichts als kahle, schmutzige,
gelblichbraune, mit Staub und Spinnengewebe bedeckte Wände sah,
zwischen welchen sie das trauliche Heim ihrer jungen Ehe gründen
sollte. Nicht einmal Fenster hatte die Wohnung; nur Oeffnungen, welche
mit kleinen Thüren aus demselben Material geschlossen werden konnten.
Wo sollten die zahlreichen Nippessachen, die Hochzeitsgeschenke
hingehängt oder aufgestellt werden? Wir hatten einen grossen Spiegel
und zwei grosse Stahlgravüren mitgebracht und fanden Wände aus
Bambusmatten vor, in welchen Nägel keine Stützen finden konnten.

Die Noth macht erfinderisch. In den Querlatten der Wände wurden lange
hölzerne Stifte eingeschoben und daran wurden der Spiegel, die Gemälde
und zahlreiche petits riens aufgehängt. Wir hatten ja zwei Zimmer (?)
und eine vordere Veranda; hinter dem Hause befanden sich die Küche,
das Badezimmer und die Aborte. Das Haus lag tief, ½ Meter unter der
Strasse, und stand auf kleinen Pfählen, so dass der Eingang des Hauses
im gleichen Niveau des Dammes lag; die Küche hatte jedoch keine Treppe;
ihr Flur war die des alluvialen Landes und bestand nur aus Lehm, und
sobald es regnete, drang das Wasser sofort in die Küche. Als später im
December der Atjehfluss während der Regenzeit aus seinen Ufern trat,
stand das Wasser mehr als einen halben Meter hoch in der Küche.

Dennoch gelang es meiner kleinen, aber energischen Frau, aus diesem
»Stalle« ein trautes Heim zu schaffen, in welchem wir bis 1. Februar
1887, also sechs Monate, angenehm wohnten.

Es drängt sich hier unwillkürlich eine Frage auf, welche oft bald im
Scherz, bald im Ernste von berufener und unberufener Seite besprochen
wird, die Frage nämlich, ob überhaupt den Officieren gestattet sein
sollte, »ihre Frauen nach Atjeh mitzunehmen«.

Die Gegner dieser Zustände verneinen diese Frage auf Grund folgender
Argumente: (Die Zustände haben sich seit dieser Zeit in Atjeh
bedeutend gebessert; der Guerillakrieg hat sein Terrain seit vier
Jahren weit hinaus über das Gebiet von Kuta radja verlegt; auf anderen
Inseln können sich aber diese Zustände wiederholen; es ist also
die Besprechung dieser Verhältnisse keine überflüssige!) Der Eine
behauptet, dass die Misèren des Lagerlebens überhaupt seiner Frau
erspart werden sollten; sie stünde für ihn zu hoch, um sie solchen
unwürdigen Verhältnissen auszusetzen; er selbst müsse sich diesen
Zuständen unterwerfen, weil es sein Beruf sei; seiner Frau aber wolle
er jedwelchen Comfort des Lebens verschaffen, und dieses sei in Atjeh
geradezu unmöglich. Andere Officiere motiviren ihr Strohwittwerthum
auf empirische Weise. Sehr oft sei es geschehen, dass Kuta radja von
einem Anfall der Feinde bedroht wurde. Die anwesenden Officiersfrauen
wurden nervös und aufgeregt; hin und wieder sei eine Dame unter dem
Schreck der Gefahr ohnmächtig geworden, so dass die Officiere nicht mit
Ruhe ihre Maassregeln nehmen konnten. Nur zu häufig sei es geschehen,
dass Officiere ihre übliche Patrouille machten, verwundet oder sogar
getödtet wurden, und eine Frau unerwartet ihren verwundeten oder
getödteten Mann in’s Haus erhielt, wodurch wiederum eine störende
»Scene« veranlasst wurde. Endlich giebt es Officiere, welche ein
freiwilliges Strohwittwerthum aus praktischen Ursachen auf sich nahmen.
Nach der gesetzlichen Bestimmung war ein verheiratheter Officier,
welcher seine Frau nicht bei sich hatte, nur zu einem Aufenthalte
von vierzehn Monaten in Atjeh verpflichtet und bekam für jeden Fall
Quartiergeld ausgezahlt, ob er nun eine standesgemässe Wohnung in
Atjeh erhielt, oder eine Bambushütte, wie sie oben geschildert wurde,
beziehen musste; ein Lieutenant erhielt nämlich in Atjeh 840 fl. = 1400
Mark, ein Hauptmann 1200 fl. = 2000 Mark u. s. w. Quartiergeld[67]
u. s. w. Mit diesem Betrage allein kann in der Regel die in einer
Friedensgarnison zurückgebliebene Frau ihren Lebensbedarf decken.

Natürlich giebt es auch Haudegen, welche aus Principien allgemeiner
Natur gegen den Aufenthalt der Officiersdamen in Atjeh sind und kurzweg
erklären, dass »Frauen in einem militärischen Lager nichts zu thun
und zu schaffen hätten und durch ihre Launen und nervösen Charakter
und durch ihre Bemühsucht und durch ihre Unbeständigkeit überhaupt
den Officierskreisen fern bleiben, für jeden Fall jedoch aus einem
militärischen Lager entfernt werden sollten, weil sie eben durch
diese genannten Eigenschaften den Officieren in der genauen Erfüllung
ihrer Pflichten hinderlich seien«. Ja noch mehr; sie bedauerten es
selbst, dass durch Aufhebung der Caution die Ehen der Officiere in
schreckenerregender (?!) Weise zugenommen hätten.

Die angegebenen Motive dieses Frauenhasses sind +manchmal+ nur der
Deckmantel anderer Ursachen; es giebt ja Officiere, welche ein
schweres, ja sehr schweres Ehejoch zu tragen haben; für diese ist eine
vierzehnmonatliche Trennung von ihrer besseren (?) Ehehälfte natürlich
-- eine Erleichterung. Aber gerade diesen unglücklichen Ehekrüppeln
spielt das Schicksal den traurigen Streich, dass die eigene Frau die
Richtigkeit seiner Argumente nicht anerkennt und darauf besteht, ihn
nach Atjeh zu begleiten. Sie behauptet mit mehr oder weniger Recht,
dass Eheleute Freud und +Leid+ theilen müssen; wenn er verurtheilt sei,
Entbehrungen zu leiden, so könne sie sich unmöglich einem üppigen und
luxuriösen Leben in einer Friedensgarnison ergeben. Nebstdem sei er ja
zahlreichen Gefahren ausgesetzt; sie selbst werde ja Tag und Nacht von
der grauen Sorge verzehrt, dass jeden Augenblick sein Leben bedroht
sei; durch die grosse Entfernung werde diese Sorge noch gesteigert;
in Atjeh jedoch sehe sie ihn täglich und wisse sich täglich seiner
Gesundheit zu erfreuen. Wenn er jedoch krank würde, oder wenn er
durch den Klewang (= langes Schwert) oder durch die feindliche Kugel
verwundet nach der pflegenden Hand seiner liebevollen, aber abwesenden
Frau Verlangen habe, würde es Tage oder Wochen dauern, bis er sein
Sehnen erfüllt sehen könne. Die übrigen Argumente des Haudegens lassen
sich ebenfalls leicht widerlegen.

[Illustration: Fig. 16. Meine Wohnung in Lambaro.

(Vide Seite 143. 147.)]

Wenn die Regierung seinerzeit durch Abschaffen der Caution das
Eingehen der Ehe erleichterte, hat sie vollkommen Recht gehabt. Eine
Soldatesca passte nicht in den Rahmen einer Colonial-Politik und noch
weniger in das moderne Staatsleben. Der Berufssoldat vertritt in den
Colonien den erhaltenden, schützenden und -- +vermehrenden+ Theil der
europäischen Civilisation. »Die Armee ist das Korkholz, auf dem die
ganze Colonialpolitik schwimmt«, und da die Ehe die Basis des ganzen
modernen gesellschaftlichen Lebens ist, so müssen auch die Vertreter
einer colonisirenden Macht die Ehe in ihr Programm aufnehmen. Nebstdem
wird ja nicht immer gekämpft; nur ein kleiner Theil der Armee ist
jederzeit auf dem Kriegsfusse; selbst der eingefleischte Haudegen
wird den civilisirenden Einfluss der Ehe auf das Individuum nicht
ableugnen; warum sollte also der Officier diesem entzogen bleiben? Was
den Aufenthalt in einem militärischen Lager betrifft, so ist dieser
Haudegen ebenfalls im Streite mit der Erfahrung. Ich habe zwei Jahre
in Atjeh gelebt und habe als +Arzt+ nur zu oft Gelegenheit gehabt,
hinter die Coulissen des ehelichen und Familienlebens zahlreicher
Officiere blicken zu können, und kann also aus eigener Erfahrung
mittheilen: Kein einziges Mal hat ein Officier durch die Anwesenheit
seiner Frau sich zu einer Pflichtverletzung verleiten lassen. Jener
Officier, welcher +scheinbar+ davon eine Ausnahme machte, ist wirklich
der Uebermacht erlegen; er war ein zweiter Falstaff, d. h. nur was
seinen Körperumfang betrifft; seine Frau warnte ihn immer und immer,
den Strapazen des »Ausrückens und des Patrouillirens« sich auszusetzen.
Endlich stürzte er einmal auf offenem Felde zusammen, und seine Frau
bewies dem behandelnden Regimentsarzte, dass ein Sonnenstich ihn
»beinahe getödtet« habe. Seine 113 Kilo Körpergewicht zwangen ihn,
Atjeh zu verlassen, und nicht der Einfluss seiner Frau. Ja noch mehr.
Wenn ich die Liste der Officiere nachsehen würde, welche während
meiner Dienstzeit wegen ihrer Heldenthaten mit dem »Willemsorden«
decorirt wurden, so würde ich gewiss die verheiratheten Officiere in
grösserer Zahl als die der ledigen finden. Ich kann aber auch aus
eigener Erfahrung versichern, dass die Anwesenheit der Frau auf das
Pflichtgefühl und den Muth der Männer gar keinen Einfluss nimmt und
genommen hat. Die Frau ist ja eitel -- wie der Mann, und sie will ihren
Mann ob seines Muthes nicht minder geehrt und geachtet wissen, als
jeder Officier es nur wünschen kann.

Mit dem wahren Pflichtgefühl ausgerüstet wird kein Officier mit Absicht
oder im Leichtsinn einem gefährlichen Unternehmen sich entziehen.
Der Muth dazu stellt sich bei dem pflichteifrigen Officier in allen
Situationen des Soldatenlebens ein.

Niemand wird also mit Recht behaupten, dass verheirathete Officiere
weniger Pflichtgefühl als ledige hätten. Warum sollte also die
Regierung das Heirathen der Officiere erschweren? Auch fehlt jede
Ursache, den Aufenthalt der Officiersfrauen in einer militärischen
Colonie zu erschweren oder zu verweigern. Das »Lagerleben« ohne die
gesetzlich getrauten Frauen mag für einige Officiere einen Reiz haben;
die Mehrzahl sehnt sich nach des Tages Mühe und Arbeit nach dem ruhigen
und gelassenen Familien- und ehelichen Leben.

Die Officiersfrauen fanden ja übrigens, wie wir sehen werden, auch in
Kuta radja ihre Rechnung.

       *       *       *       *       *

Nachdem wir in dem Hôtel uns für einige Tage eingemiethet und ich mich
beim Gouverneur von Atjeh, beim Platzcommandanten und beim Spitalschef
gemeldet hatte, war es Zeit zur »Rysttafel« und zur Nachmittagssiesta
geworden, und um 5 Uhr machten wir unsern Spaziergang, um uns die
»Königsstadt« näher anzusehen. Vom Hôtel aus sahen wir vor uns eine
kleine Strasse, die »Kratonallee« mit dem Officiersclub zur rechten
und der Amtswohnung des Landesingenieurs zur linken Hand. Nebstdem
standen noch drei schöne Häuser aus Holz, von denen das eine für den
»Garnisonsdoctor« bestimmt war und welches auch ich sechs Monate später
bezog. Die beiden anderen »Häuser« wurden von dem Controleur der
Hauptstadt und von dem Assistent-Resident von Atjeh bewohnt. Die Jury
fand unter dem Vorsitze des Assistent-Residenten gewöhnlich in einem
dieser beiden Häuser statt. (Fig. 14.)

Diese vielleicht 120 Meter lange Allee stiess auf die Mauer des
Kraton, während links ein Weg nach Pendéëti und rechts nach dem
Stationsgebäude führte. Der Name Kraton[68] stammt aus der Zeit der
Eroberung Atjehs durch die Holländer (1873-1874). Hier stand nämlich
der Kraton (= Palast) des Sultans von Atjeh. Die ungefähr vier bis
fünf Meter hohen steinernen Mauern haben zahlreiche Schiessscharten.
Sein Inneres besteht gegenwärtig aus Casernen für zwei Bataillone
Soldaten, zahlreichen Officierswohnungen, dem Palaste des »Gouverneurs
von Atjeh«, und in der nordwestlichen Ecke stehen noch zwei steinerne
Grabmäler früherer Sultane.

Die Mauern des Kraton bilden ein Quadrat und an der Südseite schliesst
sich Nesuh an, welches gegenwärtig einen grossen Platz mit zahlreichen
»Häusern« für Officiere und Beamte und mit einer Caserne umschliesst.
Das Stacheldrahtgehege zog hinter der südlichen Front links nach Petjut
mit Kirchhof und der neuen, schönen, von den Holländern erbauten
Moschee (Fig. 15), nach Gedáh, Penájong, Pántej Perak, Kuta-Alam und
Pendéeti zurück zur östlichen Mauer des Kraton und Nesuh.

Mir ist nicht bekannt, ob noch heute alle diese Vorstädte, welche
damals in einem grossen Bogen den Kraton umgaben, dieses Gehege aus
Stacheldraht besitzen.

In Kuta radja blieb ich ein Jahr in Garnison und hatte im ersten
Halbjahre (bis 1. Februar 1887) Spitaldienst, während ich bis zum
1. August als »Garnisonsdoctor« den täglichen Krankenrapport in den
Casernen halten, die Frauen, Kinder und Revierkranken behandeln und die
hygienischen Zustände der militärischen Gebäude u. s. w. controliren,
resp. Vorschläge zu Verbesserungen einreichen musste, welche durch
die Hände des Landessanitätschefs gingen. Zur Assistenz hatte ich
einen jungen Oberarzt, dem ich den Revierdienst im Kraton und in der
Vorstadt Nesuh zuwies, während ich selbst die übrigen Theile der
Stadt täglich besuchte; den Officieren liess ich die freie Wahl, mich
oder den Oberarzt X. zum Hausarzt zu wählen. Auch allen hygienischen
Fragen in dem Kraton und in der Vorstadt Nesuh musste mein junger,
lebenslustiger Assistenzarzt die nöthige Aufmerksamkeit schenken, ohne
darum die Vertretungen derselben gegenüber dem Landessanitätschef und
dem Platzcommandanten auf sich zu nehmen. Einer meiner Vorgänger, Dr.
Kobler, von dem sofort noch mehreres mitgetheilt werden muss, hatte
nämlich kurz vorher so manche üble Stunde sich dadurch bereitet,
dass er den »hierarchikken Weg« verliess und seine Vorschläge zur
Verbesserung der hygienischen Zustände direct an den Gouverneur
einreichte und dabei, oder vielmehr dadurch seine zwei unmittelbar über
ihm stehenden Chefs »passirte«.

Es handelte sich nämlich um die Frage der Contagiosität der Beri-Beri,
welche Dr. Kobler damals behauptet hatte, und alle seine Vorschläge der
Desinfection fanden bei dem Landessanitätschef nur taube Ohren, während
der General Demmeni mit der ganzen Autorität seiner Stellung eine
radicale Desinfection von allen Gebäuden, allen Utensilien der Casernen
und Spitäler, ja selbst aller Personen auf Vorschlag des Dr. Kobler
erzwang.

Man muss sich nur die Situation vergegenwärtigen, um das Vorgehen des
Dr. Kobler und des Generals Demmeni zu verstehen und zu -- verzeihen.
Im Jahre 1885 wurden an Beri-Beri

                                     behandelt und starben

  europäische Soldaten und Matrosen    507         25 = 5%
  eingeborene    „      „     „       2369        357 = 15,1%
  Sträflinge                          3453       1193 = 34,6%
  Frauen                                32         12 = 40%

Die Militärärzte standen dieser Epidemie rathlos gegenüber, weil sie
von dem Wesen der Beri-Beri-Krankheit -- nichts wussten.

Im Jahre 1886 blieb die Epidemie in ihrer Ex- und Intensität stationär,
und die Aerzte thaten wieder -- nichts. Da steht nun einer der
Militärärzte auf und erklärt, das Geheimniss der Entstehungsweise
dieser Krankheit und eine radicale Behandlung gefunden zu haben,
und seine Chefs -- thun wieder nichts; sie schwiegen aber auch und
beantworteten seine Vorschläge nur mit einem Zucken der Schulter
oder mit einer spöttischen Bemerkung. Als dies General Demmeni
erfuhr, erliess er an den Sanitätschef den Befehl, die Vorschläge des
Regimentsarztes Dr. Kobler sofort und genau auszuführen. Es waren ja im
Jahre 1886

              I. Stand an Beri-Beri erkrankt, an Beri-Beri gestorben
  Europäer       1238   2252 = 181%           62 = 5% d. I. Standes
  Eingeborene     870   3186 = 366%          224 = 25% „ „
  eingeb. Frauen  780     42 = 5%             16 = 2%  „ „
  eingeb. Kinder  240      3

Trotzdem blieb der Landes-Sanitätschef bei seinem passiven Widerstand,
den er im Spitale als ausserhalb der Machtsphäre des Generals Demmeni
stehend hielt; General Demmeni war jedoch nicht der Mann, um von seinen
Untergeordneten passiven Widerstand zu dulden; ich erinnere mich noch
heute dieser wirklich eigenthümlichen Scene in allen Details, welche
die Folge dieses vielleicht (?) gerechtfertigten Vorganges war; es
war an einem Samstag, als um 9 Uhr der General im Spital erschien und
den Oberstabsarzt X. aufforderte, ihm zu zeigen, welche Maassregeln
genommen worden seien, um im Spitale selbst die Infection durch die
anwesenden Beri-Beri-Kranken unmöglich zu machen. Es war nichts
geschehen. Ohne nur einen Augenblick aus seiner Ruhe zu kommen gab er
folgenden Befehl: Um 11 Uhr komme ich zurück; bis dahin müssen alle
Beri-Beri-Patienten isolirt sein; das Magazin für Leibwäsche u. s. w.
muss ebenfalls in zwei Theile getheilt sein, um die Leibwäsche dieser
Kranken nach dem Gebrauch einer radicalen Desinfection unterwerfen zu
lassen. Die Krankenwärter müssten gerade so wie auf den Cholera- und
Pockenabtheilungen ihre eigene Wäsche haben u. s. w.

So geschah es auch; die Aerzte mussten nach allen Krankensälen
eilen und alle Patienten, welche gleichzeitig an Beri-Beri litten,
heraussuchen, sie sofort nach den nördlichen Sälen transportiren
lassen, und die Officiere der Administration sorgten für die nöthige
Isolirung dieser Krankensäle und für die getrennte Administration und
Verpflegung.

Ich war diesbezüglich weniger glücklich in meiner Stellung als
Garnisonsdoctor; ich sah in der B.-B. eine miasmatische Krankheit, und
niemand hielt es damals der Mühe werth, diese Auffassung auch nur in
Betracht zu ziehen.

Es war nämlich auf Ansuchen der Regierung zu dieser Zeit Professor
Pekelharing mit zwei Assistenten in Atjeh angekommen, um
bacteriologisch die Krankheitsursache der Beri-Beri zu suchen und zu
finden. Wenn auch durch diese Untersuchungen erst die Bestätigung
für die Kobler’sche Infectionstheorie gefunden werden sollte, so war
doch gewissermaassen eine Anerkennung ex cathedra dieser Theorie
gegeben, und ich -- vertrat eine Theorie, welche unter dem Scepter der
alleinseligmachenden Lehre, nämlich der Bacteriologie, nicht einmal
einer Discussion würdig gehalten wurde.

Seit dieser Zeit sind 15 Jahre verflossen; die miasmatische
Entstehungsweise der Beri-Beri wurde oft geleugnet, ebenso oft
anerkannt, um endlich in diesem Kampfe der Ansichten Siegerin zu
werden und zu bleiben -- es sei, dass die momentan herrschende
Entstehungstheorie der Malaria auch auf die Beri-Beri übergehen wird,
d. h. dass man Mosquitos, Mücken oder ähnliche Insecten suchen und
finden wird, welche die bis jetzt unbekannte Beri-Beribacterie in ihrem
Leibe züchten und daher (??) auch die Erreger dieser Krankheit sein
sollen.

Von den Theorien, welche das Entstehen der Beri-Beri-Krankheit
erklären sollten, verdienen einige gewiss, der Nachwelt überliefert zu
werden. So z. B. die des Generalstabsarztes Y., welcher behauptete,
diese Krankheit sei nichts anderes als die Folge des Heimweh, weil
constatirt wurde, dass die eingeborenen Soldaten von ihrem Leiden
befreit wurden, sobald sie den Dienst verlassen haben und in ihre
Heimath zurückgekehrt seien. Eine andere vielleicht etwas weniger
phantastische Entstehungsursache beschäftigte jahrelang die indische
Regierung und zwar, dass der schöne weisse Reis durch den Mangel des
»Silberhäutchens« die Beri-Beri-Krankheit errege, während die Kulis und
Gefangenen, welche den rothen ordinären Reis täglich verzehren, von
dieser Krankheit verschont bleiben sollten??.

Einen wohlthätigen Einfluss hatten die Maassregeln, welche auf Grund
der +Ernährungsstörung+ als Entstehungsursache der Beri-Beri genommen
wurden. Der Marinestabsarzt van Leent glaubte nämlich beobachtet zu
haben, dass die Naturalverpflegung der europäischen Matrosen, welche
durch einen grösseren Gehalt von Fleisch und Butter charakterisirt war,
bei ihrer Anwendung in der Küche der eingeborenen Matrosen die Zahl
der B.-B.-Fälle auf ein Minimum habe fallen lassen. Es wurde also im
Jahre 1886 dieses Princip auf die Truppen der Landarmee angewendet; der
wohlthätige Einfluss zeigte sich aber nur darin, dass -- die grossen
Portionen an Fleisch, Butter, Erbsen u. s. w. den Frauen und Kindern
der eingeborenen Soldaten zu Gute kamen, welche von der Regierung nur ½
Kilo Reis und 3 Loth Salz pro Tag erhielten.

Ich will mich nicht weiter mit der Theorie der Beri-Beri-Krankheit
beschäftigen und nur den Schlusssatz meiner Abhandlung beifügen, welche
in der Internationalen Klinischen Rundschau 1887 Nr. 28-33 erschienen
war: »Die Beri-Beri ist eine miasmatische Krankheit«.

Ich kann aber nicht umhin, noch einige diesbezügliche Beobachtungen
mitzutheilen, weil ich voraussetze, dass auch der Laie einiges über
diese interessante und so wenig bekannte Tropenkrankheit gerne lesen
wird.

So z. B. kam im Anfange des Jahres 1887 ein Bataillon Hülfstruppen
von der Insel Madura nach Atjeh, welches nach den Mittheilungen ihrer
eigenen (eingeborenen) Officiere und nach jenen des begleitenden
europäischen Arztes niemals Beri-Berifälle aufzuweisen hatte. Nach
einem Aufenthalt von einem einzigen Monat waren von diesen 360 Mann
33 = 9½%!! der Beri-Beri erlegen, und als Anfang April der Befehl
ertheilt wurde, das Bataillon in seine Heimath zurückzusenden,
war es gänzlich durchseucht. Zuvor untersuchte ich auf Befehl des
Platzcommandanten als Garnisonsdoctor die in Kuta radja anwesenden
Maduresen; ungefähr 100 Mann kamen zur Untersuchung; von diesen hatten
59, also mehr als die Hälfte! ein oder mehrere Symptome der Beri-Beri:
Wassersucht, Kachexie (Blutarmuth), grosses Herz, beschleunigten Puls
und aufsteigende Gefühllosigkeit (Anaesthesia ascendens). (Keiner von
ihnen hatte aber die atrophische oder trockene[69] Beri-Beri.)

Die Degeneration der Nerven beginnt, wie ich schon erwähnt habe, an den
unteren Extremitäten und steigt successive nach oben; ich habe mich
damals während meines Aufenthaltes im Spitale oft genug bemüht, durch
elektrische Untersuchung der einzelnen Nerven frühzeitig die Diagnose
zu sichern; die Resultate waren so ungünstig, dass ich zuletzt jeden
weiteren Versuch aufgab, obzwar diese Untersuchungsmethode gerade von
Pekelharing und seinem tüchtigen Assistenten, dem jetzigen Professor
Winkler, geübt und empfohlen wurde. Ich schrieb die mangelhaften
Resultate theilweise meiner unentwickelten Technik und theilweise den
unbekannten Gesetzen der elektrischen Verhältnisse in den Tropen zu.

Die ausgesprochenen Formen der Beri-Beri werden jedoch durch die
klinischen Symptome so leicht diagnosticirt, dass die elektrische
Untersuchung überflüssig ist.

Ein Fall von atrophischer Beri-Beri oder trockener Beri-Beri, wie
sie von den Malaien genannt wird, welchen ich damals im grossen
Militärspital zu Kuta radja beobachtete, betraf einen wirklich
beklagenswerthen Sträfling; er war an allen vier Extremitäten gelähmt
und die Abmagerung war so stark, dass man zweifeln konnte, ob er denn
wirklich Muskelfleisch besessen habe. Nicht einmal soviel Kraft hatte
er, dass er die Speisen zum Munde führen konnte; dennoch heilte er
in 4 Monaten so weit, dass er nach dem Hochlande der Provinz Padang
transferirt werden konnte, wo die meisten Beri-Beri-Patienten sich
beinahe bis zur Norm erholten.

Wenn ich auch an dieser Stelle die medicinischen Streitfragen der
Beri-Beri nicht ausführlich besprechen kann und will -- die Motivirung
meiner Behauptung, dass sie eine miasmatische Krankheit sei, kann ja
Jeder im oben erwähnten Aufsatze in der Internationalen Rundschau 1887
Nr. 28 ff. finden --, so glaube ich doch noch einige markante Momente
aus jener fürchterlichen Beri-Beri-Epidemie mittheilen zu müssen.

Die indische Regierung stand damals (und steht noch heute) im Norden
Sumatras auf dem Kriegsfusse. Der Guerillakrieg wüthete schon seit
1873, und in diesen 13 Jahren war durch den ewigen Wechsel des
Regierungsprincipes, wie wir noch sehen werden, Holland gezwungen,
sich auf den äussersten Punkt im Norden Sumatras und noch einige
Küstenplätze zurückzuziehen. Diese wenigen Punkte musste sie, coûte que
coûte, besetzt halten, wollte sie überhaupt den Norden Sumatras nicht
verlieren und England dadurch zwingen, an ihre Stelle zu treten. Die
Atjeer waren ja von jeher die gefürchtetsten Seeräuber, welche nicht
nur die Strasse von Malacca stets bedrohten, sondern ihre Raubzüge
bis auf den Continent und die entferntesten Inseln des Archipels
ausstreckten.

Durch die Concentrirung im Jahre 1885 wurde der Feind aber übermüthig;
er wagte es selbst, Kuta radja zu attaquiren; die Garnison musste
also eine gewisse Stärke besitzen, sei es zur Vertheidigung, oder
sei es, um hin und wieder Ausfälle zu machen und dadurch den Feind
in unschädlicher Entfernung zu halten. Dazu gehört eine hinreichend
grosse Zahl valider Mannschaften. Das epidemische Auftreten der
Beri-Beri decimirte aber die Garnison, und die am Leben Bleibenden
waren zu schwach, um Ausfälle oder Patrouillen zu machen. Es war daher
ein steter Wechsel der Garnison nöthig. Aus dem ganzen Reiche: von
Java, von Borneo, selbst von den Molukken mussten die Truppen nach
Atjeh gesandt werden, um die erschöpften invaliden Soldaten abzulösen;
im Hochgebirge des westlichen Sumatra oder Java erholten sich diese
allerdings in der Regel in 4-5 Monaten; aber im Laufe der Zeit wurde
die ganze indische Armee auf diese Weise durchseucht. (Der europäische
Theil war gegen die Beri-Beri widerstandskräftiger als die
Eingeborenen, und auch die Mortalität war nur unter den eingeborenen
Soldaten eine sehr hohe.) Diese Andeutungen sind hinreichend, die
Schwierigkeiten erkennen zu lassen, mit welchen diesbezüglich die
holländische Regierung zu kämpfen hatte.

[Illustration: Fig. 17. Im hohen Schilderhaus.

(Vide Seite 142.)]

Glücklicherweise beherrschte dieses graue Gespenst keineswegs die
allgemeine Stimmung der (europäischen) Officiere und ihrer Familien.
In Indien muss man Fatalist sein oder es werden, und im Bivouak muss
man es bleiben. Der Officiersclub war jeden Abend stark besucht,
jeden Sonnabend concertirte die Militärmusik nach dem Nachtmahl (von
9 Uhr ab) für die Freunde des Kartenspiels, und jeden Sonntag spielte
die Musik von 6 bis 8 Uhr ihre fröhlichen Weisen für die Jugend und
für die Damen. Die Officiere hatten nebstdem einen Dilettantenverein
für die Aufführung von Operetten und Lustspielen errichtet, und die
Unterofficiere gaben oft genug schöne Tingel-Tangelvorstellungen.
Regelmässig hielten die angesehensten Officiere und Beamten ihre festen
Empfangsabende, und häufig genug gab der Gouverneur »van Atjeh en
Onderhoorigheden« einen Ball, auf welchem bis in die frühe Morgenstunde
getanzt wurde, obwohl es nur zu oft geschah, dass um 5 Uhr früh das
Alarmsignal die Officiere zum Ausmarsch rief vom Clubgebäude weg, wohin
sie sich nach dem Tanze geflüchtet hatten, um das Fest ungestört durch
die Anwesenheit von Damen oder Chefs besprechen zu können.

Auch die Freimaurer »arbeiteten«, d. h. sie hielten häufig
Vereinsabende und feierten besondere Anlässe. Den 10. März 1887 hielten
sie z. B. von 3-6 Uhr eine Trauerloge zur Ehre ihres verstorbenen
Präsidenten und Meisters »Civil- und Militär-Gouverneur von Atjeh und
Vasallenstaaten, Generalmajor der indischen Armee Henri Demmeni«,
welcher zu spät den Schauplatz seiner Thätigkeit verliess und in Paya
Combo (im Hochland von Padang) Heilung und Rettung von seiner schweren
Beri-Beri vergebens suchte; er starb den 13. December 1886.

»Schwesterlogen« wurden gehalten, z. B. am 18. März 1888, zu denen
die Frauen resp. die Töchter der Freimaurer Zugang hatten, und welche
hauptsächlich in einem gemeinsamen Souper bestanden. Die Neugierde der
Damen wurde dabei natürlich nur in geringem Maasse befriedigt.

Das Gebäude hiess im Volksmunde rumah séthan = das Haus des Teufels,
war ein einfaches unansehnliches Haus und stand auf dem Wege nach
Gedáh zwischen zwei Tokos (= Geschäftshäusern). Mir war immer
unverständlich, welchen Zweck die Loge »Prins Frederik« +damals+
in Kuta radja, am 20. August 1880 constituirt, erfüllen sollte.
Damals war die Hauptstadt +im Kriegszustande+; ein Verkehr mit den
Eingeborenen des Landes fand nicht statt; die kosmopolitischen und
menschenfreundlichen Principien der Freimaurer können in Kriegszeiten
unmöglich ein Feld zur Bethätigung finden. Sollte die Loge also nur
den Zweck gehabt haben, den Gesinnungsgenossen den Austausch ihrer
Erfahrungen, Ansichten und Zukunftspläne in freundschaftlichem Verkehr
(den ersten Mittwoch eines jeden Monats) zu ermöglichen?

Der Krieg auf Sumatra wüthete damals schon seit vierzehn Jahren mit
allen seinen Schrecken; aber, wie ich schon oben erwähnt habe, er
vermochte nicht, die Officiere in ihrem fröhlichen täglichen Leben zu
hindern, und zahlreiche Gelegenheiten wurden gesucht und gefunden, um
den Ernst des Lebens durch Feste und Spiele vergessen zu lassen.

Ich und meine Frau betheiligten uns an diesen Festlichkeiten nur als
passive Zuschauer; die erste Operette, welche wir in dieser Garnison
sahen, war die »Grande Duchesse«, welche wir kurz vorher in Wien von
Berufs-Schauspielern aufführen gesehen hatten. Einstimmig war unser
Beider Urtheil, dass in Wien nicht schöner gesungen, nicht besser
gespielt wurde, und die Ausstattung nicht schöner war, als in Atjeh, im
Bivouak von Kuta radja. Auch ein Assaut, welches von Unterofficieren am
Geburtstage des Königs aufgeführt wurde, war geradezu vortrefflich vom
Stapel gelaufen. Es herrschte wirklich eine fröhliche und zielbewusste
gute Stimmung unter uns Allen, obzwar täglich, oft selbst stündlich des
Lebens Ernst mit der grössten Anforderung an uns trat. Die Beri-Beri,
die Cholera, die Malaria und die Dysenterie mordeten in den Reihen der
eingeborenen[70] Soldaten ebenso stark als die feindlichen Kugeln; oft
hörten wir an einem Tage sechs bis sieben Mal den Trauermarsch, mit
welchem diese Opfer zu Grabe getragen wurden.

Jeden Tag gingen Patrouillen von 40 Mann nach allen Richtungen das
Terrain untersuchen, welches sie zwischen Kuta radja und der »Linie«,
d. h. der Grenze des eroberten Landes durchstreiften; nur zu oft
durchbrachen grosse Schaaren des Feindes die Linie und bedrohten
die Hauptstadt. Dies geschah auch am 4. April 1887, ohne dass die
Regierung von ihrer Anzahl auch nur eine Ahnung hatte. An diesem Tage
kam die Nachricht nach Kuta radja, dass eine Schaar bewaffneter Atjeer
sich bei Kuta radja bedil, also nur ungefähr 2-2½ Stunden von der
Hauptstadt entfernt, versammelt hätte, um an den alten Sultansgräbern
zu beten, und die »befreundeten Atjeer« zur Theilnahme an dem Kriege
gegen die »Kâpirs« aufzufordern. Ein Bataillon Soldaten wurde sofort
dahin geschickt, um sie anzugreifen und -- gefangen zu nehmen. Um
10 Uhr Morgens ging ich von Gedáh nach Kôta álam und passirte den
Anfang des Pedirdammes. Hier kam im Laufschritt der Capitain van
den Generalenstab, Hauptmann X., athemlos gelaufen und rief mir zu:
»Keine Tragbahren, keine Artillerie, 30 Todte, keine Medicamente und
69 Verwundete!« Ein trauriges Ende einer Patrouille, welche ein »paar
Fanatiker« gefangen nehmen sollte!

Sofort ging natürlich Hülfe dahin ab, und alle Aerzte bekamen den
Auftrag, um 5 Uhr im Spital sich zu versammeln und die heimgebrachten
Opfer in Behandlung zu nehmen. -- Die Gefangennahme war nicht gelungen.
Es wurde Kriegsrath gehalten und beschlossen, in der Nacht eine
zweite Expedition dahin zu senden, um Rache zu nehmen. Ich bekam
den Auftrag, mit einem Assistenzarzt und der nöthigen Ambulanz die
Expedition mitzumachen, und wurde Abends um 9 Uhr eingeladen, mich
an dem Kriegsrath zu betheiligen. Es wurde der Plan entworfen, um
½4 Uhr Morgens aufzubrechen, um gerade bei Sonnenaufgang das Lager
der Feinde angreifen zu können. Es war ein kühler Morgen; der Himmel
war unbedeckt, und die Sterne erhellten hinreichend das Terrain, um
ungehindert auf dem Damme marschiren zu können, zu dessen beiden
Seiten nur niedriges Alang-Alang den trockenen Sumpfboden bedeckte;
um 5¾ Uhr erhob sich die Sonne zu unserer Rechten, und hohes
Schilfrohr bedeckte das Terrain der alten Sultansgräber. Oberst
Barthelemy, der Commandant der Expedition, liess eine Salve geben, um
sich zu vergewissern, dass im Schilfrohr kein Feind sich verborgen
halte, und -- »der Vogel war geflogen«.[71] Der Feind hatte sich mit
dem moralischen Erfolge des vorigen Tages begnügt, die Gewehre der
getödteten und verwundeten Soldaten mitgenommen und das Schlachtfeld
verlassen -- ohne die Truppen »+nach Hause zu begleiten+«.

[Illustration: Fig. 18. Ein atjeeisches Ehepaar.

(Vide Seite 153.)]

Es gingen nämlich jeden Tag regelmässig Patrouillen in der Stärke von
40 Mann von der Hauptstadt aus, um in verschiedenen Richtungen das
Terrain innerhalb der »Linie« zu durchsuchen und jeden Atjeer, der
bewaffnet war, ohne einen Pass dafür zu besitzen, gefangen zu nehmen;
oder aber es zogen grössere Truppenmassen aus, weil der Spionenbericht
eingelangt war, dass auf irgend einer Stelle »der Linie« eine Schaar
feindlicher Atjeer einen Einfall unternommen habe. Wurden in diesen
Fällen feindliche Truppen angetroffen, so blieben sie nicht stehen und
wichen so lange aus, bis die Patrouille der Verfolgung ein Ende machen
zu müssen glaubte und umkehrte. Dann erst gingen die Atjeer zu dem
Anfalle über; entweder griffen sie die letzten Männer der Nachhut mit
dem Klewang (grosses Schwert) an oder legten sich in den Hinterhalt
und schossen einige aus der Haupttruppe nieder und flüchteten sofort,
sobald die Soldaten zum Angriffe übergingen; dieses wiederholte sich
so lange, bis die Patrouille sich dem Hauptplatz genähert hatte. Die
Atjeer combinirten nämlich ganz richtig, dass diese Patrouillen auf
ihrem Rückwege schon ermüdet und übrigens auch weniger vorsichtig als
beim Ausmarsch seien; in diesem damals schon 15jährigen Guerillakriege
hat dieses »nach Hause begleiten« der Truppen vielleicht gerade
so viel Opfer gekostet, als alle grösseren oder kleineren offenen
Feldschlachten zusammen. Glücklich hat dieser »kleine Krieg« schon seit
einigen Jahren aufgehört, weil die Holländer sich endlich entschlossen
haben, ihr Ziel, Atjeh zu unterwerfen, unentwegt vor Augen zu halten,
d. h. dem ewigen Laviren in der Weise von Kriegführen ein Ende zu
machen. Einer der bedeutendsten Officiere der indischen Armee, der
damalige Major Pompe van Meerdervort, theilte mir nämlich mit, dass
Holland schon längst in den Besitz von Atjeh hätte sein können, wenn es
nur ein einziges Mal an »Einem Princip« einige Jahre lang festgehalten
hätte.

Das Princip der »alten ostindischen Compagnie« war ein sehr einfaches:
sie eroberte sich an der Küste einer Insel einen Hafenplatz, erbaute
ein Fort, errichtete eine Factory und wartete und wartete, bis die
eingeborenen Fürsten in ihren ewig dauernden Fehden abwechselnd die
Hülfe der Factory anriefen und dann: divide et impera.

Auch die Küste von Gross-Atjeh besass eine grosse Zahl von kleineren
oder grösseren Fürsten, die sich von jeher stark bekämpften; ein
Sultan, welcher +mit Recht+ Sultan von Atjeh oder sogar von Gross-Atjeh
genannt werden könnte, hat niemals existirt. Allerdings erhoben
einzelne Sultane von Gross-Atjeh Anspruch auf Souveränitätsrechte von
ganz Atjeh, von Deli, Siak, ja selbst von Djohor (auf Malacca); aber
die Zahl dieser Prätendenten war zu gross, um praktische Erfolge zu
haben; die Fürsten von Pasir, Pedir, Segli, Samalangan und Edi auf der
Ostküste und die von Tenom, Analabu, Trunom, Singkel und Baros auf der
Westküste Atjehs haben abwechselnd grossen politischen Einfluss gehabt,
ohne dass ein Einziger von ihnen de jure und noch weniger de facto
Sultan von Atjeh sich nennen konnte. Noch weniger hatte auf diesen
Titel jener »Sultan von Kamala« Anspruch, welcher in der gegenwärtigen
Zeit das Haupt der feindlichen Opposition auf Atjeh genannt wird.

Es trachteten die Holländer, getreu dem Princip: Divide et impera, die
eifersüchtigen Streitigkeiten aller dieser zahlreichen Fürsten zu ihrem
Ziele zu gebrauchen, aber über das »Wie« hatte jeder Gouverneur-General
von N.-Indien und jeder Gouverneur von Atjeh eine andere Ansicht, und
nur der oben erwähnte Pompe van Meerdervoort legte sein Amt nieder, als
sich seine Ansichten in Widerspruch mit jenen des Gouverneur-General in
Batavia stellten.

Seitdem England durch Tractat vom 2. November 1871 Holland »freie
Hand auf Sumatra liess« und Atjeh sich weigerte, nicht nur die
Souveränität von Holland anzuerkennen, sondern auch den Sclavenhandel
auf der Insel Nias aufzugeben und den Seeraub in der Strasse von
Malacca einzustellen, gab sich Holland alle Mühe, auf gütlichem Wege
diese drei Bedingungen erfüllt zu bekommen, um endlich den 26. März
1873 den Krieg zu erklären und Atjeh dazu zu zwingen. Die Eroberung
von Kuta radja gelang und ebenfalls das Errichten eines Forts in der
alten Sultansstadt von Atjeh; aber die Fortsetzung blieb aus; bald
bemühte sich Holland, durch Geld die anderen Fürsten zu gewinnen, d. h.
die Souveränitätsrechte abzukaufen, bald durch die Waffen; der eine
Gouverneur blockirte diesen oder jenen Theil der Küste, um die Ausfuhr
der Landesproducte zu verhindern, der andere öffnete alle Hafenstädte
und legte einen Ausfuhr-, der andere wieder einen Einfuhrzoll auf; der
eine warb bei diesem oder jenem Fürsten Hülfstruppen und gab ihnen
europäische Waffen; der andere nahm ihnen wieder alle Gewehre ab
und liess ihnen nur das nationale Schwert, den Klewang. Bald wurde
eine geringfügige polizeiliche Uebertretung zum Anlass genommen,
einen Kampong (Dorf) dafür zu züchtigen, und bald wiederum wurde der
Ueberfall einer Patrouille »als vereinzelt stehender« Racheact eines
Privatmannes erklärt, welcher vor dem Friedensrichter sich verantworten
musste. Die weitestgehende Veränderung der Politik geschah im Jahre
1885, welche, wie wir sehen werden, nach allen Richtungen hin traurige
Folgen nach sich zog.

       *       *       *       *       *

Auch die Elemente brachten, wenn auch nicht angenehme, so doch
reichliche und oft interessante Episoden in unser tägliches Leben.

Bekanntermaassen zieht von den Philippinen eine stattliche Reihe von
Vulcanen um die Südküste Asiens bis zu der Westküste von Hinterindien.
Ob nun Java oder Sumatra »das grossartigste Vulcanenland der Erde« sei,
weiss ich nicht; auf Sumatra +sollen+ 60 Vulcane sich befinden, was bei
einer Länge von 1117 km eine Durchschnittsziffer von 1 Vulcan auf 18 km
Länge geben würde.

Wir hatten während unseres zweijährigen Aufenthaltes im Norden Sumatras
also (?) häufig genug Gelegenheit, Erdbeben zu fühlen; aber einen
thätigen Vulcan sah ich nicht; das Innere dieser Provinz ist beinahe
ganz unbekannt, das Centrum des Erdbebens kam also stets aus einer
terra incognita, umsomehr weil, wenigstens damals, auf ganz Atjeh sich
kein Seismometer (Erdbebenmesser) befand. In der Regel beunruhigte
man sich auf Sumatra sehr wenig durch das Auftreten von Erdbeben;
mir selbst hätte ein solches (März des Jahres 1887) beinahe grosse
Unannehmlichkeiten bereitet. Ich sass an diesem Tage im Officiersclub
neben dem Dr. X., der seine Stellung als Stabsarzt etwas überschätzte.
Er spielte L’hombre und meldete ein sans prendre an, welches wirklich
sehr schwach war. Er gewann es, und ich wollte ihm das Lob geben, durch
gutes Spiel dieses Solo gewonnen zu haben, und schlug ihm mit der
Hand auf die Schulter mit den Worten: Jetzt haben Sie gut gespielt.
In diesem Augenblicke warf mich ein Erdbeben so stark gegen ihn, dass
dieser Schlag auf die Schulter unbeabsichtigt empfindlich wurde. Dr.
X. sprang auf und mass mich mit seinen Blicken und rief mir zu: Wie
erlauben Sie sich eine solche Vertraulichkeit zu mir? Das Schlingern
der Lampen und das Klirren der Gläser bestätigten hinreichend meine
unbeabsichtigt etwas stärker ausgefallene Aeusserung der Anerkennung
seines guten Spieles und der Friede wurde nicht gestört.

Eine »Bandjir« (= Ueberströmung M.) brachte in der ersten Woche des
Monat December (1886) ebenfalls hinreichende Abwechslung des täglichen
Lebens und selbst mannigfache Zerstreuung. Damals war ich dem Spitale
zugetheilt und wohnte demzufolge in der Vorstadt Pántej-Pérak (=
Silberufer? M.) am linken Ufer des Atjehflusses. Ein Damm theilte diese
Vorstadt in zwei Hälften; links standen die Kirche und das Pfarrhaus,
und daran schlossen sich einige alte Häuser aus Bambus. Das Terrain war
der alte angespülte Alluvialboden ohne Erhöhung, sodass das Entrée in
dem Hause mit dem Damme in gleichem Niveau lag; am rechten Ufer war das
Terrain im Niveau des Dammes, und die Häuser standen auf Pfählen von
ein Meter Höhe.

Die Regenzeit des Jahres 1886 war eine ausgesprochene; täglich regnete
es einige Stunden lang; der Atjehfluss wuchs täglich, und kaum hatte
sein Wasser das Ufer erreicht, stand schon das Terrain links von dem
Damme in der Vorstadt Pántej-Pérak unter Wasser; mein Haus hatte, wie
gesagt, ½ Meter hohe Pfähle und blieb einige Tage von dem Eindringen
des Wassers verschont; aber die Nebengebäude standen direct auf dem
Lehmboden. In das Badezimmer, in den Abort und in die Küche konnte
man nicht trockenen Fusses gelangen; schon am 1. December stand in
diesen Räumen das Wasser 40 cm hoch, ohne dass die Köchin sich in ihrer
Arbeit stören liess; sie schürzte einfach ihren Sarong bis zum Knie
in die Höhe; dasselbe mussten ich und meine Frau thun, wenn wir die
Nebengebäude benutzen wollten. Die Köchin wusste sich noch auf andere
Weise zu helfen. In der Küche stand nämlich ein gemauerter Herd mit
5 Oeffnungen für das Holzfeuer; sie stieg einfach auf den Herd und
bereitete auf diesem die Speisen in hockender Stellung, die sie ja bei
allen ihren Arbeiten einzunehmen gewöhnt war. Bald stieg jedoch das
Wasser bis über den Damm und drang auch in unsere Wohnung ein, und am
5. December sahen wir uns gezwungen, die Wohnung zu verlassen und von
der Gastfreundschaft Gebrauch zu machen, welche uns von dem Intendanten
des Spitals angeboten wurde. Auch das Terrain rechts vom Damme bekam
bald eine Wasserschicht von ungefähr ½ Meter Höhe, und die Aerzte,
Apotheker und Administratoren des Spitals hatten die Wahl, per Kahn,
zu Fuss oder per Grobak täglich dahin zu gehen. Am häufigsten geschah
es per Grobak, d. h. in einem Bauernwagen, welcher von einem Büffel
gezogen wurde und seine Bestimmung hatte, Utensilien und Lebensmittel
für das Spital vom Bahnhofe zu holen oder dahin zu bringen. Konnten wir
diese weniger elegante Equipage nicht erhalten, so gingen wir zu Fuss;
bekleidet mit der Nachthose, welche bis über die Knie heraufgeschlagen
wurde, wateten wir durch das Wasser, und im Spitale erwarteten uns die
Bedienten mit Schuhen, Strümpfen und Hosen.

Das Spital selbst lag ebenfalls auf ein Meter hohen Pfählen und bestand
aus sieben Pavillons, welche mit einem ungefähr 800 Meter langen und
bedeckten Corridor verbunden waren.

Hinter dem Spitale lag eine Caserne in der Vorstadt Kóta âlam, deren
Terrain ebenfalls beinahe dreiviertel Meter hoch mit Wasser bedeckt
war, so dass der Commandant, der damalige Major Pompe van Meerdervort,
sein Pferd in seine Veranda stellen musste; er hatte sich aber einen
grossen Kahn zu verschaffen gewusst, welchen die Officiere und die
Officiersfrauen zu ihrer Spazierfahrt nach Kuta radja benutzen konnten;
oft genug thaten sie diese zu Fuss und hoben ihren Sarong coquet in
die Höhe. In den Tropen ist ein solcher Marsch im Wasser gar nicht
bedenklich; wenn auch im December in Europa eine Ueberschwemmung
gewiss eine Reihe von Erkältungs-Krankheiten oder wenigstens von sehr
unangenehmen Zuständen veranlassen würde, auf Sumatra beschränken
sich diese Unannehmlichkeiten auf die Verkehrsstörungen und auf das
Auftauchen -- vieler kleiner, aber sehr giftiger Schlangen, welche sich
so viel als möglich auf trockenes Terrain flüchten und dadurch oft in
die Nähe der Menschen gelangen; wenn sie auch, wie selbst die grössten
Schlangen es nicht wagen, den Menschen zu attaquiren, so werden sie
doch sehr gefährlich, weil man sie unbemerkt treten kann -- sie sind ja
höchstens 25 cm lang -- und dann von ihnen gebissen wird.[72]

[Illustration: Fig. 19. Atjeer, welche einen Drachen fliegen lassen
wollen.

(Vide Seite 157.)]

Der Marabu, welchen ich kurz vor meiner Abreise von Kuta radja erhielt,
darf nicht unerwähnt bleiben, wenn ich von meinen Zerstreuungen in
dieser Garnisonstadt Ausführliches mittheile; er ist ja ein drolliger,
komischer Kauz, so dass es wirklich Mühe kostete, sich über ihn und
mit ihm nicht zu amüsiren; in seinem ganzen Thun und Lassen trägt er
das Gepräge eines alten Herrn und ist nebstdem geradezu ein nützliches
Hausthier; er lebt nämlich von thierischen Abfällen und wird in Indien
in den Dörfern darum gerne geduldet; in meinem Garten verscheuchte er
die kleinen Schlangen und Frösche, erhielt aus der Küche die Abfälle
des Geflügels und jeden Tag seine Portion kleine Fische, welche ich auf
dem Markte kaufen liess. Als ich Kuta radja verliess, gab ich ihn einem
meiner Freunde zum Geschenk, ohne dass ich mich dazu entschliessen
konnte, ihm die schönen weissen Federn herauszuziehen, welche
bekanntlich kostbarer als die schönsten Straussfedern sind.



8. Capitel.

Eine sogenannte Friedensgarnison -- Campierpfähle -- Ein Deserteur(?)
-- Ein freigebiger Compagniecommandant -- Eine Kirmes -- Ein
Klewang-Anfall -- Im Kugelregen -- Geringschätzung der Militärärzte --
Chinesen in Atjeh -- Kleider und Schmuck der Atjeer -- Musikinstrumente
der Atjeer -- Atjeische Prüderie.


Im Jahre 1885 kehrte, wie schon angeführt wurde, die indische Regierung
in ihrer Politik zum Principe der alten indischen Compagnie zurück,
d. h. sie beschloss, von der Offensive zur Defensive überzugehen
und sich vorläufig mit dem eroberten Gebiete, so klein es auch
war, zu begnügen. Zu diesem Zwecke wurde dieses Terrain mit einem
Damme begrenzt, auf welchem eine »Ceinturebahn« gebaut und in einer
Entfernung von je tausend Metern Forts und Blockhäuser errichtet
wurden, von denen vier direct mit dem Centrum, d. h. mit Kuta radja
verbunden waren. Jenseits der »Linie« wurde tausend Meter breit das
Terrain »rasirt«, ohne dass die Herren am grünen Tische bedachten,
dass in den Tropen die Flora zu üppig ist, um auf Commando sich
unterdrücken zu lassen; beinahe sofort spross auf dem entwaldeten
Boden das Alang-Alang so üppig aus dem Grunde, dass der Feind sich
nach Belieben in diesem hohen Schilfgrase ungesehen und unbemerkt
bewegen konnte. Der südliche Theil »der Linie« bekam einen eigenen
Commandanten, welcher in dem Fort Lambaro den Sitz hatte, und den 15.
August des Jahres 1887 bekam ich den Auftrag, dahin zu übersiedeln und
mich »unter die Befehle des Liniencommandanten zu Lambaro zu stellen«.
Da die meisten Aerzte von Atjeh ein Jahr lang in der »Linie« dienen
mussten, überraschte mich diese Transferirung keineswegs, und meine
Frau bekam die Gelegenheit, zum ersten Male Auction unserer Einrichtung
halten zu müssen. Wir bekamen ja in Lambaro nur ein einziges Zimmer,
das nur 3½ auf 4 Meter gross war, zu unserem Gebrauche angewiesen.
Der Ertrag der Auction war nicht gross (355 Fl. 50 Ct.), und mit
Thränen in den Augen nahm meine Frau von den Möbeln Abschied, welche
nur ein einziges Jahr in unserem Besitze gewesen waren. In Holland
hatte sie beinahe ⅕ Jahrhundert lang in demselben Sessel geträumt, in
demselben Bett geschlafen, an demselben Schreibtische ihren Freundinnen
ihre Herzensfreuden und -leiden mitgetheilt, und hier an den Ufern des
Atjehstromes musste sie schon nach einem Jahre ihre kaum liebgewordenen
Kasten, Tische, Sessel u. s. w. verlassen und hatte nebstdem beinahe
gar keine Hoffnung, auch in Zukunft jemals ein festes und trautes
Heim sich gründen zu können, d. h. Jahrzehntelang sich des Besitzes
ein und derselben styl- und geschmackvollen Einrichtung erfreuen zu
können. Der Officier der indischen Armee hat ja ein Zigeunerleben; er
ist ein Bohême, der heute -- ich spreche nur von Friedensgarnisonen --
auf einem der Küstenplätze des indischen Archipels in seinem »Hause«
sich mit dem ganzen Luxus der europäischen Civilisation umgeben
kann, um sich schon ein Jahr später mit einer sehr bescheidenen
Wohnungseinrichtung begnügen zu müssen und vielleicht schon nach
einigen Monaten sich auf die Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse
des alltäglichen Lebens zu beschränken.

Atjeh war ja auch eine Friedensgarnison de nomine, und als wir am 15.
August nach einer Fahrt von ½ Stunde mit der Dampftramway in Lambaro
eintrafen, bekamen wir von meinem Collegen, den ich ablösen sollte,
eine ganz eigenthümliche Illustrirung des Begriffes: Friedensgarnison.

Das Fort bestand aus zwei Theilen: Die Caserne für die Truppen, die
Cantine, die Wohnungen der Officiere, das Marodenzimmer und das
Pulvermagazin waren von 3½ Meter hohen Palissaden in Quadratform
eingeschlossen, während die »Häuser« des Liniencommandanten und der
Officiere des »kleinen Stabes« im Westen des Forts nur durch ein
eisernes Gitter gegen einen Ueberfall der Atjeer geschützt waren.

Zu dem »kleinen Stabe« gehörten der Adjutant des Bataillons, der
Garnisondoctor und der Bezahlmeister.

Der Liniencommandant bewohnte ein eigenes Haus, während diese drei
genannten Officiere ihre Wohnungen in einem langen Gebäude hatten,
welches durch zwei Zwischenwände in drei »Häuser« getheilt war. Das
Haus des Garnisondoctors nahm die Mitte des Gebäudes ein und bestand
aus zwei Zimmern mit einer vorderen und einer hinteren Veranda. Die
erstere hat durch das Gitter des eisernen Geheges die Aussicht auf die
Ceinturebahn und auf ein Blockhaus, welches 1000 Meter von Lambaro
entfernt war. Die Schilderhäuser bewachten zwar das umliegende Terrain,
so dass bei Tage man ungefährdet in dieser Veranda sitzen konnte. Im
Dunkel der Nacht war jedoch die hier brennende Petroleumlampe für die
schiesslustigen Atjeer geradezu eine hellerleuchtete Scheibe, welche
so häufig das Ziel ihrer Schiessübungen wurde, dass mein Vorgänger nur
selten Abends in der Veranda sitzen konnte; ja noch mehr; sobald in
seinem Hause die Lampen angezündet wurden, bedeckte er die hintere Wand
seiner Veranda mit Matratzen, um die durchrasenden Kugeln der Atjeer
unschädlich zu machen.

Auch erzählte er, dass er eines Abends mit einigen Officieren an dem
L’hombretische sass und ein »Solo« verlor, weil ihm eine durchfliegende
Kugel das Pique As aus der Hand geschossen hatte. Hierauf erklärte
meine Frau ganz einfach, diese Wohnung nicht beziehen zu wollen,
um so weniger, weil in dem durch Palissaden geschützten Fort eine
Wohnung leer stände. Ce que femme veut, Dieu le veut; ich legte dem
»Liniencommandanten« die kategorische Erklärung meiner Frau vor
und, etwas von Pantoffelheld murmelnd, gab dieser gute Mann die
Einwilligung, die von +Mevrouw Doctor+ gewünschte Wohnung von mir
bewohnen zu lassen. Diese lag in der Mitte eines langen hölzernen
Hauses (mit einem Dach aus galvanisirtem Eisen) ohne Stockwerk. Die
mir zugewiesene Wohnung bestand aus einem Zimmer von 3½ Meter Länge
und 4 Meter Breite; ein 1 Meter breiter Gang führte von der vorderen
zur hinteren Veranda; dies war alles; die vordere Veranda (Fig.
16) war unser Empfangszimmer und die hintere unser »Tagverbleib«.
Beide waren nicht tiefer als 1½ Meter und hatten eine Länge von 4
Meter. Vor uns war ein Platz mit einem Baum in der Mitte und im
Hintergrunde (15 Meter weit) die Caserne. Zur Linken standen das
Bureau des Compagniecommandanten und die »inwendige« Cantine. Von der
hinteren Veranda sahen wir auf unsere »Nebengebäude«: Küche, Abort
und Badezimmer. Von unseren beiden Nachbarn waren wir durch eine
Bretterwand getrennt. Da wir voraussichtlich ein Jahr in diesem Käfig
wohnen mussten, machte ihn meine Frau so viel als möglich comfortabel.
Die vordere Veranda bekam einen kleinen runden Tisch mit 6, sage sechs
Sesseln. Waren alle besetzt, mussten die Besucher an der vorderen
Seite sehr ruhig und vorsichtig sitzen bleiben; sonst wären sie über
den Rand der Veranda gefallen, welche ungefähr 50 cm. über dem Boden
lag. Sie lag gegenüber der südwestlichen Front der Palissaden, welche
den Weg und Damm nach Anagalong bestrich. Dort lag beinahe das ganze
Jahr der Feind und schoss auf das Fort. In der Regel gingen die Kugeln
über das Fort hinweg. Thatsächlich wurde während meines Aufenthaltes
in diesem Fort, also während eines Jahres, niemand im Fort getroffen.
Wurde das Schiessen zu stark, flüchtete sich meine Frau in die hintere
Veranda und schützte sich den Rücken durch Aufhängen der Matratzen aus
den Betten. Dreimal hat während dieser Zeit das feindliche Blei unsere
Wohnung getroffen; das erste Mal schlug es in die vordere Veranda
ohne jemand zu verletzen. Die zweite Kugel streifte so schwach die
Köchin, dass sie schreiend und weinend in die vordere Veranda zu mir
mit den Worten lief: Kòkki mâti = die Köchin stirbt. Nur der Sarong
war durch den Streifschuss versengt. Die dritte Kugel -- wurde eine
Atjehsche Berühmtheit. Eines Tages erschütterte ein gewaltiger Schlag
das Dach des Hauses; ich sah über meiner Küche ein grosses Loch im
eisernen Dach. Wir suchten überall die Kugel, welche hier herabgefallen
sein musste; wir fanden sie nirgends. Bei der »Rysttafel« wurde das
faschirte Fleisch auf den Tisch gebracht und der erste Schnitt traf --
die gesuchte Kugel. Lange Zeit behielt meine Frau den Namen: die Dame
mit der Kugel im »Fricadel«.

Rings um die Palissade lief ein Laufgraben mit diversen »Chicanen«,
welche von dem wuchernden Grase bedeckt waren; sie bestanden aus einem
Drahtnetze und grossen Stiften aus Eichenholz, welche mit der oberen
Spitze schief nach aussen standen; hinter diesen war ein kleiner Damm,
auf welchem in gemessener Entfernung Laternenpfähle standen. Vor
Sonnenuntergang ging ein Sträfling hinaus, um die Laternen anzuzünden;
eine Patrouille von 4 Mann begleitete ihn auf dem Banket. Beinahe ohne
Ausnahme wurde täglich der Sträfling beschossen, und die Patrouille
feuerte vom Banket aus zurück; aber nur einmal wurde dieser wackere
Missethäter verwundet. Noch zwei Opfer hatte ich während dieses
Jahres zu behandeln, welche auf diese Weise durch feindliche Kugeln
getroffen wurden. Vor Sonnenaufgang beschossen die Atjeer ebenfalls
den Sträfling, welcher unter gleichen Vorsichtsmaassregeln die Lampen
auslöschen ging. Eine Kugel flog eines Tages über das Fort hinweg und
traf eine Frau, welche zum nahen Flusse gegangen war, um zu baden.
Das dritte Opfer war ein Soldat, welcher im hohen Schilderhaus Wache
hielt. Dieses stand zwischen dem Stationsgebäude und der grossen
Cantine vor dem chinesischen Viertel. So ein »hohes Schilderhaus«
(Fig. 17) steht auf vier Pfählen von ± vier Metern und wird auf einer
Seite von den Soldaten bestiegen. Bei Nacht wird die Leiter von der
Schildwache zu sich hinaufgezogen, nachdem die »Kosakenwacht« sich
eingestellt hat. Diese besteht aus drei bis vier Mann, von denen nur
Einer Wache hält, während die Anderen schlafen. Natürlich ist auch die
nächste Umgebung dieses Postens erleuchtet, um zu verhindern, dass ein
Feind sich heranschleiche, auf den Pfählen hinaufklettere und in einem
»Klewanganfalle« Alle ermorde. In diesem Schilderhause wurde zufällig
ein Soldat verwundet.

Die Liniencommandanten, welche abwechselnd in diesen Forts das Commando
führten, hatten ganz verschiedene Ansichten, wie sie sich gegenüber
diesen Schiessübungen der Atjeer verhalten sollten. Mein Commandant,
der Oberst X., huldigte dem Principe, die Atjeer in ihrem Vergnügen
nicht zu stören. Sie lagen ja in einem Laufgraben, welcher 600 Schritt
weit entfernt war; wer von ihnen zu Hause nichts zu thun hatte, zog
nach dem Laufgraben und schoss auf’s Fort. Rückte in früherer Zeit eine
Patrouille aus, um diese Ruhestörer unschädlich zu machen, liefen sie
davon, feuerten einige Kugeln in die Patrouille, trafen hin und wieder
einen Soldaten; sie selbst jedoch wurden niemals erreicht, weil die
Patrouille sich nicht zu weit von »der Linie« entfernen durfte, um sich
den Rücken gedeckt zu halten.

Am meisten von allen Forts wurde das benachbarte Siroen beschossen,
welches am linken Ufer des Atjehflusses lag und thatsächlich jahraus,
jahrein täglich dem Feuer der Atjeer ausgesetzt war; aber auch in
diesem Fort wurde während meiner Dienstzeit im Fort Niemand verwundet.
Ich muss jedoch von Schüssen Erwähnung thun, welche wirklich einen
interessanten Lauf nahmen. Lieutenant Y. war der Commandant von
Sirun; einmal näherten sich in der Nacht die Feinde so stark dem
Fort, dass die Schildwacht Alarm schlug und Lieutenant Y. aus seinem
Bette hinauseilte, um die nöthigen Maassregeln zu treffen. Er liess
seine Leute antreten, und einige Salvenfeuer trieben die Leute in
respectvolle Entfernung. Auch die Schildwache unseres Forts hatte an
den Flammen der Gewehre ihr Vorrücken bemerkt; auch sie schlug Alarm,
und der Artillerieofficier feuerte auf Befehl des Liniencommandanten
einige Kartätschen in die angegebene Richtung ab. Endlich war das
Feuer des Feindes zum Schweigen gebracht; Lieutenant Y. kehrte in sein
Schlafzimmer zurück, und eine Kugel hatte in seiner Abwesenheit -- das
Kopfpolster zerfetzt!

Einen ähnlichen günstigen Zufall erfuhr auch mein Nachbar, Lieutenant
X. Er sass eines Tages in der Veranda der Cantine, sein »Bitterchen«
zu trinken, und war mit einem Kameraden im eifrigen Gespräche über den
sonderbaren Weg, welchen oft Kugeln unter dem Einflusse verschiedener
Muskelbewegungen im Körper nehmen können, so dass es sehr oft
unmöglich sei, aus dem Orte der Eingangs- und Ausgangsöffnung auf die
Richtung des Wundcanals oder auf den Ort des Schützen einen Schluss
zu ziehen. In dem Augenblicke, dass er sich über den Tisch beugte, um
ein Stück Kreide in die Hand zu nehmen, sauste eine feindliche Kugel
zwischen seinem Rücken und der grossen Lehne des Sessels hindurch und
zerschmetterte die seitliche Lehne.

Der Dienst während meines Aufenthaltes in Lambaro war mitunter
anstrengend, in der Regel jedoch forderte er nicht viel Mühe oder
Arbeit. Reglementär musste ich zweimal in der Woche nach den Forts
Lampörömey und Tjot Iri in der östlichen Richtung der Ceinturebahn und
zweimal nach Lamrö-eng (im Westen) gehen, um dort die petites misères
der Garnison zu behandeln und die Soldaten auf gewisse Haut- und andere
ansteckende Krankheiten zu untersuchen. Natürlich geschah es oft genug,
dass eine Verwundung oder plötzliche Erkrankung aus einem dieser drei
Forts telephonisch dem Liniencommandanten gemeldet wurde; dann wurde
ich davon verständigt, mit einer Patrouille von 40 Mann unter Commando
eines Lieutenants dahin zu gehen, wenn nicht zufällig die Eisenbahn
benutzt werden konnte, welche zweimal des Tages Lambaro passirte.

Am unangenehmsten war der Marsch nach Lampörömey in nächtlicher Stunde.
In der Nähe der Cantine machte nämlich die Eisenbahn eine starke
Krümmung nach dem Osten und zwar durch ein Gebüsch, so dass weder von
Lambaro noch von Lampörömey die Patrouille gesehen werden konnte.
Spione umgaben ja immer unser Fort, und durch diese musste ja mein
Marsch den »feindlichen« Atjeern bekannt werden; sie konnten natürlich
bis zu meiner Rückkehr sich hier versammeln und unter dem Schutze der
Nacht und des Gesträuches uns überfallen. Dieses ist gerade bei Nacht
niemals geschehen. Nur einmal wurde ich beim Eintritt in diesen kleinen
Wald mit Kugeln aus Lîlahs[73] beschossen, welche jedoch 20-30 Meter
vor uns niederfielen und daher niemanden trafen.

Im Ganzen wurde ich nur neunmal für aussergewöhnliche Fälle während
dieser Jahresfrist nach den erwähnten Forts gerufen und musste entweder
im Fort selbst oder auf offenem Felde (dann unter Deckung von 40 Mann)
meine ärztliche Hülfe leisten. Wenn in jüngster Zeit die Campierpfähle
den Militärärzten warm empfohlen werden, so kann ich in den Hymnus
nicht einstimmen; sie sind nur für die Manöver, und dann allerdings von
grossem Werthe. Es ist richtig, dass die Behandlung auf offenem Felde
sehr lästig und beschwerlich ist; wenn aber aus grosser Entfernung
die Kugeln das Operationsfeld bestreichen, dann ist es ein Gebot der
Nothwendigkeit, so wenig als möglich über den Boden erhoben zu sein.
Im Manöver wird man allerdings von den Kugeln nicht bedroht und für
diesen Fall kann ich das Anschaffen derselben auch der indischen Armee
empfehlen, weil sie nicht einmal von der Verwaltung angeschafft werden
müssten, sondern leicht improvisirt werden können. Bambus oder Holz
sind ja überall bei der Hand; es werden also vier Stöcke von einer
Höhe von 1-1½ Meter in die Erde in passender Entfernung gestossen.
Jeder Soldat hat ja die »Sprei« bei sich d. h. eine Decke aus Barchent
oder Molton. Sie wird als Nothbehelf und häufig genug zum Transport
von Kranken verwendet, wenn keine Tragbahre bei der Hand ist. In Atjeh
trägt jeder Soldat, auch wenn er den Tornister zu Hause lässt, diese
Decke um die Schultern geschlagen bei sich. Diese »Sprei« wird also auf
diese vier Stöcke befestigt, und der Arzt kann stehend die etwaigen
Untersuchungen und nothwendigen Eingriffe vornehmen. Aber, wie gesagt,
für den Kriegsschauplatz kann ich sie nicht empfehlen.

Zahlreiche Episoden aus dieser Zeit haben in unseren Aufenthalt in
diesem Fort oder, wie es meine Frau nannte, in diesem »cellulären
Gefängnisse« wirklich interessante Abwechslungen gebracht.

[Illustration: Fig. 20. Ein Haröbab-Orchester.

(Vide Seite 157. 166.)]

Eines Tages begossen die Atjeer von der Südseite aus den umgebenden
Wall mit Petroleum und steckten es in Brand; unter dem Schutze
dieser ungeheueren Rauchmassen hatten sie sich bis auf hundert Schritte
genähert und uns mit einem Meer von Kugeln überschüttet. Der damalige
Liniencommandant, Major Pompe von Meerdervort, verlor keinen Augenblick
seine olympische Ruhe und Geistesgegenwart. Das Feuer wurde gelöscht
und niemand verwundet.

Weniger Ruhe zeigte im folgenden Vorfalle der Liniencommandant X.,
welcher ein guter, braver Mann, ein zärtlicher Ehemann war und dennoch
im Eifer des ersten Augenblickes eine Härte zeigte, welche ihm sonst
fremd war und nur ein warnendes Beispiel ist, wie der Krieg selbst ein
edles Männerherz sich verleugnen lässt.

Am 10. Juli circa um 12½ Uhr Mittags alarmirte die Schildwache das Fort
mit dem Rufe: »Ein Deserteur«. Wir eilten sofort auf das Banket und
sahen thatsächlich einen europäischen Soldaten +auf+ dem Damme ruhigen
und gelassenen Schrittes den Weg nach Anagalong nehmen. Der Oberst X.
befahl sofort 10 Mann mit dem Gewehr anzutreten, liess ihn dreimal
anrufen, und als er demungeachtet, als ob er nichts hörte und sah, wie
in Gedanken versunken, ohne den Schritt zu beschleunigen oder Deckung
hinter dem Damm zu suchen, weiter ging, gab Oberst X. das Commando
Feuer, und sofort fiel er von dem Damm in den Graben.

Jetzt erst liess Oberst X. eine kleine Patrouille ausrücken, welche
gedeckt durch die auf dem Bankete stehenden Truppen die Leiche des
Deserteurs (?) ins Fort bringen sollte. Der ganze Vorgang spielte sich
so rasch ab und musste sich nothwendiger Weise so rasch abspielen,
dass die Erkenntniss erst später sich einstellen konnte, dass dieser
Soldat -- er kam aus der Cantine -- gar keine Absicht hatte, zu
desertiren, oder wenigstens seines Thuns sich nicht bewusst war, dass
er wahrscheinlich betrunken den Weg statt ins Fort, hinter dem Fort
auf dem Damme weiterschritt, ohne zu wissen oder daran zu denken, dass
er sich auf dem Wege in das Feindesland befand; hätte er die böse
Absicht gehabt, zu desertiren, so hätte er nicht zur Ausführung seines
Planes die Mittagsstunde gewählt, in welcher er von der Schildwache
gesehen werden musste; er wäre nicht +auf+ dem Walle, sondern
+hinter+ dem Walle unsichtbar für Jeden gegangen, und er hätte
wenigstens in dem Augenblicke, als ihm der Zuruf die Entdeckung seines
Verrathes bewies, im Laufgraben Schutz vor den Kugeln der Soldaten
gesucht. Alle diese Gedanken durchkreuzten mein Gehirn, als ich auf
dem Banket diesen Vorgang sich abspielen sah. Wenn ich bedauerte,
dass keiner der übrigen Officiere meine Ansicht acceptiren wollte oder
es wagte, gegen das Commando des Oberst X. Einspruch zu erheben, und
wenn ich dieses Opfer des Alcohol-Teufels beklagte, so wurde noch mehr
das Menschlichkeitsgefühl späterhin in mir verletzt. Die Patrouille
brachte den Deserteur (??) bei den Füssen ins Fort, und sein Kopf
sprang wie eine elastische Kugel über den unebenen Boden, obzwar er
noch lebte!! Unterdessen hatte ich mich mit einem Krankenwärter bei dem
Thore eingestellt, um ihn in Empfang zu nehmen. Endlich liess Oberst
X. den Soldaten in das Marodenzimmer bringen. Hier auf meinem Terrain
war er +nur+ der unglückliche Kranke, für den die ärztliche Hülfe
zu spät kam. Er lebte noch zwei Stunden, ohne das Bewusstsein wieder
erhalten zu haben. +Eine+ Kugel war unter dem linken Rippenbogen
eingedrungen, hatte die vergrösserte Milz durchbohrt und bei der
Wirbelsäule den Körper verlassen.

       *       *       *       *       *

Der Kriegszustand untergräbt bekanntermaassen keineswegs den Humor
eines guten Soldaten. Den 19. Februar wurde im Fort der Geburtstag des
Königs von Holland gefeiert.

Hauptmann X. war sehr gern freigebig; als ich z. B. den 31. August um
8¼ Uhr des Abends nach Tjot-Iri gerufen wurde und um 4 Uhr früh
zurückkam, hatte er von seiner Frau ein completes Souper für mich
bereiten lassen! Er war für die Soldaten seiner Compagnie mehr als
der »Vater der Compagnie«, er war eine Grossmutter, die ihren Enkeln
nicht genug Leckereien bieten kann; thatsächlich hatten die Truppen
in Lambaro unter seinem Commando ein besseres Frühstück als -- seine
Officiere. Die böse (?) Welt behauptete sogar, dass der Hauptmann X.
aus seinem Privatvermögen so manches »gouden Tientje« (10 Guldenstück
aus Gold) zur Soldatenmenage beigesteuert hätte. In der Regel ist
diese Freigebigkeit überflüssig, weil die Portionssätze in Atjeh so
reichlich bemessen sind, dass ein Theil derselben zum Vortheile der
Soldatenmenage (an die Officiere) verkauft werden kann; nebstdem
erhält diese einen geregelten Zuschuss aus dem Ertrage der Kugeln und
Hülsen, welche nach dem Scheibenschiessen, ja selbst oft im Ernstfalle
nach Abgabe einiger Salven von den Soldaten gesammelt und gegen
eine reglementär festgestellte Entschädigung in die Kriegsmagazine
eingeliefert werden.

Der europäische Soldat erhält z. B. fünfmal in der Woche 400 gr.
Reis; für 50 Soldaten sind dies 20 Kilo, welche niemals aufgegessen
werden; beinahe jeder Compagniecommandant verkauft daher an seine
Officiere den überflüssigen Reis gewöhnlich um denselben Preis, als
der Lieferant ihm in Rechnung bringt. Jeder Soldat erhält täglich 30
Gramm Kaffee; bei einer geschickten Manipulation haben 150 Mann (dies
ist der I. Stand einer Compagnie) niemals 4½ Kilo für ihr Frühstück
nöthig. Brandholz wird gewöhnlich gar nicht in Empfang genommen; d. h.
der Compagnie-Commandant lässt sich von dem Lieferanten den Geldbetrag
ausbezahlen und seine Soldaten in den freien Stunden Holz aus dem
benachbarten Walde holen. (Jeder Soldat erhält pro Tag 0.003 M^3 Holz.)
Diese Nebeneinkünfte der Soldatenmenage sind in der Regel mehr als
hinreichend, um den Soldaten ein schmackhaftes Essen mit reichlicher
Abwechslung zu bieten. Ja noch mehr; wenn ich mich an einem Teller
Erbsensuppe delectiren wollte, liess ich sie mir aus der Soldatenmenage
holen; bei Privatleuten wird sie niemals so schmackhaft als in der
Caserne bereitet. Capitän X. setzte aber einen Stolz darein, +seinen+
Soldaten die beste Menage von ganz Atjeh zu besorgen, und dieser Mann
nahm es auf sich, am 19. Februar 1888 den Geburtstag des damaligen
Königs von Holland im Fort Lambaro durch eine echte veritable Kirmes
feiern zu lassen. Ehre, dem Ehre gebührt. Es war wirklich ein schönes
Fest, welches nebstdem den Beweis brachte, dass die Gefahren des
Krieges einem tüchtigen Soldaten für keinen Augenblick den guten Humor
rauben.

Es war eine wohlgelungene Parodie auf einen holländischen Kirmestag;
hier sah man den Beri-Beri-Bacillus von Professor Pekelharing (welcher
damals in Atjeh weilte); ein Bambusrohr stellte den Tubus eines
Mikroskopes, und ein Streichhölzchen den gefundenen Bacillus dar;
ein Wachsfigurencabinet, in welchem z. B. Dornröschen, von einem
bartlosen Corporal dargestellt, mit Blumen und Kränzen geschmückt, in
einem Bette mit einem Mosquitonetz lag; die »Hyäne von Amersfoort«
(einem Dorfe bei Utrecht) war mein »Babi« (Fig. 16), ein kahles
Windspiel aus Mexiko, welches nur auf dem Kopfe und auf der Spitze
des Schweifes einige Haare hatte. Den grössten Zuspruch hatte jedoch
die friesische Waffelbäckerei. Ein junger Trompeter hatte sich die
ganze Toilette einer Friesin zu verschaffen gewusst und buk den ganzen
Vormittag veritable Waffeln und »Poffertjes«. Weisse Hühner waren
blau oder feuerroth gefärbt und sassen auf dunkelvioletten Eiern und
waren antidiluvianische Hühner aus der Fingalshöhle u. s. w. Mit dem
Mittagszug kam eine halbe Capelle aus Kuta radja, und um 9 Uhr schloss
ein schöner Zapfenstreich den wirklich fröhlichen und gemüthlichen
Festtag.

       *       *       *       *       *

Wie ich schon erwähnt habe, lag das Fort Sirun in unserer nächsten
Nähe, war jedoch von der Ceinturebahn mehr als 2 Km. entfernt, bei
günstiger Windrichtung hörten wir selbst alle Signale, welche im Laufe
des Tages gegeben wurden. Zwischen diesen beiden Forts lief ein Damm
mit einem Laufgraben an der Nordseite; die dem Fort gegenüberliegenden
Kampongs waren von wahren Irridentisten bewohnt, und beinahe den ganzen
Tag und oft genug auch ganze Nächte lauerten die feindlichen Bewohner
vor dem Fort und hielten dort ihre Schiessübungen. Wurde das Schiessen
zu stark, verständigte der Commandant des Forts den Liniencommandant
per Telephon, und es wurden von unserm Fort aus einige Kartätschen
in die angegebene Richtung geworfen; gewöhnlich aber liess auch der
Commandant von Sirun den Atjeern ihre Freude und störte sie nicht in
ihren Schiessübungen; aber »Sicherheit, das wisst ihr lange, führt
die Menschen zum Untergange«. Der Laufgraben neben dem Damme, welcher
nach Sirun führte, war gewöhnlich durch den Regen aufgeweicht, und nur
ungern marschirten die Soldaten in diesem; auf dem Damme waren sie aber
den feindlichen Kugeln blossgestellt.

Am 2. Januar 1888 wurde ein europäischer Sergeant von Sirun abgelöst
und ging unter dem Geleite einer Patrouille unter dem Commando eines
javanischen Sergeanten nach Lambaro, um von dort aus per Eisenbahn nach
Kuta radja zu fahren; um sich weder den feindlichen Kugeln auszusetzen,
noch den Weg durch den schmutzigen Laufgraben zu nehmen, marschirten
sie durch das Zuckerrohrfeld und durch den befreundeten (?) Kampong
Sirun, welcher zwischen Sirun und Lambaro lag. 4 Uhr Nachmittags befand
ich mich im Badezimmer, als plötzlich das Signal: der Doctor! zu meinen
Ohren drang; in meiner indischen Haustoilette eilte ich sofort ins
Spital, der Bediente brachte mir noch den Helmhut und den Uniformrock,
und in zwei Minuten stand ich mit der Ambulanz beim nördlichen Eingang,
wo 40 Mann unter dem Commando eines Lieutenants auf mich warteten.
In wenigen Minuten hatten wir (im Laufschritt) die Unglücksstätte
erreicht. Von 15 Mann waren 5 unter einem Klewang-Anfall einer kleinen
Truppe Atjeers zu Boden gefallen, 2 waren todt und 3 schwer verwundet.
Der Patrouillencommandant, der eingeborene Sergeant Singodjojo, hatte
nicht weniger als 6 (!) Wunden und -- kam mit dem Leben davon! Auf
dem Scheitel, auf dem Hinterkopf, unter dem linken Schulterblatte
und am linken Vorderarm hatte er grosse klaffende Hautwunden, das
rechte Knie war durchgeschlagen, so dass der Unterschenkel nur auf
dem Fleischlappen der Kniekehle hing, und nebstdem hatte er einen
Lanzenstich unter dem Herzen erhalten.

Zwei Tage später schickte ich diese Patienten nach Kuta radja; unter
Deckung von einer kleinen Patrouille wurden sie zum Bahnhof gebracht,
welcher ungefähr ½ Km. vom Fort entfernt war; die feindlichen Atjeer
hatten offenbar durch ihre Spione schon früher Nachricht erhalten; denn
auf dem Wege zur Station überschütteten sie uns mit einem Kugelregen,
ohne jedoch jemanden zu treffen; dies war wirklich ein besonderer
Zufall, denn die Kugeln schlugen vor mir und hinter mir in den Sand.

Zwei Tage später (den 6. Januar) war ich geradezu die Scheibe, auf
welche die Feinde ihre Schiessübungen hielten.

Der Thierarzt Schilstra war nach Sirun gegangen, um das erkrankte Pferd
des Commandanten zu behandeln. Auf seinem Rückwege richteten die Feinde
das Feuer auf ihn resp. auf die Patrouille, welche ihn deckte, und ein
Schuss traf den europäischen Infanteristen Kaufmann ins Schienbein; er
fiel nieder, und während der Trompeter durch das Signal: der Doctor!
mich zur Hülfe rief, legte sich die Truppe in den Laufgraben nieder
und erwiderte das Feuer; als ich mit der Ambulanz erschien, da begann
das Schiessen mit erneuerter Wuth; die ganze Ambulanz bestand nur aus
vier Mann; ich hatte nur einen Krankenwärter und zwei Sträflinge zum
Transport der Verwundeten mitgenommen; aber wir gingen auf dem Damme,
und die übrigen lagen im Laufgraben und gaben von Zeit zu Zeit eine
Salve auf den Feind. Ich verband den Unglücklichen »unter dem Feuer
des Feindes«, und noch heute frage ich mich, woher ich soviel Muth
(??) damals nahm; ohne Deckung ging ich dem feindlichen Kugelregen
entgegen, und unter einem Kugelregen behandelte ich meinen Verwundeten,
ohne auch nur einen Augenblick zu zögern; nun, ich wiederhole
es, das Pflichtgefühl war der Motor, und der Muth, feindlichen
Kugeln zu trotzen, ist nichts anderes als in die Praxis umgesetztes
Pflichtgefühl, welches in rebus militaribus durch die Disciplin, durch
den Drill und durch die Dressur zur Bethätigung erzwungen werden kann.

Ich hatte damals an mir selbst oft genug Gelegenheit, dieses zu
beobachten.

Eines Tages z. B. ging ich (mit 40 Mann) auf dem Damm nach Lamrö-eng.
Unterwegs gesellte sich zu mir der Liniencommandant Major Pompe van
Meerdervort mit seinem Adjutanten. Beide waren zu Pferde. Auf einmal
fingen die Atjeer an, auf uns zu schiessen. Der Major und sein Adjutant
und die Patrouille unter dem Commando eines Lieutenants liessen sich
dadurch nicht im geringsten in ihrem gewöhnlichen Schritte stören;
dadurch fühlte auch ich mich nicht im geringsten beunruhigt und
schritt mit den beiden Officieren, ohne auch nur unser Gespräch zu
unterbrechen. Endlich frug mich der Liniencommandant spöttisch: Warum
gehen Sie nicht in den Laufgraben? »Wenn Sie es, Herr Major! nicht
thun, obwohl Sie hoch zu Ross sitzen,« antwortete ich, »besteht für
mich noch weniger Ursache, um mein Leben besorgt zu sein.« Als aber
die Schüsse immer zahlreicher und zahlreicher wurden und sogar eine
ganze Salve über unsere Häupter hinwegflog und zu gleicher Zeit aus dem
Fort Lamrö-eng eine Kartätsche auf die Atjeer abgefeuert wurde, gab
er endlich den Befehl: »rechtsum in den Laufgraben« und -- die ganze
Truppe folgte wie eine Heerde Schafe dem Beispiel des Leithammels.
Wenn ich auch heute über den Vorfall ganz anders als damals urtheile,
weil ich es heute für eine überflüssige Waghalserei oder ein ruchloses
Blossstellen von 40 Mann halte, so kann ich doch seinen pädogogischen
Werth nicht verkennen. Wenn Major Pompe mir mittheilte, er habe dies
gethan, um den Atjeern zu zeigen, dass der Europäer Muth habe, so hat
er eben stillschweigend das pädagogische Moment eines solchen Vorfalles
hervorgehoben. Wenn aber dadurch einige Soldaten verwundet oder sogar
gefallen wären?! A la guerre comme à la guerre wäre wahrscheinlich
die Antwort gewesen. Ich nahm während des weiteren Gespräches Anlass,
den Major darauf aufmerksam zu machen, dass man in Europa die Arbeit
der Militärärzte geradezu unterschätze. Wenigstens Deutschland und
Oesterreich haben bis jetzt in diesen nur Officiere zweiten Ranges
gesehen; diese Staaten gaben ihnen bis jetzt noch nicht die Feldbinde,
und viele militärische Auszeichnungen werden ihnen vorenthalten;
nichts ist unbilliger als dieses. Die moderne Kriegswissenschaft ist
in ihrem Principe ebenso auf die Leistung des todten als auf die
des lebenden Materials angewiesen; die Militärhygiene ist also ein
bedeutender Theil der Kriegswissenschaft, und ihre Vertreter -- die
Militärärzte -- sind schon aus diesem Grunde ein gleichwerthiger Theil
des Heerwesens. Häufig genug wird der Unterschied zwischen combattanten
und nichtcombattanten Truppen zum Nachtheile der Militärärzte
hervorgehoben; auch die einzelnen Theile der combattanten Truppen
zeigen aus verschiedenen Ursachen eine oft weitgehende Rivalität
untereinander. Die Artillerie, die Cavallerie und die Infanterie
bestreiten oft genug gegenseitig ihre Vorzüge; aber gegenüber den
Militärärzten zeigen sie eine rührende Harmonie. Alle combattanten
Truppenofficiere sehen in diesen minderwerthige Officiere, weil sie
nicht mit der Waffe in der Hand ihren Dienst verrichten, also keines
persönlichen Muthes bedürfen sollten, der die Grundbedingung eines
guten Soldaten sei. Dies ist eine ganz falsche Ansicht; der persönliche
Muth ist für den Militärarzt noch mehr Grundbedingung seiner Existenz
als für den Truppenofficier; die Kugeln wählen sich nicht ihre Opfer;
die Gefahren des Aufmarsches, der Schlacht, des Rückzuges bedrohen den
Militärarzt nicht weniger als den combattanten Officier; ja noch mehr;
während die Kugeln um ihn pfeifen, muss er ruhigen Blutes dem Laufe des
Kampfes folgen, dort eine zerrissene Ader aufsuchen, sonst verblutet
das Opfer unter seinen Händen; hier muss er ein zerschmettertes Glied
lege artis verbinden, sonst bleibt der Verwundete sein Leben lang ein
Krüppel; der Truppenofficier schwingt während der Schlacht den Säbel,
läuft, schiesst den Revolver ab, ruft mit lauter Stimme sein Commando,
den Aufruhr in seinem Innern braucht er nicht zu dämpfen, er folgt
seinem Impuls, sich und seine Soldaten zum Ziele zu führen und sein
Leben zu vertheidigen. Der Arzt dagegen muss den Sturm in seiner Seele
unterdrücken; er darf sein Leben nicht vertheidigen; er muss das Leben
seiner Nächsten retten; er lässt die Kugeln um seine Ohren sausen, er
denkt nicht an sein Leben -- er muss ruhig bleiben; +er ist muthiger+,
weil er nicht kämpfen darf, er ist tapferer, weil er nicht kämpfen
kann, auch wenn das Schwert des Cavalleristen seinen Kopf, der Huf des
Rosses seine Brust und die Kugel oder das Bajonett des Infanteristen
seinen Leib zu zerschmettern drohen.

       *       *       *       *       *

Meine Privatpraxis unter den Eingeborenen war unbedeutend und konnte
auch nicht gross sein, weil der Verkehr der europäischen Beamten
und Officiere sich nur auf dienstliche Angelegenheiten beschränkte
und der Kleinhandel in Lambaro ganz in den Händen der Chinesen sich
befand. Ihr Quartier befand sich ungefähr ½ Km. vom Fort entfernt
und wurde jede Nacht abgeschlossen; es war insoweit also ein Ghetto;
aber einer grossen Sicherheit ihrer Person oder ihres beweglichen
Vermögens erfreuten sie sich deswegen nicht; im Dunkel der Nacht
konnten sehr leicht räuberische Ueberfälle von Seiten der »feindlichen
Atjeer« stattfinden und selbst bedeutenden Erfolg haben, bevor aus dem
Fort die nöthige Hülfe eintreffen konnte. Thatsächlich wurde während
meines Aufenthaltes in Lambaro nur ein einziges Mal die Alarmglocke im
chinesischen Viertel geläutet, und als die Hülfe beim Thore anlangte,
berichtete der chinesische Häuptling, dass die Räuber bereits entflohen
seien.

Es war ja auch nicht zu erwarten, dass aus politischer Ursache jemals
die Chinesen von den Atjeern etwas zu fürchten hätten. Sie waren ja
für die Eingeborenen des Landes geradezu unentbehrlich. Gestattete
die Regierung den Export der Naturproducte, so waren die Chinesen die
officiellen Agenten oder Exporteure. Glaubte die Regierung den Export
verbieten zu müssen, so waren die Chinesen die heimlichen Exporteure
und leiteten mit grosser Geschicklichkeit den Schmuggelhandel; zu allen
Zeiten leisteten sie aber den Atjeern -- ausgezeichnete Spionendienste.
Natürlich war dieses der Regierung kein Geheimniss; aber es war ihr
unmöglich, diesem mit Erfolg entgegenzutreten und -- sie gebrauchte die
Chinesen ebenfalls zu Spionendiensten. Solche Zustände sind nur dort
möglich, wo die politischen Zustände keinen ausgesprochenen Charakter
haben. Atjeh war in diesem Jahre unterworfen, der Kriegszustand war
nach dem erzwungenen Abtritte des Generals van der Heyden officiell
beendigt, Friede[74] war im Lande und nur gegen »vereinzelte isolirte
Marodeure« musste hin und wieder die bewaffnete Macht einschreiten. So
hatte es der Gouverneur Pruys van der Hoeven urbi et orbi verkündet;
ja noch mehr; die Dictatur wurde der zielbewussten Leitung der
militärischen Macht abgenommen und die oberste Leitung der civilen
Macht anvertraut, welche durch »Polizeimänner« diese »kleinen
unbedeutenden räuberischen Ueberfälle« unterdrücken wollte. Ein
Fiasco war das Resultat dieser Politik und, wie schon erwähnt wurde,
die »Concentration« des eroberten Gebietes hinter der »Linie« unter
militärischem Commando musste diesen groben Fehler restauriren, ohne
dass darum auch der Kriegszustand wieder officiell erklärt wurde.

[Illustration: Fig. 21. Ein atjeeischer Pflug.

(Vide Seite 114. 160.)]

Die innerhalb der Linie befindlichen Kampongs gehören zu den
»Freunden«; aber ihre »Freundschaft« (?) hinderte sie nicht, ihren
Brüdern, welche sich ausserhalb der »Linie« befanden, im Geheimen
ihre werkthätige Hülfe zu leisten; der Atjeer besitzt ja, wie mir ein
atjeischer Häuptling mittheilte, »zwei Herzen«; er ist falsch und
heimtückisch, und die traurigen Erfahrungen, welche die Regierung mit
dem Bündniss des Tuku Umar machte, sind nicht vereinzelt. Sein listiger
und heimtückischer Charakter zeichnet sich auch in seinen Zügen, und
jedesmal wenn ich auf meinen Märschen einem dieser Männer begegnete,
oder wenn ich in einem Kampong Halt machte, freute ich mich, 40 Mann
hinter und neben mir zu haben.

Selbstbewusst, wenn nicht stolzen Hauptes traten sie uns entgegen
in alten schmutzigen Hosen und kleinen Röckchen; das ordnungslose,
lange, rabenschwarze glatte Haar wurde nur mühsam mit einem Kopftuche
zusammengehalten; um die Hüften hatten sie ein Lendentuch (= idja
pinggang), welches über dem Knie mit einem schiefen Rande endigte;
in dem Gürtel steckte der Dolch (röntjong), und in seiner rechten
Hand trägt er das lange Schwert (Klewang) ohne Scheide. Auffallend
ist es, dass ihre Hose weit ist, d. h. kein Lendenstück hat, und dass
sie dieser weiten Hose eine »sittliche« Berechtigung geben, gerade
wie das Lendentuch mit mehr oder weniger Recht, ich möchte sagen ihre
weitgehenden Keuschheitsgesetze in der Theorie demonstrirt -- obschon
(in der Praxis) die Päderastie zu ihren nationalen Lastern gehört.

In Atjeh selbst habe ich keinen Oberländer (orang tunòng) gesehen,
welcher von des Bewohnern der Küste ein Bauer = Dorfbewohner = orang
dusson gescholten wird, während jener als orang baròh den Ehrentitel
banda = gebildet oder städtisch sich selbst giebt. Der »gebildete Mann«
wie die gebildete Frau (orang banda) (Fig. 18) unterscheidet sich
auch in der Kleidung von dem »ungebildeten Bauern«. Während meines
Aufenthaltes in Seruway hatte ich Gelegenheit, hin und wieder einen
solchen Oberländer zu sehen, und der Unterschied in den Hosen, dem
Lendentuche und bei den Frauen in der Form der Kopfhaare ist auffallend.

Nur selten sieht man einen Oberländer mit einem kurzen Röckchen
bekleidet; er gebraucht eine Art Slendang, welche er idja nennt und
entweder über die Schulter oder um die Lenden trägt, oder mit welchen
er den Kopf bedeckt, wenn er darauf eine Last transportirt. Der
civilisirte »Niederländer« hat ein Röckchen mit langen Aermeln; in
diesem Falle wird es in der Mitte von einem kegelförmigen goldenen
Knopf (doma) geschlossen, oder die Aermel reichen nur bis zum
Ellbogengelenk, und dann sitzt dieser Knopf obenan. Auf dem Kopfe
sitzt ein Fes (Kupiah genannt), welches die Form eines umgekehrten
Blumentopfes hat und in der Mitte des Deckels mit einem Knopf aus
Goldfäden oder Seide verziert ist.

Als Tuku Baïd uns in Lambaro besuchte, sah ich auf seinem Kupiah einen
Knopf aus Gold mit grossen Diamanten umgeben.

Manchmal wird um das Kupiah ein Tuch als Tulband (Tangkuh) gewunden.
Zur Strassentoilette gehört noch ein Sacktuch (??) (bungkoëh ranub =
zusammengelegtes Tuch), in welchem Kleinigkeiten aufbewahrt werden;
am häufigsten sah ich Schlüssel daran hängen und das Material für
Sirihkauen darin eingewickelt.

Die Toilette der Frauen unterscheidet sofort die Bäuerin aus dem
Gebirge und die »gebildete« Grossstädterin. Beide tragen dieselben
Hosen und ein Lendentuch wie die Männer; die Frauen an der Küste haben
beide Kleider bis zu den Füssen, wollen sie modern gekleidet sein, und
die Aermel von ihrem Röckchen (badjè) sind weit und reich verziert,
nebstdem tragen sie zwei Slendangs, wovon der eine den Kopf umhüllt,
während die Bäuerin des Gebirges sich mit einem Slendang (um die
Schulter) begnügt. Die Haare verrathen auch durch die Art und Weise des
Knotens die Abstammung der Trägerin. An der Küste ist dieser Knoten in
der Form »eines chinesischen Fächers« (= mökipaih Tjina) in der Mitte
des Kopfes angebracht; d. h. vielleicht sollte der Haarknoten diese
Form annehmen; was ich sah, war mehr zwei Füllhörnern ähnlich. Die
Bäuerin im Gebirge will ihrem Zopfe die Form eines Pferdepenis (= mubòh
guda) geben, ohne aber mehr als ein wurstförmiges Gebilde zu zeigen,
welches entweder zur Seite oder hinten im Nacken herabhing.

Armbänder, Fussbänder, Gürtel, Ringe, Colliers besitzen die reichen
Frauen, ebenso tragen sie grossen und schönen Ohrenschmuck und
zahlreiche Haarnadeln in den Haaren. Ich oder vielmehr meine Frau
besitzt ein Paar Schnallen, welche ursprünglich eine Kette schlossen;
diese wird wie von wahren Modedamen um die Hüfte getragen; sie heisst
Taloè Kiieng und wird sehr oft auf dem nackten Leib, aber noch öfter
über dem Lendentuch getragen.

       *       *       *       *       *

Ein Jahr lebte ich im Fort Lambaro, und während dieser Zeit hatten sich
im Ganzen 6 Atjeer meiner ärztlichen Behandlung anvertraut. Es waren
natürlich nur chirurgische Fälle; bei internen Krankheiten wendet sich
überhaupt nicht leicht ein Atjeer an einen europäischen Arzt, gerade so
wie die grosse Masse des javanischen Volkes noch heutzutage sich lieber
von den eigenen »Dukuns« als von einem europäischen Arzt behandeln
lässt, der ihre Entstehungsweise der Krankheiten durch Geister,
Gespenster (Sundal bolong) u. s. w. nicht kennt und daher in seiner
Behandlungsweise mit diesem Factor keine Rechnung hält, d. h. alle
Formen der zahlreichen Gelübde unberücksichtigt lässt.

Midin, einer dieser Patienten, zeigte sich selbst dankbar für meine
ärztliche Behandlung. Ich erhielt von ihm ein Stück -- Zuckerrohr.

Ich hatte die Gewohnheit, täglich mit meiner Frau zwischen 5-6 Uhr vor
dem Fort spazieren zu gehen, um wenigstens einmal des Tages meiner Frau
die unentbehrliche körperliche Bewegung zu ermöglichen. Dieses war
natürlich den Atjeern der umgebenden befreundeten Kampongs bekannt, und
hier war es auch, wo wir uns in den wenigen Fällen, dass ein Atjeer
oder eine Frau uns besuchen wollte, »zufällig« begegneten.

Eines Tages trat Midin mit seiner Frau auf uns zu und hielt in seiner
Linken das lange Schwert ohne Scheide (den Klewang) und in der
Rechten ein grosses Stück Zuckerrohr, welches er mir anbot. Seine
Frau war der malaiischen Sprache nicht mächtig und zeigte durch ein
freundliches Lächeln ihre wohlmeinende Gesinnung gegen uns, während ihr
Mann das Zuckerrohr als Geschenk bezeichnete für die mit so grossem
Erfolg geleitete Behandlung seines Blasenkatarrhs. Es war 5½ Uhr,
wir hatten also noch eine halbe Stunde Zeit, bevor wir ins Fort
zurückkehren mussten, und ich beschloss daher, mit Midin mich in ein
Gespräch einzulassen, um etwas von den Musikinstrumenten zu erfahren,
deren mitunter rührende Weisen sehr oft Abends und in der Nacht zu
unseren Ohren drangen. Midin nannte mir den Namen seiner Frau: Putròë
und fügte lächelnd die Uebersetzung in malaiischer Sprache: Putri
= Prinzessin bei. Als ich ihm den Namen meiner Frau mit Margarete
bezeichnete und ihm mittheilte, dass dieser Name ursprünglich Perle
(Mutyâra im Malaiischen) bedeutete, wandte er sich gegen seine Frau und
verdolmetschte ihre Antwort mit den Worten: Sâma djuga = ebensoviel,
und beide stimmten ein lautes Lachen an. Die »Prinzessin« war eine
hübsche, vielleicht sogar eine schöne Frau zu nennen. Sie trug, wie
alle atjeeischen Frauen, eine Hose und darüber einen Sarong, welcher
ungefähr bis zur Mitte der Waden reichte. Die Brust war mit einem
Röckchen bekleidet und der Kopf war in einen Schleier eingewickelt, aus
dem ein Paar schöne, in Filigran gearbeitete grosse goldene Haarnadeln
mit herabhängendem Blumenschmuck hervorragten. Schwarze Augen, eine
etwas platte Nase, ein ovales Gesicht, von Sirih gebräunte Zähne,
üppige Lippen und stark entwickelte Augenbrauen zeigten uns in ihrem
Totaleindrucke ein sympathisches Gesicht.

Bald fand ich Gelegenheit, das Gespräch auf die Concerte (?) zu lenken,
welche ich im Fort so oft aus weiter Entfernung hören konnte, und
frug ihn, ob ich die atjeeischen Musikinstrumente nicht sehen könnte.
Sofort lud er mich ein, mit ihm in seinen Kampong (Sirun) zu gehen,
wo er mir alle zeigen und erklären wolle. Dieses Anerbieten konnte
ich leicht zurückweisen mit dem Befehl des Commandanten, nach 6 Uhr,
d. h. nach Schluss des Thores, nicht ausserhalb des Forts zuzubringen,
und versprach, ihn den anderen Tag aufzusuchen, d. h. wenn ich dazu
nicht nur die Erlaubniss, sondern auch das Geleite von 40 Mann bekäme,
weil, wie er ja wisse, zahlreiche Brandals (= Bösewichte) unser
Fort und auch seinen Kampong täglich umschwärmten. Er zeigte sich
durch dieses Misstrauensvotum in keiner Weise verletzt, und als das
Signal des Thorschlusses uns zurückrief, versprach er, den andern
Tag um 11 Uhr[75] alle Musikinstrumente in der Veranda seines Hauses
auszustellen, und verliess uns.

Da ich vorschriftsgemäss dreimal in der Woche nach dem Fort Sirun gehen
musste, bekam ich zur verabredeten Zeit vom militärischen Commandanten
das Geleite von 40 Mann unter dem Commando eines Lieutenants und
nebstdem die Erlaubniss, auf dem Rückwege mich im Kampong Sirun bei dem
Häuptlinge eine Stunde aufzuhalten. Ich und Lieutenant X. betraten die
Mönatah (Fig. 19), während die 40 Mann vor dem Eingange ihre Gewehre
en haie aufstellten und mit den atjeeischen Frauen und Kindern sich in
ein Gespräch einliessen, welches aber nicht recht in Fluss kam; die
Soldaten sprachen nur malaiisch, und die atjeeische Sprache ist der
malaiischen beinahe so verwandt, als die deutsche mit der holländischen
oder dänischen Sprache. (Die mönatah ist das Logirhaus für alle Männer,
welche sich zeitlich in einem Kampong ohne ihre Frauen aufhalten, und
wird zugleich zu Berathschlagungen und zu öffentlichen Festen benutzt.)

Auf einem balé-balé (= Bank aus Rottanggeflecht) lagen zahlreiche
Instrumente, und von jedem einzelnen gab mir Midin die Namen und
Gebrauchsanweisungen an. Ich sah einige Flöten, welche er Bangsi und
Suléng nannte. Beide waren aus Bambus gemacht; die Bangsi hatte auf der
oberen Fläche sieben runde und ein viereckiges Loch und eine Oeffnung
auf der unteren Fläche. Die Suléng hatte ebenfalls sieben Oeffnungen
auf der oberen Seite; eines derselben war grösser als die übrigen
sechs und wurde zum Blasen benützt, wobei der Künstler das Instrument
quer vor den Mund hält; das ganze Instrument war mit kupfernen und
silbernen Verzierungen versehen. Zahlreiche Rapasi = Tamburins lagen
auf dem Boden. Aus seinem Sacktuche nahm er die Wa und die Pib-pib und
die Genggong heraus, und theilte mir mit, dass es seine Spielzeuge aus
seiner Jugendzeit seien; die Wa war nichts anderes als ein Reisrohr,
die Pib-pib eine Flöte (?) aus gebrannter Erde und das Genggong ein
»Brummeisel«. Ein Sruné vertrat unsere Klarinette, ein Tambu unsere
Trommel, und die Göndrangs sind grosse Trommeln, welche vor dem Bauche
getragen und links mit der Hand und rechts mit einem Trommelstock
geschlagen werden. Auch eine Râbab, die mein atjeeischer Patient
Haröbab (Fig. 20) nannte, und zwei Gödumbas, das sind Handtrommeln mit
einem Fussstück, fehlte in dieser Sammlung von Musikinstrumenten nicht.
Die in Atjeh so stark verbreiteten Tamtams, welche auf Java unter dem
Namen Gong bekannt sind, nannte er Tjanangs. Ich muss noch bemerken,
dass die atjeeische Violine (Haröbab) drei Saiten aus Seide hatte, der
Streichbogen aus einem Rottangrohr bestand, welcher mit den Fasern
der Luftwurzeln eines Waringinbaumes (?) bespannt wurde, und dass der
Resonanzboden mit einem Stück eines Karbauenmagens überzogen war.

Unterdessen hatten die Soldaten vor dem Mönasah schlecht und recht mit
den atjeeischen Kindern und Frauen sich amüsirt; als aber einer der
jungen unvorsichtigen europäischen Marssöhne eine atjeeische Schöne
streicheln wollte, wurde ihm von allen Seiten ein so ernstes und
drohendes Kurang adjâr = Flegel zugerufen, dass der Sergeant es für
nöthig erachtete, durch den Trompeter das Signal: »Antreten« geben
zu lassen. Ich und Lieutenant X. eilten sofort zur Balustrade, um zu
erfahren, von wem dieser unerwartete »Schlussruf« unserer Unterredung
ausgegangen war, und mussten diese Vorsichtsmaassregel des Sergeanten
in jeder Hinsicht billigen. In Reih und Glied konnte sich dieser etwas
zu feurige Füsilier solche Liebkosungen nicht erlauben, die, coram
publico erwiesen, geradezu eine Beleidigung für jede atjeeische Frau
sind. Bei den Atjeern darf man wie bei allen malaiischen Völkerstämmen
die »Katze nur im Finstern zwicken«[76], und ist überhaupt jede
Gefühlsäusserung in Gegenwart Anderer geradezu unschicklich.



9. Capitel.

Der heilige Krieg -- Habsüchtige Priester (= Ulamas) -- Abstammung der
Atjeer -- Abstammung der Niasser von einem Hunde -- Schwanzmenschen --
Die Kunst bei den Atjeern -- Die Dichtkunst der Atjeer -- Derwische --
Abschied von Lambaro -- Mit meiner Frau im Kugelregen -- Ein heikler
Auftrag -- „Gross-Atjeh“.


Wenn ich von den Bewohnern Atjehs ausführliche Beschreibungen bringe,
mich mit ihren Sitten und Gebräuchen beschäftige, wenn ich das Gebiet
der Ethnographie nicht nur streife, sondern alles mittheile, was mir
während meines zweijährigen Aufenthaltes in dieser Provinz Sumatras
bekannt wurde und selbst die Lücken des eigenen Wissens, mit den
Beobachtungen des Gelehrten Snouck Hurgronje ausfülle, werde ich durch
zwei Thatsachen dazu veranlasst. In einem Buche über Sumatra kann ja
unmöglich die Ethnographie der malaiischen Völker, welche diese Insel
bewohnen, gänzlich vernachlässigt werden; über die Sitten und Gebräuche
der Battaken ist in deutscher Sprache schon vom Freiherrn von Brenner
ausführlich gesprochen worden; auch Carthaus beschäftigt sich, wenn
auch nicht gründlich, mit den Malaien dieser Insel; aber über die
Atjeer sind, soweit mir bekannt ist, in deutscher Sprache noch nicht
ausführliche ethnographische Beschreibungen in die grosse Menge des
Volkes gedrungen. Die Atjeer sind aber das bedeutendste malaiische Volk
dieser Insel und führen seit dem Jahre 1873 den Vertheidigungskrieg
ihrer Freiheit gegen die Holländer; seit 28 Jahren kämpfen sie also für
ihre Freiheit, und wenn es ihnen auch momentan schlecht geht, und wenn
die europäischen Waffen seit drei Jahren thatsächlich eines bedeutenden
Erfolges sich erfreuen, so müssen wir ihnen unsere Bewunderung ob ihrer
Tapferkeit und ob ihres Muthes rückhaltlos aussprechen; sie kämpfen
aber auch für ihre Religion.

Der »heilige Krieg« wird von den mohamedanischen Priestern (=
den Ulamas) zu jeder Stunde in jedem Dorfe gepredigt, weil sie
dadurch in den Besitz der »heiligen Kriegskasse« kommen und sie
ihren eigenen Unterhalt daraus hinreichend bestreiten können, ohne
arbeiten zu müssen; das »Sabil-Geld« hört auf, in die Kriegskasse zu
strömen, wenn keine »Kafirs« zu bekämpfen sind. Die Atjeer sind ein
ackerbautreibendes Volk (Fig. 21) und lieben den Frieden; die Ulamas
aber wollen herrschen, wollen Einfluss, Macht und Geld erwerben, und
dazu bietet ihnen der heilige Krieg reichlich Gelegenheit; denn die
Fürsten, die Ulèëbalangs haben nur in ihrem eigenen Lande Macht über
ihre Unterthanen, und die Erfüllung der Unterthanenpflicht bringt
nur irdische Ruhe und Friede; Gehorsam gegen den Priester schafft
aber auch himmlische Freuden und ewige Seligkeit. Sowie auf Java und
auf den übrigen Inseln des indischen Archipels die grosse Menge des
Volkes nicht nur den Frieden, sondern auch die Oberherrschaft der
holländischen Regierung zu erreichen oder zu erhalten wünscht, weil es
unter ihrem Scepter der persönlichen Sicherheit sich erfreuen kann, und
für seinen Büffel, für seine Frau und seine Tochter nichts zu fürchten
hat, während sein eigener Fürst Despot ist und bleibt, so sind es
in Atjeh neben den Fürsten auch die Priester, welche das Volk unter
allen möglichen und unmöglichen Vorwänden aussaugen. Dazu kommt noch,
dass die grosse Masse der Atjeer nur durch die Suggestion der Ulamas
strenggläubig ist und als Mohamedaner[77] jeden Andersgläubigen als
Kaphe = Kafir verachten, verfolgen und vertilgen muss. Dies ist der
grosse Motor, welcher einen 25jährigen Guerillakrieg möglich machte.
Die Strategie kennt der Atjeer ebensowenig als der Javane, der Dajaker
oder der Alfure; sie legen keine Magazine an und, nur um ein Beispiel
anzuführen, können niemals 1000 Mann länger als 14 Tage beisammen
bleiben; den Reis, den sie selbst mitnehmen, haben sie in einigen Tagen
aufgegessen; die Vorräthe des Landes sind für eine plötzliche Zunahme
der Bevölkerung von 1000 Mann nicht berechnet -- der Hunger zwingt sie
wieder nach Hause zu gehen; der kleine Krieg jedoch befriedigt den
religiösen Hass der Zeloten, giebt den ruhelosen Faulenzern, den durch
Spiel, durch die Päderastie und durch den Genuss des Opiums verarmte
Bauern nicht nur Gelegenheit, durch Raub und Mord im Lande des Feindes
Gut zu erobern, sondern auch Ruhm und Ehre durch den Kampf gegen die
Kafirs zu gewinnen.

[Illustration: Fig. 22. Niasser auf dem Marsche.

(Vide Seite 176.)]

Andererseits trägt aber auch Holland grosse Schuld an diesem
langwierigen Guerillakriege; das ewige und ewige Schwanken in der
Politik und in der Art der Kriegführung zieht wie ein rother Faden
durch die Geschichte dieses Krieges. Holland muss Herr von Atjeh werden
und will es sein, weil nur dann Frieden und Ruhe unter den zahlreichen
Fürsten des Landes herrschen, die Priesterherrschaft gebrochen werden,
Wohlfahrt ins Land kommen und der Seeraub in der Strasse von Malacca
und im ganzen Archipel für immer und ewig beseitigt bleiben kann. Dazu
gehört aber auch der gute Wille, dem Guerillakrieg ein Ende zu machen,
und dieses ist nur dann möglich, wenn Holland sich zu einer grossen
That aufrafft.

       *       *       *       *       *

Die Urbewohner der Insel Sumatra sowie auch der Provinz Atjeh sind
unbekannt; als im vierten Jahrhundert die grosse Völkerwanderung von
Indien sich über die Inseln des indischen Archipels ergoss, haben
wahrscheinlich die Hindus sich auch in Sumatra angesiedelt.

Nach Müller war ja den Chinesen Sumatra schon im neunten Jahrhundert
bekannt und schon im zwölften Jahrhundert besuchten arabische Kaufleute
diese Insel und zwar die Ostküste von Atjeh. Beim Diamantencap befand
sich damals der Kampong Samudra (5° 15′ N. B.), und die ersten
arabischen Seefahrer nannten ihn Schamatra und nach ihm die ganze Insel
Sumatra, und als 1290 Marco Polo als erster Europäer dort landete,
nahm er den Namen an, ohne dass die Eingeborenen selbst jemals und ich
glaube auch heute noch nicht einen Namen für die ganze Insel kennen.
(Einem russischen Bauern wird der Collectivname Europa auch nicht sehr
geläufig sein.)

Ob die eingewanderten Hindus Urbewohner gefunden und sich mit ihnen
vermischt haben, ob diese verdrängt wurden oder überhaupt vielleicht
nicht einmal sich dort befunden haben, lässt sich bei dem heutigen
Stande der Wissenschaft noch nicht behaupten; sofort werden wir
sehen, dass die Atjeer keine reine Rasse bilden; aber wenn man sie
auch der malaiischen Rasse unterordnen muss, so haben sie dennoch
Anspruch auf eine eigene Klasse in dieser Menschenfamilie; sie sind
grösser und stärker als die übrigen Malaien dieser Inselgruppe. Schon
während meines Aufenthaltes in Seruway, also an der S.-O.-Grenze von
Gross-Atjeh, fiel mir der Unterschied zwischen den Atjeern und den
Bewohnern der »Ostküste« auf. Natürlich ist ihnen die braune Iris
und Hautfarbe, das glatte Haar, der stark ausgebildete Oberkiefer
und das hervorstehende Jochbein eigen; aber sie sind durch ihren
schlanken Wuchs, durch ihre kräftige Musculatur, durch ihr sicheres
und selbstbewusstes Auftreten mehr den heutigen Klingalesen als den
Malaien ähnlich, ohne jedoch ein so schön geformtes Gesicht wie jene
(Klingalesen) zu haben. Die Klingalesen sind übrigens noch heute ein
bedeutender Bestandtheil dieses Volkes; vielfach haben sich auch
Perser und Araber, Malaien und Javanen, Buginesen (aus den Molukken)
hin und wieder im Laufe der Jahrhunderte dort angesiedelt und sich
mit ihnen vermischt. Häufig wurden von der Insel Nias die durch ihre
Schönheit berühmten Frauen als Sklavinnen nach Atjeh gebracht und
haben als Kebsweiber die atjeeische Rasse geradezu verschönert. Die
Sklaven, welche von den Battakern abstammten, waren zahlreich genug,
um ebenfalls Einfluss auf die Rasseeigenthümlichkeiten des atjeeischen
Volkes genommen zu haben. Sein nationaler Stolz sah freilich in diesen
beiden Stämmen Menschen von inferiorer Rasse, und sie lassen die
Niasser bald von einem männlichen, bald von einem weiblichen Hunde
abstammen. (Auch auf Java erzählt die Sage, dass eine Fürstin eines
Tages ihren Knäuel fallen liess und das Gelübde that, jenen zum Manne
zu nehmen, der ihr den Knäuel aufheben werde; dies that ein Hund, und
sie nahm ihn zum Ehegemahl an.)

Ich muss noch bemerken, dass auch von Singapore chinesische Frauen und
von Mekka arabische Frauen als Sklaven importirt wurden, um natürlich
im Laufe der Zeit zu einem, wenn auch kleinen Bestandtheil der
atjeeischen Bevölkerung sich zu entwickeln.

Jene Fürstin jedoch, welche auf Nias von einem Hund einen Sohn erhielt,
der der Stammvater der Bewohner dieser Insel gewesen sein soll, war
von Atjeh wegen einer garstigen Hautkrankheit dahin verbannt worden.
Sie war das einzige menschliche Wesen dieser Insel, und als ihr Sohn
erwachsen war, wollte er heirathen. Sie gab ihm also einen Ring und
liess ihn auf die Wanderung gehen; die Frau, welcher der Ring passen
würde, sollte seine Ehegenossin werden; nach langer Wanderung hatte
er niemand gefunden, dem dieser Ring gepasst hätte, als seine Mutter.
Er heirathete sie, und aus dieser Ehe sollen die Bewohner von Nias
abstammen.

Auch die Battaker stehen bei den Atjeern nicht hoch angeschrieben,
denn sie werden von ihnen »Schwanzmenschen« genannt; dies wird wohl
die Ursache sein, dass auch auf Sumatra (wie auf Java und Borneo)
die Existenz von »Schwanzmenschen« angenommen wurde. Wenn selbst die
Anatomen und Physiologen (ich will nicht von den Anthropologen und
Ethnographen sprechen) sich mit den Schwanzmenschen wissenschaftlich
beschäftigen und Erklärung und Beschreibungen dieser Menschen
bringen, so kann nur diese Verschwendung von Zeit und Mühe bedauert
werden; +die Schwanzmenschen als Rasse oder als Volksstamm existiren
auf keiner der drei genannten Inseln+. Einzelne Individuen, welche
ein Hauthorn (cornu cutaneum) am Ende der Wirbelsäule haben, mögen
natürlich überall gefunden werden, ich selbst[78] sah ja einen
javanischen Soldaten mit einem solchen Gebilde der Haut am Ende des
Steissbeines; es besass aber keinen Wirbel und musste daher als
einfaches Hauthorn diagnosticirt werden. Ja noch mehr. Mehr als 120
Fälle von »Schwänzen« wurden von Bartels, Schäfer, Virchow, Henning,
Räuber, Fleischmann, Gerlach u. s. w. beschrieben, bei denen die
betreffenden Gebilde entweder keine Schwänze sein konnten, weil ihnen
die wichtigsten und charakteristischen Bestandtheile eines Schwanzes
fehlten, oder -- wie der zweite Fall bei Virchow, wo das betreffende
Individuum selbst zwischen den Schulterblättern ein zweites ähnliches
Gebilde besass -- entsprachen durch den Sitz des Auswuchses nicht
dem Wesen eines Schwanzes.[79] Ich kann natürlich an dieser Stelle
die Beweise für diese Behauptungen der Anatomen Zuckerkandl und
Zernoff nicht wiederholen; aber ich weiss, dass auf den drei grossen
Sundainseln das Wort »Schwanzmensch« als Schimpfwort für die primitiven
Gebirgsbewohner gebraucht wird, dass dieses Schimpfwort die erste
Ursache von der Annahme der Existenz solcher primitiven Menschen war,
und ich kann heute mit aller Bestimmtheit behaupten: Die Existenz der
Schwanzmenschen als Volksstamm auf Sumatra, Java und Borneo muss in’s
Reich der Fabeln und Legenden verwiesen werden.

       *       *       *       *       *

Die Atjeer sind, wie wir sahen, Mohamedaner; daher ist die Kunst
gewiss nicht ihr Schoosskind; ich kann mich aber nicht dem Ausspruch
des holländischen Gelehrten Snouck Hurgronje anschliessen, dass »ihr
Kunstsinn sehr gering oder bis jetzt beinahe ganz latent sei«.[80]
Offenbar legt dieser grosse Kenner des atjeeischen Volkes einen
europäischen Maassstab oder den des continentalen Indien diesem
Ausspruche zu Grunde. Unter den Bewohnern des indischen Archipels
nehmen sie in der Kunst einen hervorragenden Rang ein. Ich sah in den
Haaren der atjeeischen Frauen in Filigran gearbeitete Haarnadeln,
welche jede Modedame zu besitzen wünschen würde; ich besitze Broschen
und Nadeln für Kabajen, welche meiner Frau ein ebenso willkommener
Schmuck waren, als ob sie von dem ersten Goldschmiede Wiens geliefert
worden wären. Ihre Sarongs, aus Seide und mit Goldfäden durchzogen,
sind geradezu kostbare Webestücke.

Ich besass einen Dolch (röntjong), dessen Handgriff aus Horn geschnitzt
und mit Gold und Silber reichlich verziert war. Ich sah genug solche
Waffen, um mir das Urtheil zu erlauben: Die Atjeer sind Künstler im
Verfertigen dieser Waffen.

In der Steinhauerei zeigen sie thatsächlich Kunstsinn; wenigstens die
Grabsteine haben hübsche Figuren auf der oberen Seite, und die ganze
Form ist eine regelmässige, selbst edle zu nennen; es sind Prismen von
4-6-8 Flächen, welche an der Basis schmaler als an der Spitze sind;
der europäische Geschmack kann diese Form vielleicht als »nicht schön«
verurtheilen; aber »Kunstsinn« darf diesen Arbeitern nicht abgesprochen
werden. Hinter dem Kraton steht ein eigenthümliches Gebäude, welches
von den Atjeern Tanam = »Lusthof« genannt wird; man könnte es seiner
Form nach einen künstlichen Berg nennen; schön ist es gewiss nach
europäischer Aesthetik nicht zu nennen; aber es verkündet mit lauter
Stimme, dass die Atjeer Kunstsinn haben oder wenigstens hatten.

Die Musik wird von ihnen ebenfalls gepflegt und gehegt; man darf
natürlich keinen europäischen Maassstab bei der Beurtheilung ihrer
Musik anlegen; aber ich kann es aus eigener Erfahrung behaupten,
dass sie ihrer Haröbab (= Violine) so wehmüthige Klänge zu entlocken
wissen, als der Zigeuner seiner Violine; ich erinnere mich einer
Theatervorstellung auf Java, bei welcher der unglückliche Fischer dem
erschienenen Fürsten der Unterwelt sein Leid klagte, dass alle seine
Arbeit ohne Erfolg bleibe; die malaiische râbab begleitete hinter den
Coulissen sein Flehen und Bitten um reichlicheren Fischfang; es waren
wirklich rührende und ergreifende Töne, welche an mein Ohr drangen
(vide Anhang). Die Zahl der Musikinstrumente (vide Seite 157) ist
ja gross genug, um damit kleine Kapellen zusammenzustellen, wie es
thatsächlich ihre Barden täglich thun.

Die Malerei hat bei den Atjeern bis jetzt ganz brach gelegen,
wie überhaupt alle malaiischen Stämme diese Kunst nur in ihren
primitivsten Elementen ausüben. Der javanische Maler Rhaden Salem[81]
ist und bleibt vorläufig eine Ausnahme.

Die Dichtkunst steht bei den Atjeern ziemlich hoch, obzwar viele
Dichtungen nur mündlich sich fortpflanzen und erst durch äussere
Veranlassungen zu Papier gebracht werden; viele sind in malaiischer und
vielleicht ebenso viele in arabischer Sprache und nur einige in der
Sprache des Landes verfasst. Die zahlreichen Märchen und Erzählungen (=
hababs) werden wie die zahlreichen Sagen und Legenden, wie z. B. »der
kleine Hirsch oder der Eulenspiegel« (nach dem arabischen Chodjah Naçr
addin) oder der Fürst Beo (die indische Elster) oder »der gespaltene
Stein« bei dem Scheine einer Damar oder einer kleinen Petroleumlampe
ebenso häufig erzählt, als der Hausvater den Inhalt von malaiischen
oder arabischen Erzählungen oder grösseren Heldengedichten als
Selbsterlebtes und Selbstgesehenes seinen Kindern mittheilt.

Die Zahl der Gedichte ist jedoch sehr gross; in erster Reihe stehen
die Minnelieder = Pantons, welche sich nur wenig von den im ganzen
Archipel üblichen malaiischen Liebesliedern unterscheiden. Die
Hikajats sind grössere Gedichte mit lyrischem Charakter, in welchen
oft genug auch kleine Erzählungen eingeschlossen sind, und sie fangen
immer mit einem Loblied auf Gott und seinen Propheten an; selbst den
Humor findet man nicht selten in einem Hikajat vertreten, z. B. in
der Pferdesage (Hikajat guda). Ein altes Pferd wird geschlachtet und
unter Bekannte vertheilt; jeder benutzt seinen Theil nach Belieben.
Der Schweif wird zu einem Chignon verarbeitet; der andere macht aus
der Rippe ein Schwert, und eine alte Frau erhält den Penis, den sie
sich vergebens bemüht, durch Kochen gar zu bekommen. Es giebt auch
viele rein epische Hikajats, welche geradezu einen hohen literarischen
Werth haben, so z. B. das Epos »Malém Dagang«, welches die Eroberung
Malaccas unter Alexander dem Jüngeren im 17. Jahrhundert behandelt.
In dem Heldengedichte Hikajat Prang Kompöni sehen wir das Entstehen
und die Entwicklung eines nationalen Epos im Volke der Atjeer, und es
giebt uns vielleicht ein lehrreiches Beispiel für die Entstehung der
Iliade, Odyssee und Aeneide. Ihr Freiheitskrieg gegen die Holländer
wird in einem Gedicht von Abdulkarim besungen, der nicht einmal lesen
oder schreiben konnte, und mündlich pflanzt das Gedicht sich fort
und wird immer und immer verändert; nur wenige Bruchstücke werden zu
Papier gebracht, und erst dem holländischen Gelehrten Snouck Hurgronje
blieb es vorbehalten, das ganze Gedicht durch den Druck der Nachwelt zu
erhalten.

Natürlich giebt auch das Leben der Heroen und Götter der indischen
Mythenwelt einen reichlichen Stoff zu zahlreichen Hikajats, so wie
auch die Thierfabeln eine grosse Rolle in der atjeeischen Literatur
einnehmen; zur Zeit Thoelojmans (= Salomon) haben ja die Thiere die
Sprache besessen, so dass dieser Prophet sehr leicht ihre Sprache
verstehen konnte.

Die dramatische Kunst hat in Atjeh gar keine Vertretung, es sei denn,
dass man analog den Mysterien, Officien, Moralitäten, Passionsspielen
u. s. w. des mittelalterlichen Europas gewisse Spiele der Atjeer als
gleichwerthige Anfänge eines zukünftigen Dramas ansehen will. Diese
Spiele, Ratébs genannt, werden von Snouck Hurgronje »nicht mehr
oder weniger als Parodien auf gewisse religiöse Uebungen« genannt.
Laut werden einzelne Dogmen unter forcirten Bewegungen des Körpers
ausgerufen, und in den Pausen werden einige profane Liebeslieder (=
Nathib) gesungen. Aus diesen religiösen ratébs entwickelten sich
im Laufe der Zeiten die ratébs tädatti, welche einen schon mehr
prononcirten dramatischen Charakter tragen. Zwei junge Knaben werden
in die schönsten Frauenkleider gehüllt (Fig. 20) und treten mit ihren
Brodgebern, den »älteren Brüdern« (auf jeder Seite 15-20 Mann) auf,
um im Zwiegesang und unter anmuthigen Bewegungen des Körpers einen
Wettstreit zu halten. In Fragen und Antworten besprechen sie religiöse,
politische, sociale, alltägliche und wissenschaftliche Fragen, und wer
die anmuthigsten, gut einstudirten Bewegungen zeigt und den besten
Rhythmus im Gesange hält, ist Sieger im Ratéb, und wer die besten
Erzählungen und die besten Witze in den Pausen bringt, ist Sieger im
Nathib.

Dazu gehören gewiss auch die Vorstellungen der Derwische, welche, wie
Snouck Hurgronje ausführlich beschreibt, jeden Freitag stattfinden.
Die »Brüder« stellen sich in zwei Reihen auf und begrüssen ehrerbietig
den Gurée, d. i. den Leiter der Aufführung. Dieser beginnt mit dem
Vaterunser der Mohamedaner (Fa Tihah) und fährt mit einigen Ratébs
fort, welche in einem eigenthümlichen Tone unter Begleitung eines
Orchesters (rapai) und unter leichten Bewegungen des Körpers aller
Derwische gesungen werden. Diese Bewegungen werden nach und nach
stärker, die Stimmen lauter, die Tamburins werden stärker und stärker
geschlagen und geschüttelt; wenn die ganze Schaar beinahe eine rasende
Heerde geworden ist, springt einer auf, fasst eine Waffe oder eine
glühende Kette und schwingt sie nach allen Seiten und trifft bald
diesen oder jenen Theil seines Körpers; hin und wieder zeigt eine
Wunde mit dem herabströmenden Blute, dass diese Derwische nicht so
unverwundbar seien, als sie gewöhnlich behaupten, es zu sein.

       *       *       *       *       *

Nur ungern verlasse ich dies Thema, weil die Dichtungen im Volke der
Atjeer den Ethnographen eine reiche Quelle für ihre vergleichenden
Studien bieten. Wer den Einfluss der Araber und der Hindus auf die
Sitten und Gebräuche aller malaiischen Völker des indischen Archipels
studiren will, kann und darf die Literatur dieses Volksstammes nicht
vernachlässigen, von welchem Snouck Hurgronje (geboren 8. Februar 1857
in Oosterhout) in seinem grossen Werke »Die Atjeers« eine ausführliche
ethnographische Beschreibung gebracht hat.

       *       *       *       *       *

In der ersten Woche des Monats August 1888 erhielt ich von befreundeter
Seite in Kuta-radja die officiöse Nachricht, dass ich mit »erster
Gelegenheit« Atjeh verlassen müsse, weil ich bereits zwei Jahre in
dieser Garnison verweilt habe, ohne dass ich den »Wunsch geäussert
hätte, in Atjeh zu bleiben«. Es sind nur wenige Officiere, welche
sich dazu entschliessen, um eine Verlängerung ihres Aufenthaltes in
dieser Garnison zu ersuchen. Die reglementär festgesetzte Dauer war
damals für ledige Officiere und für Strohwittwer vierzehn Monate und
für verheirathete Officiere zwei Jahre. Abgesehen von den günstigen
pecuniären Verhältnissen fesselte damals nur weniges den Officier an
die Garnisonsplätze Atjehs.

Der Ehrgeiz, in einer grossen Feldschlacht sich auszeichnen zu können
und den Wilhelmsorden zu erhalten, fand nur selten Gelegenheit,
befriedigt zu werden; im »kleinen Kriege« wird diese schöne
Auszeichnung selbstverständlich nur wenigen zu Theil und dann nur --
wenn sie sich der Protection zu erfreuen wussten; ich hatte zwei Mal
»im Feuer verbunden«, ohne dass ich nur ein anerkennendes Wort dafür
erhalten habe. Nun ist es richtig, dass die Statuten dieses Ordens auch
eine persönliche Bewerbung unter Anhörung von Zeugen seiner Heldenthat
gestatten; da ich jedoch mir bewusst gewesen war, meine Pflicht und
nichts als meine Pflicht gethan zu haben, kam mir der Gedanke, mich
um diesen Orden zu bewerben, nicht einmal in den Sinn und -- der
Landessanitätschef hat aus eigener Initiative auch nichts gethan.

Was die günstigen pecuniären Verhältnisse betrifft, waren sie ja für
den Militärarzt von untergeordneter Bedeutung. Ich erhielt nämlich
1200 Fl. jährlich Quartiergeld, ohne für die Wohnung etwas bezahlen
zu müssen; aber ich hatte (wenigstens auf Lambaro) keine Civilpraxis,
während in den meisten übrigen Garnisonen des indischen Archipels der
Militärarzt Gelegenheit hat, oft das Drei- bis Vierfache pro Jahr durch
die Civilpraxis zu verdienen. Diese Triebfeder, auf Atjeh zu bleiben,
bestand für mich also nicht.

Im übrigen waren ja die äusseren Verhältnisse so ungünstig als
möglich. Das Leben in den Tropen mit allen seinen Entbehrungen, mit
allen seinen Gefahren für meine und meiner Frau Gesundheit, das Leben
in einem kleinen Fort mit allen seinen Beschränkungen im täglichen
Leben, mit allen seinen Aufregungen, mit allen seinen Gefahren und mit
seiner Monotonie forderte von meinen Nerven so viel, dass das Gefühl
der Erleichterung mich bei der Nachricht beseelte, +endlich+ Atjeh
verlassen zu können.

Noch bei meiner Abreise von Lambaro sollten ich und meine Frau in
unangenehmer Weise ein uns zugedachtes Andenken erhalten.

Mein Nachfolger war mit dem Morgenzug von Kuta-radja angekommen, hatte
meine Möbel übernommen, und um 11 Uhr begab ich mich, begleitet von dem
»Liniencommandant«, dem damaligen Major Schneider, zum Bahnhofe. Wir
hatten noch keine 25 Schritte zurückgelegt, als aus dem nahegelegenen
Schilfrohr ein Kugelregen uns überfiel; wir mussten uns in die Cantine
flüchten. Endlich stellte der Feind seine Schiessübungen ein, ohne nur
einen von uns getroffen zu haben, und wir eilten so rasch als möglich
zum Bahnhofe und bestiegen sofort die Waggons, welche mit dicken
Panzern gegen die feindlichen Kugeln geschützt waren.

Denselben Abend gab der Landessanitätschef in Kuta-radja uns beiden zu
Ehren ein Abschiedsfest, und den anderen Morgen verliessen wir mit dem
»General Pel« diese Garnison, und jene Gespenster, welche bei unserer
Ankunft ihr graues Haupt über den Rand des Horizontes uns drohend
zugewendet hatten, sanken trostlos in die Tiefe der glatten und ruhigen
See. Mit heiler Haut waren wir den meisten Gefahren entronnen, welche
uns während des zweijährigen Aufenthaltes in Atjeh bedroht hatten. Nur
die Beri-Beri hatte mich ergriffen. Beim Verlassen der Insel war jedoch
nur die Herzaffection zurückgeblieben; jede körperliche oder geistige
Anstrengung brachte meinen Puls auf 120-130 Schläge in der Minute.

Unsere Reisegesellschaft war nicht gross; der »General Pel« war ein
alter Dampfer, welcher uns auf der Reise noch manche unangenehme
Augenblicke verschaffen sollte.

Zunächst hatte ich in Analabu[82] eine heikle Aufgabe zu lösen.

Hier lag eine Compagnie Soldaten unter dem Commando eines Hauptmanns
in Garnison. Da dieser Küstenplatz mitten im Sumpfe lag, war die
Garnison immer und immer vom Fieber heimgesucht, und ein steter Wechsel
der Bemannung war dringend nöthig; die Officiere wurden reglementär
nach 3 Monaten von dort abgelöst; natürlich konnte im Nothfalle mit
jedem Schiffe, welches zwei mal im Monat dort landete, eine Evacuation
stattfinden. Uebrigens lag ein Kriegsschiff im Hafen, welches in der
Zwischenzeit in aussergewöhnlichen Fällen von Kuta-radja Hülfe holen
konnte.

Der Oberarzt war seit vier Wochen dieser Compagnie zugetheilt und
hatte sofort nach seiner Ankunft das Wechselfieber bekommen und mit
erster Gelegenheit den Landessanitätschef in Kuta-radja per Brief
ersucht, ihn von Analabu ablösen zu lassen. Warum der Oberstabsarzt Y.
nicht sofort einen Arzt dahin schickte -- und wäre es nur um diesen
Collegen behandeln zu können --, dies war mir nicht bekannt; auch
überraschte mich nicht wenig der geheime Auftrag, den ich von ihm bei
meiner Abreise erhielt. Ich sollte in Analabu an das Land gehen und den
dortigen Garnisonsdoctor X. untersuchen. Nach meinem Ermessen sollte
ich dann entweder den Befehl zurücklassen, mit nächster Gelegenheit
Dr. X. nach der Hauptstadt zu evacuiren, oder aber den Oberarzt B.
zurücksenden, welcher mir mitgegeben wurde, um eventuell den Dienst vom
Garnisonsdoctor X. zu übernehmen.

Den 21. August erschien unser Dampfer in dem Hafen von Analabu, und
ein Boot des Kriegsschiffes brachte die ganze Reisegesellschaft an
das Land. Sofort liess Dr. X. sein Gepäck auf unsern Dampfer bringen.
Ich habe selten so ungünstige sanitäre Zustände gesehen als damals
zu Analabu. Alle Soldatenfrauen, welche mir entgegenkamen, waren
kachektisch mit einem Stich ins gelbliche. Die Soldaten selbst sahen
weniger ungünstig aus, wenn auch nur wenige sich einer vollkommenen
Gesundheit erfreuten. Der besten Gesundheit erfreute sich -- Dr. X.
Er theilte mir mit, dass die Fieberanfälle sich jeden Morgen um 6 Uhr
einstellen. Bei meiner Untersuchung fand ich eine Körpertemperatur
von 37.2; die Leber war nicht vergrössert, die Milz war unter dem
Rippenbogen palpabel; aber für ein periculum in mora fand ich kein
Symptom. Wir blieben drei Stunden in Analabu, während welcher Zeit in
seinem Zustande keine Veränderung eintrat. Meine Instruction lautete,
nur im +Nothfalle+ Dr. X. zu evacuiren. Dieser lag nicht vor. Späterhin
habe ich mir sehr oft darüber die schwersten Selbstvorwürfe gemacht;
wenn durch einen unglücklichen Zufall das Wechselfieber diesen jungen
Collegen in Analabu dahingerafft hätte, wäre ich vielleicht zur
Verantwortung gezogen worden. Es ist glücklicher Weise anders gekommen;
Dr. X. blieb drei Monate in Analabu, und drei Jahre später wurde er
nach Tjilatjap, dem grössten Fieberherde Javas, geschickt, um +mich+ zu
evacuiren, weil ich nach einem Aufenthalte von einem Jahre der Malaria
zu erliegen drohte.

Als ich in Analabu die Garnison so fürchterlich von der Malaria
heimgesucht sah, dass mit Ausnahme einiger Soldaten alle übrigen wie
Gespenster mir entgegentraten, wandte ich mich an den Commandanten
des Forts, der gleichzeitig mit der Leitung der »politischen Agenden«
betraut war, mit der Frage, ob es denn gerechtfertigt sei, in eine
solche Pesthöhle eine Garnison zu legen und zu erhalten und die
Gesundheit und das Leben so vieler Menschen dem Moloch Malaria jährlich
zu opfern!

»Ja der Besitz von Colonien heischt Opfer, viele Opfer,« erwiderte mir
dieser Hauptmann, der schon vier Jahre, sage vier Jahre hintereinander
in dieser Mördergrube gelebt hatte und dabei einer ziemlich guten
Gesundheit sich erfreute; »aber sie sind unvermeidlich. Wie lange
ist es her, dass in nächster Nähe ein dänischer Schiffscapitän mit
seiner Frau von den atjeeischen Seeräubern gefangen wurde und ein
Lösegeld von 30000 Dollars bezahlt werden musste. Dieser Betrag soll
nun von Bewohnern der betreffenden Küstenplätze zurückerstattet
werden; dies muss geschehen, weil sie sonst glauben würden, in Zukunft
ungestraft solche Raubzüge ausführen zu können. Um diesen Betrag
jedoch erhalten zu können, wurde ein Ausfuhrzoll auf Pfeffer und auf
die andern Exportartikel des Landes gelegt. Das Land ist ja reich;
die üppige Tropennatur spendet reichlich ihre Gaben; hier an der
Küste ist allerdings eine Sumpfvegetation; aber schon wenige Paalen
(1 Paal = 1½ km) hinter dem Fort erhebt sich das Terrain zu sanft
aufsteigenden Bergen mit einem sanften herrlichen Klima; Pfeffer,
Reis, Tabak, Kapok, Kampfer, Guttapercha, reiches Bauholz, Rottang,
Betelnuss, Bambus, Seide, Goldstaub, Benzoe, Salz, Schwefel, Damar
(Harz), Pferde, Büffel, Ziegen und Fische können unter dem friedlichen
Scepter der holländischen Regierung für die Bewohner des Landes eine
ergiebige Quelle zur Schaffung eines nationalen Reichthums werden. Dazu
gehört aber in erster Reihe Sicherheit des Lebens und des Eigenthums
der Ansiedler und jener Atjeer, welche dem Handel oder dem Ackerbau
sich widmen wollen. Dafür ist aber eine bewaffnete Macht unerlässlich.
Vorläufig kann diese nur an der Küste ihren Sitz haben; im Laufe
einiger Jahrzehnte werden die Bergbewohner und vielleicht sogar die
im Innern des Landes hausenden »Gajustämme« den Vortheil erkennen,
welchen die holländische Regierung mit Bezug auf Sicherheit des Lebens
und Eigenthums schafft; sie werden uns um Schutz und Hülfe bitten, sie
werden aus ihrer isolirten Lage herabsteigen, sie werden ihr Land d. h.
das Innere Atjehs uns eröffnen, und ich zweifle nicht, dass am Ende
des 20. Jahrhunderts Atjeh ebenso blühend, ebenso reich bevölkert und
ebenso civilisirt sein wird als irgend eine Residentie der Insel Java
oder sogar als irgend eine Provinz des heutigen grossen Moffrika.«[83]

Die Dampfpfeife gab das Signal zur Abreise, und mit den Worten
Amin, Amin! besiegelte ich den frommen Wunsch und dankte ihm für
die instructiven Mittheilungen und für seine gastfreundschaftliche
Bewirthung und bestieg das Boot, welches mich wieder auf den »General
Pel« brachte.

Den nächsten Morgen passirten wir die Schweinsinsel (Pulu Babi) und
die äusserste Spitze der Westküste von »Atjeh und Vasallenstaaten«[84]
(onderhoorigheden). Diese Provinz ist 9666 ☐Meilen gross und hat
ungefähr 540000 Einwohner, worunter sich 328 Europäer und 3933 Chinesen
befinden (im Jahre 1897). Das eigentliche Atjeh, oder, wie es officiell
genannt wird, »Gross-Atjeh«, hat seine Grenzen in einem Dreiecke
(= Tiga Sagi), welches die Atjeer selbst mit einer Futterschwinge
vergleichen. Die Basis dieses Dreieckes durchzieht den Norden Sumatras
in einer Linie, welche an der Ostküste bei Pedir beginnt und an der
Westküste bei 4° 50′ N. B. bei Pulu radja (= Königsinsel) endigt.
Die ganze »Residentie Atjeh und Vasallenstaaten« hat ebenfalls eine
dreieckige Form, deren Basis von der Mündung des Tamiangflusses an der
Ostküste bis zum Vorgebirge Tjalo Batóe in einer krummen Linie zieht.
Das Innere dieser Provinz wird von Wilden bewohnt, welche als Bewohner
der Gaju-Länder und der Alaï-Länder bis vor kurzem nur dem Namen nach
bekannt waren. Von ihren Sitten und Gebräuchen oder von ihrem socialen
und gesellschaftlichen Leben ist bis jetzt so wenig zur Kenntniss der
Fachleute gelangt, dass ihr Gebiet noch eine terra incognita genannt
werden muss.

       *       *       *       *       *

»Gross-Atjeh« soll im Jahre 1205 (601 der Hedschra) von einem Araber
gegründet worden sein, der nach Sumatra kam, um den Islam zu predigen,
in Atjeh heirathete und als Sultan Djohan Schah 30 Jahre über Atjeh
regierte. Erst im Jahre 1599 (21. Juni) landeten hier zum ersten Male
holländische Kaufleute unter Cornelis und Frederik de Houtman, und
schon zwei Jahre später (1601) gingen zwei atjeeische Fürsten nach
Holland, um dem Prinzen Mauritz zu huldigen. Im Jahre 1616 zwang
der Sultan Iskander (= Alexander) Muda die Holländer, die Factory
abzubrechen und vertrieb sie sogar von Padang. Im Jahre 1641 eroberten
sie Malacca, und nach dem Tode des Sultans Iskander Tsami kamen vier
weibliche Sultane an die Spitze des atjeeischen Reiches, und eine
derselben mit dem Namen Tadju-l-alam wollte einen Holländer heirathen
und zum Mitregenten annehmen.

Alle seefahrenden Nationen haben seit dem Bestehen des Reiches
abwechselnd ihr Glück hier gesucht, bis endlich 1824 England definitiv
seinen Besitz an Holland abtrat. Am 30. März 1857 schloss Holland mit
dem Sultan von Atjeh einen Vertrag auf dem Fusse der meistbegünstigten
Bundesgenossen, und als trotz wiederholter Ermahnungen dieser Vertrag
nicht gehalten wurde, erklärte am 26. März 1873 Holland den Krieg an
Atjeh, welches, wie wir schon sahen, nominell +einen+ Sultan hatte, der
zur Zeit meiner Anwesenheit Sultan Alaédin Muhamat Dawot Tjah hiess und
in Kamala als Flüchtling lebte.



10. Capitel.

Auf einem alten Dampfer -- Die Insel Nias -- Niasser -- Niasser und
Dajaker -- Ein gefährliches Landen -- Oel glättet die stürmischen Wogen
-- Schmutzige Fiaker -- Ein Haudegen -- Die Engländer in Padang --
Vortheile eines hölzernen Hauses -- Padang ist ein grosser Garten --
Malaiische Silberarbeiten -- Das Zodiakallicht -- „Der Culturzwang“ --
„Das Gouvernement der Westküste Sumatras“ -- Der Padrikrieg.


Auf dem »General Pel« schien so manches nicht in Ordnung zu sein. Schon
in der Nähe der Insel Babi[85] erschien der erste Maschinist so oft auf
dem Deck, um dem Schiffscapitain dienstliche Mittheilungen zu machen,
dass wir etwas unruhig wurden. Im scherzenden Tone theilte uns dieser
mit, dass wir alle Aussicht hätten, wegen eines Defectes der Maschine
steuerlos den Wellen uns anvertrauen zu müssen, welche uns sicher und
gewiss auf die Insel Nias bringen würden, und dass wir in höchstens
2 Tagen als saftiger Braten dem Radja von Nias vorgesetzt werden
würden. Den scherzenden Worten lag aber ein Gran Wahrheit zu Grunde;
das Schiff neigte sich immer mehr und mehr auf die Backbordseite.
Wir hatten bereits die Grenze Atjehs überschritten und passirten die
Provinz Trumon und sahen im Hintergrunde die Spitzen der Berge Trumon
und Kokohan und steuerten beinahe in gerader Richtung auf die vor uns
liegenden »Zahlreichen Inseln« (Pulu banjak) zu. Hier endlich theilte
uns der Schiffscapitain mit, dass in einen der Kessel ein Leck gekommen
sei, und dass wir daher mit halber Kraft fahren müssten. Gefahr sei
keine vorhanden; er sei jedoch bereit, auf eigene Verantwortung in
Singkel zu landen, »wenn die Passagiere Furcht hätten«. Ich wusste
natürlich, dass dieser Vorschlag nicht ernst gemeint war, weil jeder
Schiffscapitain den Auftrag hat, so schnell als möglich seinem Ziele
zuzusteuern; aber als Sprecher aller Passagiere glaubte ich ihm
folgende Frage vorlegen zu müssen: »Singkel ist berüchtigt durch
seine schweren Sumpffieber. Der Aufenthalt von einigen Stunden in
diesem Hafen sei hinreichend, die Malaria zu acquiriren«; ich müsste
ihn also fragen, was er für seine Person für bedenklicher halte: Mit
der defecten Maschine weiter zu fahren oder einen halben oder einen
ganzen Tag in dem Hafen von Singkel vor Anker zu liegen. Er gab uns die
Antwort, dass er in diesem Falle unbedingt weiter fahren würde. Auch
die anwesenden Damen fühlten sich durch diese Antwort beruhigt, und so
fuhren wir auf einem Dampfer, der mit seinem Hauptmaste einen Winkel
von beinahe 60° gegen den Horizont einnahm.

Wir waren im Gebiete des »Gouverneurs der Westküste Sumatras«[86],
welches in 3 Residentien eingetheilt wird: Tapanuli, Padangs Oberländer
und Padangs Tiefland.

Glücklich passirten wir die Inseln Mansalar, Nias und Steininseln (P.
Batu) und erreichten endlich den 23. September ohne jedes unangenehme
Intermezzo die Residenzstadt Padang.

Eine grosse Inselreihe beschützt die Westküste Sumatras wie ein
mächtiger Wall vor den stürmenden und brausenden Wogen der Südsee,
und nur diesen Inseln ist es zu danken, dass an zahlreichen Punkten
schöne und gute Häfen angelegt werden konnten. Leider gehört keine
dieser Inseln zu dem gewinntragenden Besitze Hollands. Selbst die Insel
Nias hat bis jetzt der Insel Sumatra und indirect dem holländischen
Reiche keinen anderen Nutzen gebracht als den Export seiner schönen
Frauen. Schon vor 200 Jahren schloss die ostindische Compagnie mit
einigen der zahlreichen Fürsten dieser Insel einen Handelscontract,
welcher im Jahre 1756 erneuert wurde, ohne dass die Errichtung einer
Factory auch nur die Kosten derselben gedeckt hätte. Die Engländer
errichteten (während ihres Interregnums auf Sumatra) auf dem Hügel
Sitoli ein kleines Fort, um mit bewaffneter Hand dem Sklavenhandel
entgegentreten zu können. Es gelang ihnen ebensowenig als den
Holländern, welche im Jahre 1836 dieses Fort aufhoben und einen
atjeeischen Häuptling zum politischen Agent von Nias einsetzten. Der
»Bock erwies sich als schlechter Gärtner«, und 1840 wurde wieder auf
demselben Hügel ein kleines Fort gebaut. Als aber 1846 der Lieutenant
Donleben bei der topographischen Aufnahme dieser Insel von den Niassern
überfallen wurde, sah sich die holländische Regierung veranlasst,
ernste Maassregeln zu treffen, um dem Räuberwesen auf Nias ein Ende
zu machen. Aber erst der Expedition, welche den 29. December 1855
Padang verliess, und jener vom Jahre 1863 gelang es, die ganze Insel
zu unterwerfen und sie dem »Gouvernement der Westküste von Sumatra«
einzuverleiben.[87]

Die Niasser sind Heiden und stehen oder sagen wir standen vor 50
Jahren noch auf derselben Stufe der Civilisation als die Dajaker auf
Borneo.[88] Thatsächlich sollen sie in ihrer Hautfarbe, in ihrem
Körperbau, in ihren Sitten und Gebräuchen, in ihren Wohnungen und in
ihrem Gottesdienste so verwandt mit den Dajakern sich zeigen, dass
viele Ethnographen sie von Borneo abstammen lassen, während andere in
ihnen Abkömmlinge von den Battakern des östlichen Sumatra sehen wollen.
Gegen beide Theorien sind die Einwände so zahlreich, dass man wirklich
am besten sie über Bord wirft und die genannten drei Volksstämme
als Urbewohner ihres Landes betrachtet, welche durch die grosse
Völkerwanderung im vierten Jahrhundert mehr oder weniger in ihren
Sitten und Gebräuchen beeinflusst wurden. Durch diese Theorie lässt
sich viel leichter die Aehnlichkeit der Niasser und Dajaker erklären,
als dass Nias von Borneo oder umgekehrt Borneo von Nias bevölkert
worden wäre.

Nias, die grösste Insel der miocenen Inselreiche, hat einen Flächenraum
von 4500 ☐km, hat keine Vulcane, zahlreiche kleine Flüsse, drei
Gebirgsketten mit zahlreichen kleinen Bergen, worunter der Hili Matjua
mit 600 Metern die grösste Höhe besitzt, hat keine Seen, einige
gepflasterte Wege, sonst zahlreiche Fusspfade, birgt Eisen, Kupfer
und Gold in seinen Bergen, den sumatranischen Hirsch, Wildschweine,
Rehe (Kidang), den Kees, den fliegenden Maki, den fliegenden Hund, das
Schuppenthier, den Musang, die Otter und das Stachelschwein[89] in
seinen Wäldern, und seine Flora unterscheidet sich ebenfalls nur wenig
von der der Insel Sumatra.

Die Niasser sind im Durchschnitt 160 cm gross, haben eine gelbweisse
bis lichtbraune Hautfarbe, schwarze Haare, keine breiten Nasenflügel
(wie z. B. der Malaie), und zahlreich sollen unter ihnen die Albinos
sein. Die tägliche Kleidung besteht aus einem Gürtel (wie der Djawat
bei den Dajakern), Weste und einem Kopftuch bei den Männern; die
Frauen tragen einen kurzen Sarong, Armringe, blaue Korallenschnüre,
Armringe und Ohrringe aus Kupfer, welche die Ohrläppchen, wie bei den
Frauen auf Borneo, bis auf die Schultern ausdehnen. Die Galakleidung
der Häuptlinge ist allerdings sehr reich und soll oft einen Werth von
3-4000 fl. haben; die Krone mit einer hornförmigen, ungefähr einen
Meter langen Spitze, der Fächer, ein goldener Halskragen und ein Dolch
mit goldenem Griffe sind die theueren Kleidungsstücke eines Häuptlings,
welcher sich in seinem ganzen Schmucke den Fremden zeigen will.

Die einzelnen Gebräuche, welche auch bei den Dajakern üblich sind und
geradezu herausfordern, einen Vergleich mit diesen beiden räumlich so
weit entfernten Volksstämmen zu ziehen, sind folgende:

Bewaffnet sind beide immer und zwar mit Lanze, Schild und Kopfmesser
(Fig. 22). Beide tättowiren sich, die Niasser feiern ebenso zahlreiche,
viele Tage dauernde Feste wie die Dajaker; beide kennen Kriegstänze
der Männer, und der Tanz der Frauen im Reigen ist auf Borneo beinahe
ganz derselbe wie auf der Insel Nias. Die Religion beider Stämme ist
im Principe nichts anderes als ein Beschwören jener Geister, welche
die Menschen mit Unheil und Krankheiten bedrohen. Der gute Geist »Lubu
langi« wird von den Niassern ziemlich vernachlässigt, während den
Adjus Opfer gebracht werden müssen, um sie für die Menschen günstig
zu stimmen. (Der gefährlichste dieser übelwollenden Geister heisst
Nadaaja.)

Soweit beide Stämme bereits mit den Europäern in Berührung gekommen
sind, gebrauchen sie im Handelsverkehr Münzen; im Uebrigen herrscht der
Tauschhandel -- mit Gold; für europäisches Papiergeld haben sie noch
kein Verständniss.

Warum Nias im indischen Archipel öfters und häufiger genannt wird, als
alle übrigen Inseln jener grossen Schutzmauer, welche die Westküste
Sumatras gegen die brausenden und stürmenden Wogen der Südsee
beschützen, ist mir nicht bekannt; vielleicht ist sie ethnographisch
interessanter; vielleicht hat der Sklavenhandel auf dieser Insel die
holländische Regierung gezwungen, mit dieser Insel sich stark zu
beschäftigen; oder sollten seine schönen Frauen die Ursache ihres
Ruhmes sein?

       *       *       *       *       *

[Illustration: Fig. 23. Ein Kampong (malaiisches Dorf) auf und an den
Ufern eines Flusses.

(Vide Seite 181.)]

Ohne auch nur die Mentawei-Inseln[90] zu sehen, welche mit Padang auf
derselben geographischen Breite (1° S. B.) liegen, kam also unser
Boot den 23. August zwischen den Walfischklippen und den Pisanginseln
um 9 Uhr Morgens vor Anker. Der Emmahafen, welcher jetzt südlich von
dem damaligen Hafen angelegt und mit modernen Einrichtungen für den
Transport von Waaren und besonders der Kohlen aus den Ombilienfeldern
versehen ist, war im Jahre 1888 erst projectirt. Wer nur einmal in dem
alten Hafen landen musste, versteht nicht, dass es erst der jüngsten
Zeit vorbehalten bleiben musste, die grosse Handelsstadt Padang auf
bequeme und ungefährliche Weise erreichen zu können. Obwohl die
vorliegenden Inseln die Gewalt der Wogen des südlichen Oceans brachen,
geschah es nur zu oft, dass ein Landen unmöglich war, und dass die
blaue Fahne auf dem Walle zum Zeichen wehte, dass wegen schweren
Wellenganges der Verkehr mit der Rhede verboten war. Als wir am 23.
August 1888 ankamen, bestand officiell kein Hinderniss, sofort an
Land zu gehen; der Kahn jedoch, welcher mit der Dampfbarcasse das
Ufer verliess, um die Passagiere abzuholen, tanzte auf den Wogen
schwindelerregend und schaukelnd auf und ab. Wir standen am Deck, um
dem komischen Treiben der Affen (Cercopithecus) zuzusehen, welche bei
unserer Ankunft von dem Affenberge herabeilten, um in den durch die
Schiffsschraube aufgepeitschten Wellen zu spielen. Meine Frau wandte
plötzlich den Blick gegen den Landungsplatz und sah die Dampfbarcasse
hinter einer hohen Welle in die Tiefe der See verschwinden. Mit einem
Schrei des Entsetzens wies sie nach der Unglücksstätte. Lächelnd
beruhigte ich sie mit der Versicherung, im nächsten Momente das kleine
Schiff auf der Spitze des Wellenberges erscheinen zu sehen. So geschah
es auch; aber meine Frau verweigerte, bei diesem »hohen Stand der See«
an’s Land zu gehen. Es war wirklich ein gefährlicher Moment, als die
Dampfbarcasse vor der Falltreppe lag, um die Passagiere aufzunehmen.
Bald hoben die Wogen das kleine Schiff hoch über die Treppe, bald
wurde es mit grosser Kraft gegen den Schiffsrumpf geschleudert, bald
sank es einen Meter tief unter die Treppe. Mit Stangen und Haken und
Tauen in den Händen gelang es den Matrosen, diesen kleinen Dampfer in
der Nähe der Treppe zu halten und das Einsteigen der Passagiere zu
ermöglichen. Nur eine viertel Stunde dauerte die Fahrt nach der Küste,
und auch wir stürzten von einem Wellenberg in’s Wellenthal, um im
nächsten Augenblicke wie eine Nussschale auf dem folgenden Wellenberg
zu schaukeln und zu schwanken.

Schon seit vielen Jahrhunderten ist es bekannt, dass die Wellen des
stürmenden Meeres durch etwas auf die Oberfläche gegossenes Oel
geglättet werden; bereits Aristoteles, Plutarch und Plinius erwähnen
diese Eigenschaft des Oeles[91], und im Jahre 1881 hatte Shields
mit gutem Erfolge im Hafen von Peterhead (Schottland) das Oel zur
Beruhigung der See angewendet. Ich selbst hatte Gelegenheit, mich
von der Richtigkeit dieser Beobachtungen zu überzeugen. Es ist daher
unverständlich, dass die holländische Regierung niemals daran gedacht
hat, in diesem Hafen und auch auf Java eine ausgedehnte Anwendung des
Oeles zur Beruhigung einer grossen Brandung einzuführen.

Der neue Emmahafen bei Padang hat bei ruhiger See allerdings jetzt kein
Bedürfniss dafür; die Schiffe ankern direct an dem Wall, und nur für
den Fall, dass sie auf eine Landung warten müssen, werfen sie einige
hundert Meter vom Lande entfernt die Anker in die See.

Gegen 11 Uhr kamen wir in’s Hôtel, und da ich in Uniform gekleidet war,
benützte ich diese Gelegenheit mich zu melden und gleichzeitig mit
meiner Frau eine Spazierfahrt durch die Stadt zu machen. Die Miethwagen
sind in Padang um nichts weniger schmutzig und sehen ebenso verfallen
aus als in Batavia, Samarang u. s. w. Die Wagenvermiether kaufen auf
Auctionen die ältesten, schmutzigsten und verwahrlostesten Mylords,
Landauer u. s. w. und bringen sie sofort in Gebrauch, ohne auch nur
einen Cent auf ihre Renovirung zu verwenden.

Speciell in Padang waren diese Ruinen alter Herrlichkeit damals
im Localverkehr geradezu eine Sammlung von gefährlichen und
antihygienischen Antiquitäten.

Drei bis vier mal im Monate brachte nämlich ein Dampfer von
Atjeh jene unglücklichen Patienten, welche in den militärischen
Gesundheitsetablissements der »Padangschen Oberländer« Erholung
suchten und fanden. Diejenigen Patienten, welche nicht marschiren
konnten, wurden in diesen Miethwagen nach dem Spitale gebracht, welches
zwei km weit (neben der Caserne) vom Hafen entfernt war. Natürlich
befanden sich darunter auch viele Dysenterie-, Malaria- und selbst
Cholerapatienten, ohne dass (wenigstens damals) sich jemand mit der
Desinfection dieser Wagen bemüht hätte. Seitdem der Emmahafen im
Gebrauch ist, haben sich diese Verhältnisse bedeutend gebessert. Die
Eisenbahn, welche in’s Innere des Landes führt, giebt eine Seitenlinie
für das Spital ab, und alle Patienten werden per Waggon bis zum Thore
des Spitals gebracht.

Wir hatten keine Wahl und fuhren also ebenfalls mit einem solchen
hässlichen und schmutzigen Fiaker (?) vom Hôtel aus zunächst zum
Spitalchef, um meine Ankunft bei meinem Chef und darnach bei dem
Platzcommandanten zu melden. (Meine Frau blieb natürlich im Wagen, auf
mich wartend.) Letzterer hatte jedoch »keine Zeit« mich zu empfangen;
ja noch mehr; um gewiss nicht mit mir zusammenkommen zu müssen, gab
er dem Adjutanten den Befehl, meinen Marschbefehl nicht nur für die
Ankunft, sondern auch für die Abreise am 26. August sofort zu visiren.
Der Anlass zu diesem gespannten Verhältnisse zwischen mir und dem
Obersten ist interessant und so charakteristisch für den Haudegen, der
»einen einmal gegebenen Befehl nicht zurücknimmt«, dass ich nicht umhin
kann, ihn ausführlich mitzutheilen.

Im November 1886 befand ich mich in Kuta-radja in Garnison und bekam
den Auftrag, einen Krankentransport nach Padang zu begleiten und mit
dem Dampfer, welcher auf seiner Fahrt von Batavia nach Atjeh in Padang
anlegen wird, meine Rückreise anzutreten. Als dieser Dampfer in dem
Hafen anlegte, hatte er die gelbe Flagge auf dem Topp des grossen
Mastbaumes als Signal, dass ansteckende Kranke sich an Bord befanden.
Der Platzcommandant gab den Garnisonsbefehl aus, dass niemand an Bord
dieses Schiffes gehen und dass überhaupt kein Verkehr mit diesem
Schiffe stattfinden dürfe. Da ich und ein Oberarzt, welcher ebenfalls
auf diese Gelegenheit wartete, nach Atjeh zurückzukehren, keine Ursache
hatten, wegen der Cholera auf dem Schiffe unsere Abreise aufzuschieben,
meldeten wir uns den Tag vor der Abreise des Schiffes reglementair bei
diesem Platzcommandanten für die Abreise, und ich frug vorsichtshalber,
ob das Verbot, mit diesem Schiffe zu reisen, auch auf mich und meinen
Collegen Anwendung fände.

»Nein, Sie beide sind als Aerzte natürlich davon ausgeschlossen; es
wird ja Ihre Anwesenheit auf dem Schiffe sehr erwünscht, wenn nicht
geradezu nöthig sein.«

»Natürlich,« erwiderte ich, »gehen auch die Krankenwärter mit,
welchen ebenfalls in ihrem Marschbefehle angeordnet wurde, mit dieser
Gelegenheit zurückzukehren.«

»Nein, die Krankenwärter bleiben hier.«

»Aber ich bitte, Herr Oberst! Wir können die Krankenwärter nicht
entbehren; wir können die an Bord befindlichen Cholerapatienten wohl
behandeln, aber wir können sie nicht verpflegen. Dazu gehören ja die
darin geübten Krankenwärter.«

»Nun, dann werden die Kameraden den Patienten die nöthige Pflege
zukommen lassen, wenn Sie es nicht thun können oder nicht wollen.«

»Aber Herr Oberst! Wir können uns ja bei einer ansteckenden Krankheit
nicht auf die Pflege der Kameraden verlassen.«

»Nun ist es genug, Herr Doctor! Die Krankenwärter bleiben hier, Sie
beide reisen morgen ab; einen einmal gegebenen Befehl nehme ich nicht
zurück. Guten Morgen!« --

Mit einem militärischen Grusse empfahlen wir uns, und kaum waren wir
bei der Thür, als der Oberst X. mich allein zurückrief und mir verwies,
dass die Masche der Feldbinde nicht an ihrem Orte, d. h. hinter dem
Griffe des Säbels sass. Als wir beide den nächsten Morgen auf’s Schiff
kamen, waren alle Krankenwärter anwesend, welche mit uns die Reise
gemacht hatten. Offenbar hat sich dieser Haudegen genirt, vor mir
eingestehen zu müssen, dass jedermann in die Lage kommen könnte, »einen
einmal gegebenen Befehl« widerrufen zu müssen.

Nach diesen obligaten Vorstellungen fuhren wir durch die Stadt, um
die Zeit vor der »Rysttafel« durchzubringen und gleichzeitig einen
Totaleindruck von dieser Stadt zu bekommen.

Padang hatte schon im Jahre 1666 eine holländische Niederlassung; als
im Anfange des 19. Jahrhunderts die Insel Sumatra in den Besitz von
England kam, übersiedelten viele englische Familien von Singapore, von
der Insel Pinang und von Malacca dahin und brachten ein neues Element
in diese übrigens gut malaiische Stadt. Das englische Interregnum
dauerte nur bis zum Jahre 1824, und die eingewanderten Engländer
blieben im Lande, vermehrten sich, ohne jedoch den Charakter der Stadt
zu beeinflussen. Im Allgemeinen ist ja der Unterschied der englischen
und holländischen Städte in den Colonien geradezu auffallend. Der
Engländer behält auch in den Tropen seine heimathlichen Sitten und
Gebräuche bei; der Holländer jedoch fügt sich so viel als möglich in
die Sitten des Landes.[92] In Padang ist heute von der Anwesenheit
dieses englischen Elementes absolut gar nichts zu merken: es ist eine
holländisch-indische Stadt wie jede andere auf Java oder Borneo oder
Sumatra. (Medan auf der Ostküste dieser Insel ist eine Ausnahme.)

Die Häuser selbst tragen ausgesprochen den indischen Charakter (Fig.
2 u. Fig. 23). Sie bestehen aus Holz, ruhen auf Pfählen und sind mit
Atap gedeckt. Auch steinerne Häuser sah ich in Padang; sie fallen aber
geradezu durch ihre Einfachheit und ich möchte sagen auch durch ihre
Stillosigkeit auf. Dazu gehören vier Privathäuser, der Justizpalast
(?), das Haus des Gouverneurs, das Hauptgebäude des Militär-Spitales,
die Wohnungen der Officiere, die Bureaux und Magazine der grossen
europäischen Firmen und die meisten chinesischen Wohnungen.

Wir besuchten einen alten Collegen und hatten also gute Gelegenheit,
ein malaiisches Haus in allen seinen Theilen besichtigen zu können.
Seine Vortheile gegenüber dem steinernen Hause oder dem der Javaner
überwiegen die Nachtheile.

Es stand auf ungefähr einen Meter hohen Pfählen, hatte Wände aus
Holz, und eine hölzerne Treppe mit Geländer führte in die vordere
Veranda. Das Dach war mit Atap, d. i. den getrockneten Blättern der
Nipahpalme, gedeckt und überragte das Haus um ungefähr 2 Meter, d. i.
die ganze Breite der Veranda. Kaum hatten wir unsern alten Bekannten
begrüsst, konnte ich mich der Bemerkung nicht enthalten, wie sie denn
in einem solchen einfachen Hause wohnen könnten. Schon der erste
Schritt, den wir in der Veranda machten, erschütterte das ganze Haus.
Lachend erwiderte er: »Sehen Sie, Herr College: Die Vortheile dieses
Schüttelns kennen Sie ja gar nicht. Wenn irgend ein Dieb oder sagen wir
ein Liebhaber meiner 56-jährigen Frau in der Nacht das Haus betreten
wollte, würde das Schütteln mich sofort aus dem Schlafe wecken. Auch
die Elefanten, die sich glücklicherweise nicht in unsere Nähe wagen,
können sich unmöglich an den Pfeilern dieses Hauses reiben, ohne dass
wir es merken. Ein Tiger wagt es nicht einmal, aus einem solchen Hause
seine Beute sich zu holen. Kommt aber ein Erdbeben, so werden wir
ganz gut durchgeschüttelt, aber wir fürchten uns nicht im geringsten,
unter seinen Trümmern getödtet zu werden. Auf Java stehen die meisten
Kamponghäuser ohne Pfähle auf dem Boden; Schlangen, Frösche und alles
mögliche Ungeziefer kommen leicht in ein javanisches Bauernhaus. Hier
werden wir von diesen ungeladenen Gästen nicht heimgesucht. Sehen Sie
sich unsere Wohnung näher an. Hier in diesem Zimmer steht mein Pianino
und daneben mein Bücherkasten. Das Pianino hat seinen schönen hellen
Klang beibehalten, den es bei seiner Ankunft hatte, und kein einziges
Buch in meinem Bücherkasten ist mit Schimmel bedeckt. Gehen Sie hin
zum Oberstabsarzt X., welcher in einem steinernen Hause wohnt; er
wohnt allerdings standesgemäss, während ich als pensionirter alter
Regimentsarzt +nur+ in einem Kamponghause, in einem malaiischen
Wohnhaus wohne. Aber schauen Sie sich sein Pianino an; Sie spielen
doch Klavier; wenn Sie die Tasten anschlagen, brummen Ihnen die
verrosteten Saiten ein Lied vor, dass Sie aus den Nebentönen und von
falschen Tönen ein Studium machen können. Uebrigens ist es gar nicht
wahr, dass ich, wie die Leute mir vorwerfen, in einem Kamponghause
wohne. Die Eingeborenen haben ja gar kein Geld, sie sind zu arm dazu,
um ein solch elegantes Haus sich zu bauen. Ihre Häuser haben nur Wände
aus Bambusmatten und der Boden ist ebenfalls nur ein Flechtwerk aus
Bambus oder aus dünnen Aesten aus weichem Holz. In einem solchen Hause
haben es die Herren Mörder und die etwaigen Liebhaber der Hausfrau
sehr leicht, den Eigenthümer aus dem Wege zu räumen; sie stecken ganz
einfach die Lanze durch die Lücken des Bodens, und der Eigenthümer ist
eine Leiche. Dies habe ich natürlich nicht zu fürchten, weil dieses
Haus von einem reichen Malaien und zwar einem Nachkommen des Radja von
Menangkabau gebaut wurde; es besteht also ganz aus Brettern und nur das
Dach verräth den nationalen Ursprung. Dieses primitive Dach hat auch
einige Vortheile und nur wenige Nachtheile. Die versengenden Strahlen
der Tropensonne sind nicht im Stande, durch dieses Dach ins Haus zu
dringen; also zu jener Stunde des Tages, in welcher durch die senkrecht
herabfallenden Strahlen die Luft geradezu heiss zu nennen ist, ist das
Innere meines Hauses am wenigsten von der Tropenwärme belästigt. Aber
auch niemals dringt der Regen in die Wohnung; die ersten Regentropfen
befeuchten die Blätter hinreichend, um die ganze Bedeckung zu einer
compacten Masse umzuwandeln, welche selbst durch den stärksten Wind
nicht gelockert wird. Wenn Sie heute Abend beim Oberstabsarzt X. eine
Visite machen werden, wird es keine 10 Minuten dauern, bis seine Frau,
eine echte Nonna, das Gespräch auf uns, resp. auf unser Haus leiten
wird; sie wird es als eine Schande bezeichnen, dass ich als Arzt in
einem »malaiischen Hause« wohne. Wenn dies geschieht, schauen Sie sich
sofort die Mauern ihrer Veranda an. Wenn nicht zufällig heute früh
der Kebóng (= Gartenknecht) die Mauern mit der Kalkquaste übertüncht
hat, werden Sie bis zur Höhe des Tisches die braunen Streifen der
Feuchtigkeit sehen, welche aus dem Boden in die Mauern dringt. Noch
besser können Sie sich davon überzeugen, wenn in der Frühe des Morgens
die Thüren des Hauses geöffnet werden und man aus der frischen Luft
in’s Haus tritt. Sie haben keine Idee, wie dumpfig die Luft in einem
solchen steinernen Hause während der Nacht wird. Schauen Sie sich
übrigens meinen Plafond an und den im Hause des Oberstabsarztes.
Hier sehen Sie zwischen den Wänden und dem Dache einen freien Raum
von ungefähr 20 cm; durch diesen dringt die im Hause durch unsere
Ausdünstungen mit Kohlensäure geschwängerte Luft hinaus in’s Freie.
Dort bleibt sie am Plafond hängen, weil die Fenster weit vom Plafond
entfernt sind. Allerdings hat »Mutter die Frau« in meinem Hause grosse
Scherereien mit dem Staub, welcher bei Windschlägen vom Plafond in’s
Innere fällt, und manchmal ist es thatsächlich hier so warm, dass sie
bedauert, nicht in einem steinernen Hause zu wohnen. Wenn sie aber dann
wiederum hört, mit wie vieler Mühe die Frau Oberstabsarzt den Schimmel
von ihren Schuhen und von ihren Kleidern fernhalten kann, dann ist sie
wiederum mit ihrem Schicksal versöhnt, in einem »malaiischen Hause«
wohnen zu müssen. Beinahe hätte ich noch den bedeutendsten Vortheil
eines hölzernen Hauses anzuführen vergessen. Mein Haus steht, wie Sie
sehen, auf Pfählen von 1 Meter Höhe; steinerne Häuser müssen auf dem
Grunde stehen. Der Boden ist reiner Alluvialboden und geschwängert von
pflanzlichen und thierischen Organismen; Korallenkalk mit seinen todten
Korallenthieren wurde verwendet, um dem Grunde, auf welchem die Häuser
gebaut werden, eine grössere Härte zu geben. Die aus diesem verpesteten
Grunde aufsteigenden Miasmen werden in meinem Hause mit jedem Zugwinde
in die freie Luft getrieben; bei einem Hause ohne Pfähle bleiben sie
in dem Boden, dringen in die Mauern und gelangen von diesen in die
Wohnräume. Nein; ich bleibe in meinem Kamponghause wohnen und habe gar
kein Verlangen nach einem noblen, steinernen Hause.«

Im Ganzen und Grossen konnte ich diesem Herzensergusse meines alten
Collegen meine Zustimmung aus Ueberzeugung geben; ich hatte ja schon
damals Gelegenheit gehabt, in allen möglichen Sorten von Häusern zu
wohnen, und noch heute würde ich aus denselben Ursachen einem hölzernen
Hause unbedingt den Vorzug einräumen.

Es war keine officielle Visitenzeit, da diese in Indien um 7 Uhr
beginnt. Wir entfernten uns, nachdem wir noch versprochen hatten, vor
unserer Weiterreise noch einmal vorzusprechen und uns für den guten
Willen bedankt hatten, als er uns zur »Rysttafel« einladen oder eine
Contrevisite machen wollte. Wir fuhren noch eine halbe Stunde in der
Stadt herum, sahen zwei Mühlen zur Entpolsterung des Reises, zwei
Eisfabriken, zwei Buchdruckereien, eine Mineralwasserfabrik, vierzehn
chinesische Mühlen zur Entpolsterung des Reises, fünf chinesische
Brodbäckereien, vierzig malaiische Schmiede, fünf chinesische
Oelmühlen, einige Ziegelfabriken und zahlreiche Werkstätten von
Silber- und Goldschmieden, und zuletzt fuhren wir durch einen Kampong,
an dessen Ausgang eine Gruppe malaiischer Frauen (Fig. 24) stand,
welche ich, nach ihren Haartrachten zu urtheilen, für Bewohner des
nordöstlichen Atjehs gehalten hätte.

Endlich hatten wir nach der Behauptung des Kutschers »ganz Padang«
gesehen. Es ist eine echt tropische Stadt; alle Häuser sind mit einem
kleinen Garten umgeben -- nur nicht das »Officierscampement«, oder es
wird besser bezeichnet mit den Worten: Padang ist ein grosser Garten,
in welchem hin und wieder ein Haus gesehen wird. Palmen und Bananen,
Waringinbäume sind die auffallenden Vertreter der Tropenflora; jedes
Haus hat in seiner Veranda eine grössere oder kleinere Zahl Blumentöpfe
mit Rosen, Dalias, Pegonias u. s. w. u. s. w. Die lieblichen, duftenden
und bunten Kinder der Flora zieren die Häuser, während die Waldriesen
in den Gärten unser Staunen erregen und die Obstbäume mit ihren
herrlichen, oft riesigen und stark duftenden Früchten unsern Gaumen und
nicht weniger unser Geruchsorgan ergötzen.

Um 12 Uhr kamen wir im Hôtel an und wurden von einer Schaar Hausirer
empfangen, welche im Allgemeinen in den Häfen der holländischen
Colonien lange nicht so lästig sind als jene in Singapore oder in
Port Said u. s. w. Zahlreiche Nationen hatten unter ihnen ihre
Vertreter; chinesische, javanische, arabische, klingalesische Händler
boten die Industrieproducte ihres Landes oder europäische Waaren und
malaiische Goldschmiede ihre Silber- und Goldwaaren feil. Es waren
darunter wirklich reizende Nippessachen in Filigran gearbeitet. Am
häufigsten verkauften sie indische Früchte aus Silber verfertigt,
so z. B. Durian, Ananas, Rambutan u. s. w.; ich erstand jedoch eine
Möbel-Garnitur en miniature, welche allerliebst aussah; einen Divan,
einen Tisch, sechs Sessel und zwei Schemel; auch zwei aus Gold
gearbeitete Durians erstand ich um ziemlich niedrigen Preis. Sie hatten
dabei einen eigenthümlichen Maassstab im Gebrauch. Sie hatten eine
kleine Waage bei sich und gebrauchten statt Gewichte Silbermünzen für
die aus Silber verfertigten Nippessachen. Obwohl ich noch bezweifle,
dass diese Silberwaaren denselben Feingehalt als die betreffenden
Silbermünzen hatten, so gingen sie niemals in ihrer Preisforderung
unter dieses Gewicht; immer musste man mehr bezahlen als das Gewicht
der betreffenden Münze; anderseits muss ich gestehen, dass sie sich oft
mit einem Arbeitslohn als Gewinn begnügten, der für einen europäischen
Arbeiter oder Künstler geradezu undenkbar wäre. Auch bieten sie sich
zur Anfertigung von Armbändern, Haarnadeln, Gürteln und Ringen nach
jeder beliebigen Form an und gebrauchen in gleicher Weise das Gewicht
der erhaltenen Silbermünzen zur Controlle des Silbergehaltes. Am
häufigsten verfertigen sie für die Frauen der Eingeborenen Platten zu
einem silbernen Gürtel und verwenden dazu die silbernen Ryksdaalder
(= à 4¼ Mark) und weisen in der Regel die Münzen anderer Staaten
als minderwerthig zurück, so z. B. die auf der Ostküste Sumatras stark
circulirenden mexikanischen, japanischen und amerikanischen Dollars.
Diese Gürtel haben jedoch nur geringen künstlerischen Werth, weil
das zu dünnen Platten geschlagene Metall gepresst wird. Alle anderen
Sachen zeigen die Filigranarbeiten geradezu in ihrer Vollkommenheit und
können mit den schönsten Erzeugnissen in der Türkei, Schweden, Holland,
Ungarn an Feinheit der Arbeit concurriren. Diese Kunst ist so ziemlich
beinahe unter allen malaiischen Stämmen dieser Insel verbreitet; die
Padangschen Silberarbeiten sind jedoch die schönsten.

Das Hôtelleben in Padang unterscheidet sich nur wenig von dem anderer
Städte auf den Inseln des indischen Archipels. Die Hôtels sind primitiv
eingerichtet, bieten für den mässigen Preis von 4-6 fl. per Tag
oder 90-120 fl. per Monat volle Verpflegung, incl. freies Eiswasser
und Genever vor den zwei Hauptmahlzeiten, und gestatten in ziemlich
ausgedehnter Weise das freie ungenirte Leben des häuslichen Herdes.
Die Damen erscheinen zur Rysttafel (Mittagstisch) auch in Padang in
Haustoilette, und in der Veranda, welche die einzelnen Hôtelzimmer
begrenzt, sieht man das ganze Familienleben der verheiratheten Gäste
coram publico sich abspielen. Bereits im zweiten Band habe ich dieses
den Europäern fremd erscheinende sociale Bild ausführlich geschildert,
und ich will darum nur noch mittheilen, dass Padang[93] noch mehr als
alle indischen Städte dem Sprüchwort huldigt: Ländlich, sittlich.

Mit dem gewöhnlichen Tagesprogramm schlossen wir diesen ersten Tag
unseres Aufenthaltes in Padang. Nach dem Nachtmahl zogen wir die
Haustoilette an und setzten uns in die vordere Veranda des Hôtels,
um »Klima zu schiessen«.[94] Wir waren von den eng anschliessenden
Kleidern befreit und athmeten und transpirirten also freier und
bequemer. Ein leiser Zephyrwind wehte von Osten her über die Stadt.
Vor uns lag das Meer, und tosend und brüllend stürzten sich die
Wellen zwischen den kleinen Inseln auf das naheliegende Ufer, und
tiefe Finsterniss bedeckte den Horizont, und nur selten öffneten
sich die Wolken, um irgend einem Stern sein Licht den Weg zu uns
zu gestatten. Plötzlich erhellt sich der ganze Horizont in einem
lichtblauen Seelicht, und eine feurige Kugel, beinahe so gross als
ein Menschenkopf, fiel vor unseren Augen in die Tiefe des westlichen
Horizontes. Nach wenigen Secunden war das Meteor spurlos verschwunden,
und nur das Zirpen einiger Grillen störte die majestätische Ruhe der
Tropennacht. Wir gingen zu Bett. Es war eine warme Nacht, und wir
transpirirten so stark, dass wir zweimal aufstehen und die Leibwäsche
wechseln mussten. Um 5¼ Uhr wurden wir wach und eilten sofort hinaus
in die vordere Veranda, um uns an der frischen Morgenluft zu erquicken.
Die Sonne stand noch unter dem Horizonte; aber das Zodiacallicht,
dieser »beständige Schmuck der Tropennächte«, hatte bereits seine
Lichtbündel gegen den Zenith gesendet, und der Gegenschein fiel trotz
seines schwachen Lichtes mir sofort auf, so dass ich meine Frau auf
dieses schöne Phänomen aufmerksam machen konnte, welches auch in Europa
bekannt ist, aber den Städtebewohnern beinahe niemals auffällt. Wie
wenigen selbst sehr intelligenten Männern ist dieser Terminus technicus
»Zodiacallicht« geläufig, obschon Fachmänner schon vor mehr als 200
Jahren eine ausführliche Beschreibung dieses oft reizenden Phänomens
gebracht haben! Vor uns lag der westliche Horizont; wir haben also des
Morgens nur den Gegenschein sehen können. Nachmittags um ¾6 war
der Himmel unbedeckt, und ich konnte meiner Frau das Zodiacallicht in
seiner ganzen Pracht demonstriren. Es war ein heller kegelförmiger
Schein von grösserer Intensität als die Milchstrasse und hatte eine
etwas weniger helle Hülle. Auch in Indien ist diese Erscheinung trotz
ihrer relativ schönen Pracht der grossen Menge unbekannt. Die Erklärung
für diese auffallende Thatsache ist nicht schwer. Die scheidende Sonne
erzeugt am westlichen Himmel geradezu ein Feuermeer; das intensivste
Gelb spiegelt in den Wolken abwechselnd mit einer tiefen rothen Gluth
ein so scharfes, blendendes und reizendes Farbenbild ab, dass das Auge
davon gesättigt und selbst ermüdet dem nachfolgenden Zodiacallicht
keine Aufmerksamkeit mehr schenkt.

Der Tropen Pracht und Herrlichkeit, die Ueppigkeit ihrer Fauna und
Flora vereinigen sich in der westlichen Hälfte Sumatras mit einem
sanften herrlichen Klima, das in den höheren Regionen geradezu
subtropisch genannt werden kann und jeden Vergleich mit dem des
südlichen Italiens erlaubt.

Erst in dem letzten Decennium dachte die holländische Regierung daran,
in grösserem Maassstabe den Reichthum des Landes zu heben und legte
im Süden der Stadt einen neuen Hafen, den Emmahafen, an und baute
eine Eisenbahn, welche vorläufig dem Transporte der Kohlen aus den
Ombilienfeldern zu Statten kam.

In früheren[95] Jahren war der bedeutendste Exportartikel der Caffee,
dessen Bau vielen Kampongs, unter dem Namen »Gouvernementscultur«,
im Robotdienste auferlegt wurde (neben Reis, Pfeffer, Kokosnüssen,
Muskatnüssen, Tabak und Djattiholz (Tectonia grandis)); d. h. den
Einwohnern der einzelnen Kampongs wurde befohlen, eine gewisse Anzahl
Caffeebäume zu pflanzen und deren Erträgnisse gegen 15 fl. per Pikol (=
62½ Kilo) in die Lagerhäuser der Regierung einzuliefern, welche bei
niedriger Schätzung 24 Fl. (= 40 Mark) per Pikol verdiente.

Dieser »Culturzwang« ist schon sehr alt; mir wenigstens ist schon aus
dem Jahre 1823 ein derartiger Erlass bekannt. Wie es mit allen Gesetzen
und Reglements ergeht, so geschah es damals und so geschieht es auch
noch heute, dass die Ausführung des »Culturzwanges« in den einzelnen
Bezirken stark variirte. Dieser war, wie der Herr P. J. Kooreman im
Jahre 1900 im »Indischen Gids« mittheilte, in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts ein Zwang stricte dictu.

  ... »Alles geschah im Robotdienst, und vor Anbruch des Tages kamen
  hohe und niedrige Beamte mit ihren Knechten in die Kampongs, um die
  Männer, manchmal selbst handtastlich, aus ihren Häusern in ihre
  Caffee-, Pfeffer- und Reisfelder oder nach den Wegen, Brücken und
  Wasserleitungen zu jagen, wo sie unter strenger Aufsicht oft vierzehn
  Tage hintereinander schwere Arbeit verrichten mussten. Faulheit oder
  Nachlässigkeit wurden mit Extraarbeit, Geldstrafe, Zwangsarbeit oder
  mit Blockarrest bestraft. Bis zum Jahre 1852 mussten die Gefangenen
  für ihre Kost selbst sorgen, und, wurde ihnen von den Verwandten kein
  Essen gebracht, mussten sie entweder Hunger leiden oder das Essen von
  den Polizeisoldaten oder von den Gefängniss-Aufsehern um theures Geld
  erstehen. Kein Gestrafter wurde entlassen, bevor die Geldstrafe und
  die Auslagen bezahlt waren. Eigensinnige Cultur- und Robotschuldige
  wurden mit Stockschlägen oder Ohrfeigen zur Gehorsamkeit gebracht,
  und gelang es nicht mit diesen Zuchtmitteln, dann wurden sie damit
  bestraft, dass sie einige Stunden mit einem Fuss in einem Block
  stehen mussten, welcher ungefähr einen Meter hoch war. Manchmal
  wurden ganze Familien aus ihren Kampongs und ganze Kampongs zur
  Auswanderung gezwungen.

  Wurde nicht genug Caffee gepflanzt und eingeliefert, oder wurden
  nicht genug Robotdienste geleistet, dann wurden die Häuptlinge dafür
  angesprochen, und sie wurden mit Extraarbeit, Arrest, Blockarrest,
  Abschied aus dem Dienste, man behauptet sogar mit Verbannung nach der
  Insel Nias gestraft. Hin und wieder machte die Garnison einen Marsch
  in die Kampongs, wo die gegebenen Befehle nicht genau ausgeführt
  waren, und dann mussten Häuptlinge und Bevölkerung zur Strafe für
  Logis und Nahrung der Soldaten sorgen.«

Es wird wohl niemanden wundern, dass solche Zustände den holländischen
Dichter Douwes Dekker[96] zu jenem Aufschrei der Entrüstung
veranlassten, welcher als Roman unter dem Namen »Max Havelaar« vor 40
Jahren (Mai 1860) nicht nur »Insulinde«, sondern auch ganz Holland aus
seinem Indifferentismus herausriss. Wenn aber Douwes Dekker später bei
einem Congress in Brüssel Holland darum den »Raubstaat zwischen der
Maass und Schelde« nannte, ging er zu weit und charakterisirte sich
selbst als das, was er thatsächlich ist, als einen Phantasten.

Sehen wir uns die thatsächlichen Verhältnisse etwas näher an. Wir
müssen dabei scharf unterscheiden zwischen dem Malaien der Küste und
jenem des Innern des Landes. Der erstere ist durch den Contact mit
den seefahrenden Nationen und durch den steten Kampf mit dem Meere
ein unternehmender, handeltreibender Seefahrer geworden (in früheren
Zeiten war er auch Seeräuber), der bis in die entlegensten Inseln des
Archipels mit seiner Paun gelangt. Der Malaie des »Oberlandes« ist
jedoch nichts mehr und nichts weniger als ein grosses Kind. Sorglos
lebt er in den Tag, so lange die üppige Tropennatur die Mittel für
seinen Unterhalt freigebig schafft, und fröhnt seinen Gelüsten: der
Liebe, dem Würfelspiel und in einigen Gegenden dem Opium. Er denkt
nicht an den morgigen Tag, an etwaige schlechte Ernte, an Wechselfälle
des Lebens. Misslingt die Ernte, tritt Hungersnoth ein, überfallen
Tiger seine Herde, überströmen die ausgetretenen Wassermassen seine
Felder u. s. w., dann ist er Fatalist bis zum Uebermaass. »Tuwan
Allah Kassih«[97] ist sein Loosungswort, und er thut dann nur das
Unvermeidliche, um sich aus seinen Nöthen zu retten.

Diesem Volke gegenüber hat Holland als die herrschende Macht die
moralische Pflicht der Pädagogik, die Menschen zur Arbeit zu führen
und, wenn es nöthig ist, selbst zu zwingen. Die Erfahrung bestätigt
die Richtigkeit dieser Pflicht; der Zwang ist nöthig, um »dem grossen
Kinde« den Segen der Arbeit zum Bewusstsein zu bringen. Wir sehen ja
jetzt z. B. in der Provinz Palembang, dass jener Theil, aber auch
nur jener Theil, welcher Decennien lang unter dem »Culturzwang«
geseufzt hat, den Nutzen der »Caffeecultur« u. s. w. jetzt erkennt
und +freiwillig arbeitet+. In den anderen Theilen des Landes, d. h.
in jenem Gebiete, welches durch seine Unabhängigkeit niemals einen
Culturzwang kannte, haben sich die Zustände noch nicht weit über die
erste Stufe der Civilisation erhoben und ungeheuere Schätze ruhen
ungehoben im Schoosse der Erde.

Der Culturzwang hatte im vorigen Jahrhundert gewiss seine Berechtigung.
Wenn aber der Herr Kooreman mittheilt, dass man heute überall gegen
den jetzt herrschenden »+milden+ Culturzwang« Antipathie habe, dass:

  »wo und bei wem wir uns informirten, immer diese Antipathie so
  gross war, dass ein Wiederaufblühen der Caffeecultur d. h. bloss
  durch bessere Controlle und bloss durch sanften Zwang oder durch
  Ueberredung unmöglich sei.

  »Will die Regierung mehr Caffee haben, dann möge sie die Stockschläge
  für nachlässige Culturpflichtige wiederum einführen und ebenso streng
  als früher anwenden; dann allein kann sie ebensoviel, wenn nicht mehr
  Caffee als früher erhalten. So urtheilen die besten Häuptlinge über
  das jetzt herrschende Princip und wir sind ganz ihrer Ansicht.« ...

Wenn also ein Beamter, wie der Herr Kooreman, der sieben Jahre lang
den »Culturzwang« täglich in seinem ganzen Umfange und in allen
seinen Folgen beobachten konnte, der Land und Leute kennt, wenn ein
solcher Mann trotz der herrschenden freien Auffassung einen +strengen
Culturzwang+ für die Bewohner der Padangschen Niederlande fordert, dann
allerdings tritt die Frage an uns: Hat Herr Kooreman in diesem Falle
das Interesse der Bevölkerung, das der holländischen Regierung oder
vielleicht sogar beide Factoren sich vor Augen gehalten? Im Osten der
Insel erhält der Eingeborene von particulieren Unternehmern fl. 50 (=
83 Mk.) für den Pikol und hat davon seine diversen Steuern zu bezahlen;
früher zahlte der Staat ihm 15 fl. für den Pikol ohne andere Steuern
von ihm zu verlangen. Es würde mich zu weit führen, um auszurechnen,
in welchem Falle die holländische Regierung grössere Einnahmen aus dem
betreffenden Landstriche zieht und in welchem Falle der Bauer einen
reichlicheren Lohn für seine Arbeit findet. Der Herr Kooreman bringt
von seinem früheren Amtsbezirke folgende statistische Angaben, welche
hinreichend Antwort auf diese Fragen geben.

  »In den Jahren 1887-1889 betrug die Ernte der Bezirke Ngalau Gedang,
  Pantjong Tebal, Muara Ajer und Kota Ranah, zusammen ± 5000 Seelen und
  841 Culturpflichtige zählend, 2532, 3324 und 1609 Pikol und von den
  fünf übrigen Bezirken mit ± 4000 Seelen und 650 Culturpflichtigen nur
  73, 114 und 6 Pikols. Von den 841 Culturpflichtigen wurden also in
  diesen drei Jahren, bei einer Bezahlung von 15 fl. per Pikol, an die
  Regierung eingeliefert 7272 Pikols Caffee oder durchschnittlich pro
  Jahr und pro Kopf 2,88 Pikol.

  »Bei mässiger Berechnung hat die Regierung während dieser drei Jahre
  durchschnittlich 25 fl. per Pikol gewonnen, so dass von ihnen während
  dieser Zeit 171800 fl. zu den Verwaltungskosten beigetragen wurden,
  d. h. fl. 204 per Kopf und fl. 68 per Jahr, während sie selbst für
  ihren Caffee im Durchschnitt jährlich nur fl. 42,20 erhalten haben.

  »Die 650 Culturpflichtigen der Bezirke Pulut Pulut, Batang, Tarataq
  Teling, Tarataq Baru und Tarataq Pisang lieferten in diesen drei
  Jahren 193 Pikols Caffee, besorgten der Regierung einen Gewinn
  von fl. 4825 und trugen also fl. 2475 per Jahr und Kopf zu den
  Verwaltungskosten bei.«

Der »Culturzwang« ist noch heute für einen Theil der Insel Sumatra ein
unentbehrlicher Factor zu dem grossen und schönen Ziele, welches die
holländische Regierung sich stellen muss: Die grossen Schätze dieser
Insel zu heben, die Bevölkerung zu arbeitsamen friedlichen Bürgern des
grossen Reiches »Insulinde« zu erziehen und nicht nur Sicherheit des
Lebens und des Eigenthums, sondern auch Freude am Leben und Genuss im
Leben ihnen zu geben.

Es wird natürlich dem politischen Tacte ein grosses Feld eröffnet für
die Erwägung, wo der strenge »Culturzwang«, wo ein milder Druck und
wo überhaupt kein Zwang diesbezüglich auszuüben sei. Die Adat, das
Gewohnheitsrecht der Eingeborenen, muss dabei ebensoviel respectirt,
als der Bodenreichthum, der Charakter des betreffenden Stammes und die
vorhandene Industrie berücksichtigt werden müssen. Die zahlreichen
Stämme, welche diese Insel bewohnen, zeigen ja grosse Unterschiede in
ihren Sitten und Gebräuchen, und die geologische Formation des Landes
ist ja beinahe nach allen Richtungen der Windrose eine verschiedene.

Selbst das Gebiet »des Gouvernements der Westküste von Sumatra« ist
nach keiner Richtung hin ein einheitliches.

Politisch wird es in drei »Residenties« eingetheilt. Die erste
Residentie »Tapanuli«[98] reicht von der atjeeischen Grenze 0° 15′ N.
B. nach Süden, wo das Vorgebirge Tua mit dem Berge Bagumba (374 Meter
hoch) an der Küste eine natürliche Grenzmauer dieser beiden Provinzen
bildet. Die Hauptstadt Siboga liegt in dem schönen Meerbusen von
Tapanuli, welcher im Westen von der Insel Mansalar gegen die stürmische
Brandung der indischen See geschützt wird. Die zweite Residentie
heisst Padangsche Niederländer[99] und zieht längs der Küste bis zur
Residentie Benkulen (2° 30′ S. B.). Ihre Ostgrenze ist der Kamm des
grossen Barisangebirges, welches beinahe parallel mit der Küste die
Insel in zwei (ungleich grosse) Hälften theilt. Die dritte Provinz
(im Osten) heisst Padangsche Oberländer[100] mit der Hauptstadt Fort
de Kock und grenzt an zahlreiche noch unabhängige Stämme, von welchen
bereits früher (Seite 68) die Rede war.

+Ethnographisch+ unterscheiden sich die einzelnen Theile der
»Westküste Sumatras« so stark, dass es unmöglich ist, in Betreff des
»Culturzwanges« eine für alle Stämme -- wenn sie auch insgesammt
der malaiischen Rasse angehören -- geltende Directive zu geben.
Ich will nur auf die zwei Extreme hinweisen, zwischen welchen alle
Grade der menschlichen Civilisation gerade in diesem Theile Sumatras
sich bewegen: Im äussersten Nord-Osten dieser Provinz verkehren die
Eingeborenen mit den benachbarten Menschenfressern, und im Hochlande
Agam haben die Einwohner eine Sittenreinheit sich bewahrt, welche
selbst die civilisirten Länder Europas nicht allgemein kennen. So wie
die Pädagogie das Individualisiren zum Axiom ihrer Thätigkeit erklärt
hat, ebenso muss die holländische Regierung die verschiedenen Stämme
ihres grossen Reiches »Insulinde« nach ihrem jeweiligen Bildungsgrade
mit verschiedenen Mitteln in den Kreis der menschlichen Civilisation
einführen.

Aber auch die geologische Beschaffenheit dieser Provinz zeigt in ihren
einzelnen Theilen so bedeutende Unterschiede, dass die Naturproducte
in ihren Sorten stark differiren und darum gewiss keine einheitliche
coloniale Politik ermöglichen. In den Niederungen der Küste haben
wir ja reine Tropenvegetation; in dem Barisangebirge herrscht
subtropisches Klima, und europäisches Gemüse gedeiht dort ebenso gut
als auf den Feldern des südlichen Europas. 60 Vulcane besitzt die
ganze Insel. Die grosse Erdspalte, welcher das Barisangebirge sein
Entstehen verdankt, hat zehn grosse Querspalten. Aus einer derselben
entsprangen (nach Carthaus) vielleicht noch in historischer Zeit die
drei gewaltigen Vulcane Sago[101] (2240 Meter hoch), Merapi[101] (2892
Meter) und der Singalang[101] (2790 Meter). Hier sind grosse Massen
des jüngeren vulcanischen Materials aufgehäuft und zwar der Trachyt
und Andesit, welche in zerfallenem Zustande eine ausgezeichnete
Basis für eine üppige Humusschicht abgeben; und hier wetteifert auch
die Tropenvegetation in ihrem ganzen Reichthum mit der Flora der
subtropischen Länder. Die grösste Höhe erreicht in dieser Provinz der
Berg Ophir oder vielmehr dessen östliche Spitze, der Berg Telaman, 3000
Meter hoch, während unter allen Bergen der ganzen Insel Sumatra in
Gross-Atjeh der Luseh oder Sinobong eine Höhe von 3700 Metern erreicht
(3° 45′ N. B.). Im Süden liegt der Berg Dempo (4° S. B.) 3170 Meter
hoch[102] und (vide Seite 57) der Indrapura (3690 Meter).

[Illustration: Fig. 24. Eine Gruppe in Pedir gefangener malaiischer
Frauen.

(Vide Seite 184.)]

Ob in dieser üppigen Tropenvegetation ein Culturzwang erspriesslich
wäre, oder ob auf den kahlen Abhängen einzelner Berge oder im
sumpfigen Flachlande die Eingeborenen zur Arbeit gezwungen werden
sollen -- darüber muss der praktische politische Blick des jeweiligen
Regierungsbeamten entscheiden.

Die Sittenreinheit der Bewohner des Padangschen Hochlandes, von dem
ich soeben sprach, datirt aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts.
Wie bekannt ist, stiftete in Centralarabien ein gewisser Mohamed
Abd el Wahhâb am Ende des 18. Jahrhunderts eine neue Secte, welche
die Zurückführung des Islamismus auf seine ursprüngliche Reinheit
bezweckte. Die Wahhâbiten nahmen an Zahl rasch zu, und ungefähr im
Jahre 1801 bemächtigten sie sich Mekkas und zwangen den Sherif dieser
Stadt zur Unterwerfung. Damals befanden sich auch drei Malaien aus
dem Hochlande Padangs in Mekka und nahmen die Lehren der Wahhâbiten
in ihrem ganzen Umfang an; ja noch mehr; im Jahre 1803 waren sie
nach ihrer Heimath zurückgekehrt und beschlossen, den sittlichen
Verfall ihrer islamitischen Brüder aufzuhalten. Diese drei Hadji (=
Mekkapilger) hiessen Hadji Miskien, Hadji Sumanik und Hadji Piabang.
Ihr erster und bedeutendster Apostel war Tawanku von Rintjeh, der in
seiner Heimath (Bangsah in Kamang) alle Panghulus (= Priester) der
Umgebung zusammenrief und in leidenschaftlichen Worten die Fahne des
heiligen Krieges entrollte. Er forderte, dass jeder fünf Mal des Tages
seinen Körper reinigen und fünf Mal des Tages sein Gebet verrichten
müsse. Der Genuss von Opium, Tabak, Sirih und alcoholischen Getränken
müsste verpönt sein. Das Abschleifen der Zähne, Hahnenkämpfe und jedes
Würfelspiel müssten verboten bleiben. Er forderte, dass die Männer
einen Bart und weisse Kleider tragen und den kahlgeschorenen Kopf mit
einem schwarzen Tulband als äusserem Zeichen der neuen Secte bedecken
sollten. Die Frauen sollten ihr Gesicht verhüllen, und niemand dürfe
nackt ein Bad nehmen. Jede dieser Sünden sollte mit dem Tode bestraft
werden.

Seine Tante, die Schwester seiner Mutter, war die erste Märtyrerin
des alten Glaubens; als sie trotz dieser Lehren Tabak kaute, erstach
er sie mit eigener Hand und überliess ihren Leichnam im Urwalde den
wilden Thieren zur Beute. Seine Lehre fand nun mehr und mehr Anhang,
und bald wurde er allein zu schwach, um die siegreich eroberten
Kampongs auch sittenrein zu erhalten; er ernannte in jedem dieser
neuen Anhänger-Centra zwei Häuptlinge: den Imam als geistliches
Haupt, welcher die neue Lehre predigen, und den Khalif, welcher jede
Uebertretung streng sühnen und bestrafen sollte. Nach der malaiischen
Adat, welche er ebenso wenig als z. B. die späteren islamitischen
Priester in Atjeh ausrotten konnte, d. h. nach dem Gewohnheitsrechte
der Malaien konnte jedes Verbrechen durch ein Geldopfer gesühnt
werden. Es wurden also Strafen auferlegt für den Mann, der seinen
Bart rasirte, mit zwei Suku = 2/4 spanische Thaler; wer seine Zähne
abfeilte, musste einen Karbon (Büffel) bezahlen; eine Frau, welche
unverschleiert ging, musste ¾ Thaler bezahlen u. s. w. u. s. w.
Diese Geldstrafen wurden natürlich eine reichfliessende Quelle für das
Einkommen der Imams; denn der Missbrauch blieb nicht aus, und oft genug
geschah es, dass z. B. Tabak heimlich in die Hütte eines vermögenden
Häuptlings gebracht wurde, und bei gelegener Zeit entdeckt wurde.
So wurden die wahhâbitischen strengen Moralitätslehren die Ursachen
eines Ausbeutesystems, das zum Aufruhr führen musste. Viele malaiische
Häuptlinge flüchteten sich nach Padang und baten um Hülfe gegen den
Despotismus der Padri (= Hadji). Sie boten der holländischen Regierung
alle Länder an, welche zum früheren Menangkabauischen Reiche gehört
hatten -- dies geschah den 10. Februar 1821 -- und der Padrikrieg nahm
seinen Anfang mit der Besetzung von Samawang am östlichen Ufer des
Singkarasees. Dieser Krieg dauerte bis zum 14. August 1837, an welchem
Tage der Herd der Fanatiker, Bontjol, von den Holländern erobert wurde.

Wenn auch dieser Padrikrieg viele hunderte und tausende Menschenleben
gekostet hat, ohne dass die geldgierigen Priester heute um viel
besser geworden wären, so haben doch die Lehren dieser Padri in der
grossen Menge der Malaien des Padangschen Hochlandes kräftige Wurzeln
geschlagen und es ermöglicht, dass an der Grenze der Anthropophagen die
Fackel der Civilisation erhoben wurde, so dass diese heute auf eine
ganz kleine Strecke an der Küste des Tobasees sich beschränken.

Im Osten der Insel Sumatra haben die Schätze des Bodens und des
Urwaldes europäische Pflanzer dahin gelockt, welche mit Hülfe
chinesischer, javanischer und anderer malaiischer Kräfte den Reichthum
des Landes gehoben haben.

Hier im Westen muss Holland eine andere Colonial-Politik befolgen. Hier
müssen europäische Förster und Ingenieure Lehrmeister der Eingeborenen
werden; hier muss auch[103] durch europäische Ackerbaucolonien das
reiche Land der weiten Welt eröffnet werden; hier sind Ackerbaucolonien
möglich, weil ein italienischer Himmel sich über seinen Feldern und
Bergen wölbt und weil ein italienisches Klima die Acclimatisation der
Europäer ermöglicht.

=Du kannst, denn Du willst.=

  Also sprach Zarathustra.



Schluss.

Wieder auf dem alten Dampfer -- Die Residentie Benkulen -- Katholische
Missionäre -- Schluss.


Den 26. August 1888 verliessen wir Padang mit demselben Dampfer, dem
»General Pel«, welcher uns von Atjeh dahin gebracht hatte. Er hatte
im Hafen Zeit und Gelegenheit gehabt, seine Kessel zu repariren, und
so vertrauten wir wieder unser Leben und Hab und Gut beruhigt diesem
alten Rumpelkasten an. Es sollte anders kommen. Den 27. hatten wir in
den ersten Morgenstunden zu unserer Linken die Grenze zwischen dem
»Gouvernement der Westküste Sumatras« und der Provinz Benkulen und zu
unserer Rechten die Insel Nord Pageh (aus der Gruppe der Nassauinseln),
als plötzlich die Schraube ihren Dienst versagte. Ich wachte durch ein
ungewöhnliches Geräusch auf dem Schiffe auf und eilte aus der Cajüte,
um dessen Ursache zu erfahren. Ein Flügel der Schiffsschraube war
gebrochen, und, wie mir der Schiffskapitän mittheilte, musste auf hoher
See die Reserve-Schraube in Dienst gebracht werden. Glücklicherweise
waren wir von der Küste der Insel Sumatra und den Pageh-Inseln (Fig.
25) weit genug entfernt, um nicht irgendwo zu stranden und eventuell
von der grossen Brandung des indischen Meeres auf irgend einen Felsen
mit unserem wenig lenkbaren Schiff geschleudert zu werden. Die
wenigen Segel, welche das Schiff für einen solchen Nothfall mit sich
führte, wurden aufgezogen, und die kleine Brise, welche von Sumatra
aus über die Wogen der ruhigen See streifte, gestattete uns, mit der
Geschwindigkeit einer alten »Treckschuit«[104] vorwärts zu kommen.
Noch im Laufe desselben Tages war die Reparatur vollendet, und gegen
4 Uhr Nachmittags konnte der Dampfer uns mit einer Geschwindigkeit
von 11 Seemeilen (à 1852-1855 Meter), also circa 20 Km. in der Stunde,
längs der Küste der Provinz Benkulen und der Insel Enganon (zu unserer
Rechten) unserem Ziele -- Batavia nämlich -- zuführen.

Während meiner ganzen 21jährigen Dienstzeit wurde in den Zeitungen so
selten von der Provinz Benkulen und von ihrer gleichnamigen Hauptstadt
gesprochen, dass ich es für ein Eldorado, oder für den Inbegriff eines
ruhigen, friedlichen und glücklichen Lebens halten möchte. Im Jahre
1883 wurde allerdings der südliche Theil, und zwar der Bezirk Blimbing,
bis zum 5° 40′ S. B. von den stürmischen Wellen der tosenden See bis 2
Km. weit durch den Ausbruch des Vulcans Krakatau schwer heimgesucht.

Die ganze Provinz ist 443,9 ☐M., also beinahe doppelt so gross als das
Königreich Württemberg, hat aber nur (im J. 1897) 158824 Einwohner,
worunter sich 146 Europäer und 659 Chinesen befinden.

Obschon zahlreiche gute und gutunterhaltene Wege in dieser Provinz sich
befinden, und auf der Wasserscheide des Barisangebirges katholische
Missionare seit vielen Jahrzehnten[105] sich angesiedelt haben, so
zeigt weder der Import noch der Export irgend welchen Wohlstand an[106].

Im Jahre 1686 errichteten die Engländer das Fort Malborough, welches
in die Hände der Franzosen und später in die der Holländer fiel, um am
Ende des 18. Jahrhunderts wieder Eigenthum der Engländer zu werden. Im
Vertrage vom 17. März 1824 kam dieses Fort und die ganze Provinz mit
den übrigen Besitzungen der Westküste und zwar für immer in den Besitz
der holländischen Regierung.

Schon 225 Jahre ist diese Provinz im Besitz europäischer colonialer
Mächte, und dennoch deckt sie heute nicht einmal die Kosten der
Verwaltung.

Auch in dieser »Residentie« hat die Natur ihren ganzen Reichthum der
Flora und Fauna und der Schätze des Erdinnern an indolente, bescheidene
und genügsame Malaien verschwendet, ohne dass diese selbst oder die
grosse weite Welt[107] die Schätze des Landes nur angefangen hätten
zu suchen, zu finden und zu heben. Auch hier ist ein mildes Klima,
auch hier wölbt sich ein azurblauer Himmel über fruchtbaren Abhängen
mit einem üppigen Boden. Auch hier kann der europäische Bauer,
fern von einem mit Miasmen geschwängerten Sumpfboden, den Gefahren
des Tropenlebens entrückt, sich acclimatisiren, gedeihen und sich
fortpflanzen. Holland muss sich zu dieser That aufraffen; denn:

=Du sollst, denn Du musst=.

  Also sprach Zarathustra.



Anhang.

Knöchelfieber -- Die Lâtahkrankheit -- Indische Spruw -- Tropenhygiene.


In allen drei Theilen dieses Werkes hatte ich keine Gelegenheit, mich
auch mit dem Knöchelfieber = Denguefever, mit der Lâtahkrankheit und
mit der Aphthae tropicae = indischer Spruw zu beschäftigen, obwohl
diese Tropenkrankheiten stricte dictu auch auf den Inseln des indischen
Archipels vorkommen.

Ich glaube also diese Lücken nachträglich ausfüllen zu müssen und
ich lasse daher an dieser Stelle das für +Laien+ Wichtigste und
Wissenswertheste aus dem Symptomencomplex dieser Krankheiten folgen
und zwar als Auszug aus den in medicinischen Zeitungen von mir
veröffentlichten Aufsätzen.

Nebstdem halte ich es für zweckmässig, ein Resumé aller angedeuteten
und zerstreut vorkommenden Fragen der Tropenhygiene zu bringen, um dem
Touristen einen hygienischen Rathgeber auf seinen Reisen in das Land
des ewigen Grüns und des ewigen Sommers mitzugeben.

Ich und viele tausend Andere sind den Gefahren des Tropenklimas
entronnen; das gemässigte und das kalte Klima haben wie das tropische
und das subtropische Klima ihre Gefahren.

Die moderne Hygiene zeigt uns diese Gefahren und zugleich die Mittel
und Wege, um ihnen zu entgehen.

Mögen also noch tausende Andere hinaus in die weite Welt ziehen, wo der
Kampf um’s Dasein ein leichter ist, und an Ehren und Schätzen reich
entweder in ihre Heimath zurückkehren oder weit von ihr entfernt sich
der Früchte ihrer Arbeit im Schatten mächtiger Baumriesen bis an die
Grenze des menschlichen Lebensalters erfreuen.


I. Eine seit zwei Monaten auf Java herrschende Epidemie von
Knöchelfieber = Denguefieber.

Am 12. Januar 1901 brachte die Amsterdamer Zeitung »Het Handelsblad«
das Telegramm aus Surabaya, dass dort eine Epidemie von Knöchelfieber
wüthe, welche eine bedeutende Störung in dem geschäftlichen Verkehr der
Stadt veranlasse, sich nach dem Westen der Insel ausbreite und bereits
die Mitte Javas ergriffen habe.

Obwohl die letzte Epidemie von Denguefever, wie sie in Englisch-Indien
genannt wird, im Jahre 1872 bis 1873 auf den Inseln des indischen
Archipels geherrscht hat, so +glaube+ ich doch einen solchen Fall
gesehen zu haben, und zwar in Batavia. Es war im Jahre 1880, als ich
im grossen Militärspitale zu Weltevreden als »Doktor der Wacht« (= du
jour) einen Patienten mit allen Symptomen des Scharlachs aufnahm.

Ich wusste zwar, dass auf Java Scarlatina nicht vorkomme, aber das
Bild dieser Krankheit war mir so geläufig, dass ich dem Spitalchef von
dem »Scharlachfalle« Rapport erstattete. Ich war nicht überrascht,
als dieser erfahrene Oberstabsarzt rundweg erklärte, dass es auf Java
überhaupt keinen Scharlach gäbe, dass aber dieser Fall wahrscheinlich
ein isolirter Fall von Knöchelfieber sei, ebenso als von der Cholera
hin und wieder einzelne Fälle bekannt werden, welche sich nicht zu
einer Epidemie ausbreiten. Der weitere Verlauf dieses Falles sprach
auch so wenig für Scarlatina, dass ich noch heute glaube, einen
isolirten Fall von demám modél baru (Fieber mit einer neuen Form M.)
gesehen zu haben.

In der »Encyclopädie van Nederlandsch Indië« wird als
Verbreitungsbezirk des Knöchelfiebers ein Gürtel angegeben, welcher im
Norden von 32° 41′ n. B. und im Süden von 23° 23′ seine Grenze findet
und zwar längs beider Hemigloben. Das Knöchelfieber ist also eine
Tropenkrankheit kat’ exochen.

In der Regel tritt die »Colorado« -- um auch aus den spanischen
Colonien ein Synonym für diese Krankheit zu bringen -- als gewaltige
Panepidemie auf. Tausende und Tausende werden von ihr gleichzeitig
erfasst; nicht alt, nicht jung wird von ihr verschont; gut genährte
Individuen fallen ihr ebenso zahlreich zum Opfer, als alte,
cachektische Menschen; die weisse Rasse zählt wie die braune oder wie
die Mischrasse ebensoviel Opfer. Dr. +van der Burg+ sah in der Epidemie
von 1872 in Batavia sehr oft ganze Familien mit allen Bedienten von der
»Knokkelkoorts« ergriffen.

Der Krankheitserreger des Knöchelfiebers ist zwar ein »strenger Herr,
aber er regiert nicht lange« (holländisches Sprichwort), dies ist die
Ursache, dass diese Patienten nicht lange leiden und dass nur wenige
ihm erliegen.

Die pathologischen Veränderungen an der Leiche sind bis jetzt nur wenig
bekannt; mehrere englische Aerzte haben zwar an einigen Leichen Section
gehalten, aber bis auf einen schwachen serösen Erguss in einzelnen
Gelenken nichts Pathognomisches gefunden. Die Zahl der Todesfälle ist
bis jetzt auch auf Java zu klein gewesen, um auch aus dieser Epidemie
ein reichlicheres Material für Untersuchungen an der Leiche zu
erwarten. In Batavia befindet sich ein bacteriologisches Laboratorium;
vielleicht finden die dortigen Aerzte Gelegenheit, Aufklärung zu
bringen.

Das Knöchelfieber ist gewiss eine Infectionskrankheit; aber es ist
keine Frage, dass sie auch ansteckend ist und dass ihr Contagium in
dem Menschen üppig vegetirt. Gerade die oben erwähnte Thatsache, dass
jung und alt, Mann und Frau, der cachektische wie der robuste Mensch
in gleicher Weise von einer Infection bedroht sind, spricht nicht für
eine »Erkältung«; aber auch Thiere werden zur Zeit einer Epidemie des
Knöchelfiebers häufig von ihr ergriffen; ja Dr. +Vordermann+, dem
damaligen Inspector des civilärztlichen Dienstes in Batavia, gelang
es, wie Dr. +van der Burg+ erzählt, durch Einspritzen von Blut eines
solchen Patienten in die Vene eines Affen, diesen schwer krank zu
machen. Dies geschah allerdings vor vielen Jahren, also zu einer Zeit,
wo die Technik dieser Experimente noch viel zu wünschen übrig liess;
da aber auch englische Aerzte Hunde, Katzen, Pferde und Kühe zur Zeit
einer herrschenden Epidemie drei bis vier Tage lang an Gelenkkrankheit
leiden sahen, so ist dieses Experiment des Dr. +Vordermann+ nicht
ganz von der Hand zu weisen. Wenn auch nicht auf bacteriologischer
Grundlage basirt, so verdienen dennoch die einzelnen Fälle, in welchen
der Import der Krankheit nachgewiesen wurde und noch nachgewiesen
wird, volle Berücksichtigung. So kam ein Javane im August 1872 mit
dem Knöchelfieber nach Makassar (Celebes), und kurze Zeit nachher war
die Epidemie in floribus. Auch diesmal wurden solche Fälle bekannt.
Nach dem Ausbruch der Epidemie in Surabaya zogen zwei Javaner nach
Djocjakarta (in Mittel-Java), und nach einigen Tagen wurde auch in
dieser Stadt diese Krankheit beobachtet.

Die Zeit der Incubation wird von wenigen Stunden bis auf acht Tage
angegeben; aus der jetzigen Epidemie sind mir diesbezüglich noch keine
Mittheilungen zugekommen; ebenso verschieden waren bis jetzt die
Mittheilungen über die Dauer der einzelnen Epidemien. Sie schienen
überall so lange zu dauern -- bis die ganze Bevölkerung durchseucht
war; so erkrankte z. B. im Jahre 1818 von den 70000 Bewohnern von Lima
(in Peru) beinahe die ganze Einwohnerzahl. Das einmalige Ueberstehen
dieser Krankheit schützt nicht einmal vor einer Recidive in derselben
Epidemie.

Bevor ich zur Beschreibung des Krankheitsbildes übergehe, will ich
noch bemerken, dass Quarantainemaassregeln wahrscheinlich keinen
Erfolg auf die weitere Verbreitung der Krankheit haben werden, obwohl
der englische Arzt +Sparrow+ seiner Zeit durch strenge Isolirung der
Patienten dieses Ziel erreicht haben will.

Die Symptome jenes, von mir beobachteten Falles von Knöchelfieber
stimmen so ziemlich überein mit jenen, welche von anderen
Berichterstattern, z. B. Dr. +van der Burg+, +Scheube+, +Adriani+,
+Dunkley+, +Rey+, +Vernani+ und so weiter mitgetheilt wurden, und ich
brauche daher nicht zu zögern, diesen einen Fall zur Basis des jetzt
folgenden Krankheitsbildes zu nehmen.

Heftige Schmerzen in den verschiedensten Gelenken leiten die grosse
Reihe der Symptome ein; kein einziges Gelenk macht hiervon eine
Ausnahme, in den Phalangen, in den Knieen, in den Rückenwirbeln,
im Unterkiefergelenke kommen die Schmerzen ebenso häufig vor, als
in den Gelenken der Hand, des Fusses, der Hüfte u. s. w. Bald sind
die Gelenkkapseln, bald die in der Nähe inserirten Sehnen sehr
schmerzhaft, und bald klagen die Patienten über Schmerzen in einzelnen
Muskelgruppen, und bald ist die ganze Haut hyperästhetisch, und
bald klagen sie über Schmerzen in der Nase, Brust u. s. w. In der
Regel sind diese Schmerzen so intensiv, dass der Patient regungslos
zu Bette liegt und auch bei der geringsten passiven Bewegung
Schmerzensschreie ausstösst. Manchmal, aber nur manchmal, findet man
objective Erscheinungen der Arthritis und Tendovaginitis[108]. Schon
nach wenigen Stunden stellt sich das Fieber ein, und die Temperatur
steigt schnell bis 41 und 42°. In diesem Stadium sind natürlich
einige Symptome vorhanden, welche ebenso gut als eine Folge des
Fiebers als die der Infection selbst aufgefasst werden können; hierzu
gehört die Dyspnoe[109], der gejagte, harte und volle Puls, die
Conjunctivitis[110] und manchmal Gehirnerscheinung, wie z. B. (bei
Kindern) klonische und tonische Krämpfe. Nach 24 bis 36 Stunden sinkt
die Temperatur auf das Normale, und häufig stellen sich gleichzeitig
Pharyngitis[111], Angina[112], Tonsillitis[113], Asomnie[114] und
+manchmal+ unter heftigen Schmerzen ein juckender Hautausschlag
ein, welcher bald stecknadel-, bald handflächengrosse geröthete
Hautstellen zeigt. Sie kommen überall vor und sind geradezu polymorph,
so dass sie mit jenen von Miliaria[115], Masern, Scharlach, Pocken und
selbst von Urticaria[116] verwechselt wurden. Das Verschwinden des
Hautausschlags wird von einer Desquamation[117] gefolgt, welche das
Chorion blosszulegen +scheint+; die Patienten sind nämlich, z. B.
in den Fusssohlen, nach der Abschuppung so empfindlich, dass sie
einige Tage nicht stehen und nicht gehen können, und die Handflächen
vertragen kaum eine Berührung mit den eigenen Fingern. Ueber den Befund
des Urins liegen einige Untersuchungen vor, welche nichts Specifisches
mittheilen; in meinem Falle hatte ich es mit echtem Fieberharn zu
thun; wenn einige Aerzte auch etwas Eiweiss gefunden haben, so ist
dieses gewiss ein bei anderen Infectionskrankheiten eben so häufig
vorkommender Befund.

Nach ungefähr zehn Tagen ist der Patient geheilt, wenn sich keine
Recidive oder besser gesagt, keine Exacerbation eingestellt hat,
welche gewöhnlich, wenn auch manchmal in milderer Form, geradezu eine
Wiederholung der Symptome des ersten Anfalles ist. Dann allerdings
dauert die Reconvalescenz sehr lange; das Jucken, die schlaflosen
Nächte, Stuhlverstopfung, rheumatische Schmerzen u. s. w. verbittern
noch wochenlang dem Patienten das Leben.

Ueber die Folgekrankheiten einer solchen Infection habe ich aus eigener
Beobachtung gar kein Material mitzutheilen; doch will ich auf die
Arbeit von +Scheube+ in seinem Werke: »Krankheiten der warmen Länder«
hinweisen, in welchem diese, wie auch zahlreiche »Complicationen« mit
dem Knöchelfieber angeführt werden.

  Aerztliche Centralzeitung Wien Nr. 14, 1901.


II. Die Lâtah-Krankheit (Sâkit lâtah M.).

Obwohl diese Krankheit auf Java sehr häufig vorkommen soll, und ich
auf dieser Insel beinahe zehn Jahre und auf den übrigen Inseln des
indischen Archipels ebensolange gelebt habe, war ich trotzdem nur
dreimal in der Lage, diese in Europa unbekannte Nervenkrankheit
zu beobachten. Das Wort lâtah bedeutet »das von Anderen Gesagte
wiederholen«[118] und charakterisirt das Wesen dieser Krankheit
nur theilweise. Die Patientin -- in Holländisch-Indien sind es
niemals Männer, welche an dieser Krankheit leiden -- übt nämlich
Zwangsbewegungen bewusst aus, ohne sich der Macht der Suggestion
entziehen zu können, und zwar von allen willkürlichen Muskeln und nicht
allein von jenen des Sprachorganes, wie es das Wort lâtah andeutet.
Es sind unglückliche Geschöpfe, weil sie die Zielscheibe aller
schlechten Witze sind und maschinenmässig die Bewegungen eines jeden
imitiren, welcher die Absicht zeigt, sie in ihrem Thun und Lassen zu
suggeriren. Ein gewöhnliches und häufiges Experiment charakterisirt die
Willenlosigkeit dieser Unglücklichen. Die Frau kommt mit einer Platte
ins Zimmer, auf welcher ein Glas steht, und irgend einer der Anwesenden
macht mit den Händen die Bewegung nach abwärts, und sofort darauf folgt
sie diesem Beispiel; das Glas zerbricht, und entrüstet eilt sie von
dannen; ein Zweiter macht die Bewegung als ob er den Rock aufheben
würde; sie thut es thatsächlich und ebenfalls eilt sie entrüstet und
beschämt davon; ein Dritter hustet, ein Vierter kräht und ein Anderer
schüttelt unter Gestikulationen den Körper; alles ahmt sie nach, um
sofort ihre Zwangsbewegungen zu erkennen und mit deutlichen Zeichen des
Unwillens davonzueilen.

Die geographische Verbreitung dieser Psychose ist nach +Scheube+ und
nach +van der Burg+ eine sehr grosse; das Mali-mali der malaiischen
Bevölkerung auf den Philippinen, das Bah-tschi in Siam, das Miryachit
in Sibirien und das Jumping in Nordamerika sollen der Lâtahkrankheit
verwandte, wenn nicht identische Erkrankungen sein. Auch bei den Lappen
und Japanern wurden ähnliche Neurosen beobachtet.

Wenn Dr. N. in der »Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie 1895«
diese Krankheit eine provocirte imitatorische impulsive Myospasmie
nennt, ist er auf einem Irrwege, und wenn er die »Schwächung des
Willens mit der mangelhaften Charakterentwicklung der Malaien und
ihrem labilen Nervenleben in Zusammenhang bringt, welche man als eine
Folge der unterdrückten Stellung, in welcher dieselben stets gehalten
worden sind, angesehen hat«, so widerspricht er sich selbst und lässt
andererseits seiner lebhaften Phantasie, welche er auch an anderer
Stelle[119] verrathen hat, die Zügel schiessen.

Das Wesen der Erkrankung wird Jeder zweifellos einer centralen Ursache
zuschreiben, wenn er jemals eine solche Scene unbefangen beobachtet
hat. Die Patientin imitirt heftig erregt die suggerirten Bewegungen,
wenn sie gleichzeitig ausgeführt werden; sie muss diese sehen, hören
oder fühlen (wie +Rasch+ von den Fällen auf Siam mittheilt); es
muss also ein peripherer Reiz vorhanden sein; gleichzeitig muss aber
auch Suggestion vorhanden sein, d. h. willkürliche oder unwillkürliche,
bewusste oder unbewusste Bewegungen und Aeusserungen der Umgebung
werden nicht nachgeahmt, wenn die Patientin sich der Suggestion nicht
bewusst ist. Darum sind diese Patientinnen weder gefährlich noch lästig
in der Gesellschaft und füllen ihren Beruf vollkommen aus, so lange
sie selbst nicht durch Andere belästigt werden; ich hatte fünf Jahre
lang eine Köchin, welche gar keinen Schaden anrichtete, obwohl sie die
Lâtahkrankheit hatte. Sobald die Suggestion eintritt, erschrickt die
Patientin und stösst ein Schimpf- oder Fluchwort aus und wiederholt
die Worte, die Töne und die Bewegungen, welche ihr suggerirt wurden.
Der periphere Reiz vermittelt sofort dieselbe Muskelthätigkeit mit
unwiderstehlichem Zwange; die Willenskraft ist in einem solchen
Moment thatsächlich erloschen, aber eine Myospasmie können diese
Reflexbewegungen unmöglich genannt werden. Bis jetzt haben wir es
also nur mit Reflexbewegungen durch Suggestion zu thun, und zwar in
analoger Weise wie die durch Nachahmung entstandenen epileptischen
Anfälle. Das Typische des Krankheitsbildes ist also die unwillkürliche
Action willkürlicher Muskeln +in dem Banne eines fremden Willens+.
Die Lâtahkrankheit ist eine Krankheit, welche nicht so unvermittelt
auftritt als Dr. N. annimmt, und ebensowenig steht sie im Zusammenhang
mit der »unterdrückten Stellung« der malaiischen Rasse. Diese
existirt eben nur in der Phantasie des Dr. N., wenigstens in so hohem
Grade, dass sie als ätiologisches Moment im Entstehen irgend einer
Nervenkrankheit benützt werden könnte. Eine russische Bäuerin erfreut
sich viel geringerer Freiheit als eine javanische Bauersfrau; und
wenn ein holländischer Säufer den im Schweisse ihres Antlitzes sauer
verdienten Zehrpfennig seiner Frau abnimmt, so veranlassen alle diese
Fälle gewiss kein endemisches Auftreten jener Krankheitsfälle, welche
den Menschen zeitweise zum willenlosen Nachbeter jedes beliebigen
Spassvogels machen. Es waren bei allen drei Fällen, welche ich zu
beobachten Gelegenheit hatte, +geistesschwache+ Individuen; alle
drei hatten ein gewisses Lächeln constant um ihre Lippen, welches
wir nicht nur bei Schwachsinnigen und Idioten finden, sondern auch
häufig bei zahlreichen Frauen, welchen als summum der Lebensweisheit
eingeprägt wurde, immer, überall und zu jeder Zeit ein liebenswürdiges
Lächeln zu zeigen; ja noch mehr, diese Patienten haben einen
eigenthümlichen Gesichtsausdruck, der zweifellos ein vermindertes
Seelen- und Geistesleben vermuthen lässt, ohne dass wir sie, ich will
es betonen, Idioten im vulgären Sinne des Wortes nennen können. Ich
muss noch beifügen, dass bei Einigen verstärkte Sehnenreflexe, bei
Anderen Paraphasie oder sogar choreatische Paraphasie und in einzelnen
Fällen selbst Psychosen gefunden wurden. Sollte es nicht Hysterie sein??


III. Aphthae tropicae.

= Sariawan (M.) = indische Spruw (H.) = Hill diarrhoea (E) = Entero --
colique endémique (F.).

Diese Krankheit ist eine reine Tropenkrankheit; denn sie entsteht nur
in den Ländern des tropischen Erdgürtels und heilt nur im gemässigten
Klima. Sie ist eine +zymotische Krankheit+, d. h. sie entsteht durch
einen leider bis jetzt unbekannten Fermentstoff. Ich kann hier
unmöglich alle Entstehungsursachen, wie Erkältung, Unterdrückung
von Schweiss und von Hautkrankheiten u. s. w., welche von anderen
Berichterstattern angeführt werden, ausführlich besprechen und
widerlegen; ich kann diese meine Ansicht über das Entstehen dieser
Krankheit hinreichend mit dem Orte und der Art der Krankheit motiviren.
Es ist nämlich der ganze Verdauungstractus +vom Munde angefangen bis
zum Mastdarm erkrankt+, und ihr tödtlicher Ablauf ist durch eine
Erschöpfung des Organismus in Folge der gestörten Verdauung bedingt.
Es ist der Bacteriologie diese dankbare Aufgabe noch vorbehalten, den
Krankheitserreger der indischen Spruw zu finden.

Der Jahresbericht von 1895, welchen der Sanitätschef der holländischen
Armee veröffentlicht, theilt mit, dass im Quinquennium 1891-1895 34
europäische und ein eingeborener Soldat mit Aphthae tropicae in den
Militärspitälern aufgenommen und behandelt wurden. (In demselben
Zeitraume wurden 42642 europäische, 147 afrikanische und 31823
eingeborene Soldaten mit Malaria in den Spitälern verpflegt.) Dr.
+van der Burg+ war in der Lage, 1420 Europäer und 196 Eingeborene
aus diversen statistischen Rapporten zu erhalten, welche an dieser
tropischen Krankheit in 34 Jahren gelitten haben. Es ist also
zweifellos, dass die Eingeborenen zu dieser Krankheit eine bedeutend
kleinere Disposition als die Europäer haben, und es liegt nahe, in
der so verschiedenartigen Lebens- oder Ernährungsweise dieser beiden
Rassen die Entstehungsursache dieser Krankheit zu suchen. Es ist
sehr modern, den Alcohol so viel als möglich eine grosse Rolle in
der Entstehungsgeschichte der verschiedensten Krankheiten spielen zu
lassen. Aber obige Ziffern schliessen dies in unserm Falle ganz aus;
im Jahre 1895 wurden von 17216 europäischen Soldaten neun, sage neun
Mann wegen indischer Spruw in allen Militärspitälern aufgenommen;
die Soldaten sind im Allgemeinen nicht durch eine antialcoholische
Denkungsweise ausgezeichnet; aber auch die Thatsache, dass Frauen eine
grössere Disposition als die Männer haben, befreit den Alcohol von dem
Vorwurfe, diese Tropenkrankheit zu veranlassen. Auch das Quecksilber
wurde in der Reihe der Schädlichkeiten genannt, welche diese Krankheit
entstehen lassen sollen. Die Chinesen gebrauchen nämlich viel häufiger
bei ihren petites misères de la vie das Quecksilber als die Europäer;
es spielt das Quecksilber in dem Arzneischatz der chinesischen Doctoren
und Apotheker eine bedeutende Rolle (ich besass vor Kurzem eine grosse
chinesische Pille gegen »Erkältungen«, welche mit Zinnober bestreut
war). Thatsächlich leiden auch unsere langgezopften Mitbürger auf Java
ebenso häufig an »Seriavan« als die Europäer und viel häufiger als die
Eingeborenen. Die Erfahrung bestätigt jedoch diese Vermuthung nicht.
Wie oft behandeln europäische Aerzte Wochen, manchmal Monate lang, mit
grösseren oder kleineren Pausen oft zwei bis drei Jahre lang Patienten
mit Quecksilber, ohne dass diese die Spruw bekommen.

Ich will nicht weitere Theorien in der Aetiologie dieser Krankheit
anführen; wir haben bis jetzt keine allgemein giltige Ursache für ihre
Entstehung. Die Symptome dieser chronischen, oft Jahre lang dauernden,
niemals epidemisch auftretenden +nicht contagiösen+ Krankheit sind
folgende:

Die ersten Erscheinungen sind die der gestörten Magen- und
Darmfunctionen: Abwechselnd ist der Appetit gut und manchmal schlecht;
der Magen ist beinahe stets so stark mit Gasen erfüllt, dass die
Kleider ein lästiges Gefühl erzeugen, und man z. B. die Weste, welche
vor dem Frühstück geschlossen wurde, schon nach ein paar Stunden öffnen
muss. Hin und wieder kommt es zum Erbrechen von sauerem Mageninhalt,
manchmal von faden zähen Schleimmassen; der Stuhlgang ist unregelmässig
und variirt zwischen tagelanger Obstipation und dünnen flüssigen
Entleerungen +ohne Eiter und ohne Blut+. Schon nach wenigen Monaten
zeigen sich am Rande der Zunge kleine rothe Pünktchen, und bald ist die
ganze Oberfläche der Zunge erkrankt, so dass sie wie ein Stück rauhes
Fleisch aussieht, welches mit Firniss überzogen wurde. (Das Epithel
ist verschwunden und die Papillen der Zunge sind atrophisch geworden.)
Oft genug sieht man kleine weisse Bläschen, welche schmerzhaft sind,
und kleine Einrisse (fissuren) auf dem Rande der Zunge; dabei sind
das Sprechen und das Essen und Trinken einzelner Speisen empfindlich.
Bald wird auch die Leber kleiner und die Stuhlgänge werden arm an
Gallenfarbstoff. Man findet entweder kleine harte graue Stücke
(Scyballa) oder eine graue, weissliche, mit Schaum bedeckte breiige
Masse und hin und wieder selbst ganz wässrige Entleerungen, wie man
sie bei Cholerapatienten zu sehen gewöhnt ist.

Ich muss mich in der Aufzählung der übrigen Symptome an dieser Stelle
einschränken -- ich schreibe ja nicht für Aerzte -- und will daher nur
noch die für diese Krankheit charakteristischen Erscheinungen anführen,
welche das traurige Leiden beendigen. Dabei schwebt mir das Bild eines
Kaffeepflanzers vor Augen, den ich in Padang, wo diese Krankheit
angeblich wegen der grossen Feuchtigkeit des Ortes besonders häufig
vorkommen soll (?), untersuchen konnte.

Es war ein kleiner Mann, welcher blass, anämisch und schwach war; seine
Zunge war durch Furchen in sechs Lappen getheilt, die Haut trocken und
fahl; die Stimme matt; die Leber kaum zwei Finger breit nachzuweisen,
der Blick gebrochen. Die meisten Speisen und Getränke verursachten
ihm ein brennendes Gefühl im Munde und in der Speiseröhre; er litt an
Diarrhoe, und seine Entleerungen glichen schmutziger sauerer Milch. Am
meisten klagte er über Aufstossen von heisser stinkender Luft. Der Puls
war klein und zählte 120 in der Minute, die Athemfrequenz war gross.

Der Herr X. war auf der Reise nach Europa begriffen, um dort Heilung
seines schweren Leidens zu suchen und zu finden; es war zu spät. Der
indische Ocean wurde sein Grab.

  Vide: Aerztlicher Centralanzeiger Nr. 36, 1899.


IV. Tropenhygiene

nach dem Vortrage, gehalten am 8. März 1902 im naturwissenschaftlichen
Verein „Lotos“ in Prag.

Wenn also das Tropenklima auf der Insel Java einer starken
Bevölkerungszunahme nicht hinderlich war -- einerseits -- und
andererseits die Eingeborenen gegenüber der kaukasischen Rasse keinen
grossen Unterschied in der Widerstandskraft gegen die endemischen
Krankheiten zeigen, dann glaube ich das Recht zur Behauptung zu
besitzen, dass die Acclimatisation der Europäer auf Java auf die
Tagesordnung der hygienischen Fragen gesetzt werden kann.

Ich behalte mir vor, diese Frage an anderer Stelle ausführlich
zu besprechen und will heute nur ein Schema jener Principien
entwerfen, welche in dieser Frage ein entscheidendes Wort sprechen.
Landbaucolonien sind möglich, wenn die Lehren der Hygiene ebenso
gewissenhaft befolgt werden, als die Gesetze des Rechtes, des Handels
und der Politik. Das heisst:

1. Es muss eine verständige, langdauernde Vorbereitung des Organismus
zur Gewöhnung an die neuen Verhältnisse stattfinden, so dass man
beispielsweise nicht wie jener früher erwähnte englische Naturforscher
+sofort+ ganz und gar die Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten der
Eingeborenen annehme.

2. Man sei vorsichtig in der Wahl des Terrains. Man wird bei der Wahl
desselben zuerst mit dem Hochgebirge, und zwar mit dem malariafreien
Hochgebirge anfangen, um nach und nach zu den niedrigeren und zu den
Strandplätzen zu gelangen.

3. Es muss für gesundes Wasser gesorgt werden (schon im Jahre 1623
erwähnt +Bontius+ in seinem Buche »De Conservanda« die zahlreichen
Krankheiten, welche durch den Genuss von schlechtem Wasser entstehen).

Die Versorgung der Fäcalien darf nicht vernachlässigt werden.

Die Regierung sorge für gute Wege und Spitäler, für wissenschaftliche
und praktische Entwälderung und für neue Anpflanzungen in sumpfigen
Gegenden und für Epidemiegesetze, welche nicht von europäischen Aerzten
zusammengestellt werden (wie es bis jetzt der Fall ist), sondern von
Aerzten, welche in Indien ihre Erfahrungen gesammelt haben (so dass z.
B. nicht von Scharlach gesprochen wird, welcher in Indien überhaupt
nicht vorkommt, und von Masern, welche dort so günstig verlaufen, dass
ein Sterbefall zur Ausnahme gehört).

4. Die Pflege der Haut werde nicht vernachlässigt, weil durch die
starke Transpiration der Feuchtigkeitsverlust des Körpers durch die
Haut gross und die Secretion der Nieren gering ist.

5. Die Kleidung muss sich streng nach den jeweiligen
Temperaturverhältnissen und denen des jeweiligen Feuchtigkeitsgehaltes
der Luft richten.

6. Die Monotonie des geistigen Lebens werde unterbrochen dadurch, dass
man neben seinem Berufe andere Liebhabereibeschäftigungen sucht.

7. In allen Genüssen des Lebens gedenke man des lateinischen
Sprichwortes »Ne nimis« und, was den Gebrauch des Alcohols angeht, so
täusche man weder sich noch Andere mit dessen Nothwendigkeit. +Die
totale Enthaltung von Alcohol ist in Indien noch immer gesünder, als
der übermässige Gebrauch desselben, ja selbst der bescheidene Gebrauch.+

8. Die Wohnungen müssen allen Anforderungen der Hygiene entsprechen.

       *       *       *       *       *

In der darauf folgenden Discussion ergriff Prof. +Hueppe+ das Wort, um
zunächst die Thatsache zu constatiren, dass bis jetzt nirgends eine
Acclimatisation der Europäer in den Tropen stattgefunden habe; selbst
in den spanischen Colonien, welche am längsten diesbezüglich geeignetes
Material verwendet haben, hätten sich die Europäer nur bis in die
dritte Generation fortgepflanzt.

Hierauf betonte er mit Nachdruck, dass auch seiner Ansicht nach die
Europäer in den Tropen ein hohes Alter erreichen können, dass aber
diese +individuelle+, auch von mir mitgetheilte Acclimatisation nichts
mit der Acclimatisationsfähigkeit der Europäer als +Genus+ zu thun habe.

Die Motivirung dieser Behauptung brachte jedoch Prof. +Hueppe+ nicht
und wies nur darauf hin, dass die +Haut+ der Europäer in den Tropen
niemals den veränderten klimatischen Verhältnissen sich angepasst habe.

[Illustration: Fig. 25. Bewohner der Pageh-Inseln.

(Vide Seite 196.)]

Die Haut hat, abgesehen von ihrer Bedeutung als äussere Bedeckung,
eine dreifache Arbeit zu leisten; sie ist ein Factor in der Athmung,
sie sondert Fett auf die Oberfläche des Körpers ab und secernirt den
Schweiss.

Ein qualitativer oder principieller Unterschied in diesen Functionen
der menschlichen Haut in den Tropen ist mir weder aus eigener noch aus
den experimentellen Untersuchungen Anderer bekannt.

Ein quantitativer Unterschied besteht -- so weit hat Prof. +Hueppe+
Recht --; aber gerade diese Thatsache ist der beste Beweis, dass auch
die Haut sich in die neuen Verhältnisse schickt.

Prof. +Hueppe+ sieht in den von mir oben angeführten Thatsachen nur
eine +individuelle+ Acclimatisation der Europäer in den Tropen und
behauptet mit Recht, dass durch diese Thatsachen nur bewiesen sei,
dass in den Tropen der Europäer alt werden und seine Muskel- und
Geistesenergie in denselben biologischen Grenzen als in Europa sich
bewegen könne.

Mehr wollte ich ja nicht behaupten, und diese Thatsachen sind ja
hinreichend, die Frage der +Landbaucolonien in den Tropen+ anzuregen
und zu beeinflussen.

Die Acclimatisation der Europäer als +Genus+ kann empirisch und
theoretisch geleugnet oder behauptet werden.

Wenn Herr Prof. +Hueppe+ diese bestreitet, weil sie bis jetzt nicht
vorgekommen wäre, obzwar schon seit ungefähr 400 Jahren Europäer in den
Tropen gelebt hätten, so muss ich auf Grund meiner Erfahrungen in den
holländischen Colonien einfach sagen: Ein negativer Beweis -- beweist
nichts. Denn z. B. auf den Inseln des indischen Archipels fehlte das
Material dazu. Vor der Einführung der Dampfschifffahrt und noch mehr
vor der Eröffnung des Suezkanals (16. November 1864) war die Zahl der
europäischen Frauen, welche nach »dem Osten« gingen, so klein, dass die
meisten europäischen Männer nur mit eingeborenen oder halbeuropäischen
Frauen für die Fortpflanzung sorgen konnten. +Empirisch+ lässt sich
also diese Frage heute noch nicht beantworten.

Wenn jedoch +theoretisch+ die Fortpflanzungsfähigkeit der Europäer
in den Tropen besprochen werden soll, müssen meiner Ansicht nach in
erster Reihe die Fortpflanzungsorgane die Basis der Untersuchung sein.
Dies hat Herr Prof. +Hueppe+ nicht gethan. Es ist aber auch über
die Veränderung dieser Organe durch den Aufenthalt in den Tropen gar
nichts bekannt, weil das einzige diesbezügliche Axioma, dass alle
europäischen Frauen an Fluor albus leiden sollten, sich als unrichtig
erwiesen hat (vide Dr. +Stratz+, Die Frauen auf Java).

Wenn aber in dieser Frage der Zustand der Fortpflanzungsorgane unter
dem Einflusse des Tropenklimas nicht in Betracht gezogen wird, dann
kommen wir in das Gebiet der speculativen Philosophie, für welche die
moderne Hygiene ebenso wenig als Prof. +Hueppe+ bei der Beantwortung
medicinischer Fragen schwärmen wird.

In Nummer 31 (1902) der Prager Med. Wochenschrift glaubte dieser
berühmte Hygieniker von Prag diesen Ansichten entgegentreten zu müssen
und zwar auf Grund »von einer Erfahrung von 5000 Jahren«. In meiner
Erwiderung betonte ich den Werth meiner langjährigen Beobachtungen an
Ort und Stelle, während Prof. +Hueppe+ nur die Mittheilungen Anderer
benutzen konnte, und theilte noch Folgendes mit:

Nur die langjährige Beobachtung an Ort und Stelle ermöglichte mir die
Behauptung, dass wir +empirisch+ über die Fortpflanzungsfähigkeit der
Europäer in den tropischen Colonien Hollands +heute+ nichts Bestimmtes
wissen können, und wenn mir Herr Prof. +Hueppe+ die Beobachtungen aus
den spanischen Colonien als Gegenbeweis bringt, werde ich zwar sofort
einen (scheinbar) vollgiltigen positiven Fall erzählen; ich kann mich
aber nicht einmal auf einen Einwand der Richtigkeit der spanischen
Mittheilungen einlassen, weil selbst der grosse, kritische Scharfsinn
dieses Hygienikers unmöglich einen Ersatz für die langjährige
Beobachtung an Ort und Stelle bieten kann.

Was den sachlichen Theil der Gegenschrift des Herrn Prof. +Hueppe+
betrifft, will ich ihren Widerspruch mit meinen Behauptungen in wenigen
Worten skizziren.

       +Breitenstein+                         Prof. +Hueppe+

  1. behauptet, dass die               1. bestätigt diese Erfahrung;
  Europäer in den Tropen
  ebensoviel Arbeit leisten
  können als im gemässigten und
  subtropischen Klima;

  2. behauptet, dass jede a           2. behauptet, dass die
  prioristische Negirung der          Erfahrungen, die auf ungefähr
  Acclimatisationsfähigkeit der       5000 Jahre zurückgehen,
  Europäer in den Tropen vor          einfach ignorirt werden, weil
  diesen Thatsachen die Waffen        einige Colonisationsschwärmer
  strecken müsse.                     aus Freude über die doch
                                      wesentlichen individuellen
                                      Erfolge der Tropenhygiene
                                      auch dem deutschen Bauer eine
                                      ideale Zukunft versprechen.

Herr Prof. +Hueppe+ beruft sich also auf die Geschichte, um
meine Behauptung von der Acclimatisationsfähigkeit der Europäer zu
widerlegen, während ich nur der a prioristischen Negirung derselben
jede Existenzberechtigung abspreche. Nun! die Geschichte giebt
+mir+ Recht. Am Ende des 17. Jahrhunderts, also vor 200 (!!)
Jahren, haben sich auf der Insel Kisser[120] zahlreiche europäische
Familien angesiedelt, welche „+ohne mit den Eingeborenen sich zu
vermengen, sich fortgepflanzt haben+«. (Dr. +A. B. Meyer+ in
+Petermann’s+ Mittheilungen.) Im Jahre 1880 ging der damalige
Stabsarzt +L. C. A. Rombach+ auf Befehl des Sanitätschefs +D.
J. de Leeuw+ dahin, einen Bericht über die europäischen Bewohner zu
erstatten, und er schreibt Folgendes:

... Ihre Nachkommen wohnen noch auf der Insel (Kisser) und haben sich
nicht mit der ursprünglichen Bevölkerung vermischt ...

... Die holländischen Nachkommen tragen holländische Namen: Bakker,
Joosten, Lertes u. s. w. ...

... Es war ein eigenthümlicher Anblick für uns, die wir wochenlang
überall Wilden begegnet hatten, so plötzlich in diese Colonien
versetzt, Menschen zu sehen, unter welchen sich viele mit blonden
Haaren und blauen Augen befanden und einen gewissen Grad von
Civilisation zeigten ...

Zu diesen Mittheilungen bemerkt Dr. +van der Burg+ in seinem Buche
„de Geneesheer van Nederlandsch Indië“, I. Theil, Seite 324: Diese
interessante Insel bringt in einem Theile seiner Bewohner +also
den unwiderlegbaren Beweis, dass die Fortpflanzung von Europäern im
heissen Klima möglich ist+. Ich will sehr gerne diesen einen Fall
als Ausnahme von der Regel und daher als gar nichts beweisend erklären;
aber Herr Prof. Hueppe hat für jeden Fall die Geschichte der letzten
5000 Jahre ohne Erfolg zur Stütze seiner Behauptungen angerufen.

       +Breitenstein+                         Professor +Hueppe+

  3. behauptet, dass die                3. behauptet, dass wirkliche
  Acclimatisation der Europäer          Acclimatisation nur in ganz
  auf Java auf die Tagesordnung         beschränkten Massen in den
  der hygienischen Fragen               Höhen der Gebirge und auf gut
  gesetzt werden kann.                  isolirten gebirgigen Inseln
                                        möglich sei.

Es fällt mir wirklich schwer, zu constatiren, wer von uns beiden
vorsichtiger die Möglichkeit einer Acclimatisation der Europäer in den
Tropen behaupten will; wenn ich nebstdem an anderer Stelle sage: „Man
wird bei der Wahl des Terrains zuerst mit dem Hochgebirge und zwar
mit dem malariafreien Hochgebirge anfangen, um nach und nach zu den
niedrigeren und zu den Strandplätzen zu gelangen“ -- dann allerdings
entferne ich mich nur theilweise von der diesbezüglichen Ansicht meines
berühmten Gegners, und ich constatire gerne zum Schluss dieser kleinen
Streitschrift, dass die Behauptung des Herrn Professor +Hueppe+:
„Ackerbaucolonien von genügendem Umfange sind in den Tropen für den
Europäer undenkbar“, von vielen Hygienikern getheilt wird. --

Ich aber bin genug sanguinisch, um zu behaupten: Unter dem Einfluss
der modernen Hygiene haben die Mortalität und Morbidität der Europäer
in den Tropen bis jetzt sich so gebessert, dass diese, hier wie dort,
beinahe in allen Fächern der Industrie, des Handels, der Kunst und
Wissenschaft die gleiche Arbeit des Körpers und des Geistes leisten
können und thatsächlich auch schon leisten, und dass ein gewissenhaftes
Befolgen der Gesetze der „individuellen“ wie der staatlichen
Tropenhygiene auch europäischen Ackerbaucolonien in den Tropen einen
Erfolg sichern kann und sichern wird.



II. Anhang.


Das Lied, von welchem ich auf Seite 164 sprach, erhielt ich durch die
freundliche Hülfe des Herrn Otto Knaap in europäische Noten gesetzt.
Da die malaiische Scala nur fünf Töne besitzt, welche mit keiner der
europäischen Tonleitern identisch sind, so hat im Allgemeinen eine
solche Arbeit grosse Schwierigkeiten zu überwinden, und wie wir weiter
unten sehen werden, soll die Arie des Gamelan, welche ebenfalls der
Herr Knaap mir zur Verfügung stellte, nicht ganz einwandfrei in Noten
gesetzt sein (?).

Dieses Lied ist aber kein rein malaiisches; seine Wiege stand in
Portugal und hat sich mehr als drei Jahrhunderte[121] auf Java erhalten
und fortgepflanzt. Die Tradition allein und keine Noten vermittelten
bis jetzt die allgemeine Verbreitung auf Java. [Auf der Insel Bali,
im Osten von Java, wurde vor einigen Jahren etwas entdeckt, das man
mit unseren Noten vergleichen könnte. Auf Lontar-Blättern, d. h.
auf den jungen, weisslichen Blättern der Palmyrapalme (Borassos
flabelliformis L.), welche bis vor kurzem an Stelle des Papieres zum
Briefschreiben und selbst zum Anfertigen von Büchern[122] verwendet
wurden, befand sich ein Liebeslied mit einer Nadel geschrieben; die
Schrift war mit Oel und Kohle lesbarer gemacht. Unter jedem Worte
waren die Vocale aus der javanischen Schrift dong, deng, dung, dang,
ding als Töne und der kleine dong und der kleine dang als Nebentöne
angeführt.] Auch auf den übrigen Inseln werden die zahlreichen
Instrumente nur aus dem Gedächtnisse gespielt; es ist daher, ich möchte
sagen, selbstverständlich, dass dieses portugiesische Lied theilweise
den malaiischen Charakter angenommen hat und dass nur der Fachmann
im Stande ist, die ursprüngliche Arie aus dem vorliegenden Liede
herauszufinden.

[Music:

1. Lied (= Lagu) aus der „Komedie Stambul“

(= Theater von Constantinopel).

  Otto Knaap und Constant van de Wall.

_Adagio ma non troppo._]

[Music:


2. Lied aus der „Komedie Stambul“.

  Otto Knaap und Constant van de Wall.

_Andante._]

Diese zwei Lieder hörte ich auf Java (in Magelang) in dem Schauspiele
»Ali Baba«, welches, wenn ich nicht irre, aus Tausend und Eine Nacht
ins Malaiische übersetzt und dramatisirt wurde. Der Verfasser war ein
gewisser Tardieu, welcher das Verdienst hatte, auf Java eine nach
europäischen Begriffen rein dramatische Kunst so zu sagen über Nacht
geschaffen zu haben.

Wenn der Herr O. Knaap in überschwenglichen Worten[123] die Energie
bewundert, mit welcher Tardieu ein malaiisches Schauspiel gegründet und
in kürzester Zeit malaiische Schauspieler geschaffen hat, so kann ich
nur theilweise seinem Lobliede beistimmen.

Tardieu war 18 Jahre alt, als er sein Werk begann; er hatte kein
Vermögen, sprach als »Sinjo« nur das sogenannte »Kasernenmalaiisch«;
nirgends war eine Theaterschule; es gab keine Schauspieler von
Beruf; nicht einmal geschriebene oder gedruckte Dramen fand er in
der malaiischen Literatur, und die javanische Musik kannte er nicht
mehr und nicht besser, als jeder andere Europäer oder »Sinjo« (=
Halbeuropäer), welcher hin und wieder die Gamelan spielen hörte oder
einer Wajong-Vorstellung[124] hin und wieder beiwohnte.

Was er geschaffen hat, war keine »Schmiere«. Es war ein Kunsttempel,
dessen Pforten nicht nur den Europäern, sondern gleichzeitig auch den
Chinesen, den Kindern des Landes und den »fremden Orientalen« (Arabern,
Klingalesen u. s. w.) geöffnet werden sollte. Die Sprache des Dramas
und der Operette, welche aufgeführt werden sollten, musste für Alle
verständlich sein; er wählte daher die lingua franca des ostindischen
Archipels, die malaiische Sprache; nebstdem mussten auch das ganze
Ensemble, die Decoration, die Mimik, die Geste, die Gesticulation
u. s. w. einen ausgesprochen malaiischen Charakter haben und tragen;
Tardieu hielt sich also an die Wajong-Vorstellungen an den kaiserlichen
Höfen zu Solo und Djocja.

Nur bis hierher und nicht weiter konnte ich dem Herrn Knaap in
seiner Hymne für die Erfolge des Impresario Tardieu folgen. Wenn er
jedoch behauptet, dass Tardieu mit der Gründung dieses Theaters ein
Stück der socialen Frage gelöst habe, dann beneide ich ihn ob seines
Sanguinismus. Tardieu war ein »Pauper«; die jungen Leute, welche er
zu Schauspielern erzogen hat, waren ebenfalls »Paupers«; das ist
richtig; aber wie gross war ihre Zahl, wie viele sind jetzt Vertreter
dieser Kunst und wie viele werden in Zukunft in der Lage sein, auf
diese Weise ihr »ehrliches Brot« zu verdienen? Dazu kommt noch ein
Factor, welcher mit Recht in früheren Jahrzehnten der Gilde der
Schauspieler eine beschränkte Stellung in der Gesellschaft einräumte;
diese Kinderkrankheit der jungen Schauspielertruppe hat auch in Java
schon manches traurige Opfer gefordert; diese jungen Leute haben in
ihrem freien Verkehr der Leidenschaft keine Zügel angelegt; die Liebe
und die Eifersucht haben bereits so manches ihrer Mitglieder vor den
Richter und -- in’s Spital gebracht. Wir wollen hoffen, dass die
Kinderkrankheit dieses jungen Unternehmens bald überstanden sein wird,
dass solide und tüchtige Elemente der indischen Paupers in die Hallen
der Thalia einziehen werden, und dass auch in Indien der Schauspieler
jene geachtete Stellung in der Gesellschaft sich erringen wird, welche
in Europa in der Gegenwart schon den Mitgliedern dieser Künstlerschaar
entgegengebracht wird.

Warum hat Tardieu in sein Orchester nicht eine complete Gamelan
aufgenommen?

Die Gamelan, das javanische Orchester, besteht aus Streich-, Blas-,
Schlag- und Trommel-Instrumenten, und nur in dem Complex aller dieser
Instrumente ist der Begriff Gamelan enthalten. Eine complete Gamelan
erfordert 24 Instrumente; diese kosten Geld, welches bei Tardieu die
schwächste Seite war. Vielleicht hielt er für seine Opern (?) und für
seine Operetten (?) nur ein kleines Gamelan hinreichend; vielleicht
hat er entsprechend dem Charakter jeder einzelnen Scenen auch eine
grössere und eine kleinere Gamelan bestimmt, gerade wie im alltäglichen
Leben sich traditionell der Gebrauch entwickelt hat, für die einzelnen
Festlichkeiten eine bestimmte Anzahl von Instrumenten für die Gamelan
zu wählen; z. B. beim Empfang des Kaisers von Djocja am Neujahrstage
muss der Resident eine complete Gamelan spielen lassen, während zur
Begleitung einer kleinen Wajong-Vorstellung 6-8 Instrumente für
genügend gehalten werden u. s. w.

Von den zahlreichen Instrumenten, aus welchen die Gamelan besteht,
geben einige die Melodie an und die andern begleiten diese. Zu den
ersteren gehört die Rebáb, welche nur zwei Saiten hat und die „mehr wie
ein Cello“ gespielt wird; eine häufig auf diesem Instrumente gespielte
Melodie ist folgende:

[Music:

Gamelan-Musik.

  _Andantino._                  Otto Knaap.
]

Nebstdem geben die Melodie an: die Suling (= Flöte), die Selómpret
(= Trompete), die Kendang und die Ketipung, das sind kegelförmige
Trommeln, welche mit den Händen geschlagen werden, während auf der
Bonang (metallene Kessel) mit Trommelschlägern gespielt wird.

Auch die Saron, die Gambang, die Gender und die Angklung geben im
Allgemeinen die Melodie an, während die Gong (metallene Becken, welche
aufgehängt werden), die Kenong und Ketuk (welche auf zwei Bändern
ruhen), die Rodjeh, Ketjer und Tjeluring (welche an dem Halse des
Spielers hängen), die Bedug (eine grosse hängende Trommel), die Kemjang
(Kessel), die Bendé und die Béri (hängende Becken) nur die Melodie
begleiten.

Die Gender, welche von den meisten Europäern als specifisch javanisches
Musikinstrument angesehen und darum häufig mit „Gamelan“ bezeichnet
wird, hat platte Klangstäbe, welche auf einem hölzernen Rahmen
mit Stricken ruhen, und unter jedem Klangstab befindet sich als
Resonanzkasten ein Bambusrohr. Eine sehr häufig auf diesem Instrument
gespielte Melodie theilte mir der Herr Knaap mit:

[Music:

Gamelan-Musik.

Eine Melodie, gespielt auf der „Gender“, welche aus Klangstäben besteht.

  _Allegro vivace._                  Otto Knaap.
]

Zum Schlusse will ich nur noch eine Melodie mittheilen, welche das
harmonische (?) Spiel von drei Schlaginstrumenten der Gamelan uns
demonstriren soll.

[Music:

Gamelan-Musik.

Leitmotiv, gespielt auf 3 Schlaginstrumenten.

  _Allegro._                   Otto Knaap.
]

Die Angklung (Fig. 26.), welche in der Gamelan ebenfalls eine führende
Rolle spielt, ist schon seit einigen Jahrhunderten auf der Insel Java
bekannt; während meines Aufenthaltes in der Provinz Bantam, aber auch
in Buitenzorg habe ich sie sehr oft spielen gehört; es überrascht
mich immer, Töne von metallener Klangfarbe diesem eigenthümlichen
Musikinstrument, welches nur aus Bambusrohren besteht, entströmen
zu hören; selten wird nur eine Angklung gespielt; gewöhnlich werden
5-10 Angklungs auf einen Bambusstock aufgehängt und von 2-3 Männern
geschüttelt.

Bei der Beurtheilung der indischen Musik darf man nicht an eine Sonate
von Beethoven denken oder wähnen, einen weihevollen Choral in der
Peterskirche zu Rom zu hören, oder in der grossen Oper in Mailand zu
sitzen. Man muss die Gamelan in einem Kampong (= Dorf) Javas hören,
wenn die Venus hoch im Zenith steht, wenn ein sanftes Zephyrwehen
unsere glühenden Wangen streichelt, wenn die majestätische Ruhe der
Tropennacht kaum für einige Secunden von dem lauten Rufe eines Affen
oder dem Brüllen der wilden Büffel gestört wird, wenn das südliche
Kreuz in seiner ganzen Herrlichkeit über unserm Kopfe schillert und
glänzt. Wenn Ruhe und Frieden unsere Nerven beseelen, dann lauscht
auch der Europäer mit Andacht den Tönen der Gamelan, bei welchen die
malaiischen Liebeslieder (= Pantons) im Wechselgesange erschallen.
Die zahlreichen Wiederholungen von demselben Thema, die Harmonien,
welche sonst unser Ohr beleidigen würden, die starken dissonirenden
Accorde, das Forte, welches zu dem Sturm eines Wagnerischen Finale
anschwillt, vereinigen sich mit sanft schmeichelnden, lieblichen,
sanften Melodien der Rebáb zu einem Liede, das uns in hohe und schöne
Sphären geleitet. Vergessen werden des Tages Mühe und Sorgen, vergessen
sind die versengenden Strahlen der Tropensonne, vergessen werden die
Verderben drohenden Miasmen der nahen Sümpfe; die süssen, klagenden und
schmeichelnden Weisen der Gamelan wiegen uns in das beseligende Gefühl
des absoluten Nichts, des berauschenden Nirvana, der „Befreiung von den
Schmerzen der Existenz“.

[Illustration: Fig. 26. Die Angklung

(ein malaiisches Musikinstrument.)]



Sach- und Namen-Register.


  A.

  Abdul Karim 165

  Abenteurer 75

  Abschleifen der Zähne 194

  Abstammung der Atjeer 161

      „       „  Niasser 162

      „      des Namens Sumatra 1

  Abtrennung von Java 1

  Acclimatisation der Europäer 207

  Adat 191, 194

  Adel in Lampong 23

  Adelstand in Lampong 23

  Aden 3

  Adenanthea pavonia L. 107

  Adinandra dumosa 107

  Adju 176

  Adler 55

  Adriani (Dr.) 201

  Aetiologie der Beri-Beri 126

       „      „  Krankheiten bei den Atjeern 155

  Affen 40

  Affenberg 177

  Affen in Sumatra 40

  Agam 69, 192

  Aglaia 106

  Ajam Beruga 52

    „  rimbu 52

    „  utan 52

  Alaï-Länder 78, 171

  Alang-Alang 51, 82

  Albinos 175

  Alcedo 38

  Alcohol-Teufel 146, 194

  Aleurites triloba 110

  Ali Baba 215

  Ali Moghâjat Sjâh 160

  Allée aus Bambus 9

  Alphabet in Lampong 23

     „     der Battaker 77

  Alpinia 107

  Alsophila 106

  Alstonia scholaris 105

  Altheer 46

  Ambon 6

  Ambonese 97

  Ameisen 51, 81

  Amersfort 147

  Amok 95

    „ -Läufer 95

  Amoy 8

  Ampalo-Baum 104

  Ana-coromandiliana 55

  Anagalong 141, 145

  Anambas-Insel 68

  Analabu 133, 169

  Analphabeten 23

  Ananas 46, 81, 110

  Anaesthesia ascendens 127

  Andesit 192

  Angelesia splendens 108

  Anggin 23

  Angklung 219

  Anjer 3

  Anthropophagen 77

  Aphthae tropicae 34, 205

  Aporosa microcalyx 108

  Apothecary 64

  Araber 7, 66, 161

  Arbeitsleistung der Europäer 210

  Archytaea Vahlii 107

  Ardia typhon 55

  Ardisia 109

  Arenga-Palme 106

  Aristoteles 177

  Aroëbusen 79

  Arsenkies 73

  Arthocarpus 105, 110

  Arthrophyllum diversifolium 106

  Arzt in den Colonien 45

  Assahan 75

  Assaut 130

  Astraea pallida 4

  Atap 181

  Atavistische Schwänze 163

  Atjeh 5, 111 ff.

  Atjehfluss 117

  Atjeeische Aufwiegler 93

      „      Monate 156

      „      Rasse 161

  Auction 100, 139

  Aufhebung der Caution 121

  Augit 56, 192

  Ausbruch des Krakatau 2, 46, 48, 91, 113


  B.

  Badje 154

  Bagumba (Berg) 191

  Bah-tschi 203

  Bai von Lampong 3

   „  Kaiser- 3

   „  von Semangka 3

  Bakterien 52, 84

  Balé Balé 157

  Bali 1

  Bambus 170

    „    Allée 9

    „    Duri 38

  Bandjermasing 58

  Bandjir 134

  Bandong 67

  Bangka 75

  Bangsa 194

  Bangsi 157

  Banju Assim 50

  Bantan-See 103

  Barisangebirge 50, 57, 191

  Barren (Insel) 2

  Barringtonia spicata 108

  Baros 77, 133

  Bartels (Dr.) 163

  Barthelemy 131

  Basalt 192

  Batang 191

    „    Ajer 107

    „    Hari 56

  Bataten 81, 110

  Battaker 77, 162

  Batu-Djadjar 62

    „  Insel 113

  Bauholz 170

  Bauhygiene 181

  Baumfarren 106, 109

  Baumknolle 69

  Bebek 52

  Bedug 217

  Beláwan 76

  Bende 217

  Bengkalis (Insel) 74

      „     Stadt 74

  Benkulen 2, 58, 113, 196

  Bentley, Dr. 64

  Benzoë 170, 186

  Beo 52, 55

  Beofürst 165

  Berg Bagumba 181

   „   Baros 77

   „   Bempatasan 56

   „   Danan 3

   „   Dempo 193

   „   Dolok 77

   „   Gerdang 83

   „   Gold 114

   „   Hili Matjua 175

   „   Indrapura 57, 193

   „   Kokohan 173

   „   Korintji 57

   „   Krakatau 3, 91

   „   Luseh 57, 193

   „   Merapi 192

   „   Ophir 193

   „   Perbuwatan 3

   „   Radja Basa 16

   „   Rakata 3

   „   Sago 192

   „   Sebajak 77

   „   Semilir 77

   „   Seraga 77

   „   Singalang 192

   „   Sinobong 193

   „   Sugi 16

   „   Suligi 75

   „   Telaman 193

   „   Temangu 77

   „   Tenaro 77

   „   Timan 67

   „   Trumon 173

  Berhalastrasse 56

  Beri 217

  Beri-Beri 33, 124

    „   „   kring 127

  Betelnuss 170

  Billiton 73

  Bimsstein 113

  Bintang (Insel) 69

  Bisitan-Bucht 80

  Blaue Flagge 177

  Blecker (Dr.) 35

  Blei 56

  Bleiglanz 73

  Blimbing 197

  Blockhaus 140

  Blutarmuth bei Beri-Beri 127

  Boerlage (Dr.) 103

  Bonang 217

  Bontius 208

  Bontjol 195

  Borassus flabelliformis 212

  Borneo 3, 175

  Bostok’scher Katarrh 70

  Botanischer Garten 67

  Brand 95

  Brandals 156

  Bras 6

    „  (Insel) 113

  Brenner, Freiherr von 77, 159

  Brennholz 147

  Brillen, rauchgraue 36

  Brouwer-Strasse 74

  Brummeisel 157

  Bubo minor 55

  Bücherschrank 33

  Büffel 51, 170

  Bufo melonastricus 55

  Buginesen 162

  Buitenzorg 165

  Bukit kramat 80

  Bungkoëh ranub 154

  Burg, van der (Dr.) 200, 203

  Burung kaléng 52


  C.

  Cachexie bei Beri-Beri 127

  Cahib 160

  Callophylum 108

       „      rhizoforum 108

  Campierpfähle 144

  Canarium 106, 109

      „    hispidum 106

      „    rostriferum 106

  Canis sumatranis 41

  Cap Bon 56

   „  Diamant 16

   „  Tamiang 83

   „  Tjalo Batoe 171

  Carallia lanceaefolia 107

  Carchargas macrorhynchus 54

  Carcinoma 98

  Carthaus 26, 55, 56, 159, 192

  Cassave 81, 110

  Cassia florida 105

  Catechu 69

  Cedrela serrulata 105

  Ceinturebahn 138

  Cercopithecus cynomolgus 40

         „      nemestrinus 35

  Cervus muntjae 55

     „   russa 55

  Ceylon 2, 68

  Charakter der Atjeer 153

  Chicanen 38, 141

  China 76

  Chinesen 8, 152, 162

  Chisocheter 109

  Chodja Naçr-ad-din 165

  Cholera 12, 178

     „   -Baracke 94

     „   phobie 13

     „   -Saal 94

  Cocosmilch 116

   „    nucifera 114

   „    nuss 6, 110, 187

  Cognac 14

  Colonialarzt 45

  Colonisation 133

  Colorado 200

  Commersonia platyphylla 82, 107

  Conglomerate 192

  Conjunctivitis granulosa 9

  Contagiosität der Beri-Beri 124

  Copra 186

  Cornu cutaneum 163

  Cricket-Club 67

  Culturzwang 188

  Curiosum 92

  Cyperngras 107


  D.

  Dach aus Atap 181

  Daendels 23, 52

  Dajaker 175

  Dalam 123

  Dalem 23

  Damar 165, 170

  Dänen in Atjeh 111

  Dapur 5

  Decke aus Barchent 144

  Dedág 6

  Degeneration der Nerven 127

  Deli 75, 132

   „  -Tabak 76

   „  -Maatschappy 76

  Delphin 54

  Demám model baru 200

  Demáng 24

  Demmeni, General 124, 129

  Dempo (Berg) 193

  Denguefieber 200

  Derwische 166

  Desertion 99, 145

  Desinfection gegen Beri-Beri 124

  Desinfection gegen Infectionskrankheit 136

  Deutsche Soldaten 25

  Diabas 192

  Diamantencap 161

  Dichtkunst 165

  Diemenia racemosa 108

  Dillenia eximia 108

     „     sumatrana 104

  Dipterocarpus 104

  Divide et impera 132

  Djambi 56

    „    fluss 56

  Djambu-Ajer 1

  Djattiholz 187

  Djohor 67, 75, 132

  Djuwar-Baum 105

  Doctor Djawa 48

  Dollar 185

  Dolok = Berg 77

  Doma 154

  Don Juan, arabischer 8

  Donleben 174

  Douwes Dekker 188

  Drama 166

  Dukun 155

  Dunkley 201

  Durio Zibethinus 105

  Dwars door Sumatra 103

    „   over den weg (Insel) 2

  Dysenterie 34, 178


  E.

  Echinus esculentus 5

  Edi 133

  Eichhörnchen 55

  Eidechsen 50, 55

  Eier 52, 90

  Eintagsfliege 51

  Eintheilung des Jahres 156

  Einwohnerzahl der Insel Sumatra 49

        „        „    „   Wè 113

        „        „  Residentie Atjeh 171

        „        „       „     Benkulen 197

        „        „       „     Lampong 9

        „        „       „     Ostküste von Sumatra 100

        „        „       „     Padangsche Oberländer 191

        „        „       „     Padangsche Tiefländer 191

        „        „       „     Palembang 61

        „        „       „     Tapanuli 191

        „        „       „     Riauw 68

        „        „       „     Westküste von Sumatra 174

        „        „  Stadt Kuta-radja 117

        „        „     „  Padang 186

        „        „     „  Telók Betóng 5

  Eis 82

  Eisen 56, 73

  Eisenbahn 76, 187

  Eisvogel 55

  Elaeocarpus tormentosus 108

       „      paniculatus 108

  Elektricität 33, 63

  Elektrische Diagnose 33

  Elephant 21, 40

  Elephantiasis 95

  Emmahafen 177

  Emoy 8

  Euganon-Insel 197

  Englisches Interregnum 180

  Ente 40, 52

  Enteneier 52, 90

  Entero-colite-endémique 205

  Enthaltung von Alcohol 208

  Entstehungsweise der Beri-Beri 125

  Entwaldung 81

  Eoceen 192

  Epidemie von Denguefieber 200

  Epitheliom 98

  Erbfolge 68

  Erdbeben 3, 35

     „    messer 35

  Erde rothe 69

    „  spalte 192

  Eremit 30

  Eriachne gracilis 107

  Eriocaulon sexangulare 107

  Erkältung 70

  Ernährungsstörung 126

  Eroberung von Malacca 165

  Ethnographie Atjehs 161

  Eugenia sp. 105

  Eulen 55

  Eulenspiegel 165

  Euplocamus sumatrensis 40

  Eurya acuminata 107

  Evodia Roxburghiana 108

  Evonymus 108

  Examen 44

  Export in Benkulen 197

     „   „  Padang 186

     „   „  Telók-Betóng 8


  F.

  Fächer 6

  Facies 93

  Factory der Dänen 74

  Fagraea fragrans 108

     „    racemosus 108

  Falken 55

  Fantsoër 1

  Farbe der Pflanze 105

    „    „  Fische 54

  Farrenstrauch 82

  Fasane 40

  Fatihah 166

  Fauna von Sumatra 2, 50

    „    „  Bioum 50

  Febris perniciosa cholerica 13

  Federpalme 106

  Feldbinde der Aerzte 150

  Fenster 118

  Feuchtigkeit der Luft 60

  Fez 154

  Ficus 106

  Filigranarbeiten 184

  Filtrirstein 41

  Finder 55

  Fische 54, 170

    „    fliegende 54

  Fisolen 90

  Flache Ecke 113

  Flagellaria indica 108

  Flagge, blaue 177

    „     gelbe 179

  Fledermaus 53

  Fleischmann 163

  Fliegender Fisch 54

       „     Fuchs 54

       „     Hund 54

       „     Maki 54

  Flöte der Atjeer 157

  Flora von Sumatra 3, 103 ff.

  Fluss Assahan 76

    „   Atjeh 117

    „   Barito 104

    „   Djambi 56

    „   Djambu Ajer 1

    „   Gasip 75

    „   Hari 56

    „   Kampar 74

    „   Kwantan 104

    „   Menggala 16

    „   Musi 50, 57

    „   Palembang 50

    „   Salahadji 80

    „   Siak 75

    „   Sigati 108

    „   Simpang 83

    „   Tamiang 83

    „   -Alluvium 192

    „   -Diluvium 192

    „   -Fische 54

  Frambosia 94

  Fortpflanzung der Europäer 119 ff.

  Frauen im Lager 122

  Freigebigkeit 146

  Freihafen 74

  Freimaurer 129

  Fremdenlegion 24

  Friedensgarnison 138

  Frösche 51, 55

  Functionen der Haut 209

  Fruchtbäume 69

  Fürst Beo 165

  Füsse der Frauen 38

  Fusssohle 37


  G.

  Gabah 6

  Gabbo 192

  Gaju-Länder 78, 171

  Galearia aristifera 108

  Gallopithecus volans 55

  Galvanometer 34

  Gambang 217

  Gamelan 218

  Gangraena nosocomialis 94

  Gänse 40

  Garneelen 8, 55

  Gasip 75

  Gedáh 118, 131

  Gedang 190

  Gehege aus Stacheldraht 118

  Gelbe Flagge 12, 179

  Gelder, van (Dr.) 38

  Geldwechsler 66

  Gemeindehaus 24

  Gender 217

  General Pel 168, 196

  Generalspital 64

  Genggong 157

  Geologie von Sumatra 10

  Geologisches Curiosum 92

  Gerdang (Berg) 83

  Geringschätzung der Militärärzte 150

  Gerlach 163

  Geschichte von Benkulen 197

       „      „  Gross-Atieh 172

       „      „  Lampong 21

       „      „  Nias 174

       „      „  Siak 75

  Gespaltener Stein 165

  Gespensteraffe 54

  Gesundheitsetablissement 178

  Getáh 69

  Gewohnheitsrecht 140

  Ghetto 152

  Gibbon 10, 40

  Gladakker 41

  Glagah 82

  Glaser 7

  Gleichenia Nepenthes 107

  Glochidion 107

  Glutah 104, 108

  Gödumba 157

  Gold 55, 69, 73, 170

    „  berg 114

    „  minen 55

    „  schmiede 69

  Goldschmied (Dr.) 70

  Göndrang 157

  Gong 157

  Gouverneur von Atjeh 122

  Gouvernementscultur 187

          „           der Westküste Sumatras 191

  Grabmäler in Atjeh 123

      „     „  Palembang 59

  Grabsteine 164

  Gracula javanensis 55

  Grande Duchesse 130

  Granit 55, 192

  Greenia Jackiana 108

  Grewia omphacarpa 109

    „    subcordola 108

  Grille 186

  Grisée 41

  Grobak 135

  Gross-Atjeh 132, 171

  Grösse der Insel Nias 175

     „    „    „   Singapore 67

     „    „    „   Sumatra 49

     „    „    „   Wè 113

     „    „  Residentie Atjeh 171

     „    „      „      Benkulen 197

     „    „      „      Lampong 9

     „    „      „      Ostküste von Sumatra 100

     „    „      „      Padangs Oberländer 191

     „    „      „      Padangs Tiefländer 191

     „    „      „      Palembang 61

     „    „      „      Riauw 68

     „    „      „      Tapanuli 191

     „    „  Termiten 52

     „    „  Westküste von Sumatra 174

  Grünzeug 90

  Guerillakrieg 128, 160

  Gunung = Berg

  Gurami 54

  Gure 166

  Gurken 110

  Guttapercha 170

  Guttmann 63


  H.

  Habab 165

  Hadat 191

    „   Kamanakan 68

  Harderwijk 25

  Hadji Miskien 194

    „   Piambang 194

    „   Sumanik 194

    „   Wacha 23

  Hafen von Sabang 113

  Hahnenkämpfe 194

  Haifische 54

  Halbinsel Kadimbang 15

  Haliastur indicus 55

      „     leucogaster 55

  Hammerfisch 54

  Harifluss 56

  Haröbab 157, 164

  Harz 170

  Haudegen 179

  Haus des Teufels 129

  Haushälterin 7

  Hausirer 184

  Haut der Europäer 209

  Hauthorn 163

  Häute 186

  Hautkrankheiten 94, 126

  Hedyotis hispida Reitz 107

  Heilige Krieg 159

     „    Kriegskasse 160

  Heimweh 126

  Henning 163

  Heufieber 70

  Heyden, van der 152

  Hikajat 165

    „     guda 165

    „     Prang Kompöni 165

  Hili Matjua (Berg) 175

  Hill Diarrhoea 205

  Himbeerwarzensucht 94

  Hindu 161

  Hirsche 55

    „     der Kleine 165

  Hîwang 23

  Hochland von Agam 192

  Hoffmann 111

  Hohes Schilderhaus 142

  Höhe der Bäume 105

  Holländer in Padang 180

  Holz 69, 147

    „  -Sägerei 53

    „  -Schnitzereien 56

  Homalanthus 106

  Homalum 109

  Hormat 11

  Hornblende 56, 192

  Hose der Atjeer 153

  Hospitalbrand 94

  Hôtel de l’Europe 64

    „  leben 185

  Houtmen, de 172

  Hueppe (Prof.) 208

  Hügel Sitoli 174

  Hühner 52

    „   -Eier 52, 90

  Hülsen 146

    „   -Früchte 110

  Hunde 35, 41, 151

    „  -Hai 54

  Hydrographie von Sumatra 193

  Hygiene der schwimmenden Häuser 60

     „     „  Tropen 207

     „     „  Wohnungen 182

  Hylobates concolor 10

     „      lar 40

     „      leuciscus 40

     „      syndactylus 40

     „      variegatus 40


  I.

  Idja pinggang 153

  Ikan gurámi 54

  Imam 194

  Imperata Konigii 82

  Impfung 17

  Import in Benkulen 197

  Incubation bei Denguefieber 201

  Indigo 69, 82, 110

  Indische Elster 165

     „     Gids 188

     „     Katze 32

     „     Küche 3

     „     Spruw 205

  „Indisch taub“ 87

  Indragiri 68

  Indrapura (Berg) 193

  Insel Ambon 7

    „   Anambas 68

    „   Babi 171

    „   Bali 2, 212

    „   Bangka 73

    „   Banjak 173

    „   Barren 2

    „   Batu 113

    „   Bengkalis 74

    „   Billiton 73

    „   Bintang 68

    „   Borneo 175

    „   Bras 113

    „   die lange 2

    „   die verlassene 2

    „   Duperre 68

    „   Enganon 113, 197

    „   Kisser 210

    „   Konig 171

    „   Krakatau 2

    „   Lange 2

    „   Laut 68

    „   Lingga 73

    „   Lombok 212

    „   Madura 2, 127

    „   Manilla 2

    „   Mansalar 113, 174, 191

    „   Mentawei 113, 176

    „   Merbouw 74

    „   Molukken 86

    „   Nassau 113, 196

    „   Nassi 113

    „   Natuna 68

    „   Nias 113, 133, 174

    „   Nord-Pageh 196

    „   Padang 74

    „   Pinang 180

    „   Pisang 176

    „   Polnischer Hut 2

    „   Quer über den Weg 2

    „   Radja 171

    „   Rangsang 74

    „   Reis 113

    „   Riouw 73

    „   Rupat 75

    „   Schweins 171

    „   Seeräuber 68

    „   Singapore 68

    „   Stein 113, 174

    „   Tambelan 68

    „   Tebing Tinggi 74

    „   Thimolu 173

    „   Watas 68

    „   Wè 113

    „   Zahlreiche 173

    „   Zutphen 16

  Inspectionsreise 14

  Interregnum 131

  Inuus nemestrinus 40

  Islam in Atjeh 160

  Ismail 51

  Itik laut 55


  J.

  Jahreszeiten der Atjeer 156

  Janipha Manihot 74

  Japan 76

  Japaner 203

  Java 76

  Javaner 162

  Jumping 203

  Jury in Atjeh 122


  K.

  Kafer 38

  Kaffee 69, 82, 110, 186

  Kafir 160

  Kaisersbai 3

  Kalk 104

  Kamala 172

  Kamanakan 68

  Kamang 194

  Kampar 74

    „   -Fluss 74

  Kampher 170

  Kamponghaus 182

  Kamtschatka 55

  Kantjil 54

  Kaphe 160

  Kâpir 131

  Kapok 69, 110, 170

  Karpfen 54

  Kasernenmalaiisch 215

  Kasehbaum 104

  Kassave 74

  Katak 55

  Katimbang 16

  Katze 32

  Kees 175

  Kemiri 110

  Kemjang 217

  Kendang 217

  Kenong 217

  Kenteringe 63

  Kepahiang 58

  Kermis in Atjeh 147

  Ketipung 217

  Ketjer 217

  Ketuk 217

  Keuschheitsgesetze 153

  Khalif 194

  Kibenia tuberculata 108

  Kidang 175

  Kiesel 192

    „   sand 107

  Kisser 210

  Kjokkenmodding 93

  Klagelieder 23

  Klapperbaum 115

  Klarinette der Atjeer 157

  Kleider     „     „   153

    „         „  Mulis 19

    „     in den Tropen 208

  Kleine Stab 139

  Kleinhandel 152

  Klewang 121, 132, 153

     „   -Anfall 148

  Klima schiessen 186

  Klingalesen 162

  Knaap, Otto 212

  Knöchelfieber 200

  Knokkelkoorts 200

  Kobler, Dr. 124

  Köcher für Nägel 18

  Kochlöffel 6

  Kodok 55

  Kohle 56, 103, 192

    „  station 113, 177

  Kokohan (Berg) 173

  Kollok 76

  Komedie Stambul 212

  Königspunkt 113

     „  stadt 122

     „  tiger 40

  Könongs der Atjeer 156

  Koorders 82, 103

  Kooreman 188

  Kopfhaare 154

    „ messer 176

    „ tuch 153

  Korallen 4, 183

  Korintji 57

    „     see 193

  Kosakenwacht 142

  Kota alam 117, 131, 136

    „  radja 72, 116

    „    „   bedil 130

    „  Ranah 190

  Krähe 55

  Krakatau 2, 46, 91, 117

  Krankheitsursache der Beri-Beri 125

  Kraterseen 113

  Kraton 123

    „   -Allee 122

  Krebs 55, 96

  Kriegsgericht 58

    „   rath 89

    „   tänze 176

  Kroë 113

  Krokodile 50, 55, 80

  Kromo 87

  Kropf 23

  Krygsraad 85

  Kubang 55

  Kubu 75

  Küche 5

  Kuckuk 52

  Kugeln 142

  Kugelfisch 54

  Kuh 201

   „ milch 90

  Kukang 54

  Kukusan 6

  Kulturzwang 189

  Kunstberg 118

    „  sinn der Atjeer 163

  Kupfer 73, 175

  Kupiah 154

  Kurang adjar 158

  Kuta-radja vide Kota-radja

  Kwala Sinpang 83

  Kwantam 68

     „   fluss 64


  L.

  Labu 81, 110

  Labuan Deli 76

  Labyrinth-Koralle 4

  Ladang 69, 81

  Lagerstroemia speciosa 107

  Lambaro 139, 148

  Lampong-Affe 15, 54

     „   -Alphabet 23

     „   -Bai 3

     „   -Cultur My 7

     „   -Distrikt 1

     „   -Häuser 21

     „   -Liebeslieder 21

     „   -Literatur 21

     „   -Sprache 22

  Lampörömey 143

  Lamrö-eng 143

  Landak 54

  Landbaucolonien 207

  Landfische 38

  Landwind 60

  Lange Insel 2

  Länge von Sumatra 193

  Langkat 76, 93

  Lanze 176

  Lappen 203

  Larong 51

  Lâtah-Krankheit 203

  Laufgraben 141

  Lawang Kori 23

  Leent, van (Dr.) 126

  Leeuw, de (Dr.) 210

  Legen 116

  Leguane 55, 80

  Leitje 12, 31

  Lembong sulit 56

  Lemur 54

  Lendentuch 153

  Lepong 114

  Leprabacillen 70

  Lepröse 70

  Lerche 52

  Leuchtkäfer 50

  Lianen 40, 104

  Liberiakaffee 187

  Liebeslieder 23, 165

  Lilah 144

  Lima 201

  Lindsaeae 107

  Lingga-Archipel 68

    „   -Insel 68

  Lingua franca 215

  „Linie“ 130

  Lochkoralle 4

  Literatur der Atjeer 166

  Lock-Spital 64

  Löffler, Prof. 96, 98

  Loge Prinz Frederik 130

  Logei 107

  Logianaceae 108

  Lombok 82, 110

  Lontarblätter 23, 212

    „   -Zucker 116

  Lontong 77

  Lorantursorten 108

  Löwenstadt 64

  Lubu Langi 176

  Lubuk-Ambatjang 104

  Lumpang 6

  Luseh (Berg) 193

  Lusthof 164

  Lutong 54

  Luwak 55

  Lycopodium 107


  M.

  Maas, Alfred 176

  Macaranga hypoleuca 106

    „       trichocarpa 107

  Madjopahit 78

  Madrepora verrucosa 4

  Madura 2, 127

  Maduresen 85

  Maeandrina 4

  Magelang 115

  Magneteisenerz 73

  Mais 69, 110

  Mak-Was 23

  Maki, fliegende 127

  Makrele 54

  Malacca 3, 69, 110, 180

     „   passage 73

     „   strasse 56

  Malaria 13, 170, 178

  Malborough 197

  Malem dagang 165

  Malaiischer Baustyl 14

      „       Goldschmied 184

      „       Herd 135

      „       Haus 181

      „       Küche 5

      „       Malerei 120

      „       Scala 162

      „       Schauspieler 163

      „       Silberarbeiter 185

      „       Sprache 68

  Mali-Mali 203

  Mallotus cochinchinensis 105

      „    floribundus 105

  Mamak 68

  Manda 68

  Mangga 34, 46

  Manganerz 73

  Mangistan 46

  Manilaente 52

     „  cigarre 7

  Maningu-See 193

  Maniok-Baum 74

  Manis javanica 55

  Mansalar-Insel 113, 174, 191

  Mantri Djadjar 17

  Marabu 40, 137

  Marco Polo 160, 161

  Mariâm 144

  Marodenzimmer 87

  Marodeure 112

  Marsdenia tinctoria 69

     „      indigofera 69

  Mas Inten 23

  Masern 116

  Matriarchat 68

  Maulesel 73

  Mayer 43

  Max Havelaar 189

  Medan 78, 93, 100

  Medusen 92

  Meerbusen von Bengalen 2, 55

      „      „  Tapanuli 191

  Meer Diluvium 192

  Mekka 162, 193

  Meliaceae 106

  Melochia indica 105

  Melostoma polyantha 82

  Menangkabu 68, 75

  Mendawei-Insel 113, 176

  Menggala 20

  Menschenfresser 77

  Merapi-Berg 192

  Merbouw-Insel 74

  Mergelschiffe 192

  Michalsky 72

  Miethwagen in Padang 178

  Milch 90

  Militärärzte 150

     „   -Hygiene 151

  Minnelieder 165

  Miryachit 203

  Missionäre 197

  Möbel von Palembang 56

  Mohamed-Abd-el-Wahhâb 193

  Modjopahit 78, 94

  Mökipaih Tjina 154

  Mokko-Mokko 104

  Mölaböh 169

  Molukken 97

  Monate der Atjeer 156

  Mönatah 157

  Monotonie des Lebens 208

  Moos 66

  Morbidität der Europäer 211

  Morphine 92

  Mortalität der Europäer 211

  Mosquitos 50

  Monsune auf Sumatra 60

  Muara Ajar 190

    „   Enim 58

    „   Kompeh 56

  Mubòh guda 154

  Muli 19

  Müller, Salomon 1, 161

  Musang 55, 175

  Muscheln 92

  Musi-Fluss 50, 57

  Musik 164

    „  instrumente der Atjeer 155

  Muskatnüsse 187

  Muth 151

  Myristica iseophylla 108

  Myrtaceae 106


  N.

  Nachtigall 52

  Nadaaja 176

  Nagelköcher 18

  Nangka-Frucht 110

  Nashornvogel 55

  Nasib 166

  Nassau-Insel 196

  Nebeneinkünfte der Soldaten 147

  Neesia altissima 105

  Nepenthes 107

  Nesuh 123

  Neu-Guinea 68

  Ngabéhi 23

  Ngalau-Gedang 190

  Nias-Insel 162, 174

  Niasser 174

  Nierenkrebs 97

  Nieskrampf 70

  Nietzsche 84

  Nipahpalme 50

  Nirvana 219

  Nonne 11

  Nord-Amerika 157


  O.

  Obi 69

  Oel gegen Wellengang 177

  Ombilienfelder 103, 177

     „    -Kohlen 103

  Oosterhout 167

  Ophir-Berg 193

  Opium 161, 194

  Orang banda 153

    „   baròh 153

    „   baru 70

    „   Kubu 57

    „   Lubu 57

    „   Rawa 57

    „   Semang 69

    „   tunong 153

    „   -Utan 3, 40, 57, 80

    „     „   Riese 53

  Orchester der Atjeer 166

  Orchideen 108

  Orgelkoralle 4

  Oroxylon indicum 106

  Otitis media 62

  Otter 127


  P.

  Paal 31, 170

  Padang 5, 180

    „   -Insel 50

    „   -Panjang 103

    „   -Oberländer 41

    „   -Tiefländer 191

  Padri 69, 77, 195

    „  -Krieg 193

  Päderastie 153

  Pajung 24

  Pakan Krung-Tjut 117

  Pak-Pak 77

  Palembang 2, 24, 50, 57

   „       -Industrie 56

  Palmen 69, 114

  Palmyrapalme 212

  Pandan 75

  Pandani 109

  Pandanus furcata 106

  Pangeren 23

  Panghulu 14, 194

  Pangium edule 105

  Pangkat 23

  Pangkalan Dolei 109

     „      Siatas 79, 82

  Pantej Perak 116, 135

  Panton 165

  Pantjong Tebal 190

  Papadun 23

  Papageien 67

  „Papiere“ 27

     „   geld 176

  Paprika 82

  Paradoxurus 55

  Parkia intermedia 105

  Paroshorea lucida 105

  Pasuruan 2

  Pasir 133

  Pasumahländer 58

  Patjol 81

  Pauperhospital 64

  Pavette 105

  Paya Combo 129

  Pechstein 192

  Pedir 133, 171

    „  damm 131

  Pekelharing (Prof.) 125

  Pelikan 40, 55

  Penajong 123

  Pengailan 75

  Pendeeti 122

  Perbuwatan (Berg) 3

  Perlak-Petroleum Mp. 76

  Perlhühner 40

  Peronama canescens 104

  Perser 162

  Peterhead 178

  Petjut 118

  Petroleum 76

  Pfahlbauten 23, 181

  Pfauen 40, 53

  Pfarre 117

  Pfeffer 8, 170, 187

  Pfeiffer, Ida 77

  Pferde 170

    „   -Sage 165

  Pflanzendune 69

  Pflege der Haut 208

  Pflichtgefühl 149

  Phyllite 55

  Piet van Vliet 52

  Pik von Indrapura 56

  Pilze 36

  Pinang 100, 110, 180

  Pib pib 157

  Pisang 81, 110

    „   -Insel 176

  Pithecolobium lobatum 108

  Plinius 177

  Plutarch 177

  Pocock 63

  Poffertjes 147

  Polnische Hut (Insel) 2

  Polonia 65, 72

  Pometia tomentosa 104

  Pompe von Meerdervoort 132, 145, 150

  Pönáb Tjòt Uròë 156

  Porites furcatus 4

  Portionsätze 146

  Portugal 162

  Posewitz, Dr. 73

  Präcordialangst 13

  Priesterherrschaft 116

  Prochnik, Dr. 97

  Proterobaas 192

  Provinz vide Residentie

  Pruys van der Hoeven 152

  Ptarmus 70

  Pternandra capitellata 108

  Pteropus edulis 55

  Pterospernum 105

  Ptolemaeus Venetia 176

  Pukang 54

  Pula = Insel

    „  babi 171

    „  banjak 126

    „  radja 171

  Pulut-Pulut 191

  Punt-Manilla 8

  Punka 39

  Putroe 156

  Pythecus satyrus 40


  Q.

  Quallen 21

  Quarantaine 12

  Quartiergeld 116, 120, 168

  Quarzporphyr 192

  Quecksilber 56

  Quellen 73

  Quer durch Sumatra 3, 82, 103

    „  über den Weg (Insel) 3

  Quercus sp. 107

  Querspalten 192


  R.

  Râbab 157, 164

  Raden Inten 23

  Radja Basa (Berg) 16

    „   von Gasip 75

    „   Ketjil 75

  Raffel’s Monument 67

  Râkit 58

  Rambutan 46

  Rana tigrina 55

  Ranggung 55

  Rangsong (Insel) 74

  Rapai 166

  Rapasi 157

  Rasch 204

  Rasse der Atjeer 162

  Ratéb 166

    „   sadatti 166

  Ratten 87

  Raubbau 81

  Räuber 163

  Rebáb 216

  Redjang Lembong 56

  Rees, W. A. van 175

  Regen in Padang 186

  Rehe 55, 175

  Reis 81, 109, 170, 187

  Reisdiebe 52

  Reisinsel 113

  Religion der Niasser 176

  Rengas 104

  Residentie Atjeh 111 ff.

      „      Benkulen 58, 68

      „      Ostküste von Sumatra 78, 196

      „      Padangs Oberländer 174

      „       „      Tiefländer 174

      „      Palembang 50 ff.

      „      Riouw und Vasallenstaaten 54, 68

      „      Tapanuli 174

  Réteh 68

  Rey 201

  Rhaden Salem 165

  Rheinische Missionsgesellschaft 197

  Rheumatismus 62

  Rhinoceros 51, 80

  Rhizoforen 108

  Rhodamnia cinerea 108

     „      trinervia 107

  Rhodomyrtus tomentosa 107

  Riauw 68

  Riemenfisch 54

  Riesenhaifisch 54

  Riffkoralle 4

  Rinder 55

  Rintje 194

  Riouw 73

  Robotdienste 187

  Roche 54

  Rodjeh 217

  Rombach (Dr.) 210

  Röntjong 153, 164

  Rosenberg 175

  Rottang 104, 109, 170, 186

    „    palme 82, 105

  Röwell (Dr.) 64

  Rubiaceae 105

  Rumah séthan 129

  Rupat (Insel) 75

  Rüsselkäfer 81

  Rüstkammer 87


  S.

  Sabajak (Berg) 77

  Sabang 114

  Sabilgeld 160

  Saccharum spontaneum 82

  Sacktuch der Atjeer 154

  Sago 69

  Sagower 116

  Sakit lâtah 203

  Salahadji (Fluss) 80

  Salisbury 63

  Salomon 166

  Salvadori 52

  Salz 170

  Samalangan 133

  Samarang 6

  Samawang 195

  Samudra 161

  Sandalen 32, 37

  Sarambay 23

  Sariawan 205

  Sarong 56

    „    der Atjeer 164

  Scarlatina 200

  Schäfer (Dr.) 63, 163

  Schamatra 1, 161

  Scharlach 200

  Scheube (Dr.) 201

  Schielstra (Dr.) 149

  Schiefer 104, 192

  Schiefer -- alter 192

  Schild 176

  Schilderhaus 142

  Schildkröte 55

  Schilfrohr 107

  Schimmel 81

  Schinder 55

  Schlammbeisser 54

  Schlangen 55, 80, 136

  Schlingpflanzen 107

  Schmetterling 55

  Schmuck der Atjeer 153

  Schmuggelhandel 152

  Schnecke 55

  Schneider (Major) 168

  Schnupfen 70

  Schuhe 38

  Schulen 7

  Schuppenthier 175

  Schutzbrillen 36

  Schwalben 55

  Schwammkoralle 4

  Schwanzmenschen 163

  Schwefel 114, 170

     „    -Kies 73

  Schwein 35, 54

  Schweinsecke 3

     „    -Insel 171

     „    -Affe 40

  Schweissfüsse 38

  Schweizer 25

  Schwesterlogen 129

  Schwielen 37

  Schwimmende Häuser 59

  Schwitzen 186

  Scirrhus-Krebs 98

  Scleria Sumatrana 107

  Scorpionen 55

  Scyllium manilatum 54

  Sebajak 77

  Sectionen 98

  See Bantam 103

   „  Diluvium 192

   „  Korintji 193

   „  Maningu 193

   „  Singkara 193

   „  Tawar 193

   „  Tobah 77, 193

   „  beben 3

   „  fische 54

   „  igel 5, 22

   „  kuh 54

   „  pferd 54

   „  quallen 22

   „  räuber 128, 133

   „  sterne 5, 22

   „  wind 60

  Seen von Sumatra 193

  Segli 133

  Seide 170

  Seismometer 35

  Secte der Padri 77

  Selbstmord 96

  Selompret 217

  Semangka (Bai) 3

  Semarang 165

  Semilir (Berg) 77

  Seraga (Berg) 77

  Semnopithecus 50

  Seputi 20

  Serat 21

  Serdang 76

  Seruway 78, 161

  Sesako 23

  Sesat 24

  Shields 178

  Siak 75, 104, 132

    „ fluss 75

  Siam 203

  Siamang 9, 21, 35, 40

  Sibirien 203

  Siboga 191

  Sideroxylon ferruginosus 108

  Sigatifluss 108

  Silber 56

    „   -Ufer 135

    „   häutchen 126

  Simaung-Baum 105

  Simia fascicularis 54

  Simon, Dr. 64

  Simpangfluss 83

  Simpei 40

  Singapore 64, 162, 180

  Singalang (Berg) 141

  Singarasee 193

  Singkel 133, 173

  Singodjojo 105

  Singvögel 52, 55

  Sinobong (Berg) 193

  Siri-Kauen 194

  Sirun 142, 148

  Sitoli-Berg 174

  Sklavenhandel 133, 174

  Sklavinnen 162

  Slametan 115

  Slendang 154

  Sloetia sideroxylon 105

  Snouck Hurgronje 159, 163, 166, 167

  Sohle 37

  Solanum melongena 110

  Soldatenmenage 102

  Soldateska 48

  Solo 67

  Sommerkatarrh 70

  Sonnenschirm 24

  Sophienhügel 67

  Spanische Colonien 210

  Sparrow 201

  Spatzen 52, 55

  Spionendienste 152

  Spitäler in Singapore 65

  Splieth, W. 93

  Sprei 144

  Spruw 34

  Sruné 157

  Stachelbambus 38

     „   draht 112

     „   schwein 54, 175

  Standard der Aerzte 64

  Steinhauerei 164

    „  -Insel 113, 174

  Steinzeit 93

    „   der gespaltene 165

  Sterculia 105

      „     spectabilis 105

  Sterculiacea Kleinh. 105

  Sterlett 54

  Stermutatio convulsiva 70

  Sthenops tardigradus 54

  Stiftsdamen 24

  Straits Settlements 64

  Strandpalme 114

  Strasse von Malacca 72, 128

  Strategie der Atjeer 160

  Stratz (Dr.) 20, 97

  Strümpfe 38

  Suggestion 95

  Sugi (Berg) 16

  Suku 75, 194

  Suléng 157

  Suligi (Berg) 75

  Suling 217

  Sultan Alaid in Muhamat Dawoh Tjah 172

     „   Alexander 172

     „   Djohan Schah 172

     „   Iskander 172

     „   Iskander Tsami 172

     „   von Atjeh 132

     „    „  Bantan 23

     „    „  Djambi 56

     „    „  Kamala 133

     „    „  Siak 75

    „   gräber von Atjeh 131

    „    „     von Palembang 59

  Sumatra, Ursprung des Namens 1

  Sumpffieber 98

    „  vegetation 109

  Sundastrasse 1, 36, 113

  Sundel bolong 155

  Sungei Durian 76

  Sungke 104

  Surattepassage 113

  Sutan 23

  Syenit 55, 192

  Symplocus ferrugineus 108

  Symptome der Beri-Beri 127

     „     des Denguefiebers 201


  T.

  Tabak 69, 76, 82, 110, 170, 186

    „  kauen 194

  Tapioca 74

  Tadju-l-alam 172

  Tageszeiten der Atjeer 156

  Tagverbleib 140

  Tambora 102

  Taloè Kiieng 155

  Tambu 157

  Tamburin 157, 166

  Tamiang 76, 83

     „   -Fluss 83

  Tamtam der Atjeer 157

  Tan Tok Seng 64

  Tanah Datar 69, 75

    „   Puti 75

  Tanam 164

  Tandjong Sleman 113

  Tanggiling 55

  Tangkuh 154

  Tanjong Karang 9, 25

  Tantam 157

  Tapanuli 141

  Tapiokafabrik 74

  Taratag Baru 191

     „    Pisang 191

     „    Teling 191

  Tardieux 215

  Tarif der Dampfschiffahrtsgesellschaft 111

  Tättowiren 176

  Tauben 40, 55

  Tauschhandel 176

  Tausend Inseln 1

     „   füssler 55

  Tawar-See 193

  Tebing-Tinggi 58

  Tectonia grandis 187

  Telaman (Berg) 193

  Telegraph 43, 100

  Telephon 148

  Telók Betóng 4, 27

  Temanggung 23

  Temangu (Berg) 77

  Temperatur 90, 186

  Tenaro (Berg) 77

  Tenom 133

  Termiten 51

  Terong 110

  Tetramerista glabra 108

  Tetrodon 54

  Teufelshaus 129

  Thermometer der Engländer 65

  Thimolu 173

  Thierfabeln 166

    „  garten 67

  Thulojman 166

  Tiga Sagi 171

  Tiger 51, 53, 80

  Timah (Berg) 67

  Timbalum-Baum 105

  Tingel-Tangel 129

  Titi Haki 23

  Tjalo Batoé 171

  Tjanang 157

  Tjeluring 217

  Tjot-Iri 143

  Tobah-See 77, 193

  Tod durch Schlangenbisse 136

  Todtengräber 81

  Toko 58, 118, 129

  Tongku Ismael 75

    „    Putra Mangkubumi 75

    „    Sjarif Kasim 75

  Trachit 193

  Trauerloge 129

  Trekschuit 196

  Trinkwasser, reines 41

  Tristania Sumatrana 108

  Trommel der Atjeer 157

  Tropenhygiene 161, 207

     „  klima 199

     „  krankheit 199

  Trumon 133, 173

  Tua 16

  Tubipora musica 4

  Tuku-Umar 72, 153

   „  -Baid 154

  Tulang Bawang 14

  Tumbug 6

  Turdus mindanensis 55

  Turnix pugnax 41

  Tuwak 116

  Tuwanku von Rintjeh 194


  U.

  Ueberhebung der jungen Beamten 20

  Ueberströmung 135

  Ulama 159

  Uléëbalang 160

  Uléë Lhöë 114

  Unabhängige Stämme 68

  Urbewohner 57, 161

  Urlaub 102

  Urwald 79, 103, 107

     „   secundärer 82


  V.

  Vaccinateur 17

  Vaccinestoff 18

  Varkenshoek 3

  Vater der Compagnie 146

  Vaterunser der Mohamedaner 166

  Vendutie 100

  Ventilation 40

  Verbannung 188

  Verbeek 1, 192

  Verbreitung des Knöchelfiebers 149

  Verlassene Insel 2

  Vernani 201

  Veth 12

  Violine der Atjeer 157, 164

  Virchow 163

  Vitex pteropoda 108

    „   pubescens 107

  Viverra tangalunga 40

  Vögel von Sumatra 52

  Vordermann (Dr.) 201

  Vorgebirge Tjalo Batóe 171

     „       Tua 16, 191

  Vulcane 134, 192

  Vulkanmantel 141


  W.

  Wâ 157

  Wachtel 41

  Wachs 69

  Wachstube 87

  Waffeln 147

  Waffen 164

  Wahhabiten 193

  Wajak 23

  Wajong 163

  Walang-sangit 50

  Waldriesen 103

  Walfischklippe 176

  Warme Quelle 73

  Wasser, reines 41

    „   reservoir in Singapore 67

    „   scheide 193

    „   sucht 127

  Wau-Wau 40

  Wechselfieber 123

  Weltevreden 2

  Welthafen 76

  Werbedepot 25

  Werber 27

  Westküste von Sumatra 174

  Wetselaer 97

  Wildschwein 54

  Wilhelmsorden 167

  Windrichtung 60

  Winkler (Prof.) 127

  Wilson 75

  Wismuth 73

  Wohnhäuser, transportable 58

  Wongso 87

  Wormia excelsa 105

  Würfelspiel 194


  Y.

  Yzerman 3, 82, 103


  Z.

  Zahlreich-Insel 173

  Zalacca 109

  Zernoff (Dr.) 163

  Zibethkatze 40

  Ziegen 170

  Ziehbrunnen 41

  Ziekenzaal 87

  Zigarren 7

  Zinn 56, 73

  Zinninseln 73

  Zodiakallicht 186

  Zuckerkandl (Prof.) 163

  Zuckerrohr 69, 81, 110

  Zugluft 39

  Zutphen (Insel) 16

  Zygaena malleus 54



Inhaltsverzeichniss

des 1. Bandes »Borneo« von Breitenstein, 21 Jahre in Indien.


Mit 9 Illustrationen. Preis: brosch. 5 Mk. 50 Pfg., geb. 6 Mk. 50 Pfg.

=1. Capitel.= Rassen auf Borneo: Olo-Ott, Dajaker u. s. w. --
Reise von Surabaya nach Bandjermasing -- Insel Madura und Bawean --
Dussonfluss -- Mosquitos -- Oedipussage auf Borneo -- Danaus = Seen --
Antassan -- Rother Hund (eine Hautkrankheit).

=2. Capitel.= Pesanggrâhan = Passantenhaus -- Ausflug nach der
Affeninsel -- Aberglaube der Eingeborenen -- Reise nach Teweh -- Ein
chinesisches Schiff im Innern Borneos -- Trinkwasser in Indien -- Eis
-- Mineralwässer.

=3. Capitel.= Amethysten-Verein -- Alcohol -- Gandruwo, eine
Spukgeschichte -- Polypragmasie der jungen Aerzte -- Verpflegung
in einem Fort -- Unselbständigkeit der Militärärzte -- Malaiische
Sprache -- Vergiftung mit Chloralhydrat und Arsenik -- Krankenwärter
und Sträflinge -- Amoklaufen -- Erste Praxis unter den Dajakern --
Schwanzmenschen.

=4. Capitel.= Fischschuppen-Krankheit -- Tigerschlange --
Schlangenbeschwörer -- Gibbon -- Kentering -- Beri-Beri -- Simulanten
beim Militär -- Mohamedanisches Neujahr -- Tochter von Mangkosari --
Kopfjagd -- Pfeilgift -- Genesungsfest -- Gesundes Essen -- Früchte
-- Indische Haustoilette -- Wüthende Haushälterin -- Dysenterie --
Gewissenlose Beamte -- Missionäre.

=5. Capitel.= Fort Buntok -- Orang-Utan -- Operationen --
Prostitué bei den Affen -- Darwinisten -- Indische Häuser --
Möbelfabrikanten -- Französische Mode -- Gefährliche Obstbäume --
Einrichtung der Häuser -- Dajakische Häuser -- Götzenbilder -- Tuwak
oder Palmwein -- Wittwenstand der Dajaker -- Opfern der Sclaven --
Todtenfest.

=6. Capitel.= Ameisen und Termiten in den Wohnungen -- Verderben
der Speisevorräthe -- Milch-Ernährung der Säuglinge -- Aborte -- Tjebok
-- Transpiration in den Tropen -- Baden -- Siram = Schiffsbad --
Antimilitärischer Geist der Holländer -- Das Ausmorden der Bemannung
des Kriegsschiffes „Onrust“, von den Dajakern erzählt.

=7. Capitel.= Acclimatisation -- Sport in Indien -- Sonnenstich
-- Prophylaxis gegen Sonnenstich -- Alcoholica -- Bier -- Schwarzer
Hund -- Mortalität beim Militär im Gebirge und in der Ebene -- Klima
-- Statistik -- Erröthen der Eingeborenen -- Geringschätzung der
„Indischen“ -- Fluor albus, Menstruation -- Gesundheitslappen --
Erziehung der Mädchen -- Indische Venus -- Indischer Don Juan.

=8. Capitel.= Urbewohner von Borneo -- Eisengewinnung bei den
Dajakern -- Eisenbahn auf Borneo -- Landbaucolonien -- Jagd in
Borneo -- Im Urwalde verirrt -- Wilde Büffel -- Medicin auf Borneo
-- Aetiologie bei den Dajakern -- Taufe bei den Dajakern -- Dukon --
Doctor djawa.

=9. Capitel.= Kriegsspiele der Dajaker -- Angriff auf einen
Dampfer -- Hebammen -- Frauen-Doctor -- Europäische Aerzte --
Gerichtsärzte -- Stadtärzte -- Civilärzte -- Furunculosis -- Aerztliche
Commissionen -- Vaccinateurs.

=10. Capitel.= Geographie von Borneo -- Reise des dänischen
Gelehrten Dr. Bock -- Besteigung des Berges Kinibalu -- Die Syphilis in
Indien -- Beschneidung.

=11. Capitel.= Das „Liebesleben“ bei den Waldmenschen, Dajakern,
Malayen und Europäern -- Aphrodisiaca.

=12. Capitel.= Abreise von Borneo -- Tod meiner zwei Hausfreunde
durch Leberabscesse -- Bandjermasing nach 100 Jahren.

=Anhang.= Geschichte des Süd-Ostens von Borneo.

=Sach- und Namen-Register.=



Inhaltsverzeichniss

des 2. Bandes »Java« von Breitenstein, 21 Jahre in Indien.


Mit 30 Illustrationen. Preis: brosch. 8 Mk. 50 Pfg., geb. 10 Mk.

=1. Capitel.= Meine erste Seereise -- Meeresleuchten --
Seekrankheit -- Amor auf dem Schiffe -- Gepäcktag -- Serenade auf dem
Schiffe -- Deckpassagiere -- Die „tausend Inseln“ -- Ankunft im alten
Batavia -- „Mutter“ Spandermann -- Indische Hôtels.

=2. Capitel.= Weltevreden -- Empfang beim Armee-Commandanten --
Ein Corso auf dem Waterlooplatze -- Gigerl und Modedame in Weltevreden
-- Der grösste Platz der Welt (?) -- Malayisches Winken -- Ein Handkuss
-- Ein Abenteuer auf hoher See -- Dos-à-dos und Deeleman -- Altstadt
-- Kunst und Wissenschaft in Indien -- Wissenschaftliche Vereine in
Batavia -- Indische Hausirer -- Jagd auf Rhinozerosse -- Indische
Masseuse.

=3. Capitel.= Häufige Transferirungen -- Die Vorstadt Simpang
-- Die ersten eingeborenen Patienten -- Ein Danaergeschenk -- Die
„Stadt“ Surabaya -- Das Mittagsschläfchen -- Eine Nonna -- Eine
Abendunterhaltung -- Die Beri-Beri-Krankheit -- Indische Militärärzte
-- Die Insel Bavean und Madura -- Residenties Madura und Surabaya.

=4. Capitel.= Reise nach Bantam -- Malayischer Kutscher -- Max
Havelaar -- Fieberepidemie in der Provinz Bantam -- Krankenwärter
mit einem Taggeld von 20 fl. (!) -- Eine Stute als Reitpferd -- Der
Königstiger -- Javanische Pferde -- Elend während einer Fieberepidemie
-- Auf dem Kreuzwege -- Heiden auf Java -- Begegnung mit einem
Königstiger -- Behandlung der Fussgeschwüre durch die Eingeborenen --
Drohende Hungersnoth in Bantam -- Aussterben der Büffel -- Dreimal in
Lebensgefahr -- Ein ungefährlicher Spaziergang im Regen.

=5. Capitel.= Fleischspeisen auf Java -- Deng-deng --
Vergiftungsfälle -- Bediente -- Malaria -- Geographie von Bantam.

=6. Capitel.= Nach Buitenzorg -- Der Berg Salak -- Das Schloss
des Gouverneur-General -- Ein weltberühmter botanischer Garten --
Batu-tulis = beschriebener Stein -- Ein gefährlicher Kutscher -- Die
Preanger-Provinz -- Warme Quellen -- Sanatorien -- Indische Gewürze
-- Ein reicher Beamter -- Das Tanzen (Tandak) der Javanen -- Wâjang
orang = Theater -- Wâjang tjina = Chinesisches Theater -- Wâjang
Kulit = Schattenbilder -- Spiele der Javanen -- Eine Theeplantage
-- Bambus-Wunden -- Eine langweilige, aber einträgliche Garnison --
Einfluss der „reinen Bergluft“ -- Europäische Gemüse auf Java --
Ein javanischer Fürst verheirathet mit einer europäischen Dame --
Malayische Gedichte (Panton) -- Mischrassen -- Ein ausgestorbener
Krater.

=7. Capitel.= Museum und botanischer Garten in Batavia --
Reise nach Ngawie -- Sandhose -- „Kykdag“ einer Auction -- Auction
-- Venduaccepte -- Geographie der Provinz Madiun -- Vier Chefs --
Stockschläge in der Armee -- Lepra auf den Inseln des indischen
Archipels -- Prophylaxis der Lepra -- Eine Sylvesternacht auf Java --
Eine unangenehme Fahrt -- Ein Neujahrstag in Solo -- Eine Deputation
am Hofe zu Djocja -- Die Stadt Solo -- Der Aufschwung der Insel
Java -- Das Militärspital in Ngawie -- Ein Spital ohne Apotheker
-- Choleraphobie -- Meine Conduiteliste -- Cholera in Indien --
Entstehungsursache der Cholera in Indien -- Prophylaxis der Cholera in
Indien -- Reisfelder.

=8. Capitel.= Die Schiefertafel („Leitje“) -- Die Wege der Fama --
Lesegesellschaft -- Ein humoristischer Landesgerichtsrath -- Abreise
von Ngawie -- Ambarawa -- Nepotismus in der Armee -- In drei Tagen
zweimal transferirt -- Vorschuss auf den Gehalt -- Die Provinz Bageléen
-- Essbare Vogelnester -- In Tjilatjap -- Polizeisoldaten -- Beamte
-- Sehenswürdigkeiten von Tjilatjap -- Officiere in Civilkleidung
-- Eingeborene Beamte -- Gehalt eines Regimentsarztes -- An Malaria
erkrankt -- Djocja -- Der Tempel Brambánan -- Die „Tausend Tempel“ --
Wieder nach Ngawie -- Spitalbehandlung der Officiere -- Reibereien in
kleinen Städten -- Die Provinz Surakarta -- Der Kaffeebaum -- Ein Roman
auf dem Vulcane „Lawu“.

=9. Capitel.= Die Provinz Kedú -- Der Berg Tidar -- In Magelang --
Auf dem Pâsar (= Markt) -- Javanische Schönheitsmittel -- Haustoilette
der europäischen Damen -- Mein „Haus“ -- Empfangsabende -- Magelang --
Opiumrauchen -- Die Chinesen auf Java -- Die gerichtliche Medicin der
Chinesen -- Ein zu grosses Militärspital -- Die Königin von Siam in
Magelang -- Ein Oberstabsarzt „gestellt“ -- Nachtheile der Pavillons
aus Bambus -- Organisation des Rechtswesens -- Zum Theaterdirector
gewählt -- Die Journalistik Indiens.

=10. Capitel.= Der Buru Budur -- Magelang während des Krieges mit
Lombok -- Soldatenfreunde -- Die Religionen auf Java -- Schulen für die
Javanen -- Die Dysenterie -- Leberabscesse -- Eine Expedition in den
Tropen -- Nochmals von Dienstboten -- „Der Garten von Java“.

=Schluss.= Abreise von Magelang -- Semárang -- „Schuttery“ -- Die
chinesische Behandlung der Diphtheritis -- Das ewige Feuer -- Salatiga
-- Abschied von Semárang.

=Anhang.= Die Ansiedelungen der Europäer auf der Insel Java.

=Sach- und Namen-Register.=



Druck von +H. Klöppel+, Quedlinburg.



Fußnoten:

[1] Nach Zeichnungen in dem classischen Werke „de Atjehers“ von dem
berühmten holländischen Gelehrten Snouck Hurgronje.

[2] Der Name „Sumatra“ soll zuerst von den Arabern im 12. Jahrhundert
dieser Insel gegeben worden sein. Eine arabische Barke landete nämlich
in diesem Jahrhundert an der nordöstlichen Küste, in der Nähe des
Diamantencaps an der Mündung des Flüsschens „Djambu-Ajer“;, und fand
landeinwärts einen Kampong, welchen die Eingeborenen Samudra nannten;
die arabischen Seeleute veränderten diesen Namen in Schamatra und
übertrugen ihn auf die ganze Insel. Jede andere Erklärung dieses
Wortes wird, wenn man sie von den Eingeborenen abstammen lässt, gewiss
unrichtig sein; in der Beschränktheit ihres geographischen Wissens
und ihres socialen Lebens kennen die Eingeborenen nur den Namen ihres
Kampongs, ihres Stammes und ihrer Nachbarn.

[3] Zur Zeit des zweiten Ausbruches des Krakatau lebte ich an der
Ostküste von Sumatra, und ich kann daher aus Autopsie von diesem
schaurigen Ereignisse nichts mittheilen. Mein Nachfolger in Telók
Betóng theilte mir im Jahre 1884 einige Details aus diesem Drama
mit, während der Ingenieur R. D. M. Verbeek die zweite Quelle ist,
welcher ich folgende historische und geologische Einzelheiten
verdanke. Im Jahre 1680 hat der Krakatau in gleicher Weise gewüthet;
seit dieser Zeit war er nur der Mittelpunkt zahlreicher Erdbeben.
Im Mai 1883 erfüllten fürchterliche Detonationen die Luft, welche
bis Palembang einerseits und Benkulen anderseits, also ungefähr 270
km weit gehört wurden. Ich selbst befand mich damals als Patient im
Spitale zu Weltevreden. Vis-à-vis der Officiersabtheilung standen
damals die Bureaux des Spitalchefs und des Verwalters. Wenn der Herr
Verbeek mittheilt, dass an diesem Tage kein Erdbeben stattgefunden
habe und dass es nur starke Luftschwingungen gewesen seien, welche
die Explosion im Mai begleiteten, dann verstehe ich nicht, warum das
erwähnte Gebäude mit den Bureaux, wie ich es mit eigenen Augen sah,
pendelartige Bewegungen machte und gleichzeitig in Pasuruan, 831 km
vom Krakatau entfernt, Sprünge in Mauern entstanden. Ich sah aber
auch Fensterblenden sich hin- und herbewegen und brachte sie mit den
Detonationen in Verbindung. Ob Luftschwingungen allein so stark sein
können, dass solche Erscheinungen auftreten, weiss ich nicht. Ich
selbst sah damals den Stoff der Fensterblenden wellenartig sich hin-
und herbewegen; beim Ausbruch des Krakatau im August desselben Jahres
wurde die Detonation bis nach Ceylon, der Westküste von Australien
und bis nach Manilla fortgepflanzt; das sind allerdings Entfernungen,
welche gewaltige, bis jetzt kaum bekannte Luftschwingungen voraussetzen
lassen. -- (Den 10. October fand wiederum ein kleiner Ausbruch statt,
ohne dass er allgemein bekannt wurde.) Aber auch die Wogen erreichten
schaurige Dimensionen. Bei Telók Betóng stiegen die Wellen 22 Meter und
bei der Insel „Quer in den Weg“ 35 Meter hoch und pflanzten sich bis
Ceylon, Aden, ja selbst bis Frankreich fort!

Bis zum 27. August 1883 bestand die Insel resp. der Berg Krakatau aus
drei Spitzen, von welchen der Perbuwatan und Danan an diesem Tage in
die Tiefen des Erdspaltes sanken, während vom Rakata nur noch eine
steile Wand von 800 Meter erhalten blieb. 35000 Menschen fielen damals
dem wüthenden Elemente zum Opfer.

[4] Siehe das betreffende Capitel.

[5] Auch die seit einigen Jahren bestehende „Lampong Cultuur
Maatschappy“ wurde im April 1902 fallirt erklärt, konnte jedoch die
Annullirung der Fallissements rechtzeitig anstreben.

[6] Gegenwärtig wird die Provinz in sechs „Abtheilungen“ eingetheilt
mit je einem „Controleur“ zum Vorstande; sie ist 533.3 ☐Meilen gross
und hatte (in 1897) 137501 Einwohner, also 258 auf die ☐Meile. Darunter
befanden sich 178 Europäer, 602 Chinesen und 66 Araber.

[7] Diese Dampfer sind auch gegenwärtig nicht verpflichtet, einen Arzt
an Bord zu haben; von und nach Europa darf jedoch kein Schiff abreisen,
ohne durch einen diplomirten Doctor zu jeder Zeit ärztliche Hülfe den
Passagieren bieten zu können.

[8] Vide II. Theil, Seite 181.

[9] = Ziekenzaal 2. Klasse.

[10] Vide I. Theil, Seite 97.

[11] Der Controleur B., welcher sich vor dem Lavastrom flüchten wollte
und sein Kind auf dem Arm trug, erlitt ausgebreitete Brandwunden.

[12] Bei 4° 20′ s. B.

[13] Gegenwärtig tritt die holländische Regierung diesem einträglichen
Geschäfte der Häuptlinge (= Demang) entgegen, weil die Ausgaben für den
Titel und die damit verbundenen Feste oft den Candidaten zu ruiniren
drohen.

[14] Seit einigen Jahren ist es den „Fremdlingen“ wenn auch nicht
unmöglich, so doch so schwierig gemacht worden, den Officiersrang zu
erlangen, dass bei meinem Abschiede aus dem indischen Dienste die Zahl
der „fremden“ Officiere auf ein Minimum gesunken war.

[15] Vide II. Band, Seite 205.

[16] Die indische Katze ist durch die eigenthümliche Form der
Schwanzspitze charakterisirt. Der Schwanz endigt nämlich in einem
Knoten und besitzt weniger Wirbel als die gewöhnliche, über die ganze
Welt verbreitete Hauskatze.

[17] In den Tropen sind Bücher+schränke+ die besten Bewahrorte für
Bücher. In Bücher+kästen+ häufen sich sehr leicht Schimmel und der
Bücherwurm an; Luft und Licht sind in Indien auch für Bücher die besten
Conservirungsmittel. Die Schränke müssen aber frei stehen, d. h. nicht
gegen die Mauer lehnen.

[18] Die ambonesischen Soldaten sind Christen und beziehen als solche
ebenfalls Schuhe.

[19] Nur sehr selten wird man bei den Europäern so schön geformte Füsse
finden als z. B. bei den malaiischen Frauen, welche weder Schuhe noch
Sandalen tragen.

[20] Vide I. Theil, Seite 20.

[21] Bei den Battakern (im Osten Sumatras) werden die Hunde gemästet
und als Schlachtvieh auf den Markt gebracht.

[22] Als ich im Jahre 1884 mit Urlaub nach Europa ging, begegnete
ich ihm in Wien und er theilte mir so manche Scenen aus der
Schreckenszeit des 26. und 27. August 1883 mit. Das Erdbeben, das
Seebeben, der Aschenregen, die Lavamassen, die Finsterniss und die
viele Meter hohen Sturzwellen der See erschütterten Mark und Bein der
muthigsten Männer. Sein Haus stand in der Ebene gegenüber dem des
Landescommandirenden; in der Veranda befand sich die Compagniecassa,
in welcher (reglementswidrig) 1000 fl. des Dr. X. zur Bewahrung sich
befanden. Das Seebeben kam so plötzlich und so unvermittelt, die vom
Sturm gepeitschten Wellen stürzten so schnell und so unerwartet über
die Dächer der Häuser hinweg, welche am Strande standen, auf die grosse
Strasse, dass Alle in wilder Flucht auf den Hügel eilten, auf welchem
das Haus des Residenten und das Fort sich befanden. Weder Dr. X. noch
Hauptmann Y. hatten Zeit, den Inhalt der eisernen Cassa mitzunehmen,
welche in den Mauern des Hauses befestigt war. Leider gab Hauptmann Y.
zwei Soldaten den Befehl, bei der Compagniecassa Wache zu halten. Sie
wurden von den stürmenden Wogen verschlungen und blieben die einzigen
Verluste der Garnison.

[23] Vide Band I, Seite 168.

[24] Die Insel Sumatra ist 6735 ☐m gross und hat 3,171,893 (?)
Einwohner (im Jahr 1897); ihre grösste Länge beträgt ungefähr 1710 km
und ihre grösste Breite 430 km.

[25] Die Hühner wurden schon 1000 Jahre a. c. in China gezähmt im Hause
gehalten. Auf Sumatra giebt es noch drei Sorten wilde Hühner: Ajam
Rimbu, Ajam utan und Ajam Beruga.

[26] Vide Band I, Seite 68.

[27] Besonders in ihrem „Hochzeitskleide“.

[28] In der mir zugänglichen Literatur fand ich nur von der Provinz
„Riouw und Vasallenstaaten“ eine ausführliche Beschreibung der in
dieser Provinz sich befindenden Thiere höherer Ordnung. Es ist
zu wünschen, dass sich bald Männer finden, welche nicht nur die
Thiere höherer Ordnung in allen übrigen Provinzen der Insel Sumatra
mittheilen, sondern sich auch mit der ganzen Fauna ausführlich
beschäftigen.

In und bei dieser Provinz wurden nach oben angedeuteten
Berichterstattern folgende Thiere gesehen:

Seekuh, Delphin, wildes Schwein, Stachelschwein, Landak, vier Sorten
Kantjil, Simia fascicularis, Lampongeraffe, Lutong (Semnopithecus
maurus), Pukang = Gespensteraffe = Stenops tardigradus, Kukang =
Lemur tardigradus, Kubang = Gallopithecus volans = fliegender Fuchs,
fliegender Hund = Pteropus edulis (wird nämlich von den Battakern
gegessen), Fledermäuse, Tanggiling = Manis javanica, Eichhörnchen,
Rehe, Hirsche z. B. Cervus muntjae und Cervus russa, Luwak = Musang
= Paradoxurus leucomystax, Eulen, Adler, Falken, Bubo minor,
Haliastur indicus und H. leucogaster u. s. w., Singvögel z. B. Turdus
mindanensis, Spatzen, Nashornvögel, Eisvögel, Krähen, Beo (Gracula
javanensis), welche gezähmt sehr schön sprechen lernen, Schwalben,
Tauben, Ranggung = Ardia typhon, Itik laut = Ana coromandeliana,
Pelikane; Krokodile, Leguane, Eidechsen, Schildkröten, Schlangen,
Frösche z. B. Katak = Rana tigrina, Kodok = Bufo melonasticus,
Fische, Krebse, Garneelen, Scorpionen, Tausendfüssler, Schnecken,
von denen bereits 300 Sorten in Indien bekannt sind (die auf Sumatra
lebenden Schnecken sind mit jenen Hinter-Indiens verwandt), Käfer und
Schmetterlinge.

[29] Seit einigen Jahren befinden sich im Westen dieser Provinz bereits
zwei europäische Actien-Gesellschaften unter dem Namen Redjang Lembong
und Lembong soelit (oe = u), welche ausschliesslich die Gewinnung des
Goldes in ihr Programm aufgenommen haben.

[30] Im Norden Sumatras soll der Berg Luseh 3700 m hoch sein, also um
10 m den Indrapura überragen, welcher an der südwestlichen Grenze der
Provinz Palembang sich befindet.

[31] Sowohl die freien als auch die abhängigen Nationen (Fig. 3),
welche den Fuss dieser grossen Gebirgskette bewohnen, mögen sie Heiden
oder Mohamedaner sein, betrachten sich als Urbewohner des Landes
oder wenigstens als Stammverwandte mit jenen Nomadenvölkern, welche
in den höher gelegenen Theilen des Gebirges wohnen und noch kein
staatliches Leben kennen. Unter den Namen Orang (Mensch) Kubu, O. Lubu,
O. Utan und O. Rawa (= Sumpf) sollen im Urwalde des Barisangebirges
Menschen vorkommen, welche nur in Familien beisammenleben, nur den
jeweiligen Vater als Oberhaupt anerkennen, sich von den Früchten
des Urwaldes nähren, keine feste Wohnung haben, den Gebrauch des
Feuers kennen und nur mit einem Gürtel aus Baumbast bekleidet sind.
Zwischen diesen Menschen, welche gewissermaassen die erste Stufe der
menschlichen Civilisation einnehmen, und den Europäern, welche an der
Ostküste zerstreut im Innern dieser Provinz leben, wohnen zahlreiche
Nationen, welche uns gewissermaassen ein Gesammtbild der Entwicklung
des gesellschaftlichen Lebens bieten, wie sie in Europa im Laufe der
Jahrhunderte successive die jetzige Höhe erreicht hat. Ja noch mehr.
Das Studium der Sitten und Gebräuche der primitiven Bewohner des
Barisangebirges auf Sumatra wird uns per analogiam eine Einsicht in das
Leben der Urbewohner Europas erleichtern, wenn nicht sogar ermöglichen.

[32] Die „Residentie“ Palembang ist 2526.7 ☐m gross und hat ungefähr
618000 Einwohner, worunter sich nach den Mittheilungen des Departements
von Colonien im Jahre 1897 373 Europäer, 6451 Chinesen und 1876 Araber
befanden.

[33] Vide „Java“, Seite 124 ff.

[34] Auch in den Tropen gebrauchen die Engländer nur Thermometer mit
der Scala von Fahrenheit.

[35] Vide II. Band.

[36] Diese Provinz ist 770.4 ☐Meilen gross und hat ungefähr 110000
Einwohner mit 180 Europäern, 22218 Chinesen und 10 Arabern. (Vide
Jahresbericht vom Ministerium der Colonien des Jahres 1897.)

[37] Der Stamm der Kwantaner hatte z. B. bis zum 10. Februar 1821 einen
Sultan an der Spitze des Volkes.

[38] Oft trat die Vermuthung in mir auf, ob in diesem Falle nicht
ein „Heufieber“ vorliege (= Sommerkatarrh = Bostock’scher Katarrh).
Leider habe ich niemals das Secret der Nasenschleimhaut auf Pollen
der zahlreichen Gräsersorten untersucht, welche ja in den Tropen das
ganze Jahr hindurch und überall üppig gedeihen. Vielleicht ist diese
Mittheilung hinreichend, jemand Andern zu dieser Arbeit anzuregen.

Niemals und nirgends litt ich so viel an Schnupfen als die letzten
Jahre meines Aufenthaltes auf Java, und es ist mir ein wahres
Vergnügen, der „Erkältung“, welche die moderne Hygiene gern in die
Rumpelkammer veralteter Theorien werfen möchte, eine Ehrenrettung
schreiben zu können. Ohne dass ich jemals das Secret der Nase
bacteriologisch untersucht hatte, welches beim Niesen in reichlicher
Menge abgesondert wird, wage ich die Behauptung, dass diese petite
misère de la vie der Typus einer „Erkältung“ ist, und dass auch nur
die Annahme eines bacteriologischen Ursprunges kein Recht auf Bestehen
hat. Mir ist ganz gut bekannt, dass -- ich glaube, dass es Goldschmidt
in Paris nachgewiesen hat -- z. B. beim Niesen der Leprösen in einem
Radius von ± 1 Meter auf dem Boden Leprabacillen gefunden wurden; es
ist also möglich, dass man auch beim Niesen des communen Strauchens
ebenfalls Microorganismen finden wird, welche selbst culturfähig
sind und bei Impfungen dieselbe Krankheit erzeugen könnten; aber
selbst dann nicht, wenn dies bereits gelungen wäre, würde ich die
bacteriologische Entstehungsweise dieser Leiden anerkennen. Wenn ich
mich zu dieser ketzerischen Behauptung hinreissen lasse, so geschieht
es unter der Wucht der Beweiskraft der Thatsachen; immer, wenn ich
transpirirte und unvermittelt mich der Zugluft aussetzte, begann ich
zu niesen; die Secretion der Nasenschleimhaut wurde so gross, dass
ich im Laufe einiger Stunden 6-10 Sacktücher benöthigte, und wenn
ich, sei es Nachmittags oder Abends, mich zu Bett begab, hatte der
Process sein Ende erreicht. Da nebstdem nur jene Menschen so häufig
darunter leiden, welche schon Jahre lang in den Tropen geweilt haben,
also unter dem Einfluss der tropischen Wärme ein gewisses labiles
Gleichgewicht des nervösen Lebens erhalten haben, so bekommen wir ein
Krankheitsbild, das weder in seiner unermittelten Entstehungsweise,
noch in der Kürze seiner Dauer, noch in seinem sicheren Abklinken
durch die Bettwärme in den Rahmen einer Infectionskrankheit gezwängt
werden kann. Wie ich schon oben erwähnt habe, ich litt und leide auch
an Gelenkrheumatismus; bei der strengsten Beobachtung ist es mir noch
nicht gelungen -- obwohl es eine landläufige Ansicht ist -- irgend
einen Factor des Sammelbegriffes Klima zu kennen, der +unbedingt+ mir
eine Attaque veranlasst; aber das Strauchen trat immer unter oben
genannten Verhältnissen auf. Ich musste also bei dem Gelenkrheumatismus
die Möglichkeit einer bacteriellen Entstehungsweise offen halten,
während der Katarrh der Nasenschleimhaut, welcher in den Tropen viel
häufiger als in Europa die Menschen attaquirt, das reine Gepräge einer
„Erkältung“ trägt.

[39] Polonia war der Name des militärischen Etablissements in Medan,
so genannt nach dem Geburtslande des ersten Besitzers (des polnischen
Barons Michalsky) dieses Gebietes, welches ursprünglich eine
Tabaksplantage umfasste.

[40] Banka ist, wie uns Dr. Posewitz mittheilt, geologisch die am
besten bekannte Insel des indischen Archipels; im Jahr 1710 wurde
nämlich beim Anlegen eines trockenen Reisfeldes (ladang) das Zinn
entdeckt, welches seit dieser Zeit in grossen Mengen gewonnen und in
den Handel gebracht wird. Schon im Jahre 1725 wurden vom Sultan von
Palembang, in dessen Besitz sich damals Banka befand, Chinesen zur
Gewinnung dieses Erzes dahin gesendet, und noch im Jahre 1832 waren
ausschliesslich chinesische Kulis in den Minen beschäftigt, welche zu
vier Kongsies vereinigt und unter der Aufsicht von vier holländischen
Ingenieuren und acht Gehilfen standen. Nebst Zinn findet man Gold,
Wismuth, Eisen, Magneteisen, Kupferkies, Bleiglanz, Arsenkies und
Schwefelkies, Manganerze und zahlreiche warme Quellen.

[41] Aus der Wurzel der Maniokbäume (Janipha manihot) wird eine
Mehlsorte, das maniokka bereitet, welches Kassave heisst, wenn es in
der freien Luft, und Tapioca, wenn es auf heissen eisernen Platten
gewonnen wird.

[42] Siak ist der südlichste Bezirk der Provinz „Ostküste von Sumatra“;
der zweite, Assahan genannt, hat ebenfalls noch einen Sultan, während
der dritte Bezirk, Deli, trotz der Anwesenheit eines Sultans kaum mehr
als eine holländische Provinz genannt werden kann.

[43] Obwohl schon seit uralten Zeiten die Malaien das Petroleum als
Medicin gegen Hautkrankheiten gebrauchten, wurde doch erst im Jahre
1876 bei Sungei Durian die erste Quelle angebohrt; die erste Concession
zum geschäftsmässigen Betriebe wurde im Jahre 1883 in Langkat gegeben.
Die zahlreichen Quellen Sumatras geben einen sehr verschieden grossen
Ertrag; während in Perlak, an der Ostküste Sumatras, täglich 140 Liter
gewonnen werden, ist das Erträgniss bei Kollok (Padangsche Oberländer)
6000 Liter pro Tag!! (Die „Perlak-Petroleum Maatschappy“ scheint im
Jahre 1901 einen ausserordentlichen Aufschwung genommen zu haben.)

[44] I. Theil, Seite 77.

[45] Seite 535 und ff.

[46] Dieser Fluss, zugleich der grösste Strom von Nord-Sumatra, hat
zwei Quellen-Arme, welche weit auseinander liegen. Der nördliche,
der +rechte+ Simpangfluss genannt, entspringt auf dem Berge Gerdáng,
während der linke Arm ungefähr 72 km südlicher seinen Ursprung zu haben
scheint; sie vereinigen sich bei Kwala Simpang, wo noch wenige Jahre
vor meiner Ankunft in Seruway ein Fort sich befand und vor Kurzem
wieder ein neues Fort errichtet wurde. (Die Malaien bezeichnen die Ufer
eines Flusses auch mit rechts und links; sie nehmen jedoch die Richtung
der Quelle und nicht, wie wir, die der Mündung zum festen Punkte.)

[47] Seite 284.

[48] Häufig vorkommender Name javanischer Soldaten.

[49] Vide II. Theil, Seite 357.

[50] Damals bestand die Bestimmung, dass ledige Officiere und
verheirathete Officiere, welche ihre Frau bei sich hatten, zwei Jahre,
die Strohwittwer jedoch nur vierzehn Monate auf Atjeh bleiben mussten.

[51] Den 27. August des Vormittags 11 Uhr hörten wir bei vollkommen
heiterm Himmel aus dem Süden ein lautes Donnern, so dass wir Alle auf
dem Platze vor dem Officiersgebäude zusammenkamen und eine Erklärung
hierfür suchten. Da das Donnern (?) den Charakter von Kanonenschüssen
hatte, wurde selbst vermuthet, dass benachbarte Stämme eine Schlacht
lieferten. Doch erst nach sechs Tagen erfuhren wir die wahre Bedeutung
dieser acustischen Erscheinung. Es war der Ausbruch des Krakatau,
welcher von uns ungefähr 1500 km!! entfernt war und trotzdem von uns
wie Kanonenschüsse aus der Nähe gehört wurde.

[52] Ein wunderschönes Bild bot sich unsern Augen dar: Weit vor uns zog
ein breiter Streifen von rosarothen Medusen.

[53] Dies war der Anfang zahlreicher kleiner Gefechte; Modjopahit wurde
im Juli 1884 von den Langsaresen angegriffen und sein Sultan gefangen
genommen. Dieser legte auch kleine Forts an, welche jedoch von den
Holländern genommen wurden; den 13. August kam eine Compagnie unter
Commando eines Hauptmanns nach Seruway, und den 16. eroberte er alle
diese kleinen Forts mit einem Verluste von vier Mann, worunter sich
auch befand -- ein Krankenwärter.

[54] Darunter befand sich auch ein Fall von Framboesia =
Himbeerwarzensucht, welche ich ohne Quecksilber oder Jodkali und
nur durch eine locale Behandlung zur Heilung brachte. Auch ich
konnte constatiren, dass diese zahlreichen kleinen warzenförmigen
Hautgeschwülste eine selbständige, von keiner andern Krankheit
abhängige locale Erkrankung der Haut waren.

[55] Vide I. Band, Seite 41.

[56] Dr. Prochnik theilt im W. K. W. No. 5 1902 mit, dass er selbst 17
Krebsfälle behandelt hat, dass in den Jahresberichten des Institutes
für pathologische Anatomie und Bacteriologie in Batavia von 1890 bis
1900 von 41 Krebsfällen die mikroskopische Untersuchung erwähnt wird
und dass Dr. Stratz im Jahre 1891 unter 840 gynäkologischen Patienten
18 Fälle von Carcinoma uteri gesehen hat.

[57] Professor Löffler glaubt nämlich auf Grund obiger Annahme, durch
künstliche Erzeugung des Sumpffiebers den Krebs heilen zu können oder,
besser gesagt, behandeln zu wollen.

[58] Diese Provinz war nach den Mittheilungen des Ministeriums
der Colonien vom Jahre 1897 1668.9 ☐Meilen gross und hatte 278047
Einwohner, worunter sich 3330 Europäer und 15659 Chinesen befanden.

[59] Das Telegramm wurde von Medan nach Pinang (an der Westküste
von Malacca) und von dort am 14. Februar nach Batavia telegraphisch
gesendet, es kostete 7 fl. 70.

[60] Vide II. Band, Seite 145.

[61] Auch auf der Insel Borneo sah ich so hohe und steile Ufer und zwar
im Strome Barito.

[62] Vide Titelbild, Band I.

[63] Vide I. Band, Seite 77.

[64] Schon im Jahre 1633 haben die Dänen eine Factory in Atjeh
errichtet.

[65] Die Insel (Pulu) Wè ist 162,62 ☐km gross und wird von ungefähr
1000 Seelen bewohnt, welche sich hauptsächlich mit Landbau, speciell
mit der Cultur des Reises und Pfeffers beschäftigen. Die geologische
Beschaffenheit dieser Insel ist noch nicht bekannt; es wird jedoch
mitgetheilt, dass sich zwei Kraterseen mit Trinkwasser im Innern
der Insel befinden, und dass Schwefel dort gefunden wird; vor drei
Jahren gab die Regierung die Erlaubniss, diese Insel bergmännisch zu
untersuchen; das Resultat dieser Untersuchung ist mir nicht bekannt.

Im Jahre 1884 kam Wè in den Besitz Hollands und erst im Jahre 1893
in die Verwaltung eines holländischen Beamten; im Jahre 1895 wurde
im Freihafen von Sabang eine Kohlenstation errichtet, die im Jahre
1897 telegraphisch mit der Hauptstadt Kuta radja verbunden wurde, und
im Jahre 1898 wurde von Surabaja ein trockenes Dock von 2800 Tons
dahingebracht. Der Eingang in den Hafen ist 750 Meter breit, der
Ankerplatz 1500 Meter lang und 900 Meter breit, und 25 Dampfer können
ungehindert in diesem Hafen nebeneinander liegen. Der Boden des Hafens
besteht aus Sand und Korallen.

[66] Kuta radja hatte im Jahre 1896 ohne Garnison 4799 Einwohner,
worunter sich 158 Europäer, 2427 Chinesen, 1854 Eingeborne, 22 Araber
und 338 „andere Fremde“ befanden.

[67] Das Quartiergeld wird auch in Indien je nach den herrschenden
Ortsverhältnissen in verschiedene Classen eingetheilt; in Atjeh wurde
die höchste Classe gerechnet.

[68] Die Atjeer nennen das Schloss ihrer Fürsten nicht Kraton (J.),
sondern Dalam (A.).

[69] Beri-Berikring (M.).

[70] Selbst gegen die echte Tropenkrankheit Beri-Beri zeigten die
Europäer grössere Widerstandskraft als die eingeborenen Soldaten.

[71] Holländisches Sprichwort = entronnen.

[72] In den Sanitätsrapporten der englischen Colonien wurde von
jeher eine so grosse Zahl von Menschen mitgetheilt, welche durch
Schlangenbisse ein jähes Ende gefunden hatten, dass mir jedes
Verständniss dafür fehlte. Das Verhältniss dieser mitgetheilten Opfer
zu jenen, welche in den holländischen Colonien dem Schlangenbisse
erlegen waren, überschritt oft die Grenzen 1:1000! Erst vor wenigen
Tagen wurde mir dieses Räthsel gelöst. Die Tagespresse theilte nämlich
mit, dass in Englisch-Indien die Eingeborenen alle Todesfälle von allen
ansteckenden Krankheiten in die Rubrik: „Tod durch Schlangenbisse“
eintragen lassen, um die Desinfectionsmaassregeln, deren Werth von
ihnen nicht anerkannt wird, zu umgehen.

[73] Lîlah oder Lèlah werden im Gegensatz zu den modernen Kanonen
(mariam) alte, schmale, kleinkalibrige Kanonen genannt, welche im
Principe nichts mehr als längliche Mörser sind.

[74] Da in Atjeh officiell der Friedenszustand erklärt war, hatte die
holländische Regierung keinen gesetzlichen Grund, den Chinesen die
Ansiedelung in diesem Lande zu verweigern.

[75] Midin sprach natürlich nicht von „11 Uhr“, sondern von „Pönáb Tjòt
uròë“ = wenn die Sonne sich dem Zenith nähere; im Allgemeinen giebt es
bei den Atjeern 19 solcher Ausdrücke, welche die Tageszeit bezeichnen.
Auch ihre Eintheilung des Jahres in 12 (arabische) Monate oder 354 Tage
wird von dem ackerbautreibenden Theile der Bevölkerung im täglichen
Leben nicht gebraucht; diese theilen das Jahr in 13-14 Könòngs von 27⅓
Tagen ein und zwar nach dem jeweiligen Eintreffen des Mondes in die
Scorpiongruppe.

[76] Holländisches Sprüchwort.

[77] Schon Marco Polo erzählt, dass er (Ende des 13. Jahrhunderts)
auf Nord-Sumatra ein mohamedanisches Reich vorgefunden habe; in
Gross-Atjeh wurde unter Sultan ’Alî Moghâjat Sjâh (1507-1522) der
Islam zur Staatsreligion erhoben, während in Canton (China) ein
çâhib (= Zeitgenosse) von Mohamed seine Lehre bereits am Ende des 7.
Jahrhunderts verkündet haben soll.

[78] I. Theil Borneo, Seite 43.

[79] Vide Zernoff: Zur Frage über die morphologische Bedeutung der
schwanzförmigen Bildungen beim Menschen.

[80] Die Atjeer II. Band, Seite 65.

[81] Dieser berühmte Maler wurde 1814 in Semarang (Java) geboren und
starb 1880 zu Buitenzorg (Java).

[82] Snouck-Hurgronje nennt diesen Küstenplatz Mölaböh.

[83] Mof = Spitzname für Deutsch.

[84] 2° 55′ N. B.

[85] Snouck Hurgronje nennt sie Thimölu-Insel.

[86] Es hat eine Ausdehnung von 1495.2 ☐Meilen und wird von ungefähr
1400000 Seelen bewohnt.

[87] Vide: De Pionniers der Beschaving in N. I. door W. A. van Rees.

[88] Vide: 21 Jahre in Indien von Dr. Breitenstein, Band I.

[89] Nach von Rosenberg.

[90] Alfred Maass bringt unter dem Titel: „Bei liebenswürdigen Wilden“
eine ausführliche ethnographische Beschreibung der Bewohner dieser
Insel, von welchen bereits im Jahre 1561 Ptolemäus Venetia eine Karte
herausgegeben haben soll.

[91] Meyers Conversationslexikon, Band 17, Seite 647.

[92] Vide I, Seite 132.

[93] Padang hatte im Jahre 1898 32,038 Einwohner, worunter sich 1805
Europäer, 4103 Chinesen, 121 Araber und 615 andere Orientalen befanden,
und ist der Stapelplatz für den Ausfuhrhandel der ganzen „Westküste“
Sumatras. Die wichtigsten Exportartikel waren im Jahre

            1890     1897     1898     1899
  Kaffee   67000    72000    79000    81000 Pikols
  Rottang  23300    20696    12945     8356   „
  Benzoe    4513     5156     3643     3213   „
  Tabak     5730     8467     7316     7418   „
  Copra    55615    43360    89297    63141   „
  Häute    28843    43360    51985    47436 Stück.

Ich muss noch bemerken, dass diese Stadt 59′ 30″ unter dem Aequator
liegt, ein warmes und feuchtes, aber nicht ungesundes Klima hat und im
Jahre 1898 204 Regentage mit 4973 mm Regen hatte. Die Schwankungen der
Temperatur betragen im Durchschnitt täglich 13° C.

[94] Vide II. Band, Seite 248.

[95] Für das Jahr 1902 wird von der Lidgerwood Manufacturing Comp. die
Ernte des Gouvernementscaffee der ganzen Westküste Sumatras auf 37550
Pikols Javacaffee und 1200 Pikols Liberiacaffee geschätzt.

[96] Vide Band II, Seite 61.

[97] = Gott hat es gegeben (M.).

[98] Tapanuli ist 763,5 ☐M. gross und hatte (im Jahre 1897) ungefähr
300000 Seelen mit 306 Europäern und 1285 Chinesen.

[99] Padangsche Benedenländer sind 322,1 ☐M. gross und haben ungefähr
330000 Seelen mit 1888 Europäern und 5566 Chinesen.

[100] Die „Padangschen Bovenländer“ sind 409.6 ☐M. gross und haben
ungefähr 737000 Seelen mit 479 Europäern und 1096 Chinesen.

[101] Der Ingenieur Verbeek entwirft von diesem Theile der
Padangschen Oberländer folgendes geologische Schema: Fluss
alluvium, Fluss diluvium, See diluvium, Meer diluvium, Eocen,
Mergelschiefer, Conglomerate, Kohlen, Kiesel, Alter Schiefer
Vulcanenmantel; Augit-Andesit-Basalt; Augit-Andesit-Pechstein;
Basalt; Hornblende-Andesit-Pechstein; Diabaas, Proterobaas, Gabbro,
Quarzporphyr, Syenit, Hornblende-Granit; Syenit-Granit.

[102] Wenn ich oben die höchsten Bergspitzen Sumatras mit ihren
Namen anführte, kann ich nicht umhin, mit einigen Worten auch der
hydrographischen Verhältnisse dieser Insel zu gedenken, welche ja zum
grössten Theile durch die orographische Constellation bedingt sind.

Im allgemeinen zieht auf Sumatra die Wasserscheide von Nord-Westen nach
Süd-Osten, d. h. parallel mit der grössten Länge der Insel (1710 Km.).
Entsprechend der kleinen Entfernung von der Küste, haben die Flüsse
der Westküste ein kleineres Flussgebiet als die der Ostküste, und in
Uebereinstimmung mit den geologischen Verhältnissen haben die Flüsse
der Ostküste ein stark geschlingertes Flussbett und münden meistens mit
mehreren Mündungsarmen in das Meer. Das Deltaland ist auf der Westküste
beinahe unbekannt.

Die Insel Sumatra besitzt nur sechs +grosse+ Seen: Den Tawarsee in
Gross-Atjeh, den Tobahsee in den Battakländern, den Maninjusee und den
Singkarasee im Gouvernement der Westküste, den See von Korinthi und von
Bantan im Gebiet der Provinz Palembang.

[103] und nicht allein durch Handels- und Bergbau-Colonien.

[104] Das sind Kähne, welche von Menschen oder Pferden gezogen werden
und gegenwärtig nur zum Transport von Waaren in Holland benutzt werden.

[105] Bis zum Jahre 1893 wurden nur 13 Eingeborene zum Christenthum
bekehrt, während die katholische Missionsgesellschaft auf Sumatra 28
und auf der Insel Nias 11 Stationen besitzt.

[106] Der Import betrug im Jahre 1896 fl. 193000 und der Export fl.
79300.

[107] Seit ein paar Jahren befinden sich an ihrer Ostgrenze zwei neue
Gesellschaften zur Gewinnung des dortigen Goldes.

[108] = Sehnenscheidenentzündung;

[109] = Athemnoth;

[110] = Entzündung der Augenschleimhaut;

[111] = Rachenkatarrh;

[112] = Halsentzündung;

[113] = Mandelentzündung;

[114] = Schlaflosigkeit;

[115] = Rötheln;

[116] = Nesselausschlag;

[117] = Abschuppung.

[118] +Badings+, malaiisch-holländisches Wörterbuch.

[119] In der medicinischen Zeitung von Batavia brachte er im Jahre 1896
eine +ausführliche wissenschaftliche+ Erklärung des folgenden Märchens:
In Celebes sollen Männer leben, bei welchen der Penis sich +ganz+ in
das Becken zurückzieht und die, wenn die Reposition nicht gelinge,
daran sterben!! Auch der Berichterstatter Dr. X., Regimentsarzt in der
indischen Armee, hatte keinen solchen Fall gesehen und glaubte dieses
Märchen offenbar nur der Curiosität halber reproduciren zu müssen.

[120] 8° s. B. u. 127° ö. L.

[121] Vide II, Seite 21.

[122] Noch im Jahre 1894 erhielt ich von der Insel Lombok ein Buch,
welches nur aus Lontarblättern bestand.

[123] Vide Allgemeen. Handelsblad vom 3. und 4. März 1902.

[124] Vide II. Theil, Seite 118-120.



*** End of this LibraryBlog Digital Book "21 Jahre in Indien.: Dritter Theil: Sumatra." ***

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