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Title: Sprachbilder nach bestimmten Sprachregeln: Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch für den deutschen Sprachunterricht in der Volksschule
Author: Wiedemann, Franz
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Sprachbilder nach bestimmten Sprachregeln: Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch für den deutschen Sprachunterricht in der Volksschule" ***
SPRACHREGELN ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1874 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht
  mehr gebräuchliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
  unverändert.

  Umlaute in Großbuchstaben (Ä, Ö, Ü) werden als deren Umschreibungen
  (Ae, Oe, Ue) wiedergegeben.

  Der Übersichtlichkeit halber wurden die Inhaltsverzeichnisse der
  Teilbände an den Anfang des jeweiligen Texts verschoben.

  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

        fett:     =Gleichheitszeichen=
        gesperrt: +Pluszeichen+
        Antiqua:  ~Tilden~

  ####################################################################



                             Sprachbilder

                                 nach

                       bestimmten Sprachregeln.


                Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch

                                für den

            deutschen Sprachunterricht in der Volksschule.


                        Für Lehrer und Schüler

                            gearbeitet von

                           Franz Wiedemann,

          Oberlehrer an der vierten Bürgerschule in Dresden.


                             Erster Theil.

                            Zweite Auflage.


                               Leipzig,

                       Alfred Oehmigke’s Verlag

                           (Moritz Geißler).



Vorwort zur zweiten Auflage.


Wenn ich auch meinen Sprachbildern, als sie ihre Reise in die
pädagogische Welt antraten, mit einem gewissen Vertrauen zu ihrer
praktischen und darum lebensfähigen Natur nachsah, durfte ich mich
doch =der= Hoffnung nicht hingeben, daß ich schon nach ca. einem Jahre
in der Lage sein würde, von dem =ersten= Theile eine =zweite Auflage=
folgen lassen zu müssen. Daß dies nun aber geschehen, sowie der
Umstand, daß diese meine Sprachbilder (I. und II. Theil) von dem

  =Hohen Königlichen sächsischen Ministerio des Cultus und öffentlichen
  Unterrichts als zweckmäßig und praktisch anerkannt und den
  Schulinspectoren im Königreich Sachsen zur Einführung in die Schulen
  officiell empfohlen worden sind=,

erfüllt mich mit ganz besonderer Freude!

Es sei mir gestattet, hier noch einmal kurz die charakteristischen
Eigenschaften meines Werkchens niederzulegen:

1) Es basirt auf der neuesten und jedenfalls für die Volksschule
zweckmäßigsten Methode, nach welcher der Sprachunterricht an Lesestücke
anzulehnen ist.

2) Es belastet die Schüler nicht mit todtem Regelwerke.

3) Es enthält auf allen Klassenstufen ein bestimmtes =Lehrziel=.

4) Es zeichnet einen klaren, einfachen =Lehrgang= vor, der stricte auf
dem Grundsatze ruht: „Vom Einfachen zum Zusammengesetzten“.

5) Es bietet eine reiche Auswahl von =Lehrstoff= (278 Artikel), sodaß
dem Lehrer viel Spielraum gelassen ist.

6) Welche Lehrmethode ein Lehrer auch treibe oder triebe, unter allen
Umständen werden ihm diese Sprachbilder „=dienend=“ zur Seite stehen.

7) Der bei weitem größte Theil der betreffenden Artikel dürfte sich
ganz gut als Material zu stilischen Aufgaben eignen.

Mögen diese „Eigenheiten“ meines Werkchens in immer weiteren Kreisen
gefunden und anerkannt werden. Wird mir dieser Wunsch erfüllt, dann
wird es sich sicher so lange immer weitere Bahnen brechen, bis Einer
kommt, der die Aufgabe, welche sich dieses Büchlein stellt, besser
löst, als ich es vermocht habe.

  +Dresden+, Ostern 1874.

  =Franz Wiedemann.=



Ein Wort zu den Sprachbildern an die Lehrer.


Zu den vielen bereits vorhandenen Sprachbüchern und Sprachbüchelchen
für die Hand des Lehrers und des Schülers der Volksschule --
wohlgemerkt, der =Volksschule= -- bringe auch ich noch eins herbei,
aber ein anderes als die gewöhnlichen; wie ich vermeine, ein
originelles und -- täusche ich mich nicht -- ein =recht praktisches=.

Gewiß zu Nutz und Frommen der Volksschule, und darum mit vollem Rechte,
hat sich die größere Zahl der Volksschullehrer der Ansicht zugewendet,
daß man den Sprachunterricht nicht nach todtem Regelwerke, nicht
nach einer fast unabsehbaren Litanei von einander coordinirten oder
subordinirten Sprachgesetzen, sondern auf Grund eines +Lehrstückes+,
als eines fertigen Sprachgebildes, treibe. Dasselbe wird bekanntermaßen
gelesen, dann zergliedert und bei dieser Operation werden die Regeln
des Satzbaues, sowie die Bedeutung und die Stellung der Begriffs- und
Formwörter entwickelt und gefunden.

Ganz +ohne Regeln+ kommen wir natürlich bei dem Sprachunterrichte nicht
weg, denn auf das blose +Sprachgefühl+ können wir unsere Volksschüler
ebenso wenig verweisen, als uns auf dasselbe verlassen.

Wo aber sind nun jene Lesestücke, an denen die wichtigsten Sprachregeln
entwickelt werden sollen, herzunehmen? -- Natürlich nirgends andersher,
als aus den Lesebüchern, welche die Schüler in den Händen haben.

Die allermeisten dieser Lesestücke, wie wir sie in den bekannten
zahlreichen Lesebüchern für Volksschulen finden, sind recht gut, viele
musterhaft und wahre Meisterstücke des Sprachbaues; keins von allen
aber wurde wol in =der Absicht= und =zu dem Zwecke= geschrieben,
bestimmte Sprachregeln und Sprachgesetze darin zu veranschaulichen.
Sie alle wurden des =Stoffes= und höchstens der =Darstellungsformen=
(Schilderung, Beschreibung, Erzählung etc.) =halber= geschaffen.

Dieser Umstand aber wird für den Sprachlehrer zu einer +Calamität+
und diese habe ich selbst eine Reihe von Jahren hindurch oft recht
bitter empfunden. Wie so? -- Nun ja, der Sprachlehrer will z. B.
die verschiedenen Arten der Haupt-, Für- oder Zahlwörter, oder
die Steigerung der Eigenschaftswörter, oder deren Stellung zum
Hauptworte, oder die Bedeutung und Stellung der Umstandswörter, oder
die verschiedenen Arten und Naturen der Verhältniß- und Zahlwörter,
oder die mannichfachen Ergänzungen etc. etc. zur Anschauung und zur
Besprechung bringen; wo aber findet er nun ein Lesestück, das für
den vorliegenden Fall so recht geeignet ist, das die betreffende
Wortgattung, die betreffende Regel möglichst allseitig repräsentirt?

Als ganz nebensächlich sei hier noch bemerkt, in welche Verlegenheit
man in dieser Hinsicht gerathen kann, wenn es, beispielsweise bei einer
öffentlichen Schulprüfung, einmal heißt: „Behandeln Sie die Umstände
des Orts (oder die Verhältnißwörter, welche den dritten Fall bedingen,
oder die Zahlwörter) auf Grund eines Lesestückes.“ Obgleich sich nun
jeder nur einigermaßen gewandte Sprachlehrer auch in diesem Falle +zu
helfen wissen+ und einem Fiasco entgehen wird, ist doch immerhin dabei
Holland mehr oder weniger in Nöthen, da sich eben ein für diesen Fall
geeignetes Lesestück schwer oder gar nicht auffinden läßt. Doch das
eben nur nebenbei.

Diesem Mangel an geeigneten Lesestücken speciell für den Unterricht in
der deutschen Sprache wollte ich nun mit dem gegenwärtigen Büchlein
abhelfen. =Alle Stoffe und Materialien darin sind in allererster Linie
eigens für den Sprachunterricht bearbeitet.= Jeder einzelne Artikel
darin ist für einen bestimmten Sprachunterrichtszweck, für eine ganz
bestimmte Sprachregel geschrieben, wie die verschiedenen Ueberschriften
des Näheren lehren. Das Ganze ist also durchaus kein Sammelwerk,
sondern besteht aus lauter Originalartikeln. Ein Blick hinein wird Dir
sagen, daß sowohl für die Wörterklassen als auch für den einfachen
Satz des Stoffes hinreichend vorhanden ist. Und wieder ein Blick
in die einzelnen Artikel wird Dich überzeugen, wie dieselben die
betreffende Regel möglichst allseitig und erschöpfend veranschaulichen.
Haben Lehrer und Schüler dieses Buch in der Hand, denke ich mir den
Sprachunterricht für beide Theile als =eine Lust=!

Aber mit diesem Buche wollte ich auch noch einen andern Zweck
erreichen. Für das Bedürfniß der Volksschule erscheint es mir geboten,
den Schülern =recht, recht anschaulich= zu machen, wie sich ein
Satz aufbauen und erweitern läßt und wie jedes neu hinzutretende
Satzglied dem „Gedanken“ einen weiteren oder, nach Umständen, einen
engeren Spielraum anweist. Ich bin daher in der Classification
meiner Sprachstoffe für die Behandlung des einfachen Satzes vom
allereinfachsten Satze ausgegangen, habe =Schritt für Schritt= eine
neue, nähere Bestimmung hinzutreten lassen und so das Satzgebäude nach
und nach bis an die möglichsten Grenzen erweitert. Diese ganze Art und
Weise ist der Arbeit eines Maurers zu vergleichen, der eben auch einen
Stein und ein Steinchen nach dem andern an- und beisetzt, bis endlich
der Bau vollendet dasteht.

Wenn irgend in einem Unterrichtsfache der Volksschule, müssen wir
vor allen Dingen im Sprachunterrichte dem alten Urgesetze alles
Unterrichts „=vom Einfachen zum Zusammengesetzten=“ treu bleiben,
unbekümmert um all die gelehrten und gekünstelten Unterrichtssysteme,
welche „studirte“ Sprachforscher oder pädagogische Methodenjäger
aufgestellt haben. Wir haben einmal gar =keine Zeit= und dann auch
gar =kein Publikum= dazu, um uns auf die =feineren= Beziehungen und
Deutungen in Bezug auf das reiche Material unseres Sprachschatzes
einlassen zu können. Unsern guten Volksschulkindern haben wir vor allen
Dingen einfache, aber feste und bestimmte Sprachgesetze zu geben. Das
„+Höhere+“ und das „+Tiefere+“ ist Sache derjenigen Lehranstalten,
welche über das Elementarschulwesen hinausliegen. O und wir haben
vollauf, =übervollauf= zu thun, um unsere Volksschulkinder -- und zu
ihnen rechne ich getrost auch die Schüler der sogenannten höheren
Bürger- und Privatschulen -- in diese blosen Grundelemente der Sprache
einzuführen. Wer diese Wahrheit vergißt oder bestreitet und meint,
man könne die Kinder auch als Kinder schon in die „Kunst“ der Sprache
einweihen, der kommt mir vor wie ein Maler, der einem schlichten
Landmanne das Verständniß der Schönheit der Sixtinischen Madonna
beibringen wollte.

Das Hinausgehen über die Marksteine, die uns die Kindesnatur setzt,
wird in dem Sprachunterrichte zu einem Würgen und Quälen für Schüler
und Lehrer, was sich recht deutlich in den Stilübungen zeigt. Bei
diesen Arbeiten, will mich bedünken, wird überhaupt am allermeisten
gesündigt. Was wird da nicht selten schon von einem zehn-, zwölf-,
dreizehn-, vierzehnjährigen Knaben oder Mädchen verlangt! Aufsätze von
sechs, acht Seiten und noch länger. Und was für Themen oft! Themen,
deren Bearbeitung vielleicht dem Herrn Lehrer selbst, der doch erstens
die deutsche Sprache bereits zwanzig oder dreißig und mehr Jahre
gesprochen und geübt hat, während beispielsweise das dreizehnjährige
Kind dieselbe kaum erst +sieben+ Jahre mit Bewußtsein spricht; der
zweitens ein oder so und so viel Jahrzehnte älter und darum viel,
viel verstandesreifer ist als das Kind; der drittens an Anschauungen
und Erfahrungen dem Kinde weit, weit überlegen sein muß; der viertens
vier bis sechs Jahre eine höhere oder wol gar hohe Schule besucht;
der fünftens im Laufe der Jahre so und so viel Zeitungen, Broschüren,
Bücher und Werke gelesen und aus ihnen Stoff gesammelt hat -- =einiges
Kopfzerbrechen= gemacht hat. Die Hand aufs Herz, liebe Freunde!

Oder sollte Euch noch kein Lehrplan, namentlich der sogenannten
höheren Bürger- oder Privatschulen, vorgekommen sein, der das
Sprachziel (Grammatik und Stil) dermaßen hinaufschraubt, als ob auf den
Schulbänken Seminaristen oder gar Studenten säßen?

Wie viel würde für die praktische sprachliche Ausbildung unserer
Volksschüler gewonnen werden, wenn man dieselbe Kraft und Mühe, die
man an die Erreichung jener überschwänglichen Ziele setzt, auf das
=wirklich Erreichbare= verwendete!

Das Streben, auch in sprachlicher Hinsicht für die Volksschule
Fortschritte zu erzielen, ist höchst ehrenvoll und lobenswerth, aber
nur +nicht zu viel verlangen+ und zu viel erwarten! Die Kindesnatur
hat eben ihre Grenzen und ganz dieselben Grenzsteine werden auch nach
tausend Jahren noch stehen.

Doch zurück zu meinem Büchlein!

Am Schlusse desselben habe ich ganz kurz angedeutet, wie man etwa zu
verfahren hat, um die vorkommenden Sätze, namentlich die scheinbar sehr
verschlungenen, sprachlich aufzulösen. Mit Absicht aber habe ich alle
weitere Unterweisung über die Behandlung der einzelnen Sprachbilder
unterlassen. Und warum?

  1) Jedes einzelne Sprachbild sagt ja ganz klar und deutlich, welches
  Sprachobject darin vertreten, zu entwickeln und zu veranschaulichen
  ist.

  2) Wer sich daher in einem solchen Artikel nicht =selbst= zurecht
  fände und nicht selbst wüßte, auf welche Weise er das darin
  vertretene Sprachobject zur Anschauung und zur sprachlichen
  Verwerthung zu bringen habe, der möge sich getrost aus der Liste der
  Sprachlehrer streichen lassen.

  3) Um eine solche Anweisung erschöpfend zu behandeln, hätte ich, da
  doch jedes einzelne Sprachbild etwas Neues bietet, zu jedem derselben
  einen Commentar schreiben müssen. Das aber hätte ein dickes Buch
  gegeben und wäre dann kein Buch für die Hand des Schülers mehr
  gewesen.

  4) Dergleichen Unterweisungen, wie ein Lehrstück sprachlich zu
  behandeln ist, existiren schon; ich erinnere nur an die „Praktische
  Anweisung zum deutschen Sprachunterricht“ von A. Berthelt. -- Wozu
  sollte ich Bekanntes und Bewährtes wiederholen?

Mit Absicht habe ich auch keine +Aufgaben+ für Schüler beigegeben,
weil ich vermeine, daß der ebenfalls kein Lehrer der deutschen Sprache
sein kann, der nicht verstünde, auf Grund der gepflogenen Besprechung
eines solchen Lesestückes seinen Schülern irgend eine darauf bezügliche
Aufgabe für ihren Privatfleiß zu ertheilen.

Nur bezüglich der Bildung der erweiterten einfachen Sätze folgt zum
Schlusse ein kleiner Wink.

Daß der bei weitem größte Theil der vorliegenden Sprachbilder auch
Stilstoffe sein und werden können, dürfte sich leicht erkennen lassen.

Wie Du nun, lieber College, mein Werkchen finden wirst, weiß ich nicht.
Nur um Eins bitte ich Dich: Fälle Dein Urtheil nicht auf Grund eines
blos =flüchtigen= Einblicks. Nein, willst Du über das Büchlein zu
Gericht sitzen, so kürze die Voruntersuchung nicht zu sehr ab. Sieh Dir
es +genau an+, damit Dir ganz klar wird, =was= und =wie= ich es will.
Thust Du das, so hege ich die Hoffnung, daß Du meine Arbeit =praktisch=
erfinden und in dem Büchlein ein Unterrichtsmittel entdecken wirst, das
dem Lehrer und dem Schüler die Arbeit =bequem= und =leicht= macht. Das
aber -- und daraus ist ja kein Hehl zu machen -- ist bei allen meinen
kleinen pädagogischen Schriften meine Hauptabsicht. Wäre sie auch bei
dem gegenwärtigen Büchlein erreicht, würde ich mich freuen und Du
würdest darob nicht böse sein.

Zu dem Ende aber will ich nun noch als =Kritiker meiner selbst=
auftreten, um Dir die Mühe zu ersparen.

  Nr. 1. „Der Stil ist in einzelnen wenigen Fällen nicht ganz fließend.“

=Weiß wohl=, und ich hätte diesen Umstand leicht umgehen können, wenn
mir nicht in Bezug auf die Wahl der Worte und Redetheile die Hände
gebunden gewesen wären und gebunden sein =sollten=. Bei so aus Gründen
gefesselter Hand würde es vielleicht selbst einem „Meister von der
Feder“ nicht möglich gewesen sein, einen ganz vollendeten Stil zu
schaffen. Mit drei Farben läßt sich natürlich kein +solches+ Gemälde
erzeugen, wie es mit zehn Farben möglich wird.

  Nr. 2. „Es ist in einigen allerdings nur seltenen Fällen die eiserne
  Consequenz zu vermissen.“

=Weiß wohl=, was damit gesagt sein soll. Es kommt nämlich in einzelnen
Fällen vor, daß ich irgend ein Formwörtchen mit in Anwendung gebracht
habe, was, streng genommen, noch nicht auftreten durfte. Ich mußte
indeß zu diesem Mittel greifen, wenn der Stil nicht hart und eckig
werden sollte. Dergleichen Nothfälle aber, die nur ganz vereinzelt zu
finden sind, können ja im Unterrichte mit leichter Mühe ignorirt werden.

  Nr. 3. „Die letzten Wiederholungsnummern der Sprachbilder erscheinen
  fast schwülstig.“

=Weiß wohl!= Sie sollen auch keineswegs Stilmuster sein, sondern nur
zeigen, wie sehr der einfache Satz ausgedehnt und erweitert werden
kann. Es sind +diese+ Sprachbilder gewissermaßen Knochen, an denen
sich die Geisteszähne der Schüler schärfen sollen. So verschlungen
auch ein solcher Satz für den ersten Augenblick erscheint, ist er
doch immerhin nur ein einfacher, und es ist nicht allzuschwer für den
Schüler, nachdem er alles Vorhergegangene begriffen, das „=Gerippe=“
herauszuschälen und dasselbe nun selbst wieder mit dem +gegebenen+
Fleische und Blute nach und nach zu bekleiden.

Der =zweite Theil= dieses Werkchens, welcher, so Gott will,
nächste Ostern nachfolgen soll, wird den =zusammengezogenen=, den
=zusammengesetzten= und den =gefügten Satz= in ähnlicher Weise
behandeln, wie im ersten Theile der erweiterte einfache Satz behandelt
wurde.

Hast Du dann, lieber College, wenn Deine Schüler vierzehn Jahre zählen,
auch diesen zweiten Theil mit ihnen durchgearbeitet, kannst Du sie
getrost aus der Volksschule entlassen. Sie haben dann jedenfalls einen
guten Grund gelegt, selbst auch für den Fall, daß der eine oder der
andere sich einen Beruf erwählte, welcher noch ein eigentliches Studium
der deutschen Sprache erheischte.

Zum Schlusse nur noch ein Wort über die =Einführung= dieser
Sprachbilder. Es liegt im Wesen dieses Sprachbüchelchens, daß es jeder
Schüler selbst zur Hand und vor Augen habe, also selbst besitze.
Obgleich nun der Preis desselben auf das niedrigste gestellt ist,
dürfte doch der oder jener College das Bedenken erheben, daß +seine+
Schüler nicht im Stande sein würden, es sich anzuschaffen. Dieses
Bedenken mag in vielen Fällen wohlbegründet sein. Ich meine indeß, da,
wo die Eltern gehalten sind, ihren Kindern ein Spruchbuch oder einen
Katechismus, ein Gesangbuch, eine Bibel und wol gar ein Lehrbuch der
französischen und der englischen Sprache zu beschaffen, müßte doch wol
auch die Einführung eines deutschen Sprachbuches zu erzielen sein.
Oder sollte die schöne, theure =Muttersprache= vom Elternhause dieses
kleinen Opfers nicht für werth erachtet werden? Wäre das, dann wäre es
an uns, den betreffenden Vätern und Müttern klar zu legen, welch hohen
Werth eine gute sprachliche Bildung für ihr Kind habe.

Nun, so nimm es denn hin, lieber College, dieses kleine Werkchen, mit
dem ich -- ich wiederhole es -- Dir und Deinen Schülern wieder eine
Arbeit =leicht= und =bequem= machen wollte. Möge diese meine Arbeit,
die keine leichte war und ist, von Segen für die liebe lernende
Kinderwelt begleitet sein!

  =Franz Wiedemann.=



Inhalts-Verzeichniß.


  ~A~. Die Wortarten.

  Hauptwörter.

        Sprachobjecte.                         Sprachbilder.

  Nr.                                                              Seite

  1. Menschen.                           Auf der Dresdner Brücke       1

  2. Thiere.                             Beim Onkel auf dem Lande      2

  3. Thiere des Waldes.                  Im Walde                      3

  4. Sachen.                             Der Jahrmarkt                 4

  5. Stoffnamen.                         Der Wißbegierige              5

  6. Mengenamen.                         Eine Festung im Kriege        7

  7. Eigennamen.                         Schulexamen                   8

  8. Gedankendinge.                      Zweierlei Schüler             9

  9. Ein- und Mehrzahl.                  Freund Apfelbaum             10

  10. Ohne Mehrzahl.                     Getäuschte Hoffnungen        11

  11. Doppelhauptwörter.                 Gastfreundschaft             12

  12. Nichthauptw. zu Hauptw. erhoben.   Eine musterhafte Schülerin   13

  13. Wiederholung der Hauptwörter.      Belohnter Gehorsam           14

  Eigenschaftswörter.

  14. Formen und Gestalten.              Formen der Pflanzenwelt      16

  15. Abstracte Eigenschaftswörter.      Der Frühling                 17

  16. Zusammengesetzte Eigenschaftsw.    Der Geizhals                 17

  17. Das Eigenschaftsw. vor d. Hauptw.  Der wohlthätige Bettler      18

  18. Steigerung des
      Eigenschaftswortwortes.            Ein Gewitter                 20

  19. Eigenschaftswört. ohne
      Steigerung.                        Ein Begräbniß                21

  20. Declination d. Eigensch.
      ohne Art.                          Die beste Apotheke           22

  21. Wiederholung der Eigenschaftsw.    Ehrlichkeit                  24

  Der Artikel.

  22. Der bestimmte.                     Der Abend                    25

  23. Der unbestimmte.                   Der Dachs                    26

  24. Bestimmter u. unbestimmter.        Der Liederliche              27

  25. Desgleichen.                       Ein Frühlingsmorgen          27

  26. Declination der Artikel.           Ehre dem Tapfern             28

  27. Desgleichen.                       Die Rettung                  29

  28. Wiederholung.                      Mißgunst                     30

  Das Zahlwort.

  29. Bestimmte Zahlwörter.              Der Würfel                   31

  30. Ordnungszahlen.                    Ordnung                      32

  31. Das unbestimmte Zahlwort.          Christbescheerung            33

  32. Zahlwörter zu Hauptw. erhoben.     Die Feuersbrunst             34

  33. Biegung des Zahlwortes.            In der Strafanstalt          35

  34. Wiederholung des Zahlwortes.       Im Kriege                    36

  Das Fürwort.

  35. Persönliche Fürwörter.             Ein Brief                    36

  36. Besitz anzeigende Fürwörter.       Schönheit bringt Gefahr      37

  37. Bezügliche Fürwörter.              Die Natur                    38

  38. Hinweisende Fürwörter.             Aberglaube                   39

  39. Fragende Fürwörter.                Räthselfragen                40

  40. Unbestimmte Fürwörter.             Eine schreckliche Zeit       41

  41. Wiederholung der Fürwörter.        Ein Brief                    41

  Das Zeitwort.

  42. Bezügliche Zeitwörter.             Auf dem Lande                42

  43. Unbezügliche Zeitwörter.           Nach der Schlacht            44

  44. Bezüg. u. unbezüg. gebr. Zeitw.    Arbeitsstunde                44

  45. Unpersönliche Zeitwörter.          Eine Angstnacht              46

  46. Abwandlung d. Zeitw. n. d. Pers.   Auf dem Spielplatze          47

  47. Abwandlung d. Zeitw. n. d. Zeit.   Ein Feriengespräch           49

  48. Die Aussageweise.                  Aus einem Tagebuche          50

  49. Das Mittelwort der Gegenwart.      Ein Sommertag                52

  50.  „      „       „  Vergangenheit.  Unter dem Kreuze             52

  51.  „      „       „  Zukunft.        Ein Stück Kriegsarbeit       53

  52. Leideform.                         Das Brod                     54

  53. Wiederholung d. Formen d. Zeitw.   Die Berufswahl               55

  54. Das Hilfszeitwort.                 Ein Zwist                    57

  Die Umstandswörter.

  55. Umstandswörter des Ortes.          Die Verirrten                58

  56.       „        der Zeit.           Ein Brief                    59

  57. Desgleichen.                       Der tolle Reiter             60

  58. Umstandswörter der Weise.          Am Bache                     61

  59.      „          „  Stärke.         Der Geizhals                 62

  60.      „          „  Aussagew.       Die Landbewohner             63

  61.      „          „  Frage.          Die Staare                   64

  62. Wiederholung d. Umstandswörter.    Eine Wanderschaft            66

  Das Verhältnißwort.

  63. Verhältnißwörter des Ortes.        Das Vaterhaus                67

  64.        „         der Zeit.         Vor Paris                    69

  65.        „          „  Weise.        Die Rückkehr der Helden      69

  66.        „         des Grundes.      Joachim                      70

  67. Wiederholung der Verhältnißw.      Die Mühle                    71

  Das Bindewort.

  68. Zusammenstellende Bindewörter.     Ungleiche Brüder             72

  69. Entgegenstellende      „           Die goldene Freiheit         74

  70. Begründende            „           Amerika                      75

  71. Wiederholung der       „           Treue Freundschaft           77

  Das Empfindungswort.

  72. Empfindungswörter.                 Ein Spaziergang              78


  ~B.~ Satzlehre.

  ~A.~ Der reine einfache Satz.


  73. Alle Satzarten.                    Das Gewitter                 80

  74. Desgleichen.                       Ursache und Folge            80

  75. Was das Subject sein kann.         Das Pferd                    81

  76. Was das Prädicat sein kann.        Gott                         82

  77. Desgleichen.                       Die Rose                     82


  ~B.~ Der erweiterte einfache Satz.

  ~a~) Erweiterung des Subjects.

  78. Beifügung vor dem Subject.         Das kranke Kind              82

  79.     „     nach „     „             Berlin                       84

  80. Die Beifügung ein Zeitwort in      Peter                        84
      reiner Form.

  81. Beifüg. vor und nach dem Subj.     Weihnacht                    85

  82. Zwei Beifüg. vor dem Subj.         Zigeunerkinder               86

  83. Eine Doppelbeifüg. nach d. Subj.   Das Grab der Mutter          87

  84. Zwei Doppelbeif. nach d. Subj.     Dämmerung                    88

  85. Alle Arten einfacher Beifügungen.  Der Schneemann               89

  86. Alle möglichen Beifüg. vor und     Der junge Storch             89
      nach dem Subject.

  ~b~) Erweiterung des Prädicats.

  87. Das Präd. ein Hauptw. m. Beif.     Wilhelm                      91

  88.  „    „    „     „    mit mehreren  Der Affe                    91
  Beifügungen.

  89. Alle mögl. Erw. d. Subj. u. Präd.  Hochmuth                     92

  Ergänzungen.

  1) Des Zeitwortes.

  ~a~) Einfache Ergänzungen.

  90. Im ersten Falle.                   Der Schmetterling            93

  91. Im zweiten Falle.                  Ohne Glauben                 93

  92. „  dritten    „                    Der echte Christ             93

  93. „  vierten    „                    Jakob                        94

  94. Rückbezügliche Zeitwörter. Vierter  Der Lügner                  95
  Fall.

  95. Alle vier Fälle.                   Der Verschwender             95

  96. Ergänzung durch Hauptwörter        König und Volk               96
  mit Verhältnißwörtern.

  97. Die Ergänzung ein Zeitwort in      Im Sturme                    97
  reiner Form.

  98. Einfache Ergänzung. Alle vier      Die Wahrheit                 97
  Fälle.

  99. Wiederholung aller Ergänzungen     Die Eisenbahn                97
  mit Verhältnißwörtern.

  100. Hauptwiederholung.                Der Geburtstag               98

  ~b~) Doppelte Ergänzung.

  101. Vierter und zweiter Fall.         Der Thierquäler              99

  102. Vierter und dritter Fall.         Oskar                        99

  103. Vierter und zweiter Fall.         Eine Verirrung              100

  104. Vierter und vierter Fall.         Bestrafte Eitelkeit         100

  105. Dritter und vierter Fall.         Großmuth                    101

  106. Wiederholung der Doppelergänz.    Der Geiz                    102

  107. Fortsetzung.                      Michel                      102

  108. Alle Beifügungen und Ergänzungen.  Eine Jubelfeier            103
  Hauptwiederholung.

  2) Des Eigenschaftswortes.

  109. Im zweiten Fall.                  Judas                       104

  110. Im dritten Fall.                  Strenge Zucht               105

  111. Im vierten Fall.                  Die alte Linde              106

  112. Durch ein Verhältnißwort.         Der Knochen                 106

  113. Wiederholung.                     Der Löwenbändiger           107

  114. Hauptwiederh. Beif. Ergänzung.    Der Dieb                    108

  Der Umstand des Ortes.

  115. Wo? Umstands- u. Verhältnißw.     Eine Stätte der Armuth      109

  116. Wohin? „      „      „            Sturax                      110

  117. Woher? „      „      „            Treibjagd                   111

  118. Wiederholung. Wo? Wohin?          Die Elbe                    111
  Woher?

  119. Fortsetzung.                      Die Luft                    112

  120. Hauptwiederh. Subj. Prädic.       Die neue Gutsherrschaft     113
  Ergänz. Ortsbest.

  Der Umstand der Zeit.

  121. Wann? (Umstands- und
       Verhältnißwörter.)                Ein Brief                   114

  122. Wie lange? Seit wann? (Umstands-  Der Gemsjäger               115
  u. Verhältnißw.)

  123. Wie oft? (Umstands- und
       Verhältnißw.)                     Ein alter Krieger           116

  124. Wiederholung.                     Moses                       117

  125. Hauptwiederholung. Ergänzung.     Jäger und Müller            118
  Ort. Zeit.

  Der Umstand der Weise.

  126. Alle Fälle.                       Mißgeschick                 120

  127. Desgleichen.                      Ein Stier                   121

  128. Hauptw. Beif. Zeit. Ort. Weise.   Schulprüfung                122
  Erg.

  Der Umstand des Grundes.

  129. Ursache oder Sachgrund.           Unverstand                  124

  130. Beweggrund.                       Lohn der Wißbegierde        124

  131. Erkenntnißgrund.                  Der tolle Hund              125

  132. Zweck und Stoff.                  Jahrmarktsgeschenke         125

  133. Wiederholung.                     Heuchler                    126

  134. Wiederholung.                     Der Wagehals                126

  135. Hauptw. Beifüg. Zeit. Ort.        Ein Bombardement            127
  Weise. Grund. Ergänz.

  136. Hauptw. Beif. Ergänz. Zeit.       Zu Weihnacht                129
  Ort. Weise. Grund. Stoff.

  137. Hauptw. Beif. Erg. Zeit. Ort.     Ein trauriges Ende          131
  Weise. Grund. Zahl. Stoff.

  138. Hauptw. Beif. Ergänz. Zeit.       Luxus                       131
  Ort. Weise. Grund. Zahl.
  Stoff.

  Die Aussageweise.

  139. Wirklich. Möglich. Nothwendig.    Der Mensch                  133

  Wortfolge.

  140. Gerade, umgekehrte.               Die Rose                    134

  141. Desgleichen.                      Wiegenbau                   134

  Vom einfachsten bis zum erweitertsten einfachen Satze.

  142. Hauptwiederholung.                Verschiedene Sätze          135

  Fragen nach den einzelnen Satztheilen.

  143. Uebersicht.                       Fragen nach den Satztheilen 142

  144. Praktische Anwendung dies. Frag.  Für die Friedenszeit        143

  Anhang.

  145. Bilde Sätze auf folgende Fragen.  Eine Art von Aufgaben       149



~A.~ Die Wortarten.


Hauptwörter.


1. Auf der Dresdner Brücke.

(Menschen.)

+Otto+ war zum ersten Male in der Residenzstadt Dresden gewesen.
Als er wieder nach Hause kam, saßen +Vater+ und +Mutter+ und seine
+Geschwister+, +Emil+, +Bertha+ und +Louise+, eben beim Abendbrode. Da
mußte denn nun der kleine +Reisende+ sogleich erzählen, was er alles
gesehen habe.

„Ganz besondere Freude“, erzählte Otto unter Anderem, „hat +mir+ ein
Gang über die große, alte Elbbrücke gemacht. Nein, was man da doch
binnen weniger Minuten für eine Menge Menschen sieht! Hier rasselt
ein schöner, herrschaftlicher Wagen dahin, einen Kutscher und einen
Bedienten auf dem Bocke. Darin sitzt ein feiner Herr oder auch eine
vornehme Dame, zuweilen auch nur eine Kinderfrau oder eine Amme
mit den Kindern eines Grafen oder eines Barons. Dort zieht eine
Bauerfrau mit ihrer Tochter oder Magd einen Milchwagen. Hier knallt
ein Droschkenkutscher auf seinen müden Gaul; dort bläst ein Postillon
in sein Horn. Botenfrauen, Köchinnen, Dienstmänner und Dienstmädchen
schleppen schwere Körbe und Paquete auf ihren Schultern dahin.
Briefboten und Polizeidiener eilen hinüber und herüber. Greise und
Kinder, Männer und Frauen, Fremde und Einheimische, reiche Leute und
Bettler ziehen in buntem Gemisch dahin. Besonders viel Soldaten sind
mir begegnet. Ich sah Generäle, Hauptleute, Feldwebel, Tamboure,
Signalisten und Fahnenträger. Auch Schützen, Jäger, Grenadiere,
Gardisten, Ulanen und Dragoner gingen an mir vorüber. Sogar der König
mit der ältesten Prinzessin kam gefahren. Ein Vorreiter bahnte ihm den
Weg und zwei Lakaien standen hinten auf seinem Wagen. Natürlich zogen
alle Leute, vom reichsten Kaufmanne bis zum ärmsten Schusterjungen
herab, die Hüte und Mützen, als der Landesvater vorüberfuhr.

Gewiß waren es an fünfhundert Personen, die ich auf diesem einzigen
Gange über die Brücke gesehen habe.“


2. Beim Onkel auf dem Lande.

(Thiere.)

Robert war einen Tag auf dem Lande gewesen. Er hatte seinen Onkel
besucht, der eine große Oekonomie besaß.

Als Robert am Abende nach Hause kam, sagte er zu seinen Geschwistern:
„Heute habe ich aber so viel verschiedene +Thiere+ gesehen, wie noch
nie.“

„Nun, so erzähle uns doch“, baten die Geschwister, „was Du für Thiere
gesehen hast.“

„Als ich an des Onkels Haus kam“, begann hierauf Robert, „bellten mich
ein schwarzer +Pudel+ und ein +Affenpinscher+ an. In dem Hausflur
kauerte eine graue Katze und verzehrte eben eine Maus, die fast so
groß war, wie eine Ratte. Ich trat in die Stube ein. Hier saß ein
Rothkehlchen auf dem Spiegelrahmen und verspeiste eine Fliege. Am
Fenster hing ein großer Käfig, in welchem ein Zeisig, ein Stieglitz
und ein Canarienvogel auf- und abhüpften. Unter dem Ofen spielte ein
Meerschweinchen mit einem jungen Hunde.

Aber nun erst auf dem Hofe! Hier führte ein Hahn seine Hühner
spazieren. Dort lockte eine alte Henne ihre Küchlein herbei, weil sie
ein Würmchen gefunden hatte. Vor der Scheune stolzirte ein Pfau auf
und ab. Ein schwarzer Truthahn zankte sich mit einem alten Gänseriche
um ein Stückchen Brodrinde. Ein ganzes Heer Enten und Gänse watschelte
zum Thore hinaus, dem nahen Teiche zu, wahrscheinlich, um dort Frösche,
Eidechsen und kleine Fische zu fangen. Auf den Dächern zwitscherten
Schwalben und Sperlinge um das Nest eines Storches. Nicht weit davon
saßen eine Menge Tauben und spähten ängstlich in die Luft hinaus, ob
sich etwa ein Falke oder Stößer oder ein andrer Raubvogel sehen lasse.
Vor der Elster, die im Hofe umherhüpfte, schienen sie sich nicht zu
fürchten.

Sogar im Wassertroge gab es Thiere. Hier schwammen Karpfen, Hechte,
Aale und Schleien und auf dem Grunde krochen Krebse.

Im Pferdestalle standen zwei Schimmel, ein Fuchs und ein Rappe. Unter
ihnen herum hüpften weiße und schwarze Kaninchen. Der Esel war nicht zu
Hause, sondern in der Mühle.

Besondere Freude machte mir der Kuhstall. Hier brummte mich ein großer
Ochse ganz mürrisch an. Gegen zwanzig Kühe fraßen eben ihr Heu.
Zwischen ihnen lagen einige Kälber. Neben der Thür meckerten zwei
Ziegenböcke und aus einem Winkel hervor grunzte ein altes Schwein mit
sieben Ferkeln.

Alle diese Thiere sah ich an einem Tage und sie haben mir sehr viel
Vergnügen bereitet.“


3. Im Walde.

(Thiere des Waldes.)

Welch ein fröhliches Leben ist doch im Frühlinge unter den +Thieren+
des Waldes! Tausende von +Würmern+ und +Käfern+ kriechen unter dem
Moose hervor. Große und kleine +Ameisen+ laufen an den Baumstämmen
hinauf. Bunte Schmetterlinge flattern von einem Haideblümchen zum
andern. Die Eidechsen, Blindschleichen und Ottern erwachen und
schlüpfen auf dem Boden dahin. In dem Gebüsche ertönen die Lieder der
Nachtigall, Grasmücke, Meise und des Rothkehlchens. Auf den Gipfeln der
Fichten und Tannen schlägt der Finke, pfeifen Amsel und Drossel, girrt
die wilde Taube. Mitten hindurch ruft der Kukuk seinen Namen in die
Welt hinein.

Hier hüpft ein Häslein schnell vorüber, weil es einen Fuchs wittert.
Dort nagt ein Reh an einer jungen Birke. Zuweilen tritt auch wol ein
Hirsch aus dem Dickicht hervor.

Ueber dem Waldbächlein spielen die Mücken und schweben die glänzenden
Libellen. Blickt man in die klaren Wellen hinein, sieht man Schmerlen
und Forellen in lustigem Tanze. An dem feuchten Ufer kriecht hier und
da eine Schnecke und an dem Erlengebüsche blitzen goldene Laubkäfer im
Sonnenscheine.

Was für ein Leben mag nun erst in den Wäldern der heißen Länder sein,
wo die Löwen, Tiger, Panther und Leoparden brüllen, die Elephanten auf
den Lichtungen grasen, Paviane, Schimpansen, Brüllaffen, Uistitis und
Meerkatzen auf den schlanken Palmen sich wiegen, Papageien und Kakadus
kreischen und riesige Schlangen auf Beute lauern.


4. Der Jahrmarkt.

(Sachen.)

Welch ein buntes Leben ist doch auf einem Jahrmarkte! Man hat nicht
+Augen+ genug, um all die Dinge, die hier zum Verkaufe ausgestellt
sind, zu sehen. Links und rechts auf den +Straßen+ und +Plätzen+
stehen lange +Reihen+ von Buden und Tischen. In der einen dieser
kleinen Kaufhallen erblickt man z. B. Blechwaaren. Da gibt es Löffel,
Reibeisen, Gießkannen, Lampen, Kohlenkästen und Leuchter. In einer
andern sind Glasgegenstände ausgestellt. Da sieht man Gläser,
Flaschen, Teller, Tintenfäßchen, Leuchter, Vasen und Perlen.

Hier steht eine Bude mit Drechslerarbeiten, als: Spazierstöcke,
Tabakspfeifen, Zwirnweifen, Ellen, Zollstäbe, Dosen, Knöpfe u. dergl.
An einem langen Tische verkauft ein Mann Streichhölzchen, Schwamm,
Räucherkerzchen, Fleckseife, Putzpulver und Wetzsteine. In einem
Hausflur hängen fertige Röcke mit Sammetkragen und blanken Knöpfen,
Westen mit Schnüren, Hosen mit Borte, Ueberzieher, Hüte und Mützen.

Dort an der Straßenecke ruft ein Mann: „Kauft Tücher, Bänder, Spitzen,
Cravatten und Handschuhe!“ Dicht neben dem Brunnen auf dem Markte
befindet sich eine große Bude mit Galanteriewaaren. Da gibt es
Geldbörsen, Broschen, Uhrketten, Tuchnadeln, Puppen, Porzellanköpfe,
Taschenspiegel, Fingerhüte, Nadelbüchsen, Bleistifte, Schiefertafeln,
Gummibälle u. s. w.

Und welche Menge von Gegenständen hat nun erst die Spielwaarenhandlung
dort drüben an ihr Fenster gestellt: Zappelmänner, Baukästen,
Armbrüste, Reifen, Drachen, Springseile, Trommeln, Flinten, Kanonen,
Säbel, sogar eine Festung und ein Theater sind daselbst zu sehen.

Wie gern möchte man sich dies und jenes Spielzeug kaufen, wenn man nur
Geld dazu hätte!


5. Der Wißbegierige.

(Stoffnamen.)

Arthur war zwar noch ein kleiner, aber schon sehr lernbegieriger Knabe.
So oft er mit seinem Vater spazieren ging, mußte ihm dieser fortwährend
Fragen beantworten. Da wollte Arthur wissen, wie die Dinge, die er sah,
hießen; woraus und von wem sie gefertigt und wozu sie da wären.

Eines Tages gingen Vater und Sohn auch spazieren. Unterwegs fragte
Arthur: „Vater, woraus sind denn die Häuser gebaut?“

„Die Mauern“, erwiderte der Vater, „sind aus +Stein+, +Sand+,
+Lehm+, +Kalk+ und +Mörtel+ erbaut; das Dach, die Thüren, die Dielen
und Fensterrahmen sind aus +Holz+, die Schlösser aus +Eisen+, die
Dachrinnen aus +Blech+ und die Fensterscheiben aus +Glas+ gefertigt.“

Bald darauf kamen sie an dem Fenster eines Geldwechslers vorüber. Hier
standen eine Menge Münzen zu Schau ausgestellt. „Woraus wird denn das
Geld gemacht?“ fragte Arthur schnell.

„Die Pfennige, Dreier und Fünfpfenniger“, sagte der Vater, „werden aus
Kupfer, die Groschen und Thaler aus Silber, die Dukaten aus Gold und
die Kassenbillets aus Papier gefertigt.“

Später wollte Arthur wissen, woraus denn eigentlich die verschiedenen
Kleidungsstücke gearbeitet würden. „O“, belehrte der Vater, „da gibt es
der Stoffe eine große Zahl. Deine Mütze z. B. ist aus Tuch gefertigt,
das Tuch aber wird aus Schafwolle gearbeitet. Dein Halstuch ist aus
Seide gewebt. Deine Jacke besteht aus Leinwand, diese aber wird aus
Flachs gewonnen. Die Knöpfe auf Deiner Jacke sind aus Horn, die an der
Weste aus Perlmutter und die an den Hosen aus Zinn hergestellt. Die
Schnalle an Deinem Gürtel ist aus Stahl geformt. Deine Stiefel hat
der Schuhmacher aus Leder gefertigt; natürlich brauchte er noch Pech,
Schwärze, Wachs, Wichse und Hanf zum Schuhdraht dazu. Deine Strümpfe
wurden aus Garn gestrickt; das Garn aber besteht aus Baumwolle.“

Zuletzt fragte Arthur auch noch, woraus denn der Mensch bestehe und
woraus er geworden sei. „Der menschliche Körper“, erwiderte der Vater,
„besteht aus Fleisch und Blut, aus Fett und Schleim, aus Knochen,
Knorpel und Mark; geschaffen aber hat ihn der liebe Gott aus Erde, wie
Du in der Bibel lesen kannst.“


6. Eine Festung im Kriege.

(Mengenamen.)

Mitten in einem großen +Flußgebiete+ lag eine ziemlich starke Festung.
An ihrer nördlichen Seite zog sich ein bedeutendes +Gebirge+ hin, sodaß
die +Besatzung+ von hier aus keinen Angriff zu befürchten hatte. Die
Festung war in Vertheidigungsstand gesetzt worden. Der Wald ringsum
lag gefällt, selbst das kleinste Gestrüpp hatte weichen müssen.
Das Gemäuer, auf dem früher Gras wuchs, erblickte man ausgebessert
und verstärkt. Das Gebälk der Festungsbrücke hatte man in die Luft
gesprengt.

Da sich in der Stadt selbst viel Reichthum vorfand, konnte sich die
Einwohnerschaft reichlich mit Vorräthen versehen. Es fehlte nirgends
an Brod, Mehl, Salz und Gemüse. Sogar Wild, Geflügel und gesalzenes
Fleisch war im Ueberflusse vorhanden. Auch an gutem Wasser konnte
nicht leicht Mangel eintreten. Ebenso gut hatte sich das Heer, welches
die Besatzung der Festung bildete, versehen. Für die Mannschaft
lagen Lebensmittel und für das Vieh Heu, Hafer und Stroh in Menge
aufgespeichert.

So glaubte man nun ruhig dem Feinde ins Auge sehen zu können. Ja, die
Soldaten konnten den feindlichen Angriff kaum erwarten, denn sie waren
von heißem Geblüt.

Endlich rückte die Schaar der Gegner an und die Beschießung begann. Die
Nationen von fast ganz Europa richteten ihre Blicke auf diesen Kampf,
während dessen die Bevölkerung der Festungsstadt sehr viele Verluste zu
erleiden hatte.

Nach mehrwöchentlicher Belagerung entschied sich das Schicksal der
Festung. Die feindlichen Geschosse legten ihre Wälle, Mauern und andere
Befestigungen in Trümmer. Darauf folgte ein Sturmangriff und die
Festung war verloren. Das Blut floß in Strömen. Durch das furchtbare
Getöse des Kampfes drang das Gewimmer und das Gestöhne der Verwundeten.

Einen schrecklichen Anblick boten die Verwüstungen in der Stadt.
Die schöne, große Bibliothek und die herrliche Bildergallerie waren
verbrannt und die Heiligthümer der Kirchen durch die Geschosse
zerstört. Mit Thränen in den Augen stand das Volk an den Trümmern
seiner Habe, die zu einem großen Theile in Asche lag.


7. Schulexamen.

(Eigennamen.)

„Ei, +Emilie+“, rief +Bernhard+ seiner Schwester zu, als er aus
der Schule kam, „heute hieß es aber aufpassen. Unser Lehrer, Herr
+Schmelzer+, wollte nämlich einmal sehen, ob wir von dem, was er uns
gelehrt und erzählt habe, noch recht viel wüßten. Und so richtete er
denn an einen jeden von uns eine Frage.“

Franz Dunker mußte die Geschichte von dem Moses, Hans Weinlich die vom
Goliath und Emil Heinz die vom Daniel erzählen. Julius Bär mußte sagen,
wann Luther, August der Starke und Napoleon I. geboren wären.

Heinrich Tümmler mußte angeben, wo Sachsen, Baiern, Würtemberg, Preußen
und China lägen.

Wilhelm Borisch mußte die Einwohnerzahl von Paris, Wien, London, Berlin
und Dresden nennen.

Alexander Miersch sollte sagen, wo man die Schlösser Wesenstein und
Scharfenstein und die Dörfer Machern, Kesselsdorf und Hochkirch zu
suchen habe. Er wußte es aber nicht.

Julius Neubert bekam die Frage, wie hoch der Brenner, der Simplon, der
Schafberg, die Lausche und der Borsberg seien.

Theodor Wenzel hatte anzugeben, wo der Rhein, die Donau, die Weser und
die Spree entspringen.

Der kleine Felix Brendel erhielt die leichteste Aufgabe. Er mußte
Eigennamen von Hunden, Katzen, Pferden und Kühen angeben. Da sagte er
denn, daß die Hunde Karo, Ammi, Schnacksel, Bello, Leo, Waldmann u.
dergl. hießen; daß manche Katzen den Namen Peter, Schnurr oder Michel
führten; daß man Pferde mit Rosa, Pollux, Hektor u. dergl. bename und
einzelne Kühe Musel, Schecke, Brummkatharine, Mummel, „Stallmeister
u. s. w. gerufen würden.“


8. Zweierlei Schüler.

(Gedankendinge.)

Emil war ein sehr braver Schüler. Er liebte die +Pünktlichkeit+
und +Reinlichkeit+. Während des +Unterrichts+ zeigte er die größte
+Aufmerksamkeit+, um alles Gehörte im +Gedächtnisse+ zu behalten. Wurde
er gefragt, so gab er seine Antworten mit Ueberlegung und Anstand.
Seine Schularbeiten fertigte er zu jeder Zeit mit Fleiß, Sorgfalt und
der möglichsten Sauberkeit. Ueber jeden seiner Fortschritte bezeigte er
Freude. Der leiseste Tadel bereitete ihm Schmerz.

Was aber trieb ihn zur Erfüllung seiner Pflichten? Die Liebe zu seinem
Lehrer, die Dankbarkeit gegen seine Eltern und der Gedanke, daß
Kindheit und Jugend schnell vergehen und daß man daher jede Gelegenheit
benutzen müsse, sich Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen.

Ganz anders dagegen zeigte sich Bernhard. Er ging mit Unwillen und
Verdruß in die Schule. Auf dem Schulwege trieb er allerhand Unarten und
Dummheiten, ja sogar Rohheiten. Obgleich er sich dadurch oft Verweise,
Züchtigungen, Schimpf und Schande zuzog, zeigte er doch keine Besserung.

Auch in der Schule selbst ließ er sich viele Fehler und Vergehungen
zu Schulden kommen. Plaudereien, Neckereien und Kaupeleien waren
seine Lieblingsbeschäftigung. In seinen Gesichtszügen lagen List,
Verschmitztheit und Tücke. Kam eine Bestrafung vor, so leuchteten aus
seinen Augen Schadenfreude, Hohn und Spott.

Das Lesen, Schreiben und Rechnen war ihm eine Last. Ueberhaupt betrieb
er alles Lernen mit Nachlässigkeit und Flüchtigkeit. So konnte es
denn auch nicht fehlen, daß er wegen Faulheit und Liederlichkeit
heruntergesetzt und endlich der Letzte in der Klasse wurde. Aber auch
das bereitete ihm weder Kummer, noch weckte es Reue in ihm. Er blieb
für den Lehrer eine Plage und seinen Eltern ein Kind der Sorge und des
Herzeleids.


9. Freund Apfelbaum.

(Ein- und Mehrzahl.)

Im +Garten+ stand ein +Apfelbaum+. Er war der stärkste und höchste
unter allen +Bäumen+ in den +Gärten+ ringsumher. Seine +Aeste+ und
+Zweige+ breiteten sich weit aus und an jedem +Aste+ hingen große,
süße +Aepfel+. Sie waren so groß, daß sich ein Kind an einem einzigen
solchen Apfel satt essen konnte. Deshalb waren denn auch die Kinder oft
um ihn herum. Zuweilen legten sie sogar Hand an seinen Stamm, um ihn zu
rütteln, damit eine Frucht herabfallen solle. Solche starke Stämme aber
lassen sich nicht von so schwachen Händen bewegen.

Eines Tages saß Hermine auch unter dem schattigen Dache des alten
Freundes und hatte einen großen Korb mit verschiedenem Spielzeuge vor
sich. In einem kleinen Kasten lagen bunte Papierstreifen. Aus diesen
flocht sie niedliche Körbchen. Da nun jeder Streif eine andere Farbe
hatte, gaben diese verschiedenen Farben dem Körbchen ein schönes
Aussehen. In andern Kästen befanden sich Perlen, Würfel, Buntstifte u.
dergl.

Jetzt nahm Hermine einen Faden und reihte Perle um Perle daran. Als
zwei Fäden gefüllt waren, band sie dieselben um ihren Hals. Darauf
ergriff sie einen Buntstift und zeichnete einen Würfel mit seinen
Kanten, Flächen und Punkten.

Nachdem sie eine Stunde gespielt hatte, zog sie Bücher aus dem Korbe
hervor und las. In dem einen Buche standen mehrere Geschichten mit
bunten Bildern, das andere enthielt blos eine Geschichte mit einem
Bilde. Indem aber Hermine las, fiel ein großer Apfel herab und gerade
auf das Buch, sodaß zwei Blätter beschädigt wurden. Das eine Blatt war
mittendurch gerissen. Hermine erschrak, lachte aber bald darauf und
sagte: „Ei, ei, alter Freund! Wie kannst du mich so erschrecken? Das
sind mir schöne Freunde, die Einen mit Aepfeln bewerfen.“


10. Getäuschte Hoffnungen.

(Ohne Mehrzahl.)

Mitten in einem Urwalde +Amerikas+ stand eine dürftige Hütte, aus
brauner +Erde+, +Lehm+ und +Kalk+ erbaut. Das +Gebälk+ war grob
gezimmert. Da durch die kleinen Fenster wenig Licht eindrang, lag in
dem niedern Wohnzimmer ein tiefes Dunkel, das bei trübem Wetter sogar
zur Finsterniß wurde. Auf den Dielen erblickte man etwas Heu und
Stroh, auf welchem die Bewohner, welche deutsche Einwanderer waren,
ihre Nachtruhe hielten. Die Beschaffenheit der Nahrung der armen
Leute grenzte an Dürftigkeit. Wasser war ihr einziger Trunk, wenn
sie der Durst quälte. Milch und Kaffee bekamen sie nie zu Gesicht.
Im Sommer litten sie viel durch die große Wärme, die sich bis zur
fürchterlichsten Hitze steigerte. Im Winter trat die Kälte mit großer
Strenge und Ausdauer auf, führte viel Schnee und Eis herbei und fügte
ihnen viel Leid zu.

Die guten Leute hatten Deutschland, ihre Heimat, verlassen, um in
Amerika ihr Glück zu machen. Sie hofften hier Gold und Silber zu
finden, fanden aber nicht einmal Zinn und Blei. Das Eigenthum, das sie
an baarem Gelde mitgebracht hatten, war bereits zu ihrem Unterhalte
verbraucht. So trat zuletzt Hunger und Kummer, Noth und Elend an sie
heran.

Mit Reue dachten sie an ihre Vergangenheit und an ihr einstiges
Vaterland zurück, wo sie ein Leben in Wohlsein und ohne alle Trübsal
geführt hatten. Die Sehnsucht nach dem alten Daheim ergriff sie, aber
es fehlte ihnen am Besten, die Rückreise anzutreten. So sanken die
armen Deutschen immer tiefer ins Unglück. Nirgends fanden sie Trost und
Beistand. Sie mußten in ihrem kümmerlichen Dasein ausharren, bis sie
der Tod von allem Jammer erlöste.


11. Gastfreundschaft.

(Doppelhauptwörter.)

An einem einsamen +Waldrande+ lag eine +Köhlerhütte+. Das niedere
+Strohdach+ war vom +Sturmwinde+ zerzaust und bedurfte der
Ausbesserung. Wo aber sollte der arme +Waldarbeiter+ +Dachstroh+
hernehmen? Sein +Tagelohn+ langte kaum zur Morgensuppe, zur
Mittagsmahlzeit und zum Abendbrode für sich und seine Kinderschaar.
Auch die dünnen Lehmwände der Köhlerwohnung zeigten Zerstörungsspuren.
Regengüsse und Hagelwetter hatten sie gepeitscht, den Kalkbewurf
abgespült und das Lehmwerk durchlöchert, sodaß zur Winterszeit die
rauhen Nordweststürme ungehindert hindurchpfeifen konnten. Ein
Hausthürverschluß war nicht mehr möglich, denn die Thürschloßfeder war
zersprungen. Die Fensterscheiben vertrat hier und da ein Streifen von
Kaffeedütenpapier oder ein Volkskalenderblatt.

An einem Herbstabende saß die Köhlerfamilie um den schmalen Holztisch
und verzehrte ihre Abendmahlzeit. Da trat plötzlich ein vornehmer
Jägersmann, einen schmucken Filzhut mit einer Birkhuhnfeder auf dem
Kopfe, einen Hirschfänger mit Perlmuttergriff, ein Pulverhorn mit
Silberquaste an der Seite und eine Schrotflinte auf dem Rücken, ein. Er
erklärte, daß er von seinem Jagdgefolge abgekommen, auf verschiedene
Kreuzwege gerathen sei und so sammt seinem Dachshunde und Windspiele
den Hauptwaldpfad verloren habe. Schließlich bat der Waidmann um
ein Nachtquartier und sei es auch nur ein Dachkammerraum mit einem
Strohlager.

Die braven Köhlereheleute erklärten sich zu diesem Liebesdienste gern
bereit und luden den vornehmen Stadtherrn ein, wenn er Hunger habe, mit
ihnen Kartoffelsuppe und Butterbrodschnitte nebst Quarkkäse zu essen.
Der Jägersmann dankte, da er kein Magenbedürfniß verspüre.

Während ihm nun das Nachtlager auf der breiten Ofenbank bereitet
wurde, unterhielt er sich in scherzhafter Weise mit dem
Kinderkreise. Er gab den Knaben Buchstabenräthsel und recht lange
Hauptwörter zum Nachsprechen auf, um ihre Zungenfertigkeit und
Sprachgewandtheit auf die Probe zu stellen. So mußten sie z. B.
die Riesenhauptwörter nachsprechen: Dudelsackpfeifenmachergeselle,
Schornsteinfegerknabenwassersuppentellerrand,
Pulvermühlennachtwächterseitengewehrscheidenspitzenknopf.

Den Kindern machte diese Zungenarbeit viel Spaß. Als das Ofenbanklager
fertig war, begaben sich der Fremde und auch die Köhlerfamilie zur
Ruhe. Wie sehr aber erschrak und erstaunte der alte Hausvater am andern
Morgen, als ihm der Nachtgast mit Sonnenaufgang fünf Kronenthaler in
die harte Arbeitshand drückte und ihm beim Abschiedsgruße sagte, daß er
dem +Kronprinzen+ Gastfreundschaft gewährt habe.


12. Eine musterhafte Schülerin.

(Nichthauptwörter zu Hauptwörtern erhoben.)

Die reiche Kaufmannstochter Mathilde war ein Muster einer Schülerin.
Das +Aufmerken+ und +Lernen+ gewährte ihr einen Genuß. Das +Lesen+
hatte sie in drei Monaten erlernt. Auch das +Schreiben+ hatte sie
leicht begriffen, nur das kleine Err und das Eszett machten ihr
Schwierigkeiten. Im Rechnen erwarb sie sich stets die erste Censur.
Ebenso geschickt stellte sich Mathilde zum Zeichnen, Singen,
Clavierspielen, Häkeln, Stricken, Sticken und Turnen an. Sie liebte
alles Gute, Schöne und Nützliche und ihr Streben und Ringen darnach
trug die schönsten Früchte.

Auch das Wunderbare und Erhabene der Natur beobachtete sie gern und
oft. Das Großartige und Erhebende des Sternenhimmels erfüllte sie
mit frommem Staunen. Nicht minder freute sie sich über das Niedliche
und Zierliche der kleinen Blumen. Deshalb liebte sie auch das Freie,
namentlich in seiner Morgenfrische. Das liebliche Grün und die traute
Stille des Waldes machten ihr denselben zu einem Lieblingsaufenthalte.

So blieb ihr ganzes Denken und Fühlen auf das Edle gerichtet und
deshalb schlug das Fromme und Gottesfürchtige immer tiefere Wurzel in
ihrem Gemüthe.

Dieses fromme Empfinden erkannte man auch aus allen ihren stilistischen
Arbeiten, in denen sie ebenfalls Vorzügliches leistete. Darin standen
kein Und und kein Aber am falschen Platze und kein Satz enthielt irgend
etwas Unrichtiges oder Ueberflüssiges.

Kurz, Mathilde war und blieb die Beste und Ausgezeichnetste ihrer
Schule und dieses Brave und Gediegene bewahrte sie sich zu ihrem Glücke
ihr Lebelang.


13. Belohnter Gehorsam.

(Wiederholung der Hauptwörter.)

Im lieben Sachsenlande liegt dicht an der Grenze von Böhmen ein
Dörfchen mit Namen Wernsgrün. Am Ende desselben stand ein Hüttlein mit
Strohdach und winzig kleinen Fenstern. Durch die schmalen, bleichen
Scheiben konnte kaum ein Sonnenstrahl hindurchdringen.

In dieser Hütte wohnte der alte Kilian mit seinen beiden Kindern. Die
Kinder hießen August und Ernst. August zählte sieben Lebensjahre, Ernst
dagegen hatte zehn Sommer hinter sich. Ihre Kleidung bestand in Kitteln
aus grober Leinwand.

Eines Tages saßen beide Brüder vor der Thür und spielten mit Sand,
einigen Stäbchen Holz und drei Soldaten aus Zinn. Bald aber hatte Ernst
das Spielen satt und sagte zu seinem Bruder: „Komm, laß uns ins Grüne
gehen. Dort werden wir mehr Vergnügen finden.“

Der Jüngere gab seine Zustimmung. Kaum aber hatten sie am grünen Ufer
des Wiesenbaches ihren Zeitvertreib begonnen, rief sie der Vater in das
Haus zurück. Sie sollten jetzt wieder an ihre Arbeit gehen und Stroh
flechten.

Die Knaben machten wahre Essiggesichter, denn das Haschen und
Verstecken war ihnen natürlich lieber als das Stillsitzen und Arbeiten.
Aber sie zeigten ohne Murren Gehorsam. Und ihre Folgsamkeit sollte noch
dieselbe Stunde Belohnung finden.

Nach etwa zehn Minuten fiel draußen, in ziemlicher Nähe, ein Schuß. Vor
Schreck fuhren die Kinder zusammen. Sie und ihr Vater und ihre Mutter
eilten zur Hausthür. Und was erblickten ihre Augen? An der Stelle, wo
die Knaben vor kurzer Zeit noch -- kaum vor Ablauf von zehn Minuten --
ohne alle Besorgniß allerlei Spiele gespielt hatten, hatte soeben ein
Jäger, dicht an einem Erlenbaume, einen tollen Hund erschossen.

Wie freute sich nun das Geschwisterpaar ob seiner Folgsamkeit!



Eigenschaftswörter.


14. Formen der Pflanzenwelt.

Welch verschiedene Formen und Farben gibt es doch in der Pflanzenwelt!
Da steht die Pappel, hoch und +schlank+; nicht weit davon ein
+tausendjähriger+ Eichbaum, +niedrig+ zwar, aber +stark+ und +knorrig+.
Seine Aeste sind vielfach gekrümmt und gebogen, seine Wurzeln dick und
runzlig. Seine Rinde ist fest, aber zerklüftet und zerrissen. Hier
steigt eine Tanne schlank in die Luft empor. Ihr Stamm ist schnurgerade
und ebenmäßig, unten stark, nach oben zu dünn und zuletzt ganz spitz.

An ihrem Fuße wuchert eine Birke empor. Sie ist jung und kräftig, ihre
Krone dicht belaubt, ihre Schale blendend weiß, wie Silber.

Wie unterschiedlich sind selbst die Stengel der kleinsten Pflanzen! Der
eine ist rund, der andere drei- oder vierkantig; der eine glatt, der
andere behaart oder klebrig; der eine markig, ein anderer fleischig
oder holzig. Einige sind hohl, andere voll; einige gegliedert, andere
gedreht oder geschlängelt. Der eine Stengel ist steif, unbiegsam und
spröde, ein anderer beweglich, weich und elastisch.

Betrachten wir nun erst die verschiedenen Blattformen. Da gibt es
ovale, runde, herzförmige, schmale, breite, glattrandige, gezahnte,
gezackte, getheilte, gefiederte u. s. w. Noch weit mehr verschiedene
Formen aber zeigen uns die Blätter der Blumenkronen. Unter ihnen finden
sich röhren-, trichter-, lippen-, rachen-, keilförmige u. dergl. Und
wie überaus zart und reizend sind diese buntfarbigen Blumentheile! Wer
auf alle diese Abwechselungen in der Pflanzenwelt genau achtet, muß
eitel Lust haben an den Werken des Herrn.


15. Der Frühling.

(Abstrakte Eigenschaftswörter.)

+Fröhlich+ ist das Herz, wenn der +liebliche+ Frühling naht! Der Winter
war +kalt+ und +rauh+, jetzt wird die Luft +lau+ und +angenehm+,
zuweilen gar schon warm. Im Winter war es still und öde auf den Fluren;
die Wälder erschienen todt, die Bächlein erstarrt. Jetzt werden die
Haine lebendig, die Bächlein wieder wach und munter. Die Felder lagen
kahl, jetzt sehen wir sie grün. Die Wiesen stehen geschmückt, wie mit
einem bunten Blumenteppiche. Die eine Blume sieht roth, die andere
weiß, die dritte gelb oder blau aus. Die Vögel zeigen sich eifrig im
Gesange und emsig im Bau ihrer Nester. Wie ist der Schlag des Finken
so lustig, das Lied der Nachtigall so süß, der Morgenpsalm des Staares
so erhebend! Ein Herz, das fromm und rein, stimmt mit ein in die
Lobgesänge und preist den allmächtigen Schöpfer, der im Frühlinge recht
deutlich zeigt, wie weise und gütig er ist.


16. Der Geizhals.

(Zusammengesetzte Eigenschaftswörter.)

Andreas war ein +steinreicher+ Bauer, aber dabei +erzgeizig+. Für ihn
gab es in der +wunderreichen+ Gotteswelt kein +zaubervolleres+ Bild,
als ein +blitzblanker+ Thaler. Hielt er ein solches Geldstück in der
sonnverbrannten, hufbesetzten Hand, erschien sein Auge überglücklich,
ja glückselig. An ein Wiederausgeben eines solch werthvollen
Kopfstückes war bei ihm nicht zu denken. Es wanderte in einen alten,
aschgrauen, baumwollenen Strumpf, der im fast heckerklaren Strohe
seines baufälligen Bettes stak. War ein solcher Strumpf gefüllt,
versenkte er ihn in einen eisenbeschlagenen, diebesfest sein sollenden
Koffer, vor dem ein riesenhaftes Schloß lag. Dieser centnerschwere
Koffer stand unter seiner armseligen Lagerstatt. Ein doppelläufiges,
scharfgeladenes Gewehr bildete seine Sicherheitswache, sowohl am
sonnenhellen Tage, wie in tiefdunkler, grabesstiller Nacht.

Kein hilfsbedürftiger Freund erhielt von dem Geizhalse auch nur die
allerkleinste Unterstützung. Keinem Wanderburschen, und war er noch so
blutarm, reichte er einen Zehrpfennig. Das bleichwangige Bettelkind,
das kleinlaut an seine dickeichene Thür klopfte, rührte nicht im
mindesten sein liebeleeres Herz.

Er selbst führte ein wahrhaft jammervolles Leben. Sein Mittagsessen
bestand meist in graubraunem, fast steinharten Brode und dickschaligen
Kartoffeln, die er in wasserdünnen Schmalz tauchte. Ein Stück
wohlschmeckendes Fleisch war ihm zu theuer. Nie kam ein Glas wenn auch
nur dünngebrautes Bier oder gar ein Glas magenstärkender Wein auf
seinen Tisch. Thür und Thor seines alterthümlichen Gehöftes schloß er
regelmäßig mit Sonnenuntergang zu und ließ dann den alten, graubärtigen
Kettenhund los.

Von jetzt an durfte kein Mensch mehr eingelassen werden. Aus
übergroßer Besorgniß fürchtete er, es könne sich ein langfingeriger
Fremdling einschleichen und seinem herzinniglieben Hausgotte mit den
erzgespickten Strümpfen einen unliebsamen Besuch abstatten.

Trotz aller wohlberechneten Vorsicht aber hatte sich in einer
rabenschwarzen Nacht doch Einer eingefunden, der kaltblütig und
erbarmungslos den bedauernswerthen Geizhals von all seinen mühselig
errungenen Schätzen trennte. Dieser Unbarmherzige war der --
unerbittliche Tod.


17. Der wohlthätige Bettler.

(Das Eigenschaftswort vor dem Hauptworte.)

An einer +belebten Straßenecke+ saß ein +alter, blinder Bettelmann+.
Er hielt seinen +durchlöcherten Hut+ in der +welken, zitternden Hand+
und bat um eine +kleine Gabe+. Viele reiche Leute gingen an einem
einzigen lieben langen Tage vorüber und gewiß trugen die meisten
wohlgefüllte Börsen bei sich. Zeugte doch oft ihr kostbarer Anzug
von großer Wohlhabenheit. Man sah da Damen mit langen Schleppen,
seidenen Schärpen, sammtenen Mänteln, theuren Spitzen, beblumten
Hüten und feinen Handschuhen. Herren stolzirten dahin mit goldenen
Uhrketten, blitzenden Tuchnadeln, funkelnden Ringen und elfenbeinernen
Spazierstöckchen.

Nicht alle freilich trugen zu diesem äußern auch einen innern
Schmuck, ein theilnehmendes, mitleidiges Herz. Das bewiesen sie
dem hülfsbedürftigten Alten gegenüber. Mit kalten Blicken und
gleichgültigen Mienen gingen sie an ihm vorüber. Nur einzelne zeigten
aufrichtige Theilnahme, sprachen einzelne freundliche Worte mit dem
bedauernswerthen Bettler und legten dabei eine klingende Gabe in seinen
abgeschabten Hut.

Eines heitern Sommertages hörte der gutmüthige Alte eine weinerliche
Stimme in seiner nächsten Nähe. Die klagenden Töne kamen von einem
sechsjährigen, blassen Mädchen. „Was fehlt Dir, liebes Kind?“ fragte
der lauschende Bettler mit besorgter Stimme.

„Ach, mich hungert so sehr“, erwiderte das dürftig gekleidete Mädchen
mit wehmüthigem Ausdrucke. „Meine gute Mutter ist krank und hat kein
Brod mehr für mich.“

Diese Worte rührten den weichherzigen Greis. Schnell griff er in seinen
schwarzgrauen Hut, befühlte mit der dürren Hand die verschiedenen
Geldstücke und gab der hülfsbedürftigen Kleinen einen kupfernen
Fünfpfenniger. „Hier, armes Kind“, sagte er mit bewegten Lippen, „hast
Du eine kleine Gabe. Geh und kaufe Dir bei dem neuen Bäcker hier links
in der engen Gasse etwas für Deinen hungrigen Magen.“

Das überglückliche Mädchen dankte mit aufrichtigem Herzen, eilte die
schmale Gasse dahin und kaufte sich ein neugebackenes Dreierbrod. Die
übrigen zwei Pfennige aber nahm es seiner kranken Mutter mit nach Hause.


18. Ein Gewitter.

(Steigerung des Eigenschaftswortes.)

Es war ein heißer Julitag. Schon der Vormittag war +schwül+. Gegen den
Mittag hin wurde es immer +schwüler+. Am +schwülsten+ aber erschien die
Luft etwa um drei Uhr. Schon den Spaziergängern wurde es heiß; noch
heißer mußte es den Arbeitern auf den Bauen, am heißesten aber den
Landleuten auf dem Erntefelde werden. Das Thermometer, das schon immer
hohe Hitzegrade gezeigt hatte, stieg höher, bis es endlich nach Tische
den höchsten Grad erreicht hatte.

Da zeigte sich am Himmel eine schwarze Wolke, die sich aber mit jeder
Minute schwärzer färbte. Am schwärzesten erblickte man sie nach Osten
hin. Zu gleicher Zeit erhob sich auch ein ziemlich starker Wind.
Auch er wurde von Sekunde zu Sekunde stärker, bis er endlich, als er
am stärksten wüthete, die gewaltige Wolkenmasse in Bewegung setzte.
Schnell erhob sie sich. Zusehends schneller und schneller stieg sie
empor und überzog in ihrem schnellsten Fluge ein breites Thal, das nach
Süden hin immer breiter wurde und mit seinem letzten, breitesten Theile
an ein waldiges Gebirge stieß.

Düster lagen Berg und Thal. Noch düsterer erschien der riesige
Nadelwald. Am düstersten aber sah es in den menschlichen Wohnungen
aus. Feurige Blitze zuckten durch das Dunkel hindurch. Noch feuriger
erschienen dieselben, wenn sie die dunkelsten Wolkenschichten zum
Hintergrunde hatten. Am feurigsten jedoch kam ein solcher Blitz den
Landleuten vor, wenn er in einen nahen Teich oder einen noch nähern
Baum oder wohl gar in die nächste Hütte fuhr.

Heftig strömte jetzt auch der Regen herab. Immer heftiger schlugen die
gewaltigen Tropfen an die Fenster. Am heftigsten brauste gegen vier Uhr
die Wassermasse hernieder. Bald schossen kleine Bäche wild durch die
Felder dahin. Wilder noch stürzten die Waldgewässer die Abhänge herab;
am wildesten aber donnerte der angeschwollene Fluß das Thal entlang,
die stärksten Bäume entwurzelnd und die festesten Mauern durchbrechend,
ja sogar die kleineren Hütten mit fortreißend.

Da endlich hatte das Unwetter ausgetobt. Blitz und Donner wurden
schwach, der Regen noch schwächer. Endlich glichen die schwächsten
Blitze nur noch einem fernen Wetterleuchten. Entsetzlich sahen die
zerrissenen Felder aus. Noch entsetzlicher aber waren die Verheerungen
in den Dörfern jenes fruchtbarsten aller Thäler des Landes. Den
entsetzlichsten Eindruck indeß machte das Jammern und Wehklagen der
ärmeren Bewohner, von denen viele den größten Theil ihrer Habe verloren
hatten.

Gut waren die Leute weggekommen, deren Häuser weit vom Flusse lagen,
noch besser die, deren Hütten an den Berglehnen standen, und am besten
diejenigen, die auf dem Kamme des Höhenzuges wohnten. Sie hatten zwar
auch viel Schaden gehabt, die an den Berglehnen aber weit mehr und die
Thalbewohner den meisten.


19. Ein Begräbniß.

(Eigenschaftswörter ohne Steigerung.)

Die +ehernen+ Zungen der Kirchenglocken schwiegen. Der Leichenzug war
auf dem +umfriedigten+ Gottesacker, wo alle die +ewige+ Ruhe finden,
angekommen.

Der hölzerne Sarg wurde von der umkränzten Bahre abgesetzt. Acht Träger
trugen ihn stumm einem offenen Grabe zu. Auf dem schwarzsammtenen
Leichentuche standen mit goldenen Buchstaben die Worte in einem
silbernen Kranze: „Er ist erlöst und geht in seine wahre Heimat zurück.“

Der Sargdeckel mit kupfernen Handhaben und zinnernen Verzierungen
wurde jetzt noch einmal abgehoben. Da lag nun der Todte, bleich und
regungslos, in der starren Hand einen frischgrünen Palmenzweig. Ein
seidenes Gewand umhüllte den todten Leib. Ein damastenes Käppchen
begrenzte die gefurchte Stirn.

Die Angehörigen standen um den Sarg her, aber nicht in der üblichen
Trauerkleidung. Der Entschlafene hatte schriftlich die Bitte
hinterlassen, daß man um seinetwillen nicht die tiefschwarzen Gewänder
anlegen solle.

Jetzt trat der greise Geistliche herzu, die Weinenden zu trösten.
„Unzählbar“, sagte er unter Anderem, „wie die Sterne des nächtlichen
Himmels, sind die seligen Wohnungen, die der allmächtige Himmelsvater
den erblichenen Erdenpilgern dort oben bereitet hat. Mag auch der
irdische Leib zerfallen, mag der unüberwindliche Tod den Lebensfaden
zerreißen, wir weinen nicht trostlos. Wir sind nicht blind für den
auferstandenen Heiland, nicht taub für seine ewig wahren Verheißungen,
sondern blicken glaubensvoll hinauf in das unvergängliche Reich, da es
ein Wiedersehen gibt. Auch dieser Entschlummerte wird einst wieder wach
und verklärt eingehen zur endlosen Himmelswonne.“

Die Sonne stand mit ihrer purpurnen Scheibe schon halb hinter den
fernen, blauen Bergen, als der Sarg in die stockfinstere Gruft
hinabgesenkt wurde. Noch ein lautloses Gebet, eine Hand voll Erde auf
den Sarg und die Begräbnißfeierlichkeit war beendet.


20. Die beste Apotheke.

(Declination des Eigenschaftswortes ohne Artikel.)

Julius, der Sohn +armer+ Eltern, war lange krank. +Feuchtes+ Stroh
diente ihm als Lager. +Alte+ Röcke und +zerfetzte+ Tücher waren seine
Decke. Keine +heilende+ Arznei und kein +stärkender+ Thee konnte
ihm gereicht werden, lebten doch seine Eltern in großer Armuth, in
schrecklichem Elende. Mit bangen Sorgen erwachten sie des Morgens,
unter schwerem Kummer gingen sie des Abends zur Ruhe. Mit beklommenem
Herzen vernahm die Mutter oft in dunkler Nacht das leise Wimmern des
ruhelosen Kranken. Er litt besonders an heftigen Kopfschmerzen, an
krampfhaftem Zucken in den Gliedern und an fieberhaftem Frösteln.

Vier lange Wochen waren bereits dem Kranken unter unsäglichen Schmerzen
vergangen. Mit abgezehrten, todtenblassen Wangen, trüben, hohlen Augen
und mageren Gliedern lag er da als ein Bild gräßlichen Elends.

„Barmherziger Gott!“ flehte die Mutter oft in stillem, inbrünstigen
Gebete, „schicke doch meinem Kinde einen gnädigen Retter oder, wenn es
Dein unerforschlicher Rath ist, einen endlichen Erlöser!“

Eines Tages klopfte ein Wanderbursch an die Thür und bat um ein Stück
Brod. Trüben Auges reichte ihm die Mutter eine kleine Gabe.

„Was fehlt Euch?“ fragte theilnehmenden Herzens der Wanderbursch. Mit
stummer Handbewegung deutete die Mutter auf das Krankenlager. „O weh!“
versetzte der Wanderbursch, als er den Knaben mit schon halbgebrochenem
Auge und erdfahlem Antlitze erblickte. „Wie und womit behandelt ihn
der Arzt?“ -- „Der Arzt?“ erwiderte die Mutter mit bewegter Stimme.
„Womit sollten wir armen Leute einen Arzt bezahlen können?“ -- „O“,
versetzte der Wanderbursch mit tröstlichem Tone, „Ihr habt einen sehr
billigen Arzt und eine noch billigere Apotheke in nächster Nähe. Es
ist der Brunnen dort im Hofe. Keine bessere Arznei für Euer Kind als
frisches Wasser. In ihm liegt wunderbare Heilkraft. Mein seliger Onkel
war Arzt, daher weiß ich es. Nehmt also frisches Wasser, reicht es dem
Kranken als kühlen Trank, veranstaltet kalte Abreibungen, dann schlagt
ihn in kaltfeuchte Tücher ein und wickelt ihn darauf in warme Decken.
Es wird hierauf sehr bald heftiges Schwitzen erfolgen. Nach Verlauf von
zwei solch heißen Stunden wascht Ihr den Körper mit lauem Wasser ab und
wiederholt diese Behandlung täglich vor- und nachmittags. Gewiß wird
sich der Kranke bald ruhiger Nächte, gesegneten Schlafes und überhaupt
sichtlicher Besserung erfreuen.“

Aufmerksamen Ohres hatte die Mutter zugehört. „O, wärest Du uns als
rettender Engel gesandt“, sagte sie zu dem Wanderburschen, „dankbaren
Herzens würden wir ewig Dein gedenken! Was Du gerathen hast, werde ich
befolgen, noch heutigen Tages. Schütze Dich Gottes gnädige Hand auf
fernerer Wanderung!“

Einige Monate später war Julius genesen. Mit dicken Backen und
kräftigem Fuße schritt er wieder einher. Des Wassers wunderbarer Kraft
dankte er das Glück neuer, dauernder Gesundheit.


21. Ehrlichkeit.

(Wiederholung der Eigenschaftswörter.)

Ein armer Köhlerknabe saß unter einer hohen Tanne, deren schwarzgrüne
Aeste weit umher das frische Moos beschatteten. Aus den dunklen Augen
des blassen Knaben rannen helle Thränen.

Da kam ein alter Herr den holprigen Waldweg daher. Er trug eine grüne
Uniform und einen kurzen Hirschfänger an der Seite. Sein faltiges,
aber noch frisches Gesicht umgrenzte ein schneeweißer Backenbart. Der
jugendliche Alte war der bejahrte Oberförster.

„Warum weinest Du?“ fragte der freundliche Alte mit liebevoller Stimme
den fremden Knaben.

„Ach“, erwiderte dieser mit kläglichem Tone, „meine gute Mutter liegt
krank darnieder. Ihre Augen sind fast blind. Deshalb soll ich in die
nahe Stadt gehen und eine heilsame Salbe für die schwachen Augen holen.
Ich aber habe das Geld dazu sammt einem ledernen Beutel verloren.“

„Ist es etwa dieser?“ sagte der graubärtige Herr, indem er ein kleines
Beutelchen aus der gestickten Jagdtasche zog.

„O nein“, sagte der ehrliche Knabe, „mein Beutel war schlecht und dünn
und lange nicht so voll wie dieser.“

„Dann ist es vielleicht dieser?“ erwiderte der erfreute Oberförster,
indem er ein anderes graues Beutelchen aus der tiefen Seitentasche
seines grünen Rockes zog.

„Ja, ja, dieser ist es“, rief der überglückliche Knabe.

Der biedere Alte war von dieser seltenen Ehrlichkeit gerührt, gab dem
armen Knaben den löcherichen Beutel zurück und sprach: „Weil Du so brav
und ehrlich bist, schenke ich Dir noch diesen blanken Thaler. Geh und
kaufe Deiner leidenden Mutter manchmal eine stärkende Erquickung dafür.“



Der Artikel.


22. Der Abend.

(Der bestimmte.)

+Der+ Tag ging zu Ende. +Die+ Sonne sank. +Das+ Abendglöcklein läutete
zum Feierabende. Der Landmann kehrte vom Felde heim. Die Heerde zog in
ihren Stall zurück. Das Lerchenlied verstummte. Bald glänzten die Berge
und die Hütten im Abendgolde und die Gräser funkelten im herrlichsten
Thauschmucke. Die Blume schloß ihr Auge. Immer stiller und stiller ward
der weite Schöpfungsraum. Die Natur sehnte sich nach Ruhe. Nur das
Bächlein rauschte noch weiter und die Fledermaus kreiste noch pfeifend
umher.

Auch die Hütten wurden still und stumm. Der Tag war heiß und die
Arbeit um das liebe Brod sauer gewesen. Der Fuß und die Hand hatten
das Tagewerk treu vollbracht. Das Nachtlager sollte nun die so nöthige
Erholung bieten. Als daher die Sterne am Himmel glänzten und der Mond
langsam emporstieg, lag das Dörflein bereits im tiefsten Schlafe. Die
Engel Gottes aber schwebten über Reich und Arm und hielten treue Wacht.


23. Der Dachs.

(Der unbestimmte Artikel.)

+Ein+ Jäger zog durch +einen+ Wald. +Eine+ schöne Doppelflinte hing auf
seinem Rücken und +ein+ Hirschfänger an seiner Seite. +Ein+ Dachshund
und ein Windspiel begleiteten ihn.

Ein herrlicher Herbsttag lag auf den Gipfeln der Tannen und Fichten.
Ein sonniger Hauch wehte auf den bebuschten Hügeln. Da sprang eine
Rehkuh auf. Ein solches Thier ist für jeden Menschen eine angenehme
Erscheinung. Ein Jägerauge aber zuckt freudig auf, wenn es ein
solches Wild erblickt. Auch diesen Waidmann durchzuckte eine freudige
Aufregung. Kaum war eine Minute vergangen, knallte ein Schuß und eine
Ladung Schrot saß dem Thiere in einem Hinterlaufe.

Jetzt aber gab es eine ergötzliche Scene. Ein Wink und beide Hunde
begannen einen wahren Wettlauf nach dem Rehe. Dabei aber war ein tiefer
Graben zu überspringen. Für den Windhund war dies ein Spaß, eine ganz
leichte Mühe. Nicht so für einen kurzbeinigen Dachshund. Dieser nahm
zwar einen gewaltigen Anlauf, aber für ihn war ein solcher Graben eine
zu weite Kluft. Er schoß einen Purzelbaum und rollte wie eine Kugel ein
großes Stück den einen Rand hinab in eine Pfütze. Ein helles Gelächter
begleitete seinen Fall. Eine Anzahl Waldarbeiter hatten ihn nämlich aus
einer kleinen Entfernung beobachtet. Unter ihnen fand sich auch bald
eine hülfreiche Hand, die mit einer Stange zur Rettung herbeieilte.

„Siehst Du“, sagte der Jäger zum ganz durchnäßten Dachse, „so geht es
einem Voreiligen. Nimm Dir aus diesem Falle eine Lehre: Wer ein Dachs
ist, muß es einem Windspiele nicht gleichthun wollen.“


24. Der Liederliche.

(Bestimmter und unbestimmter Artikel.)

Bernhard war +ein+ höchst unordentlicher Knabe. Dies zeigte +ein+
einziger Blick in +die+ Kinderstube, in der er sich aufhielt. +Der+
Bücherranzen, +der+ Stiefelknecht, +der+ Ball und +der+ Atlas lagen
gewöhnlich beisammen unter der Ofenbank. Die Botanisirtrommel, die
Mütze, die Federbüchse, die Schreibmappe und die Haarbürste erblickte
man nicht selten in einem Winkel der Stube. Das Bibelbuch, das
Tintenfaß, das Handtuch, das Wichszeug und das Vorhemdchen erhielten
oft ihren Platz in einem Schubfache einer alten Kommode.

Der Vater und die Mutter, sowie auch das Stubenmädchen hielten dem
Knaben deshalb oft eine Strafpredigt, aber all die Mahnungen und
Warnungen fanden bei ihm ein taubes Ohr.

Auch der Lehrer hatte die größte Noth mit ihm. Namentlich bekundeten
die Schreibebücher Bernhard’s die größte Liederlichkeit und einen hohen
Grad von Leichtsinn. Die Umschläge waren zerrissen. Durchschnittlich
das dritte Blatt enthielt einen Klecks. Die Schrift konnte man kaum
lesen. Das Löschblatt glich einem Lappen.

Auch der Tadel und die Strafe des Lehrers besserten den Knaben nicht.
Er blieb ein liederlicher Mensch sein Lebelang.


25. Ein Frühlingsmorgen.

(Desgleichen.)

Der Tag brach an. Die Sonne stieg im Osten empor. Das ferne Gebirge
strahlte im Purpurgolde. Ein leichter Nebel stieg aus dem Thale auf.
Eine Lerche flatterte aus dem Saatfelde empor und stimmte ein jubelndes
Lied an. Die Gräser, Halme und Blumen blitzten im Perlenschmucke
des Morgenthaues. Der Wald erwachte. Die Wiese belebte sich mit
Schmetterlingen und Bienen. Das Wild lugte munter aus dem Gebüsche
hervor. Bald zeigte sich auch das neuerwachte Leben in einem nahen
Dörfchen, das eine lange Obstallee umgrenzte.

Der Hahn krähte. Die Tauben flatterten auf die Dächer. Das
Ziegenböcklein meckerte im Stalle. Eine Menge Rauchsäulen stiegen aus
den Schornsteinen empor. Der Knecht schirrte die Pferde ein, das Feld
zu bestellen. Die Magd besorgte Futter für das Vieh. Es schien bereits
darauf zu warten, denn die Kuh brummte, der Ochse brüllte, das Schwein
grunzte, die Gans schnatterte und die Henne gackerte.

Bald darauf begann die Arbeit auf den Feldern. Hier zog ein Ochsenpaar
einen schweren Pflug. Dort schleifte ein dicker Gaul eine Egge über ein
knolliges Beet. Hier streute ein Landmann Korn auf einen wohlgedüngten
Acker. Dort trieb ein Hirte eine wollige Heerde auf ein grasreiches
Stoppelfeld.

So entwickelte sich von einer Viertelstunde zur andern ein immer
regeres Leben, bis endlich der helle Tag die Menschen und die Thiere in
voller Thätigkeit sah.


26. Ehre dem Tapferen.

(Declination der Artikel.)

+Der+ Kasernenhof +des+ vierten Reiterregiments war +der+ Schauplatz
+einer+ großen Festlichkeit. +Der+ Commandant +des+ Reiterregiments
übergab nämlich +dem+ Wachtmeister +der+ dritten Schwadron das
eiserne Kreuz erster Klasse. Dieser brave Mann hatte dem Feinde vor
dem Festungswalle eine Fahne entrissen. Die vielen Wundennarben des
Tapferen zeigten noch von dem harten Kampfe um den Siegespreis. Die
Stirn des Wachtmeisters war von einer feindlichen Kugel gestreift; an
der Hand sah man einen Bajonettstich; in dem rechten Arme saß zur Zeit
noch eine Kugel, die noch einen bedeutenden Schmerz verursachte.

Der Kasernenhof des Regiments war zu dieser Festlichkeit mit dem
Laubwerke der Eiche geschmückt. An den Fenstern hingen Kränze. Ueber
dem Haupteingange prangten des Königs Namenszug und das Wappen des
Landes. Den Namenszug umflatterten eine Menge Fahnen. Vor dem Thorwege
stand eine Art Ehrenpforte, deren Säulen bunte Blumenranken umspannen.
Auf einem hohen Plumpenhäuschen, dem man ebenfalls ein festliches
Gewand angelegt hatte, prangte die Fahne des Korps und wehte dem Helden
ihre Grüße zu.

Das Musikchor spielte vor der Uebergabe der Auszeichnung den neuesten
Sturmmarsch der Infanterie und nach der Feier einen Choral. Die Rede
des Commandanten rühmte an dem Wachtmeister den großen Muth, die
ausgezeichnete Tapferkeit und das treue Soldatenherz.

Der weite Kreis der Kameraden gönnte dem Braven den wohlverdienten
Lohn. Eine solche Auszeichnung eines solchen Braven gab sogar einem
Offiziere Veranlassung, bei Tische einen Toast auf ein so echtes
Soldatenherz, wie der Wachtmeister besäße, auszubringen.


27. Die Rettung.

(Desgleichen.)

An dem Ufer eines Flusses spielten die Kinder eines armen Webers aus
dem nahen Städtchen D. Sie ließen zuerst den Drachen steigen, den der
ältere Knabe aus den Blättern des alten Hauskalenders gefertigt hatte.
An dem Kopfe des Drachen sah man ein Gesicht mit einem schwarzen Barte.
An dem Schwanzende flatterte ein Büschel bunter Federn. Da der Wind
dem Spiele nicht günstig war und den Drachen nicht tragen wollte,
schritten die Kinder zu einer anderen Unterhaltung. Sie suchten an
dem Ufer des Flusses Muschelschalen und bunte Steine. Mit den Steinen
wollten sie dann nach einem Stabe werfen, auf den sie einen alten Topf
gestürzt hatten. Allein bei dem Suchen der Steine und der Muscheln
glitt der kleine Paul von dem Ufer aus und fiel in den Fluß.

Sicher hätte das Kind des armen Webers den Tod in den Wellen gefunden,
wäre nicht in dem nächsten Augenblicke ein Retter erschienen. Den Fluß
daher kam nämlich der Diener eines Barons mit dem Pudel des Herrn.
„Karo, ~apporte~!“ rief der Diener dem Pudel zu und zeigte auf die
Wellen und den mit dem Tode ringenden Knaben.

Das Thier stürzte sich sogleich in das Wasser, schwamm dem Kinde nach,
packte es an den Kleidern und zog es glücklich dem Ufer und den übrigen
Kindern zu. Welch eine Freude unter den Geschwistern! Sie küßten dem
Diener aus Dankbarkeit die Hand und hätten am liebsten auch den Pudel
geküßt.

Der kleine, ganz durchnäßte Knabe wurde nun sogleich der heimathlichen
Hütte zugeführt, dort entkleidet, in ein wollenes Tuch eingeschlagen
und in das Bette gebracht, in dem er sich noch im Laufe des Tages von
seinem Schrecken wieder ganz erholte.


28. Mißgunst.

(Wiederholung.)

Ein Spitz und eine Katze zankten sich um ein Stück Fleisch. Der Spitz
hielt es mit den Pfoten und die Katze mit dem Gebiß. Das Fleisch war
gebraten und roch der Katze vortrefflich. Eben so sehr stach es dem
Hunde in die Augen. Des Hundes Kraft war indeß stärker als das Gebiß
der Katze und darüber ärgerte sich die letztere. Sie wehrte sich mit
einer wahren Verzweiflung, denn sie wollte den Hund nicht Sieger sein
lassen.

Eine Viertelstunde wol mochte der Kampf gewährt haben. Ein Pudel hatte
schon eine geraume Zeit von einer kleinen Entfernung aus dem Kampfe
zugesehen. Ein Entschluß war längst bei ihm gefaßt. Die Beute sollte
ein Frühstück für ihn werden. Das Kampfspiel aber schien ihm eine
gewisse Unterhaltung zu gewähren.

Jetzt indeß, nach Ablauf von etwa einer halben Viertelstunde, harrte er
nur noch eines günstigen Augenblickes.

Die Augen der Katze leuchteten immer feuriger. Der Kamm des Spitzes
schwoll immer höher. Da plötzlich sprang der schlaue Pudel dazwischen.
Ein Ruck, ein Schluck und das Fleisch war verschwunden.

Einen Moment standen der Spitz und die Katze wie verblüfft. Bald aber
zogen beide mit einem grimmigen Blicke auf den Räuber ab. Beide sahen
jetzt ein, daß, da sie nur ein Stück Fleisch gehabt hatten, sie besser
gethan hätten, eine friedliche Theilung vorzunehmen.



Das Zahlwort.


29. Der Würfel.

(Bestimmte Zahlwörter.)

Der Würfel ist ein ganz regelmäßiger Körper. Er hat +sechs+ gleichgroße
Flächen und +zwölf+ gleichlange Kanten. Die Flächen enthalten
+vierundzwanzig+ rechte Winkel und bilden acht gleiche Ecken. Und
hätten wir hundert oder auch tausend, ja eine Million verschiedene
Würfel vor uns, wir würden an jedem ganz dieselben Verhältnisse
entdecken.

Die Würfel, welche zum Spielen bestimmt sind, hat man auf jeder Seite
mit Punkten versehen. Wir erblicken da einen Punkt, zwei, drei, vier,
fünf und sechs Punkte. Man spielt mit zwei, drei, sechs, acht, auch
zehn Würfeln und zählt dann diejenigen Punkte zusammen, welche die
obenauf liegenden Seiten zeigen. So kann man bei zwei Würfeln zwölf,
bei drei achtzehn, bei fünf dreißig, bei zehn sogar sechzig Punkte
oder Augen gewürfelt haben. Die niedrigste Zahl würden bei zehn Würfeln
zehn Punkte sein.

Das Spiel mit Würfeln ist nicht nur unterhaltend, sondern auch
nützlich, indem man dabei eine Uebung im schnellen Zusammenzählen hat.


30. Ordnung.

(Ordnungszahlen.)

Der Lehrer Weizner hatte in seiner Klasse eine musterhafte Ordnung.
Vom +ersten+ bis zum +letzten+ Schüler wußte jeder stets, was er zu
thun hatte. Jeder Bankoberste hatte sein besonderes Aemtchen. So
mußte z. B. der zweite Bankoberste die Schreibebücher, der dritte die
Federn, der vierte die Rechenhefte, der fünfte die Bibeln austheilen.
Der achte mußte für Reinlichkeit, der elfte für Lüftung des Zimmers
sorgen. Dem zwölften lag das Abwischen der schwarzen Tafel ob. Kam
der fünfundzwanzigste Tag des Monats, mußte der zehnte Bankoberste
alle Censurbücher gesammelt haben. Diese aber durfte er nicht anders
als wohlgeordnet übergeben. Es durfte z. B. das Censurbuch des
fünfunddreißigsten Schülers nicht vor dem des vierunddreißigsten liegen.

Die Schreibefedern wurden auf ein Bret gesteckt. Jede trug eine Nummer
am Halter. Auch auf diesem Federbehälter mußte Ordnung herrschen. Neben
der vierzehnten Feder mußte die fünfzehnte, neben der vierzigsten die
einundvierzigste stecken, sodaß beim Austheilen kein Irrthum entstehen
konnte und z. B. der neunzehnte Schüler auch die neunzehnte Feder bekam.

Dieselbe eiserne Ordnung herrschte auch in Bezug auf die häuslichen
Arbeiten. Jeden 15. oder 16. des Monats mußten die Aufsätze, jeden 10.,
20. und 28. die Rechenbücher, jeden 12. und 24. die Geographiehefte
eingegeben werden. In der 2. Stunde jedes 3. Wochentages wurden die
gelernten Sprüche und Verse überhört.

So wohlgeordnet ging es fort Jahr aus, Jahr ein, vom 1. bis zum 365.
Tage. „Und hätte ich es Euch schon zum tausendsten Male gesagt“,
begann eines Tages der Lehrer, „muß ich es Euch doch immer wieder in
Erinnerung bringen, daß es Euch äußerst heilsam ist, wenn Ihr Euch
schon in Eurem ersten Schuljahre an strenge Ordnung gewöhnt. Ihr
könnt es darin bis zu Eurem achten, also bis zu Eurem vierzehnten
Lebensjahre, weit bringen. Und ich bin gewiß, Ihr werdet es in Eurem
60., 70. oder 80. meiner Strenge in diesem Punkte noch Dank wissen.“


31. Christbescheerung.

(Das unbestimmte Zahlwort.)

Es war kurz vor Weihnachten, als sich die Schüler einer Klasse
vereinigten, einer armen Familie eine kleine Festfreude zu bereiten.
+Alle+ versprachen, irgend eine Gabe dazu mitzubringen. +Mehrere+
Knaben, und darunter der Klassenoberste, wurden beauftragt, die
Gaben in Empfang zu nehmen. Schon nach wenig Tagen ging das Sammeln
sehr lebhaft. Einige Schüler brachten Kartoffeln, viele ganze Brode
herbei. Etliche lieferten Stollen, manche Pfefferkuchen und Nüsse.
Mehrere brachten abgesetzte Kleidungsstücke, die aber größtentheils
noch sehr brauchbar waren. Einzelne schenkten Bücher und Bilder. Eine
Anzahl hatte es auf Bleistifte, Federn und Schiefer abgesehen. Fast
jeder spendete zudem einige Aepfel und Nüsse. Gab jeder auch nur
wenige, wurde doch schließlich eine Unzahl daraus. Keiner auch hatte
verabsäumt, in seine Sparbüchse zu greifen, um auch etwas klingende
Münze beizulegen. Die meisten dieser Geldstücke bestanden in Groschen
und Fünfgroschenstücken.

Daß die Geschenke so massenhaft eingehen würden, hatte sich keiner
gedacht. Sämmtliche Schüler waren daher höchst erfreut, als sie am
heiligen Abende in ihrer Schulstube die fast unzähligen Geschenke
ausbreiten und ordnen konnten.

Unbeschreiblich glücklich aber war die arme Familie mit ihren
zahlreichen Kindern, die alle diese Geschenke bescheert erhielt. Sie
hatte jetzt nur allein an Lebensmitteln mehr, als sie in geraumen
Wochen verzehren konnte. Wiederholt dankten die Armen warm und herzlich
und mehrmals traten ihnen die Thränen in die Augen. Die Schaar der
kleinen Wohlthäter aber feierte nun das Weihnachtsfest noch einmal so
vergnügt.


32. Die Feuersbrunst.

(Zahlwörter zu Hauptwörtern erhoben.)

Es war der +Letzte+ im Monat December, als in einem Dorfe, in welchem
schon den +Vierundzwanzigsten+ vorher ein Bauergut abbrannte, abermals
Feuer ausbrach. Der Nachtwächter war der Erste, der es bemerkte und
Lärm machte. Ein großes Haus, das dritte westlich von der Kirche,
stand in hellen Flammen. Fürchterlich klang das Geschrei der armen
Thiere, die noch in dem Stalle staken und nicht herauskonnten. Von den
Hunderten, die zur Hilfe herbeigeeilt waren, wagte Keiner die rettende
That und wenn man ihnen Tausende geboten hätte.

Da kamen zwei Wanderburschen des Weges daher. Diese Zwei, als sie das
Gestöhne der Thiere vernahmen, entschlossen sich sofort, das Möglichste
zur Rettung zu versuchen. Schleunigst warf jeder sein Bündel ab und
gleich darauf sah man die kühnen Zwei auf allen Vieren zur Thür des
brennenden Hauses hineinkriechen. Schon nach fünf Minuten waren die
Thiere gerettet. „Wer sind diese Beiden?“ fragte man links und rechts.
Es erfuhr indeß Niemand, wie sie hießen und wo sie her waren. Von Allen
bewundert zogen die beiden Wanderburschen bald darauf ihres Weges
weiter.


33. In der Strafanstalt.

(Biegung des Zahlwortes.)

Der Hauptmann von Lothardt war Direktor einer Strafanstalt. Er aber
war durchaus kein Tyrann. +Keinem+ seiner Sträflinge machte er das
Leben absichtlich schwer. +Jedes einzelnen+ Wohl lag ihm am Herzen.
Was +Andere+ in gleicher Stellung mit unzähligen Flüchen zu erreichen
suchten, erreichte er mit +wenigen+, aber ernst mahnenden Worten.

Jeden Sonntag nach der Frühkirche mußten sich sämmtliche Sträflinge,
die unter seiner Aufsicht standen, aufstellen und dann hatte er allen
und jedem etwas zu sagen. Den ersten, dritten und vierten erinnerte er
vielleicht, mehr auf Reinlichkeit zu halten. Zweien, dreien oder vieren
hielt er vielleicht ihr trotziges Wesen vor und dergleichen. Bei dieser
Gelegenheit theilte er sämmtlichen Züchtlingen Einiges mit, was sich im
Verlaufe einiger Tage oder der letzten Wochen in der Welt zugetragen
habe. Manchem erzählte er, was er über dessen Familie daheim erfahren,
wobei nicht selten in vieler Augen Thränen sichtbar wurden. Auch nahm
er zu gleicher Zeit Wünsche und Bitten in Empfang, worunter etliche
allerdings oft sehr sonderbarer Natur waren.

Die jedesmaligen Bitten etlicher, heute einen Brief nach Hause
schreiben zu dürfen, gewährte er gewöhnlich, obgleich ihm das
Durchlesen sämmtlicher Briefe nicht leicht wurde.

Auf diese Weise erwarb sich der Direktor Aller Herzen und den meisten
Sträflingen gingen beim endlichen Abschiede von demselben die Augen
über. Vieler Gemüther erfüllte aufrichtige Dankbarkeit gegen den
väterlichen Freund. Und mißbrauchten auch einige diese Güte, blieb er
sich um zweier oder dreier willen in seinem Verhalten gleich. Er sagte
oft: „Um Weniger halber sollen nicht Alle leiden.“


34. Im Kriege.

(Wiederholung des Zahlwortes.)

Es war den 5. September 1813, des Morgens gegen sechs Uhr. Fünfhundert
Mann preußische Infanterie nebst drei Kanonen und etlichen Reitern
nahmen Stellung gegen ein Dorf. Das Dorf bestand aus mehreren großen
Gütern, einigen kleineren Gehöften und vielen zerstreut liegenden
Hütten. Der Feind darin zählte gegen achthundert Mann nebst sieben
Geschützen, die aber nur wenig Leute zur Bedienung hatten.

Der Angriff erfolgte nicht blos von einer, sondern von mehreren Seiten.
Kaum aber waren zwanzig Kanonenschüsse gefallen, begann auch schon der
Sturm von Seiten der Preußen. Hierbei zeichneten sich einzelne Soldaten
ganz besonders aus. Das war ein Laufen! Jeder wollte der Erste im Dorfe
sein und Keiner für einen Feigling gelten.

Bald standen sämmtliche Gebäude in Flammen. Nach fünfzehn Minuten war
der Kampf entschieden. Die meisten Feinde flohen, viele wurden gefangen
und gegen einhundertundfünfzig Mann bedeckten die Kampfplätze.

Von den Preußen waren nur wenige gefallen, wohl aber hatte
durchschnittlich der zehnte Mann eine Verwundung erhalten.



Das Fürwort.


35. Ein Brief.

(Persönliche Fürwörter.)

  Lieber Robert!

+Du+ wünschtest, so viel +ich+ gehört habe, ein Kaninchen von meinem
Bruder zu besitzen. +Ich+ kann +Dir+ nun mittheilen, daß +er+ gern
bereit ist, +Dir+ ein solches Thierchen zu schenken. Du sollst nur
kommen und Dir eins aussuchen, dann wird er Dir es schicken.

Wir würden uns freuen, wenn Du heute schon kämst und auch den Emil
Kappler mitbrächtest. Wir würden dann mit Euch einen Spaziergang
unternehmen und Euch in den nahen Wald führen, woselbst sehr viel
Heidelbeeren stehen, die Ihr gewiß alle gern eßt. Sie schmecken dies
Jahr ganz besonders süß. Wolltet Ihr das nicht, könnten wir auch mit
Euch zu Pastors Kindern gehen. Sie haben sehr viel Bilderbücher und
Spielzeug. Sie besitzen auch eine kleine Kegelbahn, auf der wir sehr
viel Vergnügen finden würden.

In der Hoffnung, daß Du vielleicht heute noch mit Deinem Bruder und dem
Emil kommen wirst, und mit dem Versprechen, daß wir Euch so gut als
möglich unterhalten werden, grüßt Dich

  Dein

  Gustav Pernitz.


36. Schönheit bringt Gefahr.

(Besitz anzeigende Fürwörter.)

In einem Walde standen ein junger Tannenbaum und eine junge Fichte
dicht neben einander. Beide stritten sich um +ihre+ gegenseitigen
Vorzüge. Das Tannenbäumchen sagte: „+Mein+ Wuchs ist viel schlanker als
+deiner+. +Meine+ Aeste stehen weit regelmäßiger als die +deinigen+.
Die Farbe meiner Nadeln ist schön dunkelgrün und glänzend; die
Rückseite derselben ist sogar in Silber getaucht. Dein Kleid dagegen
macht gar kein Aufsehen, denn seine Farbe ist einfach und matt.
Ueberhaupt hat unser Geschlecht etwas Nobles, während eure ganze
Sippschaft ein gewöhnliches Aussehen bietet.“

Die junge Fichte vertheidigte sich zwar, aber ihre Worte waren nicht
so bitter. „Meine Gestalt und mein Gewand“, sagte sie, „sind nicht
minder schön als dein Wuchs und dein Kleid. Unsere Aeste stehen
dichter als eure und deshalb sind wir bei den kleinen Singvögeln
beliebter. Ihre Lieder ertönen hell aus unsern Gipfeln und manches
Vögelpärchen vertraut die Wiege seiner Kinder lieber unsern Zweigen
an als den eurigen. Und wäre es wirklich wahr, daß dein Aeußeres das
meinige an Reizen überträfe, so sei auf deiner Hut, daß dieser Vorzug
nicht dein Unglück werde. Die Menschen sind schlimm und ihre scharfen
Augen trachten oft nach dem Besten. Euer Geschlecht hat das schon oft
empfinden müssen.“

Das Fichtenbäumchen hatte wahr gesprochen. Als Weihnachten kam, trat
ein Bauer mit seinem Knechte herbei und sprach zu letzterem: „Nimm
Dein Beil und haue mir dieses Tannenbäumchen ab. Seine Gestalt gefällt
mir. Es soll meinen Kindern zum Christbaume werden und auf ihrem
Weihnachtstische stehen.“

So wurde das Tannenbäumchen um seines schönen Aussehens willen
frühzeitig gefällt, während die junge Fichte in ihrer einfachen
Erscheinung unangetastet blieb und großwachsen konnte.


37. Die Natur.

(Bezügliche Fürwörter.)

Der Mensch, +welcher+ die Natur aufmerksam betrachtet und die Wunder,
+die+ in +ihr+ vorgehen, beobachtet, wird viel Gewinn für sein Herz,
+das+ ja für alles Schöne gern empfänglich ist, davon haben. Nicht
blos der Sturm, der Bäume entwurzelt, sondern auch das Säuseln, das
lind durch die Blätter zieht; nicht blos die Gletscher, die mit ihren
Silberhäuptern über die Wolken emporragen, sondern auch das Sandkorn,
welches von der leichten Welle des Waldbaches dahingespült wird;
nicht blos die riesige Eiche, welche mit ihren markigen Armen einen
weiten Luftkreis umspannt, sondern auch das Gänseblümchen, welches in
schmucker Einfachheit zu unsern Füßen blüht, predigt uns die Allmacht
Gottes.

Der zarte Staubfaden, der im Innern der kleinsten Blume sitzt; das
haarfeine Fühlhorn, das wir auf dem Kopfe der Mücke entdecken; die
strahlende Thauperle, die des Morgens am Grashalme zittert: sie alle
zeugen von der Weisheit des Schöpfers.

Sieh den Sperling, welcher selbst im strengsten Winter auf der Straße
sein Futter findet; die Raupe, welche an der saftigen Wolfsmilch
nagt; das Käferlein, welches aus einem Blumenkelche trinkt: und
Dein Vertrauen zu dem gütigen Schöpfer, der für alle Wesen, die er
geschaffen, väterlich sorgt, wird sich wunderbar stärken.

So gleicht die ganze Natur einem großen Buche, das auf jedem Blatte
Nahrung für Dein Herz bietet.


38. Aberglaube.

(Hinweisende Fürwörter.)

Die Bäuerin Zuckerriedel zeigte sich ungemein abergläubisch. Sie war
+dieselbe+, welche eines Tages ein armes Bettelweib mit dem Stallbesen
forttrieb, weil sie glaubte, +dasselbe+ sei eine Zauberin. Sie war
auch +diejenige+, welche sich allemal bekreuzte, so oft sie über einen
Kreuzweg ging. Alles dasjenige, was in ihrem Kuhstalle vor sich ging,
brachte sie mit dem Einflusse guter oder böser Geister in Verbindung.
Denjenigen Fremden, der über ihre Schwelle trat, beobachtete sie mit
mißtrauischen Augen und bald stand Dieser und Jener, der etwa einen
Blick nach der Stallthüre geworfen hatte, bei ihr in üblem Verdachte.

Ganz anders war ihr Nachbar, der Bauer Menzel. Derselbe, welcher
allerdings die nöthige Schulbildung genossen hatte, erklärte frei und
öffentlich: „Alles Dasjenige, was nach Aberglauben riecht, ist eine
Lächerlichkeit.“

Ganz Dasselbe sagte er auch zu seiner Nachbarin. Diese aber entgegnete
ihm: „Derjenige, der mir so etwas sagen kann, sollte nur meine selige
Großmutter gehört haben. Diese, welche sonst nicht eben leichtgläubig
war, hat mir wiederholt erzählt, wie derselbe dreibeinige Hase, welcher
noch heute zuweilen unser Gut umkreist, früher nachts in der zwölften
Stunde vor der Stallthür gewesen ist und dieselbe angeniest hat.“

„Nun so hört, was ich jetzt sage“, erwiderte Menzel. „Ich verspreche
Demjenigen, der mir meine Ochsen, und Derjenigen, die mir meine Kühe
behext, je zehn Thaler. Und dasjenige meiner Kinder, das von irgend
Jemand beschrieen wird, soll diesem, bis dasselbe zwanzig Jahre alt
ist, jedes Jahr einen Scheffel Weizen überbringen helfen. Das sage ich
Euch und ganz Dasselbe will ich auch im ganzen Dorfe bekannt machen.“

Die Bauerfrau erschrack beinahe über diese Tollkühnheit. Aber obgleich
sich Niemand fand, der sich jenen Preis verdiente, wurde sie von ihrem
Aberglauben doch nicht geheilt.


39. Räthselfragen.

(Fragende Fürwörter.)

„Heute will ich einmal eine kleine schriftliche Wiederholung mit Euch
vornehmen“, sagte ein Lehrer eines Tages zu seinen Schülern. „Ich werde
indeß meine Fragen so stellen, daß sie wie eine Art Räthsel klingen.
Schreibt also folgende Fragen auf und die Antworten dahinter:

+Wer+ hat das höchste Lebensalter erreicht? -- +Welche+ Spinne
halten viele Leute fälschlich für giftig? -- +Welcher+ Kaiser starb
auf der Insel St.-Helena? -- Welches Thier frißt zuweilen seine
Jungen? -- Welchen Menschen nennt man einen Narren? -- Welchem Volke
gehörte zuerst Paulus an? -- Was ließ Pilatus über das Kreuz Jesu
schreiben? -- Was für eine Art Bienen hat keinen Stachel? -- Was für
ein Insekt vermehrt sich am zahlreichsten? -- Wessen Beruf ist mit
viel Lebensgefahr verknüpft? -- Welcher Blume zollt man das Lob der
Bescheidenheit? -- Wem verdanken wir die Entdeckung Amerikas? -- Wen
schlug das deutsche Heer bei Sedan? -- Welche Rose trägt keine Dornen?“

Die Schüler beantworteten diese Fragen und fast alle hatten die
richtige Lösung gefunden.


40. Eine schreckliche Zeit.

(Unbestimmte Fürwörter.)

Noch im vorigen Jahrhunderte glaubte +man+, daß +Jeder+, der
rothe, entzündete Augen habe, mit bösen Geistern in Verbindung
stehe. Jedermann erkannte es darum auch für Recht, daß solche
Menschen beseitigt würden. Man verbrannte sie daher öffentlich auf
Scheiterhaufen. Niemand hatte Mitleid mit einem solchen unglücklichen
Opfer. Ja, ließ irgend Jemand merken, daß er Bedauern fühle, kam er in
Gefahr, für einen gehalten zu werden, der mit dem Bösen auch etwas zu
thun habe. Wurde eine oder einer von diesen armen krankäugigen Menschen
verbrannt, so veranlaßte dies sogar eine Art Volksfest. Man hörte wol
gar, wie der und jener jubelte, wenn die Flammen über dem Unschuldigen
zusammenschlugen. Schließlich wurde die Asche des Verbrannten in alle
Winde zerstreut, damit nichts mehr an ihn erinnere.

Gewiß dankt ein Jeder und eine Jede unter uns Gott, daß die Zeiten, da
so etwas geschehen konnte, vorüber sind.


41. Ein Brief.

(Wiederholung der Fürwörter.)

  Lieber Freund!

Deinen letzten Brief habe ich drei Tage später erhalten, als Du ihn
geschrieben hast. Er ist bei meiner Tante liegen geblieben. Sie hatte
denselben aus Versehen mit in ihre Papiere verpackt.

Dein Portrait, welches Du mir in dem Briefe beigelegt hast, gefällt
mir und meinen Geschwistern sehr. Es ist ganz Dein Ebenbild. Dieser
und jener, dem wir es zeigten, meinte freilich, es läge etwas in den
Zügen, was man bei Dir nicht fände. Unser Papa aber sagte, das sei der
Ernst, welcher sich fast auf allen Photographien ausgeprägt finde, und
es werde Niemand ein besseres Bild von Dir und insbesondere von Deinen
Gesichtszügen herstellen können.

Wer hat Dich denn eigentlich photographirt und was kostet das Dutzend
solche Bilder? Du würdest mich sehr verbinden, wenn Du mir das in
Deinem nächsten Briefe mittheiltest. So viel ich weiß, hat, außer uns,
dies und jenes in unserer Familie die Absicht, sich auch portraitiren
zu lassen. Es wird überhaupt dem und jenem unserer Bekannten lieb sein,
zu erfahren, wer sich bei Euch in der Stadt als der beste Photograph
bewährt.

Nimm für jenes Geschenk meinen besten Dank! Ich werde dasselbe stets
hoch in Ehren halten, es einrahmen lassen und über meinen Arbeitstisch
hängen.

Wie schon gesagt, werden wir uns auch photographiren lassen. Sobald
diese Bilder fertig sind, sollen sie in Euer Album wandern. Es wird sie
Dir Jemand überbringen, der sich nennt

  Deinen treuen Freund

  Rudolph Melzer.



Das Zeitwort.


42. Auf dem Lande.

(Bezügliche Zeitwörter.)

Theodor +bewohnte+ mit seinen Eltern eine Villa in der Stadt. Er
+zählte+ etwa zwölf Jahre. Ihm +gefiel+ das Leben in der Stadt
außerordentlich. Das Leben auf dem Lande +kannte+ er gar nicht, denn er
hatte noch nie ein Dorf +besucht+.

Eines Tages aber sagte sein Vater zu ihm: „Theodor, heute werden wir
eine kleine Reise unternehmen. Ziehe Deine Sonntagskleider an. Hänge
Deine Botanisirtrommel um. Nimm Dein Spazierstöckchen und stecke Dein
Notizbuch zu Dir. Wir werden heute unsern alten Onkel überraschen, der
ein großes Bauergut besitzt. Das Leben und Treiben auf diesem Gute wird
Dir gewiß Vergnügen bereiten.“

Nach etwa zwei Stunden sahen Vater und Sohn das betreffende Dorf
im Thale liegen. Bald war des Onkels Besitzthum vollends erreicht.
Freundlich begrüßten sie den Alten. Herzlich hieß dieser die Gäste
willkommen.

Nachdem ein gutes Frühstück eingenommen war, verließ Theodor das
Zimmer. Er wollte dem Hofe einen Besuch abstatten. Aber welches Leben
entdeckte er hier! Welch buntes Treiben gewahrten seine Augen! Bunte
Tauben pickten ihr Frühstück von der Erde auf. Eine alte Gans führte
ihre Jungen dem nahen Teiche zu. Der Pfauhahn schlug ein Rad mit seinem
Schweife. Schwalben bauten Nester unter das Dach. Junge Schweine
durchwühlten den Düngerhaufen. Ammi, der Haushund, jagte den alten
Kater über den Hof. Der Kettenhund bewachte eifrig das Thor und wollte
seine Kette zersprengen, wenn er einen fremden Menschen gewahrte.

Hier schirrte ein Knecht die Pferde ein und bespannte dann den Wagen.
Ein anderer führte ein schmuckes Füllen aus. Ein dritter wetzte die
Sense. Dort, auf einer Tenne, drasch man Getreide. Auf einer andern
reinigte man Korn. Auf einer dritten siebte man Weizen.

Auch die Kuhställe boten viel Unterhaltendes. Die Großmagd fütterte die
Kühe. Die Mittelmagd streute ihnen frisches Stroh unter. Die Kleinmagd
melkte die Ziege. Ein Ziegenböcklein neckte unaufhörlich seinen
Nachbar, ein scheckiges Kälbchen. Eine Heerde Kaninchen knapperte
frische Krautblätter. Oben im Hühnerstalle saßen zwei Hühner und legten
Eier.

Theodor durchstreifte jetzt auch den Garten. Wohin er sein Auge
richtete, entdeckte er auch hier immer neue Bilder. Und so gewährte
ihm das Landleben außerordentlich viel Freuden. Zuletzt wußte er nicht,
sollte er das Stadt- oder das Landleben mehr loben.


43. Nach der Schlacht.

(Unbezügliche Zeitwörter.)

Die Waffen +ruhen+. Die Kanonen +schweigen+. Ihre Mündungen +gähnen+
stumm in die Nacht hinaus. Die Reiter +sitzen ab+. Kein Säbel blitzt
mehr im Sonnenglanze. Keine Flintenkugel heult und summt und zischt
mehr durch die Luft. Die Soldaten hungern und dursten. Die Müdigkeit
aber ist mächtiger als Hunger und Durst, und so liegen sie umher und
schlafen. Nur der Wachtposten steht und lugt aufmerksam nach dem
Schlachtfelde.

Dort sitzt freilich noch Mancher und blutet. Dort liegt noch Mancher
und stöhnt und jammert. Wohl lächelt der Sieg, wohl duftet schon der
Siegeskranz, aber die Schmerzen der Wunden wüthen immer ärger und ärger
und lassen keine Freude aufkommen. Viele der Armen wachen und wimmern
die ganze Nacht, ohne daß ihnen Hilfe werden kann. Ihre Hoffnung auf
Rettung schwindet endlich. Hunderte verscheiden noch. Die Zahl der
Todten wächst mit jeder Stunde.

Alle Aerzte sind beschäftigt, die Verwundeten zu verbinden. Ein Wagen
nach dem andern fährt vor den Lazarethen vor, die Unglücklichen
herbeizubringen. Die Sanitätssoldaten schwitzen bei ihrer anstrengenden
Arbeit. Ganze Reihen mit Tragen, auf denen Verwundete liegen, kommen
daher. Ja, das Elend nach einer Schlacht ist groß. Millionen jubeln und
Tausende bluten!


44. Arbeitsstunde.

(Bezügliche und unbezüglich gebrauchte Zeitwörter.)

Eines Morgens trat der Direktor in die Arbeitsräume seines Institutes.
Er wollte sehen, ob sich alle Schüler nützlich beschäftigten. In dem
einen Zimmer saßen Knaben, in dem andern Mädchen. Ein Blick über die
Knaben hinweg sagte ihm, daß alle thätig waren. Walther +schrieb+,
Günther +malte+, Berthold +zeichnete+, Thomas rechnete, Ewald pappte,
Rudolph schnitzte, Just heftete und Valentin las.

Ebenso regsam ging es in der Mädchenklasse zu. Sophie nähte, Fanny
strickte, Elfriede stickte, Olga häkelte, Rosalie flechtete, Susanne
lernte auswendig, Ottilie studirte in einem Buche, Helene sang und
Jenny wiederholte eifrig.

Von hier ging der Direktor in die Küche, denn auch hier waren Mädchen
beschäftigt. Er fand alle bei ihrer Arbeit. Lottchen kochte, Anna
röstete, Louise bratete und Doris wusch auf.

Eine Stunde später durchschritt der Direktor die Räume noch einmal,
um sich nun genauer zu überzeugen, worauf sich denn eigentlich die
verschiedenen Thätigkeiten seiner Schüler erstreckt hätten. Da fand
er denn Folgendes: Walther +schrieb einen Brief+, Günther +malte
eine Landschaft+, Berthold +zeichnete einen Esel+, Thomas rechnete
ein großes Divisionsexempel, Ewald pappte sich eine Mappe, Rudolph
schnitzte ein Federkästchen, Just heftete ein Schreibebuch und Valentin
las ein lustiges Märchen.

In der Mädchenklasse sah er, daß Sophie eine Schürze nähte, Fanny einen
Strumpf strickte, Elfriede ein Paar Schuhe stickte, Olga eine Börse
häkelte, Rosalie einen Klingelzug flocht, Susanne ein Gedicht lernte,
Ottilie die Pflanzenklassen studirte, Helene die Wacht am Rheine sang
und Jenny die Reformationsgeschichte wiederholte.

Als der Direktor in die Küche gehen wollte, kam ihm seine Frau
entgegen. „Nun“, sagte er zu dieser, „was haben denn Deine kleinen
Köchinnen heute geschafft?“

„Lottchen“, erwiderte die Direktorin, „hat Suppe gekocht, Anna Kirschen
geröstet, Louise ein Hühnchen gebraten und Doris Schüsseln und Teller
aufgewaschen, denn das müssen die Mädchen auch lernen.“

Der Direktor war mit dem Fleiße der Schüler sehr zufrieden und sprach
ihnen sein Lob aus.


45. Eine Angstnacht.

(Unpersönliche Zeitwörter.)

In einem einsamen Felsenthale stand eine kleine, ärmliche Hütte. Darin
saßen an einem schwülen Sommertage die Bewohner derselben, eine arme
Bergmannsfamilie, bei ihrem Abendbrode.

„Es +wird+ wol heute Abend noch +regnen+“, sagte der Vater. „Es
+umwölkt+ sich nach Sonnenuntergang zu.“

„Leicht möglich“, erwiderte die Mutter, „es hat schon lange mit Regen
gedroht.“

„Es wird wol gar ein Gewitter geben“, sagte einige Minuten später der
älteste Knabe. „Es blitzt schon und -- höre ich recht -- es donnert
auch bereits in der Ferne.“

Daraufhin ging der Vater hinaus, um nach dem Himmel zu sehen. „Es kann
ein hartes Gewitter kommen“, meinte er bei seiner Rückkehr. „Es tost
und braust gewaltig in der Ferne. Und oben in den Tannen rauscht und
heult es, als ob das wüthende Heer im Anzuge wäre.“

Binnen einer Viertelstunde stand das Gewitter über dem Thale und ein
furchtbarer Sturm brach los. „Hört nur“, sagte die Mutter bänglich,
„wie es draußen tobt und saust und wirthschaftet! Es gießt wie mit
Gießkannen! Hu! wie es den Hausgiebel peitscht und wie es an die
Fenster schlägt! Still! Krachte es nicht jetzt auf dem Dache?“

Alle lauschten. „Der Sturm wird einen Balken losgelöst haben“, sagte
der Vater. „Hört nur auch, wie es in den alten Schindeln rasselt und
hämmert und klappert! Das Dach wird morgen gut aussehen.“

Kaum hatte der Vater diese Worte gesprochen, zuckte ein mächtiger Blitz
durch die Nacht und gleich darauf folgte ein furchtbarer Schlag. „Jetzt
hat es sicher eingeschlagen“, rief der zehnjährige Gotthelf entsetzt.

„Sei nur ruhig, mein Sohn“, tröstete die Mutter, „es täuscht dies auch
oft.“

„Horch!“ versetzte bald darauf der ältere Knabe. „Es läutet drüben auf
der Kapelle. Es muß irgendwo brennen!“

„Es schlägt vielleicht bloß zehn Uhr“, entgegnete der Vater.

„Nein, nein“, sagte jener wieder, „ich höre es ganz deutlich, daß es
stürmt.“

Wieder gebot jetzt die Mutter, aufzuhorchen. „War mir’s doch“, sagte
sie, „als ob es draußen unter den Fenstern wimmere! Ja, ja, ganz
sicher! Es wimmert und weint und schluchzt! Horcht! Jetzt klopft es an
die Thür! Wer mag das sein?“

Der Vater eilte hinaus und brachte einen Bettler mit seinem jammernden
Kinde herein. Der Arme hatte sich verirrt und bat um Obdach für diese
Nacht, was ihm gern gewährt wurde.

Es wetterte, schloßte und hagelte wohl noch eine Stunde fort. Erst
gegen Mitternacht verzog sich das Gewitter und ließ die armen Leute zur
Ruhe gehen.


46. Auf dem Spielplatze.

(Abwandlung der Zeitwörter nach den Personen.)

„Ich +spiele+ gern Soldaten“, sagte Bruno, als eine Anzahl Knaben
beriethen, womit man sich unterhalten wolle. „Aber ich weiß schon“,
wendete er sich an Karl, „Du +spielst+ lieber Jagd. Und Otto dort hat
auch keine Lust dazu. Er +spielt+ am liebsten Räuber.“

„Nun, wißt Ihr was“, sagte Otto, „damit Jeder freie Wahl hat, theilen
wir uns in drei Gruppen. Wir spielen Räuber und Ihr dort spielt
Soldaten.“

„Und die Uebrigen?“ fragte Bruno.

„Sie spielen Jagd“, sagte Otto.

„Was soll denn aber die kleine Marie dort spielen?“ fragte Robert.

„Sie spielt einstweilen mit ihrer Puppe“, versetzte Arno.

„Und das kleine Suschen?“ fragte Robert wieder.

„Es spielt natürlich mit der Marie“, erwiderte Arno.

„Du lachst, Otto?“ fragte plötzlich Arno.

„Ich lache“, versetzte Otto, „weil Emil dort solch schnurrige Grimassen
macht. Sieh nur hin, er lacht selbst über sich.“

„Ach so“, sagte Arno, „ich glaubte, Du lachtest über mich.“

Das Spielen begann. Die Kinder hatten sich in drei Gruppen getheilt und
überall ging es lustig zu. Da auf einmal entstand bei der einen Partei
ein helles Gelächter.

„Ihr lacht doch nicht etwa über uns hier?“ rief Arno hinüber.

„Nein“, rief Otto zurück, „wir lachen wieder über den Emil, den kleinen
Kobold.“

„Und was lachen denn die fremden Kinder dort drüben, die gar nicht zu
unserer Gesellschaft gehören?“ fuhr Arno fort.

„Ach, so laß sie doch“, sagte Otto. „Sie lachen, weil wir lachen, und
das kann uns durchaus nicht stören.“

Nachdem die Kinder eine Stunde gespielt hatten, fingen sie zum Schlusse
auch noch an zu singen. Besonders war es ein Liedchen, das sie gern
immer und immer wieder sangen. In demselben kam der Vers mit vor:

    Ich singe, du singest, er singt!
    Wie herrlich ein Liedchen doch klingt!
    Was immer die Tage auch bringen,
    Wir singen, ihr singet, sie singen.


47. Ein Feriengespräch.

(Abwandlung des Zeitwortes nach der Zeit.)

„Was machst Du denn da?“ fragte Bernhard, als er zu Horst ins Zimmer
trat.

„+Ich zeichne+“, erwiderte Horst.

„Womit hast Du Dich denn gestern Nachmittag beschäftigt, Horst?“ fragte
Bernhard wieder.

„+Ich habe+ auch +gezeichnet+“, gab Horst zur Antwort.

„Ich glaubte, Du hättest Klavier gespielt, als ich vorbeiging“, sagte
Bernhard.

„Nein, da hast Du Dich getäuscht, Bernhard“, erwiderte Horst. „+Ich
zeichnete+.“

„Sicher aber arbeitetest Du nicht mehr“, sagte Bernhard, „als es abends
neun Uhr geschlagen hatte, denn um diese Zeit, sah ich kein Licht mehr
in Deinem Zimmer.“

„Allerdings“, entgegnete Horst. „Als es neun Uhr schlug, erholte ich
mich im Garten. Ich hatte da meine Landschaft fertig gezeichnet.“

„Was wirst Du denn morgen vornehmen?“ fragte Bernhard weiter.

„Ich werde wieder zeichnen und zwar einen Affenkampf“, antwortete Horst.

„Und wann gedenkst Du damit fertig zu sein?“ sagte Bernhard.

„Ich werde dieses Bild hoffentlich schon nächsten Sonntag fertig
gezeichnet haben“, meinte Horst. „Aber, sage mir, Bernhard“, fuhr er
fort, „was treibst Du denn jetzt, während der Ferien?“

„Ich schreibe, ich lese, ich turne, ich bade und so weiter“, erwiderte
Bernhard.

„Womit vertriebst Du Dir denn gestern die Zeit?“ fragte Horst wieder.

„Mit Allerhand“, sagte Bernhard. „Ich habe gemalt, an meiner Festung
gebaut und einen Luftballon gefertigt.“

„Und was machtest Du vorgestern“, fuhr Horst fort, „als das
fürchterliche Gewitter kam?“

„Was sollte ich thun?“ erwiderte Bernhard. „Ich ging in der Stube auf
und ab, ich stellte meine Soldaten auf, ich hörte auf die herrlichen
Donnerschläge und sah nach den prächtigen Blitzen. Als das Gewitter
vorüber war, lobte mich mein Vater, denn ich hatte nicht die geringste
Furcht gezeigt; ich hatte gespielt wie immer und hatte sogar meinen
kleinen Geschwistern noch Muth zugesprochen.“

„Wollte nicht Dein Vater verreisen?“ fragte Horst weiter. „Was wirst Du
denn dann anfangen, wenn Du allein bist?“

„Ich werde fleißig spazieren gehen und werde auch meinen Onkel einmal
besuchen“, sagte Bernhard.

„Wolltest Du nicht auch Deine Tante in Berlin einmal besuchen?“
versetzte Horst wieder.

„Dies Jahr noch nicht“, entgegnete Bernhard. „Uebers Jahr aber werde
ich mir so viel Geld gespart haben, daß ich diese Reise unternehmen
kann.“


48. Aus einem Tagebuche.

(Die Aussageweise.)

+Ich stand um sechs Uhr auf.+ Ich glaubte, +es regne+, es war indeß
blos der Wind, der an den Giebel blies. Wenn +es wirklich geregnet
hätte, würde ich mich+ auch geärgert haben. Mein Vater sagte nämlich
gestern Abend noch: „Kinder! Morgen früh zeitig aus den Federn! Ja
nicht verschlafen! Ihr sollt mit mir in die Heidelbeeren gehen.“

„Ach, wäre doch nur ein schöner Morgen!“ dachten wir in unserer
Freude. „Schiene doch die Sonne morgen früh recht klar und freundlich
hernieder!“ sagte Bruder Johannes beim Zubettgehen noch.

Der Morgen war schön. Wir alle hofften, im Walde einige frohe Stunden
zu verleben. Wir hätten schon um sieben Uhr aufbrechen können, wäre
Eduard nicht so saumselig mit seinem Anziehen gewesen.

„Jetzt die Botanisirtrommel auf den Rücken und vorwärts!“ befahl
endlich der Vater.

Wie lustig hüpften wir dahin! Wie freuten wir uns auf das Frühstück mit
blauen Beeren! „Wären wir nur schon dort!“ sagte Johannes wiederholt
unterwegs.

Endlich langten wir im Walde an. Zu unsern Füßen stand der saftige
Frühstückstisch. Man glaubte, einen mit schwarzen Perlen gestickten
grünen Teppich zu erblicken. Wir würden sofort an die süße Arbeit
gegangen sein, hätte nicht der Vater jetzt gerufen: „Halt! Erst fünf
Minuten abkühlen!“ -- Wie sehnsüchtig blickten wir alle nach den
herrlichen Beeren hin! „Daß doch die fünf Minuten schon um wären!“
wünschten wir alle.

Endlich begann der Schmaus. Jeder aß nach Herzenslust. Ich meinte
anfänglich, ich äße die meisten Beeren, aber Eduard war doch noch
fleißiger. Er sagte auch scherzend: „Wenn es möglich wäre, äße ich
einen ganzen Scheffel voll!“

Nach etwa einer Stunde mochte der Vater meinen, wir könnten nun genug
haben. „Jetzt Schicht!“ befahl er. „Alle her zu mir! Keine Beere mehr
anrühren!“

Wir gehorchten. Johannes aber sagte mit einem tiefen Seufzer: „Ach,
hätte ich nur noch fünf Minuten zulangen dürfen!“ Der Vater hatte dies
gehört und erwiderte: „Wollte doch Monsieur Johannes einsehen, daß
allzuviel ungesund ist!“


49. Ein Sommertag.

(Mittelwort der Gegenwart.)

Es war ein +reizender+ Julitag. Auf den weithin sich +dehnenden+ Wiesen
lag +duftendes+ Heu. Singende Schnitter mähten mit ihren blitzenden
Sensen die wogenden Kornfelder. Hier trabten wiehernde Rosse mit
einem leeren, rasselnden Erntewagen daher. Dort fuhr ein anderer, die
goldglänzenden Garben hochaufgethürmt, langsam und mit schwankender
Bewegung der Scheune zu. Ueberall sah man eifrig arbeitende und emsig
schaffende Landleute mit glühenden Gesichtern und schweißtriefenden
Stirnen.

An den noch grünenden Hügeln weideten blökende Heerden mit lieblich
tönenden Glocken. In dieses anheimelnde Geläute mischte sich das
jodelnde Lied und die knallende Peitsche der Hirten. Aus dem unzählige
Früchte bergenden Walde erklangen die jubelnden Stimmen der eifrig
pflückenden Heidelbeergänger.

Um die bunt leuchtenden Blumen auf den Rainen und an dem murmelnden
Bache tanzten flatternde Falter, schwirrten schillernde Käfer, summten
Honig suchende Bienen.

Ueber dem Allen aber schwebte am lachenden Himmel die trillernde
Lerche, den allliebenden Schöpfer preisend, dessen segnende Hand die
nährenden und erquickenden Gaben alle gespendet.


50. Unter dem Kreuze.

(Mittelwort der Vergangenheit.)

An einem +vielbegangenen+ Feldwege stand ein +gezimmertes+ Holzkreuz
mit dem +gekreuzigten+ Heilande. Das aus Kupfer getriebene, bemalte
Bild zeigte hier und da durchlöcherte Stellen. Die beschädigten Theile
rührten von den Geschossen einer unlängst hier geschlagenen Schlacht
her.

Vor diesem entstellten und zersplitterten Krucifixe lag ein
verwundeter Krieger. Sein abgezehrtes Gesicht zeugte von entsetzlichen
Qualen. Sein umflortes Auge ließ auf einen baldigen Tod schließen.
Der zerfetzte und beschmutzte Waffenrock, die verbogene Säbelscheide,
der eingedrückte Feldkessel und der unverschlossene Tornister mit dem
geleerten Brodbeutel vollendeten das Bild des Jammers.

Die abgemagerten Hände des gänzlich entkräfteten Kriegers falteten sich
zum Gebete. Er hob den halbgebrochenen Blick zum sonnenbeleuchteten
Kreuze empor. Seine erblaßte, vom Schmerze umzuckte Lippe lallte nur
noch abgebrochene Worte. „Meine Mutter!“ war sein letzter Ausruf. Das
erloschene Auge schloß sich und der tapfere Krieger war eine Leiche.


51. Ein Stück Kriegsarbeit.

(Mittelwort der Zukunft.)

Die +zu stürmende+ Schanze lag auf einer bedeutenden Anhöhe. Die dabei
+zu überwindenden+ Hindernisse sahen drohend aus. Das zum Angriffe
zu ordnende deutsche Heer schaute nicht ohne Besorgniß nach den zu
übersteigenden Wällen empor. Das zu verwendende Geschütz und die zu
benutzenden Sturmleitern standen bereit. Die zu verschießenden Bomben
lagen hochaufgethürmt.

Jetzt wurden die zu besetzenden Punkte bezeichnet und die Orte der zu
grabenden Minen erwählt. Der commandirende General war der Ansicht, das
zu eröffnende Feuer müsse gleich mit allem Nachdrucke gegeben und das
zu verwendende Pulver dürfe gleich anfänglich nicht geschont werden,
damit die zu besiegende Schanzenmannschaft einen heilsamen Schrecken
bekäme.

Der Kampf begann. Die Kugeln durchwühlten die zu erringenden Wälle. Die
zu beseitigenden Palissaden stürzten von den schweren Geschossen und
füllten die zu übersteigenden Gräben.

Endlich erfolgte der Sturm. Der zu überwältigende Feind wehrte sich
tapfer. Die zunächst zu erobernden Vorwälle feuerten mörderisch. Aber
umsonst. Der zu vollführende Befehl der Deutschen hieß: „Siegen oder
sterben!“ Binnen einer Stunde war die zu nehmende Schanze in deutschen
Händen.


52. Das Brod.

(Leideform.)

Die Mittagsglocke +wird+ geläutet. Der Tisch +wird+ gedeckt. Wir setzen
uns daran. Das Gebet +wird+ gesprochen. Messer, Gabeln, Löffel und die
Zähne +werden+ in Bewegung gesetzt. Fleisch, Gemüse und Brod werden
gegessen. Das liebe Brod! Es wird sowohl an der Tafel des Kaisers als
am Tische des Bettlers genossen. Wohl des Tages dreimal wird Brod von
uns gegessen. Wie selten aber denken wir daran, wie es erzeugt wird,
wie viel Hände dabei in Thätigkeit gesetzt und wie viel Schweißtropfen
dabei vergossen werden.

Zuerst muß der Acker gedüngt werden. Dann wird er gepflügt und geeggt.
Darauf wird er von der Hand des Landmannes mit Samen bestreut.
Erdklöse, die durch ein abermaliges Eggen nicht zerkleinert worden
sind, werden nicht selten jetzt noch durch eine Walze zermalmt.

Durch geheimnißvolle Kräfte wird nun der Keim in dem Korn entwickelt.
Die Saat geht auf. Durch Sonnenschein und Regen wird sie von Tag zu Tag
größer gezogen. Die Halme werden kräftiger. Nach mehreren Wochen werden
die Aehren angesetzt. Sie blühen. Durch den Blütenstaub wird das Korn
befruchtet. Es entwickelt sich. Bald darauf werden die Halme von der
Sonne gebleicht und die Fruchtkörnchen gehärtet.

Jetzt wird das Korn gemäht und in die Scheune gebracht. Hier werden die
Garben ausgedroschen, die Körner gesiebt, gereinigt und in die Mühle
gebracht. Dort werden sie gemahlen und somit in Mehl verwandelt. Das
Mehl wird dem Bäcker überliefert und von diesem in einen Backtrog
geschüttet. Hierauf wird es mit Wasser und Sauerteig vermengt und zu
einem Teige geknetet. Dieser Teig wird nun eine Zeit lang der Gährung
überlassen.

Ist die Gährung erfolgt, wird der Teig zu Kugeln geformt und diese
werden in den heißen Backofen geschoben. Damit die Brode Glanz
bekommen, werden sie mit Wasser überstrichen. Sind sie gebacken, werden
sie endlich in die frische Luft gestellt, damit sie abkühlen. Jetzt
erst ist das Brod fertig.

Daß doch kein Bissen Brod gegessen werden möchte ohne den Gedanken,
daß es vom lieben Gott gegeben wird und daß unzählige Schweißtropfen
vergossen werden müssen, ehe wir es auf unsern Tisch bekommen.


53. Die Berufswahl.

(Wiederholung der Formen des Zeitwortes.)

„Du mußt Dich nun ernstlich entschließen“, sagte ein Vater zu seinem
Sohne, „was Du einmal werden willst. Du zählst bereits vierzehn Jahre
und kannst nun wissen, welche Berufsart Dich am meisten anspricht.“

„Ich will die Gärtnerei erlernen“, erwiderte August, „da kann man doch
immer im Freien arbeiten, schalten und walten.“

Der Vater erklärte sich damit einverstanden und brachte den Knaben zu
einem Lehrherrn. Bald aber kam August wieder nach Hause und klagte, er
müsse zu viel hacken, graben, harken und sich bücken und überhaupt zu
viel arbeiten. Er wolle lieber Jäger werden, da könne er den grünen
Wald durchstreifen, das muntere Wild verfolgen, auf weichem Moose
ruhen; und wenn es auch einmal regne oder schneie oder stürme, das sei
schon zu ertragen und solle ihn nicht verdrießen.

Der Vater ließ sich bewegen und bald studirte August in einem
Forsthause.

Allein auch das Leben im Walde gefiel ihm nicht lange. Es war ihm
unbequem, daß er früh zeitig aufstehen, seinem Herrn die Stiefel putzen
und wichsen und die Kleider klopfen und bürsten mußte. Er beschloß
jetzt, ein Fischer zu werden. „Ein Fischer“, dachte er, „kann alle Tage
auf den klaren Wellen umhergondeln. Er braucht nur das Netz auszuwerfen
oder die Angelschnur in das Wasser zu halten, und die Fische fangen
sich von selbst.“

So wanderte August zu einem Fischer in die Lehre. Sehr bald indeß
verdroß ihn auch diese Beschäftigung. Daß er rudern, steuern, Netze
stricken und flicken und oft im Wasser waten müsse, hatte er sich nicht
gedacht. Jetzt bat er seinen Vater, ein Koch werden zu dürfen. „Ein
Koch kann Tag für Tag etwas Gutes essen und trinken“, meinte er. „Er
kann nie vom Hunger geplagt werden. Er steht stets vor dem Feuer und
kann nie frieren. Er braucht sich auch nicht sonderlich zu mühen und zu
plagen, denn das Essen kocht ja ganz allein.“

Was aber geschah? Schon nach vier Wochen kehrte August klagend und
jammernd auch aus dieser Lehre zurück. Jetzt hatte ihm wieder nicht
gefallen, daß er Kartoffeln schälen, Möhren schaben, Gurken hobeln,
Pfeffer stoßen, Kaffee mahlen, Geflügel rupfen mußte und dergleichen.

Da aber tadelte ihn sein Vater aufs ernstlichste und sagte: „Wenn Du
so fortfährst und keine Lasten ertragen lernen willst, wirst Du es zu
nichts bringen und Du wirst schließlich zu den Taugenichtsen gezählt
werden. Darum gehe jetzt auf der Stelle wieder zu Deinem letzten
Lehrherrn, bitte ihn um Verzeihung, lerne arbeiten und gehorchen und
die kleinen Unannehmlichkeiten geduldig hinnehmen. Niemals aber vergiß,
daß jeder Beruf seine Lust und seine Last mit sich führt.“


54. Ein Zwist.

(Das Hilfszeitwort.)

„+Ich bin+ sehr böse, daß Du in meinem Schränkchen +gewesen bist+“,
sagte Laura zu ihrem Bruder Paul, der etwas naschhaft war. „+Ich hatte+
sechs Aepfel darin und habe nur noch drei Stück. Ich werde auch nicht
eher wieder gut werden, bis ich von Dir das Versprechen habe, daß Du
mir drei andere schenken werdest. Und das wirst Du doch thun? Wir
Schwestern sind nie in Eure Schränke gegangen. Ihr dagegen seid schon
oft in den unserigen gewesen.“

„Nun gut“, sagte Paul, „wenn der Onkel seine Obsternte gehalten haben
wird und ich bei ihm gewesen sein werde, sollst Du Deine drei Aepfel
wieder haben. Ich wurde durch einen plötzlichen Aepfelappetit in Deinen
Schrank verleitet. Seitdem ich aber überzeugt worden bin, daß Du das
übel genommen hast und böse auf mich bist, thut es mir leid! Also magst
Du nur einige Tage Geduld haben und guter Hoffnung sein. Der Verlust
soll Dir reichlich ersetzt werden.“

„Ich habe immer Vertrauen zu Dir gehabt“, erwiderte Laura, „und bin von
Dir in Bezug auf ein Versprechen noch nie getäuscht worden. Du wirst
gewiß auch diesmal ein Mann von Wort sein.“

Die Obsternte hatte stattgefunden. Paul war bei dem Onkel gewesen.
Laura wurde befriedigt. Sie konnte mit dem Ausgleiche sehr zufrieden
sein, denn ihr Aepfelverlust war dreifach ersetzt worden.

„Nicht wahr“, sagte Paul lachend zu ihr, „nun bist Du nicht mehr böse
und wir sind wieder gute Leute?“

„Aller Grimm, den ich in mir gehabt habe“, scherzte Laura „soll für
immer getödtet sein. Du hast es ja auch nur zu gut gewußt, lieber Paul,
daß ich es gar nicht so böse gemeint haben konnte. Ich würde auch
wieder gut gewesen sein, wenn ich die Aepfel nicht ersetzt bekommen
hätte.“



Die Umstandswörter.


55. Die Verirrten.

(Umstandswörter des Ortes.)

Lorenz und Albert waren in den Wald gegangen, um +dort+ Erdbeeren zu
suchen. Der Wald lag +seitswärts+ von ihrem Dorfe und zwar +hochoben+
auf einem Bergrücken. Bei dem Erdbeersuchen daselbst aber hatten sich
die Knaben verirrt und wußten zuletzt nicht mehr, ob sie rechts oder
links, vorwärts oder rückwärts gehen sollten. Nirgends auch stießen sie
auf irgend einen Pfad.

Nachdem sie etwa eine Stunde hin und her und auf und nieder geirrt
waren, fingen sie an zu rufen. Sie riefen überall hin, aber von keiner
Seite kam eine Antwort. Und wieder liefen sie bald hierhin, bald
dorthin, nach einem Ausgange suchend.

Schon ging die Sonne unter und Dämmerung sank in den Wald herab. Da
wurde den Knaben ernstlich bange. „Westlich“, sagte Lorenz, „dürfen
wir unbedingt nicht weiter gehen. Wir müssen uns ostwärts halten. Auch
dürfen wir nicht aufs neue aufwärts, sondern müssen abwärts steigen.“

„Weißt Du was“, erwiderte Albert, „laß uns hier, rechts von dieser
Felswand, hinabklettern. Ich glaube, dort unten muß unser Thal liegen.“

Lorenz stimmte diesem Vorschlage bei und so kletterten die Knaben den
Abhang hinunter. Lorenz, als der Aeltere, stieg voran, Albert dagegen
hielt sich mehr hinten.

Der Weg war nicht ungefährlich, denn es rollten sehr oft Steine von
oben herab, auch gab es links und rechts kleine Schluchten.

Nach einem halbstündigen Marsche gelangten sie endlich, zu ihrer großen
Freude, hinab in ein breites Thal. Hier sahen sie ein Licht von drüben
herüberschimmern. Auf dieses Licht steuerten sie zu. Unterwegs stießen
sie indeß noch auf ein Hinderniß, auf einen ziemlich breiten Bach.
„Hilft nichts“, sagte Lorenz, „hier heißt’s: Hindurch und hinüber! Wenn
wir auch unten ein wenig naß werden.“

Bald war das Licht und mit ihm eine Hütte erreicht. Das Licht stand
vorn an einem kleinen Fenster. Daneben saß ein alter Waldarbeiter und
las in einem Kalender. Er schien mitten in einer schönen Erzählung zu
sein.

Die Knaben klopften an. Augenblicklich kam der Alte heraus. Kaum hatte
er das Mißgeschick der Knaben vernommen, zündete er eine Laterne an und
brachte die Verirrten eine Stunde weit das Thal dahin in ihr Vaterdorf
zurück.


56. Ein Brief.

(Umstandswörter der Zeit.)

  Liebe Susanne!

Erst +neulich+ hast Du mir versprochen, daß Du mich +nächstens+
besuchen wollest. +Heute+ aber sind nun schon fünf Tage vergangen und
+immer+ noch erwarte ich Deine Ankunft vergeblich. Viertelstundenlang
habe ich gestern und auch heute früh nach Dir ausgeschaut, aber wer
nicht kam, war meine liebe Susanne.

Da Du nun stets Wort gehalten hast, fange ich bereits an, zu fürchten,
daß Du unwohl geworden sein könnest. Sei doch so gut und schreibe
mir sofort, ob Du krank bist, oder was Dich sonst gestern und
vorgestern und noch früher von Deinem Besuche abgehalten hat. Wenn Du
Dich sogleich hinsetzest -- und wäre es auch abends noch -- und mir
antwortest, kann Dein lieber Brief spätestens morgen zehn Uhr in meinen
Händen sein.

Jetzt laß Dir nun noch in aller Eile erzählen, was sich, seit wir uns
das letzte Mal trafen, zugetragen.

Denke Dir nur, Nachbars Lenchen, die sonst immer so gesund aussah,
liegt schon seit vorvorgestern hart darnieder. Sie klagt fortwährend
über Kopfschmerzen und fiebert unaufhörlich. Erst seit heute hat sich
etwas Schlaf eingestellt. Die Eltern haben natürlich sehr bald einen
Arzt gerufen. Dieser hat die Kranke augenblicklich untersucht und
verordnet, daß sie täglich zwei Stunden ununterbrochen schwitzen muß.
Leider aber hat er auch gleich sagen müssen, daß der Krankheitszustand
nicht blos noch tage-, sondern noch wochenlang anhalten könne.

Das arme Lenchen! Weißt Du noch, wie wir unlängst zusammen in der Laube
saßen und spielten? Damals ahnte sie noch nicht, daß sie gegenwärtig
werde das Bett hüten müssen. Möge ihr der liebe Gott recht bald die
verlorene Gesundheit wiederschenken!

In der Hoffnung, umgehende Antwort von Dir zu erhalten begrüßt Dich
aufs herzlichste

  Deine
  Dir ewig getreue

  +Natalie+.


57. Der tolle Reiter.

(Umstandswörter der Zeit.)

Der junge Baron von Sydlow galt als ein sehr kühner Reiter. Die armen
Pferde hatten es freilich nicht zum besten bei ihm. Dasjenige, welches
er +eben+ geritten hatte, rauchte +gewöhnlich+, wie ein Backofen.
+Selten+ ritt er blosen Schritt. +Zuweilen+ fegte er dermaßen die
Straßen entlang, daß Kies und Funken stoben. Oft sah man dann vor
Staub weder Pferd noch Reiter. Manchmal schon waren Menschen in Gefahr
gekommen, von ihm überritten zu werden. Oefters auch war er schon
gestürzt, ohne indeß erheblichen Schaden zu nehmen.

Der Baron wurde von seinen Freunden wiederholt vor diesem gar zu tollen
Reiten gewarnt. Sie sagten, es könne doch einmal schlimm ablaufen.
Darauf aber erwiderte er jedesmal: „Mir kann nichts passiren. Selbst
wenn mein Pferd einmal stürzt, komme ich allemal auf meine Beine zu
stehen.“

Allein der Krug geht insgemein so lange zu Wasser, bis der Henkel
bricht.

Der Baron ritt regelmäßig jeden Morgen um neun Uhr aus und traf
niemals später als um elf Uhr wieder in seinem Schlosse ein. Eines
Morgens sprengte er auch wieder zum Thore hinaus, aber -- um nimmer
wiederzukommen.

Von elf Uhr an erwartete man seine Heimkehr stündlich. Er aber kam
nicht. Da endlich brachte eine alte Botenfrau, die täglich auf dem
Schlosse verkehrte und den jungen Herrn schon jahrelang kannte, die
Nachricht, daß er sammt seinem Pferde in einem tiefen Steinbruche läge.
Roß und Reiter aber seien todt.

Man eilte sogleich hin an den Ort und fand die Hiobspost vollkommen
bestätigt. Wie der Baron mit seinem Pferde in den Steinbruch gerathen
war, konnte nicht ermittelt werden.

An der Stelle, wo das Unglück geschehen war, wurde ein Kreuz errichtet
und dieses traurige Denkmal alljährlich am Todestage des tollen Reiters
frisch bekränzt.


58. Am Bache.

(Umstandswörter der Weise.)

Eines Tages ging ein Großvater mit seinem Enkel +gemüthlich+ im Walde
spazieren. Indem sie +so langsam+ dahin gingen, kamen sie an einen
Bach. Seine Wellen plätscherten +lustig+ dahin. Die kleinen, silbernen
Schaumperlen drängten unaufhaltsam vorwärts. Ebenso eilig rollten
Hunderte von Sandkörnchen auf dem klaren Grunde dahin.

Vor diesem Bache blieb der Großvater plötzlich stehen. „Sieh Dir dieses
Wässerchen einmal recht genau an“, sagte er hierauf bedächtig zu seinem
Enkel. „Es redet gar ernst zu Dir! Es predigt Dir nachdrücklich eine
wichtige Lehre.“

Der Knabe sah dem Wellenspiele eine Weile unverwandt zu und sagte dann
wie verwundert: „Was meinst Du damit, Großpapa?“

„Sieh, mein Kind“, erwiderte dieser feierlich, „wie diese Wellen
schnell dahinfließen, so rastlos flieht die Zeit, so eilig geht unser
Leben dahin. Ist es doch, als treibe ein Tropfen den andern. Ebenso
drängt mächtig eine Stunde die andere. Umsonst suchst Du hier ein
Tröpfchen, das noch einmal umkehre. Vergebens flehst Du eine Stunde
Deines Lebens zurück. Stracks eilt hier jeder Tropfen dem großen Oceane
zu. Gerade so eilen unsere Tage in das Meer der Ewigkeit.

Ob wir fromm und weise leben, oder anders: unser Weg geht schnurgerade
nach dem Grabe. Tausende kommen unerwartet dort an und blicken dann
oft reuevoll auf ihre Vergangenheit zurück. Darum hüte Dich fein, mein
lieber Sohn, daß es Dir nicht auch einmal also ergehe.“


59. Der Geizhals.

(Umstandswörter der Stärke.)

Der Bauer Murmel war +überaus+ geizig. Er aß sich +kaum+ satt. Er trank
nie ein Glas Bier, wie andere Bauern, sondern +nur+ Wasser. Ein Rock
mußte bei ihm mindestens zwanzig Jahre halten. Er arbeitete von früh
bis abends fast ununterbrochen. Dabei strengte er sich oft dermaßen an,
daß er plötzlich entkräftet zusammensank.

Höchst selten schlief er länger als vier Stunden. Sehr oft sah man
ihn sogar noch vor Sonnenaufgang wieder auf dem Felde arbeiten. Des
Sonntags an eine kleine Erholung zu denken, davon war er weit entfernt.
Er sah es sogar nie gern, wenn ihn an diesem Tage irgend ein Freund
besuchte. In die Kirche ging er gar nie. Das kostete ihn zu viel
Zeit. Von ihm auch nur eine kleine milde Gabe zu erlangen, hielt
außerordentlich schwer. Selbst die gesetzlichen Steuern zu zahlen,
wurde ihm unsäglich sauer.

Seine Dienstboten hatten es unerhört schlecht bei ihm. Ihre Kost war
unbeschreiblich mager und kärglich. Und dabei nun Lust und Liebe
zur Arbeit zu zeigen, war doch am Ende zu viel verlangt. Uebrigens
behandelte er sie beinahe wie Sklaven. Kein Wunder daher, daß er
wenigstens alle Vierteljahre neue Leute hatte.

Auf diese Weise scharrte Murmel freilich schrecklich viel Geld
zusammen. Die ärmeren Leute des Ortes hielten ihn sogar für
unmenschlich reich. Was aber half ihm all sein Reichthum? Der Tod
klopfte doch eines Tages unerbittlich auch an seine Thür. Daß aber der
Geizhals nun von seinen Schätzen Abschied nehmen sollte, machte ihm die
Sterbestunde ungeheuer schwer. Er kämpfte entsetzlich. Der Tod aber
schloß ihm endlich erbarmungslos die Augen und bald darauf theilten
sich seine Erben höchlichst vergnügt in seine Güter.


60. Die Landbewohner.

(Umstandswörter der Aussageweise.)

„Es ist +durchaus+ unrecht“, sagte eines Tages Vater Wolfram zu seinen
Kindern, „daß manche Städter die gewöhnlichen Landleute mißachten.
Diese haben +freilich+ keine hohe Schule besuchen können. Sie sprechen
+kein+ regelrechtes Deutsch. Sie gehen nicht in Sammt und Seide einher.
Sie kleiden sich überhaupt keineswegs stets nach der neuesten Mode.
Sicher aber sind sie trotzdem ganz ehrbare Leute.

Es finden sich wohl unter den Landbewohnern zuweilen rohe Naturen.
Aber sind dergleichen etwa innerhalb der Stadt vergeblich zu suchen?
Vielleicht trifft man gerade in den Städten oft mehr Ungeschliffenheit
unter dem niederen Volke, als auf dem Lande. Jedenfalls darf sich
keine Stadt rühmen, lauter anständige Bewohner zu zählen. Wir Städter
würden es sicherlich bitter empfinden, wenn die Landleute uns einmal
ihre Dienste versagen wollten. Wer Vorrath an Lebensmitteln hätte,
könnte es allenfalls einige Wochen mit ansehen. Die Anderen aber würden
wahrscheinlich sehr bald flehentlich bitten: Kommt wieder, Ihr lieben
Bauern und bringt uns Brod, wir müssen ja sonst verhungern!

Darum, Kinder, fragt Euch, ob Ihr vielleicht auch einmal verächtlich
auf jene Leute hingeblickt habt. Und wäre es ja der Fall gewesen, so
dürfte das schlechterdings nicht wieder vorkommen.

Möglicherweise gehe ich in nächster Zeit mit Euch einige Tage auf
das Land, dann werdet Ihr Euch gewiß selbst überzeugen, daß die
Landbewohner wirklich allermeist kreuzbrave Leute sind, die unbedingt
unsere Achtung verdienen. Wer freilich stolz auf sie herabblickt, dem
begegnen sie allerdings nicht selten mit Mißtrauen.

Werdet Ihr sie bei ihrer schweren Arbeit auf dem Felde sehen, denkt
Ihr gewiß bei Euch: Nein, um dieses Loos sind sie wahrlich nicht zu
beneiden! Und doch, Kinder, hört man sie fast nie klagen, daß sie so
recht im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod essen müssen.“


61. Die Staare.

(Umstandswörter der Frage.)

„+Was+ sind denn das für Kästchen, die dort auf den Bäumen hängen?“
fragte der kleine sechsjährige Gustav seinen Vater, mit dem er eben an
einem Garten vorüberging.

„Das sind Staarmästen, mein Sohn“, sagte der Vater.

„+Wozu+ sind denn diese Staarmästen da, Papa?“

„Damit die Staare ihre Nester hineinbauen können.“

„+Wovon+ bauen denn die Staare ihre Nester?“

„Meist aus Stroh, Heu und Moos.“

„Aber womit bauen sie denn? Sie haben ja keine Werkzeuge, wie Du, Papa,
wenn Du einmal etwas baust?“

„Sie bauen mit ihrem Schnabel und mit ihren Füßen.“

„Wo sind denn aber jetzt die Staare? Man sieht ja keinen?“

„Sie sind zur Zeit noch nicht von ihrer Reise zurück, lieber Gustav.“

„Wohin sind sie denn gereist?“

„Nach wärmeren Ländern, weil es ihnen bei uns zu kalt wurde.“

„Wann reisten sie denn ab?“

„Sie reisen stets mit Eintritt des Herbstes von uns fort, weil es ihnen
eben bei uns zu kalt wird.“

„Wie finden sie denn aber den Weg hin und zurück?“

„Den zeigt ihnen der liebe Gott, mein Sohn.“

„Ob sie denn nun bald wiederkommen?“

„Es kann nicht lange mehr dauern.“

„Woher weißt Du denn das?“

„Weil der Februar bald zu Ende geht und Anfang März kehren sie
gewöhnlich zurück.“

„Aber, sage mir, Papa, weshalb bauen denn die Staare ihre Nester nicht
zwischen die Aeste, wie andere Vögel?“

„Ganz einfach. Weil sie die geschützten Räume lieben.“

„Und warum hängt man denn nicht auch für die Finken und Zeisige solche
Mästen auf?“

„Weil diese Vögel es vorziehen, ihre Nester frei zwischen die Zweige zu
bauen.“

„Wieviel Eier legt denn ein Staar?“

„Vier bis sechs Stück und das jährlich zwei- bis dreimal.“

„Papa, da fällt mir eben ein, daß einmal unsere Köchin sagte, man könne
die jungen Staare essen, aber man dürfe es nicht. Weswegen denn?“


„Weil die Staare sehr viel Ungeziefer vertilgen und deshalb sehr
nützlich werden.“

„Papa, sieh, sieh! Dort setzte sich eben ein schwarzer Vogel auf den
Baum. Nicht wahr, das ist ein Staar?“

„I bewahre, Gustav.“

„Wofür hältst Du ihn denn?“

„Es ist eine Amsel.“


62. Eine Wanderschaft.

(Wiederholung der Umstandswörter.)

Hans, der noch sehr jung, aber schon ziemlich leichtsinnig war, ging
eines Tages gänzlich unerwartet auf die Wanderschaft. Wo er eigentlich
hin wollte, wußte er nicht. Ob ihn sein Wanderstab hierhin oder dorthin
führen werde, war ihm ganz gleich. Er meinte immer, es sei überall viel
zu sehen und man dürfe sich deshalb auch nirgends zu lange aufhalten.
Trotzdem aber saß er zuweilen stundenlang auf einem Berge und stierte
träumerisch in die Welt hinein. Bald sah er links, bald rechts, bald
vorwärts, bald rückwärts.

Nur selten nahm er Arbeit an. Hatte er einmal kein Geld mehr, schrieb
er schleunigst heim an seine Mutter und flugs kamen wieder einige
Kassenscheine angewandert. „Heisa!“ jubelte er nun da gewöhnlich,
„jetzt habe ich wieder Geld! Jetzt frisch und fröhlich weiter!“

So durchwanderte er sorgenlos, aber eigentlich auch zwecklos Städte
und Länder und war jederzeit wohlgemuth. An den wirklichen Zweck des
Wanderns dachte er selten und nie ernstlich. „Heute hier, morgen dort
und immer lustig und gut leben“ war sein Wahlspruch.

Fünf Jahre war er jetzt bereits auf Reisen. Sein Aeußeres hatte sich
in dieser Zeit merklich verändert. Ein starker Bart bedeckte über
und über sein Gesicht. Das blühende, zarte Roth war längst von den
Wangen gewichen. Sie hatten sich tief gebräunt. Sein Körper war hoch
aufgeschossen und hatte sich kräftig entwickelt. Seine früher dünne
Stimme klang jetzt tief, voll und männlich.

Da beschloß Hans endlich, wieder heimzukehren. Und mit der Ausführung
dieses Entschlusses zögerte er auch keineswegs lange. Als ihn wenige
Tage darauf einmal der Regen tüchtig durchpeitschte, kehrte er
plötzlich um und nahm seinen Weg schnurstracks nach Hause.

„Ob man mich denn daheim wiedererkennen wird, oder nicht?“ dachte er
still für sich.

Er reiste jetzt außerordentlich schnell. Nirgends rastete er lange.
Er gönnte sich kaum Zeit, gehörig auszuschlafen. Bald war die Heimat
erreicht. Langsam schritt er jetzt sein Vaterdorf entlang. Die Leute
gingen stumm und gleichgiltig an ihm vorüber. Niemand erkannte ihn,
sogar seine Schwester nicht. Kaum aber erblickte ihn seine Mutter, die
zufällig unter der Hausthür stand, rief sie ihn sogleich bei seinem
Namen und fiel ihm gerührt und weinend um den Hals.

Was aber hatte dem Hans die lange Wanderschaft wirklich genützt?
Nichts, wenigstens nicht viel. Er hatte nur gesehen, hatte blos gut
gegessen und getrunken, aber blutwenig gelernt.



Das Verhältnißwort.


63. Das Vaterhaus.

(Verhältnißwörter des Ortes.)


Ach wie gern, schrieb ein siebzigjähriger Greis, denke ich noch heute
+an+ mein liebes Vaterhaus zurück! Es war eigentlich nur eine Hütte
und stand dicht +an+ einem Felsen +in+ dem schönen Lande Tyrol. +Auf+
ihrem niederen Moosdache blühten niedliche Waldblümchen. Ach, unter
ihnen habe ich manch schönen Knabentraum geträumt! Hinter den schmalen
Fenstern standen im Sommer stets Sträußchen Alpenrosen und Edelweiß.
Neben der Hausthür kletterte wilder Epheu an der Wand empor. Ueber
der Thür war ein Muttergottesbild gemalt. Noch sehe ich, wie lieb die
fromme Maria auf uns Kinder herniederschaute!

Vor der Hütte rann ein frischer Waldbach murmelnd dahin. Zwischen
ihm und dem Häuschen lag ein kleines Gärtchen, das uns Salat, Möhren
und Rüben in die Küche lieferte. Oberhalb des Gärtchens führte ein
schmaler Steg über das Wässerchen. Jenseits desselben beschattete
niederes Gebüsch die Silberwellen und diesseits desselben zog sich eine
blumenreiche Wiese hin.

Wie oft habe ich an diesem Bächlein gesessen, wenn über ihm die Mücken
spielten und innerhalb seiner Tümpel die Schmerlen hin- und herhuschten.

Unterhalb unserer kleinen Besitzung hatte mein Vater ein kleines Wehr
erbaut. Vor demselben staute natürlich das Wasser und so hatten wir
zur heißen Sommerzeit ein kühlendes Bad. Welche Lust in dem frischen
Wasser! Wie Frösche hüpften wir in die klare Tiefe, wie Fische tauchten
wir unter das Wasser, wie kleine Wassernixe tanzten wir dann wieder
längs des Ufers hin. Kein Wunder, daß wir des Tages mehr als einmal zu
dem erquickenden Plätzchen eilten.

Aber auch außerhalb des engen Kreises unserer Häuslichkeit gab es
für uns Kinder viel Lust. Wie herrlich war es, wenn wir unsere zwei
Geisen hinter die Felsen an den stillen Schwummersee führen konnten!
Während sie nach den saftigen Kräutern gingen, legten wir uns zwischen
schattiges Gebüsch oder hinter einen Felsblock. Hatten sich die Geisen
gesättigt, streckten auch sie sich zuweilen neben uns hin.

Läutete dann das Abendglöcklein von der Dorfkapelle, ertönte kein Laut
mehr aus den Zweigen, zogen wir heimwärts, singend und jodelnd bis vor
unsere Hütte.

O schöne, süße, goldene Jugendzeit im geliebten Vaterhause!


64. Vor Paris.

(Verhältnißwörter der Zeit.)

+Während+ der Belagerung stand ein deutscher Soldat auf Vorposten. Er
war erst +vor+ zwei Tagen aus dem Lazarethe entlassen worden und noch
etwas schwach. +Seit+ dem frühen Morgen schon quälte ihn der Hunger.
Aber unter zwei Stunden durfte er den Brodbeutel noch nicht öffnen.
Binnen dieser Zeit mußte er seine Augen streng auf die feindlichen
Wälle gerichtet halten.

Da trat eine arme Mutter mit drei todtenblassen Kindern an ihn heran
und flehte um einen Bissen Brod. Sie habe, erzählte sie, schon vor
dem letzten Ausfalle Paris verlassen und irre bereits seit drei Tagen
umher. Während dieser Zeit aber hätten sie und ihre Kinder noch keinen
Bissen zu essen gehabt.

Nach kurzem Besinnen griff der brave Soldat in seinen Beutel und
reichte den Aermsten all sein Brod. „Hier, eßt“, sagte er. „Habe ich
auch bereits bei acht Stunden Hunger gelitten, ich halte es noch aus,
Ihr aber würdet binnen vierundzwanzig Stunden dem Hungertode erlegen
sein.“


65. Die Rückkehr der Helden.

(Verhältnißwörter der Weise.)

+Unter+ dem Geläute der Glocken zogen die rückkehrenden Krieger
in die Residenz ein. +Mit+ Sang und Klang marschirten sie die
reichgeschmückten Straßen dahin. Die Reihenfolge der verschiedenen
Truppen war nach dem Befehle des Feldmarschalls bestimmt worden.

Ohne Heuchelei wurden die Helden von allen Seiten aufs herzlichste
begrüßt. Sie sahen, wider alles Erwarten, frisch und munter aus,
obgleich viele von ihnen heute schon mehrere Stunden bei heißem
Sonnenbrande marschirt waren. Selbst dem Feldmarschall, der sammt
seinem Stabe die Spitze bildete, schien dieser wahrhaft begeisterte
Empfang gegen alle Voraussetzung zu sein.

Mit Blumen reich geschmückt langten endlich die Soldaten in ihren
Quartieren an, wo sie unter warmen Händedrücken empfangen wurden und
sich nun meist bei einer Flasche Wein gütlich thun konnten. Da trank
denn auch mancher alte Papa heute fast wider seinen Willen und gegen
seine Gewohnheit ein Gläschen mehr mit dem glücklich heimgekehrten
Sohne.

Freilich verlief das schöne Fest auch in mancher Familie nicht ohne
bittere Thränen. Zuweilen den einzigen Sohn, ein Kind nach aller
Herzen, hatte die feindliche Kugel durchbohrt. Er kehrte sammt vielen
Tausenden nie mehr heim!


66. Joachim.

(Verhältnißwörter des Grundes.)

Der erst zwanzigjährige Joachim stand +wegen+ eines Raubanfalls vor
Gericht. +Laut+ Aussage seines Vaters hatte er sich als Knabe sehr
naschhaft gezeigt. Der Ordnung gemäß wurde auch sein ehemaliger
Lehrer über seine Aufführung als Schüler befragt. Zufolge dieses
Schulzeugnisses hatte es Joachim im Bezug auf Ehrlichkeit nie recht
genau genommen. Um eines lumpigen Schiefers willen, den er doch für
einen Pfennig haben konnte, war er sogar einmal vermittelst eines
Nagels in seines Nachbars Schränkchen eingebrochen.

„Vermöge seiner Geistesanlagen“, schloß des Lehrers Zeugniß,
„hätte Joachim etwas Tüchtiges lernen können. Aus purem Leichtsinn
aber blieb er hinter allen seinen Mitschülern zurück. Kraft eines
Lehrerconferenz-Beschlusses mußte er deshalb einmal vier Wochen lang
auf der Strafbank sitzen.“

Den Raubanfall hatte Joachim mehr aus Rache, als um des Raubes willen
ausgeführt. Laut seiner Auslassungen sollte ihn der Angefallene einmal
infolge eines Kirschendiebstahls grausam durchgeprügelt haben. Auch
habe er ihn wegen eines kleinen Schimpfwortes einmal tüchtig an den
Haaren gezaust. Daß er ihn mittels eines dicken Stockes auf den Kopf
geschlagen habe, zufolge dessen der Mann niedergestürzt sei, leugnete
Joachim. Er habe, sagte er, ihm blos mit der Hand einen Stoß versetzt
und es wäre wohl möglich, daß er infolge dieses Stoßes hingefallen sei.

Dem Urtheile der Richter gemäß wurde Joachim für schuldig erkannt
und erhielt für seine That, kraft des Strafgesetzbuches, fünf Jahre
Zuchthaus.


67. Die Mühle.

(Wiederholung aller Arten Verhältnißwörter.)

In einem düsteren Waldgrunde stand seit langer Zeit eine Mühle. Sie
lehnte mit ihrer Rückseite an einem kleinen Hügel. Eine alte Linde
breitete ihre schattigen Aeste über sie hin. Vor der Mühle lag ein
kleines Blumengärtchen. Oberhalb derselben, mehr nach einem Felsen zu,
erblickte man zwischen Gebüsch einen Teich, aus dem sich ein Bächlein
unter dumpfem Gemurmel hervorschlängelte. Es eilte in raschem Laufe auf
die Mühle zu. Dort stürzte sich sein Wasser mit ziemlichem Geräusche
über das Mühlrad und setzte dieses, vermöge seiner Schwere, in Bewegung.

Das Mühlrad klapperte ohne Ruh und Rast bei Tag und Nacht. Nur am
Sonntage, um der Sabbathfeier willen, stand es still. Laut einer
Verordnung hätte sonst der Müller vor Gericht Strafe zahlen müssen.

Viele Stunden im Umkreise gab es kein Haus. Des Müllers Kinder waren
ohne alle Kameraden. Selten traten sie aus dem Thale hinaus. Die
Blumen am Bachrande waren ihre Bilder, die Fischlein im Wasser und die
Käfer auf und unter den Blumen ihre Gespielen, die Vöglein innerhalb
des Thales ihre Singlehrer.

Im Winter kamen sie selten aus der Stube. Sie nähten dann Säcke aus
grober Leinwand für ihren Vater. So führten sie während des Sommers und
Winters ein einsames Leben. Und doch hingen sie mit ganzem Herzen an
ihrem Vaterhause und hätten um keinen Preis dasselbe mit einem andern
vertauscht.

Als der Müller eines Tages von dem Nachbardorfe kam und sagte, er könne
jetzt die Mühle für ein gutes Geld verkaufen, stellten sich alle Kinder
um ihn her, faßten ihn an der Hand und baten unter Thränen, er solle
doch das nicht thun. Sie würden, wenn sie aus der Mühle fortmüßten und
außerhalb des stillen Thales leben sollten, unglücklich sein.

Diesen dringenden Bitten zufolge versprach auch der Müller, die Mühle
zu behalten. „Nein“, sagte er nach kurzem Besinnen, „ich will nicht
gegen Eure Wünsche handeln, aus purer Liebe zu Euch. Wegen eines
irdischen Gewinnes soll Euer Glück nicht gestört werden.“



Das Bindewort.


68. Ungleiche Brüder.

(Zusammenstellende Bindewörter.)

Melchior +und+ Sebastian waren Brüder. Melchior beschäftigte sich mit
Allerhand, was ihm gut lohnte. Er besserte Körbe aus, +auch+ flocht
er zuweilen neue. +Zudem+ strich er Fenster- und Thürstöcke, außerdem
auch Möbel an. Ueberdies half er im Sommer nicht selten in der Ernte.
Schließlich schämte er sich auch nicht, einmal sogar den Dreschflegel
in die Hand zu nehmen. Wo er arbeitete, war man sowohl mit seinem
Fleiße als auch mit seiner Geschicklichkeit zufrieden. Weder Wind noch
Wetter konnten ihn abhalten, einmal übernommene Dienste auszuführen.

Melchior war aber nicht blos fleißig und geschickt, sondern auch
sparsam. Als er etwa vierzig Jahre zählte, kaufte er sich erstens ein
kleines Haus, zweitens etwas Feld, drittens eine Ziege und endlich gar
eine Kuh. Hierauf heirathete er ein sehr braves Mädchen aus seinem
Orte, mit dem er alsdann seine kleine Oekonomie bewirthschaftete,
ferner ein Gemüsegeschäft anlegte und auch noch nebenbei
Federviehhandel trieb.

Ganz anders verhielt und zeigte sich sein Bruder Sebastian. Er dachte
weder an das Sparen, noch an das Arbeiten. Er trieb sich tagediebisch
umher, zudem liebte er das Kartenspiel und trank überdies oft über den
Durst. Auch in Bezug auf die Ehrlichkeit wollte ihm Niemand so recht
trauen.

Kein Wunder, daß Sebastian nicht nur alle Achtung verlor, sondern auch
oft kein Brod hatte. Sowohl seine Nachbarn als auch sein Bruder warnten
ihn. Außerdem bemühte sich sogar die Ortsgemeinde, ihn zu bessern. Man
trug ihm zunächst lohnende Beschäftigung, sodann eine Hausknechtsstelle
in einem Gasthofe an, ferner einen Posten auf dem Bahnhofe; schließlich
wollte man ihm sogar Geld zu einem kleinen Kohlenhandel vorschießen.
Sebastian mochte von alledem nichts wissen und nichts hören. Natürlich
blieben die Folgen davon nicht aus. Bald versetzte er sein letztes
Hemde, führte dann allerlei Betrügereien aus, vergriff sich hierauf an
fremdem Eigenthume, trieb sich alsdann mit einer Zigeunerbande in den
Wäldern umher und wurde endlich als Räuber eingefangen.

Er wurde verhört, alsdann verurtheilt und hierauf auf viele Jahre in
einer Strafanstalt untergebracht. Schließlich, nach langen Jahren,
klopfte er eines Tages an Melchior’s Thür als bettelnder Greis.


69. Die goldene Freiheit.

(Entgegenstellende Bindewörter.)

An einem Fenster hing ein großes, geräumiges Gebauer, in welchem ein
Rothkelchen auf und nieder hüpfte. Es sang +zwar+ fleißig, +aber+
keineswegs so hell, wie einst draußen im grünen Walde. Es hatte das
beste Futter, +dennoch+ dachte es immer und immer an die fetten
Würmchen draußen unter dem Moose. Es bekam jeden Tag zweimal frisches
Wasser, gleichwohl konnte es die frischen, klaren Waldbächlein nicht
vergessen. Wol grüßte die liebe Sonne freundlich zum Fenster herein,
allein diese wohlthuenden Strahlen schienen das Rothkelchen nur immer
noch düsterer zu stimmen.

Hermann bemerkte nur zu wohl die trübe Stimmung des Thierchens, doch
ihn rührte es nicht. Zwar liebte er selbst die goldene Freiheit
außerordentlich, gleichwohl konnte er sie hartherzig dem Rothkelchen
versagen.

Als er im Herbste das Vöglein nach Hause brachte, hatte ihm sein Vater
gesagt: „Gut, Du magst es den Winter über behalten, aber zum nächsten
Frühjahre mußt Du es wieder fliegen lassen. Nun thue, was Du willst.
Entweder sperre es gar nicht erst ein, oder versprich, ihm dann die
Freiheit wieder zu schenken.“

Hermann hatte Letzteres zugesagt. Allein jetzt, als der Frühling da
war, dachte er nicht mehr daran. Er kannte nicht nur kein Mitleid,
sondern meinte sogar, das Thierchen könne es nirgends besser haben, als
bei ihm. „Ein Vögelchen im Käfige zu halten“, sagte er einmal, „kann
kein Unrecht sein, nur muß man es gut pflegen.“

Sein Vater indessen dachte anders. „Gut essen und trinken“, sagte er,
„ist viel werth, nichtsdestoweniger möchte ich dabei in einem Kerker
stecken. Fesseln und schmale Kost drücken den Verbrecher sehr, der
Verlust der Freiheit dagegen drückt ihn am empfindlichsten.“

Der Frühling schritt inzwischen immer tiefer in das Land, Hermann
jedoch machte keine Anstalt, seinem Gefangenen den Kerker zu öffnen. Er
fürchtete auch keineswegs den Unwillen seines Vaters, sondern glaubte,
derselbe wolle jetzt selbst, daß das Vöglein im Käfige bleiben solle.
Wie sehr aber erschrak er, als er denselben eines Tages leer fand.
Hermann weinte, das Vöglein indessen jubelte bereits längst draußen im
Walde ob der neugeschenkten goldenen Freiheit.


70. Amerika.

(Begründende Bindewörter.)

„Warum wandern denn eigentlich so viele Menschen nach Amerika aus?“
fragte Ludwig seinen Vater.

„Ganz einfach“, erwiderte dieser, „+weil+ Viele glauben, dort ihr Glück
zu machen. Viele täuschen sich freilich auch, +denn+ es ist nicht alles
Gold, was glänzt. Amerika bezahlt zum Beispiel die Arbeit weit besser
als Deutschland, deshalb aber wird noch lange nicht jeder Arbeiter
reich. Er muß dafür auch seinen Lebensunterhalt theuer erkaufen, und
sonach gleichen sich Einnahme und Ausgabe wieder aus. Amerika gestattet
dem Volke in mancher Hinsicht mehr Freiheit als Europa, daher aber
erlauben sich dort auch Einzelne aus dem Volke manche Gewaltthaten.
Amerika ist der Zufluchtsort von unzähligen Taugenichtsen, Betrügern
und Dieben, deswegen kommen dort verhältnißmäßig mehr Verbrecher
vor, als bei uns. Amerika besitzt unermeßliche Ländereien, demnach
ist für wenig Geld ein bedeutender Grundbesitz zu erwerben. Diese
Länderstrecken aber sind mit Urwald bedeckt und müssen mithin erst
urbar gemacht werden. Dergleichen Arbeit ist indeß äußerst mühsam und
anstrengend und darum verlieren Viele die Lust, lassen die Hände sinken
und gerathen somit in Noth und Elend.

Es sei damit nicht gesagt, lieber Ludwig, daß in der neuen Welt
Niemand auf einen grünen Zweig kommen könne, denn eine große Zahl
Eingewanderter hat ihr Glück gefunden. Falsch aber ist es, zu denken:
Diese sind reich und glücklich geworden, folglich muß ich es auch
werden und also gehe ich hinüber.“

„Du würdest sonach Niemandem rathen, nach Amerika auszuwandern?“ sagte
Ludwig hierauf.

„Das habe ich deshalb noch nicht gesagt“, erwiderte der Vater. „Wer
nach Amerika geht, muß arbeiten wollen, weil der Faule dort in
der Regel zu Grunde geht. Folglich würde ich allerdings zu einem
Arbeitsscheuen sagen: Bleibe Du hier, da Du den Schweiß des Angesichts
nicht gut vertragen kannst. Ebenso würde ich zu einem, der hier in
guten Verhältnissen lebt, sagen: Du hast, was Dein Herz wünscht, darum
bleibe im Lande und nähre Dich redlich. Einem jungen Manne aber, der
brav und strebsam ist, es aber hier zu nichts bringen kann, werde ich
stets sagen: Gut, Du wirst drüben die Hände nicht müßig in den Schooß
legen und somit vorwärts kommen, mithin gehe!

Verstehe mich also nicht falsch, lieber Ludwig. Ich meine durchaus
nicht, weil Viele dort drüben ein trauriges Loos ziehen, daher dürfe
Niemand mehr nach Amerika auswandern. Wohl aber bin ich, wie schon
gesagt, gegen den Glauben, der da spricht: Hinz und Kunz sind da drüben
Millionäre geworden, demnach kann mir es auch nicht fehlen.

Die neue Welt jenseits des Oceans ist eine gar eigene und deswegen muß
die Uebersiedelung dahin wohl überlegt werden.“


71. Treue Freundschaft.

(Wiederholung der Bindewörter.)

Paul und Robert waren zwei gute Freunde. Beide jedoch besaßen eine sehr
verschiedene Bildung. Das konnte aber auch nicht anders sein, denn
jeder hatte eine andere Erziehung genossen.

Paul gehörte reichen, Robert dagegen armen Eltern an. Paul genoß daher
viel Schulunterricht. Er sprach nicht nur französisch, sondern auch
englisch. Er lernte reiten, auch fechten und schwimmen. Er bewegte
sich überdies stets unter vornehmen Leuten und besaß ferner eine gute
Bibliothek. Zudem ging er auch mit seinen Eltern öfters auf Reisen.
Somit war ihm Alles geboten, was Bildung schafft.

Robert dagegen besuchte nur eine einfache Dorfschule. Hier gab es
wohl einen guten Lehrer, allein nicht viel Schulzeit. Zwar strengte
sich Robert sehr an, aber seine Kenntnisse blieben doch sehr dürftig.
Gleichwohl gehörte er zu den besten Schülern des Ortes. Deswegen wurde
er auch von seinem Lehrer, sowie von seinen Mitschülern sehr geachtet.
Und deshalb verging kein Examen, an welchem er nicht entweder eine
Prämie oder sonst eine Auszeichnung erhielt.

Paul blieb das nicht unbekannt und daher erwählte er Robert zu seinem
Freunde. Weder Robert’s Armuth, noch seine geringe Bildung waren
ihm ein Anstoß. Paul liebte ihn, weil er ein ebenso fleißiger als
gesitteter Knabe war. Und Paul hat diese Wahl nie bereut, denn Robert
hing so treu an ihm, daß er sein Leben hätte für ihn lassen können.

Paul kam zwar später aus dem Elternhause fort, aber die Entfernung
trennt ja wahre Freundschaft nicht, da diese im Herzen wohnt. Paul
und Robert schrieben sich oft; infolge dessen konnte keine Entfremdung
eintreten. Ja, sie blieben treue Freunde bis zum Tode.



Das Empfindungswort.


72. Ein Spaziergang.

Arthur und Emilie gingen an einem Waldrande spazieren. „+Ei!+“ rief
Arthur plötzlich aus, indem er sich bückte, „ein Graspferd! ein
Graspferd!“

„+Pfui!+“ erwiderte Emilie, „das häßliche Thier!“

„+Ei+, +ei!+ Emilie“, tadelte Arthur, „so darf man nicht sagen. O,
auch die Graspferde sind schön in ihrer Art. Hopp! hopp! Sieh nur,
was es für große Sätze machen kann! O weh! Jetzt hüpfte es in einen
Wassergraben! Ach, das arme Thier! Es wird ertrinken müssen! Ist es
mir doch, als riefe es mir zu Hilfe! Hilfe! -- Ha! ich muß sein Retter
werden!“

Arthur langte in den Graben hinab und packte das Thier an. In demselben
Augenblicke aber schrie er auch: „Au! au!“ und ließ es auf die Erde
fallen.

„Was schreist Du denn so?“ fragte Emilie schnell.

„Abscheulich!“ versetzte Arthur. „Das Heupferd hat mich in den Finger
gezwickt.“

„Hahaha!“ lachte da Emilie hell auf. „Aetsch! Nun hast Du doch etwas
von Deinem allerliebsten Thierchen!“

„Ssssst! Schwesterchen“, entgegnete Arthur, mit dem Finger drohend,
„nicht schadenfroh sein!“

Beide Geschwister gingen jetzt weiter. Bald darauf vernahmen sie hinter
sich her die Rufe: „Heda! Bst! Bst!“ Als sie sich umsahen, erblickten
sie vier bekannte Knaben, die an dem Spaziergange theilnehmen wollten.

„Hurrah!“ rief Arthur begeistert aus, „nun wird es hübsch! Jetzt können
wir Soldaten spielen.“

„Und ich?“ fragte Emilie bedeutungsvoll.

„Hm!“ erwiderte Arthur nachdenklich. „Nun ja, das hatte ich mir
freilich nicht überlegt, daß Du Dich auf das Exerciren nicht verstehst.
Also rrrr! ein anderes Spiel!“

Nachdem die Kinderschaar Haschekater, Blindekuh u. dergl. m. gespielt
hatte, trat sie den Heimweg an. Eben überschritten die Kinder eine
Stoppel. Da auf einmal ging’s „brrr!“ und ein Volk Rebhühner flog vor
ihnen auf.

„Hoho! Bin ich doch erschrocken!“ versetzte einer der Knaben. Arthur
aber sagte: „Ei, hätten wir doch jetzt Flinten! Da sollte es aber
gehen: Piff, paff! puff! und kein einziges Rebhuhn dürfte davonkommen.
Heisa! wie würden sich unsere Mütter freuen, wenn wir solche Braten mit
nach Hause brächten!“

Arthur wollte noch weiter reden, da aber kam ein Graben und -- pardauz!
lag er darin, so lang er war. Natürlich gab das ein gewaltiges
Gelächter.

Unter dem Gesang des Liedes: „Tra ri ra! sind die Jäger da“ etc.
kehrten endlich die Knaben fröhlich heim.



~B.~ Satzlehre.


73. Das Gewitter.

(Satzarten.)

[Sidenote: Einfacher Satz.]

Der Blitz zuckte.

[Sidenote: Erweiterter einfacher Satz.]

Ein langer Donner grollte unter dem dunklen Himmel dahin.

[Sidenote: Zusammengezogener Satz.]

Menschen und Thiere suchten ein baldiges Unterkommen.

[Sidenote: Zusammengesetzter Satz.]

Die Schnitter eilten in ihre Hütten und die Heerde hüpfte nach dem
schirmenden Stalle.

[Sidenote: Satzgefüge.]

Ein warmer Regen, welcher längst erwünscht war, tränkte später das
durstige Erdreich.


74. Ursache und Folge.

(Desgleichen.)

[Sidenote: Einfacher Satz.]

Der Herbst war da. Die Früchte reiften. Die Aepfel glänzten. Die
Pflaumen winkten.

[Sidenote: Erweiterter einfacher Satz.]

Der liebe Gott hatte die Gärten reich gesegnet. Manche Aeste konnten
ihre Last kaum tragen. Sie mußten mit starken Pfählen gestützt werden.
Und dennoch neigten sich ihre äußersten Zweige fast bis zur Erde herab.

[Sidenote: Zusammengezogener Satz.]

Eines Tages gingen Emil und Otto in ihren Obstgarten. Beide jubelten
und jauchzten. Sie durften und sollten sich an den Aepfeln und Birnen
gütlich thun. Vater und Mutter hatten es ihnen erlaubt. Dieser Genuß
sollte sowohl eine Belohnung als auch eine Erquickung für sie sein.

Emil eilte sofort auf einen Pflaumenbaum los und Otto kletterte auf
einen Apfelbaum. Emil war bald gesättigt, Otto aber schien gar nicht
genug bekommen zu können. Jener befleißigte sich überhaupt stets der
Mäßigkeit, denn er ehrte das Gebot der Eltern.

Otto, welcher eben zu viel Aepfel aß, fühlte sehr bald die üblen
Folgen. Das, was ihm ein Genuß gewesen war, bereitete ihm jetzt die
bittersten Schmerzen. Ehe noch der Tag zu Ende ging, lag er jammernd
und seufzend im Bette. Ihm wurde nun klar, das die Unmäßigkeit sich
selbst bestraft. Der Apfelbaum, sagte er wiederholt, soll mir eine
Warnungstafel bleiben, so lange ich lebe.



Der einfache Satz.


75. Das Pferd.

(Welche Wörter als Subject dienen können! Alle.)

+Das Pferd+ ist ein nützliches Hausthier. +Es+ ist sehr stark und
schön gebaut. +Die Stärke+ liegt in seinen Muskeln. Das Schöne spricht
namentlich aus der Hals- und Kopfbildung. Sein ganzes Sein ist freilich
nicht selten eine Kette schwerer Arbeit. Das Ziehen wird ihm leider oft
zu sauer gemacht. Dieses Leider fällt leider dem Fuhrmanne zur Last. Er
ladet zu viel auf. Das Bergauf wird von ihm wenig beachtet.

Das Pferd ist nun schlimm daran. Das Wollen fehlt ihm nicht. Das Können
indeß hat seine Grenze.

Da knallt die Peitsche. Flüche fallen auf das arme Thier nieder.
Es geht zuweilen wahrhaft grausam dabei zu. Man möchte dazwischen
springen. So zuzuschlagen ist sündlich. Wann wird man endlich auch die
Pferde menschlich behandeln? Dieses Wann wird aber wol noch lange eine
Frage bleiben.


76. Gott.

(Aus welchen Wörterklassen das Prädikat gebildet werden kann.)

Gott ist +Schöpfer+. Er ist +allmächtig+. Sein Wort hat Alles
+hervorgebracht+. Alles ist +sein+.

Gott ist Erhalter. Sein Reich ist freilich groß. Seine Hand doch
sättigt alles Leben. Dieser Trost ist unser.

Gott ist auch Regierer. Sein Regiment ist gnädig. Er schützt. Er
leitet. Dieser Glaube ist mein.

Und Gott ist unser Vater. Er ist allgütig. Seine Liebe umfaßt uns. Mein
Herz sei darum sein.


77. Die Rose.

(Desgleichen.)

Die Rose ist eine +Blume+. Sie ist die +Blumenkönigin+. Ihre Krone ist
ein Wunderbau. Der Juni ist ihre Blütezeit. Die Blätter sind zart. Ihre
Formen sind lieblich. Sie leuchtet weithin. Sie duftet. Sie entzückt.

Dornen sind ihre Schutzwaffe. Jede Spitze ist ein Dolch. Die Dornen
sind wachsam. Sie sind auch tückisch. Sie stechen. Sie verwunden.

Die Rose reizt. Sie ist verführerisch. Ein Kindlein naht. Es ist
hocherfreut. Es pflückt. Ein Tröpfchen Blut ist der Preis.



Der erweiterte einfache Satz.


~A.~ Erweiterung des Subjectes.


78. Das kranke Kind.

(Beifügung vor dem Subjecte.)

Die +kleine+ Emma war krank. Der +heftige+ Pulsschlag bekundete Fieber.
Die +vollen+ Wangen glühten. Das große Auge lag geschlossen. Die
feuchten Hände zitterten.

Zwei Aerzte behandelten das Kind. Mehrere Arzneiflaschen standen auf
dem Tische. Auch etliche Pulverschächtelchen waren zu sehen.

Die treusorgende Mutter wich nicht von dem Bette. Ihr weinendes Auge
ruhte unverwandt auf der Kranken. Ihre pflegende Hand war jederzeit zur
Hilfe bereit.

Die verordneten Wärmegrade in der Stube wurden streng erhalten. Die
verhangenen Fenster schufen Dunkelheit. Das gedämpfte Licht aber hatte
etwas Unheimliches. Der vorgeschriebene Thee stand fortwährend über
einem Spiritusflämmchen. Die zu verbrauchende Arznei dagegen schwamm in
einem Glase mit Brunnenwasser.

So waren alle Vorsichtsmaßregeln getroffen. Keine Veränderung an dem
Kinde blieb unbeachtet. Die zu hoffende Genesung ließ indeß lange auf
sich warten.

„Unser Kind ist noch sehr krank“, klagte die Mutter oft den Aerzten.
„Sein Bewußtsein scheint oft zu schwinden. Seine Hände sind bald warm,
bald kalt. Meine Emma wird doch am Ende noch sterben! Ach, mein Herz
würde es kaum ertragen! Unser Lebensglück sänke mit ihr ins Grab.
Dieses Kind hat uns nie betrübt. Ein solcher Edelstein könnte uns nie
wieder ersetzt werden!“

Die theilnehmenden Aerzte trösteten sie. „Der liebe Gott wird Ihnen
schon das Kind erhalten“, sagten sie. „Die allmächtige Gotteshand hat
ja schon oft Wunder gethan. Sein Arm ist nicht zu kurz, daß er nicht
helfen könnte.“

Und der treue Himmelsvater half. Das tückische Fieber wich endlich. Die
arme Emma konnte das Bett wieder verlassen. Stärkende Nahrung gab ihr
bald wieder Kräfte. Kleine Spaziergänge erzeugten wieder Heiterkeit.
Die frische Luft hauchte wieder Rosen auf die Wangen.

Herzinniger Dank stieg von den Mutterlippen zum Himmel empor.


79. Berlin.

(Eine Beifügung nach dem Subjecte.)

Die Stadt +Berlin+ ist zu einer Weltstadt geworden. In ihr hat nun der
Kaiser +von Deutschland+ seinen Sitz.

Der Umfang der Stadt wächst fast zusehends. Die Regelmäßigkeit der
Straßen ist eine Zierde von ihr. Die Prachtbauten der Regierung
erwecken Bewunderung. Die Stätten der Wissenschaft werden sorglich
gepflegt. Werke der Kunst sind in Berlin reich vertreten. Die
Sammlungen der Kunstschätze erfahren von Jahr zu Jahr Bereicherungen.

Die Helden des Volkes prangen als Prachtdenkmäler an den Straßen. Die
Fürsten des Reichs glänzen in Erzguß. Unter ihnen nimmt Friedrich der
Große den Vorrang ein. Plätze ohne Denkmäler sind überhaupt selten in
Berlin.

Der Handel der Stadt ist im Flor. Die Großartigkeit der
Fabrikwerkstätten erregt Staunen. Das Streben nach Vergnügen hat
Lustörter in Menge hervorgerufen. Natürlich wird dadurch auch die Lust
zu schwelgen gefördert. Auch soll das Verbrechen des Taschendiebstahls
in Berlin häufig vorkommen.

Die Lage der Stadt ist freilich keine sonderlich schöne. Die Umgebungen
derselben sind Sandebenen. Und eine Stadt ohne Naturreize verliert viel
an Anziehungskraft.


80. Peter.

(Die Beifügung ein Zeitwort in reiner Form.)

Der Trieb +zu spielen+ war bei dem zwölfjährigen Peter ziemlich stark
und verdrängte die Lust zu arbeiten. Kein Wunder daher, daß er in der
Schule keine Fortschritte machte. Während des Unterrichts beschäftigte
er sich oft mit den Händen unter der Tafel.

Für diese Sucht zu tändeln und den Hang zu faulenzen erhielt er zwar
oft Strafe, aber sie weckte keineswegs in ihm das Bestreben zu lernen.

Leider gesellte sich zu diesen Fehlern bei dem Peter auch noch die
Unart zu necken und zu schimpfen und die Neigung zu lügen.

Eines Tages ließ der Lehrer den Knaben zu sich kommen und sagte zu ihm:
„Peter, mein Beruf zu erziehen und meine Pflicht zu bilden werden mir
an Dir sehr schwer. Dein Streben zu wachsen im Geiste ist gleich Null.
Glaube mir, daß Du Deine jetzige Art Dich zu verhalten und zu gebaren
einst noch bitter bereuen wirst.“

Peter aber, anstatt den Vorsatz zu hören und zu gehorchen zu fassen,
überließ sich auch fernerhin in der Schule dem Drange zu träumen,
zu brüten und zu tändeln. Und so wurde nach und nach aus ihm ein
liederlicher Mensch, den endlich seine Leidenschaft zu faulenzen und
Karte zu spielen an den Bettelstab brachte.


81. Weihnacht.

(Eine Beifügung vor, eine nach dem Subjecte.)

Das +schönste+ Fest +der Kinderwelt+ war da. Die heilige Nacht der
Geburt Christi breitete ihre Flügel über die Stadt. Sämmtliche Glocken
des Domes hallten über die Dächer dahin.

Die feierliche Harmonie des Geläutes klang wie ein Gruß aus Himmelshöhe.

Auf den Straßen wogte noch lange der bunte Strom des Volkes. Die
betreßten Diener der Paläste eilten mit Packeten dahin. Die breiten
Rücken der Dienstmänner waren vielfach mit Körben belastet. Die
zerlumpten Kinder der Armuth boten ihre Pflaumenmänner feil. Bepackte
Bewohner des Landes zogen zu den Thoren hinaus. Dort huschte wol auch
bereits ein vermummter Knecht Ruprecht in ein Haus hinein. Aus den
Bäckerläden stieg der bezaubernde Duft der Weihnachtsstollen.

Die zierlichen Rouleaux der Salonfenster sind heute nicht
heruntergelassen. Bald strahlt hinter ihnen der helle Lichtglanz des
Christbaums. Bis auf die Straße herab schallt der jauchzende Jubel der
Kinder. Ihre Hoffnung auf die Christbescherung ist glänzend erfüllt.
Eine reiche Menge von Geschenken liegt vor ihnen ausgebreitet. Die
lockenden Titel der Geschichtenbücher lachen in die Augen. Das liebe
Klappern der Nüsse schlägt an die Ohren. Das tiefe Roth der Aepfel
reizt die Gaumen.

Aber nicht blos in den Palästen entzückt die holde Pracht der
Christfestkerzen. Auch das niedere Stübchen der Souterrainbewohner dort
erleuchtet ein Weihnachtslicht. Die freundlichen Gaben des Christkindes
liegen hier freilich nur spärlich zuertheilt. Der zu spendende Dank der
Kinder bleibt indeß auch für das Wenige nicht aus.

So ist jedes Haus in der Stadt heute ein Freudentempel. Das selige
Jauchzen aus den Familienkreisen steigt preisend zum Himmel hinauf.


82. Die Zigeunerkinder.

(Zwei Beifügungen vor dem Subject.)

Eines Tages ging +mein lieber+ Vater mit mir in einen Wald, erzählte
Felix. In dem Walde lagerten mehrere erwachsene Zigeuner. Ihre sechs
Kinder hüpften um sie her. Drei mächtige Buchen wölbten ihre Aeste über
den Fremdlingen zu einem Dache.

„Diese bunte Gruppe kann einem Maler Stoff zu einem Bilde geben,“
sagte der Vater. „Jener dicke Junge dort ist ein Prachtbursche. Seine
dunklen Augen funkeln wie Sterne. Sein blendendweißes Gebiß gleicht
einer Perlenschnur. Und nun sein sonnverbranntes Gesicht! Diese braune
Gesichtsfarbe vollendet seine Schönheit.

Aber auch jenes kleine Mädchen dort gefällt mir. Sein pechschwarzes
Haar sieht reizend aus. Solche volle Zöpfe sind unter unsern Kindern
etwas Seltenes. Und wieder diese strahlenden Augen! Sind diese
rollenden Augen nicht eine Pracht?

Und wie kräftig sind alle diese Kinder gebaut! Dein schwächliches
Brüderchen daheim würde sich unter dem Zigeunervölkchen sonderbar
ausnehmen. Selbst unsere sechsjährige Emma würde noch bedeutend
abstechen.

Unsere deutschen Kinder führen freilich auch kein solches Naturleben,
wie diese hier. Diese ihre gekünstelte Lebensweise thut ihrer
Körperentwickelung manchen Eintrag. Trotzdem aber geht ihr aufrichtiger
Wunsch gewiß nicht dahin, ein Zigeunerkind zu sein.“


83. Das Grab der Mutter.

(Eine Doppelbeifügung nach dem Subject.)

In einem Winkel +eines weitläufigen Kirchhofs+ lag ein Grab. Der Sand
+des leichtgewölbten Hügels+ war noch ziemlich frisch. Der Leichenstein
am oberen Ende schien nur gestern erst gesetzt zu sein.

Dieses Grab im einsamen Winkel barg eine Mutter. Die Liebe ihres treuen
Herzens hatte ihrem Leben frühzeitig ein Ziel gesetzt. Die Pflege eines
kranken Kindes erschöpfte ihre Kräfte. Die Nächte ohne erquickenden
Schlaf griffen ihre Nerven an. Endlich befiel auch sie das Fieber des
leidenden Kindes. Die Kunst der geschicktesten Aerzte vermochten sie
nicht zu retten. Die Schwäche ihres angegriffenen Körpers war zu weit
vorgeschritten. Sie starb.

Die Genesung des kranken Kindes schritt kurz darauf vorwärts. Nach
Wochen entsetzlicher Leiden konnte es endlich zum ersten Male
ausgehen. Das Grab der geliebten Mutter war dabei sein Ziel. Die
Dankbarkeit seines echtkindlichen Herzens trieb es dazu.

Eine Stunde lang saß das Kind mit den blassen Wangen am Hügel.
Thränen unsäglichen Schmerzes rannen über dieselben herab. Seufzer
über den unersetzlichen Verlust entstiegen der Kindesbrust. Ein Gebet
herzinnigen Dankes für die Liebe der Entschlafenen bewegte die Lippen.

Die Strahlen der warmen Frühlingssonne grüßten freundlich den
Hügel. Die Goldworte eines tröstenden Bibelspruches blitzten hell
vom Leichensteine herüber. An ihnen richtete sich das Gemüth des
wehklagenden Kindes sichtlich auf. Ein Lichtstrahl aus himmlischer
Höhe schien damit in sein Gemüth zu dringen. Die Thränen um die theure
Dahingeschiedene rannen spärlicher. Auf dem blassen Antlitze des Kindes
lagerte sich der Friede der stillen Gottergebung. Jenes Wort der
heiligen Schrift aber hieß: „Ich will euch wiedersehen und euer Herz
soll sich freuen.“


84. Dämmerung.

(Zwei Doppelbeifügungen nach dem Subject.)

Ein Tag +des schönen Frühlings im letztverflossenen Jahre+ ging zu
Ende. Das Gewölk +über den majestätischen Berggipfeln jenseits des
sanftbewegten Sees+ erglänzte im Purpurgolde. Das Lied der gefiederten
Sänger des frischgrünen Waldes verstummte. Dagegen erhoben nun die
Quaker im dichten Schilfe der nahen Lache ihre Stimme.

Die Heerden der reichen Güter der umliegenden Ortschaften verließen die
Weideplätze. Das Geläute der dumpfen Glocken hüpfender Rinder hallte
melancholisch daher. Die Bebauer der fruchtbaren Felder am diesseitigen
Seeufer zogen ebenfalls heimwärts.

Das Glöcklein der hölzernen Kapelle eines nachbarlichen Dorfes mahnte
zum Abendgebete. Die Häupter der biederen Bebauer jener gottgesegneten
Fluren entblößten sich. Das Gebet des lieben Heilandes Jesu Christi
entstieg stumm ihren Herzen.

Immer dichter zogen sich die Schatten der lieblichen Thäler längs
der murmelnden Bäche zusammen. Die Sterne am nördlichen Saume des
tiefblauen Himmels blickten bereits hernieder. Ein Bild des seligen
Friedens aus höheren Welten bot ringsum die Natur.


85. Der Schneemann.

(Alle Arten einfacher Beifügungen.)

Der alte Winterkönig war eingezogen. Ein blitzendes Schneegewand deckte
die Erde. Lange Eiszapfen zierten die Dächer. Gefrorene Fensterscheiben
glänzten an den Hütten.

Da eilten mehrere Knaben in den Garten. Ihre Hände begannen sogleich zu
arbeiten. Der Zweck der Arbeit war ein Schneemann.

Der Knabe Richard leitete den Bau. Robert’s Hände leisteten am meisten.
Der Sohn des Arztes konnte nur zusehen.

Bald stand ein Schneemann ohne Tadel da. Der Drang zu schaffen war
gestillt.


86. Der junge Storch.

(Alle möglichen Beifügungen vor und nach dem Subject.)

Ein +fleißiger+ Schüler +der ersten Klasse einer gewöhnlichen
Dorfschule der sächsischen Kreisdirection Dresden+ schrieb in einem
Aufsatze unter Anderem Folgendes:

Unser junger Storch auf dem bemoosten Dache der alten Scheune lugte
neugierig in die Welt hinaus. Dieser anerkannte Liebling aller
erwachsenen Glieder unserer großen Familie war etwa drei Monate alt.
Ein neckischer Einfall des ältesten Knechtes meines guten Vaters gab
ihm den Namen Davidel. Dieser sonderbare Name des jungen Storches
unseres kleinen Gutes wurde bald im Dorfe bekannt. Sogar einige große
Knaben aus dem nahen Nachbardorfe des freundlichen Gebirgsthales hatten
ihn erfahren.

Das drollige Benehmen des schmucken Kindes unseres bejahrten
Storchpaares wurde oft belacht. Am meisten freuten sich über ihn die
beiden bausbäckigen Mädchen des neuen Pfarrers unserer zahlreichen
Gemeinde. Auch die drei erwachsenen Söhne des reichen Barons auf der
reizenden Villa am romantischen Dorfende sahen zuweilen stundenlang
seinem Gebaren zu.

Die fürsorgenden Eltern unseres lieben Freundes mit den dünnen
Klapperbeinen brachten ihm des Tages mehr als einmal einen Frosch. Ein
solcher fetter Braten aus dem sumpfigen Grunde des fernen Erlenwaldes
war ihm stets sehr willkommen. Der endliche Tod eines solchen Quakers
während der tiefen Stille warmer Sommernächte war übrigens ein kurzer.
Das verzweifelte Zappeln der grünen Beine des armen Schluckers dauerte
kaum eine Minute.

Unsere stille Freude an dem munteren Firstenbewohner der niederen
Scheune nahm indeß plötzlich ein Ende. Sein erster Ausflug auf die
umliegenden Wiesen unserer umfangreichen Flur brachte ihm den Tod. Die
sechs scharfen Krallen eines gierigen Raubvogels aus dem zwei gute
Stunden entfernten Felsengebirge umklammerten ihn. Ein wuchtiger Stoß
des mörderischen Schnabels jenes mächtigen Ungeheuers durchbohrte ihm
die Hirnschale.


B. Erweiterung des Prädikates.


87. Wilhelm.

(Das Prädikat ein Hauptwort mit Beifügung.)

  (Aus einem Briefe.)

Wilhelm hat einen +hellen+ Kopf. Sein Wesen hat +viel+ Einnehmendes. Er
war stets ein Muster der Schule. Er ist deshalb auch der Liebling des
Lehrers. Bald wird er der Oberste der Klasse werden. Diese Beförderung
ist dann sein Lohn. Sie ist auch meine Freude. Wilhelm ist ja mein
Freund.

Wilhelm wird einmal Lehrer der Rechnenkunst. Er hat auffallende Lust
dazu. Gewiß wird er ein Rechnenlehrer ohne Tadel. Vielleicht wird er
gar einmal der Rechnenmeister Adam Riese der Zweite.


88. Der Affe.

(Das Prädikat ein Hauptwort mit mehreren Beifügungen.)

Der Affe ist das +drolligste+ Thier +unserer zoologischen Gärten+. Sein
neckisches Wesen wird oft +der Gegenstand allgemeinen Gelächters+. Die
Affenkäfige sind daher auch die stärksten Anziehungspunkte der lieben
Kinderwelt.

Die Kletterbewegungen der Affen sind oft wahre Kunststücke der höheren
Turnerei. Ihre Schwänze haben dabei den nützlichen Dienst einer fünften
Hand.

Der Affe hat fast stets einen ausgezeichneten Appetit nach süßem
Naschwerke. Seine Freßweise hat den entschiedenen Charakter
heißhungriger Gier.

Er ist kein friedliebender Freund seiner mitgefangenen Kameraden.
Schnell wird er oft ein leibhaftiges Bild des heftigsten Jähzorns.
Seine Zähne sind dabei die gefährlichen Dolche seiner heimtückischen
Rachsucht.

Wohl aber ist der Affe ein großer Freund der schönen Tugend der
Reinlichkeit. Diese Reinlichkeitsliebe ist eine der rühmlichsten
Eigenschaften des gesammten Affengeschlechts.

Der Nachahmungstrieb ist eine allbekannte Eigenschaft der Vierhänder.
Er wurde freilich schon oft die traurige Ursache der lebenslänglichen
Gefangenschaft des südländischen Thieres.


89. Hochmuth.

(Möglichste Erweiterung des Subjects und Prädikats, insofern beide blos
Hauptwörter sind.)

+Jener alte+ Nachtwächter +des kleinen Dorfes Muschelthal an dem
bewaldeten Fuße des steilen Kuffenberges+ ist der einzige Bruder des
reichen Fabrikherrn Hartkopf in dem freundlichen Städtchen Clervaux an
der Aube.

Der greise Wächter in den finsteren Nächten hat kaum die einfache
Nothdurft des täglichen Lebens in seiner ärmlichen Hütte am einsamen
Dorfende. Der verwöhnte Gaumen des vornehmen Bruders dagegen hat stets
eine glänzende Auswahl der leckersten Speisen aus den entlegensten
Fruchtgärten der südlichen Länder.

All seine geschäftlichen Unternehmungen im großen Bereiche der
vielzweigigen Eisenfabrikation waren von den günstigsten Umständen
begleitete Griffe in das launenhafte Rad des menschlichen Glückes.

Dieser beneidenswerthe Schwelger an reichbesetzter Tafel ist indeß
die erbärmliche Kreatur des grenzenlosesten Hochmuths. Dadurch aber
wird der glückliche Besitzer aller äußern Annehmlichkeiten des
irdischen Lebens zum schnöden Verleugner der heiligsten Pflichten des
menschlichen Herzens. Der stolze Inhaber jener großartigen Fabrik im
fernen Frankreich hat nicht die geringste Spur von brüderlicher Liebe
zu dem armen Nachtwächter. Dieser schwächliche Greis wird sicher noch
ein bemitleidenswerther Bewohner des heimatlichen Armenhauses. Der
gewaltige Reichthum des hartherzigen Bruders ist nicht einmal ein
schwacher Halm der Hoffnung auf einstigen Schutz vor einem traurigen
Ende. Des armen Alten letzter Freund wird der von allem Uebel erlösende
Friedensbote aus den seligen Räumen des ewigen Himmels sein.



Ergänzungen.


1. Des Zeitwortes.


~A.~ Einfache.


90. Der Schmetterling.

Im ersten Falle.

Das Schmetterlingsei ward +eine Raupe+. Die Raupe wurde eine Puppe.
Die Puppe wird ein Schmetterling. Diese Verwandlung bleibt ein
Naturräthsel. Sie bleibt ein Wunder. Des Wunders Schöpfer heißt Gott.


91. Ohne Glauben.

Im zweiten Falle.

Der Ungläubige entsagt +der Kindschaft mit Gott+. Er vergißt die
Wohlthaten des Himmelsvaters. Er spottet der göttlichen Gnade. Seine
Hand entsagt der Hilfe von oben. Er gedenkt nicht des Endes. Sein Herz
entbehrt alles Trostes. Der Ungläubige bedarf unserer zurechtweisenden
Hand.


92. Der echte Christ.

Im dritten Falle.

Der echte Christ glaubt +dem Evangelio+. Das Gesetz des Herrn befiehlt
+ihm+. Er gehorcht dem Gesetze. Sein ganzes Leben gehört dem Höchsten.
Sein Herz vertraut dem allgütigen Himmelsvater. Es folgt ihm. Es dankt
ihm. Dem Allgütigen gebührt ja alle Ehre.

Der falsche Christ zürnt dem Gläubigen. Er mißtraut ihm. Er flucht ihm
wol gar. Er schadet seiner Ehre.

Der fromme Christ verzeiht einem solchen Uebermüthigen. Er vergibt
seinem Feinde. Er lebt seinem göttlichen Vorbilde nach.


93. Jakob.

Im vierten Falle.

Jakob besaß +viel Schlauheit+. Er überlistete +den Esau+. Dadurch
erhielt er +das Recht der Erstgeburt+. Er betrog seinen blinden Vater.
Dadurch erschlich er den väterlichen Segen.

Gott aber strafte den Sünder. Den Esau erfaßte die Wuth. Er ballte die
Fäuste. Seine Lippen schäumten Zorn. Er haßte den Bruder. Er wollte die
erlittene Schmach rächen. Seine Hand wollte den Betrüger erwürgen.

Rebekka vernahm den Racheschwur. Entsetzen ergriff ihr Mutterherz. Sie
erkannte die Gefahr. Sie fürchtete den Erzürnten. Sie rief den Jakob.
Schnell war ein Rettungsplan geschmiedet. Ihr Liebling mußte die Flucht
ergreifen.

Auch Rebekka belog nun den blinden Alten. Sie scheute diese Sünde
nicht. Die Lüge sollte Jakob’s Sicherheit bewirken.

Jakob trat die schwere Reise an. Er hatte großen Kummer zu tragen. Er
mußte die zärtlich liebende Mutter verlassen. Er mußte alle häuslichen
Bequemlichkeiten entbehren. Er mußte die theure Heimat meiden. Eine
schwere Schuld belastete sein Herz. Ihn drückte das böse Gewissen. Die
Reue quälte sein Gemüth. Vielleicht feuchteten Thränen seine Augen.

So verfolgte die Strafe den Sünder. So zeigte der Herr seinen gerechten
Arm.


94. Der Lügner.

(Rückbezügliche Zeitwörter. Vierter Fall.)

Moritz entehrte +sich+, indem er der Lüge Freund war. Hatte er +sich+
einmal beschmutzt, bemühte er sich, die Schuld auf Andere zu schieben.
Er beklagte sich wol gar, daß ihn ein gewisser Knabe mit Koth beworfen
habe.

Diese Lügenhaftigkeit verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Einmal
beschäftigte sich Moritz im Schlafzimmer. Dort befanden sich
Streichhölzchen. Mit diesen spielte er. Die Hölzchen aber entzündeten
sich. Das Feuer griff schnell um sich. Vergebens strengte er sich an,
es zu löschen. Es ließ sich nicht mehr dämpfen. Schon bewegte es sich
an einem Vorhange empor.

Moritz entsetzt sich. Er will sich entfernen. Er möchte sich am
liebsten verstecken. Da tritt sein Vater herein. Dieser besinnt sich
nicht lange. Er faßt sich schnell und reißt den Vorhang herunter. Dabei
verbrennt er sich zwar, aber der Schmerz läßt sich ertragen. Die Flamme
züngelt noch einmal empor. Bald aber hat sie sich doch unterdrücken
lassen.

Moritz erdreistet sich aufs neue zu lügen. Darüber betrübt sich der
Vater. Er läßt sich jedoch nicht täuschen. Er überzeugt sich, daß
Moritz das Unheil angerichtet habe. Dieser sieht sich bald überführt.
Die Strafe blieb natürlich nicht aus. Moritz schämte sich. Zum Glück
änderte er sich bald. Er legte die Lügen ab. Er besserte sich.


95. Der Verschwender.

(Alle vier Fälle. Einfache Ergänzung.)

Valentin war +der Sohn eines reichen Edelmannes+. Sein Vater hatte
mehrere Güter. Er hieß ein Millionär. Alle diese Schätze wurden
Valentin’s Eigenthum. Der reiche Erbe aber wurde ein Verschwender.

Sein Charakter entbehrte +aller Grundsätze+. Er vergaß die Mahnungen
seines seligen Vaters. Er achtete nicht der Mahnungen der Vernunft. Er
spottete jeder Arbeit.

Valentin huldigte +allen Untugenden+. All sein Denken galt den
sinnlichen Genüssen. Er fröhnte allen erdenklichen Leidenschaften. Aber
die Strafe folgte dem Laster. Valentin schadete seiner Gesundheit.

Er verlor +alle Achtung+. Sein Vermögen ging den Krebsgang. Seine
guten Freunde verließen ihn. Die Gläubiger dagegen suchten ihn auf.
Schließlich verhaftete ihn das Gericht. Den einstigen Millionär
beherbergte ein Gefängniß. Valentin erhielt eine lange Freiheitsstrafe.

Endlich hatte er sie verbüßt. Aber er war nun ein Bettler. Jetzt erst
gedachte er der wohlgemeinten Rathschläge seines Vaters. Sein Gemüth
erlag der Reue. Er starb den Tod eines Untergegangenen.


96. König und Volk.

(Die Ergänzung durch Hauptwörter mit Verhältnißwörtern.)

Ein König lebt +seiner Stellung gemäß+. Er glänzt infolge seiner Würde.
Kraft seiner Macht regiert er. Vermöge seines Heeres schützt er.
Zufolge seiner Gewalt kann er strafen. Er straft laut der Gesetze.

Das Volk steht +unter dem Gesetze+. Der brave Unterthan lebt nach
den gegebenen Verordnungen. Er schweigt zu den Reden der Aufrührer.
Seine Gedanken stimmen für den Frieden. Er denkt an die Schrecken
einer Revolution. Sie drängt zu schrecklichen Greueln. Sie führt durch
Menschenblut.


97. Im Sturme.

(Die Ergänzung ein Zeitwort in reiner Form.)

Der alte Donnergott beliebt +zu grollen+. Der Himmel beginnt +zu
dunkeln+. Der Sturm fängt an zu toben. Das Schiff sucht zu entkommen.
Es strebt einzulaufen. Das Fahrzeug hebt an zu kämpfen. Es scheint zu
bersten. Es droht zu sinken. Der Kapitän aber hofft dennoch zu siegen.

Er befiehlt zu kappen. Er verordnet zu kreuzen. Das Matrosenvolk indeß
fürchtet zu stranden. Es wünscht zu ankern.

Da mahnt der Kapitän zu gehorchen. Endlich beginnt er zu fluchen. Er
droht zu züchtigen. Er gedenkt sogar zu schießen.

Der Kapitän verfügt aufs neue zu kreuzen. Die Matrosen beschließen zu
gehorchen. Es gelingt endlich anzulegen. Das Schiff ist gerettet.


98. Die Wahrheit.

(Einfache Ergänzung. Alle vier Fälle.)

Die Wahrheit siegt kraft ihrer Macht. -- Sie stammt aus dem Himmel. --
Christus zeugte von ihr. -- Er starb sogar für sie. -- Was hatte er zu
dulden!


99. Die Eisenbahn.

(Wiederholung aller Ergänzungen mit Verhältnißwörtern.)

Ein Eisenbahnzug wird vermöge der Dampfkraft bewegt. Die Wagen rollen
auf eisernen Geleisen dahin. Man staunt über die Fahrgeschwindigkeit.
Die Mitfahrenden wähnen zu fliegen.

Die Eisenbahnen wirken auf alle Handelsverhältnisse wohlthätig ein.
Sie halten auf strenge Pünktlichkeit. Die Fahrten hängen nicht von der
Witterung ab.

Ihr Nutzen wird von dem Publikum auch verstanden. Die Eisenbahnen
streben daher nach immer größerer Ausdehnung.

Eine Eisenbahnfahrt leidet zwar auch an Schattenseiten. Die Zeitungen
berichten sehr oft von Eisenbahnunfällen. Zuweilen rennt ein Zug an
den andern. Wagen kommen aus den Geleisen. Infolge dieser Ereignisse
verunglücken namentlich viele Bahnbeamte. Manche verunglücken freilich
auch zufolge ihrer Unvorsichtigkeit. Viele denken gar nicht mehr an die
Gefahr. Sie bauen leider zu sehr auf ihre Sicherheit. Einzelne wagen in
dieser Hinsicht wol gar zu freveln.

Trotz alledem aber steht der Segen der Eisenbahnen weit über ihren
Nachtheilen.



Hauptwiederholung.


100. Der Geburtstag.

(Erweitertes Subject. Prädikat und einfache Ergänzung.)

Das einzige Söhnchen eines reichen Kaufmanns in dem schöngelegenen
Dorfe S. feierte seinen achten Geburtstag.

Der freundliche Vater des lieben Knaben hatte alle artigen Gespielen
der nächsten Nachbarschaft eingeladen.

Sein biederes Vaterherz war dem frohen Treiben einer lustigen
Kinderschaar hold.

Auch der lieben Mutter des munteren Willi gefiel ein solch heiteres
Kränzchen aus dem glücklichen Reiche lebensfroher Kinder.

Der hellerleuchtete Salon des wohlhabenden Kaufmanns nahm das fröhliche
Völkchen der zahlreichen Festgeladenen auf.

Der bunte Kranz der lebendigen Schaar entwickelte ein jubelndes Leben.

Die umsichtigen Eltern des blondlockigen Geburtstagskindes hatten für
allerhand Unterhaltungen aus dem großen Bereiche der kindlichen Spiele
gesorgt.

Sogar der alte Onkel des gefeierten Willi hatte eine allerliebste
Auswahl verschiedener Belustigungsgegenstände mitgebracht.

Die heitere Kinderschaar des traulichen Kreises folgte der freundlichen
Einladung zum Spiele.



Doppelte Ergänzung.


101. Der Thierquäler.

(Im vierten und zweiten und vierten und dritten Falle.)

Ein Herr beschuldigte +einen Fuhrmann der Thierquälerei+. Der
Fuhrmann zieh ihn dafür der Lüge. Der Herr aber überführte ihn der
Schandthat. Er versicherte sich seiner Person. Schließlich übergab er
den Thierquäler der Polizei. Die Polizei aber überlieferte den rohen
Menschen dem Gerichte.

Der Fuhrmann suchte den Richter seiner Unschuld zu versichern. Jener
Herr belehrte indeß den Mann des Gesetzes eines Besseren. Der Richter
verwies den Angeklagten seiner Lüge. Er überhob ihn schließlich aller
weiteren Selbstvertheidigung.

Das Strafurtheil beraubte den Fuhrmann seiner Freiheit. Es überwies
ihn dem Gefängnisse. Das Fluchen des Verurtheilten entband ihn der
Verbüßung der Strafe nicht. Nur die Milde des Richters entließ ihn
schließlich der Haft.


102. Oskar.

(Rückbezügliche Zeitwörter. Im dritten und vierten Falle.)

Der begabte Oskar ließ +sich+ an einem Schauladen +von einem schönen
Bilde+ fesseln. Er erbaute +sich+ förmlich +an der herrlichen
Zeichnung+. Er nahte sich der Kunstschöpfung wiederholt mit stiller
Bewunderung.

Bald darauf besprach er sich mit seinem Vater. Der Vater entschloß
sich zum Leihen des Bildes. Oskar verpflichtet sich dafür zum Copiren
desselben. Er fürchtet sich nicht vor der Schwierigkeit.

Tagtäglich widmet er sich nun der Künstlerarbeit. Zwei Wochen quält er
sich mit dem Anlegen der Figuren. Drei Wochen plagt er sich mit der
Schattirung. Endlich ist die Copie fertig. Welch ein Genie spricht sich
in ihr aus! Sie läßt sich kaum von dem Originale unterscheiden.

Der Vater betrachtet sie. Er giebt sich lange dem Staunen hin. Endlich
spricht er zu Oskar: „Mein Sohn! Du neigst Dich ganz zur Kunst hin. Du
sollst Dich ihr auch ergeben dürfen.“


103. Eine Verirrung.

(Rückbeziehung. Vierter und zweiter Fall.)

Der Korporal Schimmel befleißigte +sich der größten Pünktlichkeit+.
Er entledigte +sich aller dienstlichen Aufträge+ aufs sorgfältigste.
Er entäußerte sich oft sogar seiner freien Zeit. Seine soldatische
Ausbildung entzog sich jedem Tadel. Während seiner ganzen Dienstzeit
durfte er sich keiner Pflichtverletzung anklagen.

Später wurde er Offizier. Leider schämte er sich nun seiner niederen
Abkunft. Er erinnerte sich nicht gern mehr seiner armen Eltern. Er
enthielt sich sogar des Besuchs derselben.

Erst nach vielen Jahren besann er sich eines Besseren. Er entschlug
sich der stolzen Gedanken. Die dankbare Kindesliebe bemächtigte sich
wieder seines Herzens.


104. Bestrafte Eitelkeit.

(Doppelte Ergänzung. Vierter und vierter Fall.)

Otto’s Sparbüchse hatte sich wieder +um einige Thaler+ bereichert. Da
erklärte sich der eitle Knabe +für den Ankauf einer Taschenuhr+. Bald
auch setzte er sich in den Besitz einer solchen Zeitmesserin. Fast
alle Augenblicke sah er sich die Uhr an. Bald aber wunderte er sich
über ihren Gang. Sie kehrte sich wenig an die rechte Zeit. Sie ließ
sich zuweilen sogar an das Gehen erinnern.

Da entschloß sich Otto zur Selbsthilfe. Er wagte sich an das innere
Werk. Endlich machte er sich gar an die Räder.

Die Uhr aber rächte sich für diese Kühnheit. Sie bewegte sich nicht
mehr von der Stelle. Otto ärgerte sich über diese Tücke. Die Uhr
kümmerte sich indeß nicht um seinen Groll. Sie blieb stehen. Sie war
schlecht.

Otto mußte sich als einen Betrogenen betrachten. Er sah sich jetzt um
sein schönes Geld gebracht.

Er ließ sich die Eitelkeit blenden. Lange noch grämte er sich über
seine Thorheit.


105. Großmuth.

(Ergänzung. Dritter und vierter Fall.)

Ein schwer verwundeter Zuave entsendete +einem deutschen Freiwilligen+
noch +einen Schuß+. Der Freiwillige hätte dem braunen Gesellen eine
Kugel erwidern können. Sie würde diesem sicher das Herz durchbohrt
haben. Aber der Deutsche verzieh dem tückischen Feinde die That. Er
entriß ihm blos das Gewehr. Zudem schnallte er ihm den Säbel ab. Darauf
aber verkündete er dem Zuaven die Gefangenschaft.

Der Schmerz der Wunde hatte dem Afrikaner die Wangen gebleicht. Ein
brennender Durst erschwerte ihm das Sprechen. Der Freiwillige reichte
ihm die Feldflasche. Auch ein Stück Brod gab er dem Hungrigen. Wie
mundete dem Erschöpften der Schluck Wein! Wie schmeckte ihm der Bissen
Brod!

Der Freiwillige indeß zeigte dem Gefangenen noch mehr Großmuth. Er
verband ihm seine Wunde. Er trug ihm sein Gepäck. Er bot ihm sogar
seinen Arm an.

Solcher Edelsinn rührt dem Wüstensohne das Herz. Er drückt dem
Deutschen die Hand. Er will ihm sogar die Hand küssen. Der Freiwillige
indeß entzieht ihm dieselbe.

Der Freiwillige übergab den Gefangenen dem nächsten Feldgendarm. Darauf
aber bot er den feindlichen Reihen aufs neue die Stirn. Aufs neue
zeigte er dem Feinde seinen Heldenmuth.


106. Der Geiz.

(Wiederholung der Doppelergänzungen.)

Der Geiz beraubt den Menschen vieler Freuden. Er verdüstert ihm das
ganze Leben. Er taucht das Herz in eisige Kälte. Er fesselt seine Beute
an den todten Geldkasten. Der Geizige erbarmt sich nicht einmal seines
Viehes.


107. Michel.

(Fortsetzung.)

Der alte Diener Michel bewies seinem Herrn große Treue. Dafür schenkte
ihm dieser auch volles Vertrauen. Er nannte ihn seine rechte Hand.
Er bezeichnete ihn als seinen Vertrauten. Er würdigte ihn sogar der
Mitwissenschaft seiner Vermögensverhältnisse.

Ueber diese Auszeichnung ärgerten sich die anderen Diener. Sie ergingen
sich in neidischen Bemerkungen. Sie erlaubten sich wol gar Schimpfreden.

Der alte Michel aber enthielt sich aller Gegenbeleidigungen. Er
befleißigte sich der großmüthigsten Geduld. Er suchte die Mißgünstigen
nicht einmal eines Besseren zu belehren.

Endlich zeigte Jemand dem Herrn das ungebührliche Verhalten jener
Diener an. Der Herr dankte diesem für diese Mittheilung. Gleich darauf
besprach er sich mit dem Alten. Michel bewahrte sich dabei vor jeder
Anklage.

Ueber diese Biederkeit freute sich der Herr abermals. Jene Diener aber
erhielten von ihm harte Strafe. Er entließ sie ihrer Stellung.


108. Eine Jubelfeier.

(Wiederholung. Subjecte, Prädikate, Ergänzungen erweitert.)

Der allgütige Vater aller Menschenkinder ließ den ehrwürdigen Pfarrer
des großen Fabrikdorfes W. an der gebirgigen Grenze des böhmischen
Landes den schönen Tag seines fünfzigjährigen Amtsantrittes erleben.

Die sämmtlichen Einwohner des belebten Ortes zollten dem greisen Hirten
ihrer Seelen die aufrichtigste Theilnahme ihrer biederen Herzen.

Selbst die verschiedenen Kreise der wohlgesitteten Schuljugend
bezeugten dem freundlichen Inspector ihrer geliebten Bildungsstätte den
ungeheucheltsten Antheil an seinem seltenen Glücke.

Die wohlhabenden Bewohner des umfangreichen Kirchspiels hatten es sich
bedeutende Opfer an baarem Gelde kosten lassen.

Die heutige Feier eines so bedeutungsvollen Festes sollte auf die
gesammte Einwohnerschaft einen bleibenden Eindruck machen. Das
gutgeschulte Musikchor des bevölkerten Ortes brachte dem frohbewegten
Jubelgreise eine erhebende Morgenmusik nach Compositionen alter Meister.

Auch die weithallenden Glocken des fahnengeschmückten Thurmes sendeten
dem gottbegnadigten Priester der ehrsamen Gemeinde die jubelnden Grüße
ihrer ehernen Zungen.

Mehrere große Ehrenpforten mit sinnigen Inschriften gaben den
verschiedenen Aufgängen zu dem mit frischen Blumenkränzen gesäumten
Gotteshause ein festliches Gepräge.

Eine ziemliche Zahl angesehener Glieder der dankbaren Kirchfahrt
überreichte dem hochgeachteten Verkünder des göttlichen Wortes eine
wunderschöne Prachtbibel mit schwerem Goldbeschlage.

Die bemittelten Jünglinge des kleinen Nebendorfes N. schenkten ihrem
alten Beichtvater eine silberne Dose von dem berühmtesten Goldarbeiter
der fernen Residenz.

Und so wurden dem überraschten Jubelgreise noch verschiedene Geschenke
der kostbarsten Art von seinen theilnehmenden Kirchkindern überbracht.

Der gefeierte Alte freute sich der herrlichen Festgaben seiner
geliebten Gemeinde.

Noch mehr aber freute sich der Freudenthränen weinende Seelenhirt über
die ungekünstelte Theilnahme der braven Herzen seiner von ihm treu
gehüteten Heerde.

Ein allgemeines Volksvergnügen zu Ehren des seltenen Tages gab dem
schönen Feste aufrichtiger Dankbarkeit einen heiteren Abschluß.


2. Ergänzung der Eigenschaftswörter.


109. Judas.

(Im zweiten Falle.)

Judas war schon längst +des Geizes+ verdächtig. Er war nie +der Armen+
eingedenk. Sein Herz zeigte sich +alles Mitleids+ quitt.

Nie war er sich der Liebe seines Herrn bewußt. Wohl aber schien er
der Heuchelei fähig zu sein. Diese Eigenschaften machten ihn der Huld
seines Herrn unwürdig.

Judas ging seines Heils verlustig. Er machte sich des heillosesten
Verrathes schuldig. Und so wurde er einer schweren Sünde theilhaftig.

Er war der Pläne der schändlichen Pharisäer kundig. Einer Belohnung
ihrerseits durfte er gewiß sein. So beging er den schändlichen Verrath.

Aber jede böse That ist ihrer Strafe gewiß. Judas wurde sich seines
Verbrechens bewußt. Die Reue folgte. Sein Gemüth war alles Haltes
ledig. Sein Herz war aller Hoffnung auf Vergebung bar. Er wurde endlich
der quälenden Gewissensbisse müde. Sein Ende war Selbstmord. Immerhin
aber ist dieser gefallene Jünger des Mitleids bedürftig.


110. Strenge Zucht.

(Dritter Fall.)

Strenge Zucht ist +manchem Kinde+ lästig. Schon ein leiser Tadel
ist ihm ärgerlich. Ernste Zurechtweisungen werden ihm widerlich. Am
unangenehmsten ist ihm die Ruthe. Diese aber ist manchen Kindern gerade
sehr nützlich. Jede Strafe ist überhaupt dem Empfänger heilsam.

Das Kind ist dem Vater lieb. Des Kindes Seelenwohl ist ihm nicht
gleichgiltig. Seine Erziehung ist ihm wichtig. Er selbst ist dem
Strafen abhold. Das Züchtigen wird ihm schwer. Bleibt aber das Kind
dem Guten nicht treu; wird ihm der Gehorsam zu schwer; ist ihm die
Wahrheitsliebe nicht eigen; ist ihm der Fleiß zu unbequem; dann straft
er. Dadurch soll dem Kinde das Vergehen bewußt werden. Es soll ihm leid
sein. Es soll den Untugenden in Zukunft feind bleiben.


111. Die alte Linde.

(Im vierten Fall.)

Hinter meinem Vaterhause stand eine Linde. Sie mochte wohl +hundert
Jahre+ alt sein. Sie stand auf einem Hügel. Derselbe war etwa +zehn
Meter+ erhaben. Der Stamm der Linde war zwei Meter dick. Sie war im
Ganzen etwa fünfzig Meter hoch. Der Umfang ihrer Aeste war dreißig
Meter breit.

Später wurde diese Linde gefällt. Ihr Holz war an die dreißig Thaler
werth. Der Kessel, in dem sie gestanden hatte, war drei Meter tief.
Zudem war das Loch wenigstens fünf Meter breit.

Der Lindenstamm sollte nun zerschnitten werden. Aber die Säge langte
nicht zu. Ihr Bügel stand zwanzig Centimeter zu niedrig. Das Sägenblatt
war sechzig Centimeter zu kurz. Man mußte deshalb den Stamm wenden.

Es wurde eine andere Linde gepflanzt. Diese war freilich etwa
neunundneunzig Jahre jünger.


112. Der Knochen.

(Ergänzung der Eigenschaftswörter durch ein Verhältnißwort.)

Im Hofe, erzählte ein Vater, lag ein fetter Knochen. Links von ihm
kauerte eine Katze. Rechts davon saß Ammi. Beide waren +auf den
Knochen+ förmlich versessen. Der Magen einer Katze ist überhaupt
stets gierig +auf Fraß+. Ihre Augen sind lüstern nach jedem Stückchen
Fleische. Sie ist daher fortwährend zum Naschen bereit.

Nicht weniger war Ammi auf den Knochen erpicht. Auch Hundemagen sind ja
auf Fleisch zuweilen sehr begierig.

Lange saßen die beiden Gegner einander gegenüber. Die Katze schien
auf einen kühnen Sprung vorbereitet zu sein. Ebenso schien auch Ammi
auf einen Gewaltstreich gefaßt. War er doch auch zum Apportiren wohl
abgerichtet.

Man mußte auf den Ausgang gespannt sein. Da plötzlich krümmt die Katze
den Rücken. Somit sind ihre Füße zum Sprunge eingerichtet. Ihr Auge
sprüht förmlich Funken. Sie ist wie von einem bösen Geiste besessen.
Ein gewaltiger Satz -- und der Knochen ist in ihrer Gewalt. Im Nu
sitzt sie damit auf dem Baume. Sie ist stolz auf ihre Beute.

Ammi scheint einen Augenblick vom Schreck ergriffen zu sein. Bald aber
kommt er wieder zur Besinnung. Er ist ergrimmt über die Frechheit der
Katze. Er ist entrüstet über die eigene Dummheit. Aber Alles zu spät.
Ihm bleibt blos das Nachsehen.


113. Der Löwenbändiger.

(Wiederholung der Ergänzungen der Eigenschaftswörter.)

Die Straßenecken sind von neugierigem Publikum umstanden. Ein breiter
Anschlagbogen ist mit großer Schrift bedruckt.

Ein Löwenbändiger will heute Abend eine Vorstellung geben. Solchen
grassen Schauspielen ist das Volk sehr zugethan. Die Sucht nach
Schauerlichem war stets der großen Menge eigen. Freilich ist dieser Zug
des Menschen nicht recht würdig.

Die angezeigte Stunde schlug. Das Volk versammelte sich.

Der Löwenkäfig war drei Meter hoch. Zudem war er sechs Meter lang und
vier Meter tief. Das Eisengitter schien mehrere Zentner schwer zu sein.

So war der Käfig für einen Löwen sehr bequem. Das majestätische Thier
aber schien über die gaffende Menge etwas erregt zu sein. Ihr Tumult
war ihm ärgerlich. Er schien des Beschauens förmlich müde zu werden.

Endlich erschien der Löwenbändiger. Er mußte wohl aller Furcht ledig
sein. Gewiß war er sich seiner Uebermacht über das Thier bewußt. Er
trug ein Lamm unter dem Arme.

Das Publikum war über sein Erscheinen erfreut. Es war ja auf die
Vorstellung äußerst gespannt.

Der Löwe wurde ob des Lämmchens etwas unruhig. Seine Augen wurden nach
dem Braten lüstern. Aber er blieb des Gehorsams eingedenk. Er war ja
auf Selbstbeherrschung abgerichtet. Und er war ihrer auch vollkommen
mächtig.

Das Lämmchen wird ob des Unholds keineswegs ängstlich. Es ist an den
Anblick gewöhnt. Es scheint sich seiner Unantastbarkeit bewußt zu sein.

Der Löwe gehorcht aufs Wort. Er ist zu allen Sprüngen willig. Er ist zu
jeder Unterwürfigkeit bereit. Nicht einer einzigen Widersetzlichkeit
macht er sich schuldig. Der Stock würde ihm sonst auch gewiß sein.
So ist er schließlich einer Belohnung sicher. Und ein Stück rohes
Pferdefleisch ist seinem Magen sehr erwünscht.

Die Vorstellung lief ohne Unfall ab. Der kühne Löwenbändiger schien dem
Händeklatschen der erstaunten Menge nicht feind zu sein. Ihr Beifall
war ihm angenehm. Dankend trat er ab.



Hauptwiederholung.


114. Der Dieb.

(Erw. Subj. u. Präd. Ergänz. d. Zeit- u. Eigenschaftsw.)

Der älteste Sohn des braven Zutreibers des verschiedenen Schlachtviehes
in der belebten Stadt R. war des schlauen Diebstahls einer goldenen
Taschenuhr verdächtig.

Deshalb wurde dieser längstbekannte Freund des leichtsinnigen
Umhertreibens des freien Verkehrs mit seinen liederlichen Genossen
verlustig.

Die düstere Zelle des einsamen Gefängnißthurmes inmitten der alten
Stadtmauer schien freilich dem großen Verehrer eines ungebundenen
Lebens nicht angenehm zu sein.

Der kluge Vorsitzende des städtischen Gerichts war auf ein freches
Ableugnen der gesetzwidrigen That von seiten des durchtriebenen
Burschen vorbereitet.

Das gesammte Personal des löblichen Schöppengerichts war indeß von der
nichtswürdigen Veruntreuung fremden Eigenthums durch jenen schlauen
Jünger der gefährlichen Taschendiebe überzeugt.

Das kecke Ableugnen des schmählichen Vergehens mußte daher dem
verstockten Uebertreter des siebenten Gebotes nur nachtheilig sein.

Die gesammte Bewohnerschaft der mittelgroßen Stadt war auf das endliche
Strafurtheil der gewissenhaften Richter gespannt.

Die schließliche Bestrafung mit zehn langen Monaten schwerer Arbeit
auf dem strengen Zuchthause der nahen Festung N. war für jenes räudige
Mitglied der menschlichen Gesellschaft nicht zu hart.



Der Umstand des Ortes.


115. Eine Stätte der Armuth.

(Wo? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Das enge Stübchen der alten Mutter Beate bot ein trauriges Bild. +In
einem düsteren Winkel+ erblickte man ein Häufchen halbvermodertes
Stroh. +Auf demselben+ lagen einige zerlumpte Kleidungsstücke. Hier
schlief die arme Alte. Oberhalb ihres Kopfes hatte ihre Katze ihr
Nachtlager aufgeschlagen.

Neben dieser elenden Ruhestatt der bejahrten Beate stand ein morsches
Tischchen. An diesem saß sie gewöhnlich. Dabei huschelte die Katze
hinter ihrem Rücken. Der Tisch war zugleich der Aufbewahrungsort für
die ärmlichen Nahrungsmittel. Hier lag ein Laib Brod. Vorn war derselbe
mit Schimmel bedeckt, hinten hatten ihn die Mäuse benagt. Dort stand
ein Rest gekochter Kartoffeln. Mitten auf dem Tische erblickte man
eine thönerne Kaffeekanne. Vor ihr stand eine halbzerbrochene Tasse.
Zwischen beiden sah man ein Häuflein grobes Salz.

Dicht bei der Thür knisterte ein kleiner Blechofen. Eine Hand
voll dürrer Aeste lag zu seinen Füßen. An der einen Wand hing ein
verblichenes Christusbild. Unter ihm war ein handgroßer Spiegel
befestigt. Rechts davon erblickte man das Bildniß des Landesvaters.
Links davon sah man ein aus einem Kalender geschnittenes
Schlachtenbild. Die Wände selbst befanden sich in einem sehr kläglichen
Zustande. Oben drang das Regenwetter herein. Unten war das Gebälk vom
Moder zerfressen. Ueber dem einzigen Fensterchen zeigte sich sogar ein
fast einen Centimeter breiter Riß.

So fand das Auge nirgends eine kleine Befriedigung. Ueberall trat ihm
das Bild der Armuth entgegen.


116. Sturax.

(Wohin? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Der alte Schäfer Thomas hatte einen vortrefflichen Jagdhund. Er hieß
Sturax. Sturax war ein überaus kluges Thier. Er kannte die besten
Weideplätze ganz genau. Bald trieb er deshalb die Schafe +links+ dahin.
Bald führte er sie +rechts+. Jetzt mußten sie +vorwärts+ gehen. Nach
einer Weile drängte er sie seitswärts. Er selbst rannte dabei stets hin
und her. In diesem Augenblicke eilte er +dorthin+, im nächsten jagte er
wieder hierhin.

Im späteren Herbste durfte sich die Heerde überallhin zerstreuen.
Einige Schafe begaben sich dann nach dem nahen Waldrande. Andere
grasten an einem Bache fort. Eine Anzahl kletterte auf die Hügel.
Einzelne zogen sich unter Gebüsch zurück.

An solchen Tagen legte sich Sturax meist zu den Füßen des alten Thomas.
Ohne Auftrag lief er dann nirgends hin. Seine Augen aber flogen dabei
hinüber und herüber. Sie verfolgten die einzelnen Schafe bergauf und
thalab.

Endlich sank dann die Sonne hinter die fernen Gebirgshäupter.
Dämmerung lagerte sich über die Flur. Da gab Thomas das Zeichen zur
Heimkehr. Sogleich trieb Sturax die zerstreute Heerde zu dem Hirten
zurück. Langsam schritt dieser nun voraus. Geduldig folgte die Heerde
durch Dick und Dünn. Hierbei übte Sturax wieder das Wächteramt nach
allen Seiten hin.

So gelangte die Schaar endlich vor den Schafstall. Aber auch hier trat
der treue Hund noch nicht ab. Er begleitete sein Volk noch in den Stall
hinein.


117. Treibjagd.

(Woher? Umstandswörter und Verhältnißwörter.)

Die Jäger standen in einem weiten Kreise postirt. Der Schnee fiel in
dichten Massen +hernieder+. Das störte sie nicht.

Bald erscholl das Lärmen der Treiber daher. Einige kamen +von den
Anhöhen herab+. Andere kletterten von den nahen Felsen herunter. Von
links schrillten Pfeifen. Von rechts nahten die Fuchsklappern. Wieder
wo andersher ertönte Peitschengeknall.

Das gescheuchte Wild stürzte von allen Seiten herbei. Aus dem Walde
kamen eine Menge Hasen. Rehe fegten über die kahlen Stoppelfelder
daher. Ein feister Hirsch jagte von seitwärts auf die Jäger zu.

Mochten aber die armen Thiere von daher oder dorther kommen, das Blei
aus dem Rohre der Jäger brachte ihnen den Tod.



Wiederholung der Ortsbestimmung.


118. Die Elbe.

(Wo? Wohin? Woher?)

Die Elbe entspringt auf dem Riesengebirge. Sie fließt zunächst durch
den östlichen Theil Böhmens. Bei dem Städtchen Melnik wird sie
schiffbar. Auf ihrem Rücken schaukeln hier schon bedeutende Kähne.
Unweit Schandau tritt sie nach Sachsen ein. Sachsen empfängt also den
herrlichen Strom aus Böhmen.

In der Nähe des Städtchens Strehla verläßt er den sächsischen Staat
wieder. Von hier an lenkt er seinen Lauf westlich. Sein Sinn steht nach
Magdeburg. Dort bildet die Elbe eine sehr belebte Handelsstraße. Von
Magdeburg weg steuert sie weiter nach Norden. Endlich windet sie sich
aus der nördlichen Ebene heraus. Dicht bei Hamburg nimmt sie noch eine
bedeutende Breite an. Mehrere Meilen von dieser Stadt ergießt sie sich
dann in die Nordsee.

Die Elbe nimmt auf ihrem langen Laufe viel Nebenflüsse auf. Eine große
Zahl kommt von Westen daher. Andere strömen ihr von Osten her zu.
Ihre Ufer sind fast überall sehr fruchtbar. Die reizendsten derselben
liegen zwischen Bodenbach und Schandau. Die Elbwellen tragen eine
Menge Kaufmannsgüter nach Süden. Aus der Tiefe dieses Flusses holt der
Fischer manche Delicatesse für unsern Tisch. An seinem Gestade liegt
manche schöne Stadt. Ueber seinen Spiegel führt manche schöne Brücke.
In seine Fluten taucht zur Sommerzeit manch liebes Menschenkind.


119. Die Luft.

(Fortsetzung.)

Luft gibt es überall. Sie befindet sich sogar im Wasser. Sie dringt in
den kleinsten Raum. Sie kommt aus dem winzigsten Pflanzenzellchen.

Die Luft lenkt ihre Strömungen nach allen Himmelsgegenden. Sie bläst
aus allen Winkeln der Windrose. Luft ist selbst noch im sogenannten
luftleeren Raume enthalten.

Sie erhält allenthalben das Leben. Selbst in das todte Steinreich
trägt sie Schöpfungskraft. Sie fächelt säuselnd durch die Haine. Sie
rauscht als Wind durch die Gipfel. Sie wüthet als Sturm in den Wäldern.
Sie braust als Orkan vom Meere herüber.

Des Windes Sausen hörest Du. Du weißt indeß nicht, von wannen er kommt
und wohin er fährt.



Hauptwiederholung.


120. Die neue Gutsherrschaft.

(Subject, Prädicat, Ergänzungen. Ortsbestimmungen.)

Eine mit zwei muthigen Apfelschimmeln bespannte Karosse aus der
berühmten Wagenbaufabrik der königlichen Residenz brachte dem
dichtbevölkerten Dorfe W. bei der fabrikreichen Stadt Ch. die neue
Gutsherrschaft den mit Ehrenpforten geschmückten Dorfweg daher.

Die zahlreiche Jugend des großen Schulbezirks widmete dem jungen Paare
aus einem altadligen Geschlechte am fahnengeschmückten Eingange des
frohbewegten Ortes einen mehrstimmigen Gesang nach einer reizenden
Composition des alten Cantors.

Der ehrwürdige Pfarrer des wohlhabenden Kirchspiels sprach unter
einer riesigen Linde inmitten des weitgedehnten Dorfes der mit Jubel
begrüßten Gutsherrschaft die herzlichsten Glückwünsche der gesammten
Gemeinde aus.

Der beliebte Seelsorger nannte von seinem altarähnlichen Tritte herab
den jungen Herrn einen bekannten Freund christlicher Sitte.

An dem dichtbekränzten Thore des umfangreichen Rittergutes überreichte
der bejahrte Schulze des betreffenden Ortes dem nunmehrigen Schutzherrn
der zahlreichen Bewohnerschaft ein kostbares Jagdgewehr neuester
Einrichtung.

Der liebenswürdigen Gemahlin des jungen Herrn dagegen schenkte die
schmucke Tochter des reichsten Bauers des festgestimmten Ortes auf dem
weiten Hofe des alterthümlichen Rittersitzes ein mächtiges Butterfaß
mit silbernen Reifen.

An der beflaggten Thür des sogenannten Herrenhauses übergab wiederum
die männliche Dienerschaft des gnädigen Herrn dem neuvermählten Paare
einen geschnitzten Holzteller mit einem hausbackenen Brode.

Der männlichschöne Graf freute sich im tiefsten Grunde seines
gefühlvollen Herzens der vielen Beweise vertrauensvoller Gesinnung von
seiten der biederen Ortsbewohner.

Diese sinnige Feier ihres heutigen Einzugs in ihren neuen Wohnsitz
blieb dem ehrenwerthen Paare eine freundliche Erinnerung auf den bunten
Blättern ihrer beiderseitigen Lebensgeschichte.



Der Umstand der Zeit.


121. Ein Brief.

(Wann? Umstands- und Verhältnißwörter.)

  Lieber Theodor!

+Vorgestern+ ist unsere Reise nach Amerika zur Gewißheit geworden.
+Ueber ein Kleines+ wirst Du mich also nicht mehr sehen. Mein Vater
verkauft +bereits+ unsere Möbeln. Unser Haus ist unlängst in die Hände
meines Onkels übergegangen. Derselbe wird nächstens auch meines Vaters
Geschäft übernehmen. Sie sind heute um den Kaufpreis einig geworden.

Auch ich habe soeben ein Verkaufsgeschäft abgeschlossen. Nachbars Otto
erhält nämlich heute noch meine Kaninchen. In einer Stunde werden sie
abgeholt. Für mein Eichhörnchen wird sich hoffentlich auch bald ein
Liebhaber finden. Ich habe schon mein Absehen auf Jemand gerichtet.
Es muß indeß nicht Alles sogleich verkauft sein. Es hat noch bis zum
ersten Juni Zeit damit.

Während der letzten Tage ist eine merkwürdige Veränderung mit mir
vorgegangen. Ich hatte sonst diese Thiere unendlich lieb. Jetzt kann
ich sie gleichgiltig hingeben. Vor vier Wochen bot mir ein Engländer
zwei Thaler für das Eichhörnchen. Neulich wollte er sogar drei Thaler
dafür geben. Ich hätte es ihm damals um keinen Preis abgelassen. Und
nun habe ich zehn Groschen dafür erhalten.

So herrscht gegenwärtig in meinem Hause ein eigenthümliches Leben. Vor
acht Tagen noch befand sich Alles darin in schönster Ordnung. Jetzt
geht es bunt durcheinander. Hoffentlich wird nach kurzer Zeit alles
Entbehrliche verkauft sein. In den letzten Tagen unseres Hierseins
werden wir freilich ein ziemlich ungemüthliches Leben führen müssen.
Ich tröste mich indeß während dieser Zeit mit den Worten meines Vaters.
Er sagte kürzlich: Einst wird’s besser!

Zu nächstem Sonntage werde ich Dich noch einmal besuchen. Später würde
mir ein Besuch nicht gut mehr möglich sein. Ich werde jedenfalls
vormittags gegen neun Uhr bei Dir eintreffen. Vielleicht brauche ich
erst abends heimzukehren.

Sitzen wir dann zusammen in der Laube, wird Dir noch Mancherlei von
seiner bevorstehenden Reise erzählen

  Dein Bruno.


122. Der Gemsjäger.

(Wie lange? Seit wann? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Ein Gebirgsreisender begleitete einen alten Gemsjäger +bei drei
Stunden+. Dabei erzählte der Alte +fortwährend+ von seinem Jagdleben.

„Ich bin“, sagte er unter Anderem, „seit acht Tagen von heim fort. Von
früh bis abends durchstöbere ich das Gebirge. Dabei gibt es natürlich
unaufhörlich zu steigen. Ueberdies ist man jederzeit jeder Witterung
ausgesetzt. Auch hat man fast immer mit Gefahren zu kämpfen. Namentlich
muß man auf den hohen Felsenpfaden stets auf der Hut sein. Ich habe
einmal über zwei Stunden über einem Abgrunde gehangen. Ein andermal bin
ich beinahe drei Tage ohne einen Trunk Wasser gewesen.

Die Gemsjagd ist überhaupt nicht Jedermanns Ding. Der Gemsjäger muß
oft tagelang hinter einem Verstecke aushalten. Er muß stundenlang
regungslos liegen können. Dabei muß natürlich ununterbrochen
ausgeschaut werden. Er muß ja jederzeit einer Gemse gewärtig sein. Und
das gibt unausgesetzt Aufregung.

Trotz alledem aber wird die Gemsjagd ewig ihre Reize behalten. Ich
selbst bin schon gegen vierzig Jahre Gemsjäger. Und ich werde es
bleiben bis an mein Ende.“


123. Ein alter Krieger.

(Wie oft? Umstands- und Verhältnißwörter.)

Der alte Nachtwächter Schmiedel war ein vielerfahrener Mann. Er war
+dreimal+ mit ins Feld gezogen. Er hatte +gegen zehnmal+ im Feuer
gestanden. +Jederzeit+ mußte er zu den Tapfersten gezählt werden.
Merkwürdigerweise war er jedesmal ohne Verwundung davongekommen.

Er erzählte übrigens selten von seinen Heldenthaten. Nur dann und wann
vermochte ihn ein guter Freund zur Mittheilung seiner Erlebnisse zu
bewegen. Zuweilen gedachte er dabei mit Seufzen der blutigen Jahre.
Manchmal pries er wieder jene große Zeit.

Schmiedel hatte also dem Vaterlande oft große Dienste geleistet. Er
hatte demselben mitunter große Opfer gebracht. Und jetzt? Jetzt mußte
er täglich in nächtlicher Stille das Dorf bewachen. Jetzt mußte er
Nacht für Nacht die einsame Runde machen. Nicht über zwölfmal das
ganze Jahr hindurch hatte er eine Nacht frei. Und welches war sein
Gehalt? Er erhielt allmonatlich vier Thaler. Das macht jährlich
achtundvierzig Thaler.

So ist gewöhnlich Undank der Welt Lohn. Die einstigen Thaten der
heldenmüthigen Krieger werden nicht selten später vergessen.


124. Moses.

(Wiederholung aller Zeitbestimmungen.)

Der kleine Moses war lange das Angstkind seiner Eltern. Seine Mutter
hielt ihn geraume Zeit versteckt. Sein kindliches Weinen erfüllte sie
gewiß sehr oft mit Zittern. Es konnte ja jeden Augenblick von den
ägyptischen Kindesmördern gehört werden. Um sein Leben wäre es dann
geschehen gewesen.

Seit Wochen schon mochte die geängstigte Mutter über einen Rettungsplan
nachdenken. Nächtelang mochte sie darüber sinnen. Täglich mochte sie
den lieben Gott um einen glücklichen Gedanken bitten.

Der Knabe entwickelte sich bereits merklich. Seine Stimme wurde von Tag
zu Tag heller. Noch immer aber fand die arme Mutter keinen Rettungsweg.
Und so steigerte sich fast stündlich ihre Sorge um sein Leben.
Durchstreiften doch Pharao’s Knechte wiederholt die israelitischen
Hütten.

Da endlich kam der Geängsteten ein glücklicher Gedanke. Er sollte auch
sogleich ausgeführt werden. Sie holte alsbald Weidenruthen herbei.
Schon nach wenig Stunden war ein Körbchen geflochten. Darauf klebte sie
es mit Pech aus. Jetzt füllte sie es zur Hälfte mit Stroh. Und so stand
die seltsame Wiege bald fix und fertig da.

In dieses Körbchen legte nun die Mutter ihren Liebling. In aller
Frühe des nächsten Tages erblickte man es zwischen dem hohen Grase
des Nils. Gerade an dieser Stelle kam ja selten ein Aegypter vorbei.
Nur die menschenfreundliche Königstochter nahm gewöhnlich ihren
Spaziergang in diese Gegend. Ueberdies mußte auch die Schwester des
Knaben unausgesetzt Wache halten. Sie mußte fortwährend nach dem
Kleinen sehen. Auch sollte sie zuweilen der Mutter über sein Befinden
berichten. Ueberdies sah die Mutter gewiß selbst manchmal nach ihm.

Hier nun wurde das Kind wenige Stunden darauf von der Königstochter
entdeckt. Diese besann sich ob ihres Thuns keinen Augenblick. Das
Kind wurde sofort einer Amme zur Erziehung übergeben. Die Amme war
bekanntlich des Kindes eigene Mutter.

Zehnmal hätte diese der edlen Prinzessin vor Freuden die Hand küssen
mögen. Unzählige Male mag die glückliche Mutter dem lieben Gott für die
Rettung ihres Kindes gedankt haben.

Nach einer Reihe von Jahren nahm die Prinzessin den nun zum Jünglinge
erwachsenen Findling als ihren Sohn an. Von jetzt an führte er den
Namen Moses.

Moses bewahrte seinem Volke stets ein theilnehmendes Herz. Er besuchte
es fast täglich bei seiner Sklavenarbeit. Leider wurde er eines Tages
aus Liebe zu seinen Brüdern zum Todtschläger. Er hätte sein Gewissen
vor der That fragen sollen. Es räth jederzeit das Rechte.

Moses mochte wol von Jugend an etwas jähzornig sein. In der Wüste
dachte er später gewiß zuweilen an seine That zurück. Sicher hat er sie
hundertmal bereut.



Hauptwiederholung.


125. Jäger und Müller.

(Subject, Prädicat, Ortsbestimmung. Ergänzungen.)

Der braune Hund des herrschaftlichen Jägers hatte den ersten Dienstag
nach dem heiligen Osterfeste auf dem grünen Gemeindeanger des kleinen
Dorfes K. dem reichen Müller der neugebauten Mühle eine fette Henne aus
dem theuern Geschlechte der Perserhühner erbissen.

Die nächste Mittwoch darauf erschlug der rachsüchtige Müller dem
unschuldigen Jäger unweit des alten Gottesackers hinter dem niedrigen
Kirchlein eine junge Gans mit schwarzen Flügeln.

Zudem nannte der jähzornige Mühlenbesitzer den braven Herrn jenes
Hundes denselben Tag noch in dem vielbesuchten Gasthause zum braunen
Stier einen elenden Pfuscher des edlen Waidwerkes.

Wenige Tage darauf überreichte ein uniformirter Diener des nächsten
Gerichtsamtes dem schnöden Beschimpfer eines achtbaren Mannes vor dem
eisernen Thore seines geräumigen Gehöftes eine versiegelte Vorladung
zum baldigen Erscheinen vor Gericht.

Der beleidigte Forstmann hatte nämlich drei Tage nach jener
Verunglimpfung geeigneten Ortes den ernannten Wächtern des schützenden
Gesetzes die entehrende Auslassung des hitzköpfigen Müllers angezeigt.

Drei ehrsame Gäste jenes bekannten Gasthauses versicherten zur
betreffenden Stunde im öffentlichen Gerichtslokale die anwesenden
Richter der reinen Wahrheit der schriftlichen Aussage des beleidigten
Jägers.

Eine Stunde später verkündete der beleibte Vorsitzende des Gerichts
dem ergrimmten Angeklagten in einem besonderen Zimmer des kolossalen
Gerichtshauses die gesetzliche Verurtheilung zur mündlichen Abbitte der
ausgesprochenen Beleidigung.

Von dieser Zeit an erklärte sich der bestrafte Müller allerorts als
einen unversöhnlichen Feind des Jägers.

Dieser indeß ließ jenem niemals irgendwo etwas von Erbitterung merken.



Der Umstand der Weise.


126. Mißgeschick.

(Umstandswörter, Hauptwörter mit und ohne Verhältnißwörter.)

Konrad war +unter vielen Entbehrungen+ herangewachsen. Er hatte
sein Brod +mit Thränen+ essen müssen. Trotzdem sah man ihn immer
+zufriedenen Sinnes+.

Seine Eltern waren +höchst+ brave Leute. Im Schweiße ihres Angesichts
aßen sie ihr Brod. Sie arbeiteten fleißig. Sie sparten auch nach
Kräften. Vergeblich doch strebten sie nach Verbesserung ihrer
bedrängten Lage. Sie vermochten bei allem Entsagen keinen Vorsprung
zu gewinnen. Und warum das? Weil die Lebensmittel unerhört im Preise
stiegen. Ebenso gingen die Preise aller anderen Lebensbedürfnisse
in die Höhe. Fast kein Quartal ging ohne Steigerung des Miethzinses
vorüber.

Konrad stand seinem Vater in der Arbeit treulich zur Seite. Er wollte
sein täglich Brod nicht umsonst essen. Und so war es auch recht. Gerade
so sollten alle ärmeren Kinder thun.

Konrad’s Vater war ein außerordentlich kräftiger Mann. Noch nie hatte
er sich krank gefühlt. Er lebte deshalb in Hoffnung auf ein hohes
Alter. Der liebe Gott indeß wollte es anders.

Mit neugestärkten Kräften ging der rüstige Mann eines Morgens in den
Wald. Wie ein Riese schritt er unter den Tannen dahin. Frohen Muthes
setzte er bald darauf einem mächtigen Baume die Axt an die Wurzel.
Lustig hallten die kräftigen Axtschläge den Wald entlang.

Mehrere Stunden mochte der Brave bereits angestrengt gearbeitet
haben. Da überkam ihn urplötzlich ein eigenthümlicher Schwindel. Er
legte schleunigst die Axt aus der Hand. Einige Minuten suchte er sich
nach Kräften noch zu halten. Darauf aber schwand ihm allmälig die
Besinnung. Er stürzte unter einem tiefen Seufzer zu Boden. Nach einer
Viertelstunde lag er als Leiche da.

Aufs tiefste erschüttert trugen ihn die andern Waldarbeiter heim.
Konrad vermochte das Unglück augenblicklich kaum zu fassen. Stieren
Blickes blieb er eine geraume Zeit vor der Leiche stehen. Dann aber
warf er sich mit einem Aufschrei der Verzweiflung über sie hin. Unter
heißen Thränen küßte er die kalten Lippen. Nur mit Mühe vermochte man
ihn von dem geliebten Todten zu entfernen.

Verhältnißmäßig gefaßter zeigte sich Konrad am Begräbnißtage. Ohne
lautes Wehklagen folgte er dem Sarge. In stiller Ergebung blickte er
in das offene Grab hinab. Festen Glaubens schaute er dann zum Himmel
empor. Nach frommer Weise betete er schließlich für den Geschiedenen
ein stilles Vaterunser.

So war jetzt Konrad unerwartet vaterlos geworden. Wie ein Blitz aus
heiterem Himmel hatte ihn das Geschick ereilt. Aber er verlor nicht
kleinmüthig die Hoffnung. Mit Gott auf eigenen Füßen! Also lautete von
jetzt an sein Wahlspruch. Und Gott der Herr führte ihn wohl.


127. Ein Stier.

(Desgleichen.)

Ein unlängst gefangener Stier tobte gewaltig innerhalb seiner vier
Pfähle. Funkelnden Auges maß er den engen Raum seines Gefängnisses.
Unter wildem Grunzen rannte er darin umher. Plötzlich stand er einige
Minuten still. Gleich darauf stürzte er mit wüthendem Gebrüll über
seinen Freßtrog her. Derselbe wurde ohne Gnade zertrümmert. Jetzt
wühlte das Unthier mit seinen Hörnern wie verzweifelt den Boden auf.
Dabei warf es die Erde hoch empor. Sogar Steine flogen sausend durch
die Luft. Noch aber war damit seine Wuth nicht im mindesten gekühlt.
Gesenkten Kopfes rannte es hierauf wieder gegen die eiserne Umzäunung.
Unter Gekrach prallte die dicke Stirn an die festen Stäbe. Die Bestie
schien allen Ernstes die Gitter durchbrechen zu wollen. Die Versuche
liefen allerdings nicht ohne einige Verwundungen für dasselbe ab.

Auf das furchtbare Gebrüll hin eilten die Wärter des Thiergartens
schleunigst herbei. Sie wollten anfänglich den Unhold in Güte
besänftigen. Aber sie bemühten sich umsonst. So leichten Spieles
sollten sie nicht zum Ziele gelangen.

Endlich schritten die kräftigen Männer mit Knütteln ein. Ohne Schonung
schlugen sie auf das Thier los. Wie Hagelwetter fielen die Hiebe auf
dasselbe nieder.

Nur auf diese Weise brachte man den Rasenden zur Besinnung. Dumpf
grollend zog er sich schließlich in seinen Stall zurück.



Hauptwiederholung.


128. Schulprüfung.

(Subject, Prädicat, Zeit, Ort, Art und Weise, Ergänzungen.)

Morgens acht Uhr widmete der hochbejahrte Director des städtischen
Waisenhauses von seinem schwarzen Pulte aus mit aller Innigkeit seines
weichen Herzens den anwesenden Geistlichen der protestantischen Kirche
eine ehrfurchtsvolle Begrüßung.

Der älteste unter den anwesenden Seelsorgern erwiderte gleich darauf
von seinem Platze aus in schlichter Rede dem braven Oberhaupte dieser
bewährten Wohlthätigkeitsanstalt einen herzlichen Gegengruß.

Nach der erbaulichen Religionsstunde rechnete der dreizehnjährige
Oberste der munteren Knabenschaar an der großen Wandtafel seinen
aufmerksamen Mitschülern nach den einfachsten Regeln der Rechnenkunst
ein schwieriges Exempel aus der zusammengesetzten Zinsrechnung vor.

Hierauf trug der jüngste Schüler der obersten Klasse den fremden
Anwesenden vom niederen Trittbrete des schmalen Katheders herab in
gelungenster Weise das lange Gedicht vom braven Manne vor.

Während dieses ganz vorzüglichen Vortrags warf der später eingetretene
Bürgermeister der betreffenden Stadt von seinem entfernten Sitze
aus dem wohlgeübten Declamator mit sichtlicher Freude wohlwollende
Beifallsblicke zu.

Später entwickelten mehrere Knaben der ersten Abtheilung unter
der geschickten Leitung eines gewandten Lehrers an der prachtvoll
colorirten Wandkarte des neuen deutschen Reiches der strengen
Prüfungscommission ihre bedeutenden Kenntnisse in der vaterländischen
Geographie.

Gegen zehn Uhr zeigte ein dritter Lehrer des wohlgeleiteten
Waisenhauses in einer kleinen Nebenstube unter einigen erläuternden
Bemerkungen den erwachsenen Zeugen der öffentlichen Prüfung die von den
verschiedenen Zöglingen der Anstalt gefertigten Papparbeiten.

Indessen folgten sämmtliche Zöglinge geräuschlos ihrem geschickten
Turnlehrer als militärisch geordnete Reihen auf den geräumigen
Turnplatz hinter dem wohlgepflegten Blumengarten des verdienstvollen
Directors.

Hier zeigte binnen einer Stunde ein jeder den zahlreichen Zuschauern
nach Kräften seine besondere Geschicklichkeit in der nützlichen Kunst
des Turnens.

Schließlich machte der helle Klang der lieben Mittagsglocke vom nahen
Thurme herab der munteren Arbeit plötzlich ein Ende.

Mit Schluß der gegenwärtigen Turnprüfung sprach der würdige Oberpfarrer
der schöngelegenen Stadt gleich auf dem freien Platze neben den
verschiedenen Turngeräthen ohne allen Rückhalt den fleißigen Schülern
der wackeren Anstalt seine volle Zufriedenheit mit ihren heutigen
Leistungen aus.



Der Umstand des Grundes.


129. Unverstand.

(Ursache oder Sachgrund. Durch Verhältnißwörter.)

Auf dem Tische stand eine brennende Petroleumlampe. Das Oel darin war
+durch die Flamme+ warm geworden. Der Cylinder glühte +vor Hitze+.
Da kam von ungefähr der zehnjährige Karl an den Tisch. Aus purem
Unverstande blies er in die Flamme hinein. Durch den Luftdruck aber
schlug dieselbe in den Ballon. Vermöge der plötzlichen Glut zersprang
dieser.

Karl prallte vor Schreck zurück. Infolge des Knalles sprang sein
Vater herbei. Glücklicherweise löschte er das Feuer sogleich durch
Ueberschütten mit Asche.

Der unvorsichtige Knabe hätte von Rechtswegen tüchtige Strafe verdient.
Auf sein inständiges Bitten aber erließ sie ihm der Vater. Wegen des
gehabten Schreckens wurde Karl indeß noch denselben Tag ernstlich krank.


130. Lohn der Wißbegier.

(Beweggrund.)

Der junge Bauer Ehrenreich kaufte sich +aus Wißbegierde+ ein Buch nach
dem andern. +Um der Bereicherung seiner Kenntnisse willen+ las er oft
bis in die Nacht hinein. Wegen eines neuen Werkes konnte er bei dem
schlechtesten Wetter den Weg in die ferne Stadt unternehmen. Seines
Lerndranges halber legte er sich auch naturhistorische Sammlungen an.
Später unternahm er sogar seiner Ausbildung halber größere Reisen.

Um seiner Kenntnisse willen ehrte man ihn daher auch in seinem Dorfe
allgemein. Man zog aus Achtung die Mütze vor ihm ab. Seiner reichen
Erfahrungen wegen betraute man ihn später mit verschiedenen Aemtern.
Seines klaren Urtheils halber wählte man ihn endlich sogar zum Schulzen
des Ortes. Kraft ihrer inneren Ueberzeugung hielten die Ortsbewohner
ihn allein für geeignet dazu.

Und Ehrenreich füllte um der Wohlfahrt seines Vaterdorfes willen seine
Stellung würdig aus. Nie handelte er aus Eigennutz. Nie stiftete er
Gutes blos der Ehre halber.


131. Der tolle Hund.

(Erkenntnißgrund.)

Ein Jäger sah einen Hund am Raine kauern. In dem +Gebaren des Thieres+
lag etwas Verdächtiges. Dem +Aussehen nach+ mußte er krank sein.

Der Jäger trat ihm näher. An dem geifernden Maule des Thieres erkannte
er jetzt dessen Tollwuth. Besonders deutlich sprach diese schreckliche
Krankheit aus den triefenden Augen. Der Gleichgiltigkeit des Thieres
wegen schloß der Jäger allerdings auf sein baldiges Ende. Aus seinem
jämmerlichen Winseln ließ sich die Größe seiner Schmerzen ermessen. An
seinen kläglichen Blicken hätte man fast das Verlangen nach Erlösung
erkennen mögen.

Zufolge dieser Erscheinung hielt der Jäger das Thier für nicht mehr
gefährlich. Einige Sekunden darauf machte er durch eine Kugel den
Leiden desselben ein Ende. Den jetzt sichtbar werdenden Zähnen nach
mußte das Thier noch jung sein. Laut der Inschrift des Halsbandes
gehörte es dem Arzte des nächsten Dorfes.


132. Jahrmarktsgeschenke.

(Zweck und Stoff.)

Eine Mutter brachte +für ihre Kinder+ allerhand Geschenke vom
Jahrmarkte mit. Paul bekam eine Windmühle zum Spielen. Ewald erhielt
ein Kästchen für seine Schiefer. Leopold schenkte die Mutter ein
Sprungseil zum Turnen. Elise übergab sie ein Körbchen zu ihren
Stickereien.

Mit dem Ankaufe dieser Geschenke hatte die Mutter für die armen
Blinden ein gutes Werk gethan. Alle diese Sächelchen nämlich waren im
Blindeninstitute gefertigt.

Die Windmühle war aus Pappe zusammengeleimt. Das Kästchen hatte einer
jener blinden Knaben aus Draht geflochten. Das Sprungseil war aus Hanf
geflochten. Das Körbchen mußte aus Lindenholz geschnitzt sein.

Die vier Geschwister dankten der guten Mutter aufs herzlichste für die
hübschen Sächelchen.


133. Heuchler.

(Wiederholung. Ursache. Beweggrund. Erkenntnißgrund. Zweck. Stoff.)

Heuchler erkennt man an ihren Mienen. Sie spielen die Frommen aus
schlauem Eigennutze. Sie leben blos für den Schein. Durch dieses Wesen
aber verlieren sie alle Achtung. Man flieht sie um ihrer Falschheit
willen.

Ein Heuchler ist ja nur aus Lug zusammengesetzt. All sein Handeln ist
auf Täuschung berechnet. Er lebt für trügliches Blendwerk.


134. Der Wagehals.

(Desgleichen.)

Richard ging zu seinem Vergnügen an einem mit Eis bedeckten Teiche
hin. Der geringen Kälte halber war das Eis noch nicht stark. Richard
vermochte sich vor dem Verlangen nach einem Wagestückchen nicht zu
halten. Aus reinem Uebermuthe betrat er die schwache Eisdecke. Infolge
der Last des Knaben brach leider diese sofort zusammen.

Auf das Geschrei des Verunglückten eilte ein fremder Mann herbei.
Seiner Kleidung nach schien er ein Fleischer zu sein. Er hatte aus den
verzweifelten Tönen sogleich die lebensgefährliche Lage des Knaben
erkannt. Und er schreckte nicht aus Furcht vor dem Rettungswerke zurück.

Aus Mitleid mit dem Armen springt er ohne Zögern in den Teich. Schon
in der nächsten Minute ist Richard durch den edlen Muth des Fremden
gerettet. Vor Schreck ist der Knabe leichenblaß geworden. Seine Glieder
zittern vor Frost. Dieses bedenklichen Zustandes wegen führt ihn sein
Retter schleunigst nach Hause.

Die Mutter erkennt an den triefenden Kleidern des Knaben sofort den
traurigen Vorfall. Sie läßt aus Vorsicht den Arzt rufen. Dieser aber
schließt aus dem Pulsschlage des Kindes auf keine bedenklichen Folgen.
Nach seinem Urtheile ist das Bette die beste Medicin für den noch
Zitternden. Es soll vor allen Dingen zu dessen Erwärmung dienen.

Richard’s Vater wollte den fremden Mann für seine edle That belohnen.
Dieser aber wünschte um seines Liebesdienstes willen durchaus nicht
belohnt zu sein. Aus reiner Uneigennützigkeit nannte er nicht einmal
seinen Namen. Sein ganzes Wesen bestand aus echtem Christensinn.



Hauptwiederholung.


135. Ein Bombardement.

[Subject. Prädicat. Zeit. Ort. Weise. Grund (Zweck). Ergänzungen.]

Der tapfere Commandant von zwölf gezogenen Batterien sendete auf
erhaltenen Befehl des berühmten Feldmarschalls M. bereits seit
vierundzwanzig langen Stunden ohne die geringste Unterbrechung von
einer bewaldeten Anhöhe aus der starkbefestigten Stadt R. seine
wohlgezielten Vollgeschosse.

Ebenso lange überschüttete die hartbedrängte Besatzung der belagerten
Feste zum Schutze des gefährdeten Bollwerks mit seltenem Muthe von
ihren wohlgeschützten Wällen herab die eisernen Linien des überlegenen
Feindes mit verheerenden Sprengkugeln.

Viele der in Todesgefahr schwebenden Einwohner entflohen aus Furcht
vor einem blutigen Sturme ängstlich klopfenden Herzens durch einen
verdeckten Gang der hinteren Stadtmauer der weiten Stätte furchtbaren
Grauens.

Die beherzteren Charaktere dagegen boten zur Unterstützung ihrer
kämpfenden Brüder selbst während der heftigsten Kanonade in den am
meisten bedrohten Stadttheilen mit wahrer Todesverachtung allen
Gefahren männlichen Trutz.

Mit aller Inbrunst ihrer zitternden Herzen flehte in einer
unterirdischen Kapelle des bereits stark beschädigten Domes eine große
Anzahl frommer Frauen der inneren Stadt wiederholt den allmächtigen
Herrn des Himmels um seinen gnädigen Beistand zur endlichen
Zurückwerfung des mächtigen Feindes.

Einige Hundert der wackeren Vertheidiger der geängstigten Stadt waren
bereits bis gegen Mittag auf den äußersten Forts für die Rettung
der Stadt in treuer Erfüllung ihrer heiligen Soldatenpflicht den
feindlichen Kugeln zum Opfer gefallen.

Inmitten der schreckenreichen Nacht entzündeten im innern Theile der
Stadt zum Entsetzen der armen Einwohner die sprühenden Brandgeschosse
des ungestümen Belagerungsheeres unbarmherzig den ziemlich erschöpften
Gegnern eins der stärksten Pulvermagazine.

Die furchtbare Explosion richtete infolge des ungeheuren Luftdrucks in
der kurzen Zeit von wenig Minuten an jener Stelle unter entsetzlichem
Gekrache den vielen Umwohnenden sehr bedeutenden Schaden an.

Zur Beendung des mörderischen Kampfes befahl der feindliche General
den nächsten Morgen gegen fünf Uhr von seinem hochgelegenen
Beobachtungspunkte aus mittelst weithin schallender Trompetensignale
seinen wohlgeübten Fußtruppen zu stürmen.

Schon nach einer Viertelstunde verzweifelter Gegenwehr ließ der
bejahrte Festungscommandant tieferschütterten Herzens von dem hohen
Thurme des alten Rathhauses herab dem Feinde zum Zeichen der Ergebung
die weiße Fahne entgegenwehen.


136. Zu Weihnachten.

[Desgleichen. -- Subject, Prädicat, Zeit, Ort, Weise, Grund (Zweck),
Ergänzung, Stoff.]

Die wohlerzogenen Kinder eines reichen Kaufmanns der großen Residenz
schenkten einander zur gegenseitigen Ueberraschung auf wahrhaft
herzliche Weise zum jedesmaligen heiligen Weihnachtsabende im Angesicht
des festlich geschmückten Christbaums allerhand selbstgefertigte
Sächelchen aus verschiedenen Stoffen.

Wieder einmal stieg die heilige Weihnachtszeit im feierlichen Gewande
aus Myriaden Diamanten zur allgemeinen Freude der christlichen
Kinderwelt vom Himmel hernieder.

Auch dieses Jahr wollten jene freundlichen Kinder aus aufrichtiger
Liebe zu einander in ihrem trauten Kreise in aller Stille jener
löblichen Gewohnheit ihr altes Recht werden lassen.

Die zehnjährige Gertrud stickte während der letzten acht Tage vor
dem Feste in der nahen Behausung ihrer getreuen Schulfreundin ihrem
munteren Bruder Günther für seine beliebten Ferienausflüge eine kleine
Reisetasche aus bunter Wolle zum Umhängen.

Der lebhafte Günther dagegen schnitzte dieser seiner Schwester zur
Aufbewahrung ihrer niedlichen Schmucksächelchen in seinen Freistunden
in der engen Familienwohnung des alten Markthelfers seines Vaters
mit außerordentlicher Sorgfalt ein länglich viereckiges Kästchen aus
bräunlichem Buchenholze.

Die ältere Schwester Martha häkelte nach dem jedesmaligen Abendbrode in
des guten Papas geräumiger Schreibstube unter dem halblauten Gesange
sinniger Lieder dem gutmüthigen Bruder Hans aus kluger Rücksicht
auf seine große Liebe zu der schönen Tugend der Sparsamkeit eine
mittelgroße Geldbörse von glänzenden Perlen.

Der sanfte Hans wieder flocht der geliebten Schwester Martha innerhalb
dreier Tage in dem schmalen Comptoirstübchen des väterlichen Geschäftes
fast ohne jegliches Werkzeug zur Bequemlichkeit bei ihren vielen
Nadelarbeiten einen allerliebsten Wandkober aus feinem Silberdrahte.

Der neckische Julius endlich baute gelegentlich in der etwas düsteren
Garderobenstube seiner geliebten Mutter mit sichtlichem Vergnügen
seinem kleinen Bruder Leo zur zeitweiligen Unterhaltung eine mächtig
große Windmühle aus dauerhafter Pappe.

Auch die brave Mutter der liebenswürdigen Kinder blieb zur Erhöhung
der Festfreude für ihre Lieblinge während dieser letzten Zeit vor
Weihnachten in ihren vier Pfählen bei allen sonstigen häuslichen
Besorgungen nicht unthätig.

Die gute Mutter arbeitete mit geschickten Händen ununterbrochen hinter
verschlossenen Thüren allen ihren Kindern für die kalten Wintertage
warme Anzüge aus gleichfarbigem Tuche.

Auf diese Weise bereitete der heilige Abend alle Jahre in diesem
herzlichen Familienzirkel zu aller Herzerquickung sämmtlichen
Familiengliedern große Freude.


137. Ein trauriges Ende.

(Desgleichen.)

[Sidenote: Subject.]

Der Tod tritt oft schnell heran.

[Sidenote: Beifügung.]

Der kleine Hermann war ein lieber Knabe. Schon der Ausdruck seines
Gesichts zeugte davon.

[Sidenote: Ergänzung.]

Sein Lächeln bekundete Gutmüthigkeit. Sein Wesen war Jedermann
angenehm. -- Eines Tages spielte er mit seiner Schwester Verstecken.

[Sidenote: Zeit.]

Es war um die Dämmerstunde. Sie hatten das Spiel bereits mehrmals
gespielt. Ihr Vater sah ihnen schon seit geraumer Zeit zu.

[Sidenote: Ort.]

Er stand am Fenster. Hermann versteckte sich jetzt hinter eine Mauer.
Hier sollte ihn die Schwester nicht finden.

[Sidenote: Weise.]

Er kauerte in lauschender Stellung. So hoffte er mit Zuversicht
unentdeckt zu bleiben.

[Sidenote: Ort.]

Plötzlich aber rollte ein Ziegel vom Dache herab. Der Ziegel fiel dem
Knaben gerade auf den Kopf.

[Sidenote: Ursache.]

Er war durch einen Windstoß losgelöst worden.

[Sidenote: Erkenntniß.]

Der Vater erkannte an dem jähen Aufschrei seines Kindes etwas
Entsetzliches.

[Sidenote: Beweggrund.]

Von banger Ahnung getrieben eilte er herbei.

[Sidenote: Zweck.]

Er wollte zu Hilfe kommen.

[Sidenote: Zahl.]

Hier aber hätten zehn Aerzte nicht mehr helfen können.

[Sidenote: Stoff.]

Der fallende Ziegel war aus gebranntem Lehm. Er hatte den armen Knaben
erschlagen.


138. Luxus.

[Desgleichen. -- Subject, Prädicat, Zeit, Ort, Weise, Grund (Zweck),
Ergänzungen, Zahl, Stoff.]

Ein steinreicher Graf aus einem alten Geschlechte des östreichischen
Adels ließ vor einigen Jahren aus lauter Eitelkeit seiner stolzen
Gemahlin in der unmittelbaren Nähe einer lebhaften Seestadt der
deutschen Nordküste mit ungeheueren Opfern mehrere prachtvolle
Wohnsitze aus kostbarer Steinmasse errichten.

Der berühmte Baumeister des verschwenderischen Herrn mußte in Zeit
von zehn Monaten auf einer sonnigen Hügelkette unweit des ziemlich
großen Hafens nach dem geschmackvollsten Muster französischer Bauweise
der jungen Gräfin zum zeitweiligen Aufenthalte während der heißen
Sommertage zwei reizende Villen aus weißem Marmor erbauen.

Der gepriesenste Ofenfabrikant der nunmehrigen Kaiserstadt Berlin
fertigte kurz nach Beginn des bewundernswerthen Baues in seinen
eigens dazu eingerichteten Brennöfen mit aller Sorgfalt den schmucken
Wohnzimmern der vorerwähnten Frau sechs wundervolle Kamine aus weißem
Porzellan zur Benutzung für die kühlen Abende.

Der sehr geschickte Hoftischler des französischen Kaisers hatte unter
anderem während der letzten Monate der kurzen Bauzeit in seiner
umfangreichen Werkstatt an einer der volkreichsten Straßen mit allem
Aufgebot seines Geschmacksinnes der hohen Frau zur hinlänglichen
Bequemlichkeit ein Dutzend große Armsessel aus dem feinsten
Mahagoniholze zu verfertigen.

Der erste Tapezier der nahen Seestadt mußte gleich nach Vollendung der
reizenden Sommersitze der den Luxus liebenden Dame zur Bewunderung des
gräflichen Reichthums vor allen Fenstern der zahllosen Zimmer auf die
ausgesuchteste Weise je vier faltenreiche Gardinen von der schwersten
Seide anbringen.

Zudem mußte derselbe gesuchte Verschönerungskünstler der gräflichen
Eigenthümerin dieser seltenen Prachtvillen sofort fünfzig Stück
auserlesene Teppiche aus den besten orientalischen Stoffen aus einer
türkischen Fabrik unter sicherer Begleitung eines zuverlässigen Mannes
zum Belegen der Fußböden kommen lassen.

Die namhafteste Glasfabrik der erfinderischen Stadt London arbeitete
zu gleicher Zeit in ihren vorzüglichen Glasschleifereien ohne
Rücksicht auf den Kostenpunkt der eitlen Herrin zehn überaus
kunstvolle Kronleuchter aus dem reinsten Krystallglase zur Zierde der
hauptsächlichsten Salons.

Ein alter Gärtner des ruhmsüchtigen Grafen versah während des Monates
Mai von seiner großen Zierpflanzenplantage aus die beiden an die Villen
stoßenden Gärten zur Erholung der empfindsamen Frau in den heißen
Sommertagen mit fürsorglicher Umsicht mit vier dichten Lauben aus
saftigem Osterluzzei.

Außerdem schufen eine Menge andere Menschenhände in verhältnißmäßig
kurzer Zeit in den weiten Räumen der prächtigen Lustschlösser unter
steter Vorschrift des eigensinnigen Grafen zur Vervollständigung der
kostbaren Einrichtung der hohen Gebieterin noch eine ganze Menge
Luxusgegenstände aus dem theuersten Material.



Die Aussageweise.


139. Der Mensch.

(Wirklich. Möglich. Nothwendig.)

Der Mensch +ist+ ein Kind Gottes. Er +lebt+ und +stirbt+ nach Gottes
Willen. Er +kann+ König oder Bettler sein, ganz gleich. Das +darf+
Niemand vergessen. Mancher mag freilich nichts davon wissen. Viele
+möchten+ am liebsten nicht daran denken.

Jeder Mensch +will+ gern glücklich sein. Jeder +soll+ es auch werden.
Jeder +darf+ darnach streben. Was aber +kann+ er dazu beitragen?

Er +muß+ beten und arbeiten. Auch die kleinste Sünde +muß+ ihm ein
Abscheu sein. Das +möge+ Jeder bedenken.



Wortfolge.


140. Die Rose.

~A.~ Gerade Wortfolge.

  Die Rose ist eine herrliche Blume.
  Schon ihr Bau ist bewundernswerth.
  Ihre Farben sind reizend.
  Ihr Duft strömt zauberhaft.
  Eine Rosenknospe fesselt unser Auge wunderbar.
  Die frischerblühte Rose ist ein Bild höchster Anmuth.
  Sie ist der Gärten schönster Schmuck.
  Sie wird darum auch die Königin der Blumen genannt.
  Mancher Dichter hat sie schon besungen.


Die Rose.

~B~. Umgekehrte Wortfolge.

  Eine herrliche Blume ist die Rose.
  Bewundernswerth ist schon ihr Bau.
  Reizend sind ihre Farben.
  Zauberhaft strömt ihr Duft.
  Wunderbar fesselt unser Auge eine Rosenknospe.
  Ein Bild höchster Anmuth ist die frischerblühte Rose.
  Der Gärten schönster Schmuck ist sie.
  Der Blumen Königin wird sie darum auch genannt.
  Sie hat schon mancher Dichter besungen.


141. Wiegenbau.

(Gerade Wortfolge.)

Ein kleiner Sänger des Waldes baute in den ersten Maitagen in dem
dichten Gezweige eines niederen Fichtenbäumchens mit bewundernswerther
Sorgfalt seinen zukünftigen Kindern zum Schutze eine niedliche Wiege
aus zartem Moose.

  (Versetzung der einzelnen Satztheile.)

  Es baute ein kleiner Sänger des Waldes in den ersten etc.

  In den ersten Maitagen baute ein kleiner Sänger etc.

  In dem dichten Gezweige eines niederen Fichtenbäumchens baute ein
  etc.

  Mit bewundernswerther Sorgfalt baute ein kleiner Sänger etc.

  Seinen zukünftigen Kindern zum Schutze baute ein kleiner etc.

  Zum Schutze für seine zukünftigen Kinder baute ein etc.

  Eine niedliche Wiege aus zartem Moose baute in den etc.

  Aus zartem Moose baute ein kleiner Sänger des Waldes etc.


142. Vom einfachsten bis zum erweitertsten einfachen Satze.

I.

  Subj.: Gott                       Der Geist         Der Wasserfall
  Präd.: ist ein Geist.             ist unsterblich.  braust.


II. ~A.~

  Subj.:   Das Bild                   Die Kälte         Der Dorn
  =Beif.=: des Vaters                 Sibiriens         der Rose
  Präd.:   ist ein Heiligthum.        ist groß.         verwundet.


~B.~

  Beif.: Der fromme                 Plötzliche        Das arme
  Subj.: Elias                      Abkühlung         Kind
  Präd.: war ein Prophet.           ist schädlich.    bettelt.


~C.~

  Beif.: Sein                       Unser             Mein
  Subj.: Vater                      Heer              Blut
  Präd.: war ein Graf.              ist tapfer.       wallt.


~D.~

  Subj.: Die Noth                   Die Scheere       Der Storch
  Beif.: unter den Menschen         in Kindeshand     auf dem Dache
  Präd.: ist ein Besserungsmittel.  ist gefährlich.   klappert.


III. 1. ~A.~

  Subj.:              Gott            Ein Engländer    Der Wolf
  Präd.: (Zeitw.)     regiert         bestieg          raubt
  =Ergänz. 4. Fall:=  die Welt.       den Montblanc.   Lämmer.


~B.~

  Subj.:              Der Mitleidige  Gott             Der Magen
  Präd.:              hilft           verzeiht         dient
  =Erg. 3. Fall:=     dem Armen.      dem Sünder.      den Gliedern.


~C.~

  Subj.:            Der Müde        Die Nacht        Der Feind
  Präd.:            wünscht         beginnt          hoffte
  Ergänz.:          zu ruhen.       zu dämmern.      zu siegen.


~D.~

  Subj.:            Der Fromme      Der Christ       Das Gebet
  Präd.:            weiht           dankt            gibt
  Erg. 3. Fll.:     dem Herrn       Jesu             dem Schwachen
  Erg. 4. Fll.:     sein Leben.     die Erlösung.    Kraft.


2.

  Subj.:           Die Strenge ist  Die Eltern sind  Der Stolze ist
  Ergänz.:         dem Kinde        der Liebe        auf seine Schönheit
  Präd.: (Eigsch.) heilsam.         werth.           stolz.


IV. ~A.~

  Subj.:           Kain             Das Schiff        Viele
  Präd.:           fand             nahm              finden
  Ort:             nirgends         an dem Strande    in Californien
  Erg. 4. Fll.:    Ruhe.            Steinkohlen auf.  Gold.


~B.~

  Subj.:        Der Hund              Paul              Der Reiter
  Präd.:        folgt                 half              sah
  Erg. 3. Fll.: seinem Herrn          dem Blinden       seinem Pferde
  Ort:          in alle Welt.         über den Graben.  in das Maul.


~C.~

  Subj.:        Die Weisen            Der Hauptmann     Der Jagdhund
  Präd.:        brachten              schickte          brachte
  Erg. 3. Fll.: dem Heilande          seinen Kindern    dem Förster
  Erg. 4. Fll.: Geschenke             Anzüge            einen Hasen
  Ort:          aus dem Morgenlande.  von Paris.        über die Stoppel
                                                        daher.


V. ~A.~

  Subj.:        Der Gerechte          Gustav Adolf      Der Wächter
  Präd.:        findet                sprach            ertappte
  Zeit:         einst                 vor der Schlacht  während der
                                                        Nacht
  Ort:          drüben                unter freiem      in einem Keller
                                      Himmel
  Erg. 4. Fll.: seinen Lohn.          ein Gebet.        einen Dieb.


~B.~

  Subj.:        Die alten Deutschen   Die Schweizer     Bello
  Präd.:        opferten              huldigten         wehrte
  Zeit:         tagelang              immer             stets
  Ort:          in ihren Hainen       in ihren Bergen   an der Thür
  Erg. 3. Fll.: den Götzen.           der Freiheit.     den Bettlern.


~C.~

  Subj.:        Der Lehrer           Die Weichsel          Der Fuchs
  Präd.:        erzählt              überschwemmt          stiehlt
  Zeit:         mitunter             fast alljährlich      zuweilen
  Ort:          in der Schule        in Polen              im Hofe
  Erg. 3. Fll.: den Schülern         den Landbewohnern     der Bauerfrau
  Erg. 4. Fll.: eine Geschichte.     die Fluren.           eine Gans.


VI. ~A.~

  Subj.:        Huß                  Luther                Kain
  Präd.:        erlitt               schlug                erschlug
  Zeit:         1415                 1517                  einst
  Ort:          zu Konstanz          an die Schloßkirche   am Opferfeuer
  =Weise=:      geduldig             freimüthig            wuthentbrannt
  Erg. 4. Fll.: den Feuertod.        95 Sätze an.          den Abel.


~B.~

  Subj.:        Johannes der      Christus        Petrus
                Täufer
  Präd.:        predigte          verzieh         verleugnete
  Zeit:         vor Christo       dermalen        in jener Nacht
  Ort:          in der Wüste      am Kreuze       in der Vorhalle
  Weise:        mit Nachdruck     von Herzen      auf schmähliche Weise
  Erg. 3. Fll.: dem Volke.        seinen Feinden. seinen Herrn.


~C.~

  Subj.:        Der Richter       Der fromme Greis     Noah
  Präd.:        verkündigte       widmete              brachte
  Zeit:         am Montage        jeden Abend          nach der Sündflut
  Ort:          im Gerichtssaale  in seinem Kämmerlein unter freiem
                                                       Himmel
  Weise:        mit bewegter      andächtigen          mit dankbaren
                Stimme            Herzens              Gefühlen
  Erg. 3. Fll.: einem Mörder      dem lieben Herrgott  dem Herrn
  Erg. 4. Fll.: das Todesurtheil. ein Gebet.           ein Opfer.


VII. ~A.~

  Subj.:        Elise             Sebastian           Ein Knecht
  Präd.:        häkelte           zertrümmerte        erschlug
  Zeit:         am Sonntage       heute früh          gestern
  Ort:          in der Laube      vor dem Spiegel     auf der Wiese
  =Beweggr.=:   aus Langerweile   aus Muthwillen      aus Bosheit
  Weise:        gemächlich        schnell             kalten Herzens
  Erg. 4. Fll.: eine Börse.       eine Gipsfigur.     eine junge Katze.


~B.~

  Subj.:        Julius             Der Großvater      Viele Leute
  Präd.:        erhält             trägt              trinken
  Zeit:         zuweilen           im Winter          in der Früh
  Ort:          in der Schule      auf der Straße     in ihrer Behausung
  =Ursache=:    wegen Faulheit     der Kälte halber   auf ärztlichen
                                                      Rath
  Weise:        vor allen Kindern  mit Wohlbehagen    ohne Widerstreben
  Erg. 4. Fll.: Strafe.            einen Pelz.        bittre
                                                      Wässer.


~C.~

  Subj.:        Ein Hauptmann     Der Klassenoberste  Rosalie
  Präd.:        überreichte       sang                kaufte
  Zeit:         am Donnerstage    am Examentage       vorigen Freitag
  Ort:          im Kasernenhofe   in der Aula         auf dem Jahrmarkte
  Erg. 3. Fll.: seinem            dem Schulinspector  ihrer Großmutter
                Feldwebel
  =Zweck=:      zur Auszeichnung  zur Ergötzung       zum Geburtstage
  Weise:        unter             mit viel Gefühl     schleunigst noch
                Trompetenschall
  Erg. 4. Fll.: einen Orden.      eine Arie.          eine Kaffeetasse.


VIII. ~A.~

  Subj.:        Ein junger         Häuptlinge         Heinrich
                Bildhauer          der Wilden
  Präd.:        arbeitete          geben              zerbrach
  Zeit:         in seinen          zuweilen           gestern Abend
                Mußestunden
  Ort:          auf seinem         in ihren Zelten    in der Kinderstube
                Zimmer
  Erg. 3. Fll.: seinem alten       fremden Gästen     seinem Bruder
                Lehrer
  =Beweggr.=:   aus Dankbarkeit    aus Hochachtung    aus Neid
  Weise:        in aller Stille    mit sichtlichem    ungesehen
                                   Stolze
  Erg. 4. Fll.: Schiller’s Büste   ein Gastmahl       ein Spielzeug
  =Stoff=:      aus Alabaster.     von dem Fleische   aus Glas.
                                   erschlagener
                                   Feinde.


~B.~

  Subj.:        Gerhard            Die Mutter        Ein Regiment
  Präd.:        baute              nähte             schenkte
  Zeit:         vergangenen        in zwei Tagen     während des
                Herbst                               letzten Krieges
  Ort:          im Holzstalle      auf der           mitten im
                                   Nähmaschine       Lager
  Erg. 3. Fll.: seinem kleinen     ihrer ältesten    seinem Commandanten
                Bruder             Tochter
  =Zweck=:      für den Winter     zum Balle         zum Andenken
  Weise:        mit wenig          ohne besondere    unter militärischer
                Werkzeugen         Anstrengung       Ceremonie
  Erg. 4. Fll.: einen Schlitten    ein Kleid         ein Paar Sporen
  Stoff:        aus Eichenholz.    aus blauer        von purem
                                   Seide.            Golde.


~C.~

  Sub.:         Ein Koch         Der Kürschner        Ein Drechsler
  Präd.:        bereitete        verfertigte          arbeitete
  Zeit:         neulich          vergangene           am Donnerstage
                                 Woche
  Ort:          in einem         in seiner Wohnung    an seinem
                Gasthause                             Werktische
  Erg. 3. Fall: einem Fremden    dem Großvater        dem Invaliden
  Ursache:      aus Unkenntniß   der Kälte            um seines lahmen
                                 halber               Beines willen
  Weise:        eiligst          nach dem Maße        unentgeltlich
  Erg. 4. Fall: ein Glas Grog    ein Paar Hausschuhe  eine Krücke
  Stoff:        aus Nordhäuser.  aus Schafpelz.       aus Buchsbaumholz.


IX.

  Subj.:        Die Tochter         Bertha              Die Gemeinde
                des Hauptmanns                          zu X.
  Präd.:        kaufte              mußte               überreichte
  Zeit:         vor drei Tagen      binnen acht Tagen   am Sonntage
  Ort:          in einem Gewölbe    in Papas Stube      in seinem
                                                        Studirzimmer
  Erg. 3. Fll.: ihrem Onkel         der kleinen         ihrem Seelsorger
                                    Schwester
  Bew., Urs.,
  Zweck:        aus Anhänglichkeit  wegen Faulheit      zum Jubiläum
  Weise:        ohne Handel         mit aller Sorgfalt  feierlich
  Zahl:         zwei                drei                ein Dutzend
  Erg. 4. Fll.: Armleuchter         Nachthäubchen       Speiselöffel
  Stoff:        aus blankem         aus Wolle           aus gediegenem
                Neusilber.          stricken.           Silber.


143. Fragen nach den einzelnen Satztheilen.

  Wer? } Nach dem Subjecte.
  Was? }

  Was für ein? } Nach der Beifügung.
  Wessen?      }

  Was? }
  Wen? } Nach der Ergänzung.
  Wem? }

  Wann?      }
  Wie lange? } Nach der Zeit.
  Wie oft?   }
  Seit wann? }

  Wo?    }
  Wohin? } Nach dem Orte.
  Woher? }

  Wie? Nach der Art und Weise.

  Weshalb? Nach der Ursache.

  Warum? Nach dem Beweggrunde.

  Woran? Nach dem Erkenntnißgrunde.

  Wozu? Nach dem Zwecke.

  Wie viel? Nach der Zahl.

  Woraus? Nach dem Stoffe.



Ein möglichst erweiterter einfacher Satz.


144. Für die Friedenszeit.

Der junge Haustischler eines reichen Grafen im fernen Ungarlande hat
während der regnerischen Tage des letzten Herbstes in seiner düsteren
Werkstatt in den hinteren Räumen des gräflichen Schlosses zu P. mit
äußerster Anstrengung all seines Geschmacksinnes dem alten Generale des
siebenten Regimentes der östreichischen Husaren zu dessen häuslicher
Bequemlichkeit während der langen Friedenszeit zwei prachtvolle Sophas
aus dem feinsten Cedernholze gefertigt.



Fragen nach den einzelnen Satztheilen.

(Praktische Ausführung.)


1) Wie heißt der einfache Satz?

  Der Tischler fertigte.

2) Wer fertigte?

  +Der Tischler+ fertigte.

3) Welche Thätigkeit vollzog der Tischler?

  Er +fertigte+.

4) Was fertigte er?

  Er fertigte +Sophas+.


1) Was für ein Tischler fertigte Sophas?

  Der +junge+ Tischler etc.

2) Wessen junger Tischler fertigte Sophas?

  Der junge Tischler eines +Grafen+ etc.

3) Was für eines Grafen?

  Der junge Tischler eines +reichen+ Grafen.

4) Was für eines reichen Grafen?

  Eines reichen Grafen +aus dem Ungarlande+.

5) Aus was für einem Ungarlande?

  Aus dem +fernen+ Ungarlande.


6) Was fertigte der junge Tischler eines etc.?

  Der junge Tischler eines reichen Grafen aus dem fernen Ungarland
  fertigte +Sophas+.

7) Was für Sophas fertigte der junge etc.?

  Der junge etc. fertigte +prachtvolle+ Sophas.

8) Wie viel prachtvolle Sophas fertigte der junge etc.?

  Der junge etc. fertigte +zwei+ prachtvolle Sophas.


9) Woraus fertigte der junge etc. zwei prachtvolle Sophas?

  Der junge etc. fertigte zwei etc. aus +Cedernholz+.

10) Aus was für Cedernholz fertigte etc.?

  Der junge etc. fertigte etc. aus dem +feinsten+ Cedernholze.


11) Wem fertigte der junge etc. zwei etc. aus dem feinsten Cedernholze?

  Der junge etc. fertigte +dem Generale+ zwei etc. aus dem feinsten
  Cedernholze.

12) Was für einem Generale fertigte der etc.?

  Der junge Tischler etc. fertigte dem +alten+ Generale etc.

13) Wessen altem Generale fertigte etc.?

  Der junge Tischler etc. dem alten Generale des +Regiments+ etc.

14) Was für eines Regiments?

  Des +siebenten+ Regiments.

15) Wessen siebenten Regiments?

  Des siebenten Regiments der +Husaren+.

16) Was für Husaren?

  Der +östreichischen+ Husaren.


17) Wozu fertigte der junge etc. dem alten etc. zwei etc. aus dem
feinsten Cedernholze?

  Der junge etc. fertigte etc. dem etc. zwei etc. zur +Bequemlichkeit+.

18) Zu was für einer Bequemlichkeit fertigte etc.?

  Der junge etc. zur +häuslichen+ Bequemlichkeit.

19) Zu wessen häuslicher etc. fertigte etc.?

  Der junge etc. zu +dessen+ häuslicher Bequemlichkeit.

20) Zu was für einer häuslichen etc. fertigte etc.?

  Der junge etc. zu dessen häuslicher Bequemlichkeit während +der
  Friedenszeit+.

21) Während was für einer Friedenszeit?

  Während der +langen+ Friedenszeit.


22) Wie fertigte der junge Tischler dem etc.?

  Der junge etc. fertigte etc. +mit Anstrengung+ zwei prachtvolle etc.

23) Mit was für Anstrengung fertigte etc.?

  Der junge etc. mit +äußerster+ Anstrengung zwei etc.

24) Mit wessen äußerster Anstrengung fertigte etc.?

  Der junge etc. mit äußerster Anstrengung +des Geschmacksinnes+ zwei
  etc.

25) Mit wessen Geschmacksinnes?

  +Seines+ Geschmacksinnes.

26) Mit wie viel seines Geschmacksinnes?

  Mit äußerster Anstrengung +all+ seines Geschmacksinnes.


27) Wo fertigte der junge Tischler etc. dem etc.?

  Der junge etc. +in der Werkstatt+ etc. dem etc.

28) In was für einer Werkstatt fertigte etc.?

  Der junge etc. in der +düsteren+ Werkstatt etc.

29) In wessen düsterer Werkstatt fertigte etc.?

  Der junge etc. in +seiner+ düsteren Werkstatt etc.

30) In was für einer düsteren Werkstatt fertigte etc.?

  Der etc. in seiner düsteren Werkstatt +der Räume+ etc.

31) In wessen Räumen?

  In den Räumen +des Schlosses+ etc.

32) In was für einem Schlosse?

  In dem +gräflichen+ Schlosse.

33) In was für Räumen des gräflichen Schlosses?

  In den +hinteren+ Räumen des gräflichen Schlosses.

34) Wann fertigte der junge etc. in etc. dem etc. zu etc. mit etc. zwei
etc. aus Cedernholz?

  Der junge etc. während +der Tage+ etc.

35) Während welcher Tage?

  Der junge etc. während der Tage +des Herbstes+ etc.

36) Was für eines Herbstes?

  Der junge etc. während der Tage des +letzten+ Herbstes etc.

37) Während welcher Tage des letzten Herbstes?

  Der junge etc. während der +regnerischen+ Tage des letzten Herbstes
  etc.



Zusammenfassung der vollständigen Satztheile.


1) Wer fertigte während -- aus dem feinsten Cedernholze?

  +Der junge Tischler eines reichen Grafen im fernen Ungarlande+
  fertigte etc.

2) Was fertigte der -- Ungarlande?

  Den junge etc. fertigte +prachtvolle Sophas+.

3) Wie viel Sophas fertigte -- Ungarlande?

  Der junge etc. fertigte +zwei+ Sophas.

4) Woraus fertigte -- Sophas?

  Der junge etc. fertigte etc. +aus dem feinsten Cedernholze+.

5) Wem fertigte -- Cedernholze?

  Der junge etc. fertigte etc. +dem alten General des siebenten
  Regiments der östreich. Husaren+ etc.

6) Wozu fertigte -- Cedernholze?

  Der junge etc. +zu dessen häuslicher Bequemlichkeit während der
  langen Friedenszeit+ etc.

7) Wie fertigte -- Cedernholze?

  Der junge etc. +mit äußerster Anstrengung all seines Geschmacksinnes+
  etc.

8) Wo fertigte -- Cedernholze?

  Der junge etc. +in seiner düsteren Werkstatt in den hinteren Räumen
  des gräflichen Schlosses+ etc.

9) Wann fertigte -- Cedernholze?

  Der junge etc. +während der regnerischen Tage des letzten Herbstes+
  etc.



Anhang.


Eine Art von Aufgaben.

(Bilde Sätze auf folgende Fragen.)

1) Wer? (Was?) Was ist er (sie, es)?

  Der Bleistift ist ein Schreibwerkzeug.

2) Wer? Wie ist er?

  Der Bleistift ist spitzig.

3) Wer? Was thut er?

  Der Bleistift schreibt.


4) =Was für ein?= Wer? Was ist (wie ist, was thut) er?

  Der bunte      Rock      ist ein Kleidungsstück.

5) Wer? =Wessen?= Wie ist (was ist, was thut) er?

  Der Rock des Kindes ist warm.

6) =Was für ein?= Wer? Wessen?  Was thut (was ist, wie ist) er?

  Der bunte      Rock  des Kindes wärmt.

7) Was für ein?    Wer?      Wessen?   Was thut er?    =Was= (wen)?

  Der geschickte Drechsler der Residenz arbeitet      ein Schachspiel.

8) Was für ein?      Wer?      Wessen?  Was thut er?   =Wem?= Was?

  Der geschickte  Drechsler der Residenz arbeitet      dem Grafen ein
                                                         Schachspiel.

9) Was für ein?     Wer?      Wessen?    Was that er?  =Wann?= (wie oft,

   Der geschickte Drechsler der Residenz arbeitete      voriges Jahr

 wie lange, seit wann)? Wem?         Was?

                     dem Grafen ein Schachspiel.

10) Was für ein?   Wer?      Wessen?      Was that er?    Wann?

   Der geschickte Drechsler der Residenz   arbeitete    voriges Jahr

        =Wo?=               Wem?       Was?

  in seiner Werkstatt dem Grafen ein Schachspiel.

11) Was für ein?     Wer?      Wessen?      Was that er?     Wann?

    Der geschickte Drechsler der Residenz    trug          gestern

        Wem?        Was?        =Wohin= (woher)?

    dem Grafen ein Schachspiel in seine Wohnung.

12) Was für ein?     Wer?      Wessen?      Was that er?      Wann?

    Der geschickte Drechsler der Residenz    arbeitete    voriges Jahr

          Wo?               Wem?       =Wie?=              Was?

   in seiner Werkstatt dem Grafen mit großer Sorgfalt ein Schachspiel.

13) Was für ein?     Wer?      Wessen?   Was that er?    Wann?

    Der geschickte Drechsler der Residenz arbeitete    voriges Jahr

           Wo?              Wem?       =Weshalb?=     Wie?

    in seiner Werkstatt dem Grafen auf Bestellung mit großer Sorgfalt

          Was?

    ein Schachspiel.

14) Was für ein?     Wer?      Wessen?   Was that er?      Wann?

    Der geschickte Drechsler der Residenz arbeitete    voriges Jahr

           Wo?              Wem?       =Warum?=            Wie?

    in seiner Werkstatt dem Grafen aus Dankbarkeit mit großer Sorgfalt

          Was?

    ein Schachspiel.

15) Was für ein?     Wer?      Wessen?   Was that er?      Wann?

    Der geschickte Drechsler der Residenz arbeitete    voriges Jahr

           Wo?              Wem?        =Wozu?=           Wie?

    in seiner Werkstatt dem Grafen zur Unterhaltung mit großer Sorgfalt

          Was?

    ein Schachspiel.

16) Was für ein?      Wer?      Wessen?   Was that er?     Wann?

    Der geschickte  Drechsler der Residenz arbeitete    voriges Jahr

            Wo?             Wem?         Wozu?            Wie?

    in seiner Werkstatt dem Grafen zur Unterhaltung mit großer Sorgfalt

   =Wie viel?=     Was?

      zwei     Schachspiele.

17) Was für ein?     Wer?      Wessen?   Was that er?      Wann?

    Der geschickte Drechsler der Residenz arbeitete    voriges Jahr

            Wo?            Wem?          Wozu?            Wie?

    in seiner Werkstatt dem Grafen zur Unterhaltung mit großer Sorgfalt

    Wieviel?    Was?        =Woraus?=

     zwei   Schachspiele aus Nußbaumholz.

  =NB.= Zu den Ergänzungen, Zeit-, Ortsbestimmungen etc. etc. können
  natürlich wieder einfache oder doppelte Beifügungen gesetzt werden.

  Es lassen sich durch Weglassung eines Satztheiles oder mehrerer
  Satztheile noch verschiedene Variationen in Bezug auf diese Art
  Aufgaben gewinnen. Z. B.

      Wer?      Was that er?     Was?     Woraus?
  (Der Knabe      bildete      Figuren  aus Wachs.)

     Wer?      Wie war er?     Wo?
  (Der Knabe   war lustig  im Garten.)

     Wer?     Was thut er?          Wen?         Wie oft?
  (Der Knabe    begießt     die Blumenstöcke  alle zwei Tage.)

     Wer?    Was that er?  Wann?    Wem?      Was?
  Der Diener überbrachte  vorhin dem Herrn einen Brief.

Den schwächeren Schülern +gebe+ man die einfachen Sätze zu dem Zwecke,
sie nach den vorgeschriebenen Fragen zu erweitern. Z. B.: Der Jäger
schoß. Der Bote übergab. Der Knabe schnitzte. Der Feind entriß u.
dgl. m.


Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.



                             Sprachbilder

                                 nach

                       bestimmten Sprachregeln.

                Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch

                                für den

            deutschen Sprachunterricht in der Volksschule.

                        Für Lehrer und Schüler

                            gearbeitet von

                           Franz Wiedemann,

         Oberlehrer an der Neustädter Bürgerschule in Dresden.

                            Zweiter Theil.

                            [Illustration]

                               Leipzig.

                       Alfred Oehmigke’s Verlag.

                           (Moritz Geißler.)



Inhalts-Verzeichniß.


  ~C.~ Der zusammengezogene Satz.

  I. Einfache Zusammenziehungen.

                                                                  Seite.

  Zwei Subjecte                           1. Die Wilderer              1

  Mehrere Subjecte                        2. Drei Verdienstvolle       2

  Zwei Aussagen                           3. Die zahme Gans            3

  Mehrere Aussagen                        4. Martin                    4

  Zwei Beifügungen                        5. Ein guter König           4

  Mehrere Beifügungen                     6. Der Bergmann              5

  Zwei u. mehrere Ergänzungen             7. Die Sonne                 6

  Desgl.                                  8. Der Blinde                7

  Zwei Ortsbestimmungen. Verhältnißwörter 9. Eine Landplage            8

  Desgl. Umstandswörter                  10. Der Christbaum            9

  Zwei Zeitbestimmungen                  11. Der Kranke                9

  Desgl.                                 12. Die Glocken              11

  Zwei Best. der Art u. Weise            13. Elise                    12

  Desgl.                                 14. Das Kanonenfieber        12

  Zwei Beweggründe                       15. Gott und wir             14

  Zwei Zwecke                            16. Die Kuh                  14

  Zwei Stoffe                            17. Der kleine Künstler      14

  +Wiederholung.+

  Alle Arten Zusammenziehungen           18. Ludwig und Günther       15

  Forts.                                 19. Die Luft                 16

  Forts.                                 20. Einfache Kost            17

  Forts.                                 21. Zwei Brüder              18


  II. Mehrfache Zusammenziehungen.

  Subjective, Ergänzungen, Beifügungen
  etc.                                   22. Zwei berühmte Sänger     18

         Forts.                          23. Der Winter               19

         Forts.                          24. Stolz und Eitelkeit      20


  III. Arten der Zusammenziehung.

  Zusammenstellend                       25. Ein Kampf                21

        Desgl.                           26. Die Erzväter             22

  Entgegenstellend                       27. Das Meer                 23

        Desgl.                           28. Geld                     24

  Begründend                             29. Der Maikäfer             24

        Desgl.                           30. Die Bibel                25

  =Hauptwiederholung.=

  Alle Arten der Zusammenziehung         31. Die Katze                25


  ~D.~ Zusammengesetzte Sätze.


  I. Ohne Bindewörter.

  Zusammenstellend                       32. Der Morgen               26

        Desgl.                           33. Auf dem Meere            27

  Entgegenstellend                       34. Der junge Graf           27

        Desgl.                           35. Eine Feuersbrunst        28

  Begründend                             36. Frühling                 28

        Desgl.                           37. Die Sündfluth            29

  +Wiederholung.+

  Zusammenstellend, entgegenst.,
  begründend                             38. Eine Dampfwagenfahrt     29


  II. Mit Bindewörtern.

  Zusammenstellend                       39. Ein Doppelfest           30

        Desgl.                           40. Abend                    31

  Entgegenstellend                       41. Maß halten               32

        Desgl.                           42. Das Feuer                32

  Begründend                             43. Die Schule               33

        Desgl.                           44. Die Kartoffel            34

  +Wiederholung.+

  Zusammenstellend, entgegenst.,
  begründend                             45. Die Jagd                 35

        Desgl.                           46. Der Brudermord           35

  Mit und ohne Bindewörter               47. Entstehung des Brodes    36

        Desgl.                           48. Das Haus                 36

  Mit und ohne Bindew., Zusammenstellend,
  entgegenst., begründend                49. Eine Luftschifffahrt     37

  =Hauptwiederholung.=

  Zusammengezogene u. zusammengesetzte
  Sätze                                  50. Der letzte Klos          38


  ~E.~ Satzgefüge.


  I. Subjectivsätze.

  1. Vollständige Subjectivsätze.

  Der Subjectivsatz voran                51. Natur                    40

        Desgl.                           52. Gottvertrauen            41

  Der Subjectivsatz zuletzt              53. Der Hund                 41

  Der Subjectivsatz voran u. zuletzt     54. Die Erde                 42

  2. Abgekürzte Subjectivsätze           55. Selbsterkenntniß         43

  +Wiederholung.+

  Vollst. u. abgekürzte Subjectivs.      56. Die Todten               43

  =Hauptwiederholung.=

  Zusammengesetzte Sätze u. Satzgefüge   57. Im Winter                44


  II. Prädikatsätze.

  Prädikatsätze                          58. Gott und der Mensch      45

  =Hauptwiederholung.=

  Subjectiv- u. Prädikatsätze            59. Ein trauriger Pfad       45


  III. Beifügesätze.

  1. Vollständige Beifügesätze.

  Der Beifügesatz zuletzt                60. Ein Schulkreuz           46

  Der Beifüges. in der Mitte             61. Ein muthiger Knabe       47

  Der Beifügesatz umschreibt
  ein Eigenschaftswort                   62. Flora                    48

  Desgl. ein Mittelwort                  63. Eine Bergpartie          49

  Desgl. ein Besitz anzeig. Fürw.        64. Verschiedene Besitzungen 50

  Desgl. eine Ortsbestimmung             65. Ein Todtenbette          51

  Desgl. eine Zeitbestimmung             66. Deutschland              52

  Desgl. eine Art u. Weise               67. Der Lebensmüde           53

  Desgl. einen Grund oder Zweck          68. Vaterlandsliebe          54

  Desgl. ein Hauptw. im 2. Falle         69. Gleiche Rechte, gleiche
                                             Pflichten                55

  Desgl. ein Zeitw. in reiner Form       70. Das kindliche Spiel      56

  Desgl. ein Doppelhauptw.               71. Räthsel                  56

  Desgl. eine Zahlbestimmung             72. Die Bienen               57

      Desgl. eine Apposition             73. Biblische Beinamen       57

  +Wiederholung.+

  Alle Arten Beifügungen                 74. Der sterbende Löwe       58

        Desgl.                           75. Das Wasser               59

  2. Abgekürzte Beifügesätze             76. Bete und arbeite         60

  +Wiederholung.+

  Vollständ. u. abgekürzte Beifüges.     77. Napoleon I.              61

  =Hauptwiederholung.=

  Subjectiv-, Prädikat- und Beifügesätze 78. Die Sklaven              62


  IV. Ergänzungssätze.

  1. Vollständige Ergänzungssätze.

  Im 4. Falle                            79. Saat u. Ernte            63

        Desgl.                           80. Die kranke Freundin      64

  Im 3. Falle                            81. Lebensregeln             65

        Desgl.                           82. Mütterliche Lehren       65

  Im 2. Falle                            83. Kindespflicht            66

  Der Ergänzungss. umschreibt ein
  Hauptw. mit Verhältnißwort             84. Ein edler Fürst          67

  Desgl. ein Zeitw. in abhängiger
  Form                                   85. Der alte Räuberhauptmann 67

  Der Ergänzungss. in unbestimmter
  Redeweise                              86. An der Indianergrenze    68

  2. Abgekürzte Ergänzungssätze          87. Der Tollkühne            69

  +Wiederholung.+

  Verschiedene Arten der Ergänzungssätze 88. Der feuerspeiende Berg   69

  =Hauptwiederholung.=

  Subjectiv-, Prädikat-, Beifügungs-
  u. Ergänzungssätze                     89. Das Reisen               71


  V. Anführungssätze.

  1. Wörtlich.

  Der Hauptsatz voran                    90. Die Bibel der Natur      72

      Desgl. zuletzt                     91. Beim Brande              73

      Desgl. in der Mitte                92. Zwiespalt                74

  +Wiederholung.+

  Alle drei Fälle abwechselnd            93. Die Weidenraupe          74

  2. Nicht wörtlich.

  Der Hauptsatz voran                    94. Das Wetter               75

      Desgl. zuletzt                     95. Am Krankenbette          76

      Desgl. in der Mitte                96. Der Fund                 76

  +Wiederholung.+

  Alle drei Fälle                        97. Ochs und Esel            77

  Wörtlich u. nicht wörtlich             98. Das Gespenst             78

  =Hauptwiederholung.=

  Subjectiv-, Prädikat-, Beifüge-,
  Ergänzungs- u. Anführungssätze         99. Ehre das Alter           79


  VI. Umstandssätze.

  1. Umstandssätze des Ortes            100. Unschuldig Verfolgte     80

      Desgl.                            101. Reichthum                81

  2. Umstandssätze der Zeit.

  ~a.~ Gleichzeitigkeit.

                                        102. Peter der Große          83

  Desgl.                                103. Aus dem Tagebuche eines
                                             Kriegers                 82

  ~b.~ Ungleichzeitigkeit.

                                        104. Gewissenhaftigkeit       84

  +Wiederholung.+

  Gleich- und Ungleichzeitigkeit        105. Das Wüstenungeheuer      84

  Umstandssätze des Ortes und der
  Zeit                                  106. Die Missionäre           85

  3. Umstandssätze der Art u. Weise.

  ~a.~ Unverkürzt.

  ~aa.~ Ohne Vergleichung.

                                        107. Roderich                 86

  ~bb.~ Mit Vergleichung.

                                        108. Ein Sprichwort           87

  ~b.~ Abgekürzt.

                                        109. Auf der Wolfsjagd        88

  +Wiederholung.+

  Unverkürzt u. abgekürzt               110. Die Rettung              89

  Umstandssätze des Ortes, der Zeit
  u. der Art und Weise                  111. Eine Lebensgeschichte    90

  4. Umstandssätze des Grundes.

  ~a.~ Wirkliche Gründe.

  ~aa.~ Stoff. Ursache. Erkenntnißgrund.

                                        112. Die Fledermaus           91

  ~bb.~ Beweggrund. Zweck. Ziel.

                                        113. Mutterliebe              92

  +Wiederholung.+

  Alle Arten Umstandssätze des
  Grundes                               114. Der Mensch               93

  Umstandssätze des Ortes, d. Zeit,
  der Art u. Weise u. des wirklichen
  Grundes                               115. Der Apfelbaum            94

  ~b.~ Mögliche Gründe.

  ~aa.~ Bedingungssätze.

                                        116. Der sterbende Vater      95

  ~bb.~ Einräumungssätze.

                                        117. Die Zunge                96

  +Wiederholung.+

  Bedingungs- und Einräumungssätze      118. Bildung                  96

  Umstandssätze des Ortes, der
  Zeit, der Art u. Weise, des
  wirklichen u. möglichen Grundes       119. Die Raubritter           97

  5. Einschaltsätze.

                                        120. Ein Dieb                 99

  =Hauptwiederholung.=

  Subjectiv-, Präd.-, Ergänz.-, Umstands-,
  Anführungs- und Einschaltsätze        121. Der Mäusethurm           99


  ~F.~ Mehrfach gegliederte Sätze etc.

  Alle Arten Sätze                      122. Gellert                 102

        Desgl.                          123. Geistesgegenwart        103

  Zwei vollständige Satzgefüge verbunden 124. Schlaf u. Tod          105

  Es beziehen sich mehrere Nebensätze
  auf einen Hauptsatz                   125. Die Zukunft             105

        Desgl.                          126. Hier und dort           106

        Desgl.                          127. Das Turnen              107

  Der Nebensatz enthält wieder einen
  Nebensatz                             128. Die Thierschutzvereine  107

        Desgl.                          129. Ein Apfelkern           108

        Desgl.                          130. Eine Wohlthäterin       109

  Der Anführungssatz ist ein Satzgefüge 131. Grille und Ameise       110

  Zusammengezogene, zusammengesetzte
  Sätze u. Satzgefüge verbunden         132. Eine Geburtstagsscene   111

  Die Periode                           133. An Dich                 112

[Illustration]



~C.~ Der zusammengezogene Satz.


~I.~ Einfache Zusammenziehungen.


1. Der Wilderer.

(Zwei Subjecte.)

Der Mond und die Sterne standen bereits am Himmel. Ihr Glanz und
ihr Geflimmer warfen einen matten Silberschein auf die stille Flur.
Ringsumher lagerten tiefe Ruhe und ernster Friede. Nur einzelne Frösche
und Unken erhoben in dem schilfdurchwachsenen Teiche noch ihre Stimmen.

Da traten ein Vater und sein erwachsener Sohn aus einem Gebirgswalde
hervor. Aus ihren Zügen sprachen Rohheit und finsteres Wesen. Ihre
leisen Schritte und ihre ganze Haltung bekundeten große Vorsicht.

Auf des Sohnes Schultern lagen ein Reh und zwei Hasen. Ueber den Rücken
des Alten hingen eine kurze Büchse und ein großes Netz. Ihr Aeußeres
und ihr scheues Verhalten ließen sie sofort als Wilddiebe erkennen.

Stumm schlichen Vater und Sohn über die Felder dahin. Kein Wort, kein
Laut kam über ihre Lippen.

Bald hatten beide ein kleines Gebüsch erreicht. Hier aber traten ihnen
plötzlich der Flurschütz und sein Hund entgegen. Schreck und Verwirrung
bemächtigten sich der Diebe. Das kräftige Halt und die angelegte
Doppelbüchse des Flurschützen kamen ihnen doch zu unerwartet. Weder
Vertheidigung noch Flucht konnte sie retten. Blut und Leben hätten
dabei auf dem Spiele gestanden.

Nach wenig Minuten schritten der alte und der junge Wilddieb als
Gefangene voran. Der Flurschütz und sein Hund folgten. Traurig blickten
Mond und Sterne auf das düstere Bild hernieder.

Wuth und Aerger lagerten auf den Zügen der beiden Verbrecher. Ihr Weg
führte in die Frohnveste. Nach etwa einer Stunde sperrten sie Schloß
und Riegel von dem freien Leben ab.

Wochen und Monate zogen an ihren Kerkermauern vorüber. Endlich
erfolgten das letzte Verhör und der Richterspruch. Feld- und
Wilddieberei werden vom Gesetze hart geahndet. Vater und Sohn
wanderten auf das Zuchthaus. Hier quälten sie nun freilich Reue und
Gewissensbisse. Doch die Erkenntniß kam zu spät. Ehre und Freiheit
waren verspielt.

Was aber hatte jene Beiden nach und nach auf die verbrecherische
Laufbahn geführt? Arbeitsscheu und Leichtsinn waren die einzige Ursache.


2. Drei Verdienstvolle.

(Mehrere Subjecte.)

Kuh, Ziege und Schaf sind außerordentlich nützliche Hausthiere.
Nicht nur ihr Tod, sondern auch ihr Leben gewähren uns mancherlei
Vortheile. Milch, Butter und Käse würzen ja fast täglich unser Mahl.
Sowohl die Kuh und die Ziege als auch das Schaf erzeugen durch ihren
Dünger Fruchtbarkeit der Aecker. Wird den Kindern nicht oft auch ein
Ziegenböcklein oder ein Lamm zum Vergnügen gehalten?

Noch mehr Vortheil und Gewinn erwachsen aus ihrem Tode. Nicht blos Rind
und Schöps, sondern auch das Ziegengeschlecht geben uns ein nahrhaftes
Fleisch. Rinder-, Schöpsen- und Ziegenbraten essen wol alle Leute
gern. Aber nicht blos ihr Fleisch, sondern auch ihr Fell, zudem ihre
Haare und ihre Hörner sind sehr nützliche Artikel. Stiefeln, Schuhe
und Pantoffeln, außerdem Taschen, Gürtel und Riemen, sogar Zäume und
Sättel wachsen auf dem Rücken des Rindes. Weder Arme noch Reiche können
deshalb dasselbe entbehren.

Aus dem Felle der Ziege erstehen haltbare Schürzen, feste Handschuhe,
sogar dauerhafte Beinkleider. Haus-, Schaf- und Reisepelze, sowie auch
Müffe, Pelzstiefel und Reisedecken kommen vom Felle des Schafes. Und
wie viel Kleidungsstücke, Stickereien und andere Schmuckgegenstände
werden nicht erst aus seiner Wolle gefertigt!

Den außerordentlichen Nutzen dieser Thiere erkannten schon die ältesten
Nationen und Völkerstämme. Schon Abraham, Isaak und Jakob besaßen große
Heerden. Rinder und Schafe bildeten ihre größten Reichthümer.


3. Die zahme Gans.

(Zwei Aussagen.)

Die Gans ist ein Haus- und Wasservogel. Ihr Rumpf ist oval und ziemlich
stark. Ihre Füße haben Nägel und Schwimmhäute. Ihr Hals ist lang
und sehr beweglich. Der Schnabel hat eine breite Gestalt und eine
abgerundete Spitze. Das Gefieder ist dicht und oft buntfarbig.

Die Stimme der Gans ist weder klangvoll noch melodisch. Sie schnattert
und gackert blos. Ihr Gang ist breitspurig und wacklig. Sie schwimmt
zwar vortrefflich, fliegt aber schwerfällig. Ihre Eier sind allerdings
groß, aber als Speise nicht eben gesucht. Ihr Fleisch dagegen ist sehr
wohlschmeckend und darum beliebt.

Die Gans ist namentlich wegen ihrer Federn sehr nützlich und deshalb
sehr verbreitet. Sie wird daher in manchen Gegenden ganz besonders
gehegt und gepflegt.


4. Martin.

(Mehrere Aussagen.)

Martin war seinen Eltern ein unfolgsames Kind, in der Schule ein fauler
Schüler und überhaupt ein ungezogener Knabe. Er war nicht blos zänkisch
und schadenfroh, sondern auch lügenhaft und tückisch. Sein ganzes
Benehmen war roh, wild und flegelhaft. Er hörte auf keine Mahnung,
achtete keinen Tadel, ließ sich durch keine Strafe bessern.

Seine Bücher hatten nicht nur Schmuzflecken und Blattohren, sondern
auch keine Schalen mehr. Seine Kleider waren selten ganz, reinlich und
in guter Ordnung. Natürlich wurden seine Schulcensuren immer geringer,
kläglicher und entehrender.

So war Martin seinen Eltern ein Angst-, Sorgen- und Schmerzenskind.
Ebenso hatte der Lehrer mit ihm nichts als Verdruß und Aerger.

Und was war die traurige Folge von all diesen Jugendsünden? Martin
wurde später ein Faulenzer, ein Betrüger, ein Dieb und zuletzt ein
Bewohner des Zuchthauses.


5. Ein guter König.

(Zwei Beifügungen.)

Ein weiser und gerechter König ist für ein Land ein großes Glück. Er
sorgt für das Wohl der Städte und Dörfer. Er fördert die Stätten der
Wissenschaft und Kunst.

Seine ebenso wohlwollenden als strengen Gesetze gewähren allen
Unterthanen Schutz. Er unterstützt den Fleiß der Handwerker und
Bodenbebauer. Er weiß den Segen einer guten Schulbildung und einer
frommen häuslichen Erziehung zu würdigen. Er spendet jedem wirklichen
Verdienste wohlverdiente und ermunternde Anerkennung.

So strömt Segen von seinem erhabenen, gottbegnadeten Throne über das
ganze Land. Allenthalben erblüht geistiges und leibliches Glück.

Das Volk weiß dann aber auch ein solch fürsorgliches und väterliches
Regiment zu schätzen. Mit vertrauensvollen und dankbaren Herzen blicken
Alle zu dem Throne auf. Jeder Gutgesinnte zeigt nicht blos freudigen,
sondern selbst aufopfernden Gehorsam. Für einen solchen Fürsten zieht
das Volk willig in den gefahrvollen, blutigen Kampf. An der Gruft eines
solchen Landesvaters steht es mit Herzen voll Weh und Schmerz.


6. Der Bergmann.

(Mehrere Beifügungen.)

Der Bergmann hat einen nicht blos mühsamen, sondern auch gesundheits-,
ja lebensgefährlichen Beruf. In dem tiefen, dunklen, unheimlichen
Schachte ist seine Werkstätte. Die unterirdische ununterbrochene Nacht
ist sein Werkeltag. Das kleine, dürftige Flämmchen seiner Grubenlaterne
ist seine Sonne.

Die Gefahr zu ersticken, zu verbrennen oder verschüttet zu werden
schwebt fortwährend über seinem Haupte. Kann doch jeden Augenblick ein
sogenanntes böses Wetter aus dieser oder jener Wand hervorbrechen. Kann
doch jeden Tag das an sich zwar feste, aber weitgespannte Steingewölbe
über dem armen ruhig arbeitenden Manne zusammenbrechen. Nicht selten
droht ihm auch Unheil durch des Wassers tückische, verheerende Macht.

Leider sind dergleichen schreckbare, grauenhafte, herzerschütternde
Unglücksfälle gar nicht selten. Die Bergwerke wurden schon für Tausende
von braven, biedern, redlich sich nährenden Menschen zum frühen,
jammervollen Grabe.

All diesen Gefahren aber geht der Bergmann tagtäglich mit muthigem,
gottvertrauendem Herzen entgegen. Er zeigt überhaupt viel frommen,
gottesfürchtigen Sinn.

Vor jedem größeren Bergwerke erblickt man ein kleines, einfaches
Bethaus. Hier stärkt er sich durch eine zwar kurze, aber erhebende
Andacht zu dem schweren und gefahrvollen Gange in die Tiefe.

Trotz der Arbeit voller Aengste und Bedrohnisse erhält der Bergmann
aber doch nur einen bescheidenen, fast kärglichen Lohn. In Bergmanns
Hütte herrscht daher nicht selten bittere, drückende Noth. Schwarzes,
trockenes Brod bildet häufig seine Mahlzeit nach einer langen,
erzfundreichen Schicht. Sein zufriedenes, genügsames Gemüth hilft ihm
indeß auch dieses schwere, freudenleere Loos ertragen.


7. Die Sonne.

(Zwei und mehrere Ergänzungen.)

Die Sonne führt verschiedene Titel und Namen. Der Dichter nennt
sie die Mutter der Erde, die Königin des Tages, auch wol den Quell
alles Lichtes. Der Sternkundige bezeichnet sie einfach als Fix- oder
Standstern.

Unendlich groß sind ihre Segnungen. Sie regiert Tag und Nacht. Sie
spendet der Erde Licht und Wärme. Ihr milder Strahl erquickt sowohl die
Menschen als auch die Thiere und die Pflanzen.

Sie ruft den Frühling und den Sommer. Sie läßt den Herbst und den
Winter einziehen. Sie zaubert das zarte Keimblättchen aus der Erde, die
üppige Knospe aus dem Zweige, die purpurne Blüthe aus dem Kelche, die
goldene Frucht an des Baumes Krone.

Sie zeugt die Raupe in dem winzigen Ei und den Schmetterling in der
geheimnißvollen Puppe. Ihre segnende Bahn streut Leben, Glück und
Freude aus. Sie scheint Gerechten und Ungerechten.

Und wie verherrlicht sie ihren Auf- und Niedergang! Welche Genüsse
bereitet sie da dem Auge und dem gefühlvollen Herzen! Wen sollte nicht
ein schöner Sonnenaufgang sowohl mit Bewunderung und Entzücken, als
auch mit Dankgefühlen und stiller Andacht erfüllen? In wem erzeugte
nicht ein schöner Sonnenuntergang nicht allein frohes Staunen, sondern
auch ernste Betrachtungen?

Die Größe und Majestät der Sonne erkannten daher auch schon die
ältesten Völker. Einige ließen ihr sogar Anbetung und göttliche
Verehrung zu Theil werden.


8. Der Blinde.

(Desgleichen.)

Ein Blinder hat ein unsäglich schweres Loos, ein unendlich hartes
Geschick zu ertragen. Sein Leben ist reich an Gefahren und
Entbehrungen. Ihn kann weder der farbige Blumenteppich des Frühlings,
noch das blitzende Diamantkleid des Winters, weder das majestätische
Sternenzelt, noch das liebe Bild eines schönen Menschenantlitzes
erfreuen.

Er kann nie des Entzückens über eine reizende Landschaft, nie des
Jubels über das herrliche Farbenspiel eines Regenbogens, nie auch
der ergreifenden Gemüthsbewegung bei dem Anblicke wildzuckender
Blitze theilhaftig werden. Auf jedem seiner Wege muß er stets seiner
Unsicherheit und Hülflosigkeit eingedenk sein. Er muß jeden Laut, jedes
kleine Geräusch beachten. Nur selten kann er des Stockes oder einer
leitenden Hand entbehren.

Ein solcher Unglücklicher verdient daher unser Mitleid, unsere
herzlichste Theilnahme, unsere Unterstützung. Man muß natürlich an
jedem Unglücklichen, ganz besonders aber an dem Tauben, Stummen und
Blinden Barmherzigkeit üben. Ein diese Pflicht Vergessender ist weder
unserer Achtung und Liebe, noch des Christennamens und der Gnade Gottes
würdig.


9. Eine Landplage.

(Mehrere Ortsbestimmungen. Verhältnißwort.)

Sowohl in Ungarn als auch in Serbien und Bosnien hausten ehedem sehr
gefährliche Räuberbanden. Ihre Schlupfwinkel befanden sich in den
dortigen Gebirgen und Wäldern. Ihre Lager schlugen sie in Höhlen und
Felsenkesseln auf.

Weder in den Städten, noch in den Dörfern war man vor diesem rohen
Gesindel sicher. Einzelne der kühnen Gesellen wagten sich sogar am
hellen Tage auf die Marktplätze, auf öffentliche Vergnügungsorte und in
die Gotteshäuser. Kein Reisender konnte auf Wegen und Straßen für sein
Leben unbesorgt sein. Immer mußte er ängstlich vor, neben, um und wol
auch hinter sich blicken. Konnte ja doch jeden Augenblick ein solcher
Wegelagerer aus einem Dickicht, hinter einer Felsenecke oder aus irgend
einer Vertiefung hervorgesprungen kommen. Konnte ja doch auf jedem
Schritte das tödtliche Rohr für ihn schon an einem Baumstamme, auf
einem Erdhügel oder auf einer Felsenkante angelegt sein.

So war aller Verkehr diesseits und jenseits der Donau höchst unsicher
gemacht. Nur mit Hülfe des Militärs vermochte man endlich dem Unwesen
zu steuern.

Ganze Compagnien mußten in Bergen und Thälern umherstreifen. Nach
Süd und Nord, nach Ost und West gingen einzelne Abtheilungen. Diese
bewaffneten Männer spähten unter jeden Haufen dürrer Blätter, hinter
jeden Steinblock, in jede Felsenspalte, nach jedem kleinen Thalkessel.

Viele von den Räubern wurden in ihren Verstecken oder auch im freien
Walde gefangen. Man führte sie zunächst auf die Militärwachen oder
auch sofort in die Gefängnisse. Viele der Raubgesellen fanden ihren
Tod auf der Stelle oder später am Galgen. Andere wurden lebenslänglich
in die Zuchthäuser oder in andere Strafanstalten geschickt. Einzelne
Räuberhäuptlinge büßten ihr verbrecherisches Leben bis an dessen
Ende theils in unterirdischen Gefängnissen, theils in stockfinstern
Festungszellen.

Die Bewohner der dortigen Gegend aber athmeten nun wieder freier unter
ihren Dächern und auf ihren Wanderungen.


10. Der Christbaum.

(Desgl. Umstandswort.)

Clemens schrieb kurz nach dem Weihnachtsfeste an seine kleinen Vettern
in Reichenbach und Chemnitz. An den einen berichtete er Folgendes über
den Christbaum:

Der Christbaum stand mitten in der Stube auf dem Tische. Er war oben
und unten auf das prächtigste geschmückt.

Hier und da blitzten lange Perlenschnuren. Links und rechts flatterten
goldene Fähnchen an den Zweigen. Silberpapierne Vögelchen schwebten
vermittelst dünner Gummifädchen rückwärts und vorwärts. Eine Menge
allerliebster Engel schienen innen und außen auf- und nieder zu steigen.

Inmitten der blitzenden Krone hing ein großer Ruprecht. Er trug hinten
und vorn einen Sack. Mit der Rechten bewegte er eine lange Ruthe hin
und her. Mit der Linken zeigte er bald aufwärts, bald abwärts.

Hier und dort erblickte man auch vergoldete Schäfchen. Wol an dreißig
brennende Kerzen sendeten ihre Strahlen nach den großen Pfeilerspiegeln
hinüber und herüber. Und so war das ganze Zimmer bis in alle Ecken und
Winkel festlich erleuchtet.


11. Der Kranke.

(Zwei Zeitbestimmungen.)

„Wie geht es Deinem kranken Bruder?“ So fragte Paul den ihm begegnenden
Moritz.

  +Moritz.+ Seit vorgestern und gestern war das Fieber im steten
  Steigen begriffen. Früh und abends phantasirte er sehr lebhaft. Seit
  zwei oder gar seit drei Tagen hat der arme Junge keinen einzigen
  Bissen Nahrung zu sich genommen.

  +Paul.+ O weh! Da kann ich ihn wol weder heute noch morgen besuchen?

  +Moritz.+ Vor Sonntag oder Montag wird das der Arzt kaum erlauben.
  Selbst ich darf unter drei, vier Tagen nicht zu ihm.

  +Paul.+ Wie oft kommt denn der Arzt zu ihm?

  +Moritz.+ Der Arzt besucht ihn vor- und nachmittags, zuweilen auch
  noch einmal abends acht Uhr.

  +Paul.+ Welche Heilmittel wendet denn der Arzt an?

  +Moritz.+ Früh und abends wird er in feuchte Tücher eingeschlagen.
  Darauf schwitzt er eine Stunde, auch zwei Stunden. Nun reibt ihn mein
  Vater fünf bis zehn Minuten mit einem wollenen Tuche trocken. Nach
  dem Schweiße kommt er 20-30 Sekunden in ein kühles Bad. Der hierauf
  eintretende Schlaf währt zuweilen eine halbe, auch eine ganze Stunde.

  +Paul.+ Gewiß ist Deine gute Mutter recht besorgt um den Kranken?

  +Moritz.+ Sie sitzt Tag und Nacht an seinem Bette. Sie hat sich schon
  seit Tagen und Wochen keinen ordentlichen Schlaf vergönnt. Morgen
  und übermorgen aber wird mein Vater eine Krankenpflegerin für sie
  eintreten lassen.

  +Paul.+ Vor vier, sechs Wochen wird da wol Dein Bruder nicht in die
  Schule kommen?

  +Moritz.+ Vielleicht gar vor drei oder vier Monaten nicht. Er ist zu
  sehr entkräftet.

  +Paul.+ Möge ihn der liebe Gott recht bald und dann für immer gesund
  werden lassen!


12. Die Glocken.

(Desgleichen.)

Hoch auf dem Thurme hängen die Glocken. Ihre ehernen Zungen tönen früh
und spät in die weite Welt hinein.

Des Morgens und des Abends mahnen sie zum Gebet. Wie ernstfreundlich
klingt doch des Kirchglöckleins Stimme während des Sonnenauf- und
Sonnenunterganges!

An Sonn- und Festtagen rufen sie zum Gotteshause. Wie feierlich ertönt
sowohl zur lieben Weihnachts- als auch zur lieben Osterzeit der
harmonische Glockengruß!

Tiefernst stimmt uns das Kirchengeläute beim Scheiden des Jahres,
an Buß- und Bettagen. Fast wehmüthig zittert es zur Zeit eines
Begräbnisses oder gar zur Stunde eines Hochgerichts an unser Ohr.

Geradezu schauerlich aber hallt der Nothruf der Glocke während einer
Feuersbrunst oder eines Volksaufstandes durch die Straßen.

Ihr Ruf ertönt aber nicht blos an den Tagen ernster Feier, zur Stunde
trauriger Familiengeschicke, in den Minuten drohender Gefahr und
während der Augenblicke blutiger Sühne, sondern auch zur Zeit froher
Feste und freudiger Familienereignisse.

So verkündet z. B. auf dem Lande die Kirchenglocke minuten-, ja
viertelstundenlang die Taufe eines Kindes. Dort stimmen die Glocken am
Tage der Geburt des Landesvaters, bei Einweihungen kirchlicher Gebäude,
bei feierlichen Einzügen und zu besonders festlichen Trauungen ihren
freudigen Lobgesang an.

So sind die Kirchenglocken Sommer und Winter, Tag und Nacht
theilnehmende Wächter ob des bewegten Menschenlebens. Diesen Dienst
aber versehen sie nicht blos erst zehn oder fünfzig, sondern schon seit
Hunderten von Jahren.

Früher oder später werden sie auch Dir Dein Grablied singen.


13. Elise.

(Zwei Bestimmungen der Art und Weise.)

Elise hatte sich auf einem Spaziergange in den Wald plötzlich und auf
ganz unerklärliche Weise eine Erkältung zugezogen. Sie wurde nicht blos
leichthin, sondern sogar gefährlich krank. Kopf und Brust bereiteten
ihr theils abwechselnd, theils gleichzeitig viel Weh.

Mehrere Nächte verbrachte sie schlaflos und äußerst aufgeregt. Unter
diesen Umständen waren die Eltern bald mehr, bald weniger um sie
besorgt.

Sie ertrug indeß alle Schmerzen still und geduldig. Bereitwillig und
ohne eine Miene zu verziehen nahm sie die von dem Arzte verschriebene
bittere Arzenei. Ergeben und zugleich vertrauensvoll unterwarf sie sich
allen Kurversuchen. Sogar das schmerzhafte Saugen mehrerer Blutegel
erduldete sie standhaft und ohne jeglichen Seufzer.

Diesem rühmlichen Verhalten folgte aber auch endlich die Genesung
schnell und sicher. Nach vier Wochen war Elise gründlich und darum
nachhaltig kurirt. Frisch, munter und fröhlich hüpfte sie nun wieder
mit ihren Gespielen im Garten umher.

Ihre Eltern aber dankten dem lieben Gott ebenso aufrichtig als herzlich
für die ihrer Tochter neugeschenkte Gesundheit.


14. Das Kanonenfieber.

(Desgleichen.)

Nicht ohne Schreck und eine gewisse Verzagtheit las Melchior den
Ruf zu den Waffen. Unter Thränen und Seufzen nahm er Abschied von
den Seinigen. Mit trübseligen Gedanken und niedergeschlagnen Augen
marschirte er inmitten seines Regimentes zum Thore hinaus.

Seine Kameraden sangen aus voller Kehle und muthiger Brust ihre
frischen Soldatenlieder. Melchior schritt stumm und bänglich dahin.

In guter Stimmung und noch bei frischen Kräften überschritt endlich das
Regiment die feindliche Grenze. Ebenso kühn als schnell warf sich ihm
der Feind entgegen. Zwar in größter Eile, aber dennoch vorsichtig nahm
das Regiment Stellung.

Unter Horn- und Trommelsignalen begann der Kampf. Summend und zischend
durchkreuzten die tödtlichen Geschosse die Luft. Theils stumm, theils
mit einem jähen Aufschrei brachen die von den Kugeln Getroffenen
zusammen.

Melchior erbebte bei den ersten Schüssen ganz entsetzlich, fast wie
ein furchtsames Kind. Von Todesangst und einer gewissen Betäubung
ergriffen stand er in Reihe und Glied. Zitternd und darum ohne
jegliches Ziel feuerte er seine Schüsse ab. Fast wider Willen und ohne
Selbstbewußtsein ging er mit vorwärts.

Zehn Minuten lang war jetzt mit außerordentlicher Erbitterung, aber
noch ohne Erfolg gekämpft worden. Da kam plötzlich und in fast
wunderbarer Weise ein ganz anderer Geist über Melchior. Er stellte
sich kalt und mannhaft dem Feinde gegenüber. Er zielte mit Ruhe und
Sicherheit. Schnell und unerschrocken benutzte er jede Gelegenheit
zu seiner Deckung. Mit Ungeduld und sichtlicher Kampfbegeisterung
erwartete er das Signal zum Vorwärtsgehen. Beim schließlichen
Sturmangriffe eilte er sonder Furcht und Todesangst allen Anderen voran.

Sein Regiment errang endlich unter fast übermenschlichen Anstrengungen
und großen Opfern den Sieg.

Und Melchior?

Ihm überreichte sein Commandant vier Wochen nach der Schlacht mit
militärischer Feierlichkeit und herzlicher Ansprache eine ehrenvolle
Auszeichnung.


15. Gott und wir.

(Zwei Beweggründe.)

Der liebe Gott schenkt uns Alles aus Liebe und Güte. Er verschiebt
die Strafe des Sünders aus Geduld und Langmuth. Er vergibt uns unsere
Schuld aus lauter Gnade und Barmherzigkeit.

Aus Liebe und Dankbarkeit müssen wir ihm deshalb gehorchen lernen.
Unsere Besserung darf nicht aus Angst oder Furcht geschehen. Wir müssen
uns aus vollster Ueberzeugung und mit aufrichtigem Vertrauen ihm stets
als Kinder gegenüber stellen.


16. Die Kuh.

(Zwei Zwecke.)

Die Kuh wird zur Zucht und auch zum Zuge verwendet. Sie gewährt deshalb
für Stadt und Land großen Nutzen.

Um ihrer Milch und ihres Düngers willen hält man sie oft in großen
Heerden. Ihre Milch wird nicht blos als Getränk, sondern auch zu Butter
und Käse verbraucht. Ihr Fleisch dient zu Braten und zu verschiedenen
andern Speisen. Ihre Haut trägt sie für Schuhmacher, Sattler und Riemer
zu Markte. Ihre Hörner sind für Drechsler und Knopfmacher bestimmt.

Wegen dieses allgemeinen Nutzens wird auch die Kuh in manchen Gegenden
zum Heirathsgute oder zu einem andern Geschenke erhoben.


17. Der kleine Künstler.

(Zwei Stoffe.)

Julius war ein außerordentlich geschickter Knabe. Er verstand aus den
unbedeutendsten Dingen und Stoffen allerhand Spielereien zu fertigen.
Aus abgesetzten Korken und weggeworfenen Lederstückchen schnitzte er
allerliebste Landschaften.

Aus Baumrinde, Moos und Flechten baute er kleine Einsiedeleien.
Aus buntem Papier und den Abfällen in der Glaserwerkstatt wußte
er niedliche Glasschränkchen herzustellen. Aus Pappstreifen und
bunten Leinwandabschnittchen formte er allerhand Schächtelchen.
Aus Cigarrenkastenbretchen und den Deckeln zerbrochener Schachteln
entstanden unter seinen Händen bewegliche Windmühlen. Thiere schuf er
gewöhnlich aus Mehl und Wasser. Menschen wurden von ihm aus Wachs oder
Pech gebildet.

Mit diesen Sächelchen aus festen Stoffen oder ursprünglich
weichem Material erfreute er dann seine Geschwister besonders zur
Weihnachtszeit.


Wiederholung.

(Alle Arten Zusammenziehungen.)

18. Ludwig und Günther.

Ludwig und Günther nannten sich gute Freunde. Beide aber waren faule,
ungezogene und rohe Buben. Ueber ihre Lippen ging selten ein sanftes
oder ein gutes Wort. Häufig stießen sie nicht blos Schimpfworte und
gemeine Reden, sondern sogar Flüche und Verwünschungen aus.

Während ihrer freien Zeit trieben sie sich in Wäldern und Gebüschen
umher. Dabei war im Frühlinge und Herbste ihr Hauptabsehen auf das
Wegfangen von Singvögeln gerichtet. Diese Schändlichkeit führten sie
durch Aufstellen von Leimruthen, Netzen, Sprenkeln und andern Schlingen
aus. Mit den armen Gefangenen aber gingen sie nicht selten äußerst roh
und herzlos um. Oft marterten sie die unglücklichen Thierchen aus purer
Laune und Schadenfreude auf das entsetzlichste. Schließlich wurden
dieselben in ein enges Leinwandsäckchen oder gar in einen Strumpf
gesteckt.

So wanderten die Aermsten zum Verkaufe oder zum Verschenken aus ihrem
Paradiese hinaus. Die Freiheit und den grünen Wald sah keiner der
Unglücklichen wieder. Lebenslänglicher Kerker oder ein elender Tod ward
ihr Loos.

Zum Glück und zur Freude aller Gutgesinnten legte man endlich den
bösen Knaben ihr gottloses Treiben. Sie wurden eingezogen, verhört,
verurtheilt und auf zwei Jahre in eine Strafanstalt abgeführt.

Zu ihrem eigenen Heile kehrten sie aus dieser Anstalt nach überstandner
Buße als gebesserte, gute und brauchbare Menschen zurück.


19. Die Luft.

(Fortsetzung.)

Die Luft besteht aus Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und
Kohlensäure. Stickstoff und Sauerstoff sind in großer Menge in ihr
vorhanden.

Viele Merkmale und Eigenschaften hat sie mit andern Körpern gemein. Sie
ist undurchdringlich, durchsichtig, schwer und elastisch. Sie nimmt
verschiedene Grade der Kälte und der Wärme an. Deshalb berührt sie uns
zuweilen heiß, warm, lau, kalt, sogar eisig kalt.

Die Luft durchdringt die winzigsten Zellen der Thierkörper und der
Pflanzen. Sie findet sich ebensowohl in der Tiefe des Meeres als im
Innern des größten Felsenberges. Für alles Leben und Gedeihen ist sie
die erste Bedingung.

Ihre Bewegungen und Strömungen sind stets wechselnder Natur. Als lindes
Säuseln weht sie durch Hain und Flur. Als scharfer Zug pfeift sie durch
Fenster und Thüren. Aehrenfelder, einzelne Baumgipfel und ganze Wälder
bewegt der Wind.

Er setzt die Windmühle und die Segelschiffe in Bewegung. Er trägt den
leichten Drachen und die schwere Wolke. Pfeifend und heulend saust er
als Sturm daher. Als Orkan richtet er in Obstgärten, in Wäldern, auf
dem Meere, in Dörfern und Städten oft gewaltige Verheerungen an.

Die Luft vermittelt jeden Schall, jeden Laut, jeden Ton, jeden Knall.
Ihre Wellen tragen das Murmeln der Bäche, das Summen der Käfer,
das Lied der Nachtigall an unser Ohr. Auf ihren Schwingen rollt der
knirschende Donner und der dumpfe Knall der schweren Geschütze dahin.
Sie vermittelt unsern Herzen das Flehen des Armen, das Seufzen des
Leidenden, den Hülferuf des Verunglückten, den Trost theilnehmender
Freunde.

So belebt sie nutzbringend und segenspendend das unendliche All.


20. Einfache Kost.

(Fortsetzung.)

Wasser, Salz und Brod macht die Wangen roth. Das ist ein altes und
ein wahres Sprichwort. Wo blieben sonst die markigen Gestalten, die
kräftigen Arme und die blühenden Gesichter der armen Gebirgsbewohner?

Die Tafeln der Grafen, Herzöge, Könige und Kaiser möchten brechen unter
der Last der feinsten Leckerbissen. Sind diese Herren aber deshalb etwa
die gesündesten und kräftigsten Menschen? Starb nicht schon mancher
Fürst in der Blüthe seiner Jahre, im kräftigsten Mannesalter?

Möge der Arme darum nicht neidisch weder nach den Kapaunen, Austern und
Torten, noch nach den Weinhumpen und Methgläsern der Reichen blicken.
Bei zufriedenem Sinn und Hunger ist auch die einfache Kartoffel
eine leckere Speise. Gaumenkitzel und Zungenweide sind ja oft nur
eingebildete Dinge.

Dein Mahl aus einfachem Gemüse und Schwarzbrod erscheint vielleicht
sogar manchem Reichen als genußreich. Möglicherweise haben ihm die
allzu fetten Speisen den Magen geschwächt oder gar schon verdorben.

Einfache, aber kräftige Kost ist unter allen Umständen der Gesundheit
am dienlichsten.


21. Zwei Brüder.

(Fortsetzung.)

Hans und Otto waren Brüder. Heiterkeit und Frohsinn, sowie
Verträglichkeit bildeten die Hauptmerkmale ihres Charakters. Fleiß, wie
auch Ordnungsliebe zeigte jeder. Nicht nur der Vater, sondern auch die
Mutter waren stolz auf diese Kinder.

Hans galt für einen guten Turner und Schwimmer. Otto leistete viel im
Zeichnen und Malen. Ersterer sah frisch und blühend aus. Letzterer war
etwas blaß und hager. Beide lernten und arbeiteten um die Wette.

Diese treuen, strebsamen Brüder waren bei Jedermann beliebt. Der Fleiß
des Hans und des Otto wurden andern Kindern zum Vorbilde aufgestellt.
Otto’s Zeichnungen und Bilder bewunderte man. Von dem Muthe und der
Gewandtheit des Hans erzählte man sich überall.

Große und kleine Kinder gingen mit Respekt an diesen Knaben vorüber.
Beide jedoch blieben bescheiden und demüthig. So brav und gut sollten
alle Knaben und Mädchen sein.


II. Mehrfache Zusammenziehungen.


22. Zwei berühmte Sänger.

(Subjecte, Ergänzungen, Beifügungen etc.)

Nachtigall und Grasmücke sind liebliche Wald- und Singvögel. Sie lieben
das niedere, schattige Gebüsch an Flüssen und Teichen.

Ihr einfaches, schlichtes Kleid kann sich weder mit dem bunten Gefieder
des Gimpels, noch mit dem vielfarbigen Gewande des Finken messen. Ihr
wundervoller, herrlicher Gesang aber macht sie zu Lieblingen bei Jung
und Alt.

Weich und harmonisch ertönen ihre Weisen aus dem düstern
Strauchwerke und aus den niedern Baumgipfeln hervor. Ihre melodie-
und gefühlsreichen Lieder ergreifen jedes unverdorbene und sinnige
Menschenherz mit unwiderstehlicher Macht und seltsamem Zauber. Ihnen
lauscht zur Früh- und Abenddämmerung der Wanderer auf staubiger Straße
oder auf holperigem Waldpfade. Ihren flötenden, oft schwermüthigen
Accorden leiht selbst der müde Waldarbeiter und der die Waldmusik
längst gewohnte Waidmann noch sein Ohr.

Und doch haben gerade Nachtigall und Grasmücke unter den Menschen
die unbarmherzigsten, gefährlichsten Feinde. Aus purer Gewinnsucht
und schnödem Eigennutze stellt man ihnen an allen Orten und Enden
nach. Selbst die zu ihrer Sicherheit und ihrem Schutze hier und da
erlassenen strengen, oft außerordentlich strengen Gesetze vermögen
diese Zierden des Waldes, diese Lieblinge aller Naturfreunde nicht ganz
vor Nachstellung und Gefangennahme zu schützen.


23. Der Winter.

(Fortsetzung.)

Horst und Alfred erwarteten mit sehnsüchtigen Blicken und förmlicher
Ungeduld den ersten Schnee. Stundenlang, ja halbe Tage lang
schauten sie zu den hohen, breiten Fenstern hinaus nach dem grauen,
wolkenbedeckten Himmel.

Längst schon hatten sie ihre Schlitten und Schlittenpeitschen aus ihren
Schlupfwinkeln hervorgeholt und in Bereitschaft gestellt. Nicht blos
bereits seit Tagen, sondern sogar seit Wochen schwärmten sie in ihren
Gesprächen und Träumen von Schneeballschlachten, Schneemännern und
Rutschpartien.

Da endlich wirbelten die ersten feinen, zarten Schneeflöckchen in
anmuthigem Tanze und in dichtem Gedränge auf Dach und Baum, auf Hof und
Garten herab. Horst und Alfred schrieen laut und freudig auf über das
längst ersehnte und längst erhoffte Naturereigniß.

Nach zwei Tagen und drei Nächten lag der Schnee in den Gärten und
Feldern nicht blos zoll-, sondern sogar ellenhoch. Nun wurden von den
beiden Knaben und ihren Freunden und Gespielen Schlittenbahnen angelegt
und große, dickmauerige Schneeschanzen errichtet. Diese ziemlich fest
und äußerst geschickt angelegten Bollwerke suchte man dann unter Vivat-
und Hurrahgeschrei zu erstürmen. Dabei flogen die großen und kleinen
Bomben hinüber und herüber. Viele von ihnen zerplatzten zur Freude und
zum Jubel der kleinen Schaar auf dem Rücken, an den Köpfen und wol gar
an den Nasen der Gegner.

Zur Abwechselung wurde nach beendigter Schlacht oder nach längerer
Schlittenfahrtbelustigung ein hoher, breitschultriger Schneemann
erbaut. Wohlausgesuchte und geeignet geformte Steinkohle bildete seine
Augen und seine Nase. Zähne und Lippen verlieh man ihm mittels rother
Tuchläppchen und kleiner Eiszapfen.

Die Schöpfung eines solch riesigen Schneemannes weckte unter den
kleinen Knaben außerordentlich fleißige und emsige Hände und viel
Freude und Jubel.

So trieben sie es alle Tage und wurden des langen und zugleich harten
Winters nicht müde. Bei aller dieser Freude und bei all diesem
Vergnügen vernachlässigten sie aber nie ihre Schularbeiten und ihre
sonstigen häuslichen Beschäftigungen.


24. Stolz und Eitelkeit.

(Fortsetzung.)

Stolz und Eitelkeit verderben bei Kindern und Erwachsenen nicht
blos den Charakter, sondern beflecken auch das Herz. Stolze und
Eitle blicken mit Geringschätzung und Nichtachtung auf Arme und
Gebrechliche, überhaupt auf Niedrigstehende herab. Ihr Gemüth
verschließt sich aus lauter Dünkel und Hochmuth der Theilnahme, dem
Mitleide, der Barmherzigkeit. Dabei werden sie in engeren und weiteren
Gesellschaftskreisen unangenehm und darum lästig.

Welcher Verständige und Vernünftige möchte wol gern mit solchen
eingebildeten Narren und hochfahrenden Thoren näheren und wol gar
freundschaftlichen Umgang haben?

Der Hochmüthige lebt sich unbestritten und unleugbar auch selbst
zur Last und Qual. Wie erregt und ärgert ihn jeder fremde Vorzug
des Standes, der Bildung, der körperlichen Schönheit, der Kleidung,
jedes fremde Lob, jede fremde Ehre oft auf Tage und Wochen hinaus!
Wie mitunter peinlich ängstlich ist er früh und spät auf die Pflege
seiner Haut, seiner Zähne, seiner Haare, vielleicht sogar seiner Nägel
bedacht! Wie späht die Eitelkeit auf den Straßen und in Gesellschaften,
sowie in Modezeitungen und andern derartigen Blättern nach der neuesten
Form der Kopfbedeckung, dem neuesten Schnitte der Kleider, wol gar nach
der neuesten Farbe der Handschuhe! An allen Orten und in allen Kreisen
will sie gesehen und bewundert sein.

Welch ein unruhiges, trauriges Leben! Laßt uns lieber zu unserer Ehre
und zu unserem Ruhme unsern schönsten Schmuck in Einfachheit und
Bescheidenheit suchen und finden.


III. Arten der Zusammenziehung.


25. Ein Kampf.

(Zusammenstellend.)

Ein Staar und ein Sperling stritten sich um den Besitz eines
Nistkastens. Derselbe bot allerdings nicht blos alle mögliche
Bequemlichkeit, sondern auch viel Raum. Zudem hing er hoch und
sicher. Sowohl während der Früh- als der Mittags- und der langen
Nachmittagsstunden konnte ihn die Sonne bescheinen. Somit erschien
er den beiden Vögeln zum Brüten und zur Kinderzucht außerordentlich
geeignet. Beide setzten daher auch für die Eroberung desselben Blut und
Leben ein.

Der Kampf wurde mit Wuth und Erbitterung geführt.

Bald schlugen, hackten und bissen sich die hitzigen Gegner auf den
Aesten und Zweigen, bald auf dem Dache des Nistkastens, bald auf dem
Rasen des Gartens umher. Graue und schwarze Federn wirbelten zahlreich
nach links und rechts. Wuth und Schmerzgeschrei zeterte durch die Luft.
Eine Menge anderer Vögel eilte theils aus Neugier, theils vor Schreck
herbei.

Wol drei bis fünf Minuten dauerte die entsetzliche Fehde. Erschöpft
und blutend ergriff endlich der Staar die Flucht. Der allerdings auch
verwundete und schrecklich zerzauste Spatz aber zog triumphirend und
fast wie hohnlachend in das eroberte Luftschloß ein.

Wollt ihr ihn etwa ob seiner Heldenthat schmähen oder verurtheilen?


26. Die Erzväter.

(Desgleichen.)

Abraham, Isaak und Jakob waren Erzväter. Sie alle führten nicht blos
zum Scheine, sondern in Wahrheit ein frommes, gottesfürchtiges Leben.
Weder Glück noch Unglück vermochte ihre Gottestreue wankend zu machen.
Sie standen nicht allein in ihrer Familie, sondern auch in ihrer
weiteren Umgebung als wahre Muster im Gehorsam, in der Demuth und im
Gottvertrauen da. Die Israeliten zollen ihnen darum noch heute große
Achtung und Verehrung.

Alle drei Männer standen aber auch unter besonderem Schutze und in
besonderer Gnade Jehovah’s. Er segnete sie mit leiblichen und geistigen
Gütern. Mit Muth und Kraft wußten sie daher stets Leid und Trübsal zu
ertragen. Mußte doch Isaak noch in seinen alten Tagen und besonders
während seiner Blindheit bittern Undank und schmachvolle Täuschung
erfahren. Welch tiefes Herzeleid und welch unendliches Weh mußte Vater
Jakob infolge des Neides und der Rachsucht seiner eigenen Kinder
empfinden! Immer indeß führte ihr Herr und Gott jene Männer durch
Kummer, Noth und Thränen zu neuer Freude, neuem Glücke.

Die Lebensgeschichten dieser Gottesmänner sind im lieben, heiligen
Bibelbuche ebenso getreulich als auch ausführlich niedergeschrieben.
Sie zu lesen und zu erwägen ist für Kopf und Herz heilsam.


27. Das Meer.

(Entgegenstellend.)

Der Anblick des Meeres kann zu Zeiten mit erhebender Bewunderung, aber
auch mit erschütterndem Entsetzen erfüllen.

Es beplätschert den Strand mit freundlichem Wellenspiel, tobt aber auch
in wilder Brandung. Seine Straßen sind zwar breit, indeß nicht selten
gefahrvoll. Meeressturm, gleichwohl auch Meeresstille können äußerst
unheilbringend werden.

Das Reisen auf dem Oceane ist allerdings reich an Genüssen, hingegen
auch stets gewagt. Die riesigsten Segelschiffe, doch auch die
mächtigsten Dampfer können verunglücken.

Trotzdem geht der Matrose nie mit Zagen, sondern stets mit Freuden
aufs neue in See. Der wettergebräunte Seemann vermag in Stunden
schwerer Noth lange zu fluchen, allein endlich auch zu beten. Er
traut allerdings seiner Kraft, dessenungeachtet zuletzt aber auch der
schützenden Hand Gottes.

Das Meerwasser ist zwar hell und klar, dennoch für den Menschen
ungenießbar. Viele seiner Bewohner sind uns bekannt, indeß noch lange
nicht alle. Es birgt unendlich viel erklärliche Naturerscheinungen,
aber auch noch viel Geheimnisse.


28. Geld.

(Desgleichen.)

Viel Geld macht zwar reich, aber nicht immer glücklich. Es ist wohl ein
Tröster in der Noth, indeß in vielen Fällen kein Helfer.

Der Besitz viel blinkenden Erzes verschafft nicht selten dem
Menschen Ehre, dessenungeachtet aber keinen sittlichen Werth. Das
Geld erschließt die Thür zu vielen Genüssen, jedoch auch das Thor zu
mancherlei Sünden und Lastern. Es erfreut nicht blos, sondern verführt
auch. In das eine Herz pflanzt der Mammon den Sinn des Mitleids und der
Wohlthätigkeit, in das andere dagegen die Wurzel des Stolzes und des
Dünkels.

So ist er unser Freund, gleichwohl auch unser Feind. Wir können durch
ihn in vieler Hinsicht frei, aber auch Sklaven werden. Wir wollen daher
unser Geld zwar zusammenhalten, allein niemals das Herz daran hängen.


29. Der Maikäfer.

(Begründung.)

Die Maikäfer sind sehr gefräßig, darum schädlich. Sie erscheinen fast
alle zu gleicher Zeit, deshalb in großer Menge. Sie suchen im Frühlinge
das junge Blätterwerk und deswegen die Gipfel der Eichen und Kastanien
auf.

Sie zeugen viel Eier, demnach eine zahlreiche Nachkommenschaft. Ihre
Larven ruhen tief in der Erde, folglich wohlgeborgen.

Ihre wohlgenährten, mithin fetten Leiber dienen vielen Vögeln zur
Nahrung. Sie sind auch für manche Menschen eine Delicatesse und also
nicht ganz ohne Nutzen.


30. Die Bibel.

(Desgleichen.)

Die Bibel ist ein vor Jahrtausenden geschriebenes und daher uraltes
Buch. Sie ist durch von Gott erleuchtete Männer verfaßt, darum heilig
und ehrwürdig.

Sie enthält unsere ganze Christenreligion, mithin einen unendlichen
Schatz von Lehren und Wahrheit. Sie soll unser Licht und unsere
Leuchte, somit ein Führer durch das Leben sein. Sie gibt uns die
Zusicherung der göttlichen Liebe und Fürsorge und demnach Kraft und
Muth in gefahrvollen Stunden und Tagen. Ihre frommen Sprüche erfüllen
das Herz mit Vertrauen und Zuversicht auf die ewige Huld und Gnade,
daher auch mit Trost und Ergebung im Unglück.

Viele Kapitel darin besingen die Wunderwerke, folglich auch die Macht
und Weisheit des Schöpfers. Die Bibel sollte vor allen andern Büchern
in jeder Christenfamilie heimisch sein und deswegen überhaupt den
allgemeinsten Eingang gefunden haben. Jeder Getaufte, mithin auch der
ärmste der Armen müßte dieses heilige Gotteswort besitzen.

Der wirkliche Jünger Jesu mag sie zu keiner Zeit, also auch nicht in
den Tagen der Freude entbehren. Werde der heiligen Schrift ihre Würde
und Weihe und somit der Menschheit ein unwägbarer Schatz erhalten!


Hauptwiederholung.

Alle Arten der Zusammenziehungen.

31. Die Katze.

Die Katze ist ein nützliches und oft sehr nothwendiges Hausthier. Ihr
Geruch und ihr Gesicht sind scharf. Sie ist im Springen und Klettern
sehr gewandt.

Ihr Charakter zeigt von Schlauheit, aber auch von Falschheit. Sie
schmeichelt oft, doch kratzt sie auch leicht. Man muß ihr deshalb nicht
trauen, sondern mißtrauen.

Die Katze fängt nicht blos Mäuse, sondern auch Ratten. Sie jagt nicht
nur im Hause, sondern auch auf dem Felde. Nicht allein Mäuse und
Ratten, sondern auch die Vögel fliehen vor ihr.

Die Katze ist schnell, demnach letzteren sehr gefährlich. Ihr Gang ist
völlig geräuschlos, mithin für ihre Raubzüge von großem Vortheile. Ihr
Gebiß ist scharf, darum eine tödtliche Waffe.

Die Katze ist ein getreuer Wächter gegen viele kleine Diebe, deshalb
ein weitverbreitetes Hausthier.



~D.~ Zusammengesetzte Sätze.


I. Ohne Bindewörter.


32. Der Morgen.

(Zusammenstellend.)

Der Osthimmel röthete sich, der Morgen begann zu dämmern. Die Hähne
krähten, die Tauben hoben an zu girren. Die Kühe rasselten mit ihren
Ketten, die jungen Rosse wieherten im Stalle. Die Staare ließen ihren
Frühpsalm ertönen, die Lerchen stiegen trillernd in die Luft.

Die Frühglocke ertönte, ihr frommes Morgenlied hallte treulich das Thal
entlang. Die Gehöfte belebten sich, auf dem schmalen Dorfwege zeigten
sich bereits einzelne Landbewohner.

Jetzt war die Sonne über die fernen Berge emporgestiegen, die ganze
Natur lag verklärt im Morgenglanze. Die Blumen erschlossen ihre lieben
Augen, die Thauperlen blitzten tausendfältig an den Halmen. Die Heerden
zogen unter lieblichem Glockengeläute auf die fetten Triften, die
Ackersleute führten ihre munteren Gespanne zum Pfluge.

So zeigte sich überall neugestärkte Kraft, so entwickelte sich
allenthalben Frische und Lebenslust.


33. Auf dem Meere.

(Desgleichen.)

Der Himmel verdunkelte sich, es ward unheimlich still. Die Seeadler
kreischten, die Sturmvögel umschwirrten bereits das Schiff.

Immer dunkler ward der Himmel, näher zog das schwarze Gewölk. Man hört
ein fernes Brausen, es erhebt sich der Sturm. Blitze zucken, Donner
grollen, die Wellen thürmen sich hoch auf.

Das Schiff wird hin und her geworfen, das Steuerruder droht zu brechen.
Der Kapitän commandirt unaufhörlich, die Matrosen fliegen eilend hin
und her. Man zieht die Segel ein, die Luken werden geschlossen.

Der Sturm tobt immer wilder, die Wellen gehen immer höher. Plötzlich
gibt es einen gewaltigen Stoß, die Masten krachen, die Wände bersten,
das Wasser strömt unaufhaltsam ein, das Schiff sinkt. Binnen einer
Viertelstunde ist nur die Hauptmastspitze noch von ihm zu sehen, die
ganze Bemannung hat ihr Grab in den Wellen gefunden.


34. Der junge Graf.

(Entgegenstellend.)

Ein Haushofmeister gebot seinem vornehmen Schüler zu schweigen, der
junge Graf plauderte fort. Der Ungehorsame sollte Latein treiben, er
tändelte mit Briefmarken.

Der Lehrer wiederholte bald darauf seinen Befehl sehr ernst, Junker
Armin spielte gleichgiltig weiter. Ersterer drohte jetzt mit
Bestrafung, der junge Graf lächelte.

Der Hauslehrer besaß viel Geduld, jetzt ging sie zu Ende. Er hatte den
jungen Grafen lange genug mit Güte behandelt, heute sollte derselbe
seinen ganzen Ernst empfinden lernen.

Der Ungehorsame fürchtete nichts Schlimmes, er täuschte sich. Bald
darauf rief ein Diener zur Mittagsmahlzeit, der junge Graf erhielt
keine Einladung. Nach Tische fuhr die gesammte gräfliche Familie
spazieren, Armin mußte zu Hause bleiben. Armin hatte jeden Abend
zwanzig französische Wörter zu lernen, heute mußte er deren noch einmal
so viel seinem Gedächtnisse einprägen.


35. Eine Feuersbrunst.

(Desgleichen.)

Die Nacht eines schönen Octobertages war freundlich ins Thal gezogen,
sie sollte einen traurigen Ausgang nehmen.

Gegen zwölf Uhr schlugen die Flammen aus dem dürren Strohdache einer
alten Mühle, Niemand darin bemerkte es. Schon sprühten einzelne Funken
durch die kleinen Fenster, die Mühlbewohner schliefen noch fest.

Die Feuerglocke ertönte, ihr Ruf kam leider viel zu spät. Man setzte
die Dorfspritze in Bewegung, die Gluth war nicht mehr zu bezwingen.

Das Leben der Inwohner wurde endlich noch gerettet, ihre Habe ging
verloren. Der Abend hatte sie als glückliche Menschen begrüßt, der
Morgen sah sie als Bettler.


36. Frühling.

(Begründend.)

Der Frühling nahte, die Menschenherzen athmeten fröhlich auf. Die
Sonne schien wärmer, der Schnee schmolz. Der Frost entwich aus dem
Erdreiche, frische Pflanzenkeime trieben hervor. Die Luft wehte mild
über die Fluren, die Zugvögel kamen herbei. Einzelne Blumen erschlossen
bereits ihre Honigkelche, die Oede der Wiesen verschwand. Die Bäume
bedeckten sich mit Blüthen, die Bienen verließen ihre Zellen.

Warmer Regen strömte nieder, die Saaten sproßten empor. Alles Leben
erwachte aus dem Winterschlafe, überall zeigte sich verjüngte Kraft.


37. Die Sündfluth.

(Desgleichen.)

Die 120 Gnadenjahre waren um, das göttliche Strafgericht begann.
Der Regen strömte unaufhörlich hernieder, die Gewässer traten über
ihre Ufer. Die Fluthen wälzten sich die Thäler entlang, die Menschen
flüchteten auf die Berge.

Die tobenden Wogen stiegen von Tag zu Tag höher, alle Sünder fanden
ihren Tod. Noah’s Familie allein blieb übrig, sie war dem Herrn treu
gewesen.


Wiederholung.

(Zusammenstellend, entgegenstellend, begründend.)

38. Eine Dampfwagenfahrt.

Die Bahnhofsglocke läutete, die Passagiere stiegen in die Wagen. Die
Locomotive pfiff, der Zug setzte sich in Bewegung.

Anfangs bewegte er sich ganz langsam, nach wenig Sekunden rollte er
schon bedeutend schnell, bald sauste er mit voller Kraft dahin. Die
Telegraphenstangen huschten blitzschnell vorüber, die Fruchtäcker
drängten sich gleich schmalen Bändern an einander, die Waldbäume
schienen zu tanzen.

Der Zug durchschnitt herrliche Landschaften, sie konnten nur flüchtig
genossen werden. Er jagte ja mit Windeseile dahin, das Auge konnte
keinen Ruhepunkt gewinnen.

Inmitten der Fahrt erscholl plötzlich ein Nothsignal, die Fahrgäste
erschraken.

Die Schaffner bremsten augenblicklich, Alles drängte an die
Wagenfenster, Einzelne schrieen laut auf, Andere wollten durchaus
hinausspringen.

Ein Unglück erfolgte nicht, der Zug blieb ruhig stehen. In der Maschine
war blos eine kleine Röhre gesprungen, ein solcher Vorfall bringt
selten Gefahr. Der Schaden ward ausgebessert, das Abfahrtssignal
schrillte aufs neue, bald ratterte der Zug wieder die Schienen entlang.
Die Fahrt ging glücklich weiter, die Aufregung unter den Fahrgästen
währte noch lange.


II. Mit Bindewörtern.


39. Ein Doppelfest.

(Zusammenstellend.)

In dem Garten des Kaufmanns Löbel herrschte eines Tages ein lustiges
Treiben, und dieses Treiben gab für den Beobachter ein liebliches Bild.
Der Kaufmann hatte nämlich zwei Söhne, und beide Knaben feierten heute
einen Festtag. Bruno beging sein Wiegenfest, und Hugo feierte seinen
Namenstag.

Zu diesem Feste nun hatten sie nicht blos ihre liebsten Schulkameraden
eingeladen, sondern die Eltern hatten auch noch die Kinder der
Nachbarschaft herbeigezogen. Es standen den muntern Gästen nicht
allein allerhand Spiele zur Verfügung. sondern es war auch für einen
wohlgedeckten Tisch gesorgt.

Bald vertheilte man sich zu den verschiedenen Unterhaltungen, und
die Lust nahm ihren Anfang. Die großen Knaben griffen zunächst zu
den Armbrüsten, und die jüngeren Gäste eilten zuerst nach den großen
Gummibällen.

Hier warf man Reifen, und dort schob eine kleine Gesellschaft Kegel.
Eine Anzahl Mädchen spielten Blindekuh, auch das Topfschlagen wurde
nicht vergessen. Der kleine Heinrich jagte einen großen Reifen im
Garten umher, und der dicke Otto ließ einen bunten Kreisel tanzen.
Julchen fuhr einen schönen Puppenwagen, und Marie beschäftigte sich mit
allerhand Blumen.

Mitten über dem Garten schwebte ein riesiger Drache, außerdem ließ der
Kaufmann auch noch kleine Luftballons steigen.

Bei all dieser Lust entstand weder Streit unter den zahlreichen Gästen,
noch bemerkte man ein ausgelassenes Verhalten.

Die Kühle des spätern Nachmittags machte endlich dem fröhlichen Treiben
ein Ende, zudem nöthigte auch die sinkende Sonne die fremden Gäste zum
Nachhausegehen.

So verstrich das heitere Fest in ungetrübter Freude, und allen
Theilnehmern blieb es noch lange in freundlicher Erinnerung.


40. Abend.

(Desgleichen.)

Die Sonne ging unter, und Dämmerung senkte sich auf die Erde nieder.
Am Westhimmel strahlte ein leichtes Purpurgewölk, und aus den Fenstern
der Berghütte blitzte der Wiederschein des herrlichen Abendgoldes. Der
Lerchengesang verstummte, ebenso verhallten die Lieder des Waldes.

Die Heerden zogen still nach ihren Ställen, und die Feldarbeiter
schritten ermüdet nach ihren Hütten. Traulich tönte die Abendglocke vom
Kirchlein herüber, und manches fromme Herz ward durch diesen Ruf zum
Gebet gestimmt.

Immer länger dehnten sich die Baumschatten auf dem Rasen dahin, und
immer dichter wob die Dämmerung ihren düstern Schleier. Ueber den
Blumen flatterten bereits die fahlen Nachtschmetterlinge, und in den
Gehöften begannen die Fledermäuse ihren geisterhaften Kreisflug. Immer
stiller ward es rings umher, und immer tiefere Ruhe senkte sich auf die
müde Erde.


41. Maß halten.

(Entgegenstellend.)

Die Schädlichkeit jedweder Unmäßigkeit in leiblichen Genüssen ist
bekannt, dessenungeachtet fallen der letzteren noch viele Menschen zum
Opfer.

Wir sollen uns des Lebens freuen, aber unsere Freude muß in gewissen
Grenzen bleiben. Wir dürfen uns an dem köstlichen Weine erlaben, doch
darf es dabei nicht zu einem Rausche kommen. Wir dürfen unserem Gaumen
durch wohlschmeckende Speisen gütlich thun, gleichwohl darf der Magen
nie damit überfüllt werden.

Der Mensch muß die gehörige Zeit schlafen, das Zuviel ist indeß auch
hier ungesund. Ein naturgemäßer Schlaf stärkt die Glieder, eine zu
lange Ruhe hingegen erschlafft das Nervenleben. Auch der Tanz ist
eine erlaubte Freude, nur darf diese kreisende Bewegung nicht bis zur
Erschöpfung fortgesetzt werden.

Darum genieße Jeder die Freuden dieses Lebens, allein er halte in allen
Dingen Maß.


42. Das Feuer.

(Desgleichen.)

Das Feuer ist eine höchst wohlthätige Gabe des Himmels, aber es hat
auch schon unsägliches Unheil angerichtet. Es erhellt in finsteren
Nächten unser Stübchen, allein ein einziger Funke von ihm kann unsere
ganze Habe vernichten.

Das Feuer macht viele Nahrungsmittel erst genießbar, gleichwohl kann
ein einziger allzuheißer Bissen uns zum Essen unfähig machen. Es
verleiht unserem Zimmer während der kalten Wintertage eine wohlthuende
Wärme, doch haben die glühenden Ofenwände auch schon manchem
Unvorsichtigen schmerzhafte Wunden beigebracht.

Das weithin strahlende Licht der Leuchtthürme bewahrte schon manches
Schiff vor entsetzlichem Unglücke, indeß die Macht der Flammen sehr
vielen Seefahrzeugen einen jammervollen Untergang bereitete.

Die lustig lodernde Pechfackel verherrlicht das Friedensfest, der
brennende Pechkranz hingegen ist ein Schrecken des Krieges. Tausende
von Lichtern verleihen bei festlichen Gelegenheiten einer Stadt den
höchsten Glanz, gleichwohl kann ein einziges Flämmchen davon sie in
einen Schutthaufen verwandeln. Der Anblick eines feuerspeienden Berges
gewährt ein überwältigendes Schauspiel, die Verheerungen der glühenden
Lava jedoch sind entsetzlich anzusehen.

So wollen wir denn für die Wohlthat des Feuers dankbar sein, aber seine
Gefahren sollen von uns nie unbeachtet bleiben.


43. Die Schule.

(Begründend.)

Die Schulzeit vergeht schnell, deshalb mußt Du sie gewissenhaft
benutzen.

Sei in jeder Stunde streng aufmerksam, denn das Leben erfordert
mancherlei Kenntnisse. Uebe Dich sorgfältig in allerlei Fertigkeiten,
weil Du dadurch Dein Fortkommen in der Welt finden kannst.
Oberflächlich Gelerntes vergißt sich bald wieder, deswegen präge Dir
jede Lection recht gründlich ein.

Die Schule sucht den ganzen Menschen zu bilden, mithin muß sich ihr
auch jeder Schüler mit all seinen Kräften widmen. Beherzige deshalb vor
allen Dingen die heiligen Lehren der Religion, denn daraus gehet das
Leben. Ein rechtschaffener Charakter ist ein sicherer Wanderstab, daher
eigne Dir schon in der Schule sittliche Grundsätze an. Ein frommes Herz
ist der größte Schatz auf Erden, deshalb nimm die Heilswahrheiten aus
dem Munde Deines Lehrers gläubig in Dich auf. Die Schule will eben
nicht blos Dein irdisches Glück begründen, demnach sorgt sie auch für
Deine Seele.

Da Du nun Solches weißt, so richte Dein Verhalten danach ein.


44. Die Kartoffel.

(Desgleichen.)

Die Kartoffel ist das Brod der Armen, deshalb ist Franz Drake durch
Einführung derselben zu einem Volkswohlthäter geworden.

In Deutschland tauchte sie zum ersten Male unter Karl’s V. Regierung
auf, mithin fällt ihre Einbürgerung in die Mitte des 16. Jahrhunderts.
Der Werth dieser Frucht wurde geraume Zeit nicht recht gewürdigt,
daher verzögerte sich die allgemeine Verbreitung derselben. Manchen
Regierungen dauerte dies allerdings zu lange, deswegen suchten sie den
Kartoffelanbau durch Zwangsmaßregeln zu fördern.

Die Kartoffel hat in der Regel die Gestalt eines Apfels, daher nennt
man sie in einigen Gegenden Erdäpfel. Weil ihr Mehl viel Nahrungsstoff
enthält, mischt man es oft mit Getreidemehl zu Brod.

Die Kartoffel enthält auch Klebstoff, mithin kann sie zur
Gummibereitung verwendet werden. Sie birgt ferner eine gewisse
Süßigkeit, und somit findet sie sogar Eingang in Zuckerfabriken. In der
Viehwirthschaft spielt sie eine ganz bedeutende Rolle, denn sie ist ein
vorzügliches Mästmittel.

Der Kartoffelbau ist übrigens leicht, da diese Frucht fast in jedem
Boden gedeiht.


Wiederholung.

(Zusammenstellend, entgegenstellend, begründend.)

45. Die Jagd.

Das Jagdhorn erscholl, und die Jäger brachen auf. Die Hühnerhunde
bellten, auch die kleinen Dachse erhoben ihre Stimme.

Blitzender Reif lag auf den Fluren, zudem drohten die Wolken mit
Schnee. Wol blies ein eisiger Wind von Westen nach Osten, aber der
Waidmann fürchtet sich vor Kälte nicht.

Die Jäger gingen jetzt auseinander, jeder indeß behielt Linie. Die
Hunde drängten vor, allein man hielt sie noch zurück. Bald fielen
einzelne Schüsse, aber es fiel kein Hase. Die Ladungen hatten gefehlt,
weil man aus zu großer Ferne geschossen hatte. Später traf jeder Schuß,
denn die Jäger waren jetzt ihrer Beute näher.

Das Revier war endlich abgejagt, deshalb blies man zum Rückzuge. Das
Jagdglück hatte sich günstig gezeigt, darum genoß man nun unter großer
Heiterkeit das Mittagsbrod.


46. Der Brudermord.

(Desgleichen.)

Kain bestellte eines Tages seinen Acker, und Abel hütete seine Schafe.
Beide waren Brüder, aber ihre Gemüthsart war sehr verschieden.

Kain’s Brust erfüllte die Mißgunst, weshalb er wol auch stets mit Neid
auf seinen Bruder blicken mochte. Den Abel beseelte Frömmigkeit, auch
trug sein ganzes Wesen das Gepräge der Sanftmuth.

Beide Brüder zündeten eines Tages Feuer an, denn jeder gedachte dem
lieben Gott ein Opfer zu bringen. Kain opferte Früchte des Feldes, Abel
dagegen verbrannte ein Schaf.

Die Opferfeuer züngelten gleichmäßig empor, die Rauchsäulen indeß
nahmen eine verschiedene Richtung an. Der Rauch von Abel’s Opfer
stieg in geraden Linien zum Himmel hinauf, der von Kain’s Opferaltare
hingegen wälzte sich in dichten Wolken auf der Erde hin.

Das sah Kain, und sein Herz ergrimmte. Sein Bruder dünkte ihm ein
besonderer Liebling Jehovah’s zu sein, somit aber war er ihm ein Dorn
im Auge.

Der entsetzliche Neid trieb ihn nicht nur zum Hasse, sondern seine
lieblose Seele wurde auch sofort mit Zorneswuth erfüllt.

Kain dachte in diesem Augenblick weder an den allwissenden Gott, noch
kümmerten ihn die Eltern daheim. Die Mörderkeule zuckte nieder, und
sein Bruder Abel stürzte todt zu Boden.


47. Entstehung des Brodes.

(Mit und ohne Bindewörter.)

Das Feld wird bestellt, der Landmann streut Samen aus, der Himmel gibt
Regen und Sonnenschein, die Saaten gehen auf, sie grünen und wachsen,
der Sommer bringt sie zur Reife, der Schnitter mäht sie ab, die Scheune
nimmt die vollen Garben auf, der Dreschflegel stäubt die Aehren, der
Mühlstein zermalmt die Körner, der Bäcker knetet den Teig, der Backofen
vollendet das Gebäck und der Mensch genießt das Brod.


48. Ein Haus.

(Desgleichen.)

Das Haus hat zu kleine Fenster, sein Dach ist nur von Stroh, der Garten
darum hat keine Obstbäume, auch ist das Futter darin nicht gut, die
ganze Lage ist zu winterlich und die Umgebung zu einförmig, darum kaufe
ich das Grundstück nicht.


49. Eine Luftschifffahrt.

(Mit und ohne Bindewort. Zusammenstellend, entgegenstellend und
begründend.)

Der Luftballon hatte seine Füllung erhalten, sein Leib war mächtig
geschwollen, fast wie ungeduldig drängte er nach der Abreise.

Wir stiegen drei Mann hoch in die von Weidenruthen geflochtene Gondel,
und ich nahm sofort auf einem kleinen Sessel Platz. Wir freuten
uns auf die seltene Fahrt, aber dennoch klopften unsere Herzen vor
Bänglichkeit. Das Luftmeer ist an Gefahren dem Weltmeere gleich, denn
auch jenes hat keine Balken.

Ein Signal erscholl, die Stricke wurden gelöst, der Ballon erhob
sich. Die versammelte Menge wünschte uns glückliche Fahrt, Hunderte
von Tüchern winkten uns den Abschiedsgruß, Tausende von Augen folgten
unserem Fluge.

Unser Luftschiffskapitän warf eine Anzahl Gedichte auf die Zuschauer
hinunter, auch schoß er ein Pistol in die Luft hinaus ab. Die Menge
tief unten jauchzte dabei laut auf, mich durchrieselte ein bängliches
Frösteln.

Unser Luftfahrzeug schlug anfänglich die Richtung nach Osten ein, bald
indeß wurde es von dem Winde nach Süden getrieben. Pfeilschnell stieg
es empor, dennoch erfolgte sein Flug gänzlich geräuschlos.

Die Wolken näherten sich merklich, die Landschaft unter uns trat immer
mehr zurück. Unsere Blicke gewannen ein immer größeres Aussichtsfeld,
dagegen schmolzen die Gegenstände auf der Erde zu immer kleineren
Gestalten zusammen. Die Menschen erschienen nur noch in der Größe
von schwarzen Ameisen, die Flüsse schlängelten sich wie schmale
Silberschnuren dahin, die Wälder glichen großen Tinteklecksen, und die
Berge amen uns wie winzige Hügel vor. Die Luft wurde jetzt nicht nur
mit jeder Sekunde dünner, sondern die Temperatur sank auch merklich
herab, und somit hatten unsere Lungen tüchtig zu arbeiten.

Wir mochten etwa eine Stunde unterwegs sein, da beschloß unser Kapitän
den Rückzug. Er stieg an einer Strickleiter empor, und gleich darauf
entstand ein kleines Geräusch. Er hatte ein Ventil geöffnet, ein Theil
der eingeschlossenen Luft entwich, das Schiff begann zu sinken.

Ich hatte das Landen oft als ziemlich gefahrvoll schildern hören,
deshalb wurde mir jetzt wieder nicht wohl zu Muthe. Zu unsern Gunsten
war vollkommene Windstille eingetreten, kein Lüftchen regte sich.
Der Ballon sank immer tiefer und schwebte jetzt etwa noch thurmhoch
über einer ebenen Flur. Der Anker sank hinab, das Ventil öffnete sich
noch einmal kräftig, die Luft strömte zischend aus, und der gespannte
Riesenleib legte sich allmälig in Falten. Plötzlich gab es eine Art
Stoß, und gleichzeitig erscholl aus dem Munde des Kapitäns ein Hurrah!

Der Ballon stand still, weil der Anker Boden gefaßt hatte. Bald standen
wir wieder auf festem Grunde, und ich war außerordentlich befriedigt,
denn eine solche Luftreise bietet ein unbeschreiblich wunderbares
Schauspiel.


Hauptwiederholung.

(Zusammengezogene und zusammengesetzte Sätze.)

50. Der letzte Klos.

Hans und Görge waren eines Tages die Letzten am Tische. Hans hatte
seinen Sitz auf des Vaters Stuhl eingenommen, der kleine Görge dagegen
kniete auf einer breiten Lehnbank.

In der Schüssel befand sich noch ein einziger Klos und etwas Brühe.
Beides waren die letzten Ueberreste vom Mittagsbrode, denn das
Mittagsmahl war vorüber, und die Tischgäste hatten sich eben entfernt.

Hans und Görge stierten nicht blos sehnsüchtig, sondern auch habgierig
den dicken und zugleich fetten Klos an. Jeder wollte ihn haben, keiner
gönnte ihn dem andern, denn in beider Herzen wohnten Neid und Mißgunst.
Ihre Augen funkelten, ihre Lippen glitschten im Vorgeschmacke des
Leckerbissens. Einer beobachtete heimlich die Miene des andern, keiner
aber wagte irgend eine Bewegung.

Der Appetit und die Ungeduld schienen sich indeß bei beiden Brüdern von
Minute zu Minute zu steigern, zudem konnte ja auch jeden Augenblick die
Mutter kommen und den Speiserest forttragen.

Da endlich streckte Hans beide Hände aus und faßte die Schüssel am
Rande. Im Nu aber packte sie Görge an der entgegengesetzten Seite,
denn er wollte sich den fetten Bissen durchaus nicht so mir nichts dir
nichts entreißen lassen, am allerwenigsten sollte ihn Hans ohne alle
Hindernisse verschlucken dürfen.

Nun aber entspann sich ein ebenso heftiger als lächerlicher Kampf.
Hans zog hin, Görge her, und zwar erfolgte dieses Hinundher zusehends
schneller und mit merklich sich steigernder Erbitterung und Wuth. Der
arme Klos hatte es am übelsten dabei, denn er wurde unbarmherzig in der
Schüssel herumgekollert und hätte vor Angst bersten mögen.

Der brüderliche oder vielmehr unbrüderliche Kampf war jetzt aufs
Höchste gestiegen, die Brühe spritzte nach allen Seiten hin, und der
gute Klos rannte wie verzweifelt an den Schüsselwänden empor. Da aber
trat schnell und unerwartet ein tückisches Ereigniß ein, und Kampf
und Sieg waren entschieden. Plötzlich brach nämlich die Schüssel
mitten entzwei, die schöne Brühe ergoß sich auf das Tischtuch, und
der befreite Klos kugelte vom Tische herab auf den Dielen dahin. In
demselben Augenblicke aber sprang Ami unter dem Ofen hervor, fing den
Klos auf, that einen kräftigen Schluck, und weg war er.



~E.~ Satzgefüge.


I. Subjectivsätze.


1. Vollständige Subjectivsätze.


51. Natur.

(Der Subjectivsatz steht voran.)

Wer keine Freude an der herrlichen Gottesnatur hat, ist ein gefühlloser
Mensch. Wen ein Sonnenaufgang nicht entzücken kann, verdient nicht
der Sonne Segen. Wessen Herz nicht beim Anblick des Sternenhimmels
die Größe des Schöpfers empfindet, muß keinen Funken Glauben in
sich tragen. Wem der wunderbare Blumenbau nicht die Weisheit Gottes
verkündet, der wird auch durch die Bibel diese Eigenschaft nicht zu
erkennen vermögen.

Wem der Sinn für Natur abgeht, dem entgehen überhaupt unzählige
Freuden. Was die Vöglein singen, ist ihm leerer Schall. Wovon die
murmelnden Bächlein erzählen, kümmert ihn nicht. Wie zauberisch sich
ein Schmetterling aus der Raupe entwickelt, dünkt ihm nicht der
Beachtung werth. Daß der herbstlich gefärbte Laubwald ein reizendes
Bild ist, bleibt seinen Augen verborgen. Worin die Reize einer schönen
Winterlandschaft bestehen, ist seinen blöden Augen ein Räthsel. Worüber
Tausende inmitten des schönen Gottestempels entzückt aufjauchzen, dünkt
ihm vielleicht gar lächerlich.

Wer darum sein Leben mit edlen Freuden würzen will, mache die Natur zu
seiner Freundin.


52. Gottvertrauen.

(Desgleichen.)

Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut. Ob dies Wort von Allen verstanden
wird, ist wol zu bezweifeln. Daß aber vielen Menschen jene Ergebung in
den Willen des Höchsten mangelt, ist dagegen gewiß.

Wozu dieser Mangel oft führt, zeigt uns die Erfahrung.

Dem Gottvertrauen innewohnt, der hat eine mächtige Stütze im Leben.

Was den Gottvertrauenden hinieden auch betrifft, bringt ihn niemals
außer Fassung. Womit ihn der Herr erfreut, veranlaßt ihn zum Danke.
Was das Schicksal ihm auferlegt, wird von ihm geduldig hingenommen.
Warum Gott gerade ihm Leiden sendet, wird in ihm nie ein Gegenstand
kleinmüthiger Frage. Was sein Himmelsvater thut, dünkt ihm wohlgethan.

Der so zum Herrn steht, ist ein echtes Kind Gottes. Den solcher Glaube
beseelt, ist ein wahrer Christ. Wessen Herz von solcher Zuversicht
durchdrungen ist, der steuert sicher auf dem bewegten Strome des Lebens.


53. Der Hund.

(Der Subjectivsatz zuletzt.)

Es ist längst erwiesen, daß schlechte Verpflegung den Hund schließlich
toll macht. Es ist hinlänglich bekannt, daß ein toller Hund unsägliches
Unheil anrichten kann. Es ist oft genug geschildert worden, wie
gräßlich das Ende eines in Tollwuth verfallenen Menschen ist. Trotzdem
ist es aber die große Frage, ob alle Hundebesitzer ihre Pflichten gegen
ihre Thiere gewissenhaft erfüllen.

Der pflegt seinen Hund nicht, der ihm zu geringe Kost reicht. Der
bekümmert sich wenig um die Gesundheit des treuen Thieres, den sein
Bedürfniß zu saufen nicht rührt. Der liebt den lieben Hausfreund kaum,
dem dessen Winseln vor Kälte kein Erbarmen einflößt.

Gib darum Deinem Hunde, was ihm gehört. Reiche ihm, was ihn wirklich
nährt. Wende von ihm ab, was ihm schädlich ist. Muthe ihm nicht zu, was
über seine Kräfte geht. Vergiß nie, wie ihn die Natur gebaut hat.

Der ist ein Thierquäler, der das Alles nicht beachtet. Derjenige sollte
darum auch keinen Hund halten, der seine Bedürfnisse nicht kennt.


54. Die Erde.

(Der Subjectivsatz vorn und zuletzt.)

Daß die Erde große Schätze birgt, steht in jeder Naturgeschichte. Es
ist aber sehr fraglich, ob alle schon entdeckt sind.

Wen Diamanten umstrahlen, der dankt sie der Erde. Wem sein Mittagsbrod
auf goldenen Gefäßen gereicht wird, der gedenke des Fundortes dieses
edlen Metalles. Es wäre möglich, daß ihn dieser Gedanke vor Stolz
bewahrte.

Was nur irgend aus Metall gefertigt ist, hat seinen Ursprung im Schooße
der Erde. Einleuchten muß es daher, daß auch die Stecknadel ein
Geschenk der Mutter Erde ist.

Wovon wir unsere Wohnungen bauen, liefert sie uns ebenfalls. Womit wir
uns kleiden, wächst zu einem großen Theile aus ihrem Schooße empor. Was
uns nährt, entsteigt ihrem geheimnißvollen Grunde. Unleugbar ist es
daher, daß sie die Erhalterin alles Lebens ist.

Es ist längst kein Geheimniß mehr, wie der Erdball entstanden. Wol aber
bleibt es eine offene Frage, wie lange er fortbestehen wird. Wo sein
Ziel gesetzt ist, weiß nur sein Schöpfer. Es steht indeß zu hoffen, daß
die Erde während +unseres+ Lebens nicht untergehen wird.


2. Abgekürzte Subjectivsätze.

55. Selbsterkenntniß.

Es ist eine große Weisheit, sich selbst zu kennen. Wenigen aber nur
fällt es ein, sich selbst zu beobachten. Nur Einzelnen ist es bequem,
über sich selbst nachzudenken. Es ziemt indeß besonders dem Christen,
sich stets zu prüfen. Seine eigenen Fehler zu gestehen, schändet
niemals. Sich schuldig zu bekennen, ehrt oft gar.

Es ist ja doch menschlich, sich einmal vergessen zu haben. Ebenso
menschlich ist es, sich zu irren.

Sehr leicht ist es dagegen, Andere zu richten. Manchen scheint es ein
wahres Vergnügen zu sein, fremde Mängel zu enthüllen. Gar Viele finden
eine Freude darin, Anderer Fehler aufzudecken. Ein Splitterrichter zu
sein, ist indeß kein Lob.

Es bleibt stets gefährlich, sich über Andere zu erheben. Sich selbst zu
bekämpfen, ist der allerschwerste Krieg. Sich selbst zu besiegen, ist
der allerschönste Sieg.


Wiederholung.

(Vollständige und abgekürzte Subjectivsätze.)

56. Die Todten.

Daß man die Todten ehrt, ist eine löbliche Sitte. Ihr letztes Ruhebette
zu schmücken, ist nichts Tadelnswerthes. Ihr Begräbniß feierlich zu
gestalten, ist den Angehörigen ein Bedürfniß.

Wer aber hierbei die rechte Grenze überschreitet, dessen Verfahren
verdient Mißbilligung. Es ziemt auch hierbei Maß zu halten.

Wirkliche Kleinode mit ins Grab zu geben, ist eine Verschwendung. Was
der Sarg umschließt, ist ja für immer verloren. Der ruht deshalb nicht
sanfter in der Erde, an dessen Fingern Diamanten funkeln. Was an dem
Geschiedenen auf dem Paradebette blitzt, das erlischt im Grabesdunkel.

Todte zu ehren, ist löblich. Mit Todten Luxus zu treiben, ist
verwerflich. Es wäre rühmlicher, „die Salbe“ zu verkaufen und den Armen
zu geben.


Hauptwiederholungen.

(Zusammengesetzte Sätze und Satzgefüge.)

57. Im Winter.

Bruno setzte sich an das Fenster, Heinrich dagegen nahm am Tische
Platz. Was sie zeither gespielt hatten, war ihnen langweilig geworden.
Es ist ja bekannt, daß selbst das schönste Spiel endlich ermüdet.

Bruno ergötzte sich jetzt an dem wirbelnden Schneefalle, denn der
alte Winterkönig schüttelte die silbernen Flocken mit vollen Händen
herab. Heinrich baute aus Kartenblättern Häuser und Brücken, sogar eine
Festung versuchte er zu errichten.

Ob sie heute noch Erlaubniß zum Schlittenfahren erhalten würden,
war beiden Brüdern zweifelhaft. Sich draußen im frischen Schnee
herumtummeln zu dürfen, wäre ihnen freilich sehr erwünscht gewesen. Wer
je einmal diese Winterlust genossen hat, wird ihnen diesen Wunsch nicht
verdenken.

Endlich trat der Vater ein, und sein heiteres Gesicht ließ die Knaben
Hoffnung schöpfen. Was sie hofften, ging in Erfüllung.

Wen das Schlittenfahren reizte, der konnte gehen. Wem eine
Schneebataille erwünscht schien, der hatte die Erlaubniß dazu. Wie sich
überhaupt die beiden Brüder draußen vergnügen wollten, blieb ihnen
überlassen.

So viel Freiheit hatten sie nicht erwartet, denn sie kannten die
gewöhnliche Strenge des Vaters. Das aber ist die größte Freude, die uns
unerwartet kommt.

Bruno und Heinrich eilten hinaus. Wo der Schnee am tiefsten lag, wußten
sie schon. Wozu die Schneewehen für die Kinder da sind, war ihnen
ebenfalls gar wohl bekannt. Daß sie auf der Pfarrwiese zahlreiche
Gesellschaft treffen würden, ließ sich vermuthen.

Wol an zwei Stunden tummelten sich beide Brüder nach Herzenslust in
der freien Winterflur umher, und bei dieser Belustigung gab es keine
Langeweile.


II. Prädikatsätze.


58. Gott und der Mensch.

Gott ist, der er war. Gott ist auch, der er sein wird. Er bleibt, der
er stets gewesen.

Der Mensch dagegen bleibt nicht, der er war. Wol aber wird er einst,
was er war.

Auch ich werde wieder, was ich einst gewesen. Der Leib verwandelt sich
in Erde. Somit wird so manches Menschen höchster Stolz im Grabe, was er
im Leben gleichgiltig mit Füßen trat. Eine große Thorheit ist es, daß
man dies zu oft vergißt.

Die Gräber sind es, woran des Lebens ernsteste Gedanken geschrieben
stehen. Die größte Weisheit ist, daß man diese Schrift zu lesen
versteht. Sie ist übrigens derartig, daß sie Jeder lesen +kann+.
Demuth sei es daher, wonach wir stets trachten wollen.


Hauptwiederholung.

(Subjectiv- und Prädikatsätze.)

59. Ein trauriger Pfad.

Gefährlich ist es, des Lasters Bahn zu gehen. Was anfänglich genußreich
erschien, wird gar zu oft die Ursache bitterer Schmerzen. Worüber der
Sinnenmensch früher jubelte, erscheint ihm später nicht selten als
Gegenstand der Reue.

Der Lasterhafte wird endlich, was der Sklave an der Kette ist. Er ist
somit, was er um Alles in der Welt nicht sein will. Sein Bestes zu
bedenken, kommt ihm nicht in den Sinn. Das Ende seiner Lebensweise zu
erwägen, vermeidet er absichtlich.

Sich selbst zu beherrschen, mangelt ihm die Kraft. Wozu ihn sein
Gelüste treibt, wird seine nächste Aufgabe. Wohin der Rausch führen
könne, kümmert ihn nicht.

Aber der anfangs blumenreiche Lasterpfad bleibt nicht, wie er war. Was
anfänglich Rosen waren, sind zuletzt nur noch Dornen. Was den Körper zu
oft erquickt, richtet ihn zu Grunde. Was den Geist rauschartig aufregt,
stumpft ihn ab.

Der Schwelger wird als Jüngling, was der Greis in späteren Tagen ist.
Der Fluch der Sünde ist es, worin er seinen Untergang findet.


III. Beifügesätze.


1. Vollständige Beifügesätze.


60. Ein Schulkreuz.

(Der Beifügesatz zuletzt.)

Theodor gehörte zu den Schülern, die dem Lehrer Noth machen. Er zeigte
ein Betragen, das keineswegs löblich war. In seinem ganzen Wesen lag
ein Stumpfsinn, der ihn für jeden Tadel gleichgiltig machte. Aus
seinem Auge aber sprach dabei eine gewisse Tücke, die ihn als einen
gefährlichen Nachbar erscheinen ließ.

Seine Arbeiten waren oft von einer Beschaffenheit, die den Lehrer
in Aufregung versetzte. Oft brachte er Exempel, die er nicht selbst
gerechnet hatte. Zuweilen lieferte er einen Aufsatz ab, der durchaus
nicht aus seiner Feder geflossen war. Nicht selten legte er Zeichnungen
als die seinigen vor, die fremde Hände ausgeführt hatten.

Er war demnach ein Schüler, der log. Er war ein Mensch, der betrog.

Natürlich erhielt Theodor Strafen, die sehr empfindlich waren. Er bekam
Censuren, die fast nicht schlechter sein konnten.

Der Lehrer wies ihm endlich einen Platz an, der ihm zur großen Schande
gereichen mußte. Theodor’s Hände mußten zuletzt sogar Bekanntschaft mit
dem Dinge machen, das man gewöhnlich nur zum Linienziehen verwendet.
Trotzdem aber blieb er ein Schüler, der für die Schule ein Kreuz war.


61. Ein muthiger Knabe.

(Der Beifügesatz in der Mitte.)

Ein Knabe, der im Walde Beeren suchte, fühlte Hunger. Er setzte sich
deshalb unter einer Eiche, die mit ihren riesigen Aesten viel Schatten
bot, nieder. Ein Stück trockenes Brod, das er aus der Tasche zog,
diente ihm als Mahl. Die Beeren, die er bereits gepflückt hatte, rührte
er indeß nicht an.

Bald war die höchst einfache Mahlzeit, die ihm jedoch vortrefflich
gemundet, beendet. Da fühlte er plötzlich an dem einen Fuße, den er an
einen Stein gestemmt hielt, einen stechenden Schmerz. Fast zu gleicher
Zeit huschte eine Otter, die er sofort für die Kreuzotter erkannte,
unter den Stein.

Der Knabe, der sich sofort von der Natter gebissen hielt, erschrak über
die Maßen. Ihm war die Gefahr, die aus einem solchen Bisse entsteht,
aus der Naturgeschichte bekannt. Ihm war aber auch das Mittel, das hier
allein retten konnte, nicht verborgen.

Er führte den Fuß, der bereits zu schwellen begann, an den Mund.
Hierauf nahm er die verwundete Stelle, die nur unbedeutend blutete,
zwischen die Lippen. Nun fing er mit aller Kraft, die seine Lungen
gestatteten, zu saugen an. Das Blut, das er auf diese Weise in
ziemlichen Massen aussog, spuckte er natürlich aus.

Dieses Aussaugen der Wunde, das er mit allem Eifer betrieb, setzte er
wol eine halbe Stunde fort. Darauf hielt er den Fuß, der nicht weiter
angeschwollen zu sein schien, in den nahen Waldbach.

Jetzt erst ging der Knabe, der sich indeß ziemlich ermattet fühlte,
nach Hause. Die Eltern, welche über das Geschehene in große Aufregung
versetzt wurden, riefen sofort einen Arzt herbei. Der betreffende
Arzt, der in seiner Kunst wohl erfahren war, erklärte alle Gefahr für
beseitigt.

Der Knabe, dessen Geistesgegenwart man allgemein bewunderte, hatte sich
selbst von den schrecklichen Folgen eines Otternbisses gerettet.


62. Flora.

(Die Beifügesätze umschreiben ein Eigenschaftswort.)

Flora, welche sehr strebsam war, liebte besonders die Musik. Ihr Ohr,
das für die Harmonien sehr viel Empfänglichkeit besaß, lauschte jedem
Tone. Kein Genuß ging ihr über das Anhören eines Concertes, das sich
einer guten Ausführung erfreute.

Flora besaß einen musikalischen Nachahmungstrieb, der oft Staunen
erregte. Melodien, die zum Gemüthe sprachen, spielte sie sofort auf dem
Piano nach. Arien, die einen gediegenen Charakter offenbarten, sang sie
mit Leichtigkeit nach dem Gehör.

Dieses Talent Flora’s bemerkte ihr Onkel, der ein reicher Mann war. Er
ließ ihr sofort musikalischen Unterricht ertheilen, wie er besser wol
kaum gefunden werden konnte. Durch seine Verwendung genoß sie überhaupt
eine musikalische Ausbildung, die nach jeder Richtung hin ausgezeichnet
genannt werden mußte.

Flora machte in kurzer Zeit Fortschritte, die abermals der Bewunderung
werth waren. Schon nach zwei Jahren trat sie in dem Theater, welches
das größte der Stadt war, als Sängerin auf. Ihr Gesang, dessen Reinheit
nichts zu wünschen übrig ließ, fand außerordentlichen Beifall.

Flora, die bei aller Auszeichnung ihre Bescheidenheit bewahrte, ward
eine berühmte Sängerin. So hatte jener Onkel, der bei allem Reichthum
ein gutes Herz besaß, ihr Glück begründet.


63. Eine Bergpartie.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Mittelwort.)

Der Fuß des Berges, den wir besteigen wollten, war erreicht. Unser
Führer, der im Reisen wohlerfahren zu sein schien, rieth zu einer
kurzen Rast.

Diesem Rathe, der uns sehr wohlgemeint dünkte, folgten wir gern.
Schnell warfen wir die Reisebündel, die uns nicht wenig drückten, ab.
Ein jeder suchte sich sofort ein Ruheplätzchen, das Schatten gewährte.
Bald machte ein Trunk, der uns schier erquickte, die Runde. Auch ein
Imbiß, der uns Stärke verleihen sollte, wurde genommen.

Nach einer halben Stunde, die wir traulich verplaudert hatten, setzten
wir unsere Reise fort. Langsam stiegen wir den Abhang, welcher indeß
bald sehr steil wurde, hinan. Namentlich wurde der Marsch durch das
Steingeröll, welches den Pfad bedeckte, ungemein erschwert. Die
Alpenstöcke, die wohl mit Eisen beschlagen waren, fanden bei jedem
Schritte Verwendung.

Nach einem einstündigen Marsche erreichten wir eine Matte, welche
viel Reize bot. Dicht vor einem Felsen stand eine Sennhütte, welche
zahlreiche Geisen umlagerten. Freundlich grüßte ihr Geläute, das sanft
in die Luft hallte, uns entgegen. Der Anblick der Alpenwiese, die üppig
grünte, war für das Auge ein Genuß. In vollen Zügen schlürften wir den
Alpenkräuterduft, der uns wahrhaft stärkte.

Mit einem Marschliede, das aufs neue erheiterte, schritten wir über
die liebliche Bergeinsamkeit hinweg. Der Punkt, den wir erreichen
wollten, lag noch etwa 2000 Fuß hoch. Von jetzt an gab es mitunter
Weghindernisse, die nur höchst mühsam zu überwinden waren. Wir
gelangten außerdem wiederholt auf Felsenvorsprünge, welche Schwindel
verursachten. Unter des Führers Zusprache, die uns ermuthigte, strebten
wir indeß vorwärts.

Ohne Kampf, der allerdings ermüdet, kein Sieg. Nach einer Stunde,
die uns noch fürchterlich anstrengte, standen wir endlich auf dem
Gipfel des Berges. Hier aber lohnte auch der Umblick, der uns förmlich
bezauberte, reichlich unsere Mühe.


64. Verschiedene Besitzungen.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Besitz anzeigendes Fürwort.)

Das Haus, das mir gehört, steht an einem Bache. Der Freund, welchen ich
mein nenne, besitzt auch ein Grundstück. Das Grundstück, das ihm zu
eigen gehört, liegt nahe am Walde.

Die beiden Besitzungen, die unser Eigenthum sind, haben beide ihre
Vorzüge. Die Lagen, deren sie sich erfreuen, bieten mancherlei Reize.
Ziemlich öde ist dagegen die Lage der Villa, die Du angekauft hast. Ein
Gleiches gilt von dem Rittergute, das Dein Bruder inne hat. Die Asyle,
die Ihr Euch da zu eigen gemacht habt, könnten mir nicht gefallen.

Der Geschmack, den ich in dieser Beziehung besitze, weicht eben von dem
Eurigen ab. Die Wünsche, die ich in dieser Hinsicht hege, erstrecken
sich auf eine romantische Umgebung. Die Ansprüche dagegen, die Ihr
macht, beziehen sich mehr auf eine schöne Einrichtung im Innern der
Gebäude.


65. Ein Todtenbette.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Ortsbestimmung.)

Das Schloß, das inmitten eines wundervollen Parkes lag, war heute eine
Stätte unendlichen Schmerzes. Der große Saal, durch den sonst heitere
Musik rauschte, hatte müssen in eine stille Todtenhalle verwandelt
werden. Das kostbare Fußgetäfel, über welches oft die geflügelten Füße
fröhlicher Ballgäste glitten, trug heute einen Sarg. Dieser Sarg, um
den herum unzählige Kerzen brannten, barg einen Jüngling.

Der Todte, auf dem Aller Augen mit tiefer Wehmuth ruhten, war der
einzige Sohn des reichen Schloßbesitzers. Theilnehmende Verwandte
hatten kostbaren Blumenschmuck gesendet, der vor dem Sarge in sinniger
Ordnung aufgestellt war. Riesige Fächerpalmen, die man oberhalb des
Hauptes angebracht hatte, bildeten eine Art Himmelbette.

An dem Betstuhle, der dicht neben dem Sarge stand, kniete ein betender
Priester. Das Crucifix, das zu Füßen des Paradebettes lehnte, war
umflort.

Des Jünglings Vater, der an einer nahen Marmorsäule lehnte, sah in
stummem Schmerze vor sich nieder. Die Mutter, welche dicht hinter ihm
stand, barg ihr thränenzerflossenes Antlitz in ihr weißes Taschentuch.
Sogar des Todten Lieblingshund, der nicht von der Seite des Sarges
wich, schien seinen Herrn zu betrauern.

Dieser Todesfall, der bei Alt und Jung die größte Theilnahme
hervorrief, zeigte so recht die Ohnmacht des Reichthums. Dieser
Schicksalsschlag, der ja doch von oben kam, machte all das irdische
Glück der Schloßfamilie zu nichte. Er führte sie aber auch zur Demuth
vor dem, der jenseits der Sterne wohnt.


66. Deutschland.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Zeitbestimmung.)

Der deutsch-französische Krieg, der nach verhältnißmäßig kurzer Zeit
beendet war, ist für die deutschen Länder von großem Segen gewesen. Das
Blut, das damals floß, ist nicht umsonst geflossen. Die verschiedenen
deutschen Staaten, die es vorher gab, haben sich zu einem großen Ganzen
vereinigt. Die vielen deutschen Heerkörper, die sonst unter ebenso
vielen obersten Befelshabern standen, stehen nun unter einem einzigen
Kriegsherrn.

Die mancherlei deutschen Stämme, die sich vor kurzem noch mehr oder
weniger von einander absonderten, reichen sich jetzt die Bruderhand.
Aus den einzelnen Gebieten, welche vordem zerstückelt umherlagen, ist
ein einziges großes Reich erstanden. Das Deutschthum, das zeither
von gewissen Nationen über die Achsel angesehen wurde, hat sich eine
außerordentliche Geltung erobert. Selbst der gewöhnliche Mann, der
sonst auf seine Angehörigkeit wenig Gewicht legte, fühlt sich jetzt als
Deutscher.

Aber die Sonne, die nach jenem glücklichen Kriege über unser Vaterland
aufgegangen ist, hat auch sonst noch große Veränderungen bewirkt. Die
Milliarden, die noch heute als Kriegsentschädigung nach Deutschland
einwandern, haben in der Verkehrswelt einen großen Umschwung
hervorgebracht. Der Unternehmungsgeist, der allerdings den Deutschen
stets innewohnte, hat gegenwärtig einen ungeheuren Anlauf angenommen.

Dadurch sind freilich die Arbeitskräfte, welche bisher in ziemlich
genügender Zahl vorhanden waren, rar geworden. Infolge dessen haben
sich die Arbeitslöhne, die vor dem Kriege mäßige waren, fast um das
Doppelte gesteigert. In gleichem Maße sind die Lebensmittelpreise, wie
wir sie im Jahre 1870 kannten, in die Höhe gegangen.

Doch das, was einst war, müssen wir vergessen lernen. Halten wir
trotzdem unser liebes Deutschland, wie es jetzt ist, hoch und hehr.


67. Der Lebensmüde.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Art und Weise.)

Ein Greis, welcher unter vielen Lebensstürmen ergraut war, wollte sich
in die Einsamkeit zurückziehen. Zu diesem Zwecke ließ er sich am Ende
seines Vaterdorfes, dessen Häuser ziemlich zerstreut in einem Thale
lagen, eine Hütte bauen. Diese Hütte, die er sich ganz nach seiner
Weise einrichten ließ, sollte sein letztes Asyl im Leben sein.

Die Wände, die kaum die Dicke eines Mauerziegels hielten, wurden aus
Lehm errichtet. Die Fenster, die beinahe wie Kerkerfenster aussahen,
waren durchaus nicht auf viel Stubenhelle berechnet. Das Dach, welches
man in einfachster Weise mit Stroh gedeckt hatte, reichte an der
Hinterseite fast bis auf die Erde. Auch die innere Einrichtung der
Wohnstube, in der man vergeblich nach dem kleinsten Luxus suchte, trug
das Gepräge der größten Einfachheit.

Endlich zog der lebensmüde Greis, der längst auf die Vollendung der
Hütte gewartet hatte, ein. Er, der lange genug im Schweiße seines
Angesichts sein Brod gegessen hatte, pflegte hier nun der Ruhe. Um
die Welt, der er unverdrossenen Sinnes seine Kräfte gewidmet hatte,
kümmerte er sich wenig mehr.

Seine Welt war jetzt ein kleines Gärtchen, das er ohne alle Anstrengung
mit Blumen bepflanzte. Sein treuester Freund war der alte Mops, der ihm
beständig auf Schritt und Tritt folgte.

So floß sein Lebensabend, der bei aller Entbehrung doch noch manche
stille Freude bot, ruhig dahin. Der stille Rückblick auf die
Vergangenheit, die wie ein sturmbewegter See heute vor ihn lag, kürzte
ihm die Zeit.

Endlich nahte seine Sterbestunde, der er schon längst ergebenen Sinnes
entgegengesehen hatte. Sein Ende, das unter einem gläubigen Gebete
erfolgte, war ein sanftes Entschlummern. Die Hütte aber, aus der man
den Entschlafenen ohne Sang und Klang zur Ruhe trug, hieß von Stund an
das Friedenshäuschen.


68. Vaterlandsliebe.

(Der Beifügesatz umschreibt einen Grund oder Zweck.)

Ein Bauer, der durch eine Erbschaft sehr reich geworden war, hatte
einen einzigen Sohn. Diesen Sohn, für dessen Zukunft sich nun eine
glänzende Aussicht eröffnete, liebte er mit rührender Herzlichkeit.
Sein Gotthold, der wegen seiner guten Aufführung auch im ganzen Dorfe
geliebt wurde, war sein größter Stolz. Uebrigens gehörte Gotthold,
seines schlanken Wuchses halber, zu den schönsten Burschen der Umgegend.

Da brach ein Krieg herein, der zur Rettung des Vaterlandes geführt
werden mußte. Der König, welcher kraft seiner Macht das Kriegsheer
verstärken konnte, ließ sofort Rekruten ausheben. Einzelne junge
Männer, die aus Furcht vor den Kriegsgefahren entflohen, wurden
gewaltsam zurückgebracht. Viele Jünglinge indeß, die um des Vaterlandes
willen gern ihr Leben einsetzen wollten, stellten sich freiwillig. Auch
Gotthold, der überhaupt für den Soldatenstand schwärmte, eilte aus
freiem Entschlusse zu den Waffen.

Wenige Wochen darauf wurde er dem Regimente, das zum Schutze der
Hauptstadt bestimmt war, einverleibt. Sein schon betagter Vater, der
vor Besorgniß um den einzigen Sohn keine Nacht ruhig schlafen konnte,
holte täglich Nachricht über den Stand der Dinge ein.

Da endlich langte gerade an dem Sonntage, der der Erinnerung an die
Heimgegangenen geweiht ist, die Kunde von einem blutigen Kampfe um den
Besitz der Hauptstadt an. Glücklicherweise ließ die Botschaft von der
gänzlichen Niederlage des Feindes, die durch den Telegraphen vermittelt
wurde, nicht lange auf sich warten.

Leider hatte Gotthold diesen Sieg, der für die Rettung des Landes den
Ausschlag gab, mit seinem Leben bezahlen müssen. Sein Vater, der zwar
für den Augenblick von diesem Schicksalsschlage wie zerschmettert
schien, brach indeß keineswegs in ein verzweifeltes Wehklagen aus. Er
ertrug den Schmerz über den herben Verlust, den er um des Vaterlandes
willen erlitten, mit stiller Ergebung. Von seinem Sohne aber, der
durch seinen Tod den Sieg erkaufen half, sprach er sein Lebelang mit
sichtlichem Stolze.


69. Gleiche Rechte, gleiche Pflichten.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Hauptwort im zweiten Falle.)

Das Gesetz, wonach in Deutschland jetzt jeder gesunde junge Mann
zum Militärdienste verpflichtet ist, ist gewiß ein gerechtes. Die
frühere Einrichtung, welcher zufolge sich die Söhne der Reichen vom
Militär freikaufen konnten, hatte große Schattenseiten. Warum sollte
blos der Arme die Pflicht, den Fürstenthron zu schützen, zu erfüllen
haben? Warum sollten blos die Söhne unbemittelter Eltern den schweren
Eid, nach welchem der Soldat das Vaterland mit Blut und Leben zu
vertheidigen hat, auf sich nehmen?

Die Zusicherung, daß Jedermann vom Staate gleichen Schutz genießt,
legt auch Allen gleiche Pflichten gegen den Staat auf. Wollen wir also
die weise Verfügung, kraft deren jetzt der Millionär neben dem ärmsten
Nachtwächterssohne unter der deutschen Fahne steht, freudig begrüßen.
Möge jeder junge Soldat den Schwur, vermöge dessen er unverbrüchliche
Treue gelobt, in Ehren halten!


70. Das kindliche Spiel.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Zeitwort in reiner Form.)

Der Trieb, demzufolge das Kind gern spielt, ist ein sehr natürlicher.
Es darf darüber natürlich die Pflicht, die es für die Schule arbeiten
heißt, nicht vergessen.

Sehr verschieden ist die Art, in der manche Kinder ein Spiel treiben.
Kleinen Kindern muß oft die Weise, nach welcher ein Spiel zu handhaben
ist, erst gelehrt werden. Sie zeigen in der Regel anfänglich das
Bestreben, daß sie die Spielgegenstände am liebsten zerstören möchten.

Bei geselligen Spielen tritt leider oft die Sucht, daß der Einzelne
über die Andern gern herrschen möchte, recht deutlich hervor. Man muß
aber diesen Hang, demzufolge ein Einzelner allen Andern befehlen will,
unbedingt tadeln. Jedem Mitspielenden muß das Recht, wonach er sich für
ein gewisses Spiel entscheiden kann, freistehen.

Ebenso darf auch bei sogenannten Glücksspielen der Wunsch der Kinder,
daß sie gewinnen möchten, nie zur Leidenschaft werden. Die Möglichkeit,
daß man im Glücksspiele auch verlieren kann, muß jedem Spieler vorweg
einleuchten.


71. Räthsel.

(Der Beifügesatz umschreibt ein Doppelhauptwort.)

Alfred und Heino gaben sich gegenseitig Räthsel auf. Alfred brachte
folgende zum Vorschein:

  Wie heißt das Stroh, womit das Dach man deckt,
  Wie nennst du das, drauf man im Bett sich streckt,
  Wie heißt das Dach, das man aus Stroh gewinnt,
  Und wie der Mann, deß Glieder Stroh nur sind?
  Nenn’ mir das Bier, das gleich vom Faß man trinkt,
  Und wieder das, das aus der Flasche blinkt.
  Wie heißt das Faß, dem frisch das Bier entfließt,
  Und wie das Glas, aus dem man Bier genießt?
  Wie heißen Maler, die die Stube schmücken,
  Und die, die uns durch Landschaftsbilder oft entzücken?
  Wie nennst die Stube Du, da still ein Maler schafft,
  Und die, drin uns der Schlaf gibt neue Kraft?


72. Die Bienen.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Zahlbestimmung.)

Die Bienen eines Stockes, deren Zahl oft 15000 beträgt, bilden eine
Art Königreich. Die Honigbienen, die ziemlich stark vertreten sind,
erscheinen als die eigentlichen Arbeiter. Die Drohnen, deren Zahl
geringer ist, machen den Hofstaat aus.

Neben den Honigzellen bauen die Bienen auch Brutzellen, die man
ebenfalls nach Tausenden zählen kann. Die Eier, welche eine gleich
große Menge bilden, legt einzig und allein die Königin.

An einem günstigen Tage kann von den Bienen eines reich bevölkerten
Bienenstockes eine Honigmenge, die das Gewicht von zehn Pfund
erreichte, eingeheimst werden.


73. Biblische Beinamen.

(Der Beifügesatz umschreibt eine Apposition.)

Die Sitte, in irgend einer Weise sich auszeichnenden Menschen einen
besonderen Beinamen zu geben, ist uralt. Den ersten erhielt Adam, den
man den Stammvater des Menschengeschlechts nannte. Einer gleichen Ehre
hatte sich Abraham, der als der Erzvater bezeichnet wurde, zu erfreuen.

Zu diesen bevorzugten biblischen Personen gehört auch der König Salomo,
dem man bekanntlich den Ehrentitel „der Weise“ beilegte. Unbestritten
aber führt Christus, der als der Sohn Gottes bezeichnet wird, den
erhabensten Beinamen.

Die biblischen Beinamen sind indeß nicht immer solcher Natur, daß die
betreffende Person dadurch geehrt wird. Wir denken dabei an Herodes,
welcher der Grausame benannt worden ist. Auch an Judas, der den Namen
„Verräther“ führt, müssen wir uns hierbei erinnern. Ebenso ist Thomas,
den man als den Ungläubigen bezeichnet hat, hierher zu rechnen. Nicht
minder gehört Antiochus, den man zu den Tyrannen zählt, in diese Klasse.


Wiederholung.

(Alle Arten Beifügungen.)

74. Der sterbende Löwe.

Ein Löwe, der ein hohes Alter auf seinem Rücken trug, lag vor seiner
Höhle. Die Mähne, die einst in üppiger Fülle seinen Leib schmückte,
hing nur noch in dünnen Büscheln über die Schultern. Das Auge, das
sonst feurig durch die Wüste spähte, stierte matt vor sich hin. Aus
den früher so mächtigen Tatzen, die sich jetzt auf dem heißen Sande
hinstreckten, war alle Kraft gewichen.

Das Mahl, das sich der Löwe gestern herbeigeholt hatte, war von ihm
unberührt geblieben. Der gute Appetit, dessen er sich stets erfreute,
schien gänzlich verschwunden. Auch an ihm behauptete das Naturgesetz,
demzufolge selbst der Stärkste dem Tode verfällt, seine Rechte.

Der Wunsch, daß man den Beherrscher der Wüste gern noch einmal sehen
möchte, führte eine Menge Thiere herzu. Darunter befanden sich freilich
auch solche, welche die Schadenfreude herbeitrieb. Man sah sogar
einige, die nun ihren Haß an dem hinfällig Gewordenen auslassen wollten.

Der Fuchs, der zu den ärgsten Feinden des Löwen gehörte, kränkte ihn
mit allerlei beißenden Reden. Der Wolf, dem der Wüstenkönig einmal
ein feistes Lamm abgejagt hatte, schimpfte den Sterbenden einen
schändlichen Räuber. Ein Büffel, der seit Jahren in Furcht vor dem
Löwen lebte, stieß ihn mit seinen Hörnern. Sogar ein träger Esel, der
aus bloser Laune den König der Thiere nie leiden konnte, versetzte ihm
noch einen Schlag mit seinen Hufen.

Da trat endlich ein Roß, dem der Löwe nur unlängst noch sein Junges
zerrissen hatte, herzu. Es richtete sein Auge, dessen Ausdruck von
Mitleid zeugte, schweigend auf den Sterbenden. Dieses edle Thier
konnte die gemeine Gesinnung, derzufolge man sich an einem unschädlich
gewordenen Feinde rächt, nur verabscheuen. Es hielt eine solche
Handlungsweise, die nur aus Niederträchtigkeit hervorgehen kann, für
die größte Schande.

Der Löwe, dem dieser Edelmuth nicht entging, warf dem Pferde einen
dankbar gerührten Blick zu. Bald darauf aber machte der Tod, mit dem er
schon geraume Zeit kämpfte, seinem Leben ein Ende.


75. Das Wasser.

(Desgleichen.)

Das Wasser, welches ein tropfbar-flüssiger Körper ist, bedeckt zu
zwei Drittheilen die Erdoberfläche. Seine Farbe, die durch die darin
aufgelösten Stoffe bedingt wird, tritt verschieden auf.

Fast himmelblau leuchten uns die Spiegel derjenigen Seen, welche sich
zwischen den Alpen ausbreiten, entgegen. Im schillernden Dunkelgrün
wälzt die Woge, die der Sturm auf dem Weltmeere vor sich her treibt,
dem Ufer zu. Fast farblos dagegen erscheint der Strahl, der sich aus
dem Röhrbrunnen ergießt.

Außerordentlich mannichfaltig sind die Formen, in denen uns das Wasser
begegnet. Als Dunstbläschen, in welche es durch Wärme verwandelt
worden ist, steigt es in die Luft. In Tropfen fällt es aus den Wolken,
die langsam über unsern Häuptern dahinziehen, herab. Im Frühlinge
überzieht es zuweilen die Flur mit Reif, der uns dann als eine Art
Feenschleier erscheint. Auch in Gestalt von Graupeln, die in den höhern
Luftschichten gebildet werden, bekommen wir es nicht selten zu sehen.

Grausig klingt bei mächtigem Gewitter das Herniederdonnern der
Schloßen, die durch ihren Niederschlag oft große Verheerungen
anrichten. Alle Eisdecken, welche im Winter die Gewässer tragen, sind
Gebilde aus Wasser. Und wem wäre nicht die Entstehung des Schnees, der
das Schlummergewand der Erde bildet, bekannt?

Unendlich groß ist der Segen, den das Wasser gewährt. Es erhält alles
Leben, das die weite Erde trägt. Selbst das kleinste Pflänzchen, das
auf dem dürrsten Sandboden gedeiht, kann ohne Wasser nicht fortbestehen.

Das Wasser trägt auf seinem Rücken Lasten, deren Gewicht Staunen
erregen muß. Es setzt gewaltige Räder, durch welche wieder große
Maschinen in Thätigkeit gebracht werden, in Bewegung. Durch die
Eigenschaft, vermöge deren es sich durch Hitze in Dämpfe verwandelt,
wird es für die riesigsten Fahrzeuge zum treibenden Elemente.

Freilich kann auch das Wasser, wenn es zur Flut wird, unsagliches
Unheil anrichten. Wer zählt die unglücklichen Opfer, die schon das
sturmdurchtobte Meer verschlungen?


2. Abgekürzte Beifügesätze.

76. Bete und arbeite.

Wendler, ein schlesischer Leineweber, hatte vom Leben sehr verkehrte
Ansichten. Die Pflicht, sein Daheim zu erhalten, legte er lediglich in
Gottes Hand. Die Annahme, Gott erhöre jedes Gebet, verleitete ihn zum
Müßiggange. Der Gedanke, einen Tag verfaulenzt zu haben, störte ihn
nicht.

Dagegen befriedigte ihn das Bewußtsein, heute wieder ein recht
fleißiger Beter gewesen zu sein. Die Hoffnung aber, durch Gebet Alles
erreichen zu können, ist eine Thorheit.

Gott, unser wahres Wohl im Auge habend, fordert auch den Gebrauch
unserer eigenen Kraft. Er, obgleich von unendlicher Güte, gibt nichts
im Schlafe.

Wendler, einst gar nicht unbemittelt, versank mit der Zeit in Armuth.
Der Arbeit, dieser Würze des Lebens, hatte er sich gänzlich entwöhnt.
Und so wurde er, alle Mahnungen unbeachtet lassend, auch noch ein
vollendeter Taugenichts. Endlich mußte Wendler, unter dem Namen
Betbruder bekannt, sein Brod sogar vor den Thüren suchen.

Dein Bedürfniß, täglich mit Deinem Gott reden zu müssen, verdränge
daher nie den Trieb zur Arbeit. Bei dem Triebe, durch rührige
Thätigkeit Dein Auskommen zu sichern, vergiß aber auch nie das Gebet.


Wiederholung.

3. Vollständige und abgekürzte Beifügesätze.

77. Napoleon I.

Napoleon, der Große genannt, war seiner Zeit der Gefürchtete von ganz
Europa. Sein Eroberungsgelüste, welches keine Grenzen kannte, erfüllte
manchen andern Herrscher mit Zittern. Seine Siege, für ihn selbst
freilich oft recht opferschwer, wurden in den deutschen Staaten mit
Entsetzen vernommen.

Ein Fürst nach dem andern mußte sich unter sein Scepter, das einer
blutigen Geißel glich, beugen. Ein Land nach dem andern fiel seinem
Kriegsglücke, das allerdings durch sein großes Feldherrntalent bedingt
wurde, zum Opfer.

Somit schien er sein Ziel, Weltherrscher zu werden, wirklich erreichen
zu sollen. Der König aller Könige aber, der allmächtige Weltenlenker,
gebot endlich den stolzen Wellen. Der Stern, der zeither über dem
Haupte des großen Kaisers glänzte, verdüsterte sich.

In der deutschen Nation, durch die Noth geeinigt, zog sich ein schweres
Gewitter über ihm zusammen. Seine Macht, die jetzt in höchster Blüthe
stand, wurde gebrochen. Auf Leipzigs Ebenen, den ewig denkwürdigen,
erlitt er eine seiner furchtbarsten Niederlagen. Eine kleine Insel,
welche mitten im Meere liegt, wurde dem Ueberwundenen von seinen
Siegern zum Asyl angewiesen. Auf St. Helena beschloß endlich Napoleon,
der gefangene Kaiser, sein sturmbewegtes Leben.


Hauptwiederholung.

4. Subjectiv-, Prädikat- und Beifügesätze.

78. Die Sklaven.

Daß es noch immer Sklaven gibt, ist eine beklagenswerthe Thatsache.
Auch der Neger ist, was wir sind. Er gehört zu den Menschen, den
Ebenbildern Gottes.

Furchtbar schrecklich ist das Loos, das den armen Sklaven beschieden
ist. Was des Menschen höchstes Glück ausmacht, ist ihnen für das ganze
Leben genommen. Die Freiheit, die goldene, kennen sie nicht. Unter
einer Arbeitslast, die oft ihre Kräfte übersteigt, müssen sie ihre Tage
verbringen. Die Pflicht, derzufolge sie sich dem Willen ihres Herrn
bedingungslos zu unterwerfen haben, wird ihnen meist mit der Knute
gelehrt.

Die allerscheußlichsten Scenen, die ein Menschenauge nur sehen kann,
bietet ein Sklavenmarkt. Da stehen die armen Schwarzen, mit teuflischer
List eingefangen, gleich Opferthieren. Was in ihrem Innern vorgeht,
prägt sich in ihren Mienen aus. Ihren Ohren kann nicht entgehen, wie um
sie gefeilscht wird.

Ihre allergrößte Besorgniß ist, daß sie von ihren Angehörigen getrennt
werden könnten. Auch das Herz, das der Allvater in die Negermutter
gelegt, umfängt ja ihr Kind mit zärtlicher Liebe. Auch das Negerkind,
obgleich in der Wildniß aufgewachsen, erkennt seine Eltern als die
besten Freunde.

Dank sei denjenigen Staaten, welche innerhalb ihrer Grenzen das Unwesen
der Sklaverei abgeschafft haben. Ob dies noch in diesem Jahrhunderte
allenthalben geschehen wird, ist sehr die Frage. O laßt doch die armen
Sklaven wieder werden, was sie einst waren! Erhebt sie wieder zu freien
Menschen, die gleiche Rechte mit uns allen haben.


IV. Ergänzungssätze.


1. Vollständige Ergänzungssätze.


79. Saat und Ernte.

(Im 4. Falle.)

Was der Mensch säet, das wird er ernten. Möchte ein Jeder beachten, daß
in diesem Satze ein sehr ernster Fingerzeig für das Leben liegt.

Jeder vernünftige Mensch muß darum stets reiflich erwägen, was er
thut. Er muß jederzeit bedenken, wie sich die Folgen seiner Handlungen
gestalten können. Er muß mit Ruhe überlegen, wohin seine Schritte
möglicherweise führen.

Der ist kein Weiser, den das Alles nicht kümmert. Diejenigen sind darum
auch nicht zu bedauern, die jenen Fingerzeig nicht beachten.

Der Müßiggänger muß wissen, wohin die Faulheit endlich bringt. Der
Verschwender muß einsehen, daß durch unsinnige Ausgaben auch der größte
Reichthum vernichtet werden kann. Dem Schwelger muß die Erfahrung
gelehrt haben, daß durch ein wüstes Leben die leibliche Gesundheit
untergraben wird. Der Spieler darf sich nie verhehlen, daß die
Spielwuth die Brücke zu vielen andern Lastern ist.

Von den toll in den Tag Hineinlebenden weiß man nie, wo die Fahrt zu
Ende geht. Wie Mancher hat es schon am Ende seiner Tage bitter bereut,
bösen Samen auf seine Lebensbahn gestreut zu haben.

Bedenke darum in frühester Jugend schon, was Dir einmal frommen kann.
Träume Dir nie, Du seist vor all jenen Thorheiten sicher. Was Dich in
Versuchungsstunden schützen kann, findest Du in der Religion.

Vergiß nie, was Du in diesem Artikel gelesen hast.


80. Die kranke Freundin.

(Desgleichen.)

Johanna erfuhr eines Tages, daß ihre Freundin krank sei. Sie vernahm
auch, worin die Krankheit bestand. Daß der Zustand der Freundin
keineswegs ungefährlich erscheine, hatte ihr deren Arzt gesagt.

Da überlegte denn nun Johanna, womit sie der Kranken eine Freude
bereiten könne. Das freilich konnte sie der am Magen Leidenden nicht
anbieten, was diese in gesunden Tagen gern aß.

Endlich fiel ihr ein, daß die Freundin die Feldblumen sehr liebe.
Johanna wußte, wo die schönsten zu suchen seien. Sie fand daher sehr
bald, was sie suchte. Das gute Mädchen verstand es ausgezeichnet, aus
diesen einfachen Kindern der Flur einen reizenden Strauß zu binden.

Die Kranke errieth sogleich, woher die sinnige Gabe komme. Die Freude
über dieselbe bewirkte, daß sich jene auf einige Zeit wohler fühlte.

Einige Tage später erfuhr Johanna, daß ihre Freundin auf dem Wege
der Genesung sei. Wieder einige Tage darauf schrieb diese ihr sogar
eigenhändig, daß sie nächsten Sonntag wieder ausgehen werde. Zugleich
versprach sie, daß ihr erster Besuch Johanna gelten solle.


81. Lebensregeln.

(Im 3. Falle.)

Wer sich Dir anvertraut, dem leihe Dein Ohr. Wen Du dagegen nicht
kennst, dem vertraue kein Geheimniß. Wer einer Gabe bedürftig ist, dem
verschließe Deine Hand nicht. Der Dir dafür nicht dankt, dem gib noch
einmal.

Wer Dich haßt, dem reiche kein Messer. Dem aber weiche nicht aus, der
Dir die Hand zur Versöhnung bieten will. Danke dem, der Dich grüßt. Der
Dich indeß nicht grüßt, dem zürne nicht.

Wer seine Ehre lieb hat, dem muß auch der böse Schein verhaßt sein. Wer
aber von der Welt falsch beurtheilt wird, dem muß sein unbeflecktes
Gewissen zum Troste dienen.


82. Mütterliche Lehren.

(Desgleichen.)

Mutter Regine mußte heute dem die Hand zum Abschiede reichen, der
bisher ihr Liebling gewesen war. Wer ihre Liebe zu ihrem ältesten Sohn
kannte, dem sind ihre heißen Thränen gewiß erklärlich vorgekommen. Wer
auf die Wanderschaft geht, dem kann ja Mancherlei zustoßen.

Regine befahl in dieser Trennungsstunde den noch unerfahrenen Sohn
dem, der jedes Menschen Geschick mit Weisheit lenkt. Darauf legte
sie dem Scheidenden noch Folgendes ans Herz: „Wandere allezeit mit
dem im Herzen, der auch im finstern Thale unser Stab ist. Wer das
Gottvertrauen nicht fahren läßt, dem ist des Himmels Beistand immer
nahe.

Traue dagegen nicht Jedem, der sich Dir als Freund anbietet. Der Weise
mißtraut dem am meisten, der ihm am meisten schmeichelt. Gib jederzeit
Ehre, dem Ehre gebührt. Wer Dich vor einer Thorheit warnt, dem küsse
die Hand. Vergib dem, der Dich einmal beleidigen sollte.

Der Dich zum Zorne reizt, dem gehe aus dem Wege. Wem Du in irgend einer
Weise helfen kannst, dem versage Deine Dienste nie. Wer Dir selbst
dient, dem bleibe den Dank nicht schuldig.

Entfliehe denen, die verbotene Wege gehen wollen. Wer sich unter die
Wölfe begibt, dem ist bald das Heulen gelehrt. Wem das Diebeshandwerk
gefällt, dem kann ein Strick zum Halsband werden. Wer dagegen immer auf
Gottes Wegen wandelt, dem wird es allezeit wohlgehen.“


83. Kindespflicht.

(Im 2. Falle.)

Der alte Vater Erasmus bedurfte, daß ihn eine liebende Hand pflegte.
Zudem war er es auch würdig, daß ihm von seinen Kindern dieser
Liebesdienst erwiesen werde. Niemand vermochte ihn zu beschuldigen, daß
er gegen dieselben je eine Pflicht versäumt habe.

Trotz alledem aber wurde sein ältester Sohn dessen überführt, daß er
den guten Alten ungebührlich behandelt habe. Der Undankbare versicherte
dessenungeachtet ganz trotzig, daß er unschuldig sei.

Eines Tages ließ ihn der Geistliche des Ortes zu sich kommen und
ermahnte ihn mit folgenden Worten: „Erinnere Dich dessen, der einst als
der beste Sohn auf der Erde wandelte. Sei doch eingedenk alles dessen,
was Dein Vater an Dir gethan hat. Werde Dir überhaupt bewußt, wie
treulich Dich Deine Eltern einst gepflegt haben. Vergiß es nie, was sie
für unzählige Opfer um Deinetwillen brachten.

Befleißige Dich daher, daß Du Deinem Vater all seine Liebe vergeltest.
Freue Dich, daß Du ihn überhaupt noch besitzest. Zudem bedenke, daß
auch Du einmal älter wirst.“

Diese Rede ging dem Sohne zu Herzen. Er klagte sich jetzt selbst an,
daß er der Pflichten gegen seinen Vater vergessen habe. Er zieh sich
selbst, daß er bisher ein höchst undankbares Kind gewesen sei. Und von
dieser Stunde an blieb er eingedenk dessen, was das vierte Gebot von
jedem Kinde fordert.


84. Ein edler Fürst.

(Der Ergänzungssatz umschreibt ein Hauptwort mit Verhältnißwort.)

Ein edler Fürst lebt nur dafür, daß es seinem Volke wohlgehe. Er
trachtet zunächst darnach, daß die Landesgesetze immer vollkommener
werden. Er hält aber auch darauf, daß man sie allenthalben erfülle. Er
forscht, worin ein Nothstand seine Ursache haben könne. Darauf trachtet
er, daß die Quelle des Uebels verstopft werde.

Ein edler Fürst kümmert sich, daß ein Jeder vor dem Gesetze gleiche
Rechte habe. Er erkundigt sich angelegentlich, wie der Stand der
Volksbildung sei. Er freut sich, wenn die Schulen immer größere
Fortschritte erzielen. Er verwendet sich auch dafür, daß die Kunst zu
immer größerer Blüthe gelange.

Ein edler Fürst sorgt getreulich für die, welche im Dienste des
Vaterlandes zu Schaden gekommen sind. Er übt Gnade an denjenigen, die
in Verblendung am Gesetze sündigten.

Er glaubt, daß über ihn noch ein Höherer waltet. Diesen König aller
Könige aber bittet er, daß er ihm Weisheit schenke.


85. Der alte Räuberhauptmann.

(Der Ergänzungssatz umschreibt eine Zeitwort in abhängiger Form.)

Ein alter Räuberhauptmann fürchtete, daß er sein Leben noch auf dem
Schaffote enden werde. Er wünschte daher, daß er bald sterben möge. Er
verlangte sogar, daß man ihm Gift beibringe.

Seine Leute verneinten indeß, daß sie ihm in diesem Falle gehorchen
müßten. Der alte Sünder hoffte nun von Tag zu Tag, daß er erkranken
möchte.

Eines Abends glaubte er auch wirklich, daß sein Körper fiebere. Er
bildete sich sogar ein, daß er bereits phantasire. Er wähnte, daß er
merklich ermatte. Aber er begehrte nicht, daß man ihm etwas Stärkendes
zu trinken gebe. Er vermied sogar mit allem Ernste, daß er in einen
Schlaf verfalle. Die Krankheit war indeß nicht zum Tode. Seine Natur
nöthigte ihn, daß er genesen mußte. Der Himmel zwang ihn, daß er noch
am Leben bleibe.


86. An der Indianergrenze.

(Der Ergänzungssatz in unbestimmter Redeweise.)

Ein Farmer erfuhr, daß ein Haufen räuberischer Indianer im Anzuge sei.
Sein Nachbar versicherte, daß er schon einige in der Nähe gesehen habe.
Ein Kuhhirte wollte sogar wissen, daß die Räuber gegen fünfzig Mann
stark wären. Ein zufällig dazukommender Reisender behauptete wieder,
daß es die Indianer auf eine ganz andere Gegend abgesehen hätten.

Man einigte sich indeß, daß man in jedem Falle Vertheidigungsmaßregeln
ergreifen müsse. Es wurde daher beschlossen, daß sich jeder Anwohner
bewaffne. Zu gleicher Zeit aber wurde auch befohlen, daß keiner
unnöthiger Weise von der Waffe Gebrauch machen solle. Ebenso wurde
angeordnet, daß Niemand vorläufig seine Behausung verlassen dürfe.
Namentlich empfahl der Fremde, daß ein Angriff erst abgewartet werde.

Zum Glück konnte bald darauf ein Abgesandter berichten, daß der
Indianerschwarm jedenfalls vorüberziehe. Er wollte sich überzeugt
haben, daß die Horde auf das nächste kleine Städtchen zusteuere. Man
glaubte indeß, daß man trotzdem immer noch auf der Hut sein müsse.

Erst den nächsten Morgen nahm man an, daß nun alle Gefahren vorüber
seien. Der Farmer gebot, daß Jeder seine Waffe wieder aus der Hand
lege. Damit solle indeß nicht gesagt sein, daß die Räuberhorde nicht
später wiederkehren könne.


2. Abgekürzte Ergänzungssätze.


87. Der Tollkühne.

Joseph bildete sich ein, ein vorzüglicher Schwimmer zu sein. Er
wünschte deshalb, einmal seine Bravour zeigen zu können.

Eines Tages kündete er seinen Kameraden an, über den nahen, breiten
Strom schwimmen zu wollen. Sie riethen ihm indeß, davon abzusehen. Sie
beschlossen sogar, seinem Wagestücke gar nicht zuzusehen.

Joseph aber blieb dabei, seine Kraftprobe auszuführen. Er versicherte,
keine Furcht zu kennen. Er bat deshalb die Kameraden, ihn zu begleiten.

Diese kamen endlich überein, ihm zum Flusse zu folgen. Der Tollkühne
berechnete nicht, dem reißenden Strome nicht gewachsen zu sein. Das
Schicksal verurtheilte ihn, seine Verwegenheit mit dem Leben zu büßen.


Wiederholung.

(Verschiedene Arten der Ergänzungssätze.)

88. Der feuerspeiende Berg.

Des Försters zehnjähriger Wilibald wußte recht gut, daß das Pulver
ein gefährliches Ding ist. Sein Vater hatte ihm wiederholt gesagt,
was für großes Unglück schon durch unvorsichtigen Umgang mit diesem
Schießmaterial herbeigeführt worden sei.

Wilibald aber folgte dem nicht, der ihn schon oft gewarnt hatte. Er
blieb dessen nicht eingedenk, was ihm sein Vater sagte.

Einmal nahm er sich vor, einen Sandhaufen in einen feuerspeienden
Berg zu verwandeln. Er vermeinte, daß dies mit Schießpulver leicht
ausführbar sei.

Wilibald war dessen gewiß, daß sein Vater heute erst spät heimkehren
werde. Er hoffte deshalb, sein Werk ganz ungestört vollbringen zu
können.

Das Unglück wollte, daß der Förster gerade an diesem Tage sein
Pulverhorn hatte an der Wand hängen lassen. Wer die Sorgsamkeit des
Försters kannte, mußte diese Unvorsichtigkeit fast unerklärlich finden.
Man konnte aber auch wieder dem eine solche einmalige Vergeßlichkeit
verzeihen, dem es im Kopfe oft vor Amtssorgen schwirrte.

Wilibald erinnerte sich, das Pulverhorn gesehen zu haben. Er fand daher
sehr bald, was er suchte.

Den Sandhaufen hatte er bereits mit einer röhrenartigen Oeffnung
versehen. Dahinein schüttete er, was sich im Pulverhorne vorfand. Schon
freute er sich darauf, wie der Berg Feuer speien werde. Er erwartete,
daß die Feuergarbe einen Meter hoch steigen würde.

Der kleine Vesuv bedurfte jetzt nur noch, daß ein Stück brennender
Schwamm darauf gelegt werde. Bald hatte Wilibald beschafft, was eben
noch fehlte. Ungeduldig sah er dem entgegen, was nun eintreten sollte.
Er harrte indeß vergebens, daß das Schauspiel seinen Anfang nehme.

Endlich hielt er es für angezeigt, einmal nachzusehen. Er glaubte sich
versichern zu müssen, daß der Schwamm verlöscht sei.

Wer aber unvorsichtig ist, dem kann gar Schlimmes begegnen. Wilibald
bemühte sich, sich genau von der Ursache des Nichtentzündens zu
überzeugen. In diesem Augenblicke aber erfolgte, was erfolgen sollte.

Das Schicksal fügte es leider, daß ihm die Pulverflamme gerade in die
Augen schlug. Er verlor auf der Stelle sein Augenlicht.

Wem nicht zu rathen ist, dem ist freilich auch nicht zu helfen.


Hauptwiederholung.

(Subjectiv-, Prädikat-, Beifüge- und Ergänzungssätze.)

89. Das Reisen.

Wem Gott will eine Gunst erweisen, der wird von ihm in die weite Welt
geschickt.

Das Reisen gewährt zunächst eins der größten Vergnügen, die für Geld
zu haben sind. Es verleiht Vielen eine Bildung, die selbst das Studium
der gelehrtesten Bücher nicht geben kann. So Mancher ist durch vieles
Reisen erst geworden, was er werden sollte.

In der weiten Welt lernt der Mensch erst kennen, was für Wunder der
Herr geschaffen hat. In der Fremde überzeugen ihn tausend Dinge, daß
auch der Mensch in seinen Thaten groß sein kann.

Wer reist, muß freilich seine Augen hübsch offen behalten. Wer Gewinn
vom Reisen haben will, muß auch die Ohren fein spitzen. Er muß sich
befleißigen, mit Verstand zu reisen. Ein Wandern, dem kein bestimmter
Plan zu Grunde liegt, hat wenig Zweck.

Auch die Kunst, mit rechtem Nutzen zu reisen, will freilich erst
erlernt sein. Die ersten Ausflüge in die Welt kosten deshalb, was
man Lehrgeld zu nennen pflegt. Man muß lernen, sich den gegebenen
Verhältnissen zu fügen. Man muß auszurechnen verstehen, wie man überall
am billigsten wegkommen kann. Man darf aber auch wieder gewisse Opfer,
ohne welche zu besondern Sehenswürdigkeiten kein Zutritt gewährt wird,
nicht scheuen.

Außerordentlich mannichfaltig sind die Verkehrsmittel, welche das
Reisen ungemein erleichtern. Wer will, der kann jetzt binnen wenig
Tagen in weit entlegene Länder versetzt werden. Es bedarf nur, daß er
den Dampfwagen besteigt.

Das Verlangen, die weite Welt zu sehen, verallgemeint sich von Jahr zu
Jahr. Wahrhaft erfreulich ist es, auf den Bahnhöfen täglich die große
Menge Reisender zu sehen.

Trotzdem aber gibt es noch Leute genug, die lieber in behaglicher Ruhe
auf ihrer Ofenbank sitzen bleiben. Sie ziehen den Glanz der blitzenden
Thaler im Geldkasten, ihrem Abgotte, dem Anblicke der reizendsten
Alpenlandschaft vor. Manche wieder sind geradezu zu faul dazu, ihren
Gesichtskreis durch Aufsuchen von noch nie Gesehenem zu erweitern. Sie
wollen lieber bleiben, wie sie sind. Wir aber sagen, daß dies eine
Schande für sie ist.

Reise also, wer reisen kann. Das Reisen ist eine Lust, die kaum durch
eine andere zu ersetzen ist.


V. Anführungssätze.


1. Wörtlich.


90. Die Bibel der Natur.

(Der Hauptsatz voran.)

Gleich der heiligen Schrift ruft uns auch die Natur zu: „Merke auf
meine Rede!“ Der zuckende Blitz verkündet uns: „Alles Leben stehet in
Gottes Hand!“ Die Lilie des Feldes tröstet: „Gott sorgt auch für dich!“

Das welkende Blatt legt uns die Worte an’s Herz: „Alles Irdische
vergeht!“ Ernst murmelt uns das Bächlein entgegen: „Mein unaufhaltsames
Dahinrollen ist ein Bild von Deiner Lebenstage Lauf.“

Das Würmchen im Staube spricht: „Groß sind die Werke des Herrn!“ Die
Lerche in blauer Höhe jubelt: „Preise mit mir die Güte des Schöpfers!“
Der der Puppe sich entwindende Falter versichert uns: „Auch Du wirst
auferstehen!“ Der majestätische Sternenhimmel predigt uns: „Hier sind
noch viele Wohnungen!“


91. Beim Brande.

(Der Haupts. zuletzt.)

„Feuer!“ erscholl es mitten in der Nacht. „Eilt zu retten!“ mahnte die
Feuerglocke.

„Wo brennt es?“ rief ich zum Fenster hinaus.

„Das Pfarrhaus muß in hellen Flammen stehen“, antwortete mir eine
Stimme.

„Es kann auch die Schule sein!“ sagte eine andere.

„Keins von beiden“, versichert der zufällig vorübereilende Nachtwächter.

„Ich muß zu Hilfe eilen“, sagte ich zu den Meinigen.

„Das Erbgericht brennt!“ rief mir beim Austritt aus meinem Hause ein
Vorübergehender zu.

„Dieser hat Recht!“ dachte ich beim Anblicke der auflodernden Flammen
für mich.

Ich eilte dem Brande zu. Die Feuerwehr war bereits in voller
Thätigkeit. Aber welch ein Lärm!

„Zuerst das Vieh retten!“ schrie der Eine.

„Drei Mann aufs Dach des Nachbarhauses!“ befahl ein Anderer.

„Eine Leiter hierher!“ kreischte eine heisere Stimme.

„Richtet den Spritzenstrahl mehr nach der Giebelmauer!“ commandirte der
Feuerlöschdirector.

„Mehr Wasser herbeischaffen!“ riefen die Spritzenleute.

Das Hauptgebäude des Erbgerichts brannte nieder.

„Die Verhütung größeren Unglücks ist hauptsächlich der Windstille zu
verdanken“, hörte man allgemein aussprechen.


92. Zwiespalt.

(Der Hauptsatz in der Mitte.)

„Womit“, fragte Kunz seine Kameraden auf dem Spielplatze, „werden wir
uns denn heute die Zeit vertreiben?“

„Laßt uns“, sagte Hilmar, „Ball werfen.“

„Ball“, fiel Lambert schnell ein, „spiele ich nicht mit!“

„Nun, so wollen wir“, versetzte Hilmar wieder, „den Drachen steigen
lassen.“

„Zum Drachensteigenlassen“, bemerkte Ewald, „habe ich wieder keine
Lust.“

„Vielleicht“, schlug Hilmar aufs neue vor, „holen wir dann heute einmal
alle unsere Reifen herbei?“

„Das Reifenspiel“, fiel Feodor spöttisch ein, „ist ja hauptsächlich
eine Beschäftigung für Mädchen!“

„So laßt uns“, nahm hier Kunz wieder das Wort, „Soldaten spielen!“

„Das“, entgegnete Lambert, „wäre mein allerletzter Zeitvertreib!“

„Auf diese Weise“, sagte jetzt Günther, „kommen wir freilich heute zu
keinem Zeitvertreibe. Lieber“, fügte er noch hinzu, „mag da jeder für
sich spielen!“

Und so wurde es auch zuletzt.


Wiederholung.

(Alle drei Fälle abwechselnd.)

93. Die Weidenraupe.

„Wo kommst Du her?“ fragte Alban den ihm begegnenden Alexander.

„Ich komme“, gab dieser zum Bescheid, „von der Raupenjagd.“

„Und wie steht es mit der Ausbeute?“ fragte Alban weiter.

Darauf erwiderte der Gefragte mit einem gewissen Stolze: „Einen sehr
interessanten Fund habe ich gemacht!“

„Wie so?“ versetzte Alban neugierig.

„Ich habe“, sagte Alexander hocherfreut, „eine Weidenraupe gefunden.“

„O Du Glücklicher!“ rief Alban fast etwas neidisch. Gleich darauf aber
fügte er hinzu: „Wo wirst Du denn diese Raupe sich verpuppen lassen?“

„Die Weidenraupe“, belehrte jener, „muß man in ein Glas mit Sägespänen
aus Weidenholz setzen!“

„Wozu das?“ fragte Alban.

Darauf erwiderte Alexander: „Weil diese Raupe meist vom Weidenholze
lebt! Zu dem“, setzte er noch hinzu, „verpuppt sie sich auch stets in
Holzspänen.“

„Wie lange liegt sie denn als Puppe?“ fragte Alban wieder.

Mit etwas verwunderter Miene erwiderte Alexander: „Weißt Du denn das
nicht selbst aus der Naturgeschichte?“

„Das habe ich wirklich wieder vergessen“, war die Antwort.

„Sie braucht“, fuhr Alexander fort, „volle drei Jahre zu ihrer
Entwickelung zum Falter.“

„Entsetzlich lange“, staunte Alban. „Den Schmetterling aber“, bat er,
„laß mich dann ja gleich sehen!“

„Das soll geschehen“, versicherte Alexander.


2. Nicht wörtlich.


94. Das Wetter.

(Der Hauptsatz zuletzt.)

Eines Tages trafen sich vier Bauern auf dem Felde. Mit dem Wetter könne
man dies Frühjahr doch eigentlich gar nicht zufrieden sein, äußerte
Melchior.

Das sei auch seine Ansicht, sagte Samuel. -- Er müsse für seine
sandigen Fluren etwas mehr Regen wünschen, setzte Wenzel hinzu. -- Ihm
wären einige Tage Sonnenschein jetzt lieb, meinte Weinrich.

Die Wärme lasse diesmal außerordentlich lange auf sich warten, bemerkte
Melchior wieder. -- Für seine Saaten aber komme das kühle Wetter gerade
recht gelegen, hielt Samuel entgegen.

Ihm sei ein Gedanke beigekommen, bemerkte jetzt Wenzel.

Wenzel möge reden, meinten alle.

Der liebe Gott werde es wol nie allen recht machen können, lautete
Wenzel’s Gedanke.


95. Am Krankenbette.

(Der Hauptsatz voran.)

Zwei Aerzte wurden an das Krankenbette eines Kindes gerufen.

Der jüngere Arzt meinte, die argen Kopfschmerzen des Kindes könnten
von schlechter Verdauung herrühren. Dem hielt die Mutter des Kindes
entgegen, von einem Magenübel ihrer Marie habe sie noch nie auch nur
die leiseste Spur entdeckt.

Der ältere Arzt war der Ansicht, es läge hier eine Erkältung zu Grunde.
Dazu bemerkte der Vater, das Kind sei seit länger als acht Tagen nicht
aus der Stube gekommen.

Beide Aerzte einigten endlich ihre Ansichten dahin, der Kopfschmerz
habe seine Ursache in einem bedeutenden Blutandrange nach dem Gehirn.
Der junge Arzt schlug nun vor, die Patientin solle in naßkalte
Tücher eingepackt werden. Der ältere dagegen äußerte, hier sei ein
niederschlagendes Pülverchen ganz am Platze.

Um des lieben Friedens willen beschlossen endlich die zwei Herren, man
wolle von beiden Mitteln Gebrauch machen.


96. Der Fund.

(Der Hauptsatz in der Mitte.)

Ein armer Dienstmann fand auf der Straße einen Brillantring. Endlich,
murmelte er für sich, habe er doch einmal Glück gehabt. Der Ring,
meinte er, sei wenigstens seine zwanzig Thaler werth. Der Verkauf
desselben, dachte er weiter, könne keine großen Schwierigkeiten bieten.
Er brauche ja nur damit, überlegte er kurz, zum nächsten Goldarbeiter
zu gehen.

Da aber mischte sich sein Gewissen darein. Ein unehrlicher Finder,
hielt es ihm vor, sei einem Diebe gleich zu achten. Einen Dieb
aber, setzte es hinzu, nenne die Bibel ein schändlich Ding. Unrecht
Gut, warnte es weiter, habe noch niemals Segen gebracht. Und der
Allwissende, mahnte es noch, wisse dergleichen Schlechtigkeiten ans
Licht zu bringen.

Dieser innern Warnung, äußerte der Dienstmann nach einiger Erwägung
ganz laut, wolle er aber auch folgen. Somit ging er auf die Polizei und
meldete den Fund an.


Wiederholung.

(Alle drei Fälle.)

97. Ochs und Esel.

Ein Ochse und ein Esel stritten sich um den Ruhm der größten Klugheit.

Der Ochse meinte, er sei unter allen Umständen der Klügste. Ihm sei
die Weisheit gleich angeboren, behauptete der Esel. Schon seine breite
Stirn, brummte der Ochs, müsse doch seine Gelehrsamkeit beweisen. Der
Esel behauptete dagegen, er würde jedenfalls seiner Zeit das Pulver
auch erfunden haben. Gerade diese Eingebildetheit müsse er für einen
Beweis großer Dummheit erklären, höhnte der Hornträger.

Diesen unangenehmen Streit, meinten endlich beide, werde der Löwe am
besten entscheiden.

Sie gingen zu ihm.

Der Löwe eröffnete ihnen nach kurzer Ueberlegung, sie gehörten beide zu
den Narren. Keiner habe in der Dummheit etwas vor dem andern voraus,
versicherte er. Das hätten sie, fügte er hinzu, gerade durch ihren
Streit bewiesen.

Ochs und Esel wurden auch wirklich jetzt der Meinung, der Löwe habe
Recht.


98. Das Gespenst.

(Wörtlich und nicht wörtlich.)

„Hörst Du das Poltern?“ sagte der abergläubische Johann um die
Mitternachtsstunde zu seinem Bruder Gottlieb.

„Freilich“, erwiderte dieser, „höre ich es.“

Ob dies nicht gar ein Gespenst sein könne, meinte Johann.

Ihm wolle es, flüsterte Gottlieb, auch ganz so scheinen.

Gleich darauf rief Johann dem neben ihm schlafenden Großknechte zu: „Es
sind Gespenster im Hause!“

Im Erwachen äußerte Töffel, er habe das bereits auch verspürt.

„Leuchte nur einmal mit einer Laterne auf den Oberboden“, gebot
Gottlieb dem Großknechte.

Da muthe man ihm freilich viel zu, entgegnete dieser.

Johann aber tröstete ihn mit den Worten: „Vor Deinen Fäusten werden
schon die Gespenster Respekt haben.“

Töffel stand auf und ging. Bald kehrte er zurück. Fast wie aus einem
Munde fragten beide Brüder, was es denn gewesen sei?

Wie man doch aber auch, murmelte der Großknecht verdrossen, gleich eine
Mücke für einen Elephanten ansehen könne.

„Aber“, fiel Gottlieb schnell ein, „so gib uns doch nur Bescheid!“

„Das ganze Gespenst war unsere alte Hausmietze“, berichtete jetzt
Töffel.

„Wie so denn?“ fragte Johann.

„Sie stak mit dem Kopfe in einem Topfe und konnte nicht wieder heraus“,
war die Antwort.


Hauptwiederholung.

(Subjectiv-, Prädikat-, Beifügungs-, Ergänzungs- und Anführungssätze.)

99. Ehre das Alter.

Der alte Römhild, ein achtzigjähriger Greis, saß eines Tages vor der
Thür seiner Hütte. Wer ihn kannte, hielt ihn hoch in Ehren.

Ueber seinem Haupte, das die Silberkrone des Alters schmückte, war
mancher Sturm hinweggezogen. Er war sich aber bewußt, daß ihn keiner
vom Wege der Glaubenstreue abgebracht habe. Er durfte sich sagen, stets
rechtschaffen gehandelt zu haben.

Daß er ein höchst ehrwürdiger Greis sei, war in der ganzen Umgegend
bekannt. „Vor Vater Römhild,“ hörte man oft sagen, „sollte Jeder die
Mütze abnehmen.“

Nicht so dachten zwei gottlose Knaben, deren Vater Frohnvogt im Orte
war. Sie spotteten, daß der alte Römhild gar so gebückt dort saß. Sie
wollten sich todtlachen, daß die zitternden Hände des Greises kaum das
thönerne Tabackspfeifchen zu halten vermochten.

Was die beiden Buben thaten, schmerzte den Alten tief. Sein Grundsatz
aber, demzufolge er auch alles Unrecht geduldig ertragen wollte, ließ
in seinem Herzen keinen Groll aufkommen.

Ganz freundlich sprach er zu den Knaben: „Tretet doch einmal zu mir
heran!“

Sie würden sich hüten, äußerte höhnisch der eine. Und der andere
meinte, sie hätten nichts mit ihm zu schaffen.

Darauf nahm Vater Römhild, dem es um die Besserung der beiden Knaben
zu thun war, zwei ganz neue Groschenstücke aus der Tasche. „Diese
blitzenden Groschen sollt Ihr Euch bei mir holen“, sagte er.

Dieses Angebot reizte die Knaben, den Schritt zu wagen. Sie traten also
hinzu.

Vater Römhild faßte, ohne seine freundlichen Züge zu verändern, jeden
Knaben bei der Hand. „Ihr habt meiner gespottet“, begann er darauf.
„Damit“, setzte er hinzu, „habt Ihr mir sehr weh gethan.“

Bei diesen Worten, die seiner Brust mit einem tiefen Seufzer
entstiegen, zitterte eine Thräne von seinen grauen Wimpern. Darauf fuhr
er fort: „Werdet Ihr nicht selbst auch einmal alt werden?“ Und weiter
fragte er: „Würde Euch denn in Euren alten Tagen der Spott der Jugend
gefallen?“

In ähnlicher Weise redete der Alte, der dabei einen wahrhaft
väterlichen Ton annahm, noch längere Zeit zu den Herzen der beiden
Knaben.

Beide sahen jetzt ein, daß sie sich an dem Alten versündigt hatten.
Beide gelobten auch endlich, daß sie sich ein solches Vergehen nie
wieder wollten zu Schulden kommen lassen.

Daß ihnen dieses Versprechen wirklich aus dem Herzen kam, sah der Alte
an ihren Mienen. Ob sie der Zusage für immer eingedenk sein würden,
konnte Vater Römhild freilich nicht wissen. Zur Ehre gereicht ihnen
aber noch, daß sie die neuen Groschen durchaus nicht nehmen wollten.

Hoffentlich blieben sie solcher Gesinnung, wie sie jetzt waren.


VI. Umstandssätze.


1. Umstandsnebensätze des Ortes.


100. Unschuldig Verfolgte.

Wo man die Sperlinge vertilgt, da züchtet man schädliche Insekten. Wo
man die Maulwürfe erwürgt, da hegt man ein dem Graswuchse nachtheiliges
Gewürm. Wo man den Eulen nachstellt, liebäugelt man mit den Feldmäusen.

Dort steht es nicht gut mit der Oekonomie, wo jene drei Unschuldigen
verfolgt werden. Ein solcher Unverstand kommt eben daher, woher aller
Unverstand kommt. Und er führt dahin, wohin alle Unwissenheit führt. Er
führt zu Nachtheilen.

Der Landbebauer möge daher sein Ohr dahin halten, wo die Ordnung der
Natur gelehrt wird. Er möge da hineingucken, wo von den wirklichen
Feinden der Landwirthschaft geschrieben steht. Gewiß wird er dann jene
drei unschuldig Verfolgten dahin zählen, wohin sie gehören.


101. Reichthum.

(Desgleichen.)

Wo der Reichthum thront, da wohnt nicht immer auch das Glück. Das wahre
Glück ist weit öfter dort zu finden, wo die Armuth um den Tisch sitzt.

Wo der Hausherr stolz zu Rosse dahinfegt, hinkt sehr oft die Sorge
hinterdrein. Wo die Hausfrau dreimal täglich das Gewand wechseln kann,
kann leicht auch dreimal die gute Laune wechseln.

Da, wo die Tafel die fetten Bissen kaum zu tragen vermag, stellen sich
in der Regel viel ungeladene Gäste ein. Und dort hat man den Grünspan
am meisten zu fürchten, wo sich viel Silber anhäuft.

Dahin, wohin der Reichthum zuweilen führt, möchte mancher Arme wol um
keinen Preis gelangen. Wohin der Ueberfluß an Mammon den Weg erschwert,
dahin deutet auch Christus in einer Unterredung mit seinen Jüngern.

Woher sich daher Mancher in dieser Beziehung ein beneidenswerthes Loos
träumt, daher kann gerade sein Verderben kommen. Trachte doch ein Jeder
zunächst dahin, woher ein zufriedener Sinn das Gemüth durchdringt.


2. Umstandsnebensätze der Zeit.


~a.~ Gleichzeitigkeit.

102. Peter der Große.

Eines Tages fuhr Peter der Große, als er zu Mittag gespeist, in seiner
Schaluppe nach Sesterbank. Während seine Matrosen die Ruder schlugen,
mußten sie zur Ergötzlichkeit des Kaisers ihre Lieder anstimmen. Dieses
Concert unterhielten sie stets so lange, bis er winkte.

Indem die Schiffsleute noch sangen, erhob sich von Westen her etwas
Wind. Kaum aber waren zehn Minuten vergangen, entwickelte sich aus
diesem Winde ein arger Sturm.

Indeß sich des Kaisers Fahrzeug seinem Ziele nähert, bemerkt er in der
Ferne einen mit den Wogen kämpfenden Kahn. Sowie Peter die große Gefahr
für das kleine Fahrzeug erkennt, schickt er sofort seine Matrosen
zur Rettung aus. Noch aber haben diese kaum die Schaluppe verlassen,
entdeckt er mitten in der Flut eine Frau mit ihrem Kinde.

Schon drohen die Wogen die Unglückliche zu begraben, als Peter selbst
zu ihrer Rettung in die schäumende Flut stürzt. Sobald es Menschenleben
zu retten gilt, denkt er nicht an seine Kaiserwürde.

Indem ihn eine Welle hoch emporhebt, erfaßt er die Unglückliche. Mit
starker Hand hält er sie fest, bis der Schiffsjunge die Schaluppe
herbeigeführt hat.

Während seine ausgesendeten Matrosen jenen Kahn in Sicherheit bringen
helfen, führt er die beiden Geretteten dem Ufer zu. Für diese aber war
nun gesorgt, solange sie lebten.


103. Aus dem Tagebuche eines Kriegers.

(Desgleichen.)

Als die Sonne zu sinken begann, rückten wir in N. ein. Sobald die
nöthigen Befehle für die nächste Nacht verlesen waren, ging das
Bataillon auseinander.

Kaum war ich zwei Minuten weit gegangen, stand ich vor meinem Quartier.
Ich klopfte so lange an, bis sich mir die Thür des einfachen Dorfhauses
öffnete.

Während ich mein Gepäck ablegte, brummten meine Wirthsleute einige
unwillige Worte. Ihr Widerwille steigerte sich noch, als ich endlich zu
essen begehrte.

Indeß endlich die Wirthin einige karge Lebensmittel herbeibrachte,
trat ihr vierjähriges Töchterchen zu mir. Seitdem wir die französische
Grenze überschritten hatten, war mir noch kein so hübsches Kind
vorgekommen.

Ich nahm das Kind auf meinen Schooß und liebkoste es in der
väterlichsten Weise. Sowie die Wirthin dies sah, veränderten sich auf
einmal ihre zeither so mürrischen Gesichtszüge. Währenddem ich nun
vollends dem lieben Kinde die Stirn küßte, verklärte sich ihr Gesicht
in ein glückliches Lächeln.

Wie staunte ich indeß, als sie plötzlich das dürftige Abendbrod wieder
entfernte. Indem ich aber noch über dieses seltsame Gebaren nachdachte,
trat sie auch schon mit einem großen Teller höchst appetitlicher
Speisen an den Tisch.

Schon wollte ich zulangen, als die Wirthin mir Einhalt gebot. Noch
aber hatte ich meine Gabel kaum wieder hingelegt, brachte der Wirth
eine Flasche köstlichen Wein herbei. Jetzt erst sollte ich mir es
wohlschmecken lassen.

Die beiden Wirthsleute blieben meine freundlichen Nachbarn, solange ich
aß. Als ich sie den nächsten Morgen verließ, erhielt ich von ihnen noch
einen halben Schinken auf den weiten Marsch.

Seit ich dieses einfache Dorfhaus verließ, habe ich nie wieder ein so
gutes Quartier gefunden.


~b.~ Ungleichzeitigkeit.


104. Gewissenhaftigkeit.

Bevor ein guter Schüler die Feder zu irgend einer schriftlichen Arbeit
ansetzt, sammelt er in seinem Kopfe erst den Stoff dazu. Nachdem dies
geschehen ist, ordnet er denselben. Ehe er aber dann die fertige Arbeit
dem Lehrer übergiebt, sieht er sie noch einmal gewissenhaft durch.

So oft ein Schüler dies thut, so oft wird er mit seinem Schaffen auch
Ehre einlegen.

So gewissenhaft sollte der Mensch überhaupt in allen seinen
Unternehmungen sein. Er muß stets ein bestimmtes Ziel ins Auge fassen,
bevor er handelt. Er muß auch stets die möglichen Folgen seiner Thaten
erwägen, ehe er die Hand an irgend ein Werk legt.

Gar Viele sehen ihre Thorheiten erst dann ein, nachdem sie vollbracht
sind. Halte daher weisen Rath, so oft Du etwas Neues unternehmen willst.


Wiederholung.

(Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit.)

105. Das Wüstenungeheuer.

Bevor wir die mühsame Wanderung durch die Wüste ganz beendet hatten,
sollten wir noch deren schrecklichstes Ungeheuer kennen lernen. Als die
Sonne ihre Strahlen gegen Mittag sengendheiß herabschoß, bemerkten wir
an unsern Kameelen eine gewisse Unruhe. Kaum hatten wir wieder eine
Meile hinter uns, fühlten wir selbst eine eigenthümliche Schwere in der
Luft.

Während wir noch darüber sprachen, schien sich in der Ferne der
Himmel zu verdunkeln. Noch waren wieder nicht zehn Minuten vergangen,
vernahmen wir auch ein fernes Brausen. Wenn aber dieses Zeichen
auftritt, dann kann sich der Wüstenreisende auf Schlimmes gefaßt machen.

In der Regel schickt der Samum erst einzelne leichte Sandwolken vor
sich her, ehe er selbst in seiner ganzen Macht losbricht. Sowie die
erste dieser Staubwellen auf uns zugewälzt kam, warfen sich sämmtliche
Kameele im Nu platt auf die Erde nieder. Sobald dies geschehen,
streckten auch wir uns lang neben ihnen hin. Indem wir uns aber auf
diese Weise in Sicherheit zu bringen suchten, tobte auch schon das
Ungeheuer in seiner wilden Macht daher.

Die ganze Welt schien verwüstet werden zu sollen, indeß der furchtbare
Sturm über uns dahinwüthete. Die Gluthitze drohte uns zu ersticken,
während der feine Sand unsere zarten Hautstellen wie mit Nadeln ritzte.

Solange der entsetzliche Samum wüthete, sahen wir uns in schauerliche
Nacht gehüllt. Erst nachdem wir etwa zwei Stunden diese fürchterlichen
Qualen erduldet, lichtete sich das grausige Dunkel allmälig.

Wie dankten wir Gott, da der erste Sonnenstrahl wieder durch die immer
schwächer werdenden Sandwirbel drang. Noch immer rieselt mir es kalt
durch die Adern, so oft ich jener Schreckensstunde gedenke.


Umstandssätze des Ortes und der Zeit.

106. Die Missionäre.

Die Heidenboten haben einen sehr schweren Beruf. Wohin sie gesendet
werden, dahin ist in der Regel noch kein Wort vom Christenthume
gedrungen. Wo sie ihre Arbeit beginnen sollen, da kniet das Volk noch
vor todten Götzen.

Häufig erfahren sie das schnödeste Mißtrauen, sobald sie sich nur unter
einem solchen wilden Stamme blicken lassen. Dieses Mißtrauen verwandelt
sich nicht selten in Haß, wenn sie dann die ersten Bekehrungsversuche
wagen. Sowie der Wilde seine angestammte Religion durch ihn gefährdet
sieht, betrachtet er den Heidenboten gewöhnlich als einen ärgsten
Feind. Gerade da aber, wo dieser den härtesten Widerstand findet, ist
auch sein Werk am verdienstvollsten.

Es kostet oft große Anstrengung, ehe nur ein Einziger für den
christlichen Glauben gewonnen wird. Noch viel größere Opfer aber
erfordert es, bevor sich ein ganzer Stamm unter das Kreuz des Erlösers
beugt.

Woher aber der Missionär die Neigung zu seinem so gefahrvollen Berufe
erhält, daher erhält er auch die Kraft dazu. Indem er nur die geringste
Frucht seiner Saat aufgehen sieht, wächst sein Muth. Die glücklichen
Erfolge mehren sich indeß auch in der Regel auffällig, nachdem einmal
erst eine Seele gerettet ist.

Möge das Licht des Christenthums überall aufgehen, wo jetzt noch
Finsterniß herrscht. Möge es so lange Missionäre geben, solange es noch
Heiden gibt. So oft uns Gelegenheit geboten ist, so oft wollen wir aber
auch unsern Theil zu dem heiligen Werke der Heidenbekehrung beitragen.


3. Umstandsnebensätze der Art und Weise.


~a~) Unverkürzt.


~aa~) Ohne Vergleichung.


107. Roderich.

Indem der kleine Roderich mit seinen Eltern oft Concerte besuchte,
entwickelte sich in ihm der Sinn für Musik. Ohne daß er es eigentlich
wollte, prägten sich seinem Gedächtnisse einzelne schöne Melodien ein.
Diese sang er dann wol auch, indem er vielleicht gerade ein Kartenhaus
baute, vor sich hin.

Bald bat er seine Eltern so dringend um Musikunterricht, daß sie ihm
nicht widerstehen konnten. Er machte glänzende Fortschritte, ohne
daß er sich etwa besonders angestrengt hätte. Schon nach einem Jahre
spielte er ziemlich schwere Klavierstücke so, daß man staunen mußte.
So trug er z. B. eine ziemlich schwere Sonate von Mozart vor, ohne
daß ihm auch nur ein falscher Ton entschlüpfte. Dabei bearbeitete er
an gewissen Stellen das Instrument dermaßen, daß die Saiten hätten
springen mögen.

Indem er Klavier spielte, bildete sich sein Gehör auch für den Gesang.
Seine kleinen Lieder ertönten so rein, daß man seine Freude daran haben
mußte.

So reifte Roderich zu einem Künstler heran, ohne daß er es eigentlich
wußte. Indem er aber auch als Künstler ein harmloser Charakter blieb,
lohnte er am besten die von seinen Eltern ihm gebrachten Opfer.


~bb~) Mit Vergleichung.


108. Ein Sprichwort.

Wie es in den Wald hineinschallt, schallt es wieder heraus. Dieses alte
Sprichwort ist so verständlich, daß sein Sinn schon von einem Kinde
erfaßt werden kann. Es ist aber auch so beherzigenswerth, daß man es
auf die Zifferblätter der Uhren schreiben sollte.

Je gewissenhafter ein Mensch seinen Verkehr mit andern nach dieser
Erfahrung regelt, desto weniger wird er über fremde Unbill zu klagen
haben. Wie wir Andern begegnen, so pflegen diese uns entgegen zu
kommen. Je freundlicher wir sind, desto mehr schützen wir uns vor
Beleidigungen. Je theilnehmender wir uns erweisen, desto sicherer
können wir auf fremdes Mitleid rechnen.

Muß sich ja doch der Christ vor allen Dingen zu seinen Mitmenschen
stellen, wie sich ein Bruder zum Bruder stellt. Erscheint er doch
überhaupt nie so edel, als wenn er im Sinne seines himmlischen
Vorbildes handelt.

Manche Menschen treten freilich so rücksichtslos gegen andere auf, wie
wenn sich die ganze Welt vor ihnen beugen müßte. Dadurch aber machen
sie sich dermaßen verhaßt, daß sie endlich selbst verachtet werden.
Ihr Schicksal verhält sich dann zu ihrem Gebaren, wie sich Ursache und
Folgen verhalten.

Behandle also Deinen Nächsten, gleichwie Du von ihm behandelt zu sein
wünschest.


~b~) Abgekürzt.


109. Auf der Wolfsjagd.

Mit allem Jagdgeräthe wohl ausgestattet, verließen wir unsere
Behausungen. Einige Diener, reichlich mit Lebensmitteln versehen,
folgten. Eine Wolfsjagd kann sich ja, wie alle Jagden auf wilde Thiere,
sehr in die Länge ziehen.

Uns über den Jagdplan besprechend, erreichten wir den Wald. Berathen
ist freilich leichter, als handeln.

Einander gegenseitig Glück wünschend, gingen wir an der Waldesgrenze
bis auf gewisse Entfernungen auseinander. Wir schritten langsam
vorwärts, ohne uns jedoch aus dem Auge zu verlieren. Jeder freute sich
auf den ersten Schuß, wie auf irgend ein frohes Ereigniß.

Die Flinte zur Seite, schritt ich fürbaß. Mich an einer Felsenwand
hindrückend, gelangte ich vor den Eingang einer kleinen Höhle. Alsobald
meine Schritte hemmend, spähte ich nach dem dunklen Hintergrunde
derselben. Hier leuchteten mir, wie grünfeurige Flammen, zwei Augen
unheimlich entgegen. Diese sprühenden Punkte sogleich als Wolfsaugen
erkennend, lege ich mein Gewehr an. Nicht ohne vorher die beiden
Feuersterne gehörig aufs Korn zu nehmen, drücke ich endlich ab.

Ein kurzes Geheul ausstoßend, stürzt der Wolf dem Eingange der
Höhle zu. Hier aber bricht er, noch einen tiefen Seufzer ausstoßend,
zusammen. Ich aber schleppte meine Beute, nicht ohne einen gewissen
Stolz, an den Rand des Waldes zurück.


Wiederholung.

(Unverkürzte und abgekürzte Nebensätze der Art und Weise.)

110. Die Rettung.

Den hellen Tag in düstere Nacht verwandelnd, zog ein Gewitter über
ein Thal hinweg. Die Blitze folgten so schnell auf einander, daß man
dazwischen kaum bis zehn zählen konnte. Der Donner rollte so mächtig
durch den Himmel hin, daß die nahen Berge zu erzittern schienen. Zudem
strömte der Regen vom Himmel herab, wie zur Zeit der Sündflut.

Von allen Seiten Zufluß erhaltend, trat der sonst so unbedeutende
Thalbach über seine Ufer. In wenig Minuten gestaltete er sich, das
ganze Thalbecken überflutend, zum reißenden Strome. Er nahm ebenso
zu an Tiefe, als er in der Breite wuchs. Seine schmuziggelben Wogen
brausten dahin, daß es Jedermann mit Entsetzen erfüllte.

Mitten in dem Thale stand eine alte Mühle, von den Wogen jetzt auf das
entsetzlichste bedroht. Die armen Bewohner derselben schrieen, auf dem
Dache sitzend, mit herzzerreißender Stimme um Hilfe. Niemand freilich
konnte sie ihnen bringen, ohne selbst das Leben auf das Spiel zu
setzen. Die eigene Gefahr war zu groß, als daß sich sogleich rettende
Hände gefunden hätten.

Je höher indeß das Wasser stieg, desto entsetzlicher ertönte der
Hilferuf der Unglücklichen. Ihr Angstgeschrei erscholl so verzweifelt,
daß es hätte Steine erweichen können.

Je größer aber die Noth, desto näher oft die Hilfe. Plötzlich brachten
zwei wackere Männer, vor Anstrengung keuchend, einen kleinen Nachen
herbei. Ohne daß sie weiter viel redeten, ließen sie denselben ins
Wasser. Indem jeder ein Ruder zur Hand nahm, stiegen sie in das
dürftige Fahrzeug ein.

Der Mensch erscheint nie so groß, als wenn er sein eigenes Leben für
die Rettung eines anderen einsetzt.

Mit kräftigen Armen den Nachen lenkend, erreichten die beiden Männer
glücklich die Mühle. Nicht ohne daß es große Vorsicht gegolten hätte,
wurde die Müllerfamilie in den Nachen gebracht.

Schon die nächste Minute darauf versank das ganze Gebäude, sich noch
einige Male im Kreise drehend, in den Fluten. Die edlen Männer aber
gelangten, dem lieben Gott für seinen Beistand innig dankend, mit der
armen Familie glücklich ans Land.


Hauptwiederholung.

(Umstandssätze des Ortes, der Zeit und der Weise.)

111. Eine Lebensgeschichte.

Wehmüthig auf einem Stäbchen seines Gebauers sitzend, erzählte ein
Rothkehlchen einem Kanarienvogel seine Lebensgeschichte:

Wo die jungen Kiefern mit Birkenbüschen im bunten Wechsel standen, da
war mein liebster Aufenthalt. Hier lebte ich, mein treues Weibchen
meist zur Seite, in ungestörtem Glücke.

Sobald der erste Morgenstrahl durch die Zweige drang, stimmte ich
mein Lied an. Ein Tag nach dem andern floß dahin, ohne daß uns irgend
ein Leid bewegte. Je höher die Sonne stieg, desto lustiger wurde mein
Gesang.

Sowie der Frühling einzog, bauten wir uns ein Nest. Wohin wir es
bauten, dahin konnte sich kaum ein Raubthier finden.

An einem schönen Herbsttage nun fliege ich, einigen Hunger verspürend,
an einem Waldbache hin. Indem ich mich auf ein Tannenbäumchen
niederlasse, bemerke ich am Stamme desselben rothe Beeren. Während
ich mir dieselben noch betrachte, erblicke ich sogar dicht dabei einen
fetten Mehlwurm.

Ueber meine Entdeckung höchst erfreut, fliege ich hinab. Zu meiner noch
größeren Freude bemerke ich da, wo die Beeren hingen, ein bequemes
Hölzchen. Nichts Schlimmes ahnend, setze ich mich darauf. Kaum aber
berühre ich dasselbe, werde ich an den Füßen von einer Schlinge
festgehalten.

Ich ringe natürlich mit allen Kräften, gleich einem Löwen im Netze,
nach meiner Freiheit. Die Schlinge aber zieht sich dadurch so zusammen,
daß sie mir die Beine zu durchschneiden droht.

Währenddem ich nun um Hilfe rufe, kommt ein Bube herbeigesprungen. Er
rieb sich vor Freude die Hände, als er mich erblickte. Woher er kam,
daher sah ich sonst selten einen Menschen kommen.

Dieser Bube steckte mich, ohne daß er nur das geringste Mitleid
empfunden hätte, in ein Leinwandsäckchen. Wo er mich hinbrachte, da
waren hartherzige Menschen. Sie kauften mich so gleichgiltig, wie wenn
sie eine Schuhbürste gekauft hätten.

Nachdem ich jetzt in einen Käfig gesperrt war, übersah ich erst mein
trauriges Loos!

Seitdem ich ein armer Gefangner bin, ist mein ganzes Lebensglück
vernichtet. Woher ich gekommen, dahin darf ich nie zurückkehren. Die
Freiheit aber ist ein zu edles Gut, als daß man sie ganz vergessen
könnte. Vielleicht erlöst mich mein Schöpfer, von meinem Elende
gerührt, bald durch den Tod aus dieser Qual.


4. Umstandssätze des Grundes.


~a~) Wirkliche Gründe.


~aa~) Stoff, Ursache, Erkenntnißgrund.


112. Die Fledermaus.

Die Fledermaus erkennt man daran als Säugethier, daß sie lebendige
Junge erzeugt. Da sie aber fliegen kann, rechnet sie mancher
Unwissende zu den Vögeln. Indem ihre Füße mit den Flügeln verbunden
sind, kann sie nicht gut sitzen. Auf das Laufen muß sie fast ganz
verzichten, weil sie eigentlich gar keine Gehwerkzeuge besitzt.

Da sie sich meist von nächtlich schwärmenden Insekten nährt, beginnt
sie zur Dämmerzeit ihre Jagd. Woraus ihre Nahrung besteht, daraus
besteht auch das Mahl der Nachtschwalbe.

Die Fledermaus gewinnt dadurch etwas Unheimliches, daß sie fast stets
in einem Kreise umherfliegt. Besonders häufig zeigt sie sich in den
Gehöften, weil sie dort jedenfalls reiche Beute findet. Wenn sie
gefangen wird, stößt sie kläglich pfiepende Töne aus.

Mancher Landmann will danach das Wetter bestimmen, ob sie hoch fliegt
oder nicht.

Da sie im Winter keine Nahrung finden würde, verschläft sie denselben.
Zu diesem Zwecke sucht sie oft die Gemäuer der Thürme auf, weil sie
hier Schutz vor den Winterstürmen findet.


~bb~) Beweggrund, Zweck, Ziel.


113. Mutterliebe.

Um ihr Kindlein groß zu ziehen, bringt eine Mutter unzählige Opfer.
Damit es körperlich gedeihe, reicht sie ihm wohlgewählte Nahrung. Ihr
Auge wacht mit ängstlicher Sorgfalt, daß ihm kein Unfall zustoße. Um es
vor Gefahren zu behüten, warnt sie es bei jeder Gelegenheit.

Wie treubesorgt ist nun erst eine Mutter um ein krankes Kind, damit
es bald wieder genese. Sie entsagt nächtelang dem Schlafe, um keine
Veränderung in dem Zustande ihres Lieblings unbeobachtet vorübergehen
zu lassen.

Eine treue Mutter ist aber auch darauf bedacht, daß ihr Kind geistig
gedeihe. Sie hütet es vor schlechtem Umgange, weil dieser sein Herz
verderben könnte. Sie bewahrt es vor widerwärtigen Eindrücken, da
diese ein zartes Gemüth leicht abstumpfen. Sie leuchtet ihm in jeder
Hinsicht stets mit einem guten Beispiele voran, indem ein gutes Vorbild
auf des Kindes Veredlung jedenfalls am segensreichsten wirkt. Sie
ermahnt ihr Kind tagtäglich zu allem Guten, weil sie ihm ein reines
Herz erhalten will. Sie straft aber auch ihr Kind zur rechten Zeit,
weil sie es eben lieb hat.


Wiederholung.

(Alle Arten Umstandssätze des Grundes.)

114. Der Mensch.

Woraus die Erde besteht, daraus besteht auch der thierische Körper. Und
woraus sich der thierische Körper aufgebaut hat, daraus hat sich auch
unser Leib entwickelt.

Die Wahrheit dieser Behauptung erkennt man deutlich daran, daß sich
jeder Leichnam schließlich wieder in Erde verwandelt. Da nun überhaupt
der Mensch in körperlicher Hinsicht ganz dem Thierwesen entspricht, so
gehört er auch dem Körper nach zu den Thieren. Natürlich nimmt er unter
diesen die höchste Stellung ein, weil sein Körper der vollkommenste ist.

Um aber den Menschen zu seinem Ebenbilde zu erheben, verlieh ihm der
Schöpfer einen Geist. Er stattete ihn, damit er einst als Himmelsbürger
in die andere Welt eingehen könne, mit einer unsterblichen Seele aus.

So wurde der Mensch dadurch auch zum Herrn der Welt, daß er eben in
seinem Körper einen Geist birgt. Unser Leib wird deshalb wol auch ein
Tempel Gottes genannt, weil jener göttliche Funke in ihm wohnt.

Beide Bestandtheile des Menschen stehen in Wechselwirkung zu einander,
da sie eng mit einander verbunden sind. Wenn der Leib kränkelt, leidet
der Geist mit. Wenn der Geist leidet, verkümmert nicht selten der
Leib. Halte darum Deinen Leib in Ehren, weil Deine geistige Gesundheit
davon abhängt. Veredle Deinen Geist, denn dadurch begründest Du
Dein Glück. In jeder dieser Hinsichten hat uns Christus ein Vorbild
gelassen, daß wir sollen nachfolgen seinen Fußtapfen.


Hauptwiederholung.

(Umstandssätze des Ortes, der Zeit, der Weise und des wirklichen
Grundes.)

115. Der Apfelbaum.

Wo der Garten ziemlich zu Ende ging, stand ein Apfelbaum. Er hing so
voll Früchte, daß sich seine Zweige weit herabbogen. Dieses reichen
Segens hatte er sich deshalb zu erfreuen, weil er auf einem fetten
Boden stand. Seine Aepfel glänzten, wie wenn sie in Gold getaucht wären.

Kaum waren sie völlig gereift, erhielt der Apfelbaum viel Besuch.
Bevor der Kutscher in den Stall ging, holte er sich von ihm einige
Aepfel. Sobald die Köchin früh aufstand, war ihr erster Gang zu diesem
Apfelbaume. Sogar das Kindermädchen holte sich, während die Herrschaft
speiste, einige der goldenen Aepfel.

Weil sich nun so viel Gäste einfanden, wurde der Apfelbaum stolz auf
sich. Je mehr man an seinen Zweigen schüttelte, desto mehr wuchs sein
Hochmuth. Mit aufgeblasenem Wesen richtete er jeden neuen Tag seine
Blicke dahin, woher seine vielen Freunde kommen mußten. Dabei sah er
auf andere Bäume um sich her so verachtend herab, als wären diese
nichtsnutziges Gesindel.

Da sich indeß so viel Gäste fanden, schmolz sein Reichthum zusehends
zusammen. Kaum waren zwei Wochen ins Land gegangen, hatte er nur noch
drei Aepfel auf seinen Zweigen. Um dieser habhaft zu werden, warf ein
Knabe mit einem Steine danach.

Da der Apfelbaum nun keine Früchte mehr hatte, kam ihm kein Mensch
mehr zu nahe. Er stand da, wie ein von aller Welt Verlassener. Ohne
daß er es natürlich gestand, schämte er sich jetzt seines ehemaligen
Hochmuthes.

Wahre Freunde erkennt man daran, daß sie uns ohne Eigennutz lieben.


~b~) Mögliche Gründe.


~aa~) Bedingungssätze.


116. Der sterbende Vater.

Als Vater Aminth sein Ende nahen fühlte, ließ er seinen Sohn noch
einmal an sein Bett kommen. Unter Anderem legte er ihm Folgendes ans
Herz: Wenn es Dir nur irgend möglich ist, so sei dem Bedrängten ein
Helfer. Hast Du viel, so gib reichlich. Wofern Du nicht mit einer That
einstehen kannst, gib wenigstens einen guten Rath. Wäre auch dieser
nicht möglich, so zeige Deine Theilnahme in einem tröstenden Worte.

Hast Du irgend ein Werk vor, so fange es mit Gott an. Wo der Herr nicht
das Haus behütet, wachen ja doch die Wächter umsonst. Wenn Du stets
deine Hauptstütze in dem Herrn suchst, wirst Du wohlfahren. Wolltest
Du Dich aber zu sehr auf Menschenhilfe verlassen, würdest Du Dich oft
getäuscht sehen.

Suche Dir vor allen Dingen selbst zu helfen, so wird Dir in vielen
Dingen geholfen sein. Schicke Dich in alle Verhältnisse, dafern Deine
Rechtschaffenheit nicht darunter leidet.

Falls Du gehorchen mußt, thue es mit Lust. Beuge sogar einmal Deinen
Nacken, wenn es die Klugheit gebietet. Hast Du selbst zu gebieten, thue
es mit Freundlichkeit. Müßtest Du auch einmal darben, bewahre Dir die
Zufriedenheit. Fiele Dir Reichthum zu, so verfalle nicht in Hochmuth.

Würdest Du einmal verkannt, laß den Muth nicht sinken. Stießest Du
je auf persönliche Feinde, gib nie dem Zorne Raum. Willst Du Dich an
Deinen Beleidigern rächen, so vergib ihnen.


~bb~) Einräumungssätze.


117. Die Zunge.

Trotzdem die Zunge ein kleines Glied ist, kann sie doch großen Schaden
anrichten. Obgleich dies eine allbekannte Sache ist, wird sie doch
nicht immer beachtet. Ein einziges Wort kann ja sogar einen Weltkrieg
heraufbeschwören, wiewohl ein Wort doch eigentlich nur ein flüchtiges
Luftwellengebild ist.

Wie verletzend wirkte nicht schon oft ein einziger Ausspruch,
wenngleich er ohne allen Vorbedacht hingeworfen wurde. Gar nicht selten
zerriß ein einziges winziges Wörtchen, ungeachtet es durchaus nicht
böse gemeint war, die heiligsten Bande der Liebe auf immer. Und wurde
nicht zuweilen durch einen einzigen ausgesprochenen Verdacht, obwohl
man ihn vielleicht gar im Scherze zum Vorschein brachte, Jemand gar arg
an seiner Ehre gekränkt?

Auch ein Scherzwort, wie unschuldig es an sich immer scheinen mag,
kann zum zündenden Funken für ein großes Feuer werden. Hat doch unter
besonderen Umständen selbst das Schweigen, obschon die Zunge hierbei
eben gar nichts thut, viel Unheil gestiftet.

Halte darum Deine Zunge stets im Zaume, wenn Du Dich auch in den
vertrautesten Kreisen bewegtest. Wäge stets Deine Worte ab, ob Du auch
keine Ursache dazu zu haben vermeinst. Das einmal gesprochene Wort läßt
sich nie wieder vernichten, trotzdem es eben nur ein Erzeugniß einer
Luftbewegung ist.


Wiederholung.

(Bedingungs- und Einräumungssätze.)

118. Bildung.

Obwohl Du in der Schule viel lernen kannst, bleibt Dir doch nach der
Schulzeit noch viel zu lernen übrig. Wenn ein Schüler auch noch so
fleißig wäre, kann er doch in der Schule immer erst den Grund zu seiner
weitern Ausbildung legen. Hast Du aber in der Schule einen guten Grund
gelegt, wird Dir das spätere Lernen sicher leicht werden.

Bildung ist ein großer Schatz, obschon er sich nicht in Zahlen
bezeichnen läßt. Hast Du also Gelegenheit zur Fortbildung, benutze
sie. Dem kenntnißreichen Manne steht die Welt offen, wenngleich seine
Tasche keinen Kreuzer beherbergte. Hätte Mancher in seiner Jugend mehr
gelernt, er brauchte jetzt nicht Steine zu klopfen.

Wie sehr auch heutzutage das Geld die Welt regiert, die Bildung wird
doch endlich den Sieg davontragen. Falls Du also auch gleich nach
Deiner Confirmation nach Brod arbeiten müßtest, ein nützliches Buch
wirst Du nebenbei doch lesen können. Und müßtest Du Dir auch einige
Vergnügungen darob versagen, suche Dir vor allen Dingen bildende
Schriften zu erwerben.

Falls Du in Deinem Berufe auch nicht viel zu schreiben hättest, laß
die Feder nicht liegen. Wenn Du nur ernstlich willst, etwas Zeit zur
Fortbildung läßt sich schon gewinnen.

Obgleich man sich für Geld große Genüsse verschaffen kann, Bildung
bleibt doch der Schlüssel zu den edelsten.


Wiederholung.

(Umstandssätze des Ortes, der Zeit, der Art und Weise, des wirklichen
und möglichen Grundes.)

119. Die Raubritter.

Als das Ritterthum in voller Blüthe stand, gab es leider auch
Raubritter. Wo ihre Burgen emporragten, dort war besonders für die
Kaufleute ein gefährliches Reisen.

Ohne daß es sich der Reisende oft versah, wurde er von einer Schaar
solcher Wegelagerer überfallen. Sie kamen, um ihn seiner Schätze zu
berauben. Zuweilen verlegten sie ihm auch blos den Weg, damit sich der
Reisende zu Opfern für seine Freiheit verstehen solle. Falls der so
Gehemmte sich zu keiner Zahlung verstehen wollte, wurde er nicht selten
als Gefangener abgeführt.

Wo diese Raubritter ihre Burgen erbauten, führten gewöhnlich wichtige
Verkehrswege vorüber. Damit kein Mensch ungesehen diese Straßen ziehe,
stellten sie Wachen aus. Kaum graute der Morgen, standen diese schon
auf ihren Posten.

Mit diesen Verhältnissen vertraut, reiste darum auch selten ein
Handelsmann mit seiner Waare allein. Damit man nöthigenfalls Widerstand
leisten könne, verband man sich zu Karavanen. Obgleich aber diese
Gesellschaften oft ziemlich stark waren, entgingen sie doch selten
ihrem Schicksale.

Sobald es zu irgend einem Kampfe kam, trugen die wohlbewaffneten
Reisigen in der Regel den Sieg davon. Je mehr diese dann dabei Verluste
erlitten hatten, desto größeren Tribut mußten die Besiegten zollen.

Da nun ein Raubritter neidisch auf das Glück des andern sah, entstanden
nicht selten unter diesen selbst blutige Fehden. Ehe es sich der eine
versah, umzingelten mißgünstige Nachbarn seine Burg. So kurze Zeit eine
solche Fehde auch dauerte, so blutig war sie doch oft. Nicht selten
schleifte man den Rittersitz des Besiegten, weil dieser sonst doch
wieder hätte zu Macht gelangen können.

Wiewohl es auch heute noch Straßenräuber gibt, ist doch die
Gefährlichkeit des jetzigen Reisens mit der jener Tage gar nicht zu
vergleichen. Niemand wird, ohne ein gewisses Grauen zu empfinden, an
jene Zeit zurückdenken.

Während damals die überlegene Gewalt regierte, regiert jetzt das Recht.
Die Zeit wollen wir ja nicht die goldene nennen, während welcher das
Faustrecht galt.


5. Einschaltsätze.

120. Ein Dieb.

Vergangenen Montag -- es konnte wol nachmittags gegen drei Uhr sein
-- entstand auf der Straße ein gewaltiger Menschenauflauf. Zwei
Polizeidiener ergriffen einen Menschen, welcher -- man sollte es kaum
glauben -- am hellen Tage einen Herrenrock von einem Schaufenster
gestohlen hatte.

Dieser freche Dieb -- er schien übrigens der Polizei als solcher
bekannt zu sein -- wehrte sich dermaßen, daß man ihn binden mußte.
Jetzt aber -- welch eine Frechheit! -- stellte er sich, als ob er nicht
laufen könne. Und so mußte er -- den Polizeiern blieb nichts Anderes
übrig -- auf einen Schubkarren geladen werden.

Im ersten Verhöre soll er sich -- wie sich nicht anders erwarten ließ
-- auch äußerst widerspenstig benommen haben. Hoffentlich wird ihn aber
die Strafe für seine Vergehungen -- und diese wird wahrscheinlich eine
ziemlich strenge sein -- mürbe machen.


Hauptwiederholung.

(Subject-, Präd.-, Beif.-, Ergänz.-, Umstands-, Anführ.- und
Einschaltsätze.)

121. Der Mäusethurm.

Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts lebte ein berüchtigter
Kirchenfürst, mit Namen Hatto. Nachdem er mehrere Jahre Abt zu Fulda
gewesen war, wurde er zum Erzbischof von Mainz erhoben. Diese Stadt
liegt bekanntlich da, wo sich der Main in den Rhein ergießt.

Wer jenem hohen Herrn untergeben sein mußte, konnte nicht ohne Furcht
zu ihm aufblicken. Hatto war -- man sollte dies von einem Bischofe
kaum glauben -- vom Geize besessen. Nehmen erschien ihm jederzeit
angenehmer als das Geben. Daran, daß sein Herr und Heiland in Armuth
dahinwandelte, wollte er sich wahrscheinlich ganz absichtlich nicht
erinnern.

Da ihn nun die Habsucht gefangen genommen hatte, kannte sein Herz
natürlich kein Mitleid. Ohne daß es ihn rührte, konnte er an den
Hilfsbedürftigsten vorübergehen. Die Geschichte berichtet sogar, daß er
sich ganz unmenschliche Grausamkeit habe zu Schulden kommen lassen:

Als er schon lange Jahre Bischof zu Mainz war, entstand einmal eine
furchtbare Hungersnoth. Die Rheingegend war es, wo das Uebel am ärgsten
auftrat. Hunderte von Familien hatten nicht, womit sie auch nur eine
Mahlzeit ihren Hunger stillen konnten. Von den entsetzlichsten Qualen
langsam aufgerieben, erlagen eine große Anzahl Menschen endlich dem
Tode.

Daß die Noth groß war, konnte dem Erzbischof nicht unbekannt bleiben.
Wessen Herz freilich der schändlichste Eigennutz beherrscht, der mag
fremdes Elend nicht sehen. So blieb Hatto angesichts alles Jammers, der
er war.

Nachdem die Hungersnoth den höchsten Grad erreicht hatte, versammelten
sich eines Tages mehrere Hundert Halbverhungerter vor der Burg des
Erzbischofs. Obgleich man seine Härte kannte, wollte man doch einen
Bittversuch wagen. Der Trieb, das Leben zu erhalten, läßt ja kein
Mittel unbenutzt.

„Hab’ Erbarmen!“ flehte eine Anzahl solcher Unglücklichen zu den
Burgfenstern hinauf. Und Andere riefen mit herzzerreißender Stimme:
„Nur ein einziges Stück Brod laß uns werden.“

Obwohl nun Hatto’s Speicher überreich gefüllt waren, hatte er doch kein
Ohr für das Hungergeschrei. Er äußerte sogar, das Volk da unten sei nur
liederliches Gesindel.

Da nun aber die armen Menschen ihr Flehen fortsetzten, gerieth er
endlich in Zorn. In diesem Zorne befahl er seinen Knechten, daß sie das
lästige Bettelvolk in eine große Scheune sperren sollten. Die Knechte,
weil es ihr Herr befohlen, führten die Schändlichkeit augenblicklich
aus.

Was aber that Hatto, der Wütherich, nun? -- Er ließ -- fast sträubt
sich die Feder vor diesem Berichte -- die betreffende Scheune an allen
vier Ecken anzünden. Ohne daß es ihn nur im geringsten rührte, sah er
der auflodernden Flamme zu. Während des entsetzlichen Geschreies der
Verbrennenden rief er sogar seiner Umgebung, teuflisch spottend, zu:
„Hört Ihr das Piepen der Brodmäuse?“

Hören wir nun, was die Sage über das Lebensende dieses Grausamen
berichtet: Kurz nach dieser fluchwürdigen That zogen in die Burg, die
Hatto bewohnte, eine unerhörte Menge Mäuse ein. Wo man nur hinsah,
wimmelte es von diesen Thieren.

Wie entsetzlich dies dem Erzbischof sein mußte, läßt sich leicht
denken. Je mehr er aber das Ungeziefer verfolgen ließ, desto
zahlreicher wurde es.

Um sich diesen Feinden zu entziehen, siedelte er in die Stadt Bingen
über. Aber auch hier wurde es wieder, wie es gewesen war. Die Mäuse,
die sich einmal gegen ihn verschworen zu haben schienen, folgten ihm
auch hierher. Von ihnen aufs neue gequält, sann er abermals auf Rettung.

Endlich hatte er einen Plan, wie er sich vor der Höllenschaar
unzweifelhaft sichern könnte, entworfen. Da, wo sich der Ruppertsberg
im Rheine spiegelt, ließ er sich einen kleinen Thurm mitten in dem
Strome erbauen. „Dort muß ich doch endlich vor den Bestien Ruhe haben“,
dachte er bei sich.

Als der Thurm vollendet war, segelte Hatto auf einem Nachen hinüber.
Daß freilich die Mäuse auch schwimmen können, hatte er nicht bedacht.

Ihr Rächeramt zu vollenden, ruderten sie in zahlloser Menge dem Thurme
zu. Bald war derselbe, der an sich nicht viel Räumlichkeiten bot, von
ihnen überschwemmt.

In diesem Thurme aber wurde Hatto -- so berichtet eben die Sage -- von
den Mäusen endlich aufgefressen. Der Thurm, in dem dies geschehen sein
soll, steht übrigens heute noch. Man nennt ihn, eingedenk der Sage, den
Mäusethurm.



~F.~ Mehrfach gegliederte Sätze etc.


122. Gellert.

(Alle Arten Sätze.)

Gellert war ein Dichter. Er wurde am 4. Juli 1715 in dem damals
ziemlich kleinen sächsischen Städtchen Hainichen geboren. Sein frommer
und darum hochgeachteter Vater war Pfarrer daselbst. Sowohl der Vater
als auch die Mutter erzogen ihren Knaben sehr streng.

Gellert versuchte sich bereits in früher Jugend in der Dichtkunst und
über manches seiner kleinen Lieder konnte sich sein Vater schon freuen.
Das erste größere Gedicht, welches er seinem Vater zu dessen Geburtstag
überreichte, erregte sogar einiges Aufsehen.

Gellert studirte. Nach dem Wunsche seines frommen Vaters sollte er
sich zu einem tüchtigen Prediger ausbilden. Gellert aber zeigte
weder besondere Lust zu dem geistlichen Stande, noch schien er sich
für denselben besonders geeignet zu halten. Der junge Mann hatte
jedenfalls ein richtiges Urtheil über sich, denn schon in seiner ersten
Begräbnißrede blieb er stecken.

Nachdem ihm seine Schriften einen besonderen Ruf erworben, trat er als
Lehrer in einer höheren Schule auf. Seine Vorträge gefielen. Wegen
seines lauteren Charakters genoß er unter der studirenden Jugend bald
die größte Achtung.

Seine Oden, geistlichen Lieder und Fabeln erlangten die allgemeinste
Anerkennung. Seine frommen Lieder werden noch heute in den Kirchen
gesungen und an seinen lehrreichen Fabeln ergötzt sich noch heute die
Kinderwelt.

Was Gellert geschrieben, ist in sechs starken Bänden der Nachwelt
aufbewahrt.


123. Geistesgegenwart.

(Desgleichen.)

In einem großen, schönen Garten, welcher dicht an einer Straße, die
nicht eben sehr belebt war, lag, befanden sich eines Tages drei
Geschwister. Sie hatten sich hier eingefunden, um sich zu erholen und
sich zu gleicher Zeit angenehm zu beschäftigen.

Paul, der Zwölfjährige, beschnitt mit seinem scharfen Taschenmesser
ein wildes Obstbäumchen, damit seine Krone eine bessere Form erhalten
sollte. Wo der Weg nach einem kleinen Hügel führte, kauerte Bertha, die
zehn Jahre zählte, vor ihrem Blumenbeete, Nelken und Tausendschönchen
pflanzend. Wilhelm, erst im siebenten Lebensjahre stehend und in der
Familie gewöhnlich der Wilde genannt, zimmerte vor einer duftenden
Jasminlaube aus den braunen Bretchen eines Cigarrenkastens, die ihm der
Vater geschenkt hatte, ein Segelschiff.

Alle drei Kinder waren fröhlich und wohlgemuth, denn jedes trieb seine
Lieblingsbeschäftigung. Paul pfiff, Bertha sang und Wilhelm trällerte
bei der Arbeit, sodaß es eine Lust war, ihnen zuzuhören. Wer hätte zu
ahnen vermocht, daß ihre Freude plötzlich in erschrecklicher Weise
gestört werden sollte!

Plötzlich nämlich -- es mochte nachmittags gegen ein Uhr sein --
erschien ein fremder Hund, ohne einen Laut von sich zu geben, im
Garten. Sein dickes Fell war zerzaust, seine Augen waren geröthet, die
Zunge hing ihm weit zum Maule heraus und die Ruthe trug er zwischen die
Hinterbeine geklemmt.

Paul, welcher den Hund zuerst erblickte, erschrak, denn das Aussehen
des Thieres, das ihm noch dazu ganz unbekannt war, kam ihm sogleich
verdächtig vor. Bertha, die nur erst kürzlich in der Schule von der
Wuthkrankheit der Hunde gehört hatte, schrie aus Leibeskräften:
„Hilfe! Hilfe! Ein toller Hund!“ Und der kleine Wilhelm, um der Gefahr
zu entgehen, wollte eben in eine Laube flüchten. Noch aber hatte er
dieselbe nicht erreicht, als der Hund auf ihn losfuhr, wie wenn er
ihn beißen wolle. Der Kleine schrie und zitterte vor Angst am ganzen
Körper, sodaß er keinen Schritt von der Stelle wagte. Seine Lage war
entsetzlich!

In diesem verhängnißvollen Augenblicke jedoch sprang Paul herbei,
packte das gefährliche Thier mit beiden Händen am Halse, drückte ihm
die Kehle zusammen und hob es empor.

Während nun der beherzte Knabe den Hund über der Erde hielt, konnte
sich Wilhelm in die Laube retten und die Thüre derselben hinter sich
verschließen.

Auf das Geschrei der Kinder, das jetzt aus drei Kehlen zugleich
erfolgte und ganz entsetzlich klang, eilte der Vater, vor Schreck
fast bleich, herbei. Er erkannte sofort, daß der Hund, der in den
Händen des Knaben wie verzweifelt hin- und herschnellte, toll war. Die
schreckliche Gefahr, in der seine Kinder schwebten, ermessend, und
ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, ergriff er eine in der Nähe
liegende Hacke und führte damit einen wohlgezielten Schlag auf die Nase
des wüthenden Thieres.

Mit einem grellen Aufschrei fiel es zu Boden, woselbst es
augenblicklich von dem Vater den Todesstreich erhielt.

Um seines Muthes und seiner Geistesgegenwart willen, die einzig und
allein ein furchtbares Unglück verhindert hatten, erhielt Paul,
ehe noch der Tag zu Ende ging, von seinem Vater eine prachtvolle
Bilderbibel. Die ganze Familie aber, in welcher überhaupt ein frommer
Sinn herrschte, dankte in ihrem Abendgebete, dem der Vater heute eine
besondere Feierlichkeit verlieh, dem lieben Herrgott, daß er in jenen
verhängnißvollen Augenblicken ihr gnädiger Beschützer gewesen.


124. Schlaf und Tod.

(Zwei vollständige Satzgefüge verbunden.)

Der Schlaf, welcher unserm Körper Erholung gewährt, hat viel
Aehnlichkeit mit dem Tode, und der Tod, der einst unser aller Loos ist,
hat Vieles mit dem Schlafe gemein.

Sobald uns der Schlaf befällt, hören verschiedene Thätigkeiten des
Körpers auf, ebenso vermindern sich allmälig verschiedene Bewegungen
der Muskeln, wenn der Tod an den Menschen herantritt. Das völlige
Entschlummern wird dadurch herbeigeführt, daß die Sinnesnerven
endlich ihre Dienste einstellen, und der Tod tritt ein, indem die
Athmungsorgane schließlich zum Stillstand gelangen.

Das Einschlafen erfolgt so allmälig, daß der eigentliche Augenblick
des Entschlafenseins gar nicht genau beobachtet werden kann, ebenso
erlöscht auch zuweilen ein Lebenslicht in so unmerklicher Weise, daß
die am Sterbelager Stehenden den Eintritt des Todes gar nicht gewahren.
Der Schlafende weiß nicht mehr, was um ihn her vorgeht, auch dem Todten
ist bekanntermaßen verschlossen, wie das Leben um ihn her waltet.

Wer schläft, erwacht nach einer bestimmten Zeit wieder, und wer im
Grabe ruht, den wird einst ebenfalls die Stimme des Herrn erwecken.


125. Die Zukunft.

(Es beziehen sich mehrere Nebensätze auf einen Hauptsatz.)

Wüßte der Mensch, was morgen sein wird, und läge ihm die Zukunft
überhaupt klar vor Augen, so würde das durchaus kein Glück für ihn
sein. Obgleich er sich manchen Kummer ersparen und auf manches traurige
Geschick vorbereiten könnte, obschon er sich manche Freude mehr zu
verschaffen und manche schon im voraus zu genießen vermöchte, müßte ihn
dieser Zukunftsblick doch in steter Aufregung erhalten.

Was er von den künftigen Tagen zu erhoffen und was er von ihnen zu
fürchten hätte, beschäftigte ihn sicher Tag und Nacht. Die Zeit, da er
gesunden, oder in der ihm eine besondere Ehre zu Theil werden, oder
zu welcher er Reichthum erlangt haben soll, würde er unter quälender
Ungeduld herbeisehnen. Wiederum ginge er der Stunde, die ihn aufs
Krankenlager werfen, oder dem Tage, der ihm Zurücksetzung bringen, oder
dem Zeitpunkte, zu welchem der Bettelstab sein Loos sein soll, gewiß
mit Zittern und Zagen entgegen.

Wer aber möchte nun vollends im voraus wissen wollen, wann er einmal
sterben, wie einmal sein Ende sein und wo man sein Grab graben wird?

Wir sind daher unserm Gott Dank schuldig, daß er uns über unser
künftiges Geschick im Unklaren läßt, daß er uns das künftige Ungemach
verbirgt und daß uns vor allen Dingen die Stunde unseres Abscheidens
ein Geheimniß bleibt.


126. Hier und dort.

(Desgleichen.)

Wer die verschiedenen Schicksale der Menschen beobachtet, den
Lebensgang einzelner verfolgt, ihren sittlichen Werth mit ihrem äußeren
Loose in Vergleich zieht, der wird manche Frage aufzuwerfen haben.

Er sieht da oft, wie der Fromme im Elend schmachtet und wie das Laster
im Ueberflusse schwelgt, wie man den Verdienstvollen zu Boden sinken
läßt und den Unwürdigen erhebt, wie man einen Ehrenmann über die
Schultern ansieht, vor dem Ehrlosen aber einen tiefen Bückling macht.

Ein solcher Beobachter fragt dann still für sich: „Wo bleibt hier die
Gerechtigkeit? Womit haben jene Braven ihr bitteres Geschick verdient?
Warum folgt die Strafe der Sünde nicht auf dem Fuße?“

Nur dort oben, wo hoch die Sterne stehen, woher alles Licht uns
zuströmt, wohin die Erdenpilger einst alle eingehen müssen, sucht er
des Räthsels Lösung. Der Glaube an den Allvater, der Gerechtigkeit
lieb hat, der Jedem nach seinem Thun vergelten will, dessen Gedanken
freilich hoch und dessen Wege wunderbar sind, hilft ihm über das Dunkel
dieses Lebens hinweg.

Hat doch auch Christus, um jenen Zweifelfragen zu begegnen, den
unschuldig Leidenden zu trösten und überhaupt den Blick in das Jenseits
einigermaßen zu lichten, das „Hier und dort“ in dem Gleichnisse vom
armen Lazarus vortrefflich beleuchtet.


127. Das Turnen.

(Desgleichen.)

Wer seinem jugendlichen Körper eine heilsame Bewegung verschaffen,
seine Muskelkraft gleichmäßig ausbilden und seinem ganzen Menschen eine
sichere Haltung verschaffen will, der muß turnen. Was das Turnen nützt,
wie es stärkt und belebt und wie es sogar den Geist frischer macht,
wissen gar viele Menschen noch gar nicht.

Ohne Furcht zu verspüren, auf seine Gewandtheit bauend und seiner
Körperkraft vertrauend, geht der echte Turner leiblichen Gefahren
entgegen. Denke hierbei an die Turnerfeuerwehr, die eben aus Turnern
besteht, die sich gewöhnlich freiwillig zu dem schweren Dienste des
Rettungswerkes stellt und die bei einem Brande nicht selten die größten
Wagnisse unternimmt. Wo die Gefahr am größten, wo das Rettungswerk am
schwierigsten, wo es vor allen Dingen Menschenleben zu sichern gibt, da
ist der Turnerfeuerwehrmann zur Hand.

Weil nun das Turnen eine so gute Schule für den Körper ist, weil es
den Geist freier macht und weil es somit den ganzen Menschen bildet, so
werde auch Du ein Turner.


128. Die Thierschutzvereine.

(Der Nebensatz enthält wieder einen Nebensatz.)

Man muß sich leider gar oft überzeugen, daß viele Leute noch gar nicht
einsehen, wie höchst segensreich die Thierschutzvereine wirken. Diese
Erscheinung aber, die eine recht betrübende ist, hat ihren Grund meist
darin, daß viele Menschen, namentlich viele Pferdebesitzer, dem Thiere
nicht die Stellung in der Welt zugestehen, die ihm gebührt.

Manche vermeinen wol auch, das Thier, als ein vernunftloses Wesen,
empfinde den Schmerz, der ihm durch Mißhandlungen zugefügt wird, nicht
in dem Grade wie ein Mensch.

Möchten dergleichen Anschauungen, die doch ganz irrige sind, weil
sie eben auf falscher Beurtheilung der Natur des Thieres beruhen,
bald gänzlich verschwinden. Möchte es den Thierschutzvereinen,
die, trotz mancherlei Hindernissen, ihr edles Werk mit allem Eifer
treiben, gelingen, das Mitgefühl mit der Thierwelt, ohne welches der
Thierquälerei Thür und Thor geöffnet sind, in jedes Menschen Brust zu
pflanzen.

Man muß es mit Freuden wahrnehmen, daß da, wo das Auge solcher Vereine,
das ja oft ein tausendfaches ist, wacht, Mißhandlungen von Thieren, wie
sie sonst fast täglich zu erleben waren, zu den größten Seltenheiten
gehören.

Dank aber auch den Behörden, welche, die gute Sache erkennend, jene
wohlthätigen Vereine, wo sie immer ihren Sitz haben, nachdrücklich
unterstützen, indem die Thierquäler, und zwar ohne Ansehen der Person,
vor Gericht gestellt und gebührend bestraft werden.


129. Ein Apfelkern.

(Desgleichen.)

Man glaubt gar nicht, was in einem einzigen Samenkerne, den wir
vielleicht mit Füßen treten, für Wunder enthalten sind.

Du weißt z. B., daß ein Apfel, der die gehörige Reife erlangt hat,
sechs bis acht braune Kerne enthält. Du erinnerst Dich, wie einfach ein
solcher Kern, der noch dazu ziemlich klein ist, aussieht.

Nun aber bedenke, daß in ihm eigentlich schon der zukünftige Apfelbaum,
dessen breitarmige Aeste später einen geraumen Theil des Gartens
beschatten, enthalten ist. Es bedarf von Deiner Seite weiter nichts,
als daß Du ihn in die Erde, die natürlich kein unfruchtbarer Boden sein
darf, legst.

Was er zu seiner Entwickelung, die dann geheimnißvoll vor sich geht,
nöthig hat, verleiht ihm die gütige Natur. Nach nicht allzulanger Zeit
bemerkst Du, wie sein zarter Keim, hellgrün von Färbung, die Erdrinde,
die sogar etwas fest sein kann, durchbohrt. Bald siehst Du dann, daß
sich aus der grünen Spitze ein Blättchen, das schon ziemlich die Form
der künftigen Baumblätter zeigt, entwickelt.

Die weitere Ausbildung zum Stämmchen, die nun vor sich geht, ist es
werth, von Dir beobachtet zu werden. Wer dergleichen Vorgänge in
der Natur, die eben ein großes Wunderreich ist, mit Aufmerksamkeit
verfolgt, dem muß ein Licht über die Größe des Schöpfers, dessen Kraft
alles Geschaffene durchdringt, aufgehen.


130. Eine Wohlthäterin.

(Desgleichen.)

Barbara Uttmann, die unvergeßliche Wohlthäterin des sächsischen
Erzgebirges, wurde 1514 -- also noch vor der Reformation -- geboren.
Sie verheirathete sich mit einem Bergherrn, welcher den Namen Uttmann
führte und in der Nähe von Annaberg, der Berg- und Gebirgsstadt,
mehrere Grubenwerke besaß.

Das Klöppeln erlernte Barbara -- wie man gewöhnlich annimmt -- von
einer Brabanterin, welche um ihres protestantischen Glaubens willen
aus ihrem Vaterlande, in dem der Katholicismus die Oberhand hatte,
vertrieben worden war. Um diese Kunst, die zu jener Zeit gut lohnte,
weiter zu verbreiten, lehrte sie Barbara Uttmann, ohne aber irgendwie
Bezahlung dafür zu nehmen, zunächst den Mädchen und Frauen Annabergs.

Kaum waren zehn Jahre vergangen, hatte der Klöppelsack -- so nennt man
das Werkzeug, an dem geklöppelt wird -- im ganzen Erzgebirge, wo damals
viel Armuth herrschte, Eingang gefunden. Somit legte die brave Frau
den Grund zu einem Erwerbszweige, der unzähligen Armen Brod gab und
noch heute über 40000 Menschen, die zwischen der bairischen Grenze und
Geising wohnen, beschäftigt.

Barbara Uttmann verdient deshalb auch, daß man ihr, um ihr Andenken
in Ehren zu halten, auf dem Friedhofe zu Annaberg, welcher die
Hospitalkirche umgibt, ein Denkmal gesetzt hat. Es ist aus weißem
Marmor gearbeitet und stellt Barbara dar, wie sie vor ihrem
Klöppelsacke, der ungemein kunstreich ausgeführt ist, sitzt und
arbeitet.

Dieser schöne Grabstein, welcher von allen Fremden, die nach Annaberg
kommen, aufgesucht wird, enthält die Inschrift: „Ein thätiger Geist,
eine sinnige Hand, sie ziehen den Segen ins Vaterland.“


131. Grille und Ameise.

(Der Anführungssatz ist ein Satzgefüge.)

Eine Grille, welche den Sommer in Trägheit verlebt hatte, sprach zur
nahenden Winterzeit zu ihrer Nachbarin, einer Ameise: „Borge mir ein
wenig zu essen, damit ich nicht Hunger leiden muß.“

Ohne etwa augenblicklich vom Mitleid ergriffen zu werden, fragte die
Ameise: „Hast du dir denn keine Speise für den Winter, den du doch
kommen sahst, gesammelt?“

„Ich würde das gewiß gethan haben“, erwiderte die Grille, indem sie
einen etwas schnippischen Ton annahm, „wenn ich nur Zeit dazu gehabt
hätte.“

„Womit hast du denn die Sommertage, die doch sehr lang und für alle zur
Arbeit bestimmt sind, verbracht?“ fragte, nicht ohne Verwunderung, die
Ameise.

Der Grille Antwort, die etwas zögernd erfolgte, war: „Du weißt doch,
daß ich den Sommer über emsig gespielt und gesungen habe!“

Darauf sagte die Ameise, ohne indeß einen bitteren Ton anzunehmen: „Du
hast gewußt, was nach dem Sommer folgt. Wer während des Sommers, der
Zukunft uneingedenk, singt, mag im Winter tanzen.“


132. Eine Geburtstagsscene.

(Zusammengezogene, zusammengesetzte Sätze und Satzgefüge verbunden.)

Der dreizehnjährige Otto schenkte gestern mit freudestrahlendem
Gesichte seinem lieben Vater zum fünfzigsten Geburtstage ein Paar
goldene Knöpfchen von der neuesten Form und ein Rosenstöckchen mit
acht lachenden Knospen; das kleine Lischen überbrachte dem guten
Papa lächelnd eine große Torte aus Chocolade, sowie sechs reizende
Liqueurgläschen aus geschliffenem Glase, und der zehnjährige Sigismund
überreichte ihm fast mit gerührtem Herzen ein prachtvoll gebundenes
Gebetbuch mit herrlichen Stahlstichen und sprach mit bewegter Stimme
ein langes, ergreifendes Gedicht dazu.

Der Vater, welcher sichtlich gerührt war, dankte den Kindern, indem
er jedem einen Kuß auf die Stirn drückte, aufs herzlichste, daß sie
ihn heute in so sinniger Weise überrascht hätten; zu gleicher Zeit
reichte er aber auch der Mutter, welche, ebenfalls Glück wünschend,
hinter den Kindern stand, dankbar die Hand, weil er sie sich als die
Veranstalterin der schönen Feier dachte, und zu dem Ende ordnete er
noch an, daß heute, um auch den Kindern ein besonderes Vergnügen zu
bereiten, ein Ausflug in die etwas entlegene Waldschenke, die in einem
reizenden Buchenhaine lag und deshalb einen herrlichen Aufenthalt
gewährte, unternommen werden solle.

Otto, ein großer Freund des Waldes, jubelte, als er dies hörte, hochauf
vor Freude; Sigismund, der da meinte, es ginge noch dieselbe Stunde
fort, eilte sogleich nach seiner Botanisirtrommel, die ihm, sobald
er ins Freie ging, nie fehlen durfte, und Lischen hüpfte, um ihrer
Freude Ausdruck zu geben, auf einem Beine in der Stube umher, sodaß
die Mutter schließlich noch sagte, sie solle doch ihre Kräfte für die
bevorstehende Partie sparen.


133. An Dich.

(Die Periode.)

Wenn Du die Sprachbilder, welche eigens für Dich, um Dich in Deiner
Muttersprache zu unterrichten, geschrieben sind, mit rechter
Aufmerksamkeit durchgearbeitet hast; wenn Dir die Regeln, welche darin
veranschaulicht werden, recht zum Bewußtsein gekommen sind; wenn Du
namentlich im Auflösen der einzelnen Sätze eine gehörige Fertigkeit,
die allerdings nur durch Uebung erreicht wird, erlangtest; und wenn
Du schließlich, ohne zu ermüden, im Nachbilden des Gegebenen recht
fleißig warst: so wird und muß Dir jetzt Deine Muttersprache, dieses
theure Eigenthum, wie ein herrlicher Baum vorkommen, an dem kein
Blättchen umsonst gewachsen ist; so muß es Dir jetzt möglich sein,
die bewundernswerthen Geisteserzeugnisse unserer Dichter, wie sie
immer heißen mögen, genügend zu verstehen und infolge dessen muß
Deine Achtung vor diesen großen Männern, die mit der Feder in der Hand
Unsterbliches geschaffen haben, immer höher steigen.

Wer sich schon als Kind befleißigt, jedes Wort rein zu sprechen; wer
es durch unermüdlichen Fleiß in der Schule dahin bringt, daß er seine
Gedanken in wohlgeordneter Weise mündlich auszudrücken vermag; wer mit
der Feder, diesem weltbewegenden Instrumente, in befriedigender Weise
umgehen lernt: der legt für sein Fortkommen im Weltverkehre, der solche
Kenntnisse und Fertigkeiten wohl zu schätzen weiß, einen guten Grund;
dem können sich dadurch sogar Gelegenheiten bieten, vortheilhafte
Lebensstellungen einzunehmen; dem wird man wenigstens immer mir einer
gewissen Achtung, die ja viel Werth hat, begegnen.

Befähigten Dich Deine erlangten Sprachkenntnisse indeß später auch
nicht gerade zu einem Volksredner, die allerdings eine Rolle in der
Welt spielen; reichten Deine Errungenschaften auf dem Sprachgebiete
nicht hin, um als Schriftsteller, deren Loos freilich nicht immer
ein beneidenswerthes ist, aufzutreten; vermöchtest Du später Dein
sprachliches Wissen und Können, das Du mit vieler Mühe Dir angeeignet,
nur in einem ganz bescheidenen Berufskreise zu verwenden: immerhin
wirst Du nie bereuen, Dich von dem inneren Baue Deiner Muttersprache
gehörig unterrichtet zu haben, wirst vielmehr dankbar der Zeit
gedenken, da Du ihr inneres Wesen verstehen lerntest, und wirst Dich
gemüßigt finden, der Jugend, die Dich seiner Zeit umgibt, das Studium
der deutschen Sprache aufs dringlichste zu empfehlen.

[Illustration]


Druck von +Otto Huschke+ in Nordhausen.



*** End of this LibraryBlog Digital Book "Sprachbilder nach bestimmten Sprachregeln: Ein einfaches und praktisches Hilfsbuch für den deutschen Sprachunterricht in der Volksschule" ***


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